Mit 506 zu 139 Stimmen bei drei Enthaltungen hat der Bundestag am Donnerstag, 19. Dezember 2019, einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Terrorismus effektiv bekämpfen, Verantwortlichkeiten klären – Einsetzung einer Kommission zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur – Föderalismuskommission III“ (19/7424) abgelehnt. Der namentlichen Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat vor (19/15129) zugrunde.
Die Liberalen drangen mit ihrem Antrag auf eine Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Dazu sollten Bundestag und Bundesrat eine gemeinsame Kommission einsetzen, „in die beide Institutionen je 16 Mitglieder sowie je 16 stellvertretende Mitglieder entsenden“, wurde gefordert.
Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit
Die Kommission sollt dem Antrag zufolge bis Ende 2020 Vorschläge zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur erarbeiten „mit dem Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern im Sicherheitsbereich zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern“. Insbesondere sollte sie nach dem Willen der Fraktion Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten „zwischen Bund und Ländern beim Verfassungsschutz“ sowie „bei den Sicherheits- und Polizeibehörden von Bund und Ländern sowie in Fragen der Cybersicherheit“ klarer und effizienter gestalten.
Ebenso sollte sie laut Vorlage unter anderem Regeln für das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten erarbeiten, „mit denen die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit angesichts neuer Entwicklungen in Kriminalität und Terrorismus gewahrt wird und die den Bedürfnissen des Informationsaustausches gerecht werden“, sowie eine Grundlage für eine gemeinsame digitale Sicherheitsarchitektur schaffen.
Zur Begründung schrieben die Abgeordneten, zu oft seien in Deutschland bei neuen terroristischen Bedrohungen oder der Kriminalität im Internet „zwar viele zuständig, aber wenn es darauf ankommt, keiner verantwortlich“. Es fehle „an effizient geordneten Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der über 40 Behörden, die in Fragen der Inneren Sicherheit und der Terrorismusabwehr beteiligt sind“. Die Folgen seien zu oft Reibungsverluste, Doppelarbeiten sowie eine fehlende oder unvollständige Informationsweitergabe.
CDU/CSU: Reform gerne auch mit Föderalismuskommission
Armin Schuster (CDU/CSU) warf den Liberalen vor, für ihren Antrag bei ehemaligen Innenministern und aus Handlungsempfehlungen von Untersuchungsausschüssen abgeschrieben zu haben. „Das reicht nicht“, befand Schuster. Auch er wünsche sich eine Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur in einigen fundamentalen Punkten: „Gerne auch mit einer Föderalismuskommission.“ Im Bundestag eine Mehrheit für eine solche Reform zu finden, sei nicht schwer, sagte Schuster. Anders sehe das in den Ländern aus.
Auch von den zuständigen FDP-Landesministern habe er nie gehört, „dass sie das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) reformieren wollen, die Zentralstellenfunktion von BKA und dem Bundesamt für Verfassungsschutz stärken wollen oder das Ankerzentrenprojekt für ganz Deutschland mit umsetzen wollen“. Stattdessen klage die FDP beim Bundesverfassungsgericht „gegen jede Form moderner Sicherheitsaufgabenwahrnehmung“, sagte der Unionsabgeordnete.
AfD: Zuständigkeit in der Terrorabwehr reformieren
Dr. Christian Wirth (AfD) sagte, bis heute zeige die Bundesregierung keinen geeigneten Handlungsansatz, die stetig steigenden Gefahren durch islamistische Gefährder, und damit den Terrorismus, präventiv zu bekämpfen. Grund dafür sei, dass sie dann zuerst Fehler in der Migrations- und Grenzpolitik einräumen müsste, befand er. Die Verteilung der Zuständigkeit in der Terrorabwehr ist aus seiner Sicht reformbedürftig. Terrorabwehr, Clan-Kriminalität und Abschiebungen gehörten in die Hände des Bundes, sagte Wirth.
Gerade in Berlin zeige sich, dass rot-rot-grün regierte Länder „keine Kompetenz in Sicherheitsfragen haben“, sondern lieber Abschiebungen verhindern und Drogendealer verhätscheln würden. Der Antrag der FDP sei jedoch ein Freibrief für die Regierung, nichts zu tun, da bei der Einrichtung einer Föderalismuskommission viel Zeit ins Land gehe, sagte der AfD-Abgeordnete. Derzeit würden monatlich etwa 15.000 illegale Migranten unkontrolliert über die deutsch-österreichische Grenze einwandern. Darunter auch jene, „die uns und unserer Freiheit schaden wollen“.
SPD: Reform der Sicherheitsarchitektur nicht erforderlich
Aus Sicht von Uli Grötsch (SPD) braucht es keine Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur. „Sie ist gut, muss aber weiterentwickelt und gestärkt werden, was in den vergangenen Jahren auch ganz ausführlich getan wurde“, befand er. Niemand außer der FDP wolle eine dritte Föderalismuskommission, so Grötsch. Ehe diese Ergebnisse zeigen könnte, würden Jahre vergehen. Außerdem wisse man aus Erfahrung, dass es keinen Automatismus gebe, „dass Deutschland nach einer Föderalismuskommission III sicherer wird“.
Grund für den Terroranschlag am Berliner Breitscheitplatz vor drei Jahren sei die schiefgelaufene Kommunikation zwischen den Behörden des Bundes und der Länder im GTAZ. „Das darf nicht wieder passieren“, sagte er. Aber auch eine komplett veränderte föderale Sicherheitsarchitektur könne nicht verhindern, dass Menschen Fehler machen, gab der SPD-Abgeordnete zu bedenken.
FDP: Weniger Behörden sollen mehr Sicherheit organisieren
Für Benjamin Strasser (FDP) hat der Anschlag hingegen gezeigt, dass „mit einem System mit 40 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, einem System aus den 1950er-Jahren, wir nicht nachhaltig und wirksam Terrorismus in Deutschland bekämpfen können“. Benötigt würden „weniger Behörden, die mehr Sicherheit organisieren“.
Derzeit sei zu erleben, dass zwar viele zuständig seien, „aber wenn es darauf ankommt, keiner verantwortlich sein will“. Die Verantwortung für das grundlegende Struktur- und Kommunikationsproblem in den Sicherheitsbehörden liege bei der Politik, die es nicht geschafft habe, „diese organisierte Verantwortungslosigkeit zu beenden“.
Linke: Eklatante Mängel beim Vollzug geltender Gesetze
Für Dr. André Hahn (Die Linke) ergibt sich eine andere wichtige Erkenntnis aus der Aufarbeitung des Terroranschlags am Berliner Breitscheidplatz. Wenn Behörden aus vorhandenen Informationen die falschen Schlüsse zögen, womöglich auch aus nicht vorhandener interkultureller Kompetenz, wenn das Bundeskriminalamt (BKA) den Fall nicht an sich ziehe, obwohl das geboten gewesen wäre, wenn der BND seine Informationen nicht an die Polizei weiterreiche, „haben wir es nicht mit Problemen in der föderalen Struktur zu tun, sondern mit eklatanten Mängeln beim Vollzug geltender Gesetze“.
Seine Fraktion habe erhebliche Zweifel, ob eine Kommission diese Probleme lösen könne, sagte der Linken-Abgeordnete.
Grüne: Zusammenarbeit der Behörden neu abstimmen
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die entscheidenden Lehren aus dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz für die deutsche Sicherheitsarchitektur seien bislang nicht gezogen worden. „Da müssen wir jetzt ran“, forderte sie. Mihalic sagte weiter, das BKA hätte aus ihrer Sicht den Fall des späteren Attentäters Anis Amri an sich ziehen müssen, anstatt ihn laufen zu lassen.
Folge davon sei gewesen, dass jede Landespolizei vor sich hin gearbeitet habe mit den bekannten Folgen. „Wenn die Rahmenbedingungen so etwas zulassen, müssen sie geändert werden“, forderte die Grünen-Abgeordnete. Der Schlüssel zu einer verbesserten Sicherheitsarchitektur liege nicht in der Ausweitung von Befugnissen oder im wilden Ändern von Gesetzen. Er liege hingegen darin, „die föderale Zusammenarbeit der Behörden von Grund auf neu miteinander abzustimmen“. Es gelte, die ineffektive Kleinstaaterei zu überwinden. (hau/sto/19.12.2019)