Der Bundestag hat am Donnerstag, 21. Februar 2019, der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat (19/7940) zur Änderung der Finanzverfassung des Grundgesetzes zugestimmt. In namentlicher Abstimmung votierten 574 Abgeordnete für den Kompromissvorschlag, 74 Abgeordnete lehnten ihn ab. Vor der namentlichen Abstimmung wurde über die fünf einzelnen Änderungsvorschläge abgestimmt. Sie wurden jeweils mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen das Votum der AfD-Fraktion angenommen. Für die namentliche Schlussabstimmung war im Bundestag, wie immer bei Grundgesetz-Änderungen, eine Zweidrittelmehrheit von 473 Stimmen erforderlich.
Der Vermittlungsausschuss hatte sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 20. Februar, auf einen Kompromiss zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/3440) geeinigt, durch den die Artikel 104c, 104d, 125c und 143e des Grundgesetzes geändert werden. Da aufgrund des Vermittlungsvorschlags auch der Artikel 104b geändert wird, erhält das Gesetz den neuen Namen „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104b, 104c, 104d, 125c, 143e)“.
Bund soll Finanzhilfen gewähren können
Nach dem Einigungsvorschlag kann der Bund den Ländern künftig Finanzhilfen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Auch unmittelbar damit verbundene und befristete Aufgaben der Länder und Gemeinden können nach der Neufassung des Artikels 104c des Grundgesetzes finanziert werden.
Die im Bundestagsbeschluss von Dezember 2018 enthaltene und umstrittene Formulierung, die Finanzhilfen „zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“ zu gewähren, wurde gestrichen.
Kontrollrechte geklärt
Bei den bis zuletzt streitigen Kontrollrechten des Bundes über die Verwendung der Gelder erreichte der Vermittlungsausschuss ebenfalls eine Einigung. Nach seinem Vorschlag darf die Bundesregierung im Bildungsbereich von den Ländern Berichte und anlassbezogen die Vorlage von Akten verlangen, um die zweckentsprechende Mittelverwendung zu gewährleisten.
Im Übrigen bleiben die in dem Bundestagsbeschluss enthaltenen Kontrollrechte unverändert.
50:50 Regelung gestrichen
Ein weiterer Aspekt des Kompromisses betrifft die finanzielle Beteiligung der Länder an den künftigen Bundesprogrammen im Bildungsbereich, sozialen Wohnungsbau und zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. Hierzu bestimmt der vorgeschlagene Artikel 104b des Grundgesetzes, dass die Mittel des Bundes zusätzlich zu eigenen Mitteln der Länder bereit gestellt werden. Der vom Bundestag beschlossene Gesetzestext sah vor, dass sich die Länder immer in gleicher Höhe wie der Bund beteiligen müssen.
Der derzeit amtierende Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe, hat dazu erklärt: „Der Vermittlungsausschuss hat seine Verhandlungsfähigkeit wieder einmal bewiesen. In kurzer Zeit haben wir ein gutes Ergebnis erzielt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Kompromiss in Bundestag und Bundesrat die notwendige Zweidrittelmehrheit findet. Besonderer Dank gilt den beiden Verhandlungsführern, Frau Staatsministerin Doris Ahnen, Rheinland-Pfalz, und Andreas Jung, MdB, die es geschafft haben, in nur drei Sitzungen der vom Vermittlungsausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe wesentliche Kompromisslinien auszuloten. Damit können nun die vorgesehenen Milliarden aus dem Bundeshaushalt schon bald fließen und den Schulen in unserem Lande zu Gute kommen.“
AfD-Antrag auf Absetzung abgelehnt
Vor der Abstimmung, die ohne Aussprache vorgesehen war, hatte die AfD-Fraktion beantragt, den Tagesordnungspunkt abzusetzen, weil wesentliche Inhalte des Kompromissvorschlags nicht zuvor in einer Bundestagsdebatte verhandelt worden seien. Der Parlamentarische Geschäftsführer Dr. Bernd Baumann verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Dezember 2018 zur Biersteuer. Der Antrag wurde mit den Stimmen der übrigen Fraktionen abgewiesen.
Auch Dr. Götz Frömming (AfD) sagte, der Gesetzentwurf unterscheide sich substanziell von dem zunächst im Bundestag verabschiedeten Gesetz, zu dem der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hatte. „Kungelrunden“ seien das Gegenteil von dem, was das Grundgesetz meine, sagte Frömming. Der Bürger könne seine Kontrollfunktion nun nicht wahrnehmen.
„AfD hat sich nicht zu Wort gemeldet“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, erinnerte daran, dass es zwei Vermittlungsrunden im Vermittlungsausschuss gegeben habe und eine Arbeitsgruppe gebildet worden sei, in der sich die AfD nicht zu Wort gemeldet habe. Es hätte die Möglichkeit gegeben, Bedenken im Vermittlungsausschuss vorzutragen.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, verwies darauf, dass die AfD der erforderlichen Fristverkürzung, um den Kompromissvorschlag am 21. Februar im Bundestag abstimmen zu können, mit Zustimmung der AfD zustande gekommen sei. Die SPD wolle, dass der soziale Wohnungsbau in Deutschland finanziert und Schulen auf den neuesten Sand gebracht werden können.
„Guter Tag für die Bildung in Deutschland“
Dr. Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, nannte das Vermittlungsergebnis markiere einen guten Tag für die Bildung in Deutschland. Man wolle nicht nur in Beton und Kabel, sondern auch in Know-how und Köpfe investieren. Die FDP bekenne sich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schulen. Der Kompromiss sei ein „Erfolg unseres Verfassungslebens“.
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) begrüßte ebenfalls die Einigung. Gewinner seien die Kinder und Eltern. Die „Bildungsbremse“ des 2006 eingeführten Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Bildung müsse endlich gelöst werden. Der Bundestag müsse dafür sorgen, dass Geld für die Schulen wirklich bei den Schulen und Geld für sozialen Wohnungsbau beim sozialen Wohnungsbau ankommt. Die beschlossenen fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt würden nicht ausreichen, sagte Lötzsch.
Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, sagte, die AfD versuche, Parlament und Verfassungsorgane verächtlich zu machen. An diesem Verfahren sei nichts „unsauber“. Mit dem Kompromiss habe man die Frage eines modernen Bildungsföderalismus ein Stück weitergebracht. Der Kompromiss sei „breit getragen“.
Zwei-Drittel-Mehrheiten erforderlich
Der Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses muss von Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt werden. Der Bundesrat wird in seiner nächsten Sitzung am 15. März 2019 über den Einigungsvorschlag abstimmen.
Der Bundestag hatte die Grundgesetzänderung bereits am 28. November 2018 in namentlicher Abstimmung mit deutlich mehr als der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auf Empfehlung des Haushaltsausschusses (19/6144) beschlossen. Dafür stimmten damals 578 Abgeordnete, dagegen 87 bei drei Enthaltungen. Die Bundesregierung wollte mit dem Gesetz erreichen, dass der Bund künftig Länder und Kommunen im Bildungsbereich sowie beim sozialen Wohnungsbau umfassender mit Finanzhilfen unterstützen kann.
Vermittlungsausschuss angerufen
Nach dem Bundestagsbeschluss hatte der Bundesrat, der ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit zustimmen muss, am Freitag, 14. Dezember 2018, beschlossen, zu dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz nach Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen (19/6612). Ziel sollte eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes sein.
Innerhalb von drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses beim Bundesrat kann dieser verlangen, dass der aus jeweils 16 Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates bestehende Vermittlungsausschuss einberufen wird. Er soll eine Beschlussempfehlung erarbeiten, der Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen, bei Grundgesetzänderungen wie in diesem Fall jeweils mit Zweidrittelmehrheit. (vom/21.02.2019)