Der Bundestag hat am Donnerstag, 10. Juni 2021, nach halbstündiger Debatte Änderungen am Atomgesetz beschlossen. Dem Regierungsentwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (19/27659) stimmten in namentlicher Abstimmung 431 Abgeordnete zu, 188 lehnten ihn ab, es gab drei Enthaltungen.
Gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen stimmte er auch der unveränderten Annahme des Regierungsentwurfs eines 18. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes zu (19/28682, 19/29587). Zu beiden Gesetzentwürfen hatte der Umweltausschuss Beschlussempfehlungen vorgelegt (19/30488, 19/30045), zum zweiten Gesetzentwurf der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vorgelegt (19/30349). Den öffentlich-rechtlichen Vertrag „über die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs“ (19/29015, 19/29474 Nr. 1.7) nahm der Bundestag zur Kenntnis.
Änderungen des Atomgesetzes
Das 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (19/27659) hat das Ziel, bei der Sicherung kerntechnischer Anlagen und Tätigkeiten den Tatbestand „Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD)“ zu konkretisieren. Im Mittelpunkt des Gesetzes steht der Funktionsvorbehalt der Exekutive. Der atomrechtliche Funktionsvorbehalt betrifft den Sachverhalt, dass im Atomrecht die Ausgestaltung des Schutzes gegen SEWD Aufgabe der zuständigen Fachbehörden ist und einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Durch die gesetzliche Normierung soll nun der Funktionsvorbehalt gestärkt werden, womit gleichzeitig die Verteidigung von Genehmigungsentscheidungen vor Gericht gesichert werden soll.
Mit dem 18. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (19/28682) sollen die sich aus dem 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ergebenden verfassungsrechtlichen Beeinträchtigungen für die betroffenen Energieversorgungsunternehmen behoben und – zusammen mit dem zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vertrag – alle hiermit verbundenen, zwischen den Beteiligten strittigen Rechtsfragen in gegenseitigem Einvernehmen abschließend geregelt werden, heißt es. Zu diesem Zweck seien verschiedenen Energieversorgungsunternehmen in unterschiedlichem Umfang ein konkreter finanzieller Ausgleich für entwertete Investitionen in die Laufzeitverlängerung und für gemäß Anlage 3 Spalte 2 des Atomgesetzes unverwertbare Elektrizitätsmengen zu gewähren.
Oppositionsinitiativen abgelehnt
In zweiter Beratung lehnte der Bundestag Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/30533) zur 17. Änderung des Atomgesetzes ab. Nur die Grünen stimmten dafür, die Linksfraktion enthielt sich.
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion „zur Änderung des Atomgesetzes“ (19/27773) auf Empfehlung des Umweltausschusses (19/30045) ab.
Entsorgungsfondsgesetz geändert
Gegen die Stimmen von AfD und Linksfraktion nahm der Bundestag darüber hinaus den Regierungsentwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Entsorgungsfondsgesetzes“ (19/28685) an, zu dem der Bundesrat keine Einwendungen erhoben hatte (19/29563). Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses vor (19/30487).
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen wurden ein Entschließungsantrags der AfD (19/30534) zu diesem Gesetzentwurf sowie zwei Anträge der AfD-Fraktion abgelehnt (19/23955, 19/22435), zu denen Beschlussempfehlungen des Umweltausschusses vorlagen (19/24842, 19/24904 Buchstabe b).
Entschädigung der Konzerne für den Atomausstieg
Der öffentlich-rechtliche Vertrag über die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs (19/29015) soll die langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen mit den vier Energieversorgungsunternehmen EnBW, Eon/Preußen Elektra, RWE und Vattenfall beenden.
Wirksam wird der Vertrag mit Inkrafttreten des 18. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (19/28682).
Entsorgungsfondsgesetz geändert
Mit dem beschlossenen ersten Gesetz zur Änderung des Entsorgungsfondsgesetzes (19/28685) will die Bundesregierung sicherstellen, dass der Entsorgungsfonds seine Ertragsziele erreichen kann. Deshalb wird künftig nicht mehr die Bundeshaushaltsordnung den Rahmen für die Anlagetätigkeit des Fonds bilden. Stattdessen erstellt der Fonds einen Wirtschaftsplan in Anlehnung an das Handelsgesetzbuch. Der Entsorgungsfonds hat die Aufgabe, die Finanzierung der Kosten für die sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus der gewerblichen Nutzung der Kernenergie zu sichern.
Die Koalitionsfraktionen hatten Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen. Danach werden Kosten für Maßnahmen, die die Entsorgungskosten erheblich reduzieren, direkt vom Fonds beglichen. Über die Zahlungsverpflichtung des Fonds entscheidet das Umweltministerium im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium. Um die Wirtschaftlich- und Erheblichkeit der Reduzierung der Entsorgungskosten zu beurteilen, kann im Einzelfall die Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers eingeholt werden.
Abgelehnter Gesetzentwurf der AfD
Die AfD-Fraktion wollte mit ihrem Gesetzentwurf (19/27773) sicherstellen, dass auch zukünftig Kernbrennstoffe exportiert werden dürfen, sofern die kerntechnischen Anlagen im Ausland vergleichbar hohe Sicherheitsstandards wie in Deutschland haben.
Nach Angaben der AfD-Fraktion sollte der Gesetzentwurf Paragraf 3 des Atomgesetzes klarstellen und damit gewährleisten, dass die gegenwärtig praktizierte Ausfuhrregelung von Kernbrennstoffen beibehalten wird. Paragraf 3 sei in der jetzigen Fassung nicht eindeutig genug, um Forderungen nach einem Exportverbot angereicherten Nuklearbrennstoffs zu unterbinden, wurde in der Begründung ausgeführt.
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion verlangte in ihrem ersten abgelehnten Antrag mit dem Titel „Fukushima und Tschernobyl sachlich betrachten – Der Atomausstieg war ein Fehler und muss rückgängig gemacht werden“ (19/23955), wieder in die Nutzung der Atomenergie einzusteigen. Sie wollte das Atomgesetz dahingehend ändern, dass neue kerntechnische Anlagen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität wieder genehmigungsfähig sind. Außerdem sprach sie sich dafür aus, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, den Ausbau der Kernenergie in Ländern wie Polen, Tschechien und Litauen „als leuchtendes Beispiel zu unterstützen“.
In ihrem Antrag kritisierte die AfD eine „Katastrophensehnsucht nach nuklearen Havarien“ sowie „apokalyptische Propaganda-Pamphlete zum Beispiel von Greenpeace“. Sie wollte deshalb, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, die „tatsächlichen Sachverhalte zu Tschernobyl und Fukushima“ zum Beispiel in Form von Informationskampagnen bekannt zu machen. Das Bundesumweltministerium sollte außerdem „Falschinformationen zur Kernenergie“, wie sie sich nach Ansicht der AfD-Fraktion zum Beispiel auf der Website des Ministeriums finden, „umgehend unterbinden“.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten abgelehnten Antrag mit dem Titel „Kernkraft für Umweltschutz“ (19/22435) forderte die AfD die Bundesregierung zu mehr Unterstützung für die Kernkraft auf. Es gehe um eine „Renaissance der Kernkraft mit allen zu Verfügung stehenden guten Argumenten“, so die Abgeordneten.
Die europäischen und weltweiten Initiativen zum Ausbau der Kernenergie und der Entwicklung moderner Kerntechnik müssten vorangebracht werden. (chb/hau/10.06.2021)