Kolumne der Wehrbeauftragten - September 2024
Liebe Soldatin, lieber Soldat,
am 20. Juli hatte mich das Jägerbataillon 91 nach Rotenburg an der Wümme eingeladen. An diesem Tag haben rund 200 Rekrutinnen und Rekruten des Verbandes sowie des Versorgungsbataillons 141 aus Munster und des Sanitätsregiments 4 aus Rheine bei einem feierlichen Appell ihr Gelöbnis abgelegt. Der Einladung sagte ich direkt zu. Denn am 80. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats ein Feierliches Gelöbnis durchzuführen, fand ich eine erstklassige Idee.
Das Feierliche Gelöbnis ist ein einmaliges Erlebnis. Rekrutinnen und Rekruten werden damit offiziell in die Bundeswehr aufgenommen. Sie verpflichten sich, Frieden, Freiheit und Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaat tapfer zu verteidigen. Für dieses Bekenntnis gibt es kaum einen geeigneteren Anlass als den 20. Juli. Es ist ein besonderer, traditionswürdiger Tag für die Bundeswehr, dessen herausragende Bedeutung der KOMPASS in seiner letzten Ausgabe sehr gelungen herausgearbeitet hat.
Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 war eine der bedeutendsten Aktionen des Widerstandes gegen das NS-Regime. Die heterogene Gruppe ziviler und militärischer Oppositioneller um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg folgte ihrem Gewissen, ihrer inneren und festen Überzeugung, etwas gegen den Nationalsozialismus tun zu müssen, um die Menschlichkeit zu bewahren.
Es ist genau diese Einstellung, die beispielgebend für unsere Soldatinnen und Soldaten ist. Auch sie sollen auf Basis ihres Gewissens und eines inneren Wertegerüsts handeln und entscheiden. Sie haben das Recht, ja sogar die Pflicht, bestimmte Befehle zu verweigern, nämlich solche, durch die die Menschenwürde verletzt oder eine Straftat begangen würde.
Die Einladung des Jägerbataillons 91 habe ich auch noch aus einem anderen Grund sehr gerne angenommen. Der Verband ist mir ans Herz gewachsen.
Teile des Verbandes lernte ich erstmals in der Slowakei kennen, als ich 2022 die Mission „enhanced Vigilance Activities“ (eVA) besuchte. Im Juni 2023 war ich dann für einen regulären Besuch in Rotenburg. Dort habe ich in strahlende Augen vieler Soldatinnen und Soldaten geblickt. Das Jägerbataillon 91 entwickelt mit den anderen Jäger-Verbänden der Panzerbrigade 21 das neue Konzept der Mittleren Kräfte. Im Dezember 2023 habe ich mir die Erprobung der Mittleren Kräfte dann im laufenden Betrieb angeschaut und das Jägerbataillon 91 im Gefechtsübungszentrum Heer in Gardelegen besucht. Diese Aufgabe nehmen die Soldatinnen und Soldaten mit beeindruckender Motivation, Überzeugung, Engagement und Kreativität wahr. Sie erfüllen den Auftrag und der Auftrag erfüllt sie.
Das Feierliche Gelöbnis am 20. Juli 2024 und das Jägerbataillon 91 verkörpern für mich das, was die Bundeswehr insgesamt und unsere Soldatinnen und Soldaten auszeichnet: auf Basis eines klaren Wertekompasses einen sinnstiftenden Auftrag aus voller Überzeugung und mit herausragendem Engagement ausführen.
Die Rekrutinnen und Rekruten haben sich entschieden, Verantwortung zu übernehmen in unserem Land und für unser Land. Das zeugt von Mut und Stärke. Das verdient Anerkennung, Respekt und Dank. Und das habe ich in meiner Gelöbnis-Rede – auch stellvertretend für den Deutschen Bundestag – zum Ausdruck gebracht.
Mit herzlichen Grüßen
Eva Högl,
Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages