Die AfD-Fraktion ist im Bundestag mit zwei Anträgen zur Bekämpfung des Islamismus in Deutschland gescheitert. Mit den Stimmen aller anderen Fraktionen sowie der Gruppen Die Linke und BSW lehnte das Parlament am Donnerstag, 13. Juni 2024, einen AfD-Antrag (20/11373) ab, den Kampf gegen islamistische Organisationen „mithilfe weiterer Maßnahmen und Verbote“ fortzuführen.
Gegen einen Antrag der AfD-Fraktion zu einem Verbot des Vereins „Muslim Interaktiv“ (20/11372) votierten in namentlicher Abstimmung 577 Abgeordnete, während 68 für die Vorlage stimmten und elf sich enthielten. Zu beiden Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Inneres und Heimat vor (20/11744, 20/11372).
SPD: Regierungskoalition hat Islamismus fest im Blick
In der Debatte sagte Daniel Baldy (SPD), das Risiko islamistischer Anschläge in Deutschland sei so hoch wie lange nicht mehr, doch seien die Sicherheitsbehörden aufmerksam und hätten die Lage im Blick.
Die Regierungskoalition habe den Islamismus fest im Blick, was auch das am Vortag verhängte Verbot eines salafistischen Vereins in Braunschweig zeige. Mit derselben Härte werde man auch im Bund weiterhin gegen Islamisten vorgehen, „sei es gegen Muslim Interaktiv, aber auch gegen andere“.
Union fordert Erarbeitung eines Aktionsplans
Christoph de Vries (CDU/CSU) beklagte, die islamistische Bedrohung in Deutschland sei gewaltig und werde immer größer. Die Bundesregierung müsse endlich das Islamische Zentrum Hamburg schließen und alle Organisationen verbieten, die in Deutschland ein islamistisches System errichten wollen.
Zudem müsse ein Aktionsplan gegen politischen Islamismus erarbeitet werden, wie dies auch beim Rechtsextremismus gemacht worden sei. Angesichts der vielen Initiativen der Union gegen den politischen Islamismus würden die AfD-Vorlagen indes nicht gebraucht.
Grüne: Herausforderung gemeinsam mit muslimischen Verbänden angehen
Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte, der Kampf gegen den Islamismus könne nicht ohne die Muslime gewonnen werden. Man müsse aber auch von den muslimischen Verbänden verlangen, mit an den „Herausforderungen eines deutschen, also zeitgemäßen Islam zu arbeiten, der hier lebbar ist“.
Kaddor verwies dabei auf den Vorschlag einer Staatsstiftung. Diese könnte „Moscheegemeinden fördern, die bestimmte Kriterien erfüllen“ wie beispielsweise eine integrierende und nicht abgrenzende Jugend- und Gemeindearbeit.
AfD kritisiert „unkontrollierte Masseneinwanderung“
Dr. Bernd Baumann (AfD) wertete das Video von dem tödlichen Attentat auf einen Polizisten in Mannheim als Zeitdokument, das entlarve, was „unkontrollierte Masseneinwanderung“ wirklich bedeute.
Den Grünen warf er vor, mit „ihrer Masseneinwanderung Deutschland die linksgrüne Wahnidee von Vielfalt und Diversity“ aufzuzwingen. Dieser Weg sei falsch. Tausende forderten bereits auf deutschen Straßen ein Kalifat. An der Spitze stehe dabei der Verein „Muslim Interaktiv“, der endlich verboten werden müsse.
FDP: Vereinsverbot nicht zu lange hinauszögern
Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) betonte, dass ein Verein laut Vereinsgesetz aufgelöst werden dürfe, wenn er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.
Das von „Muslim Interaktiv“ geforderte Kalifat beinhalte klar, „dass es den Staat Israel nicht mehr geben würde“. Schon das sei ein Warnsignal, dass die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot erfüllt sein könnten. Ein solches Verbot müsse aber „rechtlich wasserdicht“ sein. Trotzdem dürfe ein Vereinsverbot nicht zu lange hinausgezögert werden.
Erster Antrag der AfD
Den Kampf gegen islamistische Organisationen in Deutschland mithilfe weiterer Maßnahmen und Verbote konsequent fortzuführen, forderte die AfD-Fraktion in ihrem ersten Antrag (20/11373). Die Bundesregierung verkenne die tatsächliche Gefährdungslage durch importierten islamistischen Extremismus für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, „insbesondere auch für die hier lebende jüdische Bevölkerung“, schreiben die Abgeordneten.
Gerade diese Gefährdungslage stelle eine „schwerwiegende Bedrohung für unsere gesamte westliche Werteordnung dar“. Aus rein ideologischen Gründen und trotz aller Warnungen habe man diese Gefahren für lange Zeit weitgehend ausgeblendet.
Weitere Verbote zeitnah umsetzen
Die AfD-Fraktion forderte die Bundesregierung auf, dem Bundestag zeitnah ein aktuelles Lagebild zu Art und Umfang der derzeitigen verfassungs- wie sicherheitsrelevanten Tätigkeiten islamistischer Organisationen und Terrororganisationen in Deutschland vorzulegen, „insbesondere auch im Hinblick auf Aktivitäten von Mitgliedern der Taliban auf deutschem Staatsgebiet“.
Weitere Verbote islamistischer und antisemitisch ausgerichteter Organisationen sollten nach Auffassung der Abgeordneten „zeitnah umgesetzt werden“. Neben der Auflösung des jeweiligen Vereins müsse dies auch die Beschlagnahme seines Vermögens und die Schließung seiner Bildungsstätten beinhalten.
Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg
Konkret benannt werden von der AfD die Muslimbruderschaft in Deutschland und ihre Ableger, was auch Exekutivmaßnahmen gegen die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG), ehemals Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD), und nachgeordnete Organisationen erfordere, „da die Deutsche Muslimische Gemeinschaft als deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der Muslimbruderschaft gilt“.
Aufgeführt werden außerdem das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden zunehmend zum strategischen Außenposten der Regierung in Teheran in Europa geworden sei, und die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem zweiten Antrag (20/11372) ein Verbot des Vereins „Muslim Interaktiv“. Der Verein sei eine extremistische, radikal-islamische Organisation, deren Wirken sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte, heißt es in der Vorlage. Dies sei unter anderem auf einer von „Muslim Interaktiv“ veranstalteten Demonstration Ende April in Hamburg deutlich geworden, an der weit über 1.000 islamistische Demonstranten teilgenommen hätten und bei der die Errichtung eines Kalifats und die Einführung der Scharia in Deutschland gefordert worden sei.
In der Herrschaftsform des Kalifats gebe es weder eine Gewaltenteilung, noch sei eine Trennung von Staat und Religion vorgesehen, schreibt die AfD-Fraktion. Die Ausrichtung von „Muslim Interaktiv“ sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. „Sowohl unsere verfassungsmäßig verbrieften Freiheitsrechte als auch die demokratische Staatsordnung werden abgelehnt“, schreiben die Abgeordneten.
Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung
Von der Bundesregierung fordern sie, ein Verbotsverfahren gegen den Verein „Muslim Interaktiv“ wegen Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung einzuleiten „und bei Vorliegen der Voraussetzungen dieses Verbot unverzüglich zu erlassen und umzusetzen“.
Zudem müsse der Bundestag über das Ergebnis dieser Prüfung und der erlassenen Maßnahmen unterrichtet werden, heißt es in der Vorlage. (sto/hau/13.06.2024)