Parlament

Bundestag erhebt sich zu Ehren der Opfer des Anschlags in Halle

Der Deutsche Bundestag hat sich am Donnerstag, 17. Oktober 2019, vor Eintritt in die Tagesordnung zu Ehren der Opfer des Anschlags in Halle (Saale) und als Zeichen der Verbundenheit mit allen Menschen jüdischen Glaubens erhoben. Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble gedachte der beiden am 9. Oktober ermordeten Menschen; zwei weitere wurden schwer verletzt. „Wir trauern um die Toten. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen, bei dem verletzten Ehepaar, dem wir schnelle Genesung wünschen, und bei all denen, die damit umgehen müssen, Zielscheibe oder Zeugen des Verbrechens geworden zu sein“, sagte Schäuble. Der Bundestag bekunde seinen Willen, einen Beitrag dafür leisten zu wollen, „dass jeder in diesem Land, egal welcher Religion, welcher Herkunft oder welchen Geschlechts, die grundlegende Sicherheit erfährt, frei und selbstbestimmt zu leben“.

Schäuble: Terroristischer Akt gegen Juden

Der Anschlag habe das bedrohliche Ausmaß rechtsextremer Gewaltbereitschaft offenbart. „Erneut! Die zufällig in die Schusslinie Geratenen sind Opfer eines terroristischen Aktes geworden. Es war eine Tat, die einem klaren Ziel folgte: möglichst viele Juden zu töten. Nur glückliche Umstände haben weitere Opfer verhindert: Gläubige, die sich am höchsten jüdischen Feiertag in der Synagoge versammelt haben. Mitten in unserem Land“, sagte der Bundestagspräsident.

Dass noch in Twitter-Reaktionen auf diese von Judenhass getriebene Tat weiter mit Ab- und Ausgrenzung von Menschen gespielt werde, sei unerträglich, so wie der Versuch, durch deren Retweet die Grenzen des Anstands weiter auszutesten. „Wer das tut, stellt sich außerhalb des Grundkonsenses, auf dem unsere demokratische Ordnung basiert. Das gilt erst recht für Mitglieder dieses Hauses.“ Die überwältigende Mehrheit der Menschen in diesem Land empfinde den Anschlag von Halle so, wie es Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier bezeichnet habe: als Schande. Viele hätten in Mahnwachen ihre Anteilnahme bekundet und ihre Solidarität, damit Juden in Deutschland ihren Glauben offen leben können.

Beschämender Alltags-Antisemitismus

Dass dies nicht die Realität sei, habe nicht erst Halle gezeigt. Juden weltweit seien besorgt, das habe der israelische Parlamentspräsident Yuli-Yoel Edelstein in seinem Kondolenzschreiben an den Deutschen Bundestag betont. „Mir hat in den vergangenen Tagen eine Studentin, die für ein offenes, junges und selbstbewusstes Judentum einstehen möchte, ihre Lebenswirklichkeit in Deutschland geschildert. Ihre für die meisten Mitmenschen unsichtbare Furcht, wenn sie ihren Glauben öffentlich sichtbar macht. Wir wissen: Es ist die Wirklichkeit vieler jüdischer Mitbürger – so wie der Hinweis der Studentin, viele von ihnen würden Anfeindungen und Übergriffe nicht mehr anzeigen, weil sie angesichts des Alltags-Antisemitismus einfach abstumpften. Es ist beschämend für unser Land. Und es ist ein Auftrag, der über die Aufarbeitung des Anschlags von Halle hinausweist.“

„Wir stehen in der Pflicht, die Versäumnisse im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus aufzuarbeiten“, mahnte Schäuble. Schnell und umfassend müsse geprüft werden, wie die bestehenden Rechtsgrundlagen konsequenter angewandt werden können und welche zusätzlichen Mittel und Maßnahmen notwendig seien, um effektiv gegen grenzüberschreitende rechtsextreme Netzwerke vorgehen zu können. Um die Wege der Radikalisierung zu durchbrechen, auch im Internet. Und um wirksamer Ausgrenzung, Hass und Hetze als geistigem Nährboden von Gewalttaten entgegenwirken zu können. „Die vereinbarte Debatte heute Vormittag bietet die Gelegenheit dazu. Wir sollten sie führen im Bewusstsein unserer besonderen Verantwortung dafür, der notwendigen gesellschaftlichen Debatte Orientierung zu geben“, betonte der Bundestagspräsident. (eis/17.10.2019)

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