Kontroverse Debatte über Grünen-Anträge zum Erhalt sauberen Wassers
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert mehr Einsatz beim Schutz von Gewässern und Grundwasser. In einer Debatte zu zwei entsprechenden Anträgen der Fraktion am Freitag, 17. Mai 2019, kritisierte Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Anton Hofreiter, dass die Versorgung mit sauberem Trinkwasser in Deutschland gefährdet sei. Die Bundesregierung „handelt nicht und schweigt“, das sei „mehr als skandalös“. Die industrielle Agrarwirtschaft sei der Hauptverursacher. Die große Zahl von Tieren und große Mengen an auf die Böden aufgebrachte Gülle belasteten das Grundwasser, sagte Hofreiter. Aber aus dem Landwirtschaftsministerium komme dazu nichts. Stattdessen kämen auf Deutschland Hunderttausende Euro an Strafzahlungen zu, weil man sich weigere, die europäischen Vorgaben einzuhalten, kritisierte der Grünen-Abgeordnete.
Deutschland verstößt gegen EU-Nitratrichtlinie
Hofreiter verwies dabei unter anderem auf Zahlen des Umweltbundesamtes, nach denen der Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter seit 2008 an mindestens 16,9 Prozent der Messstellen übertreten wird. Zwischen 36 und 38 Prozent der Messstellen weisen den UBA-Angaben zufolge einen erhöhten Nitratwert von über 25 mg/l auf. Damit verletzt Deutschland die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie (9 1/676/EWG), wie der Europäische Gerichtshof im Juni 2018 urteilte (C-543/16).
Auch aus Perspektive der EU-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) ist es nicht gut um die Grundwasserkörper (GWK) in Deutschland bestellt: Nach UBA-Angaben befinden sich 34,8 Prozent der GWK in einem schlechten chemischen Zustand. „Hauptursache sind diffuse Belastungen durch Nitrat und Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft“, schreibt das UBA. Aktuell verhandeln EU-Kommission und Bundesregierung zudem, wie weiter mit der novellierten Düngeverordnung verfahren werden soll. Der Kommission reichen die deutschen Regelungen nicht aus.
Union kritisiert „Panikmache“
Für die CDU/CSU-Fraktion wies Astrid Damerow Hofreiters Vorwürfe entschieden zurück – und warf den Grünen „Skandalisierung“ und „Panikmache“ vor. Man dürfe nicht übersehen, „dass wir in Deutschland das große Privileg haben, dass wir Wasser aus unseren Leitungen in jedem Haushalt bedenkenlos trinken können. Das ist auch nicht in Gefahr“, sagte die Christdemokratin. Die Bundesregierung und die Koalition hätten sich klar zum Schutz des Wassers positioniert.
Damerow verwies auf Vorhaben, um etwa international den Eintrag von Plastik in die Meere zu reduzieren. Auf nationaler Ebene sei beispielswiese der Spurenstoffdialog und der nationale Wasserdialog angestoßen worden. Auch wenn schon viel erreicht worden sei beim Schutz des Wassers, gebe es noch große Herausforderungen. Dazu müsse aber auf Dialog etwa mit der Landwirtschaft und nicht auf „Verbote und Repressalien“ gesetzt werden, meinte die Christdemokratin.
SPD sieht massive Verbesserungen
Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, sagte, dass Deutschland die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wesentlich ernsthafter als andere Länder begonnen habe. Es seien massive Verbesserungen erreicht worden. Allerdings ließen sich diese Fortschritte im Sinne der Betrachtungsweise der Richtlinie, die nur einen „guten“ oder einen „schlechten“ Zustand kenne, nicht darstellen. „Unsere Politik muss Erfolge auch sichtbar machen“, forderte Pronold.
Während Damerow ihr Bedauern darüber ausgedrückte hatte, dass die EU-Kommission die novellierte Düngeverordnung als unzureichend befunden hatte, zeigte sich der Staatssekretär nicht überrascht. „Das wussten auch alle“, sagte Pronold zur Kritik, dass die Verordnung nicht ausreiche. Er freue sich, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sich nun in Gesprächen mit der Kommission befänden, um die Defizite abzustellen, um zu einer „besseren Düngepraxis zu kommen“.
Auf die Gespräche zur Düngeverordnung ging auch Michael Thews für die SPD-Fraktion ein. Der gordische Knoten müsse durchschlagen und eine Einigung gefunden werden, sagte Thews. Der Sozialdemokrat betonte zudem die Rolle der Wasserversorgungsunternehmen, die dafür sorgten, „dass auch künftig einwandfreies Wasser aus dem Hahn kommt“. Dabei müssten sie unterstützt werden. Thews stellte sich gegen generelle Forderungen nach einer sogenannten vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen. Es handle sich dabei ohnehin nicht um eine einzelne Technik, sondern um jeweils unterschiedliche Verfahren und Techniken, um jeweils bestimmte Stoffe in den Blick zu nehmen. Punktuell könne der Einsatz solcher Stufen das Mittel der Wahl sein, grundsätzlich müsse aber bei den Quellen der Verunreinigung angesetzt werden, sagte Thews.
FDP und AfD mit Kritik an Grünen-Anträgen
Von Seiten der Oppositionsfraktionen kritisierten AfD und FDP die Anträge der Grünen massiv. „Zur Dramatisierung der Qualität unseres Grundwassers besteht kein Anlass. Sie schüren Ängste bei den Menschen“, sagte Wilhelm von Gottberg (AfD). Von Gottberg kritisierte, dass die Düngeverordnung, die den Landwirten ohnehin viel abverlange, weiter verschärft werden solle. Es wäre vielmehr nötig, die Wirkung der jüngsten Novelle abzuwarten. Die Grünen-Anträge seien „wilder Aktionismus“ und gingen mit einer „Stigmatisierung von Landwirten“ einher. Der AfD-Abgeordnete verwies darauf, dass auch marode Kanalisationen, Dünge- und Pflanzenschutzmittel aus Kleingartenanlagen oder auch die Einleitung ungereinigter Abwässer in Vorfluter zur Belastung beitragen würden. Die AfD-Fraktion stelle sich gegen eine „Sündenbockrolle für unsere Landwirte“, sagte von Gottberg.
Dr. Gero Clemens Hocker (FDP) warf den Grünen „blanken Populismus“ vor, der „mit Ängsten spielt, die sie selbst erzeugt haben“. Bei Themen wie der Belastung der Gewässer mit multiresistenten Keimen, dem Klimawandel oder dem Nitrateintrag blendeten die Grünen Fakten aus und stellten die Landwirtschaft an den Pranger, sagte Hocker. Bar jeder Vernunft würden die Grünen auch eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung fordern, obwohl die „Daumenschrauben für Landwirte“ bereits angezogen worden seien und es ohnehin Jahre dauern würde, bis sich Ergebnisse zeigten, kritisierte der Liberale.
Linke will Verursacherprinzip beachten
Unterstützung für die Grünen kam hingegen von der Linksfraktion. Ralph Lenkert sagte, es sei bekannt, dass das Wasser durch die Belastung mit unter anderem Pestiziden, Kunststoffen, Nitrate, Schwermetalle und Medikamentenresten aus Human- und Tiermedizin gefährdet sei. „Wir müssen Risiken ausschließen. Unser Trinkwasser ist Lebenselixier“, sagte Lenkert. Dafür seien vorrausschauendes Handeln und Risikominimierung unerlässlich. Das Verursacherprinzip müsse beachtet werden. Der Linken-Abgeordnete sprach sich zudem gegen jede Privatisierung der Wasserversorgung aus.
Im Anschluss an die Debatte wurde der erste Antrag (19/8649) zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit überwiesen. Mehrheitlich entschieden die Abgeordneten, den zweiten Antrag (19/9959) zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung zu überweisen. Die Grünen hatten den Umweltausschuss präferiert.
Anträge der Grünen
In ihrem ersten Antrag fordern die Grünen, zum Wasserschutz das Vorsorge- und Verursacherprinzip konsequent anzuwenden. So solle der Eintrag anthropogener Mikroschadstoffe in die Gewässer bereits an der Quelle vermieden werden, heißt es darin. Konkret verlangt die Fraktion unter anderem, eine Stickstoffstrategie umzusetzen, „die ein gesetzliches Nitratminderungsziel umfasst, um die Belastung schrittweise auf einen maximalen Überschuss von 30 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr zu reduzieren“. Zudem sollen darin „Bestimmungen für eine flächengebundene Tierhaltung festgelegt“ sowie eine „Ausgestaltung des Düngerechts im Sinne des Gewässerschutzes“ vorgesehen werden.
Vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen
Die Grünen fordern zudem von der Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Ländern Kriterien für die Nutzung einer vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen aufzustellen. Zur „sozialverträglichen Finanzierung“ dieser Stufe sowie zur „fairen Kostenverteilung“ für die Trinkwasseraufbereitung soll nach Willen der Fraktion ein Fonds eingerichtet werden. In diesen sollen unter anderem Pharmaunternehmen, Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika und Körperpflegeprodukten, Agrarchemie-Unternehmen sowie industrielle Landwirte einzahlen.
Auf EU-Ebene soll sich die Bundesregierung dem Antrag zufolge dafür einsetzen, dass die Forderungen der europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ umfassend umgesetzt werden. Zudem soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die Rekommunalisierung der Wasserversorgung unterstützt wird und es keine weiteren Versuche gibt, „die Privatisierung der Wasserversorgung in Europa voranzutreiben“.
Verbesserung der Düngemittelverordnung umsetzen
In dem zweiten Antrag moniert die Fraktion starke Nitratbelastung Grundwasser in Deutschland. 2017 habe der der Nitratwert an 17 Prozent der EUA-Grundwassermessstellen in Deutschland über dem in der europäischen Nitratrichtlinie fest-geschriebenen Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter gelegen, schreiben die Abgeordneten. Insgesamt 27 Prozent der deutschen Grundwasserkörper seien aufgrund zu hoher Nitratwerte in einem chemisch schlechten Zustand.
„Biodiversität durch Überdüngung gefährdet“
Um weiterhin eine hohe Trinkwasserqualität sicherzustellen, müssen die Wasserversorger immer aufwändigere und teurere Verfahren zur Wasseraufbereitung einsetzen. „Das geht auf Kosten der Wasserversorger und Verbraucher“, kritisiert die Fraktion, und auch die Biodiversität insbesondere in Nord- und Ostsee sei durch die Überdüngung in Gefahr.
2018 habe der Europäische Gerichtshof die Bundesregierung wegen der Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie verurteilt. „Doch die Bundesregierung verschleppt die von der EU-Kommission geforderte Verschärfung der Düngeverordnung“, moniert die Fraktion. Das müsse sich ändern. Zum Schutz des Grundwassers fordert sie mit ihrem Antrag die Bundesregierung auf, „unverzüglich“ die Umsetzung der von der EU-Kommission geforderten Verbesserungen in der Düngeverordnung umzusetzen. Insbesondere in den stark belasteten roten Gebieten sei „schnellstmöglich eine gute Wasserqualität sicherzustellen“.
Zudem solle die Regierung Maßnahmen ergreifen, „um die Tierhaltung in Deutschland durchgängig an die Fläche zu binden und den Viehbestand auf ein umweltverträgliches Maß von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar zu reduzieren“ und den hohen Einsatz von Mineraldünger zu begrenzen. (scr/sas/17.05.2019)