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23. März 2018 Presse

„Plakativ mit heißer Nadel gestrickt“Jimmy Schulz (FDP) im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“

Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 26. März 2018)

- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -

Jimmy Schulz (FDP), Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda, sieht beim Internetausbau in Deutschland den Staat in der Pflicht. „Ich glaube, dass Glasfaserverlegung eine staatliche Aufgabe ist und man sich darum kümmern muss, dass alle Haushalte in Deutschland einen Zugang zu der Infrastruktur von heute haben“, sagte er im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 26. März). „Am schlauesten wäre es, den Betrieb des Netzes und der Hardwareinfrastruktur, also des Kabels und der darauf transportierten Daten, zu trennen: Eine Infrastruktur, die bereitgestellt wird, die aber von allen gleichberechtigt genutzt werden kann und an deren Kosten sich alle beteiligen,“ schlug der Abgeordnete vor.   

Mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung zum Breitbandausbau zeigte sich der 49-Jährige skeptisch. Auch in der vergangenen Legislaturperiode seien die Ziele nicht erreicht worden. „Ich will nicht etwas verurteilen, was noch gar nicht geschehen ist. Meine Hoffnung ist aber nicht besonders groß, weil man da sehr viel tiefer angreifen muss“, sagte der Liberale. Dabei sei es „machbar, lösbar und finanzierbar, Glasfaser in jedes Haus zu legen“. Die FDP habe entsprechende Vorschläge vorgelegt.

Schulz sieht zudem ein „Kompetenzgerangel“ beim Thema Digitalisierung: „Man hat zwar jetzt eine neue Position geschaffen, aber wer wofür zuständig ist, ist vollkommen unklar.“ Der neuen Staatsministerin im Kanzleramt, Dorothee Bär (CSU), fehlten die Federführung, der Apparat und das Budget, „Anstatt einer zentralen Koordinierungsstelle hat man das Thema weiter zerfleddert“, kritisiert Schulz. „Das ist der falsche Weg.“

Das Interview im Wortlaut:

Herr Schulz, wie enttäuscht sind Sie als Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda, dass es wieder kein Ministerium für Digitales gibt?

Enttäuschung ist vielleicht der falsche Begriff dafür. Das Problematische ist hauptsächlich dieses Kompetenzgerangel: Man hat zwar jetzt eine neue Position geschaffen, aber wer wofür zuständig ist, ist vollkommen unklar. Das Verkehrsministerium bleibt anscheinend für den Breitbandausbau zuständig, jetzt haben wir aber Seehofer, dessen Ministerium in Teilen sicherlich netzpolitische Fragen behandeln wird, wenn auch nicht den Breitbandausbau. Seehofer will einen Guss nach bayrischem Vorbild aufbauen – dort soll das Heimatministerium für den Breitbandausbau zuständig sein: Da sieht man, wie verworren alles ist. Wirtschafts- und Bildungsministerium spielen eine Rolle, und auch das Außen- und Verteidigungsministerium in der Cyberpolitik. Anstatt einer zentralen Koordinierungsstelle hat man das Thema weiter zerfleddert. Das ist der falsche Weg.

Die FDP hätte es anders machen können, sie hatte die Chance zu gestalten.

Nein, die Chance hatten wir nicht, sonst hätten wir sie ergriffen. Das Problem war ja, dass das so weit entfernt war von unseren Vorstellungen, dass Merkel unsere wesentlichen Forderungen nicht respektiert hat. Es hätte mehr Bewegung geben müssen – auch in dieser Frage. Ganz offensichtlich ist niemand in der Union dafür, ein Digitalisierungsministerium zu schaffen. Ich respektiere die neue Staatsministerin im Kanzleramt, Dorothee Bär, und wie sie versucht, aus der Situation das Beste zu machen. Nur hat sie keine Federführung, keinen Apparat, mit dem sie irgendetwas durchsetzen kann, kein eigenes Budget – sie ist gewissermaßen das Spiegelbild vom Digitalausschuss im Bundestag.

Wie wollen sie denn auf Ausschussebene hinkriegen, was auf Ministeriumsebene nicht gelang: Aus einem zahnlosen Tiger einen machen, der zubeißt?

Indem ich penetrant den Anspruch erhebe, wir diskutieren hier nicht nur mit, sondern wir wollen mitentscheiden. Es gibt den Ansatz, bei manchen Themen querschnittsmäßig zu arbeiten: Nicht ein Ausschuss ist federführend, sondern die betroffenen Ausschüsse tagen gemeinsam und in der gemeinsamen fachlichen Expertise werden Argumente ausgetauscht. Das könnte ich mir auch auf Regierungsebene vorstellen, eine gemeinsame Federführung zwischen den beteiligten Häusern.

Für wie realistisch halten Sie das?

Der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Ich kann versuchen, ihn mit Argumenten durchzusetzen. Ich sehe bei einigen Regierungspolitikern das Interesse, dem Ausschuss und der Stimme der Digitalisierung im Kabinett mehr Gewicht zu verleihen. Auch über eine Federführung wird offenbar parteiübergreifend nachgedacht. Ich hatte den Eindruck, dass insbesondere die Parlamentarier, die im Ausschuss sitzen, also die Fachpolitiker, auch überwiegend davon überzeugt sind, dass das Thema entsprechend wichtig ist.

Wie bewerten Sie denn inhaltlich das, was die Bundesregierung in Sachen Digitalisierung vorhat, etwa den Breitbandausbau?

Der Stand schon letztes Mal auf der Agenda und was daraus geworden ist, haben wir ja bei der peinlichen Pressekonferenz vor einem Jahr gesehen, als die drei beteiligten Minister dann erklären mussten, dass die ihr hochgestecktes Ziel nicht erreicht haben. Ich freue mich, dass das Thema wieder ganz oben auf der Agenda steht. Es ist prioritär, Glasfaser in jede Hütte zu bekommen, und das ist machbar, lösbar und finanzierbar. Dazu haben wir als FDP auch Vorschläge gemacht. Ich sehe aber auch hier schon wieder, dass plakativ mit heißer Nadel gestrickt, aber mit Handschuhen angefasst wird – so, als wolle man es gar nicht richtig machen. Ich will nicht etwas verurteilen, was noch gar nicht geschehen ist. Meine Hoffnung ist aber nicht besonders groß, weil man da sehr viel tiefer angreifen muss. Momentan sind beim Breitbandausbau die extrem hohen Kosten das Problem, wenn man die Straße aufbuddeln muss. Dabei ginge es günstiger, würde man die Regularien ändern. Wenn ich mit einer Fräsmaschine bodennah verlegen kann, ist das auf der Strecke einfach günstiger. So kann man ein abgelegenes Haus an einem Tag anschließen, anstatt drei Monate lang Gräben auszuheben.

Was ist denn mit dem Ausschreibungsmodalitäten?

Ich glaube, dass Glasfaserverlegung eine staatliche Aufgabe ist und man sich darum kümmern muss, dass alle Haushalte in Deutschland einen Zugang zu der Infrastruktur von heute haben. Am schlauesten wäre es, den Betrieb des Netzes und der Hardwareinfrastruktur, also des Kabels und der darauf transportierten Daten, zu trennen: Eine Infrastruktur, die bereitgestellt wird, die aber von allen gleichberechtigt genutzt werden kann und an deren Kosten sich alle beteiligen. Kabelverlegung und Anbieter müssen getrennt werden, genauso wie es bei der Schiene geplant ist.

Was sagt die Telekom dazu?

Ich sowieso dafür, dass wir die Telekom privatisieren und die Anteile verkaufen.

Datenschutz spielt im Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und Flexibilität – wo stehen Sie da?

Ich bin einerseits Fan einer größtmöglichen Privatsphäre, die nur unter richterlicher Aufsicht verletzt werden darf. Andererseits darf man bestimmte Geschäftsmodelle durch überhöhte Hürden nicht komplett unmöglich machen. In diesem Spannungsfeld muss man eine ausgewogene Lösung finden. Ich tendiere im Zweifel zu mehr Privatsphäre – also etwa bei der Frage, ob Microsoft die Daten deutscher Kunden in die USA weitergeben darf. Meine Antwort darauf heißt nein. Geographische nationale Grenzen sind im Internet schwer zu definieren. Es muss neu über supranationale juristische Lösungen nachgedacht werden, auch wenn die nicht leicht zu finden sind.

Welche Meinung haben Sie zur Diskussion über inländische Steuern für internationale Internetkonzerne?

Ich halte das für absolut legitim und richtig. Google, Amazon, Facebook und andere verdienen hier Geld und zahlen bislang kaum Steuern.

Warum gibt es eigentlich kein deutsches Google?

Die Gründe sind vielschichtig – es gibt einen Qualitätsunterschied bei der Risikobereitschaft, es gibt eine gesellschaftliche Aversion gegen schnelle Erfolgsmodelle in Deutschland, das ist ein Mentalitätsproblem. Wir haben außerdem nicht ausreichend Kapital für das große Wachstum. Mytaxi etwa war vor Uber auf dem Markt – hätten die die Milliarden bekommen, hätten sie den Weltmarkt erobert. Haben sie aber nicht. Man muss wohl den Firmensitz ändern, wenn man richtig erfolgreich sein will. Hier gibt es zwar wachsende Firmen, aber sie bleiben auf Deutschland beschränkt. Die Vollkaskomentalität ist hier eben noch sehr stark verankert: Ist es im Lebensweg eine Option, sich selbstständig zu machen, das Risiko einzugehen – oder mache ich sicherheitshalber vor dem Studium noch eine Banklehre?

Aber gerade der auf Sicherheit bedachte Mittelstand ist doch einer der Erfolgspfeiler der deutschen Wirtschaft.

Deutschland lebt heute noch von einer Gründergeneration von vor über 100 Jahren, die zuletzt nochmal in den 1950er und 1960er Jahren aufflammte. Darauf fußt der heutige Wohlstand.

Für wie realistisch halten Sie die Chance für eine neue Gründungswelle im digitalen Zeitalter?

Auf jeden Fall können wir sie nicht befehlen. Wir können als Politik den Acker bereitstellen, Wasserleitungen legen und fruchtbare Erde anbieten.

Das Gespräch führte Kristina Pezzei.

Jimmy Schulz (FDP, 49) ist Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda.

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