Parlament

Stipen­diatin Lara aus Beirut: Auch der Liba­non hat eine Flüchtlings­krise

Anna Christmann (links) und ihre Stipendiatin Lara Dik bei einem Arbeitsgespräch.

Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) und ihre Stipendiatin Lara Dik (DBT/photothek.net)

Lara Dik ist wie für die Arbeit mit Flüchtlingen gemacht. Sie spricht Deutsch, Englisch und Arabisch – ist politisch interessiert und sozial engagiert. Als in Wien geborene und in der libanesischen Hauptstadt Beirut aufgewachsene Tochter einer Österreicherin und eines palästinensischen Libanesen kann sie die deutsche und österreichische Kultur ebenso verstehen wie die syrische, libanesische und irakische Kultur. „Ja, ich kann mir vorstellen, für eine gewisse Zeit in dem Bereich zu arbeiten“, sagt die 24-Jährige, die noch bis Ende Juli am Programm des Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) teilnimmt und ihr dazugehörendes Praktikum im Abgeordnetenbüro von Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) absolviert.

Für Lara Dik ist das IPS eine Gelegenheit zu erleben, „wie die Demokratie in Deutschland funktioniert“, die ja noch nicht so alt sei, sich aber nach dem Zweiten Weltkrieg ziemlich schnell entwickelt und gefestigt habe. „Gut finde ich auch, dass es neben der politischen Arbeit auch Seminare gibt und die Möglichkeit, Vorlesungen an den Berliner Universitäten zu besuchen“, sagt die Libanesin, die das Leben in Berlin als durchaus vergleichbar mit dem Leben in Beirut einschätzt. „Vor allem das Nachtleben“, sagt sie schmunzelnd. 

„Lösungsorientiert und kompromissbereit“

Die Vielzahl an Soldaten auf den Straßen Beiruts würde vielleicht den einen oder anderen Deutschen überraschen. Die Libanesen seien aber daran gewöhnt und empfänden das als normal. Schade findet es Lara Dik, dass in den Medien Beirut immer nur im Zusammenhang mit irgendwelchen Krisen erwähnt werde „und keiner über die schönen Sachen spricht, die es auch gibt“.

Was die Arbeit im Deutschen Bundestag angeht, so hat sie nach eigener Aussage am meisten überrascht, dass – zumindest innerhalb der Fraktion – „alle einander zuhören, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind“. Das habe sie in den Fraktionssitzungen mehrfach erlebt. „Bei uns ist es eher so, dass dem anderen nicht zugehört wird und sich viele auf ihre Meinung versteifen.“ Die Bundestagsabgeordneten seien hingegen „lösungsorientiert und kompromissbereit“.

„Eine Errungenschaft der Demokratie“

Ein Lob, das Anna Christmann gerne annimmt. In der Politik müsse man kompromissbereit sein. „Wir haben das ja beispielsweise bei den Jamaika-Verhandlungen gezeigt“, sagt die Grünen-Abgeordnete. Auch die Große Koalition bestehe zum Großteil aus Kompromissen. „Es ist eine Errungenschaft der Demokratie, dass man Kompromisse finden kann. Und ich empfinde auch eine gewisse Verpflichtung, Kompromisse zu finden“, sagt Christmann.

Die 34-Jährige aus Stuttgart sitzt erst seit Beginn dieser Wahlperiode im Bundestag und findet es „klasse, dass der Bundestag so international orientiert ist, gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir eine unruhige Weltlage haben und sich viele Staaten nur um ihre nationalen Sorgen kümmern“. Umso wichtiger sei es, so ein Programm zu haben, wo man andere Kulturen kennenlernen kann. „Das ist auch gut für die eigene politische Arbeit.“

„Die Menschen sind frustriert“

Und so hört sie genau zu, wenn Lara Dik von ihrer Arbeit in den libanesischen Flüchtlingslagern erzählt. Die Flüchtlingsproblematik stelle den Libanon vor große Probleme, sagte die Stipendiatin. „Es gibt bei uns keine Aufnahmeverfahren. Die Flüchtlinge kommen über die Grenzen – auch über die grünen Grenzen – und sind dann einfach da. Sie haben aber keine Rechte und auch keine Unterstützung“, sagt sie. 

Für Flüchtlinge, die beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) angemeldet seien, bestehe zwar die Möglichkeit auf eine finanzielle Unterstützung. Dann entstehe aber ein Spalt zwischen den armen Libanesen, die keine Unterstützung bekommen, und den Flüchtlingen, was auch ein Problem sei. „Es gibt nicht genug Wohnraum, es gibt keine Arbeit – alles ist überladen, und die Menschen sind frustriert. Das ist eine große Krise“, fasst sie die Situation zusammen.

„Nachbarländer mit noch größeren Herausforderungen“

Vor dem Hintergrund der in Deutschland geführten Diskussionen zum Thema Flüchtlingskrise sei es „total spannend, so etwas zu hören“, sagt Anna Christmann. Das zeige: „Deutschland unternimmt zwar große Anstrengungen. Aber die Nachbarländer in der Krisenregion haben noch viel größere Herausforderungen zu bewältigen.“

Daran wird in Kürze auch wieder Lara Dik mitarbeiten. Neben den Kenntnissen über die deutsche und österreichische sowie die syrische, libanesische und irakische Kultur helfen ihr dabei möglicherweise auch die im Bundestag gemachten Erfahrungen. (hau/23.07.2018)

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