Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht (Drucksachen 20/7502 und 20/11657)
Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz beschlossen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juni 2024, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ (20/7502) angenommen. 377 Abgeordnete stimmten für den Entwurf in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung. 257 Abgeordnete lehnten die Vorlage ab und neun Parlamentarier enthielten sich der Stimme. In der Debatte lobten Abgeordnete der Koalitionsfraktionen den Entwurf als „Genehmigungsturbo“, der jetzt für Deutschland gezündet werde, während die Opposition die Vorlage kritisierte.
Im Rahmen der Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (20/11657) wurde darüber hinaus eine Entschließung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum von CDU/CSU und AfD bei Enthaltung der Gruppe Die Linke angenommen, die beim sogenannten Repowering von Windkraftanlagen den Betrieb von Altanlagen bis zu deren Ablösung durch neue Anlagen ermöglichen soll. Ein ebenfalls zur Abstimmung vorgelegter Entschließungsantrag der Unionsfraktion (20/11658) zu dem Regierungsentwurf wurde mit der Mehrheit des Bundestages gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Grüne: Größte Novelle seit 30 Jahren
Tessa Ganserer(Bündnis 90/Die Grünen) sagte, mit der Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes würden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um bei der ökologischen Transformation an Tempo zuzulegen. Mit den vorliegenden Änderungsanträgen handele es sich um die größte Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes seit 30 Jahren. Sämtliche Genehmigungsverfahren würden digitalisiert, vereinfacht und entbürokratisiert. Dabei blieben die Umweltstandards gleich, und Öffentlichkeitsbeteiligung und effektiver Rechtsschutz blieben bestehen.
Ganserers Fraktionskollegin Linda Heitmann ergänzte, dass mit dem Gesetz zudem die EU-weite Zusammenarbeit beim Klimaschutz gestärkt und EU-Recht ambitioniert und bestmöglich umgesetzt werde.
SPD: Ein Booster für Wirtschaftswachstum
Daniel Rinkert (SPD) erklärte, aus einem sehr guten Gesetzentwurf habe man im parlamentarischen Verfahren „ein richtig wuchtiges Planungsbeschleunigungs- und starkes Investitionsgesetz“ gemacht. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz sei ein Booster für Wirtschaftswachstum, gute Arbeitsplätze, aber auch für Klima- und Umweltschutz. Das Gesetz sei ein wichtiger Schritt zur Modernisierung Deutschlands. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum würden verbunden und große Teile des Bund-Länder-Paktes würden umgesetzt. Das Gesetz sei „ein echter Turbo“ für neues, nachhaltiges Wachstum von Industrie und Wirtschaft und ein „Superturbo“ für den weiteren Ausbau von Windkraftanlagen und Wasserstoffinfrastruktur.
Rinkerts Fraktionskollege Carsten Träger ergänzte, dass mit dem Gesetz die Industrie in die Pflicht genommen werde, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden. Viele Verfahren würden vereinfacht, digitalisiert, und die Fristen würden verkürzt.
FDP: Alle Vorhaben werden beschleunigt
Judith Skudelny (FDP), die von einem „Genehmigungsturbo“ sprach, betonte, dass mit dem Gesetz Unternehmen und den Unternehmern eine Perspektive in Deutschland gegeben werde. Vom Sportplatz über die erneuerbaren Energien bis hin zu dem Chemiepark: Alle Vorhaben in Deutschland würden ohne Abstriche beim Naturschutz merklich beschleunigt.
„Wir räumen den Weg frei für alle, die in Deutschland und für Deutschland Investitionen tätigen wollen“, sagte Skudelny. Trotzdem nörgele die Union an dem Gesetz herum und wolle „all die guten Punkte“ in Gänze ablehnen.
CDU/CSU: Das Gesetz atmet einen grünen Geist
Für Steffen Bilger (CDU/CSU) kommt das, was die Ampelkoalition bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren liefere, zu spät. Der Gesetzentwurf beinhalte gute Punkte, gegen die die Unionsfraktion nichts einzuwenden habe, sei aber bei Weitem nicht ausreichend. Deutschland stecke in einer veritablen wirtschaftlichen Krise, nicht nur wegen externer Faktoren und einer schwierigen Weltlage, sondern zuallererst aufgrund des Totalausfalls der Wirtschaftspolitik der Regierung. Es sei „unverkennbar ein grüner Geist, den dieses Gesetz atmet“. Für Ulrich Lange, der ebenfalls für die Unionsfraktion sprach, stand das Gesetzgebungsverfahren nicht für „Turbo“, sondern für das, wofür die Koalition stehe, nämlich Streit, Uneinigkeit, Schneckentempo und Minimalkompromiss. Mehr unbestimmte Rechtsbegriffe würden das Gesetz klageanfällig machen.
Langes Fraktionskollegin Anja Karliczek ergänzte, was ihre Fraktion letztendlich dazu bewogen habe, den Entwurf abzulehnen, sei die Aufnahme des Klimas als Schutzgut in das Gesetz gewesen. Aber wenn neben den bekannten Schutzgütern auch noch das Klima aufgenommen werde, dann werde das dazu führen, dass keine Genehmigungsbehörde ohne eine klare und eindeutige Definition und Formulierung des Schutzgutes Klima eine Genehmigung erteilen werde.
AfD: Zerstörung der Wirtschaft mit religiösem Eifer
Thomas Ehrhorn (AfD) sagte, wer auf eine Lernkurve der Regierung hoffe, werde leider auch bei diesem „Ideologieprojekt“ wieder enttäuscht: Die Koalition treibe „das Zerstörungswerk unserer Wirtschaft mit geradezu religiösem Eifer“ weiter voran.
So erkläre sich auch das Kernanliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs, nämlich „die als lästig empfundenen Verzögerungen für den grenzenlosen Ausbau von Erneuerbare-Energie-Anlagen mit aller Macht aus dem Weg zu räumen“.
Linke: Ressourcen für die Umsetzung fehlen
Susanne Hennig-Wellsow (Gruppe Die Linke), begrüßte, dass die Koalition den Klimaschutz als Ziel in das Immissionsschutzgesetz aufnehmen möchte. Aber ein Gesetz zu beschließen, für dessen Umsetzung die finanziellen, personellen und fachlichen Ressourcen sichtbar nicht vorhanden seien, gehe nicht.
Dr. Jan-Niclas Gesenhues, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, sagte, mit dem Gesetz werde korrigiert, dass die Vorgängerregierung den Kampf gegen die Klimakrise sowie die Verfahrensbeschleunigung sträflich vernachlässigt habe. Umwelt- und Naturschutz seien mit dem zügigen Ausbau der Erneuerbaren vereinbar: „Wir stellen das mit diesem Gesetz unter Beweis“, sagte Gesenhues.
Entschließung verabschiedet
In der vom Bundestag verabschiedeten Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, sich mit den Ländern und den Verbänden zum Vollzug der neuen Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz auszutauschen und, wo notwendig, zusätzliche Vollzugshilfen im Sinne des Gesetzes zu erarbeiten.
Zudem soll die Regierung einen Gesetzentwurf zur nationalen Umsetzung der EU-Industrieemissionsrichtlinie vorlegen und dabei die Vorgaben eins zu eins umsetzen. Die Verordnung zu den Vorgaben der Abwärmenutzung im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung sei zeitnah vorzulegen und der Arten- und Naturschutz müsse als existenzielle Wirtschaftsgrundlage anerkannt werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzrecht vereinfachen, damit zum Beispiel Windkraftanlagen schneller gebaut werden können. Ziel sei es, die Potenziale des Bundesimmissionsschutzgesetzes effektiver zu nutzen, um die Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 erforderten diese „nahezu eine Verdreifachung der bisherigen Geschwindigkeit der Emissionsminderung“.
Konkret wird „Klima“ als Schutzgut in das Bundesimmissionsschutzgesetz aufgenommen. Hierdurch könnten die auf Grundlage dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen auch Regelungen zum Schutz des Klimas enthalten, erklärt die Bundesregierung.
Schnellere Genehmigungsverfahren
Zum anderen ist geplant, die Genehmigungsverfahren für Anlagen wie etwa Windenergieanlagen an Land und Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff zu beschleunigen. So ist künftig unter anderem eine Verlängerung der Genehmigungsfristen durch die Behörde nicht mehr unbeschränkt möglich. Anlagenbetreibern wird das Nachreichen von Unterlagen im Genehmigungsverfahren erleichtert. Ebenfalls vereinfacht wurden Genehmigungsverfahren für das sogenannte Repowering, das Ersetzen älterer Anlagen durch moderne.
Darüber hinaus werden mit dem Gesetz einzelne EU-rechtliche Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt. So wird zum einen künftig die Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren beteiligt, wenn eine Industrieanlage so geändert oder erweitert wird, dass die Schwellenwerte nach der Industrieemissionsrichtlinie überschritten werden. Zum anderen werden Überprüfungen und Überarbeitungen der Lärmaktionspläne, die nach bisher geltendem EU-Recht in diesem Jahr stattfinden sollten, verschoben. Sie sollen nun spätestens bis zum 18. Juli 2024 stattfinden.
Änderungen im Umweltausschuss
Der Umweltausschuss hatte dem Gesetzentwurf am Mittwoch, 5. Juni, zugestimmt. Für den Regierungsentwurf stimmten im Ausschuss die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, während die CDU/CSU-Fraktion, die AfD-Fraktion und die Gruppe Die Linke dagegen votierten.
Zuvor hatte der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen, mit dem die geplanten Erleichterungen im Genehmigungsverfahren nun nicht nur – wie in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs – für Windenergieanlagen und Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff gelten, sondern auch für alle anderen Industrieanlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt werden. Besonders profitieren sollen jedoch weiterhin Erneuerbare-Energien-Anlagen, sie erhielten in einzelnen Punkten extra Erleichterungen.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat hat einzelne geplante Regelungen kritisch gesehen und Änderungen vorgeschlagen. Dies gilt etwa für die Aufnahme des Klimas als Schutzgut: In seiner Stellungnahme, die dem Gesetzentwurf beigefügt ist, merkt die Länderkammer an, dass die Anforderungen, welche im immissionsschutzrechtlichen Verfahren hinsichtlich des neuen Schutzgutes an die Anlage gestellt werden, nicht klar seien und konkretisiert werden müssten.
Eine Forderung, der die Bundesregierung jedoch nicht nachkommen will: In ihrer Gegenäußerung erwidert sie, dass die Aufnahme des Klimaschutzes in die Zweckbestimmung des Gesetzes der Klarstellung diene. Damit werde die Rechtsgrundlage für künftige konkretisierende Rechtsverordnungen nach Paragraf 7 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geschaffen, „die gemeinsam mit den Ländern zu erarbeiten und mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen sein werden“.
Gegenäußerung der Bundesregierung
Zustimmend äußert sich die Bundesregierung etwa zu einem Änderungsvorschlag des Bundesrates zur Digitalisierung der Genehmigungsverfahren: Dieser hatte in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es der vollständigen Digitalisierung bedürfe, um die Verfahren insgesamt wirksam zu beschleunigen. Derzeit würden bundesweit für die elektronische Antragstellung die entsprechenden Fachverfahren und Onlinezugänge geschaffen. Für die Nutzung dieser Möglichkeiten müssten Genehmigungsbehörden aber auch berechtigt sein, eine elektronische Antragstellung zu fordern und dafür technische Vorgaben zu machen, mahnt der Bundesrat.
Insgesamt betont die Länderkammer, dass es für das Erreichen der Klimaschutzziele und für die Sicherung der Energieversorgung nicht nur beschleunigter Zulassungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Anlagen brauche, sondern auch für „die Gesamtheit industrieller Anlagen, die an eine klimaneutrale Produktionsweise angepasst werden müssen“. (mwo/sas/07.06.2024)