Auswärtiges

Deutschlands Rolle als Mitglied im UN-Sicher­heitsrat 2019/2020

Innenansicht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ hat am Montag, 24. September 2018, darüber beraten, wie sich die Fähigkeiten der Staatengemeinschaft bei der internationalen Krisenprävention stärken lassen. Und wie Deutschland seine zweijährige Mitgliedschaft 2019/20 im Uno-Sicherheitsrat nutzen kann, um die Instrumente der Vereinten Nationen zur zivilen Krisenprävention auszubauen. An der Sitzung nahmen unter dem Vorsitz von Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen) die Sachverständigen Johann Frisell, stellvertretender Botschafter des Königreichs Schweden in Deutschland, und Dr. Annette Weber, Wissenschaftlerin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, teil.

Pläne der Bundesregierung 

Andreas Künne, Beauftragter für Vereinte Nationen und Terrorismusbekämpfung im Auswärtigen Amt (AA), erläuterte die Pläne der Bundesregierung für die zweijährige Mitgliedschaft in dem einflussreichsten UN-Gremium, in das Deutschland nun zum sechsten Mal gewählt wurde. Angesichts der Vielzahl internationaler Konflikte und absehbar sich zuspitzender Krisen werde man die Konfliktprävention zum zentralen Thema der zwei Jahre machen. Die Weltgemeinschaft müsse mit Krisen vorausschauender umgehen, und zwar sowohl was die Bekämpfung von Konfliktursachen angehe als auch was die Konfliktnachsorge betreffe.

So ließen sich kostspielige Eskalationen vermeiden, wenn man die negativen Auswirkungen des Klimawandels für die Sicherheitslage vielerorts in die Konfliktbearbeitung einbeziehe. Ein Wiederaufflammen von Konflikten nach dem Abschluss einer UN-Mission wiederum könne verhindert werden, wenn man den Übergang von einer auslaufenden Mission zur Konfliktnachsorge besser plane. „Die Tendenz, sich vorausschauend mit Krisen zu befassen hat im Sicherheitsrat leider nicht zugenommen“, sagte Künne. „Der Sicherheitsrat muss sich früher und umfassender mit Krisen befassen. Wir wollen, dass der Sicherheitsrat alle Phasen eines Konfliktes stärker ihn den Blick nimmt“, formulierte der AA-Direktor das Ziel der Regierung.

Wenig Raum für Reform der UN

Angesichts der hohen Erwartungen an die deutsche Mitgliedschaft, zahlreiche weitere relevante Themen in das UN-Gremium einzubringen, müssen man sich jedoch vor Augen führen, dass das Alltagsgeschäft des Sicherheitsrates sich zum ganz überwiegenden Teil im Abarbeiten aktueller Krisen erschöpfe. Da bleibe wenig Raum für die Behandlung struktureller Fragen und Reformen.

Künne zeigte sich allerdings optimistisch, dass Deutschland auf dem Gebiet der Krisenprävention während seiner Mitgliedschaft im Weltsicherheitsrat einige Erfolge werde erzielen können. Die Bundesrepublik genieße auf diesem Gebiet hohes internationales Ansehen. Deutschland habe schließlich das Budget für die Krisenprävention mehr als verdreifacht. „Weil wir in diesem Bereich eine besonders hohe Glaubwürdigkeit haben, stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir die Dinge ein Stück weit voranbringen können.“

Schweden betreibt „feministische Außenpolitik“

Die allzu enge Definition der Zuständigkeit des Sicherheitsrates trage mit dazu bei, dass Konflikte dort erst behandelt würden, wenn sie bereits ausgebrochen sind, sprach Johann Frisell ein strukturelles Problem dieses Gremiums an. Der schwedische Diplomat berichtete aus den zurückliegenden zwei Jahren, in denen sein Land als nichtständiges Mitglied dem Sicherheitsrat angehörte, und unterstrich die Gemeinsamkeiten mit der deutschen Agenda. Die Regierungen und Verwaltungen beider Länder stünden in engem Austausch. Damit sei inhaltlich Kontinuität gegeben. Dies bestärke ihn in dem Glauben, dass auch die nichtständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates etwas bewirken können. Das Thema Konfliktprävention habe zu den Prioritäten der schwedischen Mitgliedschaft gezählt. Ein Engagement auf diesem Gebiet sei „Teil der DNA  der schwedischen Außenpolitik“.

Als erstes Land der Welt betreibe Schweden zudem eine „feministische Außenpolitik“. Die Rolle von Frauen in der internationalen Sicherheitspolitik zu stärken, gehöre ebenso zu den Leitmotiven der schwedischen Politik. Man werde dieses Ziel weiter hartnäckig verfolgen. Der Beitrag von Frauen beim Krisenmanagement sei unverzichtbar. Man habe es in den vergangenen zwei Jahren anknüpfend an die Resolution 1325 geschafft, Präsenz und Beiträge von Frauen in der Arbeit des Sicherheitsrates, auf allen Ebenen und in allen Phasen des Konfliktmanagements, weiter zu  steigern.

Aktuelle Konflikte und Rückzug der USA

Um die Erfolgsaussichten der internationalen Bemühungen im Konfliktmanagement zu verbessern, mahnte Annette Weber, die Konfliktprävention noch stärker als regionale Herausforderung zu begreifen, statt lediglich einzelne Länder in den Fokus zu nehmen. Dazu gehöre auch, regionale Organisationen sowie lokale zivilgesellschaftliche Akteure in die Arbeit der Weltorganisation einzubeziehen und deren Kommunikation untereinander zu verbessern. Man müsse außerdem darauf hinwirken, die Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen in Konflikten und die Sanktionsinstrumente des Sicherheitsrates gegenüber Konfliktparteien besser aufeinander abzustimmen.

Deutschland bewege sich mit seiner Agenda angesichts der aktuellen Konflikte und des Rückzugs der USA aus vielen Bereichen, in denen die westliche Führungsmacht bislang Verantwortung übernommen hatte, in schwierigem Fahrwasser und müsse ausloten in welchen strategischen Rahmen es seine Aktivitäten im Bereich des Krisenmanagements stellen wolle. „Der Sicherheitsrat tut sich momentan sehr schwer im Bereich der Konfliktprävention“, so die Wissenschaftlerin.

Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung

Wie sehr der Weltsicherheitsrat und die Vereinten Nationen als Ganzes momentan als Regelsetzer weltweit in Frage gestellt werden, das rief auch Thorsten Frei (CDU/CSU) in Erinnerung und äußerte die Hoffnung, dass gerade vor diesem Hintergrund die zivile Krisenprävention eine Chance für den Sicherheitsrat biete, wieder zu mehr gemeinsamem Handeln zurückzufinden. Umso mehr gehe es darum, die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen an ihre bisherigen Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung zu erinnern, forderte Johannes Selle (CDU/CSU). Deutschland müsse seine Mitgliedschaft im Rat dazu nutzen, diese wesentliche Konfliktursache ins Gespräch zu bringen.

Andererseits dürfe man beim Konfliktmanagement nicht immer nur an die kleinen Länder als Zielgebiete der Bemühungen und Einsätze der Vereinten Nationen denken. „Um die Konflikte der Welt zu lösen, brauchen wir die Großmächte.“ Die aber lägen momentan vielfach miteinander im Streit und blockierten so häufig den Sicherheitsrat. Müsse man nicht auch versuchen, beispielsweise zwischen China und den Vereinigten Staaten bei ihrem Konflikt im chinesischen Meer zu vermitteln?

Zentrale Herausforderung für die Regierungen und den Sicherheitsrat sei mehr denn je, das Wissen um aufziehende Krisen in Entscheidungen zu gemeinsamem Handeln zu überführen, sagte Künne. Die Datenlage über Konflikte werde immer besser. Von den Akteuren verlangten die Bürger, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sowie den Mut, entsprechende Entschlüsse zu fassen und auch damit verbundene Risiken zu übernehmen. „Die Kardinalfrage für den Sicherheitsrat ist heute, aus dem Modus des “early warning„ zu “early action„ zu kommen.“ (II/25.09.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Johan Frisell, Schwedische Botschaft in Berlin
  • Dr. Annette Weber, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

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