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08.11.2018 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 861/2018

Zeugen ohne Erinnerung an Anis Amri

Berlin: (hib/WID) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“) haben zwei einstige Mitarbeiter des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) die Zustände geschildert, die in ihrer Behörde herrschten, als der spätere Attentäter Anis Amri dort vorstellig wurde. An Amri selber haben die Zeugen Michael Wolter und Jacqueline Wagner, wie sie in ihrer Vernehmung am Donnerstag betonten, freilich keinerlei persönliche Erinnerungen. Der Tunesier, der im Dezember 2016 am Berliner Breitscheidplatz den bislang opferreichsten radikalislamischen Anschlag in Deutschland verübte, hatte sich im Laufe des Vorjahres beim Lageso unter drei verschiedenen Namen als asylsuchend gemeldet. Am 28. Juli 2015 nannte er sich Mohammed Hassan, am 10. September Ahmad Zaghloul und am 11. Dezember Ahmad Zarzour.

Vermutlich sei er Amri damals gar nicht begegnet, obwohl die Registrierung des angeblichen „Mohammed Hassan“ seine Unterschrift trage, sagte der 61-jährige und noch immer beim Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten beschäftigte Zeuge Wolter. Das überlastete Lageso habe damals zahlreiche Aushilfskräfte eingesetzt, die im Namen der zuständigen Sachbearbeiter die Personalien der Neuankömmlinge aufgenommen hätten. Allein sein Computer-Arbeitsplatz sei von etwa 20 weiteren Mitarbeitern genutzt worden. Auch die 28-jährige Zeugin Wagner erklärte, sie habe keine Ahnung gehabt, dass ihr möglicherweise einmal der spätere Attentäter vom Breitscheidplatz über den Weg gelaufen war. Dies sei ihr erst kürzlich bewusst geworden, als sie die Einladung des Untersuchungsausschusses in Händen hielt.

Wolter betonte, es sei damals weder technisch noch organisatorisch machbar gewesen, Angaben von Asylbewerbern zu ihrer Identität zu überprüfen. Fingerabdrücke hätten im Lageso nicht elektronisch, sondern nur auf Papier abgenommen werden können. Damit sei die Möglichkeit eines automatisierten Abgleichs entfallen. Auch wenn im Laufe eines Gesprächs der Übersetzer darauf hingewiesen hätte, dass ein Bewerber möglicherweise aus einem anderen Land stammte als er glauben machen wollte, wäre das für die Ersterfassung ohne Bedeutung gewesen: „Wenn jemand sagt, er heißt so und so und kommt aus dem und dem Land, habe ich das erstmal hinzunehmen.“

Bis heute sei es nicht üblich, bereits bei der Erstaufnahme Hinweisen nachzugehen, dass der Akzent eines Bewerbers möglicherweise nicht zu der Region passt, aus der zu stammen er behauptet. Dafür sei im Prinzip das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig: „Ich als Sachbearbeiterin kann die Entscheidung nicht treffen, ob jemand aus Tunesien oder Ägypten kommt. Man wollte sich auch nicht unbedingt mehr Arbeit machen als unbedingt nötig.“ Dank der mittlerweile erfolgten technischen Nachrüstung der Behörden sei es heute allerdings kaum noch denkbar, dass jemand wie damals Amri unter verschiedenen Identitäten durchs Land reist, sich mehrfach als Asylbewerber meldet und mehrfach Leistungen kassiert. So sei der elektronische Fingerabdruck inzwischen auch in Berlin Standard, sagte Wolter.

Die damaligen Arbeitsbedingungen im Lageso nannte er wie auch Wagner übereinstimmend „katastrophal“. Bereits seit 2013 sei ein wachsender Bewerberandrang festzustellen gewesen. Erst Anfang 2016 sei die Welle plötzlich verebbt. Auf dem Höhepunkt der Krise hätten dann kaum noch Regeln der Sorgfalt gegolten, sondern nur noch das Kriterium, „so schnell wie möglich so viel wie möglich abzuarbeiten“, sagte Wagner.

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