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Gerda Hasselfeldt: Nicht ich bin wichtig, das Amt ist wichtig

Porträtaufnahme einer älteren Frau mit Brille und grauen Haaren

Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) (DBT/Melde)

„Das ist meine letzte Wahlperiode im Deutschen Bundestag. Nach 30 Jahren Parlamentsarbeit und verschiedenen interessanten und einflussreichen Positionen werde ich im Herbst 2017 nicht mehr kandidieren“, gab Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der Landesgruppe der CSU im Deutschen Bundestag, im April 2016 bekannt. Wie immer, wenn sich Spitzenpolitiker zurückziehen, ist die Nachricht für einige ein Paukenschlag, für andere keine Überraschung.

Die CSU-Politikerin hat die Entscheidung, wann sie sich aus der Bundespolitik zurückzieht, eigenständig und selbstbestimmt getroffen. Das war ihr wichtig. „Schwergefallen ist mir die Entscheidung eigentlich nicht. Ich bin 67 Jahre alt und denke, dass Jüngere das Ruder übernehmen sollten. Ich bin mir sicher, es ist der richtige Zeitpunkt, wenn Parteifreunde, Mitstreiter und die Menschen im Wahlkreis sagen, es ist schade, dass sie geht “, sagt die CSU-Politikerin und wirkt dabei völlig entspannt.

Vertraute der Kanzlerin und geschätzte Politikerin

Seit 48 Jahren ist Gerda Hasselfeldt Mitglied der CSU, drei Jahrzehnte ist sie Bundestagsabgeordnete. Seit 2011 ist sie Vorsitzende der Landesgruppe der CSU. Gerda Hasselfeldt verfügt nicht nur über eine große politische Erfahrung, sie wird für ihre ruhige, aber auch konstruktive und vermittelnde Art im politischen Diskurs parteiübergreifend von vielen Abgeordneten geschätzt. Ihr Verhältnis zu Angela Merkel gilt als vertrauensvoll. Sie selbst sagte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Unser Verhältnis ist nicht geprägt von Seilschaft oder Kumpanei. Das ist uns beiden fremd. Es ist ein angenehmes, unverstelltes Verhältnis. Jede von uns macht ihren Job.“  

Gerda Hasselfeldt verteidigt die Bundeskanzlerin auch gegen Kritik aus der eigenen Partei, wenn sie diese für nicht gerechtfertigt hält. Wie zum Beispiel die Frage, ob die Kanzlerin 2017 kandidieren sollte, die in der CSU kontrovers diskutiert wurde. Gerda Hasselfeldt wird in der Zeitung „Die Welt“ mit den Worten zitiert: „Die Kanzlerschaft von Angela Merkel war seit 2005 eine erfolgreiche für dieses Land. Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel. Die Zusammenarbeit zwischen Politikern sollte unabhängig von ihrem persönlichen Verhältnis funktionieren. So professionell müssen wir sein.“ So professionell ist auf jeden Fall Gerda Hasselfeldt, die mit großer Disziplin ihre Arbeit als Landesgruppenvorsitzende zuverlässig erledigt. 

Nachrückerin für Franz Josef Strauß

Nach 30 Jahren tritt Gerda Hasselfeldt von der bundespolitischen Bühne ab und beendet eine außerordentliche politische Karriere. Diese begann aber nicht erst 1987, als die Politikerin als Nachrückerin für Franz Josef Strauß (CSU) in den Deutschen Bundestag kam. Der bayerische Ministerpräsident war zur Bundestagswahl 1987 als Spitzenkandidat angetreten, entschied sich aber nach der Wahl, Ministerpräsident von Bayern zu bleiben. 

Für Gerda Hasselfeldt, die damals bereits über eine große politische Erfahrung verfügte, war es nicht nur eine Chance, es war auch selbstverständlich, dass sie nach Bonn ging. Obwohl sie zuvor mit zwei Kindern voll berufstätig war, veränderte diese Entscheidung ihr ganzes Leben: „Vor 30 Jahren war es überhaupt keine Selbstverständlichkeit, dass Mütter berufstätig sind, und das Wort ,Rabenmutter' war auch keine Seltenheit. Nun war ich Bundestagsabgeordnete, und das machte die Sache nicht leichter. Meine Tochter war damals vier Jahre alt, mein Sohn zehn, und ich war in den Sitzungswochen nicht zu Hause. Da flossen am Montagmorgen, wenn ich meine Tochter in den Kindergarten brachte und anschließend zum Flughafen fuhr, um nach Bonn zu fliegen, oft Tränen. Meist bei mir, denn ich wusste, dass ich die Kinder wieder eine Woche nicht sehen werde“, erinnert sich Gerda Hasselfeldt. 

Das Elternhaus als politische Keimzelle

Wie sich das Familienleben gestaltet, wenn ein Elternteil in der Politik Verantwortung übernimmt, erfuhr Gerda Hasselfeldt schon als Kind in der eigenen Familie.

Sie sagt: „Mein Vater war über Jahrzehnte ehrenamtlicher Bürgermeister, Landtagsabgeordneter in Bayern, und von 1965 bis 1983 gehörte er dem Deutschen Bundestag an – er war ein Vollblutpolitiker. Unsere Familie hatte ein Gasthaus, und so lange ich mich zurückerinnern kann, wurden dort politische Diskussionen geführt. Oft fanden die Parteisitzungen der CSU in unserer Gaststube statt. Obwohl meine Mutter immer darauf achten wollte, dass sich das politische Engagement des Vaters nicht auf die ganze Familie ,ausbreitete', bin ich – und später auch mein Bruder – in die Politik gegangen. Mein Zuhause war sozusagen meine politische Keimzelle.“ 

Mit 18 Jahren Mitglied der CSU

Der Grundstein für das politische Engagement von Gerda Hasselfeldt war gelegt. Am Gymnasium wurde sie Schulsprecherin, mit 18 Jahren trat sie in die Junge Union (JU) ein, wurde gleich JU-Ortsvorsitzende und CSU-Mitglied. Doch auch die berufliche Zukunft behielt die Straubingerin im Blick. Nach dem Abitur studierte Gerda Hasselfeldt Volkswirtschaft an den Universitäten in München und Regensburg. Ihre erste Anstellung als Diplom-Volkswirtin fand sie im Arbeitsamt in München. Sie war aber auch weiterhin politisch sehr aktiv, denn ab 1978 gehörte sie dem Kreistag in Regen an.

Es war für Gerda Hasselfeldt eine sehr intensive Zeit. Sie arbeitete gern in München, aber ebenso leidenschaftlich engagierte sie sich in der CSU. „Ich bin zu partei- und kommunalpolitischen Veranstaltungen nach Hause gefahren und am frühen Morgen wieder zurück nach München“, erinnert sich die Politikerin. Die CSU konnte auf die disziplinierte und verlässliche Politikerin von Beginn an zählen, die von sich selbst sagt: „Ich habe immer unverkrampft und mit großem Einsatz meine Arbeit gemacht. Für mich war immer wichtig, mich den Herausforderungen zu stellen.“

Bundesministerin und Rücktritt

Dass sich die CSU-Politikerin großen Herausforderungen stellt, bewies sie 1989, als sie zur Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau berufen wurde. Zwei Jahre später übernahm sie das Bundesministerium für Gesundheit als Ministerin, trat aber nach 15 Monaten zurück. Zu einem solchen Schritt gehört Mut, und Gerda Hasselfeldt erklärt, warum sie sich für diesen Rücktritt entschieden hatte. „Ich hatte damals gesundheitliche Probleme. Hinzu kamen Schwierigkeiten im Ministerium, denn mit manchen Personalkonstellationen war ich nicht glücklich. Ich war jung und zu unerfahren, um im Haifischbecken in der Gesundheitspolitik klar Schiff zu machen.“

Der Rücktritt war für Gerda Hasselfeldt kein Grund zur Resignation, denn es ging politisch nicht bergab. Sie wurde Mitglied im Verkehrsausschuss und 1995 finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU Bundestagsfraktion – ein Novum, denn bis zu diesem Zeitpunkt war noch keine Frau aus der CSU überhaupt Mitglied im Finanzausschuss.

Vizepräsidentin des Bundestages

Nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 wurde Gerda Hasselfeldt Vizepräsidentin des Bundestages – ein Amt, in das die CSU-Politikerin 2009 erneut gewählt wurde und das sie sehr gern ausübte, auch wenn der politische Einfluss dieses Amtes eher gering ist.

Als sich im Jahr 2011 das politische Personalkarussell drehte und Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) Bundesinnenminister wurde, musste die Position der Landesgruppenleitung der CSU neu besetzt werden. Die Wahl fiel auf die zurückhaltende und verlässliche Gerda Hasselfeldt. Damit wurde sie die erste Landesgruppenchefin in der Geschichte der CSU und gleichzeitig erste stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Auch andere hatten damit geliebäugelt, dieses Amt zu übernehmen. Gerda Hasselfeldt hat sich nie ins Gespräch gebracht und sagt: „Ich bin überhaupt kein Typ, der sofort ,hier' schreit, wenn Posten zu vergeben sind. Ebenso wenig habe ich jemals jemandem eine Position streitig gemacht.“

Professionell und sachlich

Gerda Hasselfeldt hat als Landesgruppenchefin der CSU weder politisches Porzellan zerschlagen noch den politischen Gegner lautstark attackiert, sondern sechs Jahre lang professionell und mit ruhiger Hand die Landesgruppe geleitet. Lautstarker Streit ist ohnehin nicht ihr Verständnis der politischen Auseinandersetzung, schon gar nicht Streit um des Streitens willen.

„Wenn ich mit jemandem etwas zu klären habe, spreche ich es offen an, bleibe aber in meiner Wortwahl sachlich“, sagt die CSU-Politikerin. Ob die vielen verantwortungsvollen Positionen sie verändert haben? „Die Gefahr besteht, dass das Amt den Menschen verändert, wenn der Mensch es zulässt. Ich habe aber immer nach dem Motto gehandelt: Nicht ich bin wichtig, sondern das Amt und die Menschen.“

Mehr Zeit für die Familie, für Konzerte und die Oper

Die Frage bleibt: Was wird Gerda Hasselfeldt tun, wenn sie in den bundespolitischen Ruhestand gegangen ist?  „Planungen habe ich noch nicht gemacht, ich lasse das auf mich zukommen. Ich freue mich aber darauf, mehr Zeit für die Familie zu haben, für die Kinder und Enkelkinder.

Das Familienleben kommt oft zur kurz, wenn man politisch in Verantwortung steht und das Gefühl, etwas zu verpassen, wird dann sicher geringer werden. Ich freue mich auch darauf, wieder öfter in Konzerte oder in die Oper zu gehen, denn dafür blieb in den letzten Jahren viel zu wenig Zeit. Ich glaube nicht, dass ich mich langweilen werde“. (bsl/31.07.2017)

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