Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat in der Generalaussprache zum Bundeshaushalt am Mittwoch, 27. November 2019, ein klares Signal gegen Hetze und Hass gesetzt und dafür starken Beifall weit über die Reihen der Abgeordneten der Großen Koalition hinaus erhalten. Zugleich verteidigte sie die Maßnahmen der Koalition gegen den Klimawandel und auch den Grundsatz des ausgeglichenen Haushalts. Das Bündnis mit der SPD will sie fortsetzen.
Merkel beklagte „Friktionen in unserer Gesellschaft“ und erinnerte an den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den Angriff gegen die Synagoge in Halle, die „uns aufrütteln“ würden. Die Meinungsfreiheit kenne aber Grenzen, sagte sie weiter. „Und die beginnen da, wo gehetzt wird, da, wo Hass verbreitet wird.“ Und dagegen müsse man sich stellen, „denn sonst ist diese Gesellschaft nicht mehr das, was sie einmal war“. Vorwürfe, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit, wies Merkel zurück. Wer so was behaupte, müsse damit leben, dass es Widerspruch gebe: „Es gibt keine Meinungsfreiheit zum Nulltarif.“
Verteidigungsausgaben und Unternehmensteuerreform
Weite Strecken ihrer Rede widmete die Kanzlerin der Außenpolitik, in der sie ein klares Bekenntnis zur Nato ablegte und eine Erhöhung des Verteidigungsetats in Aussicht stellte. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt solle von 1,42 Prozent im kommenden Jahr bis 2024 auf 1,5 Prozent steigen und Anfang der 2030er-Jahre die Nato-Vorgabe von zwei Prozent erreichen. Politische Lösungen zur Beendigung von Konflikten hätten aber Priorität, betonte die Kanzlerin.
In der Wirtschaftspolitik wies Merkel darauf hin, dass Deutschland bald die höchsten Unternehmenssteuern haben werde, sodass es Handlungsbedarf gebe. Rufe nach mehr Investitionen durch Kreditaufnahme wies sie zurück und warnte vor „abfälligem“ Reden über die schwarze Null: „Man kann doch Investitionen nicht erst gut finden, wenn sie Schulden verursachen.“ Das Klimapaket der Koalition verteidigte die Kanzlerin gegen Kritik und verwies auf das wirtschaftliche Potenzial Deutschlands: „Wer, wenn nicht wir, soll denn zeigen, dass es geht, dass man dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann?“
CDU/CSU: Über eine Unternehmenssteuerreform reden
Auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus unterstützte das Klimapaket der Koalition und stellte fest: „Der Klimawandel ist da.“ Deshalb müssten noch viel mehr Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, zum Beispiel beim Hochwasserschutz und bei der Stadtbegrünung.
Brinkhaus forderte die SPD außerdem zu Gesprächen über eine Unternehmenssteuerreform auf. Geredet werden müsse über die Gleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften. Zum Haushalt und zum Finanzplan verwies Brinkhaus auf 43 Milliarden Euro vorgesehene Investitionen. Das sei das größte und ambitionierteste Investitionsprogramm, das die jüngere Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gesehen hat. Besonders hob er die Investitionen in die Digitalisierung hervor.
AfD: Energiewende ist gescheitert
Alexander Gauland (AfD) eröffnete die Aussprache zum Haushalt des Bundeskanzleramtes (© DBT/Melde)
Dagegen hatte der Fraktionsvorsitzende der AfD, Dr. Alexander Gauland, die Energiewende als gescheitert bezeichnet. Aber wie schon beim Atomausstieg oder der massenhaften Aufnahme von Migranten befinde man sich wieder auf einem deutschen Sonderweg. Die Klimapolitik der Bundesregierung sei unsinnig, wirkungslos und eine Gefahr für das Land: Ein Blackout im Stromnetz sei weit wahrscheinlicher als „die von Ihnen beschworene Klimakatastrophe“.
Selbst wenn Deutschland nicht mehr existieren würde, seien Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar, so Gauland. „Und dafür setzen Sie alles aufs Spiel, dafür machen Sie eine Energiewende und dafür ruinieren Sie unsere Auto- und Maschinenbauindustrie.“ Das Thema sei jedoch inzwischen so „ersatzreligiös aufgeladen“, dass die Frage richtig oder falsch keine Rolle mehr spiele.
SPD gegen Streben nach militärischer Dominanz
Der SPD-Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Rolf Mützenich, ließ in der Außenpolitik Distanz zu Merkel erkennen. Das Verantwortungsprinzip erschöpfe sich viel zu sehr im Militärischen. Ein Streben nach militärischer Dominanz werde die SPD-Fraktion nicht mitgehen. In der Wirtschaftspolitik appellierte Mützenich, die Menschen bei den großen Veränderungen durch den digitalen Wandel und den großen Umbrüchen in der Arbeitswelt mitzunehmen.
Die Menschen müssten sich auf einen Staat verlassen können, der investiere und die richtigen Rahmenbedingungen schaffe. Er verwies auf die Erfolge der SPD bei der Mindestausbildungsvergütung, beim sozialen Wohnungsbau oder der geplanten Grundrente.
FDP: Schlafwandlerisch in eine drohende Wirtschaftskrise
„Schlafwandlerisch“ gehe die Bundesregierung auf eine drohende Wirtschaftskrise zu, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner. Dazu habe sich die Kanzlerin nicht geäußert. Lindner verwies auf den Arbeitsplatzabbau der Automobilindustrie, der auch mit politischen Entscheidungen wie der einseitigen Ausrichtung auf die Elektromobilität zu tun habe.
Aber wer die Wirtschaft links liegen lasse, „darf sich über Probleme von rechts irgendwann nicht wundern“, warnte Lindner. Die Wohnungsbauoffensive der Regierung sei schon gescheitert, ehe sie begonnen habe.
Linke: Kraftlos, tatenlos, verantwortungslos
Als „kraftlos, tatenlos und verantwortungslos“ bezeichnete Dr. Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, den Bundeshaushalt 2020. Er empfahl einen „Spielabbruch“ und neue Mannschaften. Angesichts der Halbzeitbilanz sollte eine zweite Halbzeit besser nicht angepfiffen werden.
Die Klimaschutzmaßnahmen seien wirkungslos, ökonomisch falsch und gingen zulasten von Geringverdienern. Es fehlten auch Wohnungen. „Deutschland braucht Wohnungen statt Waffen“, sagte Bartsch mit Blick auf die Rüstungsprogramme.
Grüne: Ausbleibende Investitionen größte Bedrohung
Der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, griff den Hinweis der Kanzlerin auf die Potenziale Deutschlands beim Klimaschutz auf und fragte: „Warum machen Sie das denn nicht?“ So sei der Ausbau der Windkraft auf ein Zehntel zusammengebrochen – aufgrund von falschen Entscheidungen der Regierung.
Hofreiter forderte eine Investitionsoffensive, wenn Wohlstand, Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden sollten. Er zeigte zwar Respekt, dass es gelungen sei, den Schuldenstand nach der Finanzkrise zurückzuführen. Aber heute sei die größte Bedrohung für Deutschland und den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht der Schuldenstand, sondern das Ausbleiben von Investitionen.
Bekenntnis zur Fortsetzung der Großen Koalition
Die Kanzlerin hatte sich klar zur Fortsetzung der Großen Koalition unter ihrer Führung bekannt. Das Bündnis habe schon viel begonnen, aber auch noch viel vor sich: „Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten. Ich bin dabei.“
Auch SPD-Fraktionschef Mützenich bekannte sich zur Fortsetzung der Koalition: Sozialdemokraten hätten den Etat für 2020 geprägt, „und meine Fraktion will auch an dessen Umsetzung mitwirken“.
Kanzleramtsetat mit 372 Stimmen angenommen
Mit 372 gegen 283 Stimmen bei einer Enthaltung nahm der Bundestag den Einzelplan 04 des Bundeshaushalts 2020 (Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt) in namentlicher Abstimmung im Anschluss an die zweite Beratung an. Der Etat von Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt innerhalb des Haushaltsgesetzes 2020 (19/11800, 19/11802, 19/13800, 19/13801) sieht Ausgaben in Höhe von 3,39 Milliarden Euro (2019: 3,24 Milliarden Euro) vor. Zur Abstimmung lagen Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses (19/13924, 19/13925) vor.
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag in zweiter Beratung einen Änderungsantrag der AfD-Fraktion (19/15502) ab, die eine Evaluierung der Filmförderung verlangt hatte.
Ausgaben für Kultur und Medien
Der Etat der im Bundeskanzleramt angesiedelten Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters, wurde um über 100 Millionen Euro auf knapp zwei Milliarden Euro aufgestockt. Vor allem das Denkmalschutz-Sonderprogramm wird mit einem Niveau von 30 Millionen Euro fortgesetzt.
Die Zuschüsse für investive Kulturmaßnahmen bei Einrichtungen im Inland wurden gegenüber dem Regierungsentwurf um 55 Millionen Euro im Jahr 2020 sowie um Verpflichtungsermächtigungen für kommende Haushaltsjahre in Höhe von 644 Millionen Euro angehoben.
Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2020 in der durch den Haushaltsausschuss geänderten Fassung Ausgaben in Höhe von 362 Milliarden Euro vor (2019: 356,4 Milliarden Euro).
Abgelehnter Änderungsantrag der AfD
In ihrem Änderungsantrag (19/15502) hatte die AfD gefordert, den Haushaltstitel „Anreiz zur Stärkung der Film- und Serienproduktion in Deutschland ohne wissenschaftliche Begründung“ bis zur Anpassung der Richtlinie für die kulturelle Filmförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zu sperren.
Die AfD plädierte für eine umfassende Evaluation der Filmförderung. Bevor dies nicht geschehen sei, dürfe die Haushaltssperre nicht aufgehoben werden. (hle/hau/28.11.2019)