Inneres

De Maizière: Entschlossen gegen radikalislamische Gefährder vorgehen

Die Bundesregierung hat ihren Willen bekräftigt, nach dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz entschlossener gegen radikalislamische Gefährder in Deutschland vorzugehen und Sicherheitslücken zu schließen. Sie sei entschlossen, dabei keine Zeit zu verlieren, auch nicht durch die Debatte über Versäumnisse der Behörden im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri, betonte Innenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch, 18. Januar 2017, im Bundestag: „Ich beteilige mich nicht an Schuldzuweisungen. Ich konzentriere mich auf die erforderlichen Konsequenzen. Was wir jetzt für richtig halten, sollten wir jetzt umsetzen.“

„Bundesweit standardisierte Gefährderbewertung erforderlich“ 

De Maizière sprach als Eröffnungsredner einer Aktuellen Stunde zum Thema „Entschiedener gegen Gefährder vorgehen – Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit“, die auf Verlangen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD anberaumt worden war. Er beklagte, dass Sicherheits- und Ausländerbehörden Amri zwar frühzeitig im Visier gehabt, all ihre Maßnahmen es aber „nicht vermocht und nicht ausgereicht“ hätten, ihn aufzuhalten. Die Gefährlichkeit eines potenziellen Täters einzuschätzen, gehöre freilich zu den schwierigsten Aufgaben der Sicherheitsbehörden.

Um zu einer treffsichereren Risikobewertung zu gelangen, bedarf es nach Ansicht des Ministers vor allem einer verstärkten Kooperation und Koordination zwischen Bundes- und Landesbehörden. Es müsse aufhören, dass jedes Land die Gefährlichkeit potenzieller Terroristen nach eigenen Maßstäben beurteile: „Wir brauchen eine bundesweit standardisierte Gefährderbewertung“, sagte de Maizière unter Beifall aus dem Plenum. Es dürfe in Deutschland „keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben“.

Verschärft werden müsse überdies die Anwendung der Abschiebehaft „nicht nur für Terroristen, sondern auch für sonstige Kriminelle“. Die mögliche Dauer des Abschiebegewahrsams sei von vier auf zehn Tage zu verlängern. Dies seien Vorschläge, die er bereits im August zum Teil unterbreitet und im Oktober in einen Gesetzentwurf gefasst habe, leider damals ohne Erfolg, bedauerte der Minister.

Linke: Unbegreifliche Saumseligkeit

Für die Linksfraktion ging deren Vorsitzender Dr. Dietmar Bartsch mit der nach seinem Empfinden unbegreiflichen Saumseligkeit der Zuständigen ins Gericht. Nach dem Berliner Anschlag könne niemand sagen, es seien keine Fehler gemacht worden. Wie könne es sein, fragte Bartsch, dass Amri sein Attentat habe verüben können, obwohl sein Fall wöchentlich Gegenstand in Behördenbesprechungen gewesen sei?

Wie sei es möglich, dass der Hinweis eines V-Mannes, er plane einen Anschlag, offenbar ignoriert wurde? Dass seine Observierung im April 2016 gelockert und im September eingestellt worden sei, obwohl gerade damals eine ihn betreffende Warnung des marokkanischen Geheimdienstes vorgelegen habe? „Das alles, meine Damen und Herren, stinkt gen Himmel“, empörte sich Bartsch.

Justizminister: Regeln für Abschiebehaft verschärfen

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) würdigte die nach seinen Worten „beeindruckende Reaktion“ der Berliner Bevölkerung auf den Anschlag. Die Menschen hätten ihr Leben weitergelebt und sich nicht einschüchtern lassen: „Die Angst hatte in dieser Stadt keinen Platz. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass die Angst nicht siegen wird und die Terroristen ihr Ziel nicht erreichen werden“, sagte Maas.

Der Staat sei es Opfern Angehörigen schuldig, „alles zu tun, dass sich so ein Anschlag nicht wiederholt“. Erforderlich seien verschärfte Regeln für die Abschiebehaft und ein energischerer Umgang mit Herkunftsländern, die die Rückführung ihrer in Deutschland nicht  aufenthaltsberechtigten Bürger sabotierten: „Deshalb müssen wir dort kooperativ auftreten, aber vielleicht auch etwas deutlicher.“

Grüne: Verbreiten von Nebel und Unklarheit

Der Grüne Dr. Konstantin von Notz warf der Bundesregierung und insbesondere dem Innenminister vor, an einer Aufklärung der Versäumnisse im Umgang mit Amri nicht interessiert zu sein. „Schwamm drüber, Fehler haben nur die anderen gemacht, so geht es leider nicht“, sagte von Notz. „Wir erleben seit vier Wochen das Verbreiten von Nebel und Unklarheit. Das ist völlig inakzeptabel.“

Die Chronologie der Befassung verschiedener Behörden mit Amri, die mittlerweile vorliegt, sei voller Ungereimtheiten, „jeden Tag kommen neue skandalöse Details heraus“. Geklärt werden müsse, ob Amri möglicherweise bis kurz vor dem Anschlag überwacht worden sei, ob es Versuche gegeben habe, ihn als V-Mann zu rekrutieren, warum man ihn nicht habe ausreisen lassen, als er selbst dies gewollt habe.

CDU/CSU weist Vertuschungsvorwurf zurück 

Der Christdemokrat Dr. Stephan Harbarth wies den Vertuschungsvorwurf empört zurück und beschuldigte seinerseits die Grünen, der Polizei bei jeder Gelegenheit öffentlich in den Rücken zu fallen.

Das wahre Sicherheitsrisiko in Deutschland sei die rot-rot-grüne Koalition in Berlin, sagte Harbarth. (wid/18.01.2017)

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