Parlament

Deutsche und mongoli­sche Abgeordnete loten Zusam­menarbeit aus

Zehn Männer und Frauen stehen nebeneinander vor der Europafahne und der Nationalfahne

Bundestagsvizepräsidentin Michaela Noll (Mitte) beim Empfang der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe; rechts von ihr Dendev Terbishdagva, Vorsitzender der Mongolisch-Deutschen Parlamentariergruppe, Zweiter von rechts Manfred Grund, Vorsitzender der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe. (DBT/Melde)

„Es gibt kaum ein Element des Periodensystems, das nicht im mongolischen Boden lagert“, sagt Manfred Grund (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe, und spielt damit auf den Reichtum der Mongolei an Bodenschätzen an. Das Land zählt zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt. Die Mongolische Republik gilt außerdem unter den asiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion als gelungenes Beispiel eines demokratischen Staatsumbaus, das ein Parlament, ein Mehrparteiensystem und Gewaltenteilung aufweist. Das ist eine gute Voraussetzung, um partnerschaftliche und parlamentarische Verbindungen zu knüpfen. Eine Delegation der Mongolisch-Deutschen Freundschaftsgruppe des „Großen Staatskhurals“ hat vom 8. bis 11. März 2017 auf Einladung der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe den Deutschen Bundestag besucht.

Mongolei auf Partnersuche

Der Neuanfang nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Weg hin zu Demokratie und Marktwirtschaft brachte dem zentralasiatischen Land eine Phase der Stabilität und Entwicklung seit nunmehr 25 Jahren.

„Aber das Erreichte ist in Gefahr“, mahnt Manfred Grund. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie der Preisverfall an den Rohstoffmärkten hätten sich für die Mongolei in den letzten Jahren verschlechtert, eigene Versäumnisse und Fehler kämen hinzu. „Der Ausgang des Transformationsprozesses ist völlig offen.“

In dieser Situation ist der riesige zentralasiatische Flächenstaat mit nur drei Millionen Einwohnern, der außer Russland und China keine Nachbarländer hat, auf der Suche nach Anknüpfungspunkten. Die „Politik des Dritten Nachbarn“ zielt darauf, die politische Abhängigkeit von Russland und China zu verringern, und Partnerschaften mit weiteren Ländern wie den USA, Japan und Deutschland aufzubauen.

Fehlentwicklungen im Rohstoffsektor

Zu den Entwicklungshemmnissen der Mongolei gehören die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf den Rohstoffsektor sowie die für den Staat meist ungünstige Vertragsgestaltung mit den Unternehmen zum Abbau der Bodenschätze. Hier hätten die Mongolen zu Zeiten des Booms überhastet agiert und Verhandlungsfehler gemacht, erklärt Grund. Nur ein geringer Teil der finanziellen Erlöse bleibe im Land. Ein weiteres Problem besteht am Arbeitsmarkt: Lediglich knapp vier Prozent der Mongolen sind im Bergbau beschäftigt, obwohl die Branche die mongolische Volkswirtschaft dominiert und für 90 Prozent der Exporte des Landes steht. Die internationalen Minenunternehmen bringen jedoch meist ihre eigenen Belegschaften von außerhalb mit. Der heimische Arbeitsmarkt könnte den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften allerdings auch nicht decken.

Die Investoren wiederum haben sich nach einer Phase des Booms zurückgehalten, weil sie erfahren mussten, dass sich neue Regierungen nach Wahlen nicht mehr an verabredete Konditionen gebunden fühlten. Wegen des sich verschlechternden wirtschaftlichen Umfelds, struktureller Versäumnisse und ungedeckter politischer Versprechungen hat die Mongolei schließlich einen Schuldenberg von 24 Milliarden US-Dollar angehäuft.

Die jetzige Regierungspartei MVP, die bei der Parlamentswahl 2016 eine exorbitante Mehrheit von über 80 Prozent geholt hat, verfüge allerdings über die politisch-gestalterische Macht, das Land in den kommenden Jahren wirtschaftlich wieder auf Erfolgskurs zu bringen und finanziell zu sanieren, erinnert Grund und schreibt seinen Gästen ins Stammbuch: „Die nächsten vier Jahre sind entscheidend für die Mongolei.“

Deutsche Unterstützung gefragt

Um die Herausforderungen, vor denen die Mongolei steht, und darum, wie Deutschland die Mongolei unterstützen kann, ging es auch bei den bilateralen Gesprächen in Deutschland. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Bundesrepublik den Transformationsprozess der mongolischen Wirtschaft bereits seit über zwei Jahrzehnten in Form finanzieller und technischer Hilfen. Seit den 1990er-Jahren flossen etwa 350 Millionen Euro Entwicklungshilfe in das Land. Damit ist Deutschland eines der größten Geberländer der Mongolei.

Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern falle allerdings immer noch ernüchternd aus und bewege sich auf einem sehr niedrigen Niveau, gab Grund zu bedenken. Es spiegele außerdem die einseitige Ausrichtung der mongolischen Wirtschaft wider. So exportiert die Mongolei vor allem Rohstoffe nach Deutschland, umgekehrt werden vor allem Maschinen, Fahrzeuge und spezielle technische Lösungen geliefert. 2011 unterzeichneten die Bundesrepublik und die Mongolei ein Rohstoffabkommen, das Deutschland einen Zugang zu den mongolischen Ressourcen sichern und gleichzeitig den Rohstoffsektor in der Mongolei modernisieren soll.

Volkswirtschaft muss breiter aufgestellt werden

Es bleibe die wichtigste Aufgabe für die Mongolei, ihre Volkswirtschaft breiter aufzustellen, neue Branchen aufzubauen, und damit weniger abhängig vom Rohstoffmarkt und weniger krisenanfällig zu machen, betont Grund. Dazu müsse die mongolische Regierung die Einnahmen aus dem Verkauf von Bodenschätzen zukunftsgerichtet investieren.

Beim Abschluss von Folgeverträgen mit den Minenunternehmen und der Vergabe neuer Lizenzen wiederum gelte es, besser zu verhandeln und ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Staates und denen der ausländischen Bergbauunternehmen zu schaffen, um einen größeren Anteil der Wertschöpfung im Land zu halten. Und natürlich müsse man andererseits den Investoren Rechtssicherheit gewährleisten.

Ausbildung eigener Arbeitskräfte mit dualem System

Während es auf dem Gebiet der Rohstoffexploration kaum deutsche Unternehmen gebe und man dieses Feld Firmen aus anderen Ländern überlassen müsse, sei deutsches Know-how vor allem im Ausbildungsbereich gefragt, erklärt der Vorsitzende der Parlamentariergruppe. „Die Mongolei will die Ausbildung eigener Arbeitskräfte vorantreiben, um den Fachkräftemangel zu beheben.“ Dazu hätten die mongolischen Politiker auch jetzt wieder erörtert, inwieweit das Duale Ausbildungssystem aus Deutschland auf ihr Land übertragbar wäre. „Wir haben vereinbart, an diesem Thema dran zu bleiben.“

Man plädiere dafür, die Programmarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung weiterzuführen und in der Mongolei eine überbetriebliche Ausbildung einzurichten. Dazu würden in der Mongolei Schulen gebaut und in Deutschland Berufsschullehrer ausgebildet. Bereits 2013 konnte außerdem eine Deutsch-Mongolische Hochschule für Rohstoffe und Technologie ihren Betrieb aufnehmen.

Einige Jahre Erfahrung haben Deutschland und die Mongolei auch bei der Kooperation der Streitkräfte gesammelt. So beteiligen sich mongolische Kräfte seit 2009 am internationalen Afghanistan-Einsatz, die Bundeswehr bildet regelmäßig mongolische Kontingente in der Mongolei aus. Bei einer Unterredung im Verteidigungsausschuss tauschte man sich über Stand und Perspektiven der Streitkräftekooperation aus.

„Schuldentragfähigkeit verbessern“

Schließlich ging es bei den aktuellen bilateralen Gesprächen in Berlin auch darum, wie die Mongolei einen weiteren Anstieg der Staatsverschuldung vermeiden, das Schuldenmanagement verbessern und zu einem Schuldenabbau gelangen kann.

Vor allem erhoffen sich die mongolischen Abgeordneten fachliche Unterstützung von deutscher Seite, um im Rahmen einer Umschuldung beim Internationalen Währungsfonds ihre Schuldentragfähigkeit zu verbessern und einen Staatsbankrott abzuwenden. „Die Mongolen wollen aber nicht nur die Verschuldung stoppen und Kredite tilgen, sondern auch zielgerichtet investieren, um ihr Land auf Dauer wirtschaftlich und finanziell zukunftsfest zu machen.“

34.000 Mongolen haben in Deutschland studiert

Der Vorsitzende der Parlamentariergruppe betont, wie gut und intensiv die Beziehungen zwischen Deutschland und der Mongolei sind. Es gebe einen Austausch auf allen Ebenen, von der Staatsführung, über die Regierung bis zu Kontakten auf parlamentarischer Ebene mit regelmäßigen Besuchen. So reiste eine deutsche Delegation im Oktober 2015 nach Ulan Bator. Nun seien die Mongolen zum Gegenbesuch nach Deutschland gekommen.

Grund erinnerte daran, dass diese Beziehungen zum großen Teil auf den Austausch innerhalb des ehemaligen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe zurückzuführen seien. So absolvierten in den 1970er- und 80er-Jahren 34.000  Mongolen ein Studium in der DDR, lernten die deutsche Sprache und Kultur kennen. Zahlreiche von ihnen arbeiten heute in der mongolischen Verwaltung, viele von ihnen in führender Position, halten weiterhin Kontakt zu Deutschland, fungieren als kulturelle Mittler und erleichtern die Zusammenarbeit.

Besuch in Berlin und Thüringen

Das Besuchsprogramm für die mongolische Delegation in Deutschland trug den aktuellen Themen und Gesprächswünschen der Gäste Rechnung und umfasste Treffen mit Mitgliedern der Ausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung sowie Gespräche im Auswärtigen Amt und mit Experten der politischen Stiftungen. Im Wahlkreis des Vorsitzenden der Parlamentariergruppe, Manfred Grund, in Thüringen informierten sich die Gäste aus der Mongolei darüber, wie sich eine Landschaft nach der Nutzung durch den Kalibergbau rekultivieren lässt.

Abgerundet wurde das Programm mit einer Führung durch das Reichstaesgebäude, der Teilnahme an einer Plenarsitzung auf der Ehrentribüne und einem Empfang der Delegation bei der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Michaela Noll (CDU/CSU).

Die Deutsch-Zentralasiatische Parlamentariergruppe, eine von 54 Parlamentariergruppen in der laufenden Wahlperiode des Bundestages, ist zuständig für die Länder Kasachstan, Kirgisistan, Mongolei, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Pro Wahlperiode sind zwei Delegationsreisen seitens des Bundestages vorgesehen, bei denen zwei oder drei Länder besucht werden. Die Partnerländer entsenden jeweils eine Delegation zum Gegenbesuch nach Berlin (ll/15.03.2017)

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