Parlament

Houyem aus Tune­sien: Wir sind auf dem richti­gen Weg zur Demo­kratie

Eine junge Frau und ein Mann mittleren Alters stehen sich in einem Flur gegenüber.

IPS-Stipendiatin Houyem Mighri im Gespräch mi dem FDP-Abgeordneten Markus Herbrand (DBT/photothek.net)

Die für das Gespräch bereitgestellten Plätzchen rührt sie nicht an und auch am Wasser nippt sie nicht. Es ist der 6. Juni 2018 und Houyem Mighri fastet. Während des Ramadans isst und trinkt die Muslima aus Tunesien zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts. „Ich bin daran gewöhnt“, sagt die 25-Jährige, die am noch bis Ende Juli laufenden Programm des Internationalen Parlaments-Stipendiums des Bundestages (IPS) teilnimmt und derzeit ihr Praktikum im Bundestagsbüro des Abgeordneten Markus Herbrand (FDP) absolviert. In Deutschland sei der Tag zwar länger – und damit auch die Fastenzeit. „Dafür ist es nicht so warm wie in Tunesien“, sagt Houyem Mighri und lächelt.

Das beeindruckt auch den Bundestagsabgeordneten. „Trotz des Fastens ist sie im Grunde immer gut gelaunt“, sagt Herbrand, der zudem die guten Deutschkenntnisse seiner „Praktikantin“ lobt. „Ich finde, sie spricht hervorragend Deutsch“, sagt er. Begonnen habe sie damit im Gymnasium, als sie einige der eher Wenigen war, die die deutsche Sprache gelernt haben, ergänzt Houyem Mighri. Später studierte sie Germanistik, schreibt derzeit ihre Masterarbeit und will noch einen weiteren Masterstudiengang in Deutschland folgen lassen.

„Wir haben Religions- und Pressefreiheit“

Dass sie sich für das IPS-Programm beworben hat, begründet sie mit ihrem politischen Interesse und dem Fakt, dass Deutschland und Tunesien schon immer eng verbunden gewesen seien. Das Interesse an Politik habe sich nach der Revolution in Tunesien entwickelt. „Ich war bei verschiedenen Treffen und Veranstaltungen dabei“, erzählt sie. 

Ihre politische Heimat gefunden hat sie in der Ennahda-Partei, die derzeit eine Zweidrittelmehrheit im tunesischen Parlament habe und im deutschen Parteiensystem am ehesten mit der CDU vergleichbar sei, erzählt sie. Die 25-jährige Tunesierin sieht die Entwicklung in ihrer Heimat durchaus positiv. Es habe sich in den vergangenen Jahren viel getan. „Wir haben inzwischen Religionsfreiheit und Pressefreiheit“, sagt sie. Auf der anderen Seite gebe es zwar noch wirtschaftliche Probleme. „Aber das ist ganz normal nach einer Revolution und wird mit der Zeit besser“, gibt sie sich zuversichtlich. „Wir sind auf dem richtigen Weg zur Demokratie“, sagt sie.

Internationale Beziehungen im Blick

Ihre Zeit im „Herzen der Demokratie“ in Deutschland – im Deutschen Bundestag – findet sie großartig. „Mich hat total überrascht, dass ich an Plenarsitzungen und sogar Ausschusssitzungen teilnehmen darf“, sagt sie. Sie sei zuversichtlich, dass ihr die Zeit im Bundestag auch bei ihrer zukünftigen Karriere helfen könne. „Schaden kann es sicher nicht“, findet Markus Herbrand. Houyem Mighri sieht ihre berufliche Zukunft im Bereich der internationalen Beziehungen. Eine Arbeit für Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) kann sie sich gut vorstellen.

Nicht so sehr im Bereich des Finanzwesens. In Herbrands Fachausschuss, dem Finanzausschuss, kann sie dem Geschehen nicht immer folgen, räumt sie ein. „Ich bin ja schließlich auch Germanistin.“ Den FDP-Politiker aus  Euskirchen, der auch dem Aachener FDP-Bezirksverband vorsitzt, wundert das nicht. „Ich halte es fast für unmöglich, dass jemand im Finanzausschuss als Gast oder Zuhörer, der keine Affinität zu Steuern oder Kapitalmarkt hat, dem Geschehen folgen kann. Das gilt nicht nur für Tunesier, sondern auch für deutsche Muttersprachler“, sagt der gelernte Steuerberater.

„Da kommt neuer Wind rein“

Für ihn ist die Anwesenheit Houyem Mighris im Berliner Abgeordnetenbüro eine absolut positive Sache. „Ich freue mich, sie kennengelernt zu haben. Da kommt neuer Wind rein“, sagt er. Hauptargument für seine Bereitschaft, beim IPS mitzumachen, sei es jedoch gewesen, „jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, das Geschehen im Bundestag aus nächster Nähe zu beobachten“.

Dabei ist der 47-jährige Liberale im Grunde selber noch ein Neuling im hohen Hause. Im Herbst über die Landesliste Nordrhein-Westfalen für die FDP in den Bundestag eingezogen, „war ich dann schon selber überrascht, wie groß das hier alles ist“. Inzwischen kennt er sich natürlich gut aus, aber: „Trotz meines gutes Ortssinns habe ich mich schon mehrfach in den unendlich verschlungenen Gängen hier in den Gebäuden verlaufen“, gibt er zu. (hau/09.07.2018)

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