Der Bundestag hat am Freitag, 29. Mai 2020, die Fortsetzung der Bundeswehrbeteiligung an der „Multidimensionalen Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali“ (Minusma) in namentlicher Abstimmung mit 485 Ja-Stimmen bei 144 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen beschlossen. Zum Antrag der Bundesregierung (19/19004), laut dem bis zu 1.100 Soldatinnen und Soldaten entsendet werden können, hatten der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (19/19585) und der Haushaltsausschuss einen Bericht zur Finanzierbarkeit gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages (19/19605) vorgelegt.
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag den Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Aus dem Einsatz in Afghanistan lernen – Militärmission Minusma nicht fortsetzen“ (19/19155) ab. Dazu gab es eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/19586).
Erstmals wird zudem in verbundener Beratung ein Antrag der FDP debattiert, der mit „Vorausschauende humanitäre Hilfe für die Sahel-Zone“ (19/19505) überschrieben ist. Der Bundestag überwies die Vorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
„Deutsches Minusma-Kontingent robust aufgestellt“
„Das deutsche Minusma-Kontingent ist robust aufgestellt und trägt wesentlich zur Sicherheit in Nordmali und damit auch zur Umsetzung des Friedensvertrags von Algier bei“, schreibt die Bundesregierung in ihrem Antrag. Die Bundeswehr unterstütze Minusma durch die Bereitstellung einer Aufklärungseinheit mit Objektschutz- und Aufklärungskräften inklusive der „Hochwertfähigkeit Heron 1“, dem Warnsystem Mantis in der Konfiguration „Sense&Warn“ sowie erforderlichen Einsatzunterstützungs- und IT-Kräften. Dies werde ergänzt durch Expertise mit Einzelpersonal in den Stäben der Mission und mit den Fähigkeiten der geografischen Informationsberatung sowie der Bereitstellung von Brandschutz- und Bodendiensten zur Unterstützung des Flugbetriebs in Gao.
Ziel der Mission bleibe weiterhin, „dass die malische Regierung mittel- und langfristig Sicherheit auf ihrem Staatsgebiet weitgehend garantieren kann, eine Grundversorgung mit staatlichen Dienstleistungen in allen Regionen sichergestellt ist, die staatlichen Akteure von der Bevölkerung als glaubwürdig und legitim akzeptiert werden, sie mittel- und langfristig in der Lage sind, nachhaltige Entwicklung mit Perspektiven für die Bevölkerung zu schaffen sowie die Fähigkeit haben, gegen Strukturen der organisierten Kriminalität wie Schlepperstrukturen und somit auch gegen irreguläre Migration vorzugehen“. Das Mandat ist befristet bis Ende Mai 2021.
SPD: Deutschland darf sich nicht zurückziehen
In der Aussprache im Plenum plädierte Christoph Matschie (SPD) dafür, die staatlichen Strukturen in Mali zu stärken und die humanitäre Hilfe und die entwicklungspolitische Zusammenarbeit vor Ort abzusichern, um den Friedensprozess voranzubringen. Dazu müsse der Bundeswehr im Rahmen der Mission „Minusma“ nun für ein weiteres Jahr das Mandat erteilt werden.
Auch wenn sich trotz jahrelangen Engagements die Situation nicht verbessert, sondern in einigen Regionen sogar deutlich verschlechtert habe, dürfe sich Deutschland keinesfalls aus dem Einsatz zurückziehen, sagte Matschie. „Das würde die Lage noch verschlechtern“, so der SPD-Abgeordnete. Ein Sicherheitsvakuum würde sich bilden, Terrorgruppen würden sich ausbreiten.
Es reiche aber nicht, Minusma einfach zu verlängern. Der Konflikt in Mali lasse sich nicht allein militärisch lösen. Die Regierungen der Länder der gesamten Region seien aufgefordert, mehr staatliche Präsenz zu zeigen, soziale und wirtschaftliche Probleme als Konfliktursachen stärker in den Blick zu nehmen und ihren Bürgern das Gefühl zu geben, für sie da zu sein. Die Bundesregierung aber werde ihren „vernetzten Ansatz noch einmal größer und konsequenter denken müssen“. Sonst könne Malis Nachbarland Burkina Faso der nächste „failing state“ werden.
AfD: Mandat voll von unklaren Formulierungen
Die AfD wende sich mit einem eigenen Antrag gegen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Mali im Rahmen der Mission Minusma, sagte Gerold Otten (AfD). Das von der Bundesregierung geplante Mandat sei weder robust genug, um die verfolgten Ziele zu erreichen, noch seien diese Ziele im deutschen Interesse, noch verfügten die eigenen Soldaten über ausreichenden Schutz.
Das Mandat spiegele ein Wunschdenken und sei voll von unklaren Formulierungen. Es könne nicht Aufgabe von Soldaten sein, in Mali Versöhnungsprozesse zu fördern. Außerdem lasse der von der Koalition geplante Einsatz eine klare zeitliche Perspektive vermissen.
CDU/CSU: Abschottung bringt gar nichts
„Wir haben in der EU und in Deutschland ein großes Interesse, in Mali einen Beitrag zur Stabilität dieses Landes zu leisten“, warb dagegen Henning Otte (CDU/CSU) um Zustimmung zum Regierungsantrag auf Verlängerung von Minusma. „Die Probleme sind heute global“, nationale Abschottung bringe gar nichts.
Im Lichte der Erfahrungen liege nun ein angepasstes, geografisch erweitertes Mandat vor, das der Erkenntnis Rechnung trage, die Region als Ganzes in die Stabilisierungsbemühungen einzubeziehen. Die Terroristen machten auch nicht an der magischen Grenze halt. Den deutschen Soldatinnen und Soldaten im Einsatz aber müsse man Drohnen zur Verfügung stellen.
Otte warb zudem dafür, sämtliche in der Region zur Anwendung kommenden Ansätze und Missionen besser miteinander zu vernetzen, von der Entwicklungszusammenarbeit und der militärischen Komponente über die regionale Zusammenarbeit bis hin zur Verzahnung der einzelnen EU-Mandate.
FDP: Mali ist ein Schlüsselland in der Region
„Mali und der Sahel verdienen besonders jetzt unsere Aufmerksamkeit“, warb Gyde Jensen von der FDP für das deutsche Engagement in Mali und Umgebung und kündigte die fortgesetzte Unterstützung ihrer Fraktion für den Bundeswehreinsatz dort und das neu formulierte Mandat der Bundesregierung an.
Der Klimawandel schwäche die ohnehin schwachen Staaten in Afrika. Hunger könne in Mali ganz schnell zu einem Riesenproblem werden, das zahlreiche Menschen in die Flucht treibe. Mali sei ein Schlüsselland in der Region, „ein Dominostein“, den man nicht zu Fall bringen dürfe. „Daher unterstützen wir Minusma in Ergänzung zu EU-Mission EUTM“, sagte Jensen.
Ohne die Truppen vor Ort seien ziviler Wiederaufbau und humane Hilfe gar nicht möglich. Das Militärische müsse aber besser als bisher mit der Entwicklungszusammenarbeit und den diplomatischen Bemühungen vernetzt werden. Es zeuge von mangelnder Weitsicht, wenn Deutschland, das als verlässlicher Partner in der Welt hohes Ansehen genieße, lediglich ein Prozent seiner Ausgaben für humanitäre Hilfe nach Mali gelangen lasse. Zahlreiche Hilfsorganisationen warteten vor Ort bislang vergeblich auf die Freigabe weiterer Mittel.
Linke: Logik der militärischen Eskalation durchbrechen
Die Mali-Mission sei einer von vielen Auslandseinsätzen, die der Bundesregierung dazu dienten, die Bundeswehr im Dauereinsatz zu halten, sagte Christine Buchholz von der Fraktion Die Linke. Sie sprach sich gegen die Fortschreibung des Einsatzes aus. Warum bisher keines der angestrebten Ziele in Mali erreicht worden sei, darüber bleibe der Bericht der Bundesregierung eine Antwort schuldig.
Die Linken-Abgeordnete warf den Verantwortlichen vor, es herrsche Unklarheit bei den Zielen sowie bei der Ursachenforschung für die andauernde Gewalt und die eigenen Fehler. Man sei allerdings offensichtlich dabei, in Mali „alle Fehler des Afghanistan-Einsatzes zu wiederholen“. Sie forderte dazu auf, „die Logik der militärischen Eskalation“ zu durchbrechen: „Holen Sie die Bundeswehr zurück!“
Grüne: Ohne Minusma kein Friedensprozess
Dass die Vereinten Nationen heute den internationalen „peace keepers day“ zur Würdigung der in Uno-Friendsmissionen aktiven und verstorbenen Soldatinnen und Soldaten begehen, daran erinnerte Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen). Man könne nur allen Soldatinnen und Soldaten danken, die sich in diesem Rahmen für den Weltfrieden eingesetzt hätten.
Dem Antrag zur Verlängerung stimme seine Fraktion zu, werde aber die Arbeit der Bundesregierung in Mali weiterhin kritisch begleiten. „Ohne Minusma kein Friedensprozess“, erklärte Nouripour. Die Mission sorge für die Ausbildung lokaler Streitkräfte. Malische und internationale Truppen sicherten den nationalen Dialog ab. Das wolle man nun auf die Region ausweiten.
Aber man müsse künftig noch mehr tun, so der Grünen-Abgeordnete. Die Sicherheitslage habe sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. Die Entwicklungszusammenarbeit komme dadurch großenteils zum Erliegen. Das Rechtssystem funktioniere nicht und der malische Staat sei als Sicherheit stiftende Autorität noch zu wenig sichtbar. Mit Frankreich solle sich Deutschland besser abstimmen, sodass europäische und französische Einsätze nicht nur parallel nebeneinander laufen. „Es ist unsere Verpflichtung, dort mehr zu tun, damit der Friedensprozess vorankommt.“
AfD sieht Engagement in Mali als gescheitert an
Die AfD-Fraktion forderte die Bundesregierung in ihrem abgelehnten Antrag (19/19155) auf, die Bundeswehrbeteiligung an der UN-Mission Minusma in Mali und an der EU-Trainingsmission EUTM Mali zu beenden sowie jeweils einen Evaluierungsbericht dieser Einsätze vorzulegen. „Das deutsche beziehungsweise europäische militärische Engagement in Mali ist gescheitert“, hieß es in ihrem Antrag. Nach fünf Jahren militärischer Unterstützung durch die Bundeswehr sei entgegen anderslautender Auskünfte der Bundesregierung kein Fortschritt in dem Land erkennbar. Die Sicherheitslage habe sich in dem Zeitraum sogar in einigen Regionen verschlechtert. Vor allem im Norden und im Zentrum Malis komme es immer wieder zu Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen und gewaltsamen Übergriffen.
„Aus dem militärischen Engagement in Mali droht ein mit dem in Afghanistan vergleichbarer Einsatz zu werden, der mit großen Gefahren für unsere Soldaten und mit hohen finanziellen Kosten einhergeht, dessen nachhaltiger Erfolg aber nicht erkennbar ist“, schrieben die Abgeordneten. Der Aufwand, den die Bundeswehr in Mali betreiben müsse, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum bisher Erreichten. Zudem würden durch die Einsätze in Mali Kräfte der Bundeswehr gebunden, die wiederum in der Landes- und Bündnisverteidigung fehlten.
Überwiesener Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung in ihrem überwiesenen Antrag (19/19505) auf, eine umfangreiche Strategie zum deutschen humanitären Engagement in der Sahel-Region zu entwickeln, die einen besonderen Fokus auf vorausschauende humanitäre Hilfe legt. Der strategische Fokus in der deutschen humanitären Hilfe für den Sahel solle stärker auf die Entwicklung und die Implementierung von innovativen Ansätzen in der humanitären Hilfe gesetzt werden. Als Beispiel werden die vorausschauende humanitäre Hilfe, der Einsatz von Drohnen in der Lieferung von Hilfsgütern und der Iris-Scan für bargeldlose Bezahlung genannt.
Auch solle die Regierung im Rahmen der Haushaltsmittel für die humanitäre Hilfe aufgrund des hohen Bedarfs proportional mehr Geld für die Sahel-Region bereitstellen. (ll/ahe/hau/29.05.2020)