Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 22. November 2018, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:

Tier- und Umweltschutz: Der Bundestag lehnte mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP bei Enthaltung der Linken einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Kein Verbot besserer Tier- und Umweltschutzstandards im Handel“ (19/5891) ab, der eine Stellungnahme der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes gegenüber einem EU-Richtlinienvorschlag über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette (Ratsdokument 7809/18) vorsah. Die Grünen wollten, dass die Bundesregierung in Brüssel diesen Richtlinienvorschlag ablehnt. Vor allem kritisierten sie, dass es dem Handel künftig unmöglich gemacht werden soll, von Lieferanten Umwelt- und Tierschutzstandards zu verlangen, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen. Damit werde das erklärte Interesse zahlreicher EU-Bürgerinnen und Bürger missachtet, Produkte mit besserem Umwelt- und Tierschutzstandard kaufen zu wollen, heißt es zur Begründung.

Neuordnung des Tierzuchtrechts: Einstimmig hat der Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Tierzuchtrechts (19/4950, 19/5420, 19/5647 Nr. 2) in der vom Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft geänderten Fassung (19/5682) angenommen. Dabei geht es um die Anpassung des deutschen Tierzuchtrechts an EU-Vorgaben. Das Tierzuchtgesetz vom 21. Dezember 2006 wurde aufgehoben und ein neues Tierzuchtgesetz beschlossen. Geändert wurde außerdem das Rinderregistrierungsdurchführungsgesetz. Die dem Gesetz zugrunde liegende EU-Tierzuchtverordnung regelt unter anderem die Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen in den Mitgliedstaaten der EU und die Genehmigung von Zuchtprogrammen, die Rechte und Pflichten von Züchtern, Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen, die Eintragung von Zuchttieren in Zuchtbücher und Zuchtregister und die Zulassung zur Zucht sowie Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen, Referenzzentren der Europäischen Union im Bereich Tierzucht, die Ausgabe von Tierzuchtbescheinigungen, die Einfuhr von Zuchttieren und deren Zuchtmaterial in die EU sowie amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten.

EU-Verordnungen zur Finanzaufsicht: Bei Enthaltung der FDP und gegen das Votum der AfD lehnten die übrigen Fraktionen einen Antrag der AfD-Fraktion (19/5910) ab, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, eine Reihe von Verordnungsentwürfen der Europäischen Union in Brüssel als Verstöße gegen die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu rügen. Dabei geht es um die Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und einer Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, um einen Europäischen Risikokapitalfonds und einen Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum, um Märkte für Finanzinstrumente, um europäische langfristige Investmentfonds, um Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, um den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, und um die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Ratsdokument 12111/18). Die AfD sieht die Notwendigkeit dieser Vorhaben nicht ausreichend begründet. Die Zusammenarbeit der EU-Staaten sei gewährleistet, ein Zugewinn an Effektivität könne man weder der geplanten Zentralisierung noch der Ausweitung der Befugnisse unterstellen.

Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag hat zwölf Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern, die beim Bundestag eingegangen und im Ausschuss bereits beraten worden sind, angenommen. Die Beschlussempfehlungen beziehen sich auf die Sammelübersichten 125 bis 136 des Petitionsausschusses (19/556619/556719/556819/556919/557019/557119/557219/557319/5574, 19/557519/5576, 19/5577).

Sicherung und Stärkung europäischer Demokratie

Darunter befindet sich auch eine öffentliche Petition mit der Forderung, der Deutsche Bundestag solle seinen „europapolitischen Einfluss und seine Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung und Stärkung europäischer Demokratie in der 19. Legislaturperiode intensiv nutzen“. 

Dazu sollen nach den Vorstellungen der Petentin der Bundesregierung konkrete Vorgaben in den Bereichen Wahlrecht, Reform der EU-Institutionen, Sicherung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Transparenz gemacht werden.

„Reale Gefahr, dass europäische Einigung scheitert“

Zur Begründung des Anliegens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der aktuelle Zustand der Europäischen Union (EU) eine Bedrohung für den Zusammenhalt in Europa darstelle. Zum ersten Mal bestehe die reale Gefahr, dass die europäische Einigung scheitert. Die „Hinterzimmerpolitik“ der nationalen Regierungen habe keine Zukunft, heißt es in der Petition. In dieser Situation sei es „wichtiger als je zuvor“, dass die Bürger Europas selbst über ihre Zukunft entscheiden.

Aus Sicht der Petentin muss das europäische Wahlrecht dadurch gestärkt werden, dass die Kommissionpräsidentschaft durch die Bürger bestimmt wird, indem Spitzenkandidaten der europäischen Parteien zur Wahl stehen. Zudem solle eine europäische Zweitstimme für die Europawahl eingeführt werden.

Europäisches Parlament sollte EU-Kommission wählen

Außerdem müssten europäische Institutionen demokratischer und effektiver gestaltet werden. Das Europäische Parlament brauche ein volles Initiativ- und Mitentscheidungsrecht. Zudem müsse es das Parlament sein, welches die EU-Kommission wählt.

Weiter heißt es in der Petition, im Sinne der Sicherung von Demokratie und Rechtsstaat solle der Europäische Gerichtshof (EuGH) künftig Sanktionen gegen Mitgliedstaaten verhängen können, die Grundwerte der EU massiv verletzen. Ferner solle die Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft in den EU-Mitgliedstaaten durch geeignete Programme gestärkt werden.

Live-Streaming der Sitzungen aller EU-Gremien

Zur Gewährleistung von Transparenz sollten alle Sitzungen von EU-Gremien durch Live-Streaming zugänglich gemacht werden, lautet eine weitere Forderung in der Petition. 

Benötigt werde auch ein verpflichtendes Lobbyregister sowie ein Verzeichnis aller Treffen von Lobbyisten mit EU-Vertretern für alle EU-Institutionen.

„Petition den Fraktionen zur Kenntnis geben“

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 7. November 2018 einstimmig verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis zu geben, „um auf das Anliegen der Petitionen besonders aufmerksam zu machen“. In der Begründung der Beschlussempfehlung weist der Ausschuss darauf hin, dass die angesprochenen Punkte auch aus seiner Sicht wichtige Themen darstellten, die derzeit in den zuständigen europäischen Gremien diskutiert würden oder schon in Arbeit seien.

Institutionelle Reformen im Sinne der meisten in der Petition angesprochenen Vorschläge erforderten allerdings regelmäßig ein Einvernehmen in oder zwischen den Unionsorganen und größtenteils Änderungen der Unionsverträge selbst. Diese könnten nur gemeinsam, nicht aber allein von Deutschland durchgesetzt werden, heißt es in der Vorlage.

Europäische Bürgerinitiative

Was das zivilgesellschaftliche Engagement angeht, so habe die EU-Kommission am 13. September 2017 einen Vorschlag für eine überarbeitete Verordnung zur Europäischen Bürgerinitiative vorgelegt, schreiben die Abgeordneten. „Mit dem Vorschlag sollen die identifizierten Schwächen des Instruments behoben werden, um die Bürgerinitiative im Interesse der Bürgernähe einfacher und zugänglicher zu machen, damit das volle Potenzial dieses Instrumentes, vor allem bei jungen Menschen, leichter ausgeschöpft werden kann“, heißt es in der Beschlussempfehlung.

Darin geht der Petitionsausschuss auch auf die Forderung nach mehr Transparenz ein und verweist auf dahingehende Bemühungen der Kommission. „Die Bundesregierung – ebenso wie der Petitionsausschuss – unterstützten das grundsätzliche Anliegen, mehr Transparenz im Umgang mit Interessenvertretern zu schaffen“, schreiben die Abgeordneten. (eis/hau/vom/22.11.2018)

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