Mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke hat der Bundestag am Donnerstag, 7. Juli 2022, einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken (20/2356) gebilligt. Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hatte zuvor noch Änderungen am Entwurf „zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ beschlossen (20/2594) und darüber hinaus einen Bericht dazu abgegeben (20/2664). CDU/CSU und AfD votierten gegen das Gesetz. Angenommen mit demselben Mehrheitsverhältnis wurde zudem eine Entschließung.
Zu dem Gesetzentwurf hatte die CDU/CSU-Fraktion zwei Änderungsanträge (20/2620, 20/2621) eingebracht, die nach namentlicher Abstimmung beide keine Mehrheit fanden. Für den ersten Änderungsantrag stimmten 249 Abgeordnete, 393 votierten dagegen und fünf enthielten sich. Auf den zweiten Antrag entfielen 207 Ja-Stimmen, 434-Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Ein Entschließungsantrag der Fraktion (20/2622) wurde per Handzeichen abgestimmt und ebenfalls abgelehnt.
Zurückgewiesen wurden auch zwei Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Blackout und Brownout verhindern – Energieversorgung sicherstellen“ (20/34) und „Keine Abschaltung von Kernkraftwerken – Erst recht nicht in einer neuen Realität“ (20/1021) zu denen der Ausschuss für Klimaschutz und Energie Beschlussempfehlungen vorgelegt hatte (20/621, 20/1417). Während der erste Antrag per Handzeichen mit allen Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt wurde, entfielen auf den zweiten nach namentlicher Abstimmung bei 581 Nein-Stimmen nur 67 Ja-Stimmen.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Ziel des Gesetzes ist es, dem Strommarkt für einen befristeten Zeitraum durch Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zusätzliche Erzeugungskapazitäten zur Stromerzeugung mit den Energieträgern Stein- und Braunkohle sowie Mineralöl zur Verfügung zu stellen. Dazu sollen Kraftwerke genutzt werden, die gegenwärtig nur eingeschränkt verfügbar sind, demnächst stillgelegt würden oder sich in einer Reserve befinden. Durch diese zusätzlichen Erzeugungskapazitäten soll die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken soweit wie möglich ersetzt werden können, um Erdgas einzusparen. Die Maßnahmen sollen für einen befristeten Zeitraum gelten und spätestens am 31. März 2024 enden.
Für den Bereich der Gaskraftwerke soll durch die Neuregelung eine Verordnungsermächtigung geschaffen werden, um im Fall einer Gefährdung des Gasversorgungssystems sehr schnell den Einsatz von Gaskraftwerken beschränken zu können und dadurch den Gasverbrauch in der Stromerzeugung noch weiter senken zu können. Betreiber von Anlagen, die elektrische Energie durch den Einsatz von Erdgas erzeugen, sollen eine Strafzahlung (Pönale) leisten müssen.
Änderungen im Energieausschuss
Im Ausschuss für Klimaschutz und Energie wurden zuvor noch Änderungen am Ursprungsentwurf beschlossen, wonach weitere Änderungen des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) vorgesehen sind.
Im Zuge einer ersten Novellierung des EnSig im Mai 2022 wurde bereits die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der kritischen Infrastruktur und als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung geschaffen. Jetzt soll in einem weiteren Schritt auch ein Einstieg des Bundes bei strauchelnden Gasimporteuren erleichtert werden. Von einer weiteren Neuregelung könnte zudem jeder einzelne Gaskunde betroffen sein: Per Umlage sollen künftig die steigenden Kosten der Gasbeschaffung auf alle Gasverbraucher verteilt werden.
Angenommene Entschließung
Mit der vom Parlament mehrheitlich angenommenen Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, „schnellstmöglich“ eine Überarbeitung der Nationalen Wasserstoffstrategie vorzulegen, „um die vereinbarte Steigerung der inländischen Elektrolyseleistungen und alle weiteren Maßnahmen zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu definieren – und diese anschließend schnellstmöglich umzusetzen“.
Dabei dürfe der Wasserstoffeinsatz nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzt werden, um eine maximale Wirkung zu entfalten. Bereiche mit besonderer Dringlichkeit können priorisiert werden. Auch ein Engagement in dieser Hinsicht auf europäischer Ebene ist Gegenstand der Entschließung.
Abgelehnte Anträge der AfD
In ihrem ersten Antrag sprach sich die AfD-Fraktion dafür aus, den Betrieb von Kohlekraftwerken, „die dem Stand der Technik entsprechen“, uneingeschränkt zu ermöglichen und sämtliche Bemühungen zum Ausstieg aus dieser Technik zu unterlassen. Das Kohleausstiegsgesetz, so hieß es in der Vorlage, sei ersatzlos zu streichen und rückabzuwickeln. Zur Sicherung der Elektrizitätsversorgung sollte die Bundesregierung auf die Landesregierungen einwirken und eine provisorische Laufzeitverlängerung für die noch in Betrieb befindlichen beziehungsweise noch betriebsbereiten Kohlekraftwerke erteilen, verlangten die Abgeordneten.
Die Bundesregierung sollte nach Auffassung der AfD-Fraktion in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen auch Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke realisieren. Zudem sollte die Bundesregierung „sofort eindeutige und verbindliche Zusagen an die Kernkraftwerksbetreiber“ geben, „dass die Kernkraftwerke bis zu ihrem technisch sinnvollen Lebensende uneingeschränkt betrieben werden dürfen, um so frühzeitig planbar und somit kosteneffizient die Kernbrennstoff- und, soweit notwendig, Personalbeschaffung einzuleiten“. Weitere Forderungen ihres zweiten Antrags bezogen sich auf die Kernbrennstoffbeschaffung und Folgeänderungen im Atomgesetz. (hau/mis/ste/irs/07.07.2022)