Menschenrechte

Yasmin Fahimi unterstützt nica­ragua­ni­sche Auto­rin Giocon­da Belli

Eine Frau sitzt an einem PC in einem Büro und arbeitet.

Yasmin Fahimi in ihrem Abgeordnetenbüro im Bundestag (DBT/Melde)

Als sie im Juni 2018 aus dem Menschenrechtsausschuss die Anfrage erhielt, ob sie eine Patenschaft für eine der international bekanntesten lateinamerikanischen Schriftstellerinnen, nämlich die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli, übernehmen wolle, habe sie keine Sekunde lang gezögert und sofort zugesagt, erinnert sich die Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi (SPD).

Im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bundestages (PsP), das vom Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe betreut wird, können Abgeordnete aller Fraktionen weltweit Personen unterstützen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte und Demokratie in ihrem Land einsetzen und deswegen staatliche Willkür erleiden.

„Eine beeindruckende Persönlichkeit“

„Gioconda Bellis schriftstellerisches Schaffen ist untrennbar verbunden mit ihrem Engagement für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte“, begründet Fahimi ihren Entschluss, Belli zu unterstützen. „Belli ist eine unermüdliche Kämpferin für Meinungsfreiheit und Frauenrechte in ihrer Heimat Nicaragua.“ Zu ihrem politischen komme ihr soziales Engagement.

Mit ihrer scharfen Kritik an der autoritär agierenden Regierung Daniel Ortegas und auch schon an dessen Vorgänger Somoza, mal in künstlerischer Form vorgetragen, mal direkt, in zahlreichen öffentlichen Aufrufen, zog sich Belli nach Darstellung Fahimis rasch den Zorn des Regimes zu. Bereits 1970 habe sich Belli der „Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront“ gegen die Diktatur des Somoza-Clans angeschlossen. In der aktuellen innenpolitischen Krise des Landes sehe sie sich wie viele ihrer Mitbürger einer gesteigerten Gewalt der Regierung ausgesetzt. Proteste gegen das Regime und Gegenmaßnahmen der Regierung hätten 2018 bereits mehrere Hundert Todesopfer gefordert.

„Antidemokratische Bewegungen auf dem Vormarsch“

Der Kampf der Nicaraguaner für Menschenrechte, Demokratie und einen Rechtsstaat und gegen die Willkürherrschaft hat Fahimi außerdem seit Beginn ihrer politischen Arbeit in den 1980er-Jahren begleitet, erzählt die SPD-Abgeordnete aus Hannover, die sich außenpolitisch auf Südamerika spezialisiert hat, in ihrer Fraktion den Gesprächskreis Lateinamerika und Karibik leitet und im Bundestag Vorsitzende der Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe ist.

„Das war in Deutschland ein wichtiges außenpolitisches Thema. Wir haben uns sehr verbunden gefühlt mit dem Freiheitskampf der Nicaraguaner. Die Wandlung des Revolutionärs und Hoffnungsträgers Ortega zum diktatorischen Herrscher hat mich und viele andere dann tief enttäuscht“, sagt Fahimi. „Das Programm ,Parlamentarier schützen Parlamentarier' bietet uns Abgeordneten eine sehr konkrete Möglichkeit, etwas für Abgeordnete und Menschenrechtsverteidiger in Ländern zu tun, die nicht über dieselben Möglichkeiten verfügen wie wir“, fügt sie hinzu. 

„Öffentlichkeit herstellen“

Der wichtigste Hebel, um etwas zugunsten der Betroffenen zu bewirken, bestehe darin, dass die jeweilige Regierung davon erfahre, dass eine von ihr verfolgte Person Aufmerksamkeit und Schutz des Parlamentsprogramms erhält und das Tun der Regierung selbst unter kontinuierlicher Beobachtung steht, erklärt die Abgeordnete. „Wir haben sofort die nicaraguanische Botschaft in Deutschland angeschrieben und davon in Kenntnis gesetzt, dass Gioconda Belli in unser Patenschaftsprogramm aufgenommen wurde.“ 

Zu den wirksamsten Mitteln des Programms gehöre außerdem die Möglichkeit, als weltweit bekannte und respektierte Institution Öffentlichkeit herzustellen: „Damit üben wir als Bundestagsabgeordnete Druck auf Regierungen aus, die die Menschenrechte missachten“, ist Fahimi überzeugt. Die Form des Programms mache ein Engagement verbindlicher und trage dazu bei, direkter und kontinuierlicher Unterstützung zu leisten. „Wir hoffen, dass wir damit einen kleinen Beitrag leisten können, die Lage für Gioconda Belli zu verbessern.“

Helfen, bevor es zu spät ist

Oberste Priorität im Fall von Gioconda Belli habe, dass der Schriftstellerin und ihrer Familie nichts zustößt. Im Unterschied zu anderen Patenschaften verfüge die Nicaraguanerin sowohl in ihrem Land als auch international noch über relativ hohe Bewegungsfreiheit. Aber die Situation sei für Belli in den zurückliegenden Monaten immer beängstigender geworden. Die 70-Jährige, die mit ihrer Familie in Los Angeles und Managua lebt, habe täglich Sorge, dass ihren Angehörigen etwas zustößt.

Bei Gioconda Belli ziele das PsP-Programm also darauf, präventiv Schutz zu gewähren. „Besser helfen wir Bedrohten, bevor etwas passiert, als dass wir Unterstützungsbekenntnisse im Netz verbreiten, wenn es bereits zu spät ist“, sagt Fahimi. Idealerweise komme es dann gar nicht erst zu einer Inhaftierung, wie in so vielen anderen Fällen, in denen Regimegegner unter haltlosen Beschuldigungen festgehalten würden.

Zersplitterte Opposition

„Die Lage in Nicaragua war auch 2018 so instabil, dass man jederzeit mit allem rechnen kann“, sagt Fahimi und warnt: „Für Oppositionelle wie Gioconda Belli haben sich die Dinge ins Besorgniserregende entwickelt.“ Zahlreiche Menschenrechtler und auch ganz normale Demonstranten hätten in den zurückliegenden Monaten unverhältnismäßige Polizeigewalt zu spüren bekommen und willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen erlebt. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und Verbote kritischer Medien komplettieren das Bild der Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua.

Hintergrund sei, dass sich der 2011 und 2016 wiedergewählte Staatspräsident Ortega mehr und mehr als Alleinherrscher sehe und seine Familie mittlerweile das Land fast vollständig kontrolliere, von der Regierung und Gesetzgebung bis hin zur Justiz und den Medien. Die sandinistische Regierungspartei FSLN verfügt im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit. 

Nicaragua 2019: Ein Land auf der Kippe

Dennoch gibt es weiterhin eine lautstarke, aber zersplitterte Opposition in Nicaragua, zu der auch Belli gehört. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen treten für die Einhaltung der Bürger- und Menschenrechte ein. Sie sind auch in ihrer überwiegenden Mehrheit zu Gesprächen mit der Staatsführung in Form eines nationalen Dialogs bereit. 

Die katholische Kirche hat dazu einen runden Tisch initiiert, an dem sie Regierung und Opposition zusammenbringen wollte. Der nationale Dialog wurde jedoch nach wenigen Wochen wieder abgebrochen. Seit April 2018 befindet sich Nicaragua nun in einer schweren innenpolitischen Krise.

Hermann-Kesten-Preis für Gioconda Belli

Ein wichtiges Signal der Unterstützung, das Belli Genugtuung verleihen und ihre Gegner vorsichtiger werden lassen sollte, bekam die Schriftstellerin im Herbst in Deutschland. Am 15. November 2018 erhielt Gioconda Belli, die in diesen Wochen auf Lesereise unterwegs war, den Hermann-Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums. Damit würdigte das PEN-Zentrum den Einsatz der Nicaraguanerin für die Meinungsfreiheit in ihrem Land. 

Die Auszeichnung an Belli beflügelt auch Fahimis Engagement für die Schriftstellerin: „Der Preis von PEN Deutschland macht Belli und ihre Arbeit hierzulande noch bekannter und sollte auch dazu beitragen, ihren Schutz zu verstärken. Daran knüpfen wir mit unserer Unterstützung im Rahmen des PSP-Programms an.“ (ll/08.01.2019)

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