Der Bundestag hat am Donnerstag, 25. März 2021, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des BND-Gesetzes zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts (19/26103, 19/26829, 19/27035 Nr. 1.6) angenommen. Die Vorlage wurde in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (19/27811) mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der AfD, der FDP, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Zum Regierungsentwurf hat der Haushaltsausschuss einen Bericht nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit abgegeben (19/27902).
Ein Entschließungsantrag der FDP (19/27880) wurde bei Zustimmung der Linken mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der Grünen zurückgewiesen. Darin forderte sie von der Bundesregierung unter anderem, die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ausreichend zu schützen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit der „grundlegenden Novelle“ des „Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst“ (BND) werden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts umgesetzt. Dies geht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des BND-Gesetzes (19/26103) hervor. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seiner Entscheidung vom 19. Mai 2020 (Aktenzeichen: 1 BvR 2835/17) zur sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung mehrere Paragrafen des BND-Gesetzes für nicht vereinbar mit den Grundgesetz-Artikeln 5 und 10 erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist für eine verfassungskonforme Neuregelung bis Ende 2021 gesetzt.
Wie die Bundesregierung ausführt, ist der gesetzliche Auftrag des BND die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- oder sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind. Hierdurch leiste der BND einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheitsarchitektur Deutschlands. Die strategische Fernmeldeaufklärung stelle in diesem Zusammenhang ein wesentliches Element dar. Durch sie sei der BND in der Lage, ohne Zeitverzug aktuelle Geschehnisse zu erfassen und politische Bedarfsträger und auch internationale Partner hierüber zu informieren. 2016 seien „spezielle rechtliche Grundlagen für die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländern im Ausland vom Inland aus sowie diesbezügliche Kooperationen mit ausländischen öffentlichen Stellen“ geschaffen worden sowie eine eigene Rechtsgrundlage für die gemeinsame Datenhaltung mit ausländischen öffentlichen Stellen.
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Mit seinem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht jedoch darüberhinausgehende Vorgaben gemacht, indem das Gericht vor allem den bis dahin nicht höchstrichterlich geklärten Geltungsbereich der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes definiert hat, heißt es in der Vorlage weiter. Demnach finde das vor allem durch die technische Aufklärung von Nachrichtendiensten betroffene Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Grundgesetz-Artikels 10 auch auf Ausländer im Ausland Anwendung. Mit der vorgelegten Novelle der bestehenden Rechtslage des BND solle daher dessen Arbeit im Rahmen der technischen Aufklärung auf eine rechtssichere und bestimmte Rechtsgrundlage gestellt werden, die dem von den Karlsruher Richtern gezogenen „verfassungsrechtlichen Rahmen ausreichend Rechnung trägt“.
So unterliegen im geänderten Gesetz beispielsweise die Erhebung personenbezogener Daten im Rahmen der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung bestimmten qualifizierten Aufklärungszwecken auf der Grundlage zuvor festgelegter Maßnahmen. Geregelt wurden zusätzliche Hürden bei besonderen Formen der Datenerhebung. Besondere Vorkehrungen zum Individualschutz beinhalten den Angaben zufolge Maßgaben zum Schutz bestimmter Vertraulichkeitsbeziehungen und zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
Weiteren Forderungen des Bundesverfassungsgerichts etwa nach konkreten Maßgaben zur Aussonderung der Telekommunikationsdaten von Deutschen und Inländern, einer Begrenzung des Volumens der zu erhebenden Daten sowie einer Erhebungsgrundlage für Verkehrsdaten ohne den vorherigen Einsatz von Suchbegriffen werde ebenfalls Rechnung getragen, heißt es in der Begründung weiter. Darüber hinaus sei die Übermittlung personenbezogener Daten aus der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung neu ausgestaltet und die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Maßstäbe im Rahmen der Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten umgesetzt worden.
„Der nunmehr gesetzlich speziell geregelte Eingriff in informationstechnische Systeme von Ausländern im Ausland hegt eine solche Maßnahme ein in ein rechtsstaatlich strukturiertes System mit dem ebenfalls berücksichtigten Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen und des Kernbereichs privater Lebensgestaltung“, heißt es ferner in der Begründung. Des Weiteren wird die strategische Ausland-Fernmeldeaufklärung künftig durch eine „starke und unabhängige objektivrechtliche Kontrolle flankiert“. Eingeführt wird dazu ein Unabhängiger Kontrollrat, der „als oberste Bundesbehörde seine Arbeit aufnehmen wird“. Dieses Kontrollorgan verfüge „über institutionelle Eigenständigkeit, was in seiner eigenen Personalhoheit und Verfahrensautonomie Ausdruck findet“.
Oppositionsinitiativen abgelehnt
Nach namentlicher Abstimmung mit 441 gegen 77 Stimmen bei 121 Enthaltungen abgelehnt wurde ein Gesetzentwurf der FDP „zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste“ (19/19502).Keine Mehrheit fand ein Gesetzentwurf der FDP zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste (19/19502).
Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der Liberalen mit dem Titel „Reform der Nachrichtendienste – Lehren aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Gesetz“ (19/19509) mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der Linksfraktion und Grünen.
Darüber hinaus scheiterte auch ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Legitimität und Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste stärken – Kontrolle auf allen Ebenen verbessern und ausbauen“ (19/26221). Er wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Linksfraktion und der FDP abgelehnt. Den Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Innenausschusses zugrunde (19/27811).
Abgelehnter Gesetzentwurf der FDP
Die Schaffung des Amtes eines parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten sah der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (19/19502) vor. Danach sollte der Nachrichtendienstbeauftragte vom Bundestag in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit für fünf Jahre gewählt werden mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl. Durch die Einrichtung des neuen Amtes werde die Effektivität der Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste erheblich verbessert, schrieb die Fraktion. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste werde auch künftig im Kern im PKGr stattfinden, doch „durch das neu geschaffene Amt um den bislang vernachlässigten Aspekt der präventiven Kontrolle ergänzt“.
Dazu sollten dem parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten nach den Vorstellungen der Fraktion Befugnisse erteilt werden, „um Erkenntnisse gewinnen zu können, die dem PKGr eventuell bislang verborgen bleiben“. Zentrales Element dieser Befugnisse stelle der uneingeschränkte und anlasslose Zugang zu Dienststellen und Datenbanken der Nachrichtendienste dar. Überdies sollte ihm dem Entwurf zufolge auch Zugangsrecht zu den Sitzungen der nachrichtendienstlichen Besprechungen im Bundeskanzleramt sowie zu den Sitzungen verschiedener Arbeitsplattformen, -gruppen und Kommissionen eingeräumt werden.
„Das so entstehende umfassende Bild von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten wird im Rahmen der Teilnahme an den Sitzungen des PKGr den damit betrauten Abgeordneten und in regelmäßigen Berichten – unter strenger Berücksichtigung der Geheimschutzauflagen – allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages vermittelt“, hieß es in der Vorlage weiter. Damit werde parlamentarische Kontrolle nicht nur effektiver, sondern auch umfassender für alle Parlamentarier möglich. Zugleich verwies die Fraktion darauf, dass mit der Position des Nachrichtendienstbeauftragten „auch eine greifbare Ombudsperson geschaffen“ würde. Nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten sollten die Beschäftigten der Nachrichtendienste „eine unkomplizierte und rechtssichere Möglichkeit erhalten, um dienstbezogene Anliegen an eine unabhängige Stelle zu melden“.
Abgelehnter Antrag der FDP
„Reform der Nachrichtendienste – Lehren aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Gesetz“ lautete der Titel eines Antrags der FDP-Fraktion (19/19509). Darin verwies die Fraktion darauf, dass das Bundesverfassungsgericht am 19. Mai 2020 (Aktenzeichen: 1 BvR 2835/17) die Regelungen zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) „für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt“ habe. Nach dem Urteil habe der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2021 Zeit, verfassungsgemäße Neuregelungen zur Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung sowie zu den weiteren für verfassungswidrig erklärten Vorschriften zu treffen. „Diese Gelegenheit sollte er auch nutzen, um die Kontrolle der Nachrichtendienste umfassend neu zu strukturieren und effektiver zu gestalten“, schrieben die Abgeordneten weiter.
Dabei sollte die sogenannte G-10-Kommission nach ihrem Willen „als gerichtsähnliches Gremium für die Anordnung der strategischen Telekommunkationsüberwachung durch die Nachrichtendienste insgesamt zuständig sein, auch soweit sie im Ausland erfolgt oder nur internationale Telekommunikation betrifft“. Alle Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung seien grundsätzlich vor ihrer Durchführung durch die G-10-Kommission zu genehmigen. Im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) sollten der Minderheit laut Vorlage „Befugnisse ähnlich wie im parlamentarischen Untersuchungsausschuss“ zugebilligt werden. Ferner plädiert die Fraktion dafür, dass die PKGr-Mitglieder „in politisch bedeutsamen Fällen die Möglichkeit erhalten, ihre Fraktionsvorsitzenden über einen Sachverhalt zu informieren, damit er auf einer höheren politischen Ebene zur Sprache gebracht werden kann“.
Ferner warb die Fraktion dafür, dass „(anstelle des Ständigen Bevollmächtigten) ein parlamentarischer Beauftragter für die Nachrichtendienstkontrolle eingerichtet“ wird. „Anders als der ständige Beauftragte“ solle dieser „ aus eigener Initiative und autonom die gesamte Arbeit der Nachrichtendienste kontrollieren“ können und uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen haben. Darüber hinaus sollte sich dem Antrag zufolge die Kontrolle durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) „auf alle Bereiche der nachrichtendienstlichen Tätigkeit beziehen“.
Abgelehnter Antrag der Grünen
„Legitimität und Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste stärken – Kontrolle auf allen Ebenen verbessern und ausbauen“ lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/26221). Darin drang die Fraktion darauf, die parlamentarische Kontrolle durch das PKGr „als Zentrum der Kontrolle der nachrichtendienstlichen Betätigung der Bundesregierung zu stärken“. Dazu sollte die Kontrolltätigkeit des PKGr laut Vorlage verbessert werden, etwa indem das Gremium grundsätzlich in jeder Sitzungswoche des Bundestages zusammentritt, „um eine dichtere und kontinuierlichere Kontrolle zu etablieren“.
Auch sollte nach dem Willen der Fraktion „die vollständige, wahrheitsgemäße, zeitnahe und qualifizierte Unterrichtung des PKGr durch Bundesregierung und Nachrichtendienste“ unter anderem durch eine gesetzliche Regelung gewährleistet werden, wonach im Falle eines relevanten Verstoßes gegen die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung Sanktionen angedroht werden können. Ferner plädierte die Fraktion dafür, dass im „Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes“ klargestellt wird, „dass die Bundesregierung auch hinsichtlich des Militärischen Nachrichtenwesens der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium unterliegt“. (sto/eis/25.03.2021)