Reform des Nachrichtendienstrechts (GesEntw BReg)
Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts (Drucksachen 20/8626, 20/9042 und 20/9345)
Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts (Drucksachen 20/8626, 20/9042 und 20/9345)
Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. November 2023, umfassend die Rechtsgrundlagen der Nachrichtendienste novelliert und dafür zwei Gesetzentwürfen der Bundesregierung zum Thema angenommen.
Für das erste Gesetz, den Entwurf zur Reform des Nachrichtendienstrechts (20/8626, 20/9042, 20/9243 Nr. 1.9), stimmten in namentlicher Abstimmung 379 Abgeordnete. 261 votierten dagegen, es gab eine Enthaltung. Die Änderung des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (20/8627, 20/9045, 20/9243 Nr. 1.10) wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, gegen die Stimmen von Union und Linke bei Enthaltung der AfD angenommen. Beide Initiativen wurden zuvor im Innenausschuss noch in Teilen geändert (20/9345).
Zur ersten Initiative lag zudem ein Bericht des Haushaltausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vor. Ein zu dem Gesetzentwurf vorgebrachter Entschließungsantrag der AfD-Fraktion (20/9352) fand keine Mehrheit.
Das erste Gesetz zielt darauf ab, das Nachrichtendienstrecht „auf der Grundlage jüngerer Verfassungsrechtsprechung“ umfassend zu reformieren. Die Regelungen zur Übermittlung nachrichtendienstlich gewonnener Informationen sollen an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden.
Da diese Regelungen nur noch bis Ende 2023 anwendbar sind, sei diese Anpassung besonders dringlich gewesen, schrieb die Bundesregierung. Angesichts jüngerer Innentäterfälle bei den deutschen Nachrichtendiensten gelte dies gleichermaßen für eine wirksame Eigensicherung, die ebenso einbezogen sei.
In einem zweiten Teil der Reform soll 2024 „die wertungskonsistente Systematisierung der Regelungen zur Informationsbeschaffung folgen und das Nachrichtendienstrecht insgesamt zukunftsfest ausgestaltet werden“.
Wie die Bundesregierung in der Begründung ausführt, setzt das Gesetz die Vorgaben um, die das Bundesverfassungsgericht zu den Übermittlungsbefugnissen des Bundesverfassungsschutzgesetzes in seinem Beschluss vom 28. September 2022 (Aktenzeichen: 1 BvR 2354 / 13) getroffen hat. Dabei ersetzt das Gesetz den Angaben zufolge nicht lediglich punktuell die außer Kraft tretenden Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden, sondern passt diese Übermittlungsbefugnisse insgesamt an die Vorgaben des Gerichts an.
„Vor dem Hintergrund der mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verschärften internationalen Lage ist im Übrigen besonders vordringlich, die Eigensicherung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) speziell gegenüber Ausforschungsoperationen anderer Nachrichtendienste zu stärken, insbesondere gegenüber Innentätern“, heißt es in der Begründung weiter.
In seiner Stellungnahme (20/9042) äußerte der Bundesrat eine Reihe von Änderungs- und Ergänzungsvorschläge. So bat er unter anderem darum, den Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren um eine „Befugnis zur Datenübermittlung zum Zwecke der Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbern des öffentlichen Dienstes zu ergänzen“. Zwar sehe der Entwurf eine Pflicht zur Datenübermittlung des BfV für Verfahren und Maßnahmen wegen einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht im öffentlichen Dienst vor. Die Regelung greife jedoch zu kurz, da die Übermittlungsbefugnis nur bestehe, wenn eine Verfassungstreuepflichtverletzung bereits eingetreten ist.
„Folglich könnten Erkenntnisse zu extremistischen Bezügen von Bewerbern für den öffentlichen Dienst, die der Verfassungstreuepflicht noch nicht unterliegen, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht übermittelt werden“, schreibt der Bundesrat weiter und plädierte dafür, aufgrund der damit verbundenen Sicherheitsrisiken diese Regelungslücke zu schließen. In ihrer Gegenäußerung sagte die Bundesregierung zu, eine Ergänzung des Entwurfs um eine entsprechende Übermittlungspflicht zu prüfen.
Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen von CDU/CSU, AfD und Die Linke hatte der Ausschuss für Inneres und Heimat am Mittwoch, 15. November 2023, noch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen, der unter anderem mehrere Paragraphen des Regierungsentwurfs etwa zur „Übermittlung an inländische öffentliche Stellen zur Gefahrenabwehr“ oder zur „Übermittlung an Strafverfolgungsbehörden zur Strafverfolgung“ neu fasste. Auch soll der Minderjährigenschutz dem Änderungsantrag zufolge gestärkt werden.
Die Bundesregierung verwies in ihrem Gesetzentwurf zum BND-Gesetz darauf, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 28. September 2022 (Aktenzeichen: 1 BvR 2354 / 13) die Übermittlungsvorschriften in Staatsschutzangelegenheiten nach den Paragrafen 20 und 21 des Bundesverfassungsschutzgesetzes teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt habe.
Zugleich habe das Gericht die mit dem Grundgesetz unvereinbaren Vorschriften bis maximal zum 31. Dezember 2023 mit Maßgaben für weiterhin anwendbar erklärt.
Da Paragraf 11 Absatz 3 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst auf Paragraf 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verweise, habe Handlungsbedarf bestanden auch für den Bundesnachrichtendienst, schrieb die Bundesregierung. Im Zuge dessen werden auch die anderen Übermittlungsvorschriften des BND-Gesetzes sowie des Artikel-10-Gesetzes an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst.
Mit dem Gesetz sollen den Angaben zufolge nun sämtliche Übermittlungsvorschriften im BND-Gesetz vom Bundesverfassungsschutzgesetz entkoppelt und „unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundlegend normenklar und transparent gefasst“ werden.
Als Maßnahme der Eigensicherung sollen laut Vorlage zudem zusätzliche Vorschriften zum Schutz von Verschlusssachen durch Kontrollen präzise für den BND gesetzlich geregelt werden. Aufgrund eines mutmaßlichen Verratsfalls im Jahr 2022 beim BND sei der Bedarf an einer Stärkung und Optimierung von Maßnahmen zur Eigensicherung deutlich geworden.
Ziel der gesetzlichen Neuregelung sei es, die Verschlusssachen im Bundesnachrichtendienst noch stärker vor den Gefahren fremder Kenntnisnahme zu schützen und Informationsabflüsse aus dem BND heraus zu verhindern.
Der Bundesrat wendete sich in seiner Stellungnahme (20/9045) unter anderem gegen die im Gesetzentwurf enthaltene Definition der „besonders schweren Straftat“ anhand eines Straftatenkatalogs. Diese berge „die großen Gefahren der Unvollständigkeit und der Inkonsistenz“, kritisierte die Länderkammer.
Ihr Gegenentwurf sehe dagegen von einem Straftatenkatalog bewusst ab und normiere den Kreis der übermittlungsfähigen Delikte „in einfacher und übersichtlicher Form“. Dazu schrieb die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung, sie werde „prüfen, ob möglicherweise weitere Straftatbestände in den Katalog aufgenommen werden sollten“.
Einen Änderungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu diesem Regierungsentwurf nahm der Innenausschuss ebenfalls am Mittwoch, 15. November 2023, bei Enthaltung der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der Unions- und der Linksfraktion an.
Damit sollen unter anderem die Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen an inländische Stellen Daten von Personen übermittelt werden dürfen, die mindestens 14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. (vom/sto/ste/16.11.2023)