Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 145. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2015 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des slowakischen Parlamentes, Herrn Peter Pellegrini 14284 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse; weitere Fragen 14273 B Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14273 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14274 C Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14274 C Kordula Kovac (CDU/CSU) 14274 D Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14274 D Rainer Spiering (SPD) 14275 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14275 B Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 14275 D Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14275 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 14276 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14276 B Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) 14276 C Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14276 C Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14276 D Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14277 A Gitta Connemann (CDU/CSU) 14277 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14277 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14277 C Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14277 D Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14278 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14278 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14278 C Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 14278 C Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 17./18. Dezember 2015 in Brüssel 14279 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin 14279 A Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 14284 B Thomas Oppermann (SPD) 14285 D Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14288 B Volker Kauder (CDU/CSU) 14289 D Joachim Poß (SPD) 14291 B Alexander Ulrich (DIE LINKE) 14292 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) 14293 C Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14295 A Michael Stübgen (CDU/CSU) 14296 A Detlef Seif (CDU/CSU) 14297 B Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde Drucksachen 18/6996, 18/7041 14298 C Dringliche Frage 1 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Auf Initiative und unter Führung Saudi-Arabiens geplantes Militärbündnis islamischer Staaten zur Bekämpfung des Terrorismus im Nahen Osten Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 14298 D Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 14298 D Heike Hänsel (DIE LINKE) 14299 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14299 C Andrej Hunko (DIE LINKE) 14299 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14300 A Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14300 B Mündliche Frage 2 Heike Hänsel (DIE LINKE) Verletzung der Souveränität des Irak durch den Einmarsch türkischer Truppen in die irakische Provinz Ninawa Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 14300 C Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) 14300 D Mündliche Frage 4 Andrej Hunko (DIE LINKE) Beschluss über eine Verlängerung von EU-Sanktionen gegen Russland Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 14301 C Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) 14301 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 14302 C Heike Hänsel (DIE LINKE) 14302 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) 14303 A Mündliche Frage 5 Andrej Hunko (DIE LINKE) Ausschreibungen im Schengener Informationssystem zur verdeckten polizeilichen bzw. geheimdienstlichen Fahndung und Kontrolle Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14303 C Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) 14303 D Mündliche Frage 7 Heike Hänsel (DIE LINKE) Finanzierung des IS mithilfe bestimmter Banken Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14304 C Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) 14304 D Mündliche Frage 12 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14305 D Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14306 A Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14306 D Mündliche Frage 19 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wirksamkeit der Mietpreisbremse in Berlin Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV 14307 B Zusatzfragen Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14307 C Mündliche Frage 20 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mögliche Verschärfung der Mietpreisbremse in der zweiten Mietrechtsnovelle Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV 14308 A Zusatzfragen Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14308 B Mündliche Frage 26 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Engagement und Finanzierung von Gebärdensprachdolmetschern durch die Arbeitsagenturen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 14309 B Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14309 C Mündliche Frage 29 Harald Weinberg (DIE LINKE) Berechnung der Lizenzen zur Nutzung des Fallpauschalenkatalogs im Krankenhauswesen gegenüber Griechenland Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14310 C Zusatzfragen Harald Weinberg (DIE LINKE) 14310 C Mündliche Frage 30 Harald Weinberg (DIE LINKE) Vergabe der Lizenzen für das DRG-System an andere Staaten und Höhe der Lizenzgebühren Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14311 A Zusatzfrage Harald Weinberg (DIE LINKE) 14311 B Mündliche Frage 32 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Vermeidung steigender Zusatzbeiträge für die gesetzlichen Krankenkassen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14311 C Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14311 D Birgit Wöllert (DIE LINKE) 14312 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14312 D Harald Weinberg (DIE LINKE) 14313 A Mündliche Frage 33 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Anstieg der Arzneimittelausgaben Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14313 B Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14313 C Mündliche Fragen 34 und 35 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge im Sondergutachten zum Thema „Krankengeld - Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten“ sowie Handlungsbedarf bei der Prävention und Versorgung von Rückenerkrankungen und psychischen Erkrankungen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14314 C Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14314 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) 14315 D Mündliche Frage 41 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage eines ressortabgestimmten Referentenentwurfs für das Wertstoffgesetz Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14316 A Zusatzfragen Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14316 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14316 D Mündliche Frage 42 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusätzliches Recycling von Wertstoffen aus dem Hausmüll im Falle der Umsetzung des Arbeitsentwurfs des Wertstoffgesetzes Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14317 A Zusatzfragen Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14317 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14317 D Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) 14318 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14318 D Mündliche Frage 43 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung des Arbeitsentwurfs für ein Wertstoffgesetz Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14319 B Zusatzfragen Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14319 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14320 A Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14320 B Mündliche Frage 44 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Treffen des BMUB mit den kommunalen Spitzenverbänden zum Entwurf des Wertstoffgesetzes Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14320 C Zusatzfrage Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 14320 D Mündliche Frage 45 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Kontakte zwischen Bundesministerien und Anwaltskanzleien bzw. Beratungsgesellschaften bei der Erarbeitung des Referent­enentwurfs für ein Wertstoffgesetz Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14321 A Zusatzfrage Ralph Lenkert (DIE LINKE) 14321 B Mündliche Frage 46 Ralph Lenkert (DIE LINKE) Persönliche Kontakte von Mitarbeitern des BMUB zu Anwaltskanzleien und Unternehmen bei der Erarbeitung des Referent­enentwurfs für ein Wertstoffgesetz Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14321 C Zusatzfragen Ralph Lenkert (DIE LINKE) 14321 D Nächste Sitzung 14322 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 14323 A Anlage 2 Mündliche Frage 1 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einschätzung der neuen Führung und Außenpolitik Saudi-Arabiens Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 14323 C Anlage 3 Mündliche Frage 3 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Filialen der Capital Bank of Jordan in vom „Islamischen Staat“ kontrollierten Gebieten Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 14323 D Anlage 4 Mündliche Frage 6 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Sanktionierung von Banken und anderen Institutionen aufgrund von finanziellen Transaktionen mit dem „Islamischen Staat“ Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14324 A Anlage 5 Mündliche Frage 8 Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) Austausch zwischen der Europäischen Kommission und den EU-Staaten über verdächtige Finanzströme im Zusammenhang mit dem IS Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14324 B Anlage 6 Mündliche Frage 9 Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) Verhinderung von Geldtransaktionen vom Ausland an den IS Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14324 D Anlage 7 Mündliche Frage 10 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Anzahl der im EASY-System registrierten Asylsuchenden im November 2015 Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14325 A Anlage 8 Mündliche Frage 11 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Bestimmung der Gruppen von Asylsuchenden nach der unbereinigten Gesamtschutzquote Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14325 C Anlage 9 Mündliche Frage 13 Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) Datenschutzverletzungen bei Gesundheitsdaten in Meldebescheinigungen von Asylsuchenden in Schleswig-Holstein Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14325 D Anlage 10 Mündliche Frage 14 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterschiedliche Auslegungen bei der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Hinblick auf eine „gute Bleibeperspektive“ Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14326 A Anlage 11 Mündliche Frage 15 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auswertung der Medienberichterstattung im Hinblick auf Dienst- bzw. Staatsgeheimnisse Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14326 B Anlage 12 Mündliche Frage 16 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Zeitpunkt des Vorschlags der Bereitstellung von Bundesmitteln für das Deutsche Forschungszentrum für Leistungssport „momentum“ Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14326 D Anlage 13 Mündliche Frage 17 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Direkte Vergabe von Bundesmitteln an das Deutsche Forschungszentrum für Leistungssport „momentum“ Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 14327 A Anlage 14 Mündliche Frage 18 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Bezug auf die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 14327 B Anlage 15 Mündliche Frage 21 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bedenken einiger an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmender Staaten gegenüber dem österreichischen Kompromissvorschlag zur Finanztransaktionsteuer Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 14327 C Anlage 16 Mündliche Frage 22 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zur Finanztransaktionsteuer Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 14327 D Anlage 17 Mündliche Frage 23 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Angemessene Steuersätze für Derivate im Rahmen der Verhandlungen zur Finanztransaktionsteuer Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 14328 A Anlage 18 Mündliche Frage 24 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Mögliches Steueraufkommen bei einer Besteuerung von Produkten gemäß dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Finanztransaktionsteuer Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 14328 B Anlage 19 Mündliche Frage 25 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne zum Verkauf der restlichen Anteile des Bundes an der Deutschen Telekom AG Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 14328 C Anlage 20 Mündliche Frage 27 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verlust an fruchtbarem Boden im „Jahr des Bodens“ weltweit und in Deutschland Antwort Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin BMEL 14328 C Anlage 21 Mündliche Frage 28 Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) Forderung des Bundesforums Familie nach voller rechtlicher Gleichstellung hetero- und homosexueller Eltern Antwort Elke Ferner, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 14329 A Anlage 22 Mündliche Frage 31 Pia Zimmermann (DIE LINKE) Belastung der Arbeitnehmer durch das Einfrieren des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 14329 B Anlage 23 Mündliche Frage 36 Herbert Behrens (DIE LINKE) Mitgliedsunternehmen der Netzallianz Digitales Deutschland mit Beteiligung an der Investition in den Breitbandausbau Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 14329 C Anlage 24 Mündliche Frage 37 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von RDE-Tests für Verbrauchs- und Kohlendioxidmessungen bei Fahrzeugen Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 14329 D Anlage 25 Mündliche Frage 38 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Überprüfung der tatsächlichen Anzahl an VW-Fahrzeugen mit falschen Verbrauchsangaben Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 14330 A Anlage 26 Mündliche Frage 39 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Forderungen des Kraftfahrt-Bundesamts nach Unterlagen zum Quellcode der Fahrzeugsoftware im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 14330 A Anlage 27 Mündliche Frage 40 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vergabe des Auftrages zur technischen Vorbereitung des Lkw-Mautsystems für die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen an Toll Collect Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 14330 B Anlage 28 Mündliche Frage 47 Katrin Kunert (DIE LINKE) Anträge zur Förderung von Baumaßnahmen aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14330 C Anlage 29 Mündliche Frage 48 Katrin Kunert (DIE LINKE) Verteilung der Anträge zur Förderung von Baumaßnahmen aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ auf die Bundesländer Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14330 C Anlage 30 Mündliche Frage 49 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Möglicher Brennelementeabriss beim Brenn­elementewechsel in Reaktordruckbehältern deutscher Atomkraftwerke Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14330 D Anlage 31 Mündliche Frage 50 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Teilnahme des Bundesamts für Strahlenschutz an den Sitzungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe des BMUB und der Energieversorgungsunternehmen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 14331 B Anlage 32 Mündliche Frage 51 Niema Movassat (DIE LINKE) Ausgaben für Flüchtlinge als öffentliche Entwicklungshilfe in den Jahren 2012 bis 2014 Antwort Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ 14331 C Anlage 33 Mündliche Frage 52 Herbert Behrens (DIE LINKE) Höhere Entgelte für die Anwahl der „Persönlichen Rufnummer fürs Leben“ bzw. in den ortsunabhängigen Rufnummernraum 032 Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 14332 A Anlage 34 Mündliche Frage 53 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gespräche zwischen der Deutschen Telekom und Bundesministerien zum Vectoring im Nahbereich und zur möglichen Selbstverpflichtung der Telekom Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 14332 B Anlage 35 Mündliche Frage 54 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderung des Austausches eines Wärmeerzeugers auf Basis fossiler Energien durch einen fossil betriebenen Kessel mit leichter Effizienzerhöhung Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 14332 C Anlage 36 Mündliche Frage 55 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Finanzielle Risiken im Falle eines Zuschlags an den tschechischen Bieter für Vattenfall Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 14333 A Anlage 37 Mündliche Frage 56 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung der Strompreise für Verbraucher im Januar 2016 durch bestimmte Energieversorgungsunternehmen Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 14333 A 145. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2015 Beginn: 13.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer 145. Sitzung. Ich möchte Ihnen zunächst mitteilen, dass es eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung auf der Drucksache 18/6987 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung einer EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie zur Umsetzung einer EU-Verordnung über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems für bundesrechtlich geregelte Heilberufe und andere Berufe an den federführenden Ausschuss für Gesundheit und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu überweisen. Ich frage Sie nun, ob Sie damit einverstanden sind. – Es fängt gut an. Wir haben das so beschlossen. Dann kommen wir jetzt zu unserem Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt. Da wir uns mit Blick auf die vereinbarte anschließende Regierungserklärung besonders konsequent an das ohnehin übliche Zeitformat halten sollten, bitte ich, mir beabsichtigte Wortmeldungen, insbesondere wenn sie sich auf Dinge über diesen Bericht hinaus beziehen sollten, vielleicht schon einmal zu signalisieren, damit wir diese berücksichtigen und sortieren können. Herr Minister, bitte schön. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bemühe mich natürlich auch, im Zeitrahmen zu bleiben, wenn ich über die Thematiken der heutigen Kabinettssitzung, in den Mittelpunkt gestellt das Tabakerzeugnisgesetz, berichte. Wir hatten als ordentlichen Tagesordnungspunkt meinen Entwurf eines Tabakerzeugnisgesetzes. Wir setzen damit die Tabakproduktrichtlinie der EU um und tragen zur Harmonisierung des Binnenmarktes bei. Der heute beschlossene Entwurf ist ein umfangreiches Paket, das die Rechtslage neu gestaltet. Ich glaube, es ist uns gelungen, ein ausgewogenes Regelungswerk vorzulegen. Im Zentrum steht ein deutlicher Fortschritt für einen besseren gesundheitlichen Verbraucherschutz. Ich will darauf hinweisen, dass 110 000 Todesfälle pro Jahr in unmittelbaren Zusammenhang mit Rauchen und Tabakgenuss gebracht werden. Auch die anderen Interessen und Themenbereiche wurden im Blick behalten. Ich muss darauf hinweisen, dass Deutschland einer der wenigen Standorte innerhalb der Europäischen Union ist, an dem es noch große Produktionsanlagen für Zigaretten gibt, die teilweise auch für den Export produzieren. Zigaretten sind nach wie vor ein legales Produkt. Deswegen muss es auch möglich sein, sie zu produzieren. Deshalb wird es ein faktisches Produktions-Aus weder in der EU-Richtlinie noch in der Umsetzung in nationales Recht geben. Der Entwurf sieht insbesondere folgende Maßnahmen vor: Das Inverkehrbringen von Zigaretten und von Tabak zum Selbstdrehen wird verboten, soweit ein charakteristisches Aroma zugefügt wird oder Aromastoffe oder technische Merkmale enthalten sind, mit denen sich Geruch, Geschmack oder die Rauchintensität verändern lassen, oder die auf andere Weise diese Aromastoffe beiführen. Das ist eine sehr detaillierte und detailfordernde Regelung. Wir gehen von gegenwärtig über 50 verschiedenen Aromastoffen aus. Ich darf berichten, dass wir uns sehr streng an die wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkungen gehalten haben. Ich habe allerdings die Europäische Kommission auch gebeten, möglichst doch in eine europäische Abstimmung zu gehen und einheitliche Regelungen anzustreben; denn es sollte nicht sein, dass nationale Erkenntnisse unterschiedlich bewertet werden, zumal wenn in manchen Mitgliedstaaten gar keine wissenschaftliche Expertise hierfür verfügbar ist. Das heißt, eine gemeinsame europäische Regelung und, soweit möglich, nach bestem wissenschaftlichen Wissen und Gewissen auch nationale Regelungen; das ist auch zugelassen. Wir haben daneben für Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak die gesundheitsbezogenen kombinierten Text-Bild-Warnhinweise, die uns die Europäische Kommission vorgelegt und vorgeschrieben hat – leider erst vor wenigen Wochen –, zur Grundlage des Gesetzes gemacht. Erstmals werden neben Tabakerzeugnissen und pflanzlichen Raucherzeugnissen auch elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter geregelt. Für sie enthält der Gesetzentwurf unter anderem Vorschriften zu Inhaltsstoffen, Produktsicherheit, Verpackungsgestaltung und Mitteilungspflichten. Das ist deswegen wichtig, weil wir feststellen, dass neben der unmittelbaren gesundheitlichen Gefährdung, die durch die Stoffe entstehen kann, auch ein gewisser Effekt der Gewöhnung an das Rauchen gerade bei Jugendlichen stattfindet. Um die Rückverfolgbarkeit und Echtheit von Tabakerzeugnissen zu gewährleisten, müssen deren Packungen ein individuelles Erkennungsmerkmal und ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen. Da ist unsere deutsche Tradition mit der Banderole eine gute Grundlage dafür. Jeder sieht, dass wir dabei auch die Kriminalitätsbekämpfung im Auge haben. Ich will den gesundheitlichen Verbraucherschutz konsequent weiterentwickeln, gerade für Kinder und Jugendliche. Hierzu gehört auch die Umsetzung der völkerrechtlich vereinbarten Verpflichtungen aus der Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation, die in diesem Hause im Jahr 2005 ratifiziert worden ist. Durch diese werden wir angehalten, ein Werbeverbot bzw. Werbebeschränkungen zu erlassen. Diese Werbebeschränkungen, die 2006 in wesentlichen Bereichen durch die EU bereits stattgefunden haben, werden im Bereich der Kinowerbung so gestaltet, dass jugendfreie Filme nicht mehr beworben werden dürfen – das dürfen sie im Augenblick auch nur in ganz wenigen Ausnahmefällen –; außerdem läuft die Möglichkeit zur Großflächenwerbung nach einer Übergangszeit aus. Diesbezüglich steht aber gegenwärtig ein Gesetzentwurf zur Notifizierung in Brüssel an, und dieser wird in einem gesonderten Verfahren in die Beratung gegeben. Die Ressortabstimmung ist bereits erfolgt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, können wir das, was auf den weiteren Zetteln steht, bei Nachfragen vortragen? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident, ich kam schon zum Ende. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann hat die erste Nachfrage die Kollegin Vogler, dann Frau Kovac. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ist es richtig, dass in dem ursprünglich von Ihrem Haus vorgelegten Gesetzentwurf ein umfassendes Tabakwerbeverbot vorgesehen war, wie es uns die WHO-Tabakrahmenkonvention eigentlich vorgibt? Ist es auch richtig, dass ein solch umfassendes Werbeverbot – Sie haben es angedeutet – jetzt im Kabinettsbeschluss fehlt, und wenn ja, können Sie uns auch bestätigen, dass das Werbeverbot auf Druck des Wirtschaftsministeriums und des Kanzleramtes wieder gestrichen werden musste? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Liebe Kollegin, ich darf Ihnen antworten, dass wir die Regelungen unter Beachtung der von uns eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen umsetzen, allerdings der Weg ein anderer ist; denn es bedarf hierzu der Notifizierung durch die Europäische Kommission. Deswegen ist der Weg anders und länger. Da die Europäische Kommission leider erst jetzt, nachdem die EU-Richtlinie schon zwei Jahre gilt, zu den Ausführungsregelungen kommt, die uns in die Lage versetzen, eine wirklich präzise Gesetzgebung vorzunehmen, wäre es nicht verantwortungsvoll, wenn wir das Inkrafttreten dieses Gesetzes weiter hinausschieben würden. Wir machen also eines nach dem anderen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kovac. Kordula Kovac (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Minister, stehen die Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit in einem ausgewogenen Verhältnis zum Bürokratieaufwand, der dann neu auf uns zukommt? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der Normenkontrollrat hat uns bescheinigt, dass wir die Vorschriften eins zu eins umsetzen. Was die Rückverfolgbarkeit anbelangt, ist die Europäische Union hinsichtlich der Vorlage von Informationen zu den Detailregelungen, die wir dann umsetzen müssen, noch säumig. Deswegen kann ich das nicht abschließend beantworten. Die Rückverfolgbarkeit bei deutschen Produkten ist aus den von mir genannten Gründen, die auch mit dem Zuständigkeitsbereich des Bundesfinanzministers zu tun haben, eigentlich gewährleistet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Spiering, bitte. Rainer Spiering (SPD): Herr Minister, erst einmal herzlichen Dank an Ihr Haus! Ich weiß, dass die Ressortabstimmung extrem schwierig war. Ich habe auch den Eindruck, dass Brüssel Ihnen das Leben an der Stelle nicht unbedingt leichter gemacht hat. Insofern freue ich mich, dass das heute im Kabinett gewesen ist. Lassen Sie mich dazu zwei oder drei Fragen stellen. Die erste Frage: Welchen Zeitraum sehen Sie für die Vorbereitungen der Zigarettenindustrie bzw. der vor- und nachgelagerten Industrien, also die, die die Verpackungen und Druckwalzen herstellen, als nötig an, nachdem die Verordnungsbestimmungen für Zigarettenverpackungen und damit auch die technischen Grundlagen für deren Erzeugung relativ spät bekannt waren? Kann die Industrie das realistischerweise bis zum 16. Mai schaffen? Die zweite Frage: Würden Sie Auskunft darüber geben wollen, wie wir in der Zukunft grundsätzlich mit dem Außenwerbeverbot umgehen werden, welchen Zeitrahmen wir dort haben werden, worauf das hinausläuft? Die dritte Frage. Sie haben die sehr differenzierte Darstellung hinsichtlich der Zusatzstoffe angesprochen. Können Sie uns Ihre Vorgehensweise hinsichtlich signifikanter Zusatzstoffe wie Menthol erläutern? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Eine Frage!) Rainer Spiering (SPD): Können Sie uns auch sagen, wie wir in Zukunft mit den nicht signifikanten Zusatzstoffen, mit denen man also überhaupt kein Aroma erzeugt, umgehen wollen? Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Herr Minister. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege, herzlichen Dank für die Fragen; danke auch für Ihr Engagement angesichts der recht schwierigen Materie dieses Gesetzes. Zum ersten Punkt. Die Richtlinie der EU sieht vor, dass ein entsprechendes Gesetz bis zum 21. Mai 2016 in Kraft treten soll. Angesichts der Verzögerungen, die auch – ich sage es noch einmal – von Brüssel zu verantworten sind, ist es so, dass praktisch nur ein halbes Jahr für die Umstellung der speziellen Druckverfahren zur Verfügung steht. Das ist eine sehr ambitionierte Zeitvorgabe. Ich habe dem zuständigen EU-Gesundheitskommissar dieses Problem vorgetragen und darum gebeten, die in den europäischen Regelungen vorgesehenen Fristen zu verlängern. Ultra posse nemo obligatur. Präsident Dr. Norbert Lammert: Schreibt ihr das demnächst auf die Packung? (Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte ich fragen!) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident, wir wollen die Transparenz erhöhen. Der Bildungsauftrag muss an diesem Punkt leider in den Hintergrund rücken. – Über das, was er kann, hinaus ist niemand verpflichtet, zu handeln. Wir sind hier an einem Punkt, wo, wie ich glaube, der Zeitraum sehr knapp bemessen ist. Mit der Demut, die die Bundesregierung an den Tag legt, wenn sie ein Gesetz dem Deutschen Bundestag zur Beratung übergibt, und angesichts mancher Äußerungen, die mir bereits zu Ohren gekommen sind, will ich darauf hinweisen: Wenn im Zuge der Beratungen das Struck’sche Gesetz Anwendung finden sollte und sich Änderungen bei den für den § 6 festgelegten Fristen ergeben sollten, liegt das in der Hand des Deutschen Bundestages. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Sie schaffen es, nichts zu sagen und doch zu reden!) Wir haben eine Abverkaufsfrist von einem Jahr vorgesehen. Aber die Frist zur Änderung der Produktionsverfahren ist in der Tat sehr knapp bemessen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Holzenkamp. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Herr Minister, auch ich bin froh, dass die Ressortabstimmung gelungen ist und wir endlich zu einer Entscheidung im Kabinett gekommen sind. Ich möchte nachfragen, ob Sie Ihre Ausführungen, die Sie gerade zu den Umsetzungsfristen gemacht haben, konkretisieren könnten. Sie haben die Kommission gebeten, darüber nachzudenken. Nur faktisch ist es ja so, dass das Zeitfenster nach dem parlamentarischen Verfahren noch enger ist. Wie werden wir reagieren, wenn die Umsetzung bis zum 21. Mai aus rein technischen Gründen nicht erfolgen kann? Dann müssen wir ja Möglichkeiten finden, die Fristen entsprechend zu verlängern. Eine zweite kurze Nachfrage: Könnten Sie noch etwas konkretisieren, welche Einschränkungen an Werbung laut UN-Konvention vorgesehen sind? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Zu Ihrer ersten Frage: Die Frist für die Umsetzung ist in der Tat der 21. Mai 2016. Die Antwort, die mir der Kommissar diesbezüglich gegeben hat, war, dass er für eine Änderung der Fristen ein komplett neues Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene anstrengen müsste; er eine Änderung auch aus zeitlichen Gründen also nicht mehr erreichen kann. Ich habe deswegen unmittelbar nach Vorliegen der Regelungen auf europäischer Ebene – das war vor circa sieben Wochen –, in denen festgelegt ist, mit welchen Bildern und welcher Schrifttype in welcher Größe die Zigarettenpackungen auszuzeichnen sind, veranlasst, dass die entsprechenden Vorgaben direkt an die Hersteller gesandt werden. Das gibt den Herstellern keine Rechtssicherheit, weil das Gesetz noch nicht in Kraft ist. Es gibt allenfalls eine Option, sich daran auszurichten, indem man davon ausgeht, dass der Deutsche Bundestag die in diesem Punkt klaren EU-Regelungen umsetzen muss, weil es auf europäischer Ebene keinen Spielraum gibt. Das ist in der Tat eine Misslichkeit, auf die ich hinweise. Man muss schon den Blick darauf richten, was möglich ist und was nicht. Ich sage mit Respekt vor dem Parlament: Es liegt jetzt in den Händen des Parlaments, pragmatisch zu denken. Ich habe einen den europäischen Richtlinien entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erinnere noch einmal daran, dass das Zeitfenster für Fragen und Antworten jeweils eine Minute ist. Das versuchen wir jetzt noch einmal bei der Frage, die der Kollege Wunderlich hat. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. Ich schaffe das auch. Herr Minister, Sie haben von Übergangsfristen bei der Werbung gesprochen. Gibt es auch – da schließe ich an meine Vorredner an – Übergangsfristen für die kleinen und mittelständischen Hersteller von Nischenprodukten wie Drehtabak und nicht industriell gefertigte Zigaretten, damit diese die Auflagen, was Beschriftung, Warnhinweise etc. angeht, entsprechend umsetzen können, ohne dass dadurch der Familienbetrieb gefährdet wird? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege, vielen Dank. – Wir haben von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die uns die Richtlinie vorgibt. Das heißt, wir haben Spezialprodukte wie Zigarren – ich nenne sie als Beispiel, weil sie ein Genussmittel und kein Einstiegsmittel sind –, Zigarillos sowie Schnupftabak, den Schmalzler, und ähnliche Produkte, die überwiegend mittelständisch hergestellt werden, von den Kennzeichnungspflichten ausgenommen. Sie bedürfen keiner bildlichen Darstellung – das ist technisch zum Teil auch gar nicht möglich –, sondern nur einer entsprechenden Beschriftung. Von den Möglichkeiten, die wir hatten, haben wir also Gebrauch gemacht. Die Übergangsfristen in den jeweiligen Bereichen laufen – bei der Werbung ist ja das Jahr 2020 maßgeblich – bis 2019/2020. Wir haben dabei besonders den Blick auf die mittelständischen Betriebe gerichtet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe jetzt noch drei Wortmeldungen zu dem Bericht und zwei weitere zu sonstigen Themen an die Bundesregierung vorliegen. Ich würde mit Blick auf unseren Zeitrahmen damit gerne die Fragestunde abschließen. – Darüber besteht offenkundig Einvernehmen. Dann hat jetzt Frau Pahlmann das Wort, dann zu diesem Thema noch der Kollege Terpe und die Kollegin Connemann. Dann gibt es zwei weitere Fragen aus der Fraktion der Grünen an die Regierung. – Bitte schön, Frau Pahlmann. Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank. Ein Teil meiner Fragen ist schon beantwortet. Darauf, wie das für die Wirtschaft zu händeln ist, sind Sie schon eingegangen. Meine zweite Frage klang ebenfalls schon an. Könnten Sie bitte noch einmal präzise sagen, für welche Produktgruppen die Veränderungen hinsichtlich der Bild- und Textaufschrift in Zukunft gelten sollen? Ein paar Ausnahmen haben Sie gerade erwähnt. Aber vielleicht können Sie das noch einmal konkretisieren. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Das gilt für Zigaretten, Tabake zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak. Für Zigarillos, Zigarren und anderes gelten die Ausnahmeregelungen nicht. (Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Danke!) Ich möchte gerne noch ergänzen, dass E-Shishas und E-Zigaretten jetzt in das Regime des Tabakgesetzes einbezogen werden. Kollegin Schwesig hatte in Abstimmung mit meinem Haus bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, um den Jugendschutz auch auf diese Bereiche auszudehnen. E-Shishas und E-Zigaretten sind dann mittelbar mit einbezogen. (Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Vielen Dank!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Terpe. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe jetzt viel darüber gehört, dass die EU es Ihnen nicht leicht macht. Das kann ich in manchen Bereichen auch nachvollziehen. Eine Richtlinie der EU hindert Sie aber nicht daran, nationalgesetzlich darüber hinauszugehen. Damit sind wir wieder bei der Werbung. Dazu würde ich gerne die Frage stellen: Woran liegt es, dass Sie sich so schwer tun, die Offen- bzw. Außenwerbung in Deutschland zu untersagen, obwohl fast alle Länder in Europa sie untersagt haben? Nur Bulgarien und Deutschland bilden an dieser Stelle das Schlusslicht. Ich möchte gerne eine konkrete Auskunft haben. An dieser Stelle macht Europa es Ihnen ja nicht schwer. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Vielen Dank, Herr Kollege. – Bei dieser Frage geht es nicht um die Tabakprodukt-Richtlinie der EU, sondern um die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation. In der Tat sind wir neben Bulgarien das einzige Land innerhalb der EU, das diese Regelung noch nicht umgesetzt hat. Ich will aber darauf hinweisen, dass die Rahmenkonvention auch eine Einbeziehung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Nationalstaaten vorsieht. Einschränkungen der freien Ausübung von Beruf und Werbung durch ihre Umsetzung sind deswegen auch unter Verfassungskriterien zu betrachten. Deswegen haben wir uns intensiv abgestimmt, auch mit den Verfassungsressorts. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dies geht. Das Thema des sogenannten Plain Packaging wird allerdings – lassen Sie mich das sagen – bei uns wohl erhebliche Fragen aufwerfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Connemann. Gitta Connemann (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Tabakprodukt-Richtlinie zählt sicherlich zu den größten regulatorischen Veränderungsvorgaben in der letzten Zeit. Das gilt für viele Bereiche; einige sind hier schon angesprochen worden. Das betrifft wesentlich auch das Thema Verpackungen. Mich erreichte heute, wie wahrscheinlich viele Kolleginnen und Kollegen, eine Brandmail von Verbänden, die Faltschachteln herstellen. Sie haben die große Sorge – ich habe es mir aufgeschrieben –, zukünftig abgeschrägte und abgerundete Kanten nicht mehr mit kombinierten gesundheitsbezogenen Text-Bild-Warnhinweisen bedrucken zu können. Ist diese Sorge berechtigt? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Liebe Kollegin, das ist, wenn ich das sagen darf, auch ein Beispiel für die Kreativität, die hinsichtlich der Beachtung von rechtlichen Vorschriften in der Wirtschaft zu finden ist, um es einmal ganz vorsichtig und freundlich auszudrücken. Man rundet die Ecken ab, damit die schwarzen Ränder der Bilder nicht sichtbar sind. Das könnte der Grund sein; vielleicht geschieht das auch aus Praktikabilitätsgründen. Unsere Aufgabe ist es nun, das so umzusetzen, dass die Form der Schachtel, die in der Tat nicht konkreter reguliert ist und auch nicht konkreter reguliert werden soll, mit den Vorgaben der Warnhinweise korreliert. Ich sehe da Wege; diese müssen aber auch abgestimmt sein. Wir sind schon jetzt in Gesprächen mit der Europäischen Union. Wir haben die Kommission aufgefordert, hier Klarheit zu schaffen. Denn es besteht in der Tat eine unterschiedliche Wahrnehmung in verschiedenen Ländern. In manchen Ländern ist es akzeptiert, in anderen nicht. Das soll nicht sein. Ich will auch sagen, dass es uns mehr auf den Inhalt als auf die Verpackung ankommt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Dank sagen. Sie gestatteten, Herr Präsident, dass ich jetzt trotz des roten Signals zwar nicht über die Ampel gehe, aber mich noch bei der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Kollegin Mortler, für die intensive Begleitung bei der Vorbereitung dieses Gesetzgebungsvorhabens bedanke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wenn dieser berechtigte Dank innerhalb der einen Minute stattgefunden hätte, wäre er noch beispielhafter gewesen. – Jetzt bekommt Frau Vogler noch schnell das Wort zu einer Nachfrage, und dann fragen wir nach den anderen Themen. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie selbst haben ja auf die über 100 000 Tabaktoten jährlich hingewiesen. Es ist wissenschaftlich unbestritten – das hat mir auch die Bundesregierung kürzlich in ihrer Antwort auf eine Frage bestätigt –, dass die Gefahren des Konsums von E-Zigaretten deutlich geringer sind als die des Tabakrauchens. Vor diesem Hintergrund finde ich es erklärungsbedürftig, dass die Bundesregierung auf der einen Seite in den Trilogverhandlungen massiv für schärfere Regelungen bei der E-Zigarette eingetreten ist, aber auf der anderen Seite offensichtlich den Kurs fortsetzt, dass es in Deutschland europaweit mit die laxeste Tabakregulierungsgesetzgebung gibt. Halten Sie es angesichts der unterschiedlichen Gesundheitsgefahren nicht eher für angemessen, dass die Bundesregierung Raucherinnen und Raucher zum Umstieg auf E-Zigaretten animiert, anstatt da jetzt sozusagen den Regulierungsknüppel stärker herauszuholen als bei den Tabakprodukten? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Liebe Kollegin, bei den Trilogverhandlungen war die Bundesregierung nicht unmittelbar beteiligt. Sie wissen, dass der Trilog zwischen der Europäischen Kommission, der Präsidentschaft des Ministerrates und dem Europäischen Parlament stattfindet. Allerdings – und das ist in der Tat unsere Sorge – ergibt sich sowohl aus den Ausführungen und Statistiken der Drogenbeauftragten im Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung als auch aus den Erkenntnissen des Krebsforschungszentrums in Heidelberg, dass zunehmend die Gefahr besteht, dass E-Zigaretten nicht mehr klassischerweise als Entwöhnungsgenussmittel, sondern als Einstiegsinstrument benutzt werden. Neben der Erkenntnis, dass es neben Nikotin durchaus auch weitere Gefahren gibt, müssen wir auch die Tatsache beachten, dass die Flüssigkeiten gefährlich sind. Die Volumenmenge der Flüssigkeiten in den kleinen Containern reicht aus, dass es, wenn so ein Container geöffnet und die Flüssigkeit getrunken wird, zum Exitus kommt. Wir sollten also sehr sorgfältig damit umgehen. Es geht nicht um Regelungen, sondern es geht um Vorsorge, um gesundheitliche Prävention. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Damit schließen wir diesen Bereich ab. Ich frage nun, ob es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesregierung gibt; Letzteres ist wahrscheinlich. – Frau Höhn zunächst, und dann Kollege Ströbele. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, heute hat ja die Umweltministerin im Kabinett ihren Bericht von Paris vorgestellt. Sie hat uns gerade im Umweltausschuss gesagt, dass sie auf große Zustimmung gestoßen ist. Ich gehe davon aus, dass dies auch auf Sie zutrifft. In Paris ist beschlossen worden, deutlich unter 2 Grad Erwärmung zu bleiben und langfristig sogar das Ziel von nur 1,5 Grad Erwärmung zu erreichen. Das bedeutet für Industrieländer, dass wir bis 2050 die Emissionen klimaschädlicher Gase um 95 Prozent reduzieren müssen. Das heißt nicht nur Ausstieg aus der Kohle, nicht nur Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen, sondern heißt auch eine andere Landwirtschaftspolitik. Es gibt ja seit etwa einem Jahr das Klimaaktionsprogramm, das auch einen Beitrag der Landwirtschaft vorsieht. Sie hatten also ein Jahr Zeit, sich auf Maßnahmen einzustellen, die die klimaschädlichen Gase in der Landwirtschaft reduzieren. Welche Maßnahmen legen Sie jetzt auf den Tisch, um dieses Ziel zu erreichen? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Liebe Frau Kollegin, die Bundesregierung insgesamt ist sehr erfreut über das Ergebnis der 21. Vertragsstaatenkonferenz in Paris und die verbindlichen Regelungen, die Sie gerade skizziert haben. Sie ist besonders darüber erfreut, dass es gelungen ist, den sektoralen Blick zu einem vernetzten Blick weiterzuentwickeln. Das betrifft auch den Bereich der Landwirtschaft. Ich selbst war in Paris bei den Verhandlungen und bei verschiedenen Projekten – eines habe ich selbst präsentiert – mit dabei. Wir verstehen mittlerweile, dass wir die Landwirtschaft wie alle anderen Wirtschaftszweige nachhaltig ausrichten müssen. Dazu gehört auch und im Wesentlichen die CO2-Bindung. Ich habe mit meinem französischen Kollegen gemeinsam die Initiative „4 pour 1 000“ – auf Deutsch: 4 Promille – auf den Weg gebracht; das klingt etwas missverständlich. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht darum, den Boden im landwirtschaftlichen Bereich mit einem höheren Humusgehalt auszustatten, um dadurch für eine stärkere CO2-Bindung zu sorgen. Landwirtschaft und Ernährung sind die Grundlagen der Zukunft. Wir müssen dazu beitragen, dass sie mit den Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes in Korrelation gebracht werden. Ich denke, dieser Weg wurde jetzt in Paris zum ersten Mal beschritten. Die Bundesregierung wird diesen Prozess sehr verantwortungsvoll begleiten und verfolgen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Herr Minister Schmidt, ich habe eine Frage zu Punkt 7 der Tagesordnung, zur Flüchtlingslage. Gott sei Dank ist der Himmel im Augenblick aufseiten der Flüchtlinge; er schickt mildes Wetter. Aber der kalte Winter steht vor der Tür, und dann suchen viele Gemeinden und Bürgermeister dringend nach Notunterkünften für die Flüchtlinge. Sie erwägen inzwischen – oder führen sie sogar durch – die Beschlagnahme von leerstehenden Privaträumen. Ich frage Sie: Gilt diese Erwägung und die Möglichkeit der Beschlagnahme nach Auffassung der Bundesregierung auch im Hinblick auf Räume, die von der öffentlichen Hand genutzt worden sind, insbesondere auch für das seit April dieses Jahres leerstehende Gebäude des Bundesinnenministeriums, in dem 850 beheizte Räume mit Toiletten und sanitären Anlagen zur Verfügung stünden? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege, wir haben in der Tat, wie in jeder Kabinettssitzung, einen Bericht des Bundesinnenministers zur Flüchtlingssituation erhalten, und es wurde auf die Perspektiven, vor allem im Hinblick auf die morgen in Brüssel stattfindenden Gespräche mit den betroffenen Ländern und der Türkei, hingewiesen. Die Frage der Unterbringung ist eine Angelegenheit, die vor Ort zu regeln ist. Die Detailfragen entziehen sich meiner Kenntnis. Wir tun gut daran, diese Anregung aufzunehmen und diejenigen, die guten Willens sind, für eine sichere Unterkunft zu sorgen – das gilt für den allergrößten Teil der Menschen in unserem Lande –, dabei zu unterstützen, dies erfolgreich zu tun. Im Übrigen – Herr Präsident, wenn ich das außerhalb der Tagesordnung sagen darf –: Ich habe ja nun mehrere Jahre Erfahrung als Parlamentarischer Staatssekretär hinter mir und bin froh, Herr Kollege Ströbele, dass wir uns endlich wieder einmal in solch einem Format treffen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie wissen aus achtjähriger Erfahrung, wie meine Antworten sind. Die heutige ist genauso. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wird der Kollege Ströbele als Ermutigung empfinden. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, ich weiß ja nicht!) Denn er hatte es bis zu dieser Auskunft nicht für möglich gehalten, dass Sie Entzugserscheinungen entwickeln, weil es so lange keine Fragen des Kollegen Ströbele mehr gab. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit beenden wir die Befragung der Bundesregierung. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf – vielleicht unterrichtet jemand die Kanzlerin, dass es jetzt losgeht –: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 17./18. Dezember 2015 in Brüssel Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 77 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin. – Bitte sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hatte mir gesagt, ich solle lieber die Regierungsbank verlassen, da mir ansonsten vielleicht auch noch eine Frage gestellt werden würde. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Bundeskanzlerin, ich halte es für eine abwegige Empfehlung, dass Sie, wenn Sie schon einmal versehentlich bei einer Regierungsbefragung sind, irgendjemand auffordert, die Regierungsbank zu verlassen. (Heiterkeit – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hätte sie gerne gefragt!) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Das war auch keiner aus dem Parlament, sondern jemand von der Regierungsbank. Ich war jedenfalls lieber verschwunden. (Heiterkeit) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende eines für Europa turbulenten und sehr schwierigen Jahres, in dem gerade Deutschland in vielen Bereichen enorm gefordert war und ist. Ich erinnere an die Situation in der Ukraine, an Griechenland, an die Euro-Zone, an den Klimaschutz, an den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und an die vielen Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Verfolgung suchen. Wir haben erleben müssen, dass der Zusammenhalt Europas in diesem Jahr vielfach auf die Probe gestellt wurde. Ich bin überzeugt, dass gerade Deutschland, das volkswirtschaftlich stärkste Land Europas, in dieser Zeit eine besondere Verantwortung wahrzunehmen hat und dass es oft ganz besonders auf unser Land ankommt, wenn es darum geht, die Errungenschaften der europäischen Integration zu wahren und zu schützen. Die beiden wichtigsten sind für mich die offenen Binnengrenzen und die gemeinsame Währung. Diese Errungenschaften zu bewahren, liegt zutiefst in unseren eigenen nationalen Interessen. Kein Land in Europa profitiert von diesen Errungenschaften so wie wir und braucht sie allein aufgrund der geografischen Lage so wie wir. Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten vieles erreicht, von dem vorangegangene Generationen kaum zu träumen gewagt hätten. Statt in einem Europa des Krieges und der Unfreiheit leben wir heute in einem Europa des Friedens, der Freiheit, des Wohlstands und der guten Nachbarschaft, und das ist alles andere als selbstverständlich. Es ist das Ergebnis einer europäischen Politik, die immer wieder zähes Ringen, intensive Arbeit, Kompromissbereitschaft, Kompromissfähigkeit und auch gegenseitige Solidarität erfordert. Das ist aus meiner Sicht wichtiger denn je, da wir in Zeiten leben, in denen wir unsere Werte und Interessen in einem äußerst harten globalen Wettbewerb behaupten müssen. Keinem Land in Europa wird es alleine gelingen, sich dauerhaft erfolgreich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Keinem Land wird es alleine gelingen, den internationalen Terrorismus zu besiegen oder etwa den Klimawandel aufzuhalten. Keinem Land wird es alleine gelingen, die Folgen von weltweiter Flucht und Vertreibung zu bewältigen und ihre Ursachen zu beseitigen. Keinem Land wird es alleine gelingen, ein Leben in Wohlstand und Frieden zu sichern. Deshalb dürfen wir gerade in schwierigen Zeiten nicht der Versuchung erliegen, in nationalstaatliches Handeln zurückzufallen. Abschottung ist im 21. Jahrhundert keine vernünftige Option. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nur wer versteht, dass unmittelbare nationale Eigeninteressen immer in Verbindung mit unserem gemeinsamen europäischen Interesse zu sehen sind, kann die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich bewältigen. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass wir nach den schrecklichen Anschlägen von Paris fest an der Seite unserer französischen Nachbarn stehen. Die Terrorangriffe des 13. November haben nicht nur Frankreich getroffen; sie galten uns allen, und sie treffen uns Deutsche umso mehr, als die enge Freundschaft Deutschlands mit Frankreich uns einander so nah fühlen lässt. Die deutsch-französische Freundschaft ist Teil unserer historischen Verantwortung. Sie ist unverrückbarer Kern der deutschen Außenpolitik, und sie ist elementar für den europäischen Einigungsprozess. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb stehen wir als Mitglied der internationalen Allianz Frankreich im Kampf gegen die Terrormiliz IS aktiv zur Seite. Die unfassbaren Gräueltaten, die sich jeden Tag in den vom IS beherrschten Gebieten im Nordirak und in Syrien ereignen, gehen mit Terrorattacken einher, die sich gegen die gesamte Weltgemeinschaft richten. Die vielen Anschläge – nicht nur in Paris, sondern auch in Tunesien, in der Türkei, im Libanon, im Irak, in Syrien, in den USA oder gegen Russland – zeigen uns sehr deutlich, dass der IS eine globale Bedrohung für Frieden und Sicherheit ist. Mit Frankreich hat zum ersten Mal ein Mitgliedstaat der Europäischen Union die Beistandsklausel des EU-Vertrags in Anspruch genommen. Das ist ein klarer Appell an die gesamte Europäische Union, sich dieser gemeinsamen Bedrohung geschlossen entgegenzustellen. Wir können dies mit vereinten Kräften leisten – mit unseren Partnern in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Region. Deutschland stellt sich dieser Verantwortung. Dazu gehört unsere im letzten Jahr beschlossene Unterstützung der kurdischen Peschmerga. Dazu gehört der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 4. Dezember dieses Jahres, der es uns ermöglicht, mit der Bundeswehr einen wichtigen und auch wirkungsvollen Beitrag in den Bereichen Aufklärung, Schutz und Logistik für unsere Verbündeten im Kampf gegen den IS in Syrien zu leisten. Untrennbar verbunden ist dieser Beitrag mit all unseren Bemühungen um eine politische Lösung der katastrophalen Lage in Syrien. Das ist das Ziel der Gespräche in Wien, an denen der Bundesaußenminister teilnimmt, auch wenn diese Gespräche manchmal nicht in Wien stattfinden. Es geht darum, den Krieg in Syrien zu beenden, und zwar ohne Assad; denn wir dürfen nie vergessen, dass die große Mehrheit der Syrer vor Assad und seinen Fassbomben flieht. Assad kann niemals Teil einer langfristigen Lösung sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine Damen und Herren, auch Deutschland steht im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus, und zwar nicht erst seit den Anschlägen in Paris. Ich habe großes Vertrauen in die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden, unserer Polizistinnen und Polizisten. Sie sind in diesen Zeiten besonders gefordert. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ihnen hierfür meinen Dank und meine Anerkennung im Namen des ganzen Hauses auszusprechen, und den Innenminister bitten, dies weiterzugeben. Wir brauchen unsere Sicherheitskräfte. Ich bin sehr dankbar, dass ihr Etat im Rahmen der Haushaltsberatungen erhöht wurde. Das ist ganz wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wissen alle: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Absolute Sicherheit ginge nur auf Kosten der Freiheit. Freiheit und Sicherheit müssen immer wieder in eine Balance gebracht werden, eine Balance in dem Bewusstsein, dass es unsere Werte sind, unsere Art, zu leben, zu arbeiten und zu wirtschaften, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, die unser Leben in Deutschland so lebenswert machen. Unsere Art, zu leben, unsere Freiheit und unser Rechtsstaat sind sehr viel stärker als jeder Terror. Beim morgen beginnenden Europäischen Rat werden wir besprechen, was wir auf europäischer Ebene tun können, um den internationalen Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen. Dabei wird es insbesondere darum gehen, die Beschlüsse, die wir hierzu im Februar dieses Jahres gefasst haben, konsequent umzusetzen. Dazu gehört, dass wir den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten weiter verbessern, etwa im Rahmen des Schengener Informationssystems. Alle unsere Diskussionen werden auch der Unterstützung der Innenminister der Europäischen Union dienen, die auch angesichts des Drucks in einigen wichtigen Fragen ein Stück weitergekommen sind. Dazu gehört, dass wir die Finanzierung terroristischer Organisationen erschweren. Dazu gehört, dass wir bei der Speicherung von Fluggastdaten vorankommen – da ist einiges geschehen –; denn wenn wir die Reisebewegungen potenzieller Gefährder nachvollziehen können, verbessert dies natürlich unsere Möglichkeiten, zukünftige Anschläge zu verhindern. Deshalb bin ich sehr froh, dass der Rat und das Europäische Parlament sich politisch geeinigt haben und die entsprechende Richtlinie noch in diesem Jahr beschlossen werden soll. Nur wenige Wochen nach den schrecklichen Anschlägen von Paris fand in derselben Stadt die Weltklimakonferenz statt. Schon die Tatsache, dass dieses Welttreffen der Klimaschützer gerade in dieser Stadt stattfand, war ein überragendes Zeichen gegen die Angst, die der Terrorismus erzeugen will. Dass dieses Welttreffen dann auch noch so einvernehmlich und so erfolgreich endete, verstärkt dieses Zeichen zusätzlich. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Ergebnis ist ein historischer Wendepunkt. Ich möchte der Bundesumweltministerin und allen Verhandlern, auch dem Entwicklungsminister und dem Landwirtschaftsminister, ganz herzlich danken. Wir haben uns sehr intensiv in die Verhandlungen eingebracht. Frankreich war ein herausragender Gastgeber mit einer klugen Konfigurierung der Konferenz, der eine lange Zeit der Vorbereitung vorausging. Deshalb konnte es zu diesem historischen Wendepunkt kommen. Zum ersten Mal in der Geschichte hat sich die gesamte Weltgemeinschaft dazu verpflichtet, gemeinsam und entschlossen im Kampf gegen die globale Klimaveränderung zu handeln. Alle Staaten wollen die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad halten, und sie wollen sich anstrengen, sie auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist auch ein ganz wichtiges Signal in Richtung der kleinen Inselstaaten. Und alle Staaten verpflichten sich dazu, ihren Beitrag zu leisten. Das ist nicht nur ein kraftvolles Zeichen der Hoffnung für den globalen Klimaschutz und eine echte Weichenstellung der Welt in Richtung einer globalen Energiewende. Der Beschluss kann auch dazu beitragen, die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen in Zukunft zu sichern. Dieser neue Rahmen muss jetzt natürlich engagiert mit Leben erfüllt werden. Sie werden morgen in einer Aktuellen Stunde noch einmal vertieft über genau dieses Thema diskutieren. Meine Damen und Herren, der Wert der deutsch-französischen Zusammenarbeit zeigt sich auch mit Blick auf die Ukraine, die uns in diesem Jahr stark beschäftigt hat. Das Minsker Maßnahmenpaket vom Februar, an dem Deutschland und Frankreich maßgeblich beteiligt waren, hat zu einer Beruhigung der Lage beigetragen, auch wenn die Kampfhandlungen immer noch nicht völlig zum Erliegen gekommen sind. Es bleibt dabei: Eine mögliche Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ist mit der vollständigen Umsetzung des Minsker Pakets verknüpft. Das haben wir noch nicht erreicht. Deshalb werden der Bundesaußenminister und ich uns dafür einsetzen, dass nicht nur die Minsker Vereinbarungen, sondern auch die bestehenden Sanktionen verlängert werden. Aber wir werden vor allen Dingen daran arbeiten, dass die Minsker Vereinbarungen vorankommen. Wir stehen jetzt vor der komplizierten Frage, wie die Lokalwahlen in den Gebieten von Donezk und Luhansk abgehalten werden können. Das ist eine große, schwierige Aufgabe. Das kann sich jeder vorstellen. Wir haben in Minsk vereinbart – darauf will ich noch einmal hinweisen –, dass sie nach den Regeln von ODIHR, also der für Wahlen zuständigen Organisation der OSZE, stattfinden. Auf dieser Grundlage müssen die Arbeiten jetzt in der Kontaktgruppe intensiviert werden. Eine Aufhebung der Sanktionen, die mit Blick auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim beschlossen wurden, steht ohnehin zurzeit natürlich nicht zur Debatte. Bei dem morgen beginnenden Europäischen Rat werden wir selbstverständlich auch über Großbritannien sprechen. Die Bundesregierung beteiligt sich konstruktiv an den Verhandlungen. Großbritannien wird seine Forderungen vorbringen, und wir wissen, dass die Aufgabe, hier eine Lösung zu finden, sehr anspruchsvoll ist. Wir wollen einerseits zu einer Vereinbarung kommen, mit der die britische Regierung beim geplanten Referendum erfolgreich für einen Verbleib in der Europäischen Union werben kann. Andererseits wollen und werden wir die grundlegenden Errungenschaften der europäischen Integration dabei nicht infrage stellen. Dazu gehören insbesondere das Prinzip der Freizügigkeit und das Prinzip der Nichtdiskriminierung zwischen den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Diese Prinzipien stehen nicht zur Disposition. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was uns Hoffnung gibt, ist, dass bislang immer gute und einvernehmliche Lösungen gefunden wurden, wenn ein Mitgliedstaat Klärungsbedarf bezüglich seiner Rolle in der Europäischen Union sah. Das war 1992 bei Dänemark der Fall, und das war 2008 bei Irland der Fall. Ich bin deshalb auch zuversichtlich, dass es auch dieses Mal mit Großbritannien gelingen kann. Die Bundesregierung wird, wo immer es geht, ihren Beitrag dazu leisten. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, koordiniert die Verhandlungen. Er hat seine bisherigen Einschätzungen in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs zusammengefasst, der morgen auch die Grundlage für eine politische Aussprache im Europäischen Rat bilden wird. Die morgige Debatte ist allerdings nur eine Zwischenstation. Denn am Ende wird es sehr auf die Details und die Ausgestaltung einer möglichen Vereinbarung ankommen. Deutschland jedenfalls wünscht sich, dass Großbritannien dauerhaft ein aktiver Partner in einer starken Europäischen Union bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denn es ist eben nicht nur das Vereinigte Königreich selbst, das von seiner Mitgliedschaft profitiert; es ist auch die Europäische Union als Ganzes, die ohne das Vereinigte Königreich deutlich an Gewicht verlieren würde. Großbritannien, das ist nicht nur der drittgrößte Mitgliedstaat, und das sind nicht nur 15 Prozent der Wirtschaftskraft der Europäischen Union. Großbritannien, das ist auch die Wiege des modernen Parlamentarismus und ein Wegbereiter unserer gemeinsamen europäischen Werte. Ihre Grundsteine wurden bereits im 17. Jahrhundert in England gelegt. Alle demokratischen Grundordnungen im heutigen Europa gehen ganz maßgeblich darauf zurück. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik ist Großbritannien ein enger und verlässlicher Partner, gerade für uns in Deutschland, aber auch für ganz Europa. Als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat – und nicht nur dort – trägt Großbritannien ganz erheblich zum Gewicht der Europäischen Union in der Welt bei. Das ist gerade in diesen Zeiten von enormer Bedeutung, in Zeiten, in denen Europa international gefordert ist wie nie zuvor. Und Großbritannien ist für mich ein Land, das in vielen europäischen Politikbereichen ähnliche Ziele verfolgt wie Deutschland. Es ist in vielen Fragen ein natürlicher Verbündeter. Das gilt vor allem dann, wenn es darum geht, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu fördern und den europäischen Binnenmarkt zu stärken. Dies ist dringend nötig; denn Europa muss auf einem wirtschaftlich soliden Fundament stehen, um auch alle anderen Herausforderungen überhaupt bewältigen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deshalb ist es wichtig, dass sich der Europäische Rat auch mit dieser Frage beschäftigt. Wir dürfen nie vergessen, dass der europäische Binnenmarkt eine einzigartige Erfolgsgeschichte ist, von der mehr als 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger jeden Tag profitieren. Aber er muss in einigen Bereichen wesentlich gestärkt werden. Wir brauchen einen echten digitalen Binnenmarkt, der die Attraktivität des Standorts Europa für global agierende digitale Akteure verbessert. Herzlichen Dank an Thomas de Maizière und alle anderen Regierungsmitglieder, die daran mitgewirkt haben, dass die Datenschutz-Grundverordnung jetzt sozusagen verabschiedungsreif ist, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU) – auch wenn es einige Unzufriedenheiten gibt. Es ist ein Schritt in Richtung Binnenmarkt. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Albrecht! Loben Sie den auch mal! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch der Grüne!) – Na, das fällt mir schwer, echt. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Also, darüber reden wir später einmal, wenn das Ganze in Kraft ist. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir schaffen das noch!) – Ja, wenn Sie flexibel sind, dann schaffen wir das. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es hätte ja kein Trilogergebnis gegeben, wenn nicht auch Herr Albrecht sich bewegt hätte; das ist richtig. Aber ich hoffe, dass es für die erforderliche Wertschöpfung in Europa ausreicht, wenn es dann um die Verarbeitung großer Datenmengen geht. Da werden wir sicherlich im Gespräch bleiben. – Gehen wir lieber zur Energie; das ist einfacher. (Heiterkeit) Wir brauchen eine Energieunion mit einem funktionierenden Binnenmarkt für Strom und Gas, der europaweit eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung gewährleistet. Zudem brauchen wir eine Kapitalmarktunion, die vor allem für kleine und mittlere Unternehmen den Zugang zur Finanzierung verbessert und die Investitionen in Infrastruktur erleichtert. Entscheidend für den künftigen Wohlstand in Europa ist auch der Freihandel. Deshalb muss es unser Ziel sein, die Verhandlungen für das Transatlantische Freihandelsabkommen im Laufe des kommenden Jahres abzuschließen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Mit Parteitagsbeschluss!) Die Wirtschafts- und Währungsunion krisenfester zu machen, wird ebenfalls weiter unsere Aufgabe sein. Vordringlich ist hier vor allem die glaubhafte Umsetzung der bereits beschlossenen Regeln und Maßnahmen. Zudem sollten die Risiken im Finanzsektor weiter abgebaut werden, einschließlich der Risiken aus dem Staatssektor. Eine Vergemeinschaftung der europäischen Einlagensicherung hätte das Gegenteil zur Folge. Deshalb halten wir sie für falsch, und deshalb lehnen wir sie ab. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf) – Fragen Sie mal bei den Sparkassen und bei den Volksbanken nach. Meine Damen und Herren, die Zahl und die Art der Herausforderungen auf europäischer Ebene sind vielfältig. Zu den dringlichsten Herausforderungen gehört weiterhin auch die, die Europa durch die vielen Flüchtlinge zu bewältigen hat, und diese Herausforderung wird auch beim kommenden Rat wieder einen breiten Raum einnehmen. Wir wissen: Vor uns liegt noch ein steiniger Weg, den wir mit Entschlossenheit und mit langem Atem gehen müssen. Wir haben jetzt auf nationaler Ebene eine Reihe von Entscheidungen getroffen. Andere werden folgen. Denken wir zum Beispiel an den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Datenaustauschs, den wir in der vergangenen Woche im Kabinett verabschiedet haben. Die darin enthaltenen Maßnahmen werden helfen, die Identifizierung und Registrierung von Asylbewerbern deutlich zu verbessern. Maßnahmen auf nationaler Ebene werden dazu beitragen, die Flüchtlingsbewegung zu ordnen und zu steuern, mit Blick auf die konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber auch zu reduzieren. Sie müssen aber verbunden sein mit gesamteuropäischen und internationalen Antworten, um die Zahl der Flüchtlinge tatsächlich nachhaltig zu reduzieren. Das beginnt damit, dass wir darauf bestehen, dass bereits gefasste Beschlüsse konsequent umgesetzt werden. Das gilt insbesondere für die Errichtung der Hotspots in Italien und Griechenland, damit wir an den Außengrenzen der EU zu geordneten Verhältnissen zurückkehren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das gilt für die beschlossene Umverteilung von 160 000 schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Italien und Griechenland, die viel zu langsam vorankommt, weil die Voraussetzung natürlich die Hotspots sind. Nur dann, wenn nicht nur registriert wird, sondern auch rückgeführt und verteilt wird in Europa, ist ein funktionierender Hotspot auch als solcher anzusehen. Das gilt natürlich auch für den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union. Die Europäische Kommission hat hierzu wichtige Vorschläge vorgelegt, die nicht nur in die richtige Richtung gehen, sondern in ihrer Reichweite noch vor einem Jahr kaum vorstellbar gewesen wären. Dabei geht es darum, der europäischen Grenzschutzagentur Frontex mehr Befugnisse zu erteilen, damit sie gegebenenfalls im äußersten Notfall auch eigenständig agieren kann. Es geht darum, auf europäischer Ebene Grenzschützer und Material bereitzuhalten, die im Bedarfsfall flexibel in den betroffenen Mitgliedstaaten eingesetzt werden können. Es geht darum, Frontex eine größere Rolle bei den notwendigen Rückführungen einzuräumen bei Flüchtlingen, die keinen Schutzanspruch in der Europäischen Union haben. Natürlich berührt der Grenzschutz ganz wesentliche Fragen nationalstaatlicher Souveränität. Natürlich werden auch wir sehr genau und sorgfältig abwägen müssen, welche Maßnahmen in Zukunft auf welcher Ebene verantwortet werden sollen. Aber ich finde es ermutigend und richtig, dass sich die Diskussion in diesem Bereich weiterentwickelt hat. Ich werde mich daher beim Europäischen Rat dafür einsetzen, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission möglichst rasch beraten und verabschiedet werden können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Schon heute leistet Deutschland mit 100 zusätzlichen Experten für Frontex einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Außengrenzen. Auch alle anderen müssen ihre Zusagen einhalten und rasch handeln, um die getroffenen Beschlüsse schnell und erfolgreich umzusetzen. Wo immer nötig, sind wir auch zu bilateraler Unterstützung bereit. Selbstverständlich werden wir uns auch weiterhin für eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einsetzen, für die wir nach unserer Auffassung einen dauerhaften und verbindlichen Mechanismus brauchen; denn auch das ist für uns eine Frage elementarer europäischer Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich weiß, dass dies ein wahrlich dickes Brett ist, das es zu bohren gilt – mit viel Geduld, langem Atem und auch mit Überzeugungskraft. Sicherlich wird der Europäische Rat morgen noch nicht den Durchbruch erzielen. Aber die Geschichte Europas lehrt, dass sich Geduld und Zähigkeit am Ende eines langen Weges noch immer ausgezahlt haben. Meine Damen und Herren, es ist im Interesse aller, die Zahl der Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, zu reduzieren. Das ist im deutschen Interesse, das ist im europäischen Interesse, und das ist auch im Interesse der Flüchtlinge selbst, damit sie sich erst gar nicht auf den lebensgefährlichen Weg quer durch Europa machen müssen. Um das zu schaffen, ist es von zentraler Bedeutung, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Deshalb haben wir am 25. Oktober mit den Staaten entlang der Westbalkanroute eine Verbesserung des Informationsaustauschs und der humanitären Versorgung vereinbart. Deshalb haben wir am 11. und 12. November in Valletta eine enge Zusammenarbeit zwischen Europäischer Union und unseren afrikanischen Partnern vereinbart. Deshalb haben wir am 29. November beim EU-Türkei-Gipfel die Grundlage für eine langfristige migrationspolitische Partnerschaft mit der Türkei geschaffen. Die Türkei ist und bleibt für die Europäische Union ein Schlüsselpartner. Sie ist zurzeit das wichtigste Transitland nach Europa, und sie beherbergt mehr als 2 Millionen Flüchtlinge im eigenen Land. Wir haben zugesagt, 3 Milliarden Euro bereitzustellen. Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar, dass er die Verhandlungen darüber, wie dies geschehen kann, in Gang gesetzt hat. Ich hoffe, dass wir dabei Erfolg haben werden. Wir wollen diese 3 Milliarden Euro einsetzen, um die Lebenssituation der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern und damit Fluchtursachen zu bekämpfen; denn je besser die Lebenssituation der Flüchtlinge innerhalb der Türkei ist, desto geringer wird die Not, den gefährlichen Weg nach Europa zu wagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Im Gegenzug erwarten wir von der Türkei einen besseren Schutz ihrer Grenze zur EU, eine konsequentere Seenotrettung in der Ägäis und eine effektivere Bekämpfung der Schleuserkriminalität. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Auch darüber werde ich morgen vor Beginn des Europäischen Rates mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu und weiteren Staats- und Regierungschefs sprechen. (Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Durch die Zusammenarbeit mit der Türkei wird es möglich sein, legale Zuwanderungsmöglichkeiten zu schaffen, beispielsweise durch legale Kontingente, mit denen wir der illegalen Migration entgegentreten. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die illegale Migration bis dahin zurückgegangen ist. Die Europäische Kommission hat dazu gestern wiederum einen Vorschlag vorgelegt. Ich bin der Kommission sehr dankbar, dass sie in all diesen Fragen sehr zügig ihre Vorschläge vorlegt und damit die Arbeit voranbringt. Wenn uns all das gelingt, werden wir sehr viel erreicht haben, und zwar wirklich im wahrsten Sinne des Wortes zum Wohle aller und ganz besonders zum Wohle der betroffenen Menschen. Ich will hier noch hinzufügen – das spielt morgen keine Rolle –, dass wir natürlich nicht nur unsere Leistungen für UNHCR und Welternährungsprogramm erbracht haben, dass wir nicht nur andere ermutigt haben – ich erinnere an die Konferenz des Bundesaußenministers in New York –, sondern dass am 4. Februar 2016 der britische Premierminister, meine norwegische Kollegin, der Emir von Kuwait und ich eine Konferenz durchführen werden, auf der wir versuchen werden, möglichst viel des Geldes zusammenzubekommen, das für UNHCR und Welternährungsprogramm für 2016 notwendig ist, damit nicht wieder von Monat zu Monat die Frage im Raum steht: Haben wir genug Geld, oder haben wir nicht genug Geld? (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist ein Zustand, der wirklich nicht zumutbar ist. Zur Stunde sind wieder nur etwas mehr als jeweils 50 Prozent der Finanzzusagen für die Organisationen da. Wir wissen: Es gibt für all diese Probleme nicht die eine Lösung, die alle Probleme auf einen Schlag beheben könnte. Wir müssen an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen. Ich will hier auch noch an die Verhandlungen erinnern, die zur Stunde zu Libyen stattfinden. Der Bundesaußenminister war vor wenigen Tagen in Rom und ein deutscher Diplomat, Herr Kobler, ist dabei, intensiv mit anderen daran zu arbeiten, eine Einheitsregierung in Libyen zustande zu bringen – eine Einheitsregierung, die auch trägt und die uns dann in die Lage versetzt, mit der libyschen Regierung über die Frage, wie illegale Migration über die betroffenen Küstengebiete in Libyen eingedämmt werden kann, in Verhandlungen zu treten. Wir müssen bei all dem, was wir tun, an den Zusammenhalt der Europäischen Union und an unsere gemeinsame Verantwortung für Europa und für unsere Werte denken. Ich werde bei all meinen Gesprächen beim morgigen Europäischen Rat zu unterschiedlichen Themen, wie sie dort beraten werden können, immer den Grundgedanken haben, unser gemeinsames Europa zu stärken. Deutschland wird dafür seinen Beitrag leisten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Präsident des slowakischen Parlamentes, Peter Pellegrini, zusammen mit dem Vorsitzenden der Freundschaftsgruppe unserer beiden Parlamente und dem Herrn Botschafter Platz genommen. Herzlich willkommen! (Beifall) Wir freuen uns über Ihren Besuch und über Ihr besonderes Interesse an dieser uns gemeinsam besonders beunruhigenden Fragestellung. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat nun der Kollege Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) (Vorsitz: Vizepräsidentin Claudia Roth) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass Deutschland im Fadenkreuz des Terrorismus steht. Ich hatte am vergangenen Sonntag ein sehr bedrückendes Erlebnis. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Vielleicht könnte sie hier mal zuhören! Frau Präsidentin!) Ich habe einen Weihnachtsmarkt in Berlin besucht. Da gab es plötzlich eine laute Explosion, danach eine riesige Stichflamme. Ich habe ganz viele Menschen gesehen, die mit vor Schrecken geweiteten Augen zum Ausgang gestürzt sind. Später war zu erfahren, dass es sich „nur“ um eine Gasflasche an einem Glühweinstand handelte. Aber wir können uns vermutlich alle vorstellen, welche Bilder die Besucherinnen und Besucher des Weihnachtsmarkts vor Augen hatten. Ich glaube, das ist auch ein Ausdruck dafür, dass sich unsere Gesellschaft schon jetzt verändert hat – durch die Terroranschläge, auch durch die Debatten über die Flüchtlinge. Wir stehen am Ende eines Jahres, das außergewöhnlich war. Europa befindet sich wie Deutschland am Ende des Jahres an einem Scheideweg. Die Frage ist, ob soziale Gerechtigkeit, demokratischer Ausgleich und friedliche Konfliktlösung die nationale und internationale Politik beherrschen oder ob Drohungen, Boykotte und Waffenklirren diese bestimmen. Die Antwort ist offen, und die Signale sind widersprüchlich. Die Reaktionen der Menschen in Paris, in Berlin und London nach den Attentaten waren klar. Sie sagten: Ihr macht uns unsere Demokratie nicht kaputt, wir lassen uns unser Leben nicht zerstören, wir lassen uns die offene Gesellschaft nicht kaputtmachen, wir geben kein Stück Freiheit freiwillig her. – Das, meine Damen und Herren, muss auch unser Signal sein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben auf dem Klimagipfel erlebt, dass in buchstäblich letzter Sekunde klar geworden ist: Es geht ums Überleben. Die Freudentränen von Frau Hendricks waren ein positiver Ausdruck. In der Flüchtlingspolitik allerdings finden die Staaten der Europäischen Union nicht zu einem solidarischen Miteinander. Hier geht es tagtäglich um Leben und Tod. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen, darunter viele Kinder, monatelang in Flüchtlingstrecks unterwegs sind oder gar im Mittelmeer ertrinken. Dagegen muss entschlossen und entschlossener gehandelt werden. Da ist Führung in Menschlichkeit angesagt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir alle sind gemeinsam in der Verantwortung – die Bundeskanzlerin hat darauf verwiesen –, die Werte der Aufklärung, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, in die Europäische Union nicht nur einzubringen, sondern diese auch zu verteidigen. Da erwarte ich, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie mindestens die Position des CDU-Parteitags auch in die Debatten mit Ihren europäischen Partnern einbringen, mit Herrn Orban, mit der neuen polnischen Führung, mit anderen, die sich einer Solidarität mit Flüchtenden konsequent verweigern. Das muss die Mindesthaltung sein, die wir haben. Es ist aber, glaube ich, kein Zufall, dass in Ihrer gesamten Rede das Wort „sozial“ nicht vorgekommen ist. Wenn ich die Formulierung „Fluchtursachen bekämpfen“ höre, dann kann ich nur sagen: Das ist inzwischen leider zu einer Phrase geworden. Wie geht denn die Bekämpfung der Fluchtursachen zusammen mit der Tatsache, dass wir weiterhin Waffen nach Saudi-Arabien und nach Katar exportieren? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In dieser Woche ist der SIPRI-Bericht veröffentlicht worden. Darin enthalten ist die positive Meldung, dass die Waffenexporte weltweit zurückgehen. Aber es gibt Ausnahmen. In Europa sind das zwei Länder: die Schweiz und Deutschland. Dann kommen noch Südkorea und Russland hinzu. Das ist doch nicht hinnehmbar. Warum machen wir das weiter? Warum exportieren wir Waffen in alle Welt? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben am Wochenende die Parteitage gehabt und da doch sehr problematische Weihnachtsbotschaften gehört. Ich will auf einige ganz kurz eingehen. Herr Gabriel hat auf dem Parteitag gesagt: Die Bundeskanzlerin und der Finanzminister haben einen Beitrag zum Aufschwung des Front National durch ihre Austeritätspolitik geleistet. Wenn das denn stimmt, dann sage ich Ihnen: Mit denen koalieren Sie doch. Wenn das wirklich wahr ist, dann müssen Sie doch handeln und wirklich etwas verändern. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Gabriel sagt: Wenn Bodentruppen eingesetzt werden sollen, dann müssen wir einen Mitgliederentscheid durchführen. – Erst einmal macht mich das nachdenklich. Offensichtlich hält er das wirklich für möglich. Ich frage mich: Wenn es dazu einen Mitgliederentscheid geben soll, wieso denn dann eigentlich nicht einen über den Einsatz in Mali oder einen über die Flugunterstützung in Syrien? Sind das nicht dieselben Handlungen? Zumindest diese Frage müssen doch auch Sie sich stellen. Dann will ich auch ein Wort zum Bundesaußenminister sagen: Auf dem Parteitag sagten Sie: Diejenigen, die mit Nein stimmen, also die Linken, sind Heuchler. – Zunächst einmal will ich festhalten: Dann sind auch circa 30 SPD-Abgeordnete Heuchler. Dann sind die Grünen in der Mehrzahl Heuchler. Und dann ist auch jemand wie Matteo Renzi aus Italien ein Heuchler; denn er hat mit derselben Begründung, mit der auch wir Nein gesagt haben, für Italien Nein gesagt. Das kann nicht wahr sein. (Beifall bei der LINKEN) Auch diejenigen, die Nein gesagt haben, haben verantwortungsvoll über ihre Entscheidung nachgedacht, Herr Steinmeier. Frau Bundeskanzlerin, ich wünsche mir für Ihr Agieren beim Europäischen Rat drei Dinge: Erstens. Werben Sie für eine Allianz gegen den Krieg. Terror lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen. (Beifall bei der LINKEN) Es muss Schluss sein mit der Spirale der Gewalt, meine Damen und Herren! Wir haben in Libyen und im Irak gesehen: Diktatoren sind weggebombt worden, aber den Staaten und Völkern ist keine Perspektive eröffnet worden. Ja, Assad hat sich auf das Schlimmste am syrischen Volk vergangen. Das ist unbestritten. Aber Bomben und Tornados werden diesem Volk keinen Frieden bringen. Zweitens. Werben Sie beim Europäischen Rat für die Einsicht, dass Quoten, Missgunst und Unfreundlichkeit Menschen nicht abschrecken, denen es um das Leben geht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie lassen sich von Hotspots, Mauern, Zäunen und Frontex nicht aufhalten. Wenn ich mich recht entsinne, waren wir doch diejenigen, die Anfang des Jahres noch gegen die Quoten waren. Und jetzt wundern wir uns, dass Griechen und Italiener dazu plötzlich eine andere Haltung haben. Bringen Sie Ihre Autorität ins Spiel, damit Flüchtlingspolitik keine Abschottungs- und Ausgrenzungspolitik, sondern Menschenrechtspolitik wird. (Beifall bei der LINKEN) In diesem Zusammenhang betone ich: Ja, ich unterstütze Ihre Haltung, dass die finanziellen Beiträge für die Flüchtlingshilfe wichtig sind, von wem auch immer sie kommen, meinetwegen auch von dem Emir von Kuwait – völlig wurscht, Hauptsache, die Mittel stehen zur Verfügung. Das ist in Ordnung. Aber es ist natürlich ein verheerendes Signal, wenn die Milliardenzahlungen der EU-Staaten an die Türkei faktisch einen Aktionsplan zur Flüchtlingsabwehr unterstützen. Die 3 Milliarden Euro dürfen nicht an Erdogan gehen, sondern wenn sie gezahlt werden, dann müssen sie Flüchtlingsorganisationen zugutekommen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Das müssen Sie korrigieren. Dieses Geld muss doch bei den 2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien ankommen und darf nicht etwa Herrn Erdogan zum Verteilen gegeben werden. Meine dritte Bitte lautet kurz und knapp: Üben Sie gemeinsam mit den anderen EU-Staaten Druck auf die türkische Regierung aus, wenn Sie mit dem Ministerpräsidenten reden. Es kann nicht sein, dass die Beitrittsverhandlungen fortgeführt werden, solange die Türkei ein Transitland des Terrors ist, solange die Türkei Krieg gegen Kurdinnen und Kurden führt, solange die Türkei grundlegende Menschenrechte missachtet. Das kann nicht sein. Entwickeln wir Europa als Solidargemeinschaft oder als Bollwerk? Das ist die Frage. Frau Bundeskanzlerin, sorgen Sie für eine zukunftsfähige Antwort darauf! Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dietmar Bartsch. – Nächster Redner in der Debatte ist Thomas Oppermann für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2015 war ganz gewiss kein einfaches Jahr für uns in Deutschland. Für die Europäische Union war es sogar wohl das schwierigste Jahr der letzten Jahrzehnte. Die Terroranschläge von Paris, der Kampf um den Verbleib von Griechenland in der Euro-Zone und nicht zuletzt die Flüchtlingskrise mit Millionen Flüchtlingen sind gleich drei große Herausforderungen, auf die Europa eine Antwort geben muss. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass unsere osteuropäischen Partner noch immer unter dem Eindruck der russischen Aggressivität in der Ukraine stehen und sie als Gefahr für sich selbst wahrnehmen. Diese Krisen haben die Europäische Union teilweise an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht. Gut ist, dass Europa nach den Terroranschlägen in Frankreich zusammengeblieben ist und dass wir gemeinsam handeln, ohne dass wir uns darauf einlassen, Freiheit und Sicherheit gegeneinander auszuspielen. Ich bin froh, dass wir es im Sommer geschafft haben, Griechenland in der Euro-Zone zu halten. Ich wage gar nicht, mir auszumalen, was passiert wäre, wenn Griechenland mitten in der Flüchtlingskrise bankrottgegangen wäre. Gut, dass uns das erspart geblieben ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sorgen bereitet mir aber das Ausmaß, in dem in der Flüchtlingsfrage die Solidarität zwischen den EU-Ländern verloren geht. Was mich am allermeisten beunruhigt, ist der kaum gebremste Vormarsch von nationalistischen und populistischen Kräften in ganz Europa. Auch wenn der Front National die Stichwahlen zum Glück verloren hat, darf uns nicht kaltlassen, dass in Frankreich am letzten Sonntag 6,8 Millionen Wählerinnen und Wähler eine rechtsnationale, populistische Partei gewählt haben. In Ungarn sieht Viktor Orban in der autoritären Führerschaft von Wladimir Putin ein Vorbild für sein Land. In Polen lässt die neue rechtsnationale Regierung als erste Amtshandlung die Europafahne einziehen. Die Partei der polnischen Regierungschefin PiS bildet mit der AfD im Europäischen Parlament eine gemeinsame Fraktion und betreibt dort Fundamentalopposition gegen Europa. Selbst im prosperierenden Schweden liegen die völkischen und nationalsozialistischen Schwedendemokraten jetzt inzwischen bei 16 Prozent. Wenn wir das nicht stoppen, dann wird es ganz schnell duster in Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn einzelne Länder glauben, dass der Nationalismus für sie eine Lösung ist, dann wäre das der größte Irrtum dieser Zeit. In Wirklichkeit wäre es die Wiederholung eines großen Irrtums; denn nationalistische Lösungen sind immer Scheinlösungen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In den vergangenen 70 Jahren war es gerade die Überwindung von Nationalismus, die Europa Frieden und Wohlstand gebracht hat. Für diese historische Leistung hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen. Fast alle Probleme, die wir heute haben – egal ob es Flüchtlinge, Sicherheitsfragen, Finanzmärkte, Steuersysteme, Klimawandel, Energieerfordernisse oder Wertschöpfungsketten sind – und auf die wir eine Antwort suchen, sind transnational. Sie machen weder an nationalen Grenzen halt, noch können sie innerhalb nationaler Grenzen und in nationaler Souveränität gelöst werden. Das geht nur mit europäischen Antworten. Wenn sich jetzt trotzdem wieder Nationalismus und nationalstaatliches Denken in Europa durchsetzen, dann wird es danach jedem einzelnen europäischen Land schlechter gehen als vorher. Es wäre das Ende von Europa als Friedensmacht und das Ende einer offenen europäischen Gesellschaft. Und das dürfen wir nicht hinnehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die europäischen Demokratien müssen alles dafür tun, um diese Entwicklung zu stoppen. Was uns nicht hilft, sind Appelle an die Vernunft. Was uns auch nicht hilft, ist, die EU permanent schlechtzureden. Aber die Europäische Union muss jetzt ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wenn es 195 Staaten schaffen, sich in Paris auf ein völkerrechtlich verbindliches, weltweites Klimaschutzabkommen zu verständigen, dann muss es auch 28 Mitgliedsländern der Europäischen Union gelingen, sich in den wesentlichen Fragen zusammenzuraufen. Dazu gehören für mich vor allem Sicherheit, Gerechtigkeit und Wachstum. (Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Klimaschutz?) Sicherheit bedeutet für viele Menschen, dass der Staat in der Lage sein muss, seine Außengrenzen zu schützen. Die türkisch-griechische Grenze ist praktisch offen. Was dort bis jetzt passiert, das bestimmen ausschließlich kriminelle Schleuserorganisationen, die an den Flüchtlingen Milliarden verdient haben. Die chaotische Situation an den europäischen Außengrenzen ist ein zusätzlicher Nährboden für Rechtspopulisten und Nationalisten in diesem Land. Das darf nicht so bleiben, weil es früher oder später zu einer Renationalisierung der Grenzen im Schengen-Raum kommen würde. Genau das wollen wir unbedingt vermeiden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb ist die von der Bundeskanzlerin beschriebene Zusammenarbeit mit der Türkei unerlässlich. Europa muss aber auch eigene Maßnahmen ergreifen für eine funktionierende Grenzsicherung. Ich hoffe, dass sich der Europäische Rat morgen auf einen Ausbau von Frontex zu einer modernen Grenzschutzbehörde einigen kann. Wenn Mitgliedstaaten wie Griechenland nicht in der Lage sind, ihre eigenen Grenzen zu sichern, dann muss die EU in einer solchen Situation auch eingreifen können. Ein effektiver Grenz- und Küstenschutz bedeutet indessen keine Abschottung von Europa. Im Gegenteil: Wir werden unsere humanitären Verpflichtungen erfüllen, indem wir großzügig Kontingente aufnehmen und dadurch Schlepperorganisationen ausschalten. 1,5 Millionen Flüchtlinge sind für 500 Millionen Europäerinnen und Europäer eigentlich kein Problem – wenn sich alle beteiligen. Deshalb – bei allem Verständnis für die Probleme der osteuropäischen Länder –: Ein Minimum an Solidarität darf nicht verweigert werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Europäische Rat hat im Oktober beschlossen, 160 000 Flüchtlinge in Europa zu verteilen. Das ist immerhin ein erster Schritt. Aber selbst dieser Beschluss wird noch nicht ausgeführt, obwohl er auf einer klaren Rechtsgrundlage beruht. Ich finde es richtig, dass die EU-Kommission jetzt zum Beispiel mehr Druck auf Polen ausübt. Ich glaube, das ist auch das Signal, das die Bundeskanzlerin mitnimmt, wenn sie nach Brüssel fährt. Ich sage aber auch: Wir sollten das nicht mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger tun. (Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Denn als vor vier Jahren die Krise nicht in Deutschland, sondern in Lampedusa und in Griechenland war, hat die deutsche Bundesregierung Flüchtlingsquoten abgelehnt. Das zeigt uns: Es ist immer gefährlich, Solidarität situationsbedingt abzulehnen, weil man kurze Zeit später in genau die gleiche Situation kommen kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte die Haltung der Regierungen der baltischen Staaten einmal besonders herausheben: Auch in diesen Staaten gibt es in der Bevölkerung eine massive Ablehnung gegenüber Flüchtlingen. Aber die Regierungen haben trotzdem für den Umverteilungsplan von 160 000 Flüchtlingen gestimmt. Ab Januar 2016 stehen die nötigen Kapazitäten dort bereit. Sie werben außerdem in ihrer Bevölkerung mit Plakaten für eben diese Solidarität. Das ist politisches Engagement. Das ist zwar nicht ganz ohne Risiko; aber die Balten machen es, weil sie wissen, dass Solidarität in zwei Richtungen funktioniert. Wer sie erwartet, der muss auch bereit sein, sie selbst zu zeigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Haltung dürfen wir jetzt, glaube ich, auch von allen anderen europäischen Partnern erwarten. Ich finde, dass schon ein Unterschied gemacht werden muss zwischen den Ländern, die sagen: „Wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen, weil das Muslime sind“ – ich finde, das geht überhaupt nicht; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) das ist auch mit der EU-Grundrechtecharta völlig unvereinbar –, und den Ländern, in denen Massenarbeitslosigkeit herrscht und die sich besorgt fragen: Wie schaffen wir die Integration der Flüchtlinge auf unserem Arbeitsmarkt? Wir befinden uns da in einer besseren Situation. Wir haben einen robusten Arbeitsmarkt. Wir haben nicht nur die Arbeitslosigkeit halbiert. In Deutschland sind in den letzten zwölf Monaten sage und schreibe über 600 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Da ist es natürlich auch einfacher, offen gegenüber Flüchtlingen zu sein. Ich finde, dass den Ländern, die in Europa auf dem Arbeitsmarkt immer noch Schwierigkeiten haben, von der Europäischen Union geholfen werden muss. Zu einer solidarischen Antwort in der Flüchtlingskrise gehört für mich allerdings auch, dass die EU im Haushalt andere Prioritäten setzt, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In diesem Bereich muss es meiner Meinung nach zu einer umfassenden, zu einer massiven Umschichtung der Mittel kommen. Es kann nicht sein, dass die Europäische Union 60 Milliarden Euro für Agrarsubventionen ausgibt und in den Flüchtlingslagern in Jordanien und im Libanon die Menschen nicht genug zu essen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich erwarte, dass die EU bei der Überprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens ihre Mittel Schritt für Schritt so umschichtet, dass schon bald ein zweistelliger Milliardenbetrag pro Jahr für die Stabilisierung der Krisenländer, für Fluchtprävention und für wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Verfügung steht. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass die EU weniger Mittel für andere Subventionen zur Verfügung hat. Es geht allerdings gar nicht, sich sowohl bei der Unterbringungssolidarität als auch bei der Finanzierungssolidarität zu verweigern. Das dürfen wir nicht zulassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir brauchen Sicherheit. Das Zweite, was wir brauchen, ist mehr Gerechtigkeit in Europa. Bei vielen Menschen ist von der Finanzkrise nur noch hängen geblieben, dass wir die Banken, also die Verursacher, gerettet haben und für die normalen Leute, also die Opfer der Krise, nichts getan haben. Das ist zwar im Kern falsch, denn wir haben nicht nur die Banken gerettet, sondern wir haben auch mit einem gewaltigen Konjunkturprogramm die Arbeitsplätze von vielen Menschen gerettet, (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es! – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So wird ein Schuh daraus!) aber dennoch haben wir trotz aller Fortschritte bei der Reform der Finanzmärkte, bei der Bankenunion zum Beispiel, die eigentlichen Verursacher der Finanzkrise bis heute nicht ausreichend herangezogen. (Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Regierungsarbeit!) Deshalb ist die Einführung der Finanztransaktionsteuer von zentraler Bedeutung für die Frage, ob es in Europa gerecht zugeht. (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Dazu gehört auch die Frage, ob wir endlich die Steuerschlupflöcher in Europa beseitigen, sodass den Staaten nicht mehr Milliarden von Steuereinnahmen verloren gehen. Kleine und mittlere Unternehmen zahlen in den Mitgliedsländern brav ihre Steuern. Sie haben keine Chance, durch grenzüberschreitende Steuergestaltungen Steuern zu sparen. Multinationale Unternehmen hingegen nutzen den Binnenmarkt in Kombination mit den nationalen Steuersystemen, um Steuern zu umgehen. Das ist ein zweifelhaftes Privileg auf Kosten der kleinen und ehrlichen Unternehmen. Wenn sich jedes EU-Land Steuerlücken ausdenkt, um Unternehmen anzulocken, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn am Ende in keinem Land mehr Steuern gezahlt werden. Ich finde, dieser schädliche Steuerwettbewerb mit den Mitteln nationalstaatlicher Konkurrenz muss ein Ende haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ihr regiert doch!) Mehr Sicherheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Wachstum muss Europa schaffen. Ob in Frankreich, Spanien oder in Italien – in vielen Ländern sind die Reformen lange verschleppt worden. Das wird jetzt angepackt. Deshalb sollte Europa mit Investitionen massiv unterstützen. Wir müssen die EU-Vorhaben voranbringen, die neue Wachstumschancen eröffnen. Dazu gehören die Energieunion, die Kapitalmarktunion und nicht zuletzt der digitale Binnenmarkt. Meine Damen und Herren, wenn die Ultranationalisten die Europäische Union zum Feindbild erklären, dann können wir ihnen nicht dadurch entgegentreten, dass wir selbst den Rückbau der EU vorantreiben, genauso wenig wie die EU erfolgreich sein wird, wenn sich alle nur die Rosinen herauspicken dürfen. Rechte und Pflichten gehören zusammen. Das muss auch David Cameron gesagt werden, wenn er sich jetzt aufmacht, über Bedingungen für den Verbleib von Großbritannien in der Union zu verhandeln. Aber trotzdem wollen wir, dass Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleibt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Großbritannien ist eine große politische, kulturelle und wirtschaftliche Bereicherung für die EU. Europa und insbesondere Deutschland haben Großbritannien viel zu verdanken: ob bei der Entwicklung des Rechtsstaates, beim Kampf gegen Hitler-Deutschland oder bei dem vehementen Einsatz der Briten für die Osterweiterung der EU. Ohne Großbritannien würde Deutschland in der EU eine starke Stimme der wirtschaftlichen Vernunft fehlen und die EU hätte international und außenpolitisch deutlich weniger Gewicht. Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir alle dafür eintreten und alle daran arbeiten, dass Großbritannien Mitglied der Union bleibt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Thomas Oppermann. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Toni Hofreiter für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Ja, letzte Woche konnte man bei der Weltklimakonferenz in Paris erleben, dass die internationale Staatengemeinschaft noch in der Lage ist, zukunftsweisende Beschlüsse zu fassen. Der Beschluss, die Welterwärmung auf unter 2 Grad – möglichst auf 1,5 Grad – zu begrenzen, ist historisch und eröffnet eine große Chance für uns alle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber dieser Beschluss hat auch deutliche Schwächen: Zu den Maßnahmen liest man da relativ wenig. Die Maßnahmen müssen jetzt national umgesetzt werden. Sie haben selbst davon gesprochen, Frau Merkel, dass der Vertrag jetzt „engagiert mit Leben erfüllt werden“ muss; das waren Ihre Worte. Ja, das stimmt. Aber warum tun Sie dann genau das nicht, warum tut dann die Koalition genau das nicht? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Engagiert diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen, würde bedeuten, dass man den Kohleausstieg angeht, würde bedeuten, dafür zu sorgen, dass VW die Grenzwerte in der Realität einhält, anstatt ein Verkehrsministerium zu haben, das letztendlich beim Betrug zuschaut. Es würde bedeuten, eine Verkehrswende und endlich auch eine Agrarwende umzusetzen, anstatt einen Landwirtschaftsminister zu haben, von dem nicht einmal die Landwirte wissen, wie er heißt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Alles aufs Fahrrad!) Die Solidarität, die man beim Weltklimagipfel in Paris erleben konnte, müssen wir leider beim Umgang mit den Flüchtlingen auf europäischer Ebene vermissen. Es wird gern so dargestellt, als handele es sich um ein nahezu unlösbares Problem, wenn 800 000, 1 Million oder 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Europa kommen. Aber man vergisst dabei gerne, dass die Europäische Union über 500 Millionen Einwohner hat. Die Europäische Union ist groß und stark. Wenn es ein solidarisches Modell gäbe, wäre dieses Problem deutlich einfacher zu lösen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da geben wir Ihnen recht. In Deutschland hat man aber in der Debatte sehr gern vergessen, dass es die Bundesregierung war, die in den letzten zehn Jahren Solidarität beim Umgang mit Flüchtlingen hat vermissen lassen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Genau so ist es!) Jeden Versuch der Europäischen Kommission und anderer europäischer Staaten, das ungerechte Dublin-System abzuschaffen, bei dem die Last allein den Grenzländern aufgedrückt wurde, haben Sie zunichtegemacht. Jetzt, wo wir selbst die Solidarität benötigen, verweigern uns die anderen die Solidarität. Jetzt kann man sagen: Das ist vergossene Milch; all das liegt in der Vergangenheit. – Ja, das stimmt, all das liegt in der Vergangenheit. Aber deshalb wäre es dringend notwendig, Frau Merkel, dass Sie hier klar sagen: Ja, wir waren in den vergangenen zehn Jahre unsolidarisch; wir haben da als Bundesrepublik Deutschland einen großen Fehler gemacht; wir werden diesen Fehler in Zukunft nicht mehr machen und bitten jetzt um eure Solidarität, weil wir sie jetzt brauchen. – Geben Sie sich einen Ruck, machen Sie diese große Geste! Damit erhöhen Sie die Chance, dass es endlich wieder zu Solidarität in Europa kommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Merkel, Sie haben davon gesprochen, dass man die Fluchtursachen bekämpfen muss. Ja, Sie haben absolut recht: Man muss die Fluchtursachen bekämpfen. Es ist dringend notwendig, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Sie haben drei Beispiele für die Bekämpfung der Fluchtursachen genannt: Erstens: Absprachen und besserer Informationsaustausch mit den Staaten entlang der Balkanroute. Das hat mit Fluchtursachenbekämpfung nichts zu tun; denn die Menschen auf der Balkanroute sind längst auf der Flucht. Zweiter Punkt: eine bessere Zusammenarbeit mit der Türkei. Das hat mit Fluchtursachenbekämpfung überhaupt nichts zu tun; die Menschen sind bereits in die Türkei geflüchtet. (Thomas Oppermann [SPD]: Sie sind in der Türkei sicher!) Als dritten Punkt haben Sie den Gipfel von Valletta genannt. Der Gipfel in Valletta auf Malta ist ein besonders ärgerliches und peinliches Beispiel dafür, wie man Politik nicht macht, wie man vielleicht Flüchtlinge von uns fernhalten kann, aber Fluchtursachen verschärft. Was war nämlich der Kern der Beschlüsse von Valletta? Der Kern der Beschlüsse auf dem Gipfel war, dass man mehr Geld an diktatorische Regime wie das in Eritrea, mehr Geld an Diktatoren gibt. Diese Diktatoren behandeln die Leute am Ende so mies, dass sie selbstverständlich aus ihren Ländern flüchten. Eine echte Fluchtursachenbekämpfung wäre, wenn man mit Ländern und Zivilgesellschaften zusammenarbeitete, in denen es eine Chance gibt, dass es besser wird, wenn man dafür sorgen würde, dass die Lebensbedingungen der Menschen besser werden, wenn man dafür sorgen würde, dass wir einen fairen Handel erreichen. Echte Fluchtursachenbekämpfung wäre, nicht nur von der Bekämpfung des Klimawandels zu reden, sondern ihn wirklich zu bekämpfen. Das alles wäre echte Fluchtursachenbekämpfung. Es ist an der Zeit, das umzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Angesichts der Ereignisse vom letzten Wochenende in Frankreich kann man sagen: Wir haben noch einmal Glück gehabt. Der Front National hat es in keiner einzigen der 13 Regionen geschafft, stärkste Partei zu werden, auch weil die anderen Parteien sich weitgehend verbündet haben. Aber trotzdem ist der Erfolg extrem bedenklich. Es muss einen mit großer Sorge erfüllen, wenn man sich anschaut, was in Gesamteuropa passiert, und das ist losgegangen, lange bevor die Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Das sollten wir nie vergessen. Die FPÖ in Österreich war lange davor stark, der Front National war stark, Vlaams Belang war stark, die Wilders-Liste in den Niederlanden war stark, und auch in Dänemark treiben übelste Rechtspopulisten ihr Unwesen. Ich glaube, eine der Ursachen dafür ist, dass viele Menschen die Europäische Union und den europäischen Binnenmarkt nicht mehr als Versprechen für Wohlstand wahrnehmen. Eine der Ursachen dafür, dass sie sie nicht mehr als Versprechen für Wohlstand wahrnehmen, ist neben der hohen Jugendarbeitslosigkeit der unsolidarische Umgang mit Griechenland, der Versuch von Herrn Schäuble, Griechenland aus dem Euro zu schmeißen. Deshalb nehmen die Bürger in vielen Ländern Europas die Europäische Union inzwischen traurigerweise als Bedrohung wahr. Deshalb: Sorgen Sie dafür, dass es neben dem Binnenmarkt endlich wieder ein solidarisches Europa, ein soziales Europa gibt. Wenn die Menschen Europa wieder als Hoffnung wahrnehmen und nicht mehr als Bedrohung, dann besteht die Chance, dass verstärkt wieder proeuropäische Parteien gewählt werden. Seien wir nicht verzagt und kleinherzig, sondern entwickeln wir endlich eine Vision für Europa, die alle Menschen, auch die arbeitslosen Jugendlichen, mitnimmt. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Toni Hofreiter. – Der nächste Redner: Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, das zu Ende gehende Jahr 2015 war ein schwieriges für uns alle, vielleicht sogar das schwierigste Jahr, zumindest seit Erreichen der deutschen Einheit. Wenn man bedenkt, was uns in diesem Jahr schon alles beschäftigt hat und was uns über den Jahreswechsel hinaus im neuen Jahr sicher weiter beschäftigen wird, kann man ermessen, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen wir stehen. Aber natürlich können wir auch daran erinnern, dass wir eine ganze Reihe von Dingen vorangebracht und geschafft haben, dass wir mit konkreten Maßnahmen erreicht haben, dass sich das eine oder andere verändert und verbessert hat, dass wir nicht einfach nur zugeschaut haben und die Dinge haben laufen lassen. Ich finde, es gehört auch zur Bilanz dieses Jahres, dass wir einiges vorangebracht haben. Zur Bilanz dieses Jahres gehört natürlich auch – die Bundeskanzlerin hat davon gesprochen –, dass wir Europa in einem Zustand sehen, wie ich es in meiner ganzen 25-jährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag so noch nicht gesehen habe. Es ist richtig, lieber Thomas Oppermann, dass dies zunächst einmal nicht eine Anklage an Europa, sondern eine Anklage an die Nationalstaaten in Europa ist, die wesentlich dafür verantwortlich sind, dass wir dieses Bild haben. Da frage ich mich schon, ob es richtig ist, dass man immer nur auf ein, zwei oder drei zeigt, die man, wenn man in der SPD sitzt, besonders dort sieht, wo es rechtsnational zugeht. Auch mir gefällt das eine oder andere nicht, was in Polen oder auch in Ungarn gesagt und gemacht wird. Aber zur ganzen Wahrheit gehört dazu, dass mir auch das eine oder andere nicht gefällt, was in der Slowakischen Republik und in der Tschechischen Republik, wo Sozialdemokraten und Linke an der Regierung sind, passiert. Dort fallen nämlich die Sätze, lieber Thomas Oppermann, die du gerade angesprochen hast: Wir wollen keine Flüchtlinge, weil wir keine Muslime wollen. – Es geht nicht, dass man so etwas sagt, und dabei ist es egal, ob das jemand von der linken oder der rechten Seite sagt. Das ist für Europa nicht akzeptabel. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) All das und die Tatsache, dass die slowakische Regierung jetzt auch noch vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Verteilungsmechanismen klagt, zeigt den Zustand, in dem sich Europa befindet. Deshalb ist es richtig, dass wir die Bundeskanzlerin unterstützen und als Deutscher Bundestag klar sagen, dass sie sich darauf verlassen kann, dass wir diese Unterstützung auch gewähren, wenn es darum geht, Europa in einen besseren Zustand zu bringen. Natürlich muss in Europa mehr als bisher das eingehalten werden, was man miteinander vereinbart hat, damit Europa in eine bessere Situation kommt. Wenn man jetzt sagt, ein Teil der Probleme läge darin begründet, dass man eine Sparpolitik, eine Austeritätspolitik macht – – (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat die SPD gesagt!) – Ich habe ja gar nicht gesagt, dass Sie das gesagt haben. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber gedacht!) – Sie kommen schon noch dran; warten Sie es ab. – Wenn man das sagt, dann kann ich nur sagen: Wenn man gleich am Anfang den Fehler macht, sich nicht konsequent an den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu halten, sondern die Sache laufen lässt und eine Verschuldung hinnimmt, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ein Dritter übernimmt die Schulden, oder man leistet selber einen Beitrag. (Zuruf von der LINKEN) Weil ich es nicht für richtig halte, Schulden zu machen und einen Dritten dafür haften zu lassen – das hat übrigens auch keine pädagogische Wirkung –, bleibt aus meiner Sicht nichts anderes übrig, als sich zu ändern und eine Politik zu machen, die diese Verschuldung nicht hervorbringt. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eben genau der Irrtum, Herr Kauder! Es gibt noch mehr Möglichkeiten!) In außergewöhnlichen Fällen, zum Beispiel bei Naturkatastrophen oder anderen großen Katastrophen, muss der Stabilitätspakt, muss die Schuldenbremse nicht unbedingt eingehalten werden. In diesem Zusammenhang muss ich aber sagen: Ich bin ein unverbrüchlicher Freund der deutsch-französischen Zusammenarbeit, weil es ohne sie dieses Europa nicht gäbe; aber ich halte es nicht für richtig, dass man in Frankreich als Erstes auf die Idee kommt, zu sagen: „Wir halten den Stabilitätspakt nicht mehr ein“, als ob man ihn bisher eingehalten hätte. Das halte ich nicht für die richtige Antwort; (Beifall bei der CDU/CSU) denn dieser Weg führt nicht zu mehr Wachstum und mehr Wohlstand in Europa. Dass wir Frankreich unterstützen, auch in dem Kampf gegen den IS, halte ich für völlig in Ordnung. Die Rechtsgrundlage dafür ist ausreichend. Ich hätte auch sagen können, dass ich mich durch die Angriffe in Frankreich als Deutscher mit angegriffen fühle und mich deshalb auf der Grundlage des Grundgesetzes verteidige. Wenn wir in Europa so eng zusammenarbeiten, sind wir in Europa – jetzt kommt etwas, was früher manch einer nicht so gerne gehört hat; jetzt wird das aber deutlich – eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn wir eine Schicksalsgemeinschaft sind, wenn wir ein Schicksal teilen, dann müssen wir uns, wenn wir angegriffen werden, gemeinsam wehren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dies machen wir jetzt. Darüber muss natürlich hier, im Deutschen Bundestag, entschieden werden. Hier diskutieren wir über die Frage, wo die Bundeswehr eingesetzt wird. Ich bin sehr froh, dass – das habe ich gestern gehört – der Vorschlag, eine Änderung des Syrien-Mandats durch einen SPD-Mitgliederentscheid beschließen zu können, von der Bundestagsfraktion der SPD kassiert worden ist. Richtig! Lieber Thomas Oppermann, wir haben eine Parlamentsarmee und keine Parteiarmee. Deswegen ist es richtig, dass wir diese Entscheidungen hier treffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das zeigt ja auch, dass die SPD-Bundestagsfraktion manchmal vernünftiger ist als der SPD-Parteitag. Auch das ist in Ordnung. (Beifall des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU]) Wenn wir uns die Situation in Europa anschauen, müssen wir uns natürlich auch die Frage stellen: Sind wir in Europa stark genug für moderne Entwicklungen, für die Arbeitsplätze der Zukunft? Wir dürfen nicht nur die Arbeitsplätze der Gegenwart im Blick haben. Wenn Europa sozial gerecht sein soll, Herr Bartsch, wird es nicht so gehen, wie Sie immer glauben, also dass die etwas besser Situierten immer mehr an die anderen abgeben. Das hat schon in der DDR nicht funktioniert. Wir brauchen ein System, in dem alle miteinander wachsen, (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!) nicht nach dem Motto: Sozial gerecht ist, wenn die Besserstehenden, die Reicheren, auch so arm sind wie die Armen. Das hat noch nie zu einem Erfolg geführt. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist doch Unsinn!) Vielmehr müssen wir schauen, dass wir vorankommen. Ich muss sagen: Ja, der Innenminister hat über das Thema Datenschutz verhandelt. Wir haben jetzt ein Ergebnis vorliegen, mit dem man leben kann. Aber ich muss auch sagen: Wir werden uns in Europa noch intensiv mit der Frage befassen müssen, ob wir wollen, dass auch kleine Start-up-Unternehmen im digitalen Bereich vorankommen können, oder ob wir wollen, dass moderne Entwicklungen in der Datenverarbeitung in Europa aufgrund des Datenschutzes überhaupt nicht möglich sind. Wenn wir sagen, dass bei uns dieses und jenes nicht stattfinden darf, dann werden wir natürlich nicht erleben, dass in China, in anderen asiatischen Ländern und in Amerika gesagt wird: Huch, wenn die Europäer nichts machen, machen wir auch nichts. – Wenn wir nicht aufpassen, wenn wir nicht bereit sind, uns zu öffnen und moderne Zusammenhänge in Europa nach vorne zu bringen, dann werden wir zurückfallen und nicht vorankommen. Das Ergebnis wird sein, dass die Entwicklungen, die immer schneller laufen, so schnell an uns in Europa vorbeilaufen, dass wir gar nicht mehr aufholen können. Dann kann man nicht sagen: Jetzt fangen wir noch einmal von vorne an. – Das wird nicht klappen. Deswegen kann ich nur sagen: Wir müssen alles daransetzen – da hat die Bundeskanzlerin recht –, dass wir moderne Entwicklungen in Europa voranbringen, dass wir ein mutiges, ein risikofreudiges Europa sind und nicht eines der Bewahrer, das immer weiter zurückfällt und für die junge Generation die notwendigen Arbeitsplätze nicht schafft. Ich bitte darum, dass wir uns in der Großen Koalition noch einmal mit diesem Thema befassen. Das Motto für Europa muss sein: Orientiert an der Zukunft mutig vorangehen, um die Arbeitsplätze der Gegenwart auch in der Zukunft halten zu können. Das muss uns gelingen. Das ist eine große Aufgabe auch für unsere Große Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Volker Kauder. – Nächster Redner in der Debatte: Joachim Poß für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Joachim Poß (SPD): Frau Präsidentin! Lieber Kollege Kauder, vielleicht können wir uns auf Folgendes verständigen: Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen rechten, teilweise auch rechtsextremen, nationalistischen Populisten und linken Populisten – dafür gibt es verschiedene Beispiele im europäischen Umfeld –: Sie bieten den Menschen eines nicht, sie bieten den Menschen keine realitätstüchtigen Antworten. Sie predigen die Flucht aus der Verantwortung in den Nationalismus, in eine nationalistische Sackgasse. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!) In dieser Sackgasse finden die Menschen keine Sicherheit und auch keine Arbeitsplätze. Das ist die Realität, die wir hier ansprechen müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da, glaube ich, müssen wir in der Tat, soweit es eben geht, trotz aller unterschiedlichen Akzente zusammenarbeiten. Das heißt nicht, dass wir uns gegenseitig schonen müssen, wenn es wie in Polen zu offenkundigen Verfassungsbrüchen kommt. Wenn sich führende Mitglieder der Regierungspartei PiS im Stile politischer Desperados bewegen, dann muss Europa mit allen Möglichkeiten des europäischen Rechts dagegen einschreiten. (Beifall bei der SPD) Wir haben diese Möglichkeiten des europäischen Rechts. Das gilt auch für das, was Herr Orban zu verantworten hat. Das hat zwar immer wieder zu Nachfragen aus Brüssel, aber nicht, glaube ich, zu einer eindeutigen und politisch notwendigen Abrechnung mit Herrn Orban geführt. Er war nämlich sozusagen der Vorgänger dessen, was jetzt in Polen passiert. Alles gemeinsam untergräbt unsere Handlungsfähigkeit in Europa, die allerdings dringend benötigt wird, gerade im Epochenjahr 2015. Die Frau Bundeskanzlerin, Herr Oppermann und andere haben die Krisen aufgeführt. Diesen Krisen müssen wir uns parallel stellen. Wir können nicht sagen: „Wir müssen jetzt erst die Flüchtlingskrise und dann den Terrorismus usw. angehen“, sondern wir müssen gleichzeitig auch in der Wirtschafts- und Währungsunion vorankommen. Es ist ja nicht so, dass uns in den letzten Jahren nicht einiges gelungen wäre. Wir sollten nicht verschweigen, dass wir kräftig vorangekommen sind. Wir sind sogar bei der Frage des Steuerdumpings vorangekommen, aber eben noch nicht weit genug, um den Menschen in Europa zu signalisieren: Auch wenn ihr uns teilweise euer Vertrauen entzogen habt, möchten wir mit der konkreten Arbeit, die wir leisten, verlorengegangenes Vertrauen in Europa zurückgewinnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Bewährungsprobe, vor der wir gemeinsam hier im Parlament – nicht nur in der Großen Koalition – stehen. Eines ist passiert, Herr Kauder – das kann man ja in einzelnen Ländern beobachten –: Durch das verstärkte Aufkommen des politischen Populismus und des Extremismus in Europa sind der Wille und die Fähigkeit, die genannten Probleme anzupacken, in vielen Staaten gesunken. Wir müssen Obacht geben, dass der Wille und die Fähigkeit, uns mit der Flüchtlingsproblematik und mit anderen Themen auseinanderzusetzen, nicht auch in Deutschland sinken, weil man zu sehr nach Rechtsextremen oder rechten Kräften schielt. Auch das können wir ja feststellen, auch in Deutschland. Natürlich sollten wir nicht verschweigen, dass wir von Frankreich, zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage, eine größere Solidarleistung erwarten. Ich füge für mich hinzu: Es bringt nichts, Sicherheit gegen wirtschaftliche Stabilität auszuspielen, wie es teilweise geschieht. Das alles macht Europa nicht stärker. Das alles vergrößert nicht die Handlungsfähigkeit in Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn man ehrlich ist, stellt man fest: Die wachsende populistische Gefahr konzentriert sich gerade in einem so großen Land wie Frankreich – aber auch Beispiele aus Skandinavien zeigen das – besonders auf der Rechten. Damit will ich den linken Populismus, den wir zum Beispiel bei Syriza und anderswo sehen können, nicht verniedlichen. Ich setze mich auch mit ihm sehr offensiv auseinander, weil ich finde, wir dürfen es nicht durchgehen lassen, wenn es heißt, dass da sozusagen für Gerechtigkeit gekämpft wird, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) wenn den Leuten aber nur Scheinlösungen angeboten werden. Wir müssen natürlich die realen Größenverhältnisse sehen, und wir müssen aus dem defensiven politischen Verhalten herauskommen. Teilweise ist es Angst, die wir sehen können. In Großbritannien ist es doch die pure Angst von Herrn Cameron. Er lässt sich doch von UKIP und vom rechtskonservativen Teil seiner eigenen Partei treiben, verheddert sich in Widersprüchen und fängt eine unfruchtbare Brexit-Debatte an, von der niemand in Europa etwas hat – Großbritannien übrigens, wie wir wissen, auch nicht. Warum hat Herr Cameron denn nicht einmal den Versuch gewagt, seine Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen Europas zu überzeugen, zumindest von den wirtschaftlichen, und zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Handels zwischen Großbritannien und dem Land Nordrhein-Westfalen größer ist als die des Handels zwischen Großbritannien und dem Commonwealth-Land Indien? Dort ist, glaube ich, eine Situation entstanden, in der man keine Defensivhaltung mehr einnimmt. Das kann man in anderen Ländern in gleicher Weise sehen. Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen uns an das halten, was Helmut Schmidt in seiner Rede auf dem SPD-Bundesparteitag 2011 erwähnt hat. Helmut Schmidt sagte, dass das strategische Interesse der Mitgliedstaaten an der europäischen Integration zunehmend an Bedeutung gewinnt, den Nationen dieses Interesse von ihren Regierungen aber nicht ausreichend bewusst gemacht werde. Meine Damen und Herren, Helmut Schmidt hatte recht. Auch in Deutschland sollten wir ehrgeiziger werden, wenn es darum geht, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern deutlich zu machen, welches strategische Interesse wir an der weiteren positiven Entwicklung Europas und der Euro-Zone haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Der nächste Redner: Alexander Ulrich für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Alexander Ulrich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits von mehreren Rednern angesprochen, dass in Europa die eine Krise die nächste jagt. Dass die deutsche Europapolitik zur immer weiteren Verschärfung dieser Krisen beigetragen hat, ist ja ganz offenkundig. Frau Merkel, Sie lassen sich hier oftmals für zehn Jahre Kanzlerschaft feiern. Wenn in Europa eine Krise die nächste jagt, dann müssen auch Sie sich die Frage stellen, was Sie dazu beigetragen haben, dass Europa in diesem ständigen Krisenmodus ist. Es ist ja deutlich geworden – zum Beispiel bei der Wirtschafts- und Finanzkrise –, dass Sie mit Ihrer beispiellosen Kürzungspolitik, die Sie europaweit verordnet haben, mit dazu beigetragen haben, dass gerade in Südeuropa viele Menschen in eine Perspektivlosigkeit verfallen sind, dass die Jugendarbeitslosigkeit steigt und dass sich diese Länder in einer tiefen Rezession befinden. Europas Krisen sind auch Ihre Krisen, Frau Merkel. (Beifall bei der LINKEN) Sehen Sie endlich ein, dass man mit Kürzungen die Krisen nicht löst, dass man die Einnahmen steigern und investieren muss. Anstatt endlich einmal die Verursacher der Krise zur Kasse zu bitten, wird nun auch noch die Finanztransaktionsteuer zu Grabe getragen. Herr Oppermann, da Sie hier zugegeben haben, dass die Verursacher der Krise noch nichts bezahlt haben, darf ich daran erinnern, dass beim Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise der Finanzminister von der SPD kam und dass Sie auch jetzt wieder an der Regierung beteiligt sind. Durch die Art, wie Sie mit der Finanz- und Wirtschaftskrise umgehen, geben Sie ihr selbst ein sehr schlechtes Zeugnis. (Beifall bei der LINKEN) Herr Oppermann, da Sie beklagen, dass wir noch keine Finanztransaktionsteuer haben, darf ich Sie auch daran erinnern: Als der Fiskalpakt hier im Bundestag verabschiedet worden ist, hat die SPD es zur Bedingung gemacht, dass die Finanztransaktionsteuer umgesetzt wird. Wo ist sie denn? (Thomas Oppermann [SPD]: Wir haben daran gearbeitet!) Sie haben zugestimmt, ohne eine Gegenleistung einzufordern. Jetzt hätten Sie es ja in der Hand, mit dafür zu sorgen, dass es eine solche Steuer gibt. Sie sind mit Ihrer SPD-Politik gescheitert und haben die Bürgerinnen und Bürger immer wieder auch belogen. (Beifall bei der LINKEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Unsinn! Das ist falsch!) Herr Kauder, weil Sie europäische Regeln einfordern, möchte ich Sie einmal fragen: Wie gehen Sie denn mit europäischen Regeln um, wenn es um die Türkei geht? Wir haben uns im Europaausschuss sehr intensiv mit den Fortschrittsberichten beschäftigt. Bei der Türkei ist es ein Rückschrittsbericht. Es gibt nach europäischen Regeln überhaupt keinen Grund, irgendein Beitrittskapitel mit der Türkei zu öffnen. Warum machen Sie das? Sie brechen jetzt auch europäische Regeln. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, das stimmt doch gar nicht! Das ist doch noch gar nicht verhandelt!) In Bezug auf die Türkei muss man auch einmal sagen: Vorgestern wurden Beitrittskapitel eröffnet, und gestern wurden in Diyarbakir Dutzende Menschen durch Panzerbeschuss getötet. Das ist Ihre Politik in Europa. Sie unterstützen einen Terrorpaten wie Erdogan, und das kann nicht sein; das lehnen wir als Linke ab. (Beifall bei der LINKEN) Frau Bundeskanzlerin – ich komme zum Schluss –, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land werden es Ihnen nicht mehr abnehmen, dass Sie die Fluchtursachen bekämpfen wollen; denn man bekämpft keine Fluchtursachen, indem man Erdogan 3 Milliarden Euro gibt und Frontex aufrüstet, die unmenschlich gegen die Flüchtlinge vorgehen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sie gehen an die Flüchtlinge, nicht an Erdogan!) Das ist keine Fluchtursachenbekämpfung, sondern Flüchtlingsbekämpfung. (Beifall bei der LINKEN) Die Bürgerinnen und Bürger werden deshalb bald merken, dass Sie hier eigentlich doch auf die Order von Seehofer eingeschwenkt sind, auch wenn Sie heute versucht haben, das rhetorisch anders darzustellen. Im Prinzip betreiben Sie eine Politik gegen die Menschen. Das sieht man an Ihrem Handeln gegenüber der Türkei und gegenüber Frontex, und deshalb wäre es besser, die 3 Milliarden Euro dem Welternährungsprogramm zur Verfügung zu stellen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Ulrich. – Die nächste Rednerin in der Debatte: Gerda Hasselfeldt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa – insbesondere die europäischen Staaten – steht in diesen Zeiten vor der wohl größten Bewährungsprobe in seiner Geschichte. Das betrifft nicht Details des Binnenmarktes oder der Bankenunion, sondern ganz zentrale Fragen, wie zum Beispiel: Welche Antwort haben wir auf die nach wie vor vorhandenen ökonomischen Ungleichgewichte in Europa? Es geht aber auch um eine Antwort auf die Frage: Wie gehen wir mit den Terrorgefahren um? Und nicht zuletzt geht es natürlich auch um die Frage: Wie bewältigen wir gemeinsam die Flüchtlingsbewegungen auf der ganzen Welt? Meine Damen und Herren, wenn es noch einer Begründung für Europa bedarf, dann sind es genau diese großen Herausforderungen der heutigen Zeit. Gelegentlich wird ja gesagt: Europa muss sich neu erfinden. Wir brauchen eine neue Legitimation für Europa, weil zum Beispiel die junge Generation – Gott sei Dank – keine Schlagbäume an den Grenzen mehr kennt, weil sie die D-Mark nicht mehr kennt, sondern nur die gemeinsame europäische Währung, weil die Erfahrungen aus zwei Weltkriegen unserer Generation und denen, die nach uns kommen, fehlt. – Wenn es noch einer Legitimation für ein gemeinsames Europa bedarf, dann sind es genau die Herausforderungen, die wir heute zu bestehen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will das an einigen Punkten festmachen. Der erste Punkt. Nach wie vor bestehen ökonomische Ungleichgewichte in den europäischen Staaten. In einer ganzen Reihe von europäischen Staaten ist die Arbeitslosigkeit, die Jugendarbeitslosigkeit hoch. In einigen Staaten fehlt es nach wie vor an Wettbewerbsfähigkeit. Da kann man sich fragen: Welche Maßnahmen sind da geeignet? Geht es darum, eine höhere Verschuldung zu akzeptieren? Dazu sage ich eindeutig Nein. Das ist nicht die richtige Antwort. Ist dieses Problem mit einer Vergemeinschaftung der Schulden zu lösen? Die Antwort darauf ist ein ebenso klares Nein. Deshalb haben wir uns erfolgreich gegen Euro-Bonds gewandt. Eine weitere Frage: Gelingt es mit einer Vergemeinschaftung der Risiken – Stichwort „Einlagensicherung“? Auch darauf antworte ich mit einem deutlichen Nein. Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie in ihrer Regierungserklärung auch dazu eine klare Position bezogen hat. Eine Vergemeinschaftung der Risiken kann nicht die Lösung der Probleme der europäischen Staaten sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin der festen Überzeugung: Jedes Land muss seine eigenen Hausaufgaben machen, um wettbewerbsfähig zu sein. Wir haben das gemacht mit unserer Politik der Reformen, mit unserer Politik, keine Steuererhöhungen und keine zusätzlichen Belastungen der Wirtschaft vorzunehmen, immer mit dem Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft: keine neuen Schulden, sondern Abbau der Verschuldung. Genau das ist der richtige Weg. Das ist auch für andere Staaten ein Vorbild. Und, ja, es ist ein Vorbild für ganz Europa. Das dürfen wir uns nicht wegdiskutieren lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Es ist vorhin mehrfach die Frage angesprochen worden: Haben die Sparpolitik, die Stabilitätspolitik in Europa dazu geführt, dass in Frankreich oder auch in anderen Ländern die rechten, die extremen Parteien gewonnen haben? Meine Damen und Herren, diese Begründung, dieser Schluss ist zu einfach. Ja, ich möchte fast sagen: Das ist billig, und das ist auch nicht sachgerecht. Richtig ist, dass sich extreme Parteien, egal ob rechts oder links, dann etablieren, wenn die Probleme des Landes, die Probleme der Menschen nicht sachgerecht gelöst werden. Daraus müssen wir den Schluss ziehen: Wir brauchen sachgerechte Lösungen der Probleme. Das gilt für die ökonomischen Probleme genauso wie für die Flüchtlingsprobleme oder auch andere. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will die Notwendigkeit gemeinsamer Politik an einem anderen Beispiel deutlich machen: Wie begegnen wir den Terrorgefahren? Dabei geht es um einen besseren Austausch der Informationen; dabei geht es um einen besseren Austausch von Fluggastdaten; dabei geht es um das Austrocknen von Finanzquellen des Terrorismus; dabei geht es nicht zuletzt auch um die gemeinsame Bekämpfung des IS und unsere Unterstützung, die wir in der letzten Sitzungswoche in Bezug auf Frankreich beschlossen haben. Da ist Solidarität gefragt. Wir müssen uns aber auch immer wieder vor Augen halten: Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze, sondern sie gehören zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht sicherzustellen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist unsere Aufgabe, es ist die originäre Aufgabe eines freiheitlichen Rechtsstaats, immer dafür zu sorgen, auch unter schwierigen Bedingungen. Dazu gehört eine gute, ja, eine optimale personelle und sachliche Ausstattung unserer Sicherheitsdienste. Dazu gehört aber genauso eine enge internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste. Ohne dieses ist die Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger nicht zu gewährleisten. Auch das gehört zum Gedanken „Freiheit und Sicherheit“. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, in den Haushaltsberatungen die entsprechenden Beschlüsse zu fassen. Ich bin auch sehr froh, dass einige Länder, insbesondere Bayern, am selben Strang ziehen, und würde mich freuen, wenn auch andere Länder ihre Versäumnisse in den letzten Jahren gerade bei der Ausstattung der Sicherheitsbehörden nachholen würden. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch dies ist eine Aufgabe, die nicht nur national, sondern eben auch international und europäisch zu bewerkstelligen ist. Das Gleiche gilt für die große Aufgabe der Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung. Das zeigen wir tagtäglich durch die Mitarbeiter der Behörden, der Kommunen, aber auch durch die vielen Ehrenamtlichen in den Städten und Gemeinden, denen wir sehr dankbar sind. Das können wir nicht oft genug sagen. Aber der gute Wille alleine reicht nicht. Wir müssen auch erkennen, dass unsere Aufnahmekraft und Integrationskraft begrenzt sind und dass wir deshalb alles tun müssen, um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD]) Dazu haben wir eine ganze Reihe von nationalen Entscheidungen getroffen. Die meisten sind schon in Kraft; einige sind noch auf dem Weg. Ich appelliere an die Länder, die das alles mitentschieden haben, dass das, was entschieden wurde, auch tatsächlich durchgeführt wird, beispielsweise die Umstellung auf Sachleistungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, um Fehlanreize zu verhindern, oder die konsequentere Rückführung derjenigen, die keine Anerkennung als Flüchtling oder Asylberechtigter haben. Ich möchte aber auch betonen, dass die Hauptarbeit natürlich im internationalen und europäischen Bereich liegt. Da würde ich mir schon ein Stück mehr Solidarität der europäischen Staaten wünschen, als das bislang zum Ausdruck gebracht wurde. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es kann nicht sein, dass Europa von einigen Staaten nur als sogenannte Zugewinngemeinschaft verstanden wird. Wir sind keine Zugewinngemeinschaft. Dieses Europa ist stark geworden und immer noch stark, weil es eine Wertegemeinschaft ist und weil immer wieder, gerade in schwierigen Situationen, darum gerungen wurde, dieses zum Ausdruck zu bringen und Solidarität zu zeigen. Das müssen wir jetzt auch in diesen Fragen mit einfordern. Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie bei den offenen Fragen – ob es um die Sicherung der EU-Außengrenzen, die Entscheidung über die Hotspots oder die Verhandlungen mit der Türkei geht – immer an vorderster Front mitarbeitet, um das Ziel „weniger Flüchtlinge“ zu erreichen. Eines will ich noch dazu sagen: Natürlich ist auch die Bekämpfung der Fluchtursachen international notwendig. Aber ich finde es nicht angebracht, wenn ein Zusammenhang zwischen den sogenannten Agrarsubventionen der Europäischen Union und den Zuständen in den Flüchtlingslagern hergestellt wird. Das ist nicht sachgerecht. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Wir sollten nicht der Versuchung erliegen, die Landwirte gegen die Flüchtlinge auszuspielen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann halt jeden Euro nur einmal ausgeben! Sie sollten das wissen!) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind ein buntes Land geworden, nicht erst in den letzten Tagen und Wochen, sondern schon seit Jahrzehnten, ein Land, das nach dem Krieg schon viele, die aus anderen Ländern gekommen sind, integriert hat. Diese Aufgabe ist in manchen Bereichen gut und in anderen Bereichen weniger gut gelöst worden. Aber im Grunde genommen können wir auf diese Leistung auch stolz sein, nicht nur wir, die schon da waren, sondern auch diejenigen, die gekommen sind. (Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Jetzt haben wir aber eine noch viel größere Verantwortung durch die Aufgabe der Integration derjenigen, die aus anderen Kulturkreisen kommen, die mit anderen Werten aufgewachsen sind. Diese Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht nach Europa abschieben, sondern sie müssen wir selbst erfüllen, unsere Gesellschaft hier. Ich lade Sie ein und bitte Sie darum, daran gemeinsam aktiv mitzuwirken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Annalena Baerbock für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hier wurde viel über Krisen geredet. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass Krisen das europäische Projekt immer mit geprägt haben, weil sie oftmals die unverhoffte Chance waren, aus einer Stagnation herauszukommen. Das gelingt aber nur, wenn man den Mut hat, in der Krise dann auch einen Schritt nach vorne zu gehen, und zwar einen Schritt gemeinsam als Europäer und nicht im nationalstaatlichen Klein-Klein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir auf Fragen, die sich ergeben, wenn Menschen bei uns Schutz suchen, eine gemeinsame europäische Antwort finden, nicht nur, weil mehr Europa an den Außengrenzen die Voraussetzung dafür ist, dass wir ein grenzenloses Europa für uns alle erhalten, sondern auch, weil mehr Europa an den Außengrenzen bedeutet, dass wir endlich unseren eigenen Werten gerecht werden, dass Menschen dort nicht menschenunwürdig behandelt werden. Der große Unterschied ist aber, wenn wir als Grüne über mehr Europa an den Außengrenzen reden, dass wir dies auf Grundlage von Artikel 2 EU-Vertrag machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte ihn gerne zitieren: Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte ... Das heißt, die Wahrung der Menschenrechte muss auch im Mittelpunkt der europäischen Politik an den Außengrenzen stehen. Da ist es doch sehr bezeichnend, dass in dem Ratsbeschluss das Wort „Menschenrechte“ kein einziges Mal auftaucht und auch in der Rede der Bundeskanzlerin wie in den Reden der beiden Fraktionsvorsitzenden dieses Wort „Menschenrechte“ nicht ein einziges Mal auftaucht, wenn sie über gemeinsames Agieren an den Außengrenzen geredet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn man es ernst meint wie die Bundeskanzlerin und sagt: „Abschottung ist im 21. Jahrhundert keine Option“, dann dürfen wir, wenn wir über Hotspots oder Registrierungszentren reden, nicht nur über Rückführung reden, sondern dann müssen wir doch als Allererstes darüber reden, was es bedeutet, wenn Europa an den Außengrenzen aktiv ist, darüber, wie wir dort die Würde der Menschen erhalten, auf Lesbos und an allen anderen Orten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann bedeutet das, dass wir nicht darüber hinweggehen können, dass Menschen, dass Familien mit Kleinkindern in Schlauchbooten ankommen und nur dann versorgt werden können, wenn Freiwillige vor Ort aktiv sind. Deswegen fordern wir Sie auf, wenn Sie auf den Rat gehen: Sie können nicht nur über Frontex reden. Sie müssen über die europäische Grundrechteagentur reden, Sie müssen über die Zusammenarbeit mit EASO reden, und Sie müssen über die Zusammenarbeit mit dem UNHCR reden, wenn Sie über europäische Außengrenzen sprechen und diese auf Grundlage des Artikels 2 des Vertrages der Europäischen Union verankern wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zudem beginnt Europas Verantwortung nicht erst auf Lesbos oder an der bulgarisch-türkischen Grenze. Sie haben, wenn Sie keine legalen Einreisewege schaffen, eine Mitverantwortung für das, was im Mittelmeer passiert. Wenn es angesichts von Wartezeiten in den Botschaften, die länger als ein Jahr sind, eben diese legalen Einreisewege nicht gibt, dann müssen Sie als Allererstes auf einem Europäischen Rat dafür sorgen, dass die EU-Richtlinie 2001/51 abgeschafft bzw. geändert wird, damit es Menschen, die zu uns flüchten, möglich gemacht wird, auf legale Art und Weise Fähren und Flugzeuge zu nutzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir lassen es Ihnen auch nicht durchgehen, wenn Sie jetzt mit Blick auf die Türkei nach dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ verfahren. Man kann als Europa, wenn Milliarden fließen, nicht schweigen, wenn die Türkei nun nach Syrien abschiebt. Man kann nicht schweigen, wenn Flüchtlinge in der Türkei in Haftzentren festgehalten werden, sehr verehrte Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ein zweiter Punkt zum Gipfel ist die Energieunion. Es ist schon bezeichnend, dass Sie das so trennen: auf der einen Seite die Klimakonferenz und auf der anderen Seite die Energieunion. Wenn von Paris das Signal ausgeht: „Die Welt geht raus aus den Fossilen“, dann gilt das erst recht für Europa. Ein paar Zahlen dazu. Die EU ist momentan der größte Energieimporteur. 53 Prozent der Energie werden insgesamt importiert. Dafür zahlen wir jährlich 400 Milliarden Euro. Die EU importiert 90 Prozent des verbrauchten Rohöls und 66 Prozent beim Gas. Wenn Sie es ernst meinen mit den Beschlüssen des Weltklimagipfels, dann müssen Sie das umsetzen, was Herr Juncker eigentlich versprochen hat mit Blick auf die Energieunion. Dann müssen wir Europa zur Nummer eins bei den Erneuerbaren machen und dürfen nicht auf Gasimporte setzen, wie es der Vizekanzler mit Blick auf Russland tut, und damit den fossilen Weg in Europa festschreiben. So kommt man nicht aus der Krise heraus. Das schafft man nur, wenn man nach vorne geht und mutig das Zeitalter der Erneuerbaren in ganz Europa einleitet. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Michael Stübgen das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Michael Stübgen (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Ende dieser Debatte kurz zwei Themen ansprechen, die möglicherweise dem einen oder anderen etwas theoretisch anmuten, die aber nach meiner Überzeugung für die Zukunft der Europäischen Union von fundamentaler Bedeutung sind. Diese Themen werden indirekt auch beim bevorstehenden Europäischen Rat eine Rolle spielen. Einerseits versteht sich die Europäische Kommission als politische Kommission. Sie versteht sich als Motor der europäischen Entwicklung. Sie versteht sich als eine Institution, die dazu da ist, die weitere Vertiefung der Europäischen Union voranzutreiben. Im Übrigen unterscheidet das diese Europäische Kommission nicht wesentlich von allen ihren Vorgängern. Ich will das gar nicht kritisieren; denn es ist ein wesentlicher Bestandteil der Europäischen Union, dass die Kommission versucht, mit ihren Vorschlägen voranzugehen. So ist das ganze System ja auch organisiert. Die Europäische Kommission hat aber auch noch eine andere fundamentale Aufgabe: als Hüterin der europäischen Verträge. Zwischen diesen Aufgabenfeldern, einerseits die Europäische Union voranzubringen und andererseits für die Rechtsdurchsetzung im Sinne der Rechtsgemeinschaft zu sorgen, hat das Missverhältnis in den letzten Jahren zugenommen. Wenn dieses Missverhältnis nicht reduziert wird, besteht möglicherweise Sprengkraft für die Europäische Union insgesamt. Die Rechtsdurchsetzung durch die Europäische Kommission funktioniert einerseits erstaunlich detailliert: Wenn ein deutscher Landwirt seine Wiese zwei Wochen zu früh mäht, muss er Strafe zahlen. Das ist auch richtig so; denn er hat Geld dafür bekommen, dass er sie zwei Wochen später mäht. Wenn aber, wie 2011 geschehen, ein europäisches Land – in diesem Fall Griechenland – vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wird, weil es nicht die fundamentalen humanitären und sozialen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass Flüchtlinge, die in dieses Land kommen, anständig untergebracht und versorgt werden, dann passiert fünf Jahre nichts. Es ist eindeutig, dass Griechenland in diesem Fall fundamental europäisches Recht verletzt und nicht umsetzt. Aber die Europäische Kommission hat weder ein Vorverfahren noch ein Vertragsverletzungsverfahren noch irgendetwas anderes eingeleitet, um diese Missstände zu beheben. Schon vor fünf Jahren wäre es möglich gewesen, korrigierend einzugreifen. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Stattdessen haben wir nun das Problem, dass Schengen und Dublin insgesamt fundamental gefährdet sind. Der Europäische Rat wird sich morgen und übermorgen damit intensiv befassen und versuchen müssen, kurzfristig Lösungen oder zumindest Teillösungen zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das bestehende Missverhältnis stellt ein Problem für die Durchsetzung europäischen Rechts und für die Zukunft der Europäischen Union dar. Zu diesem Schluss bin ich gekommen, als ich mir angehört habe, was Jean-Claude Juncker gestern vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gesagt hat. Er hat offensichtlich mit Blick auf eine Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums zu dem Fünf-Präsidenten-Bericht, in dem es heißt, es sei wichtig, dass die politische Aufgabe der Kommission nicht ihrer Rechtsdurchsetzungsaufgabe als Hüterin der Verträge schadet, erklärt, er lässt sich die Kommission nicht durch die Mitgliedsländer schwächen, indem mehr auf eine unabhängige Rechtsdurchsetzung geachtet werden soll. Nach seiner Auffassung ist es so, dass alles, was zu entscheiden ist, politische Entscheidungen sind und dass die Europäische Kommission nur dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Vielleicht hat er es nicht so gemeint; aber man kann es so verstehen. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Es liegt nicht im Ermessen der Europäischen Union, selber festzustellen, wo das europäische Recht durchgesetzt wird und wo nicht, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und es liegt auch nicht im Ermessen des Europäischen Parlamentes, zu entscheiden, wo europäisches Recht durchgesetzt wird und wo europäisches Recht großzügig vernachlässigt wird. Wenn diese Europäische Union nicht als Rechtsunion funktioniert, dann wird sie scheitern. Dann wäre es nämlich eine Willkürunion, (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sehr richtig!) und dann würde Recht von Opportunitätsüberlegungen ausgehend entweder mal durchgesetzt – ganz scharf und ganz straff – oder links liegen gelassen. Leider zeigt der Fünf-Präsidenten-Bericht, über den wir schon mehrfach diskutiert haben, genau dieselbe Richtung auf. Ich will nur dieses eine Beispiel nennen: Die fünf Präsidenten kommen richtigerweise zu dem Ergebnis, dass eine Richtlinie von 2009 zur Einlagensicherung bisher – sechs Jahre ist es her – in fast der Hälfte der Mitgliedsländer nicht umgesetzt worden ist. Das heißt, fast die Hälfte der Mitgliedsländer ist ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, leistungsfähige und krisenfeste Einlagensicherungssysteme zu schaffen. Anstatt jetzt nach Wegen zu suchen, wie diese Richtlinie in den Mitgliedsländern endlich umgesetzt werden kann – natürlich gibt es objektive Gründe dafür, dass das in Spanien und in Portugal noch nicht geschehen ist; insofern hat jeder Verständnis dafür –, kommt man auf die Idee, vorzuschlagen: Okay, lassen wir das. Dann machen wir eine europäische Einlagenrückversicherung. – Das heißt, wir verlagern die Haftung für mögliche Probleme in den Ländern, in denen die Richtlinie von 2009 nicht umgesetzt worden ist, auf die Europäische Union. Auch hier muss eine Grenze gezogen werden; denn die Menschen in Europa und auch die Menschen in Deutschland werden es nicht akzeptieren, dass die Nichtumsetzung von europäischem Recht in den Mitgliedstaaten dazu führt, dass immer weniger Staaten, die noch leistungsstark sind, die Haftung für nicht umgesetztes Recht in den anderen Mitgliedstaaten übernehmen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Richtig!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf dem morgen beginnenden Europäischen Rat besteht die Möglichkeit, über leichte Korrekturen nachzudenken. Ich halte das für sehr notwendig, und ich wünsche der Bundeskanzlerin, die jetzt leider nicht mehr da sein kann, alles Gute für die wichtigen und wesentlichen Beratungen morgen und übermorgen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Detlef Seif hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Detlef Seif (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit drängt. Die Union ist fest entschlossen, den weiteren hohen Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern, damit unser Land nicht überfordert wird. National und international ist vieles schon auf den Weg gebracht worden; die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung die wichtigsten Punkte ja auch angesprochen. Auch auf europäischer Ebene, auch beim Europäischen Rat werden wichtige Themen erörtert. Natürlich sind die gravierenden Mängel bei der Sicherung der EU-Außengrenze zu beheben. Ich verweise auf mangelnde und auch gar keine Kontrollen. Der Schengen-Raum als ein Raum der Sicherheit und Freiheit ist bei seiner Gründung so nicht gedacht gewesen. Die Dublin-III-Verordnung – das haben verschiedene Kollegen schon angesprochen – funktioniert nicht bei einem hohen Zustrom von Flüchtlingen; ihn zu bewältigen, dazu ist sie völlig ungeeignet. Es ist auch richtig, dass wir Aufnahme- und Prüfungszentren an den EU-Außengrenzen errichten – sogenannte Hotspots –, damit die Verfahren gebündelt werden können, damit zügig verteilt werden kann und damit auch Rückführungen vorgenommen werden können. Es wäre auch wünschenswert, wenn die beiden Maßnahmen zur Verteilung von 160 000 Flüchtlingen in Europa umgesetzt würden und wir zu einem dauerhaften Verteilungsmechanismus kämen. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber, meine Damen und Herren, nehmen wir einmal alle Maßnahmen zusammen und denken wir, diese wären alle zu 100 Prozent optimal umgesetzt. Was wäre dann erreicht? Wir hätten erreicht, dass die EU-Außengrenze sicherer wäre, dass die Personen registriert und erfasst werden, dass die Verfahren zügiger ablaufen und dass eine gerechte Verteilung innerhalb der Europäischen Union umgesetzt wird. Aber die meisten Menschen, die im Moment zu uns kommen, sind gar nicht die, die hier kein Bleiberecht haben; die meisten haben ein Bleiberecht nach den europäischen Vorschriften. Genau hier muss die Europäische Union ansetzen und noch einiges nachjustieren. So könnte zum Beispiel auch im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention geregelt werden, dass Menschen, die bereits sicher untergekommen sind und sich nicht mehr unmittelbar auf der Flucht befinden, kein Bleiberecht mehr in Europa haben. Das gilt für Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien und in der Türkei. Aber was noch viel wichtiger ist – im Zusammenhang mit der Familienzusammenführung haben wir das Thema öfter besprochen –, ist der subsidiäre Schutz. Es ist im Primärrecht der Europäischen Union nur angedeutet, ein System des subsidiären Schutzes zu errichten. Aber wie dieser Schutz ausgeprägt ist und welche Tragweite er hat, ist nirgends geregelt. Hier könnte die Europäische Union ansetzen und auch Einschränkungen vornehmen. Das wirkt natürlich nur dann, wenn wir diese Regeln nationalstaatlich eins zu eins umsetzen. Wir wissen: Aufgrund des hohen Zustroms machen wir das gerade bei syrischen Flüchtlingen zurzeit nicht. Wir führen keine Anhörungen durch und gestehen direkt den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu, obwohl viele Bürgerkriegsflüchtlinge sind. Das Gute an diesem Vorschlag ist, dass wir uns nicht mit den anderen Mitgliedstaaten herumstreiten müssten. Es ist erkennbar, dass wir trotz der Interessen jedes einzelnen Mitgliedstaates hierfür mit Sicherheit eine breite Mehrheit finden würden. Eines ist klar: Bei der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union – einige Kollegen haben das mit Blick auf die Grundrechtecharta angedeutet – entspricht es nicht unseren Wertvorstellungen und nicht dem, was die Europäische Union geregelt hat, wie sich insbesondere die Visegradländer Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei verhalten. Aber einen schnellen Sinneswandel dieser Länder werden wir nicht herbeiführen. Ich greife jetzt auf, was Kollege Poß gesagt hat. Wir sollten ein Bashing dieser Länder vermeiden. Da vertrete ich eher die Linie unseres Fraktionsvorsitzenden Kauder: Wir müssen sehen, dass wir mit diesen Ländern vertrauensvoll zusammenarbeiten, dass wir gemeinsam Lösungen erarbeiten. Wenn wir jetzt jede Angelegenheit, wie Kollege Poß es vorgeschlagen hat, rechtlich durchsetzen, also alle rechtlichen Maßnahmen ergreifen – das war seine Aussage –, dann ist das Vertrauen weg. (Thomas Oppermann [SPD]: Nur bei Rechtsverstößen! Mehr nicht!) Wir müssen aber gerade an dieser Stelle das Vertrauen wieder zurückgewinnen. Ich darf daran erinnern: Die Europäische Union könnte auch Egoismusunion, EU, heißen. Warum? Weil immer mitgliedstaatliche Interessen den Ausschlag gegeben haben, weil immer irgendjemand einen Rabatt, eine Ausnahme oder eine Sonderregelung haben wollte. Großbritannien ist da der prominenteste Vertreter. Machen wir uns doch nichts vor: Die Europäische Union würde doch nicht funktionieren, wenn wir an der einen oder anderen Stelle nicht auch mal nachgeben würden. Mir ist es lieber, wenn wir jetzt gemeinsam vertrauensvoll an einem Konzept wie dem eben vorgeschlagenen arbeiten, einem Konzept, das auch umsetzbar ist. Alles andere muss sich entwickeln. Natürlich dürfen Flüchtlinge nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werden. Aber lassen Sie uns das mit kleinen Schritten auch diesen Ländern beibringen und nicht durch Aggressivität. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich weiß, meine Zeit – Vizepräsidentin Petra Pau: Ist am Ende. Detlef Seif (CDU/CSU): – ist abgelaufen. Vizepräsidentin Petra Pau: Das wollte ich nicht formulieren. Detlef Seif (CDU/CSU): Nur hier am Rednerpult. Ich hoffe, ich bleibe der Welt noch ein bisschen länger erhalten. Lassen Sie uns deshalb mit allen Ländern an einer Politik der Verteilung von Flüchtlingen und an einem gemeinsamen neuen Asylsystem arbeiten, das wir aber auf der Basis des Vertrauens und der Zusammenarbeit erstellen und nicht auf der Grundlage des Drucks und der Repression. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7045. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen zügig vorzunehmen. – Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Fragestunde Drucksachen 18/6996, 18/7041 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nummer 10 Absatz 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf Drucksache 18/7041 auf: Wie beurteilt die Bundesregierung das auf die Initiative Saudi-Arabiens geplante militärische Bündnis von mehr als 30 islamischen Staaten, zu dem unter anderem die Türkei, Katar, Pakistan und Saudi-Arabien gehören, welches „unter der Führung des saudischen Königreichs“ (www.faz.net/aktuell/politik/kampf-gegen-den-terror/kampf-gegen-den-is-­saudi-arabien-kuendigt-islamische-militaerallianz-an-13966795.html) zur Bekämpfung des Terrorismus vornehmlich im Nahen Osten und in Nordafrika eingesetzt werden soll? Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Professor Maria Böhmer zur Verfügung. – Bitte, Frau Staatsministerin. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Gehrcke, ich darf Ihnen wie folgt antworten: Dass die islamischen Staaten den Terrorismus verurteilen und ihn gemeinsam bekämpfen wollen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Derzeit liegen der Bundesregierung noch keine ausreichenden Informationen für eine weiterführende Bewertung vor. Es bleibt abzuwarten, über welche Struktur und welche Fähigkeiten das neue Bündnis verfügt und wie sich sein Verhältnis zu der bestehenden Anti-IS-Allianz entwickelt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort für die erste Nachfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Danke für die Antwort, Frau Staatsministerin. Ich befürchte, dass diese Militärallianz unter Führung von Saudi-Arabien nicht den Kurs der Wiener Verhandlungen und des dabei vereinbarten Neun-Punkte-Programms fortsetzen wird. Morgen wird in New York eine neue Runde eröffnet; Lawrow und Kerry haben sich geeinigt. Befördert die Bildung dieser Militärallianz eine friedliche Lösung, oder wächst mit dieser Militärallianz die Gefahr, dass das, was in Wien auch unter Mitwirkung des deutschen Außenministers erreicht worden ist, zerschlagen wird? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Gehrcke, das, was Sie zuerst geäußert haben, ist rein spekulativ. Man muss sehr deutlich sehen, wie sich Saudi-Arabien einbringt. Sie wissen, dass gerade in Riad eine Konferenz mit der bisher zersplitterten Opposition stattgefunden hat. Man traf sich dort, um ein gemeinsames Fundament zu schaffen. Ich glaube, dass es nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist, dass alle am Tisch sitzen. Dazu gehört auch Saudi-Arabien. Insofern setzen wir weiter auf den Prozess, der mit den Verhandlungen in Wien begonnen hat und sich jetzt in dieser Abfolge fortsetzen wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort für eine zweite Nachfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich habe nicht danach gefragt, ob es wichtig ist, dass alle gemeinsam am Tisch sitzen. Damit rennen Sie bei mir offene Türen ein. Man muss immer mit seinen Feinden verhandeln. Vielmehr habe ich nach Ihrer Beurteilung der Militärallianz gefragt; das ist etwas ganz anderes. Ich frage jetzt einmal andersherum. Heute ist einem saudi-arabischen Blogger der Sacharow-Preis verliehen worden, der zu zehn Jahren Haft und 1 000 Stockschlägen verurteilt worden ist. Was dort vollzogen wird, ist gewissermaßen Mord. Kann ich zu Recht formulieren, dass Saudi-Arabien mittlerweile die reale Variante des IS ist? Mit einer solchen realen Variante des IS verbündet man sich nicht im Kampf gegen den Terror. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Gehrcke, ich will Ihnen ganz deutlich sagen, dass das, was Sie hier äußern, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Ich weiß nicht, worauf Sie Ihre Vermutungen stützen. Die Bundesregierung spricht Menschenrechtsfragen stets mit großer Intensität gegenüber Saudi-Arabien an. Das ist uns ein zentrales Anliegen. Hier werden wir auch nicht lockerlassen. Aber auf der anderen Seite jetzt Vermutungen über die neu geschmiedete Allianz zu äußern, nachdem sie erst gestern vorgestellt worden ist – die Presse ist sich darüber einig, dass die Aussagen noch relativ vage sind –, ist mit Sicherheit viel zu früh. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Heike Hänsel das Wort. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön. – Frau Staatsministerin, ich bin zunächst einmal erstaunt, dass die Bundesregierung über die neue Initiative Saudi-Arabiens und etlicher islamischer Staaten anscheinend so gut wie gar nicht informiert ist. Mich verwundert, dass Saudi-Arabien auch Mitglied in der US-geführten Anti-IS-Allianz ist. Die Bundesregierung wird ja mit ihrem neuen Kriegseinsatz Daten, die die Tornados im Rahmen der Aufklärung in der Region sammeln werden, zur Verfügung stellen. Diese Daten werden dem Militärbündnis einschließlich Saudi-Arabiens und der Türkei zur Verfügung gestellt. Meine Frage: Bekommt Saudi-Arabien Zugang zu Informationen, die von den deutschen Tornados in Syrien beschafft werden? Wenn dies nicht vorgesehen sein sollte: Wie gewährleisten Sie, dass Saudi-Arabien im Rahmen dieses Militärbündnisses keinen Zugang dazu bekommt und diese Informationen im Rahmen des anderen Militärbündnisses nicht verwenden kann? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ich weiß, dass Sie schon mehrfach Befürchtungen dieser Art geäußert haben. Ich kann mich sehr wohl daran erinnern – ich glaube, Sie auch –, dass die Verteidigungsministerin dazu Stellung genommen hat. Darauf verweise ich jetzt. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Katja Keul das Wort. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mich treibt eine ähnliche Frage um. Ich habe einmal nachgeschaut, wer Mitglied der Operation Inherent Resolve und wer Mitglied des saudischen Bündnisses ist. Da gibt es erhebliche Überschneidungen. Ich glaube, zehn Staaten wollen in beiden Militärallianzen gegen den IS kämpfen. Meine Frage ist: Wie soll das mit den Kommandostrukturen funktionieren? Die Bundeswehr ist im Rahmen der Operation Inherent Resolve tätig. Wie ist eine Zusammenarbeit mit den Ländern vereinbar, die auch Mitglied des anderen Bündnisses sind? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ich verstehe natürlich, dass Sie diese Frage umtreibt. Man muss sie sich auch stellen. Aber solange wir von den Saudis und vonseiten dieser Allianz keine konkreteren Informationen haben außer der, dass sie ein großes Interesse daran haben, nicht alleine, sondern in Abstimmung zu handeln – das ist aber noch nicht konkret unterlegt –, so lange kann ich dazu im Detail keine Stellungnahme abgeben. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Andrej Hunko das Wort. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Böhmer, weil Sie eben ein bisschen ausweichend auf die Frage der Kollegin Hänsel geantwortet haben, will ich eine Nachfrage stellen: Können Sie ausschließen, dass die Daten, die die Tornados liefern, den Saudis zur Verfügung gestellt werden – ja oder nein? Ich denke, das ist eine klare Frage. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich habe schon auf die Antwort der Verteidigungsministerin verwiesen. Sie können davon ausgehen, dass wir mit solchen Daten außerordentlich sorgfältig umgehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Vogler hat das Wort. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Frau Staatsministerin, da Sie hier immer auf die Antworten der Ministerin in den Ausschüssen verweisen: Kann ich daraus schließen, dass Sie der Auffassung sind, dass die anderen Abgeordneten, die keine Mitglieder dieser nichtöffentlich tagenden Ausschüsse sind, und die Öffentlichkeit, also die Wählerinnen und Wähler, die ebenfalls keinen Zugang zu den Informationen aus den nichtöffentlichen Ausschusssitzungen haben, kein Recht auf eine fundierte Antwort der Bundesregierung auf diese strategisch wichtige Frage bezüglich des Tornado-Einsatzes haben? (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Frage!) Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, damit wir diesen Punkt abschließen können, übermittle ich Ihnen diese Antwort gerne noch einmal schriftlich. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Frithjof Schmidt hat das Wort zu einer Nachfrage. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, bei der Allianz, die Saudi-Arabien gebildet hat und die sich gegen den Terrorismus richten soll, fällt auf, wer nicht eingeladen wurde. Es wurde unter anderem nicht nur der Iran nicht eingeladen, sondern auch der Oman, der sich gerade im Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten immer vermittelnd eingebracht hat. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass dies weniger eine Allianz gegen den Terrorismus, sondern eher eine Allianz gegen die Schiiten ist und damit zu einer Gefahr für die Stabilität in der Region werden könnte, statt zur Stabilität beizutragen? Sehen Sie die Möglichkeit dieser Gefahr, oder würde die Bundesregierung das aus Ihrer Sicht ausschließen? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wir kennen den Konflikt. Von daher kann ich Ihre Frage gut nachvollziehen. Das muss einen bewegen. – Ich habe mir einmal angeschaut, wer in diesem Zusammenhang genannt worden ist. Dazu gehört auch Bahrain. Bahrain hat, wie Sie wissen, eine schiitische Mehrheit. Saudi-Arabien steht mit etwa zehn weiteren Staaten in Kontakt; wir müssen sehen, wer noch dazukommt. Ich glaube, es ist wichtig, dass es hier eine breite Aufstellung gibt. Die Mitglieder kommen aus der Organisation für Islamische Zusammenarbeit. Das ist die Gruppe, die den Anspruch hat, die islamische Welt zu repräsentieren. Wenn man hier noch mehr Mitglieder gewinnt, wäre das, glaube ich, außerordentlich sinnvoll. Vizepräsidentin Petra Pau: Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beantwortet wurde, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 18/6996 in der üblichen Reihenfolge auf. Frau Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bleibt zuständig für die Beantwortung der Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Die Frage 1 des Kollegen Hans-Christian Ströbele soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Heike Hänsel auf: Stellt nach Ansicht der Bundesregierung der Einmarsch türkischer Truppen in die irakische Provinz Ninawa eine Verletzung der Souveränität Iraks dar, und wie positioniert sich bzw. welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aufgrund dieser Handlungen (http://de.sputniknews.com/politik/ 20151209/306308372.html)? Bitte, Frau Staatsministerin. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Gerne, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Hänsel, die Präsenz türkischer Truppen ist der irakischen Regierung bekannt. Im Lager Baschika bildet die türkische Armee seit gut einem Jahr sunnitische Freiwillige für die Rückeroberung Mosuls aus. Diese Ausbildung findet im Einvernehmen mit der irakischen Regierung statt. Nach Einschätzung der Bundesregierung bezog sich der irakische Protest auf die weitere Verlegung von militärischem Personal und Sicherheitsgerät in das Lager. Die Bundesregierung hat sowohl in Gesprächen mit dem Irak als auch mit der Türkei zu Besonnenheit und einer raschen Klärung und Verständigung aufgerufen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass beide Seiten zeitnah eine für beide Seiten akzeptable Lösung erarbeiten. Deshalb begrüßt die Bundesregierung die Gespräche einer hochrangigen türkischen Delegation in Bagdad am 10. Dezember 2015 und die anscheinend bereits erfolgte Rückverlegung von Teilen der Schutzkomponente seit dem 14. Dezember 2015. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Staatsministerin. – Dass Sie das so wachsweich formulieren, zeigt, dass man hier nicht von einer ganz klar abgesprochenen und abgestimmten Aktion sprechen kann. Sie sagen ja, das sei der Regierung bekannt. Das kann man auf vielfache Weise interpretieren. Deshalb meine Nachfrage: Was sagen Sie denn zu der Reaktion des Verteidigungsausschusses des irakischen Parlaments nach dem Einmarsch des türkischen Militärs in die Provinz Ninawa, der eine Annullierung des Sicherheitsvertrages mit den USA beschlossen hat, weil es eben keinerlei Protest vonseiten der USA aufgrund des Agierens der türkischen Armee gab? Sie sagten ja, es werde vermittelt. Das zeigt doch, dass es Probleme gab und die irakische Regierung die Verletzung ihrer Souveränität nicht einfach so hinnimmt. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ich darf Ihnen sagen: Sie sind mir mit dieser Information voraus; das gesteht man auch ganz gerne einmal ein. Was unabhängig davon wichtig ist, ist, dass sich jetzt beide Seiten sehr intensiv austauschen – das haben wir auch beobachtet; das verfolgen wir sehr intensiv –; denn keiner hat ein Interesse an einer Eskalation. Dass die türkische Seite die zusätzlichen Kontingente zurückgezogen hat – darum geht es ja –, deutet klar darauf hin, dass die Botschaften verstanden worden sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Ich muss feststellen, dass Sie hier eine sehr laxe Umgangsweise mit völkerrechtlichen Fragen zeigen, wie es in anderen Bereichen, zum Beispiel bezüglich Russland, nicht der Fall ist. Für Russland gibt es Sanktionen; bei der Türkei wird vermittelt, damit es keine größeren Reaktionen vonseiten der irakischen Regierung oder des Sicherheitsrats gibt. Ich frage: Wie begründet die Bundesregierung ihre Doppelstandards bei der Frage des Umgangs mit dem Bruch von Völkerrecht? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ob es sich hier um den Bruch von Völkerrecht handelt, können wir nicht beurteilen; denn dazu brauchen Sie eine ganz andere Basis und ganz andere Fakten. Zum Zweiten ist im Irak sehr wohl bekannt, dass türkische Truppen in diesem Bereich präsent sind. Die Ausbildung im Lager Baschika ist positiv aufgenommen worden, weil es sich um eine Unterstützung handelt. Ich will noch einmal sagen: Natürlich hat der Irak entsprechend reagiert; aber das hat nichts mit einem Bruch von Völkerrecht zu tun. Der Protest richtet sich gegen den Aufwuchs an Truppen und militärischem Gerät, aber nicht gegen die türkische Präsenz in Teilen des Landes. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nicht überzeugend!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 3 der Kollegin Dağdelen soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Andrej Hunko auf: Warum hat sich die Bundesregierung nicht gegen einen Beschluss über eine Verlängerung von EU-Sanktionen gegen Russland ohne eine inhaltliche Aussprache im Rahmen des Rates der Europäischen Union oder des Europäischen Rates ausgesprochen (www.handelsblatt.com/politik/international/eu-sanktionen-gegen-russland-­italien-stellt-sich-quer/12701224.html), und welche einseitig erfüllbaren Anforderungen stellt die Bundesregierung an Russland, damit sie sich für eine Aufhebung oder Lockerung der Sanktionen aussprechen würde? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Gerne, Frau Präsidentin. – Herr Hunko, ich darf zum ersten Teil Ihrer Frage wie folgt antworten: Die Dauer der sektoralen Wirtschaftssanktionen gegen Russland wurde vom Europäischen Rat, in enger Abstimmung mit den G-7-Partnern, mit der vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarung verknüpft. Die jetzige Verlängerung der EU-Sanktionen um sechs Monate geschieht in dem Verständnis, dass bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung noch einige Arbeit zu leisten ist und wir gleichzeitig erwarten, bis zum Sommer entscheidende Fortschritte zu erreichen. Schon aufgrund der Fristen, die beim Pariser Gipfeltreffen im Normandie-Format – ich darf daran erinnern: das war am 2. Oktober dieses Jahres – von den Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, Russlands und der Ukraine vereinbart wurden, wird die Umsetzung bis in das Jahr 2016 fortdauern. Es ist deshalb folgerichtig, dass im Rahmen der Doppelstrategie aus Druck und Dialogangeboten auch die Sanktionen bestehen bleiben. Hierzu – das ist in diesem Zusammenhang wichtig – besteht im EU-Kreis politisches Einvernehmen. Die entsprechenden Beschlüsse werden derzeit in den Ratsgremien vorbereitet, um die Sanktionen rechtzeitig vor Ende Januar zu verlängern. Jetzt komme ich zum zweiten Teil Ihrer Frage. Das Minsker Maßnahmenpaket verpflichtet beide Seiten, gemeinsam die Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen, unter anderem durch Vorarbeiten in den entsprechenden Minsker Arbeitsgruppen. Die Verhandlungen dauern an. Russland trägt für die Umsetzung der Minsker Vereinbarung eine ganz wesentliche Verantwortung. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Die Verlängerung der Sanktionen sollte in der letzten Woche im Rat sozusagen geräuschlos durchgewunken werden. Italien hat sich dagegengestellt und damit eine politische Befassung im Rat ausgelöst. Das ist schon ein wichtiger Punkt, der diskutiert werden muss. Meine Frage: Wie bewertet man die Umsetzung bzw. Nichtumsetzung der Minsker Vereinbarungen? Welchen Anteil daran haben die Separatisten, welchen Anteil eventuell Russland, welchen Anteil die Ukraine? Nur durch das Blockieren Italiens kommt es jetzt zu einer Diskussion. Warum hat sich die Bundesregierung – ohne Diskussion – für ein Durchwinken der Verlängerung der Sanktionen ausgesprochen? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wenn ich antworten darf, Frau Präsidentin? – Wenn sich alle über die Fortführung der Sanktionen einig sind – auch Italien ist mit uns einig –, kann man das beschließen; man kann es aber auch auf die Tagesordnung setzen. Auf die Frage, ob hier eine Diskrepanz besteht – darauf wollen Sie ja hinaus –, kann ich Ihnen ganz klar sagen: Nein. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Zum Sachverhalt: Die Umsetzung der Minsk-II-Vereinbarungen ist, gelinde gesagt, nicht einfach. Wir haben auf der einen Seite die ukrainische Regierung, die die versprochene Verfassungsreform, mit der dem Donbass ein Sonderstatus eingeräumt werden sollte – gemäß der Minsker Verhandlungen hätte sie bis Ende 2015 stattfinden sollen –, bislang nicht beschlossen hat. Auf der anderen Seite haben wir die Situation in den sogenannten Separatistengebieten, in denen Mitte Februar die Wahlen stattfinden sollen. Nach meinem Kenntnisstand nach Gesprächen sowohl mit der ukrainischen Seite als auch mit der Seite der sogenannten Separatisten wird es verdammt schwierig, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Warum ist der Druck, den Sie ausüben, ausschließlich auf Russland gerichtet? Denn auch wenn die ukrainische Seite jetzt blockiert – sie trägt ja einen Teil der Verantwortung – und eine Umsetzung der Minsk-II-Vereinbarung nicht zustande kommt, werden die Sanktionen gegen Russland verlängert. Das ist doch nicht logisch. Sie müssten doch ein Instrumentarium anwenden, mit dem beide Seiten verpflichtet werden, die Minsk-II-Vereinbarungen umzusetzen. Warum ist das einseitig ausgerichtet? Glauben Sie, dass Russland wirklich auf alle Aspekte, auch diejenigen, die in der Verantwortung der ukrainischen Seite liegen, einen Einfluss hat? Vizepräsidentin Petra Pau: Entschuldigung, Frau Staatsministerin, einen kleinen Moment. – Mir sei folgender Hinweis gestattet: Wir unterstützen die Einhaltung der Fragezeit wie auch die Einhaltung der Antwortzeit durch optische Signale. Wenn die Zeitanzeige rot wird, ist die Zeit ausdrücklich abgelaufen. Ich bitte, auf die anderen Kolleginnen und Kollegen, die noch Fragen haben, Rücksicht zu nehmen. – Bitte, Frau Staatsministerin. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr gerne, Frau Präsidentin. Ich mache es auch kurz, um die Zeit aufzuholen. Herr Kollege, ich darf daran erinnern, dass das Minsker Maßnahmenpaket beide Seiten verpflichtet, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Andrej Hunko (DIE LINKE): Eben. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das ist keine einseitige Antwort an Russland. Wir beziehen beide Seiten ein, wenn es darum geht, die Voraussetzungen zu erfüllen. Daran werden wir auch festhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Gehrcke das Wort. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Frau Präsidentin, nun unterstellen Sie, dass bei mir eine gewisse Freude aufkommt, wenn Rot aufleuchtet. Insofern bin ich dann auch bereit, meine Frage abzubrechen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir freuen uns immer bei Grün!) Frau Staatsministerin, Sie haben von einer Doppelstrategie gesprochen. Wenn ich „Doppelstrategie“ einfach übersetze, heißt das: Bestrafung und Belohnung. In der Ukraine-Frage sind Fortschritte erreicht worden; das hat der Außenminister gerade betont. Welche Belohnung – wenn es eine solche ist – in Form einer Aufhebung von Sanktionen ist bisher von der Bundesregierung in der EU vorgeschlagen worden, damit es wirklich eine Doppelstrategie werden kann? Bescheiden habe ich ja immer gesagt: Einstieg in den Ausstieg, mehr wollen wir doch erst einmal gar nicht. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Gehrcke, ich habe die Ausfüllung der Doppelstrategie anders beschrieben als Sie, nämlich mit Druck und Dialogangeboten. Ich glaube, der hohe Einsatz von unserer Seite, aber auch im Verbund beispielsweise mit unseren französischen Freunden, hat sich sehr wohl gelohnt, um Schritt für Schritt weiterzukommen. Sie wissen genauso wie ich, wie zäh dies ist. Wir werden bei dieser Doppelstrategie bleiben. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Hänsel das Wort. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke, Frau Staatsministerin. – Auf die Nachfrage meines Kollegen Hunko zu den Sanktionen gegenüber Russland sagten Sie gerade, es seien beide Konfliktparteien verpflichtet, also Russland und die Ukraine. Da frage ich mich: Welche Konsequenzen hat denn die ukrainische Regierung zu befürchten? Was sind da Ihre ganz konkreten Druckmittel bei Nichterfüllung? Die ukrainische Regierung erhält Geld von der Europäischen Union. Die Entwicklungszusammenarbeit in dieser Region ist massiv aufgestockt worden. Welche Konsequenzen werden gegenüber der Ukraine angedroht? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, vielleicht erinnern Sie sich, wie der Konflikt seinen Anfang nahm. Man sollte sehr klar sehen, um wen es hier eigentlich geht und was geschehen ist. Jetzt wird folgender Weg beschritten: Auf der einen Seite werden von EU-Seite Sanktionen gegenüber Russland verhängt; auf der anderen Seite wird immer wieder der Dialog praktiziert. In dieses Vorgehen, in diesen politischen Prozess werden beide Seiten einbezogen. Wir glauben daran, dass nur der Weg, beide zusammenzubringen, erfolgversprechend ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Lenkert hat das Wort. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Frau Staatsministerin, ich möchte die Frage, die eben gestellt wurde, konkretisieren. – Für den Fall, dass das Minsker Abkommen nicht eingehalten wird, verlängern Sie automatisch die Sanktionen gegen Russland, und zwar unabhängig davon, wer für die Nichteinhaltung verantwortlich ist. Sollte die ukrainische Seite zum Beispiel bis zum Jahresende die versprochene und im Vertrag vereinbarte Verfassungsänderung nicht durchführen: Welche Sanktionen oder Druckmittel werden Sie aufgrund des Verstoßes von ukrainischer Seite gegen das Abkommen einsetzen? Falls keine Sanktionen erfolgen sollten: Wieso messen Sie mit zweierlei Maß? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Kollege, es geht darum, dass sich beide Seiten an das halten, was in Minsk vereinbart wurde. Über die Arbeitsgruppen wurde ein Prozess in Gang gesetzt; man braucht aber noch Zeit. Insofern kann ich die Aufspaltung, die Sie in Ihrer Frage vornehmen, nicht nachvollziehen. Ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn mit großer Intensität an der Umsetzung des Minsker Abkommens gearbeitet wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amts. – Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Günter Krings zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Andrej Hunko auf: Was ist der Bundesregierung über die zahlenmäßige Entwicklung der letzten drei Jahre (Stichtag 15. Dezember 2015) bezüglich Ausschreibungen im Schengener Informationssystem (SIS) nach Artikel 36 des Ratsbeschlusses zum SIS II zur verdeckten polizeilichen oder geheimdienstlichen Fahndung und Kontrolle bekannt (bitte, soweit möglich, als halbjährliche Statistik beschreiben und dabei auch angeben, wenn der Zusatz „immediate action“ vergeben wurde), und wie stellt sich diese Statistik für Ausschreibungen durch deutsche Behörden dar? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Herr Kollege Hunko! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schengener Informationssystem ermöglicht es unter anderem Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, Personen zur verdeckten Kontrolle auszuschreiben. Die rechtliche Grundlage bildet Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses. Die von Ihnen angefragten Zahlen liegen zum Stichtag 15. Dezember 2015 nicht vor. Die Europäische Agentur für IT-Großsysteme, die das SIS-II-Zentralsystem betreibt, führt solche schengenweiten Auswertungen seit Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation im April 2013 jeweils zum Monatsende durch; die zwei Wochen werden Sie verschmerzen können. Damit stellen sich die Werte ausgehend vom 30. November 2015 rückwirkend – Sie wollten von mir die halbjährlichen Zahlen haben – zum 31. Mai 2013 für Ausschreibungen zur verdeckten Kontrolle gemäß Artikel 36 II und III SIS-II-Ratsbeschluss wie folgt dar – jetzt bekommen Sie, wie gewünscht, die Zahlen –: Zum 31. Mai 2013 waren 31 907 Personen zur polizeilichen Beobachtung im SIS II gespeichert, davon waren 1 508 Ausschreibungen aus Deutschland. Am 30. November 2013 betrug die Gesamtzahl der Fahndungen 33 400, von denen 1 525 aus Deutschland stammten. Ein halbes Jahr später, zum 31. Mai 2014, stieg die Zahl aller Fahndungen auf 38 547; der deutsche Anteil machte 1 931 Fahndungen aus. Am 30. November 2014 betrug das Verhältnis: 43 457 Gesamtfahndungen zu 2 478 deutschen Ausschreibungen. Im Frühjahr dieses Jahres wurde die Funktionalität „immediate action“ bzw. „Sofortmaßnahme“ in das SIS II implementiert. Zum 31. Mai 2015 waren von den 49 673 Fahndungen im SIS II 319 mit dem Hinweis „Sofortmaßnahme“ versehen. Von den 2 872 deutschen Ausschreibungen hatten 43 diesen Zusatzhinweis. Zum 30. November 2015 – das ist die aktuellste Zahl – waren 59 553 Personen im SIS II zur verdeckten Kontrolle ausgeschrieben. 880 dieser Ausschreibungen enthielten den erwähnten Hinweis. Bei den 3 142 Fahndungen aus Deutschland waren 254 Personen mit dem Zusatz „Sofortmaßnahme“ versehen. Wer das nicht mitgeschrieben hat, kann das Ganze im Protokoll nachlesen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Ich werde die Zahlen noch einmal in Ruhe nachlesen müssen. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Zahlen weiter gestiegen, wie schon in den Jahren 2013 und 2014. Wie erklären Sie diesen Anstieg? Zumindest mit Blick auf 2013 und 2014 kann dieser Anstieg ja nicht auf ausländische Kämpfer zurückgeführt werden. Was ist Ihre politische Erklärung für den Anstieg dieser Zahlen? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich entschuldige mich noch einmal dafür, dass ich die Zahlen so ausführlich vortragen musste; aber darum ging es ja in Ihrer Frage. Ich habe sozusagen nur Ihre Frage beantwortet. Sie wollten eine mündliche Antwort haben, und die gebe ich Ihnen natürlich gerne. Ich denke, es macht mehr Sinn, sich jetzt darüber auszutauschen, warum die Zahlen so hochgegangen sind. Ein Grund – Sie haben ihn bereits genannt; er gilt vielleicht nicht für die Steigerungen in den ersten Perioden, aber doch für die Steigerungen in den letzten Perioden, die ich genannt habe – sind in der Tat die Steigerungen beim Phänomen „Foreign Fighter“. Die Zahlen zu diesem Phänomenbereich sind deutlich gestiegen. Wenn Sie sich die Zahlen der Bundesregierung und anderer europäischer Regierungen dazu anschauen, stellen Sie fest, dass die Zahlen zum Teil rasant steigen. Bei solchen Reisebewegungen, aber auch bei anderen Tätern, geht es darum, genauer hinzuschauen. In den letzten Jahren konnten wir eine starke Sensibilisierung für dieses System verzeichnen. Die Behörden in einer ganzen Reihe anderer Staaten, aber auch in Deutschland, haben diese Ausschreibungen früher vielleicht weniger ernst genommen als heute. Hinzu kommt, dass wir Vertrauen in dieses System benötigen. Wenn Sie jemanden zur verdeckten Fahndung ausschreiben und sich irgendein Polizeibeamter eines anderen Staates verplappert, dann können Sie das, was Sie eigentlich erreichen wollten, nämlich jemanden eine Zeitlang verdeckt zu beobachten – welche Reisebewegungen gibt es? –, um ein Netzwerk aufzuspüren, nicht mehr erreichen, weil offengelegt worden ist, dass eine verdeckte Fahndung besteht. Solche Fälle gab es. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass manche europäischen Behörden sehr zurückhaltend waren. Wir als Deutsche haben die anderen sehr stark ermutigt, dieses System stärker zu nutzen. Unser Bundesinnenminister fordert auf vielen Ratssitzungen die stärkere Nutzung dieses Systems, weil es für die gemeinsame Sicherheit in Europa sehr wichtig ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Die Europäische Kommission berichtete ebenfalls, dass Ausschreibungen einiger Mitgliedstaaten ungültig seien. Man wolle an die Mitgliedstaaten herantreten, um die Situation zu klären, wie es heißt. Gegebenenfalls würden Untersuchungen eingeleitet. Können Sie sagen, was es damit genau auf sich hat und ob Deutschland davon betroffen ist? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe keine Information, dass Deutschland davon betroffen ist. Ich kenne auch keine Einzelheiten über diese „Fehler“; Ihrer Aussage entnehme ich, dass sie passiert sein sollen. Das würde aber zu dem passen, was ich Ihnen eben gesagt habe: dass wir – nicht nur wir Deutsche, sondern auch die EU-Einrichtungen – für eine stärkere Nutzung dieses Systems Werbung machen mussten. Vielleicht gab es am Anfang nicht nur eine mangelnde Nutzung, sondern vielleicht ist es in manchen Fällen auch – das kann ich nicht ausschließen – falsch genutzt worden. Dieses System muss sich, glaube ich, in der Praxis vieler Sicherheitsbehörden noch stärker einspielen. Zu den konkreten Punkten, die Sie genannt haben, kann ich Ihnen hier ad hoc nichts sagen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 6 der Kollegin Dağdelen soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 7 der Kollegin Heike Hänsel auf: Über welche Banken finanziert sich der IS nach Kenntnis der Bundesregierung, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um diese Finanzierung zu stoppen? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Frau Kollegin! Meine Damen und Herren! Über eine systematische Bankenfinanzierung liegen der Bundesregierung keine bestätigten Informationen vor. Nach unserem Kenntnisstand finanziert sich der IS jedenfalls primär nicht über Banken. Bekannt ist lediglich, dass bei der Plünderung der Nationalbank in Mosul mehrere 100 Millionen USDollar durch den IS erbeutet sein sollen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der IS sämtliche Banken in seinem Einflussgebiet unter Kontrolle gebracht und die Einlagen konfisziert hat. Die meisten Bankfilialen in den vom IS kontrollierten Gebieten in Syrien sind nach hiesigen Informationen aber auch auf Initiative oder durch Aktionen des IS mittlerweile geschlossen worden. Man versucht dort also offenbar nicht, am Bankenverkehr teilzunehmen, sondern hat einfach die Mittel, die dort liegen, abgezogen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Es wundert mich doch sehr, dass Sie sagen, der IS finanziert sich nicht über Geldtransfer, über Banküberweisungen aus dem Ausland. Zum Beispiel stand auch in der Welt, dass die Finanzuntersuchungskommission des irakischen Parlaments festgestellt hat, dass der IS bisher Auslandsüberweisungen in Höhe von 6,9 Milliarden US-Dollar erhalten hat, die unter anderem auch aus den USA über die EU gingen. Eine zentrale Rolle spielt da die Capital Bank of Jordan, eine jordanische Bank, deren Tochter in Mosul eine Filiale hat, die nach wie vor agiert. Der dortige Direktor sagt: Business as usual. Unter IS-Kontrolle werden dort nach wie vor Bankgeschäfte getätigt. Anteilseigner einer Tochter der Capital Bank of Jordan ist die Bank of New York. Da frage ich mich erstens: Wieso wissen Sie das nicht? Zweitens: Wie wollen Sie darauf reagieren? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich will einmal nicht so sein und gerne zwei Zusatzfragen an einem Stück beantworten. – Erst einmal zum Kenntnisstand: Ich habe betont, dass Banken nicht die primäre Finanzierungsquelle sind. Das heißt allerdings nicht, dass Geldüberweisungen nicht sehr wichtig sind. Wir haben beispielsweise auch das alternative Bankensystem, das Hawala-System, das eine große Rolle spielt. Insofern ist diese Art von Geldtransfers schon bedeutend. Es besteht die Gefahr, dass Banken im direkten Einflussbereich genutzt werden. Allerdings werden in der Regel Überweisungssysteme von Banken, auch europäischen Banken, nicht genutzt, weil es eine strikte Überwachung des Bankenverkehrs gibt, übrigens hauptsächlich dank des Abkommens, das wir früher SWIFT-Abkommen und heute TFTP-Abkommen nennen, bei dem es zu einem Datenaustausch zwischen Europa und Amerika kommt. Das ist ja auch ein Thema, das die Linken liebevoll begleiten. Wir brauchen diese Informationsaustausche, um genau das zu erreichen, nämlich dass ebendiese Mittel möglichst nicht funktionieren und wir Banküberweisungen ausschließen können. Das hat aber auch dazu geführt, dass man auf andere Instrumente zurückgreift. Wir haben in der Tat von europäischer Seite, aber auch national Gespräche geführt, beispielsweise mit Behörden in der Türkei und Jordanien – Sie haben sie genannt –, weil wir die Sorge haben, dass Überweisungen stattfinden, dass Bankverkehre noch bestehen. Wir sind im Gespräch mit diesen Staaten, insbesondere mit Jordanien, um das möglichst auszuschließen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön. – Ich möchte da noch einmal nachfragen. Nach meiner Information konnte man sich auf dem Treffen der Euro-Gruppe am 7. Dezember und auch auf dem Ecofin-Rat am 8. Dezember nicht zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission darauf einigen, einen regelmäßigen Austausch über derartige verdächtige Finanzströme einzurichten. Stimmt das, und wenn ja, weshalb sind die Mitgliedstaaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland nicht dazu fähig, zu einem Übereinkommen zur Kontrolle dieser Finanzströme zu kommen, obwohl Sie hier der Öffentlichkeit ständig erklären, Sie würden alles erdenkliche Zivile tun, um den IS zu bekämpfen? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Kollegin, in der letzten Sitzung des Ecofin – das meinen Sie wahrscheinlich – am 7. und 8. Dezember 2015 wurde das Thema „Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung“ erneut umfassend erörtert. Die Kommission stellte Überlegungen zu weiteren Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung vor. Diese umfassen unter anderem auch einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung, welche laut Kommission Durchsetzungslücken in den EUStrafrechtsvorschriften schließen soll. Mit dieser neuen Richtlinie sollen die geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union über die Verfolgung von Straftaten auch mit terroristischem Hintergrund nochmals überarbeitet werden. Außerdem sollen mit dieser Richtlinie internationale Verpflichtungen, wie etwa die bekannte Resolution 2178 des VNSicherheitsrates über ausländische terroristische Kämpfer, das kürzlich verabschiedete Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus und die Empfehlungen der Financial Action Task Force, FATF, zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung in EU-Recht umgesetzt werden. So soll unter anderem die Bereitstellung von Finanzmitteln für terroristische Straftaten und Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen oder terroristischen Aktivitäten unter Strafe gestellt und weitere Maßnahmen aus den Schlussfolgerungen des EU-Sonderrates vom November 2015 umgesetzt werden. Also kann ich Ihrer Befürchtung entgegentreten, man sei hier unfähig gewesen und hätte sich auf nichts geeinigt. Konkrete nächste Schritte sind geplant. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. – Die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht sowie die Fragen 10 und 11 der Abgeordneten Ulla Jelpke zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern sollen schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Corinna Rüffer auf: In welcher Form plant die Bundesregierung, die EU-Aufnahmerichtlinie umzusetzen, die unter anderem für behinderte Flüchtlinge einen Anspruch auf angemessenen Wohnraum, eine die Benachteiligung ausgleichende medizinische Behandlung und nötige medizinische Hilfsmittel vorsieht, nachdem aus den Reihen der Union gefordert wurde, die EU-Aufnahmerichtlinie nicht in der vorliegenden Form in Deutschland umzusetzen (unter anderem www.tagesschau.de/inland/asylpaket-verzoegerung-101.html)? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Frau Kollegin, Artikel 17 Absatz 2 der Neufassung der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU bestimmt, dass Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass insbesondere für besonders schutzbedürftige Personen ein angemessener Lebensstandard, der den Lebensunterhalt und die Gesundheit umfasst, gewährleistet wird. Nach Artikel 19 Absatz 2 der Neufassung der Richtlinie gewähren die Mitgliedstaaten Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische und sonstige Hilfe. Als besonders schutzbedürftige Personen gelten nach Artikel 21 der Neufassung der Richtlinie unter anderem – das ist richtig – behinderte Menschen. Seit dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie besteht für die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten jetzt schon die Pflicht, das nationale Recht so weit wie möglich nach Zweck und Wortlaut der genannten Richtlinienvorschrift auszulegen. Sofern Richtlinienvorschriften ihrer Formulierung nach unmittelbar anwendbar sind, kommt seit Ablauf der Umsetzungsfrist auch ihre unmittelbare Anwendung als in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht nach den bekannten Grundsätzen des Europarechts in Betracht. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war jetzt eine sehr grundsätzliche Antwort und ein Vortrag der rechtlichen Bedingungen, die bestehen. Es geht ja darum, dass Mindeststandards bei der Aufnahme von Flüchtlingen gewährleistet sind. Wie wir alle wissen, ist die Einhaltung dieser Standards in den Aufnahmeeinrichtungen in vielen Fällen schwierig. Ich möchte eine bestimmte Gruppe ansprechen, nämlich die Menschen mit Behinderungen. Diese Menschen haben einen besonders hohen Schutzbedarf, auch nach dem, was Sie geschildert haben. Die Frage ist: Wie will die Bundesregierung dazu beitragen, dass für Menschen mit Behinderungen genügend Plätze in Aufnahmeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden? Dabei geht es vor allen Dingen um die Frage der Barrierefreiheit in jeder Hinsicht. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich könnte jetzt noch einmal ausführlich darstellen – ich glaube aber, das wäre nicht zielführend –, was der Bund insgesamt tut, um den Ländern zu helfen. Allem voran werden pro Flüchtling, der vor Ort in Landes- oder Kommunaleinrichtungen untergebracht ist, monatlich 670 Euro zur Verfügung gestellt. Allein das sind Beträge, mit denen für Länder und Kommunen eine erhebliche Finanzierungshilfe geleistet wird. Die konkrete Umsetzung allerdings, beispielsweise im Hinblick auf die Barrierefreiheit, muss dann natürlich die jeweilige Einrichtung bzw. der Träger der Einrichtung gewährleisten, also Land und Kommune. Das sind wichtige Punkte. Natürlich ist das alles – das haben Sie zu Recht dargestellt – in einer Zeit, in der sehr viele Menschen und eben auch viele Menschen dieser Gruppe zu uns kommen, schwieriger. Trotzdem bleibt es so: Auch nach jetziger Rechtslage sind Länder und Kommunen gehalten, für genau das, was Sie einfordern, zu sorgen. Im Übrigen: Sie hängen es an der Neufassung der Aufnahmerichtlinie auf. Gerade was Menschen mit besonderem Schutzbedarf, also auch Behinderte, anbelangt, hat sich in der neuen Richtlinie im Vergleich zur alten Richtlinie nichts Wesentliches geändert. Das, was Sie zu Recht einfordern – die besondere Berücksichtigung eines besonderen Schutzbedürfnisses –, galt auch schon vor der neuen Richtlinie. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich finde die Antwort ziemlich unbefriedigend, muss ich sagen. Es ist richtig, dass seit Neuestem etwas mehr Geld an die Länder fließt, nämlich die 670 Euro. Aber wir wissen, dass dieses Geld natürlich immer noch nicht ausreicht, um das zu leisten, was die Länder ohnehin tun müssen. Die Richtlinie, über die wir reden, bezieht sich ja auf eine bestimmte Zielgruppe. Da geht es um Hilfsmittel- und Heilmittelversorgung und um Therapien, die die Menschen, die ich ansprechen möchte, nämlich Menschen mit Behinderungen, brauchen. Wir wissen, dass auf Bundesebene rechtliche Hindernisse bestehen. Asylbewerber werden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz behandelt. Wenn man zum Beispiel sagen würde, für behinderte Menschen wäre es zielführender, sie in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben zu lassen oder sie zumindest tagsüber in Tagesförderstätten gehen zu lassen, weil die Versorgung dort einfach besser ist, müsste man auch sagen, dass sie dann auch Leistungen nach dem SGB XII beziehen dürfen. Plant die Bundesregierung, da eine Änderung vorzunehmen, um dieser Richtlinie gerecht zu werden? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die konkrete Unterbringung ist Sache von Ländern und Kommunen. Es gibt da keinesfalls bundesrechtliche Hindernisse, auch dann nicht, wenn ein Land oder eine Kommune entscheidet, einen Flüchtling mit Behinderung nicht in einer allgemeinen Einrichtung, sondern anders unterzubringen. Es spricht sogar vieles dafür. Aber das ist keine Entscheidung, die zentral vom Bund getroffen werden kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Klein-Schmeink das Wort. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei diesen ganzen Ausführungen stellt sich mir eine Frage. Die Schutzrichtlinie hätte ja schon längst in Bundesrecht umgesetzt werden müssen. Sie haben in Ihren Antworten nicht erkennen lassen, ob und wann Sie das tun. Ich möchte, insbesondere mit Blick auf den Personenkreis der Opfer von Gewalt und der schwer Traumatisierten, darauf hinaus, wann Sie die Umsetzung planen. Dazu gehören unter anderem ja auch Verfahrensrechte – ich denke zum Beispiel an die Information über die zur Verfügung stehenden Hilfen – und Hilfestellungen bei der Beantragung und Zurverfügungstellung dieser Versorgungsangebote. Für wann genau plant die Bundesregierung, dieses umzusetzen? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! – Wir sind hierzu mit den beteiligten Ressorts – das alles kann das Innenministerium nicht alleine entscheiden – in intensiven Gesprächen. Wir gehen davon aus, dass wir diese Umsetzung zügig bekommen können. Allerdings – noch einmal –: Bei vielen wesentlichen Punkten, die auch vorhin angesprochen worden sind – ich denke zum Beispiel an den Standard der Unterbringung –, hat sich gegenüber der vorhergehenden Richtlinie gar nicht viel verändert. Insofern: Auch auf der Grundlage des jetzigen europäischen Rechts gibt es bereits Standards – auch für Menschen mit besonderem Schutzbedarf –, die eingehalten werden müssen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 13 des Abgeordneten Harald Petzold, die Frage 14 der Abgeordneten Brigitte Pothmer, die Frage 15 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Dr. André Hahn sollen schriftlich beantwortet werden. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber zur Verfügung. Die Frage 18 des Kollegen von Notz soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Christian Kühn auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Berichten bezüglich der Wirksamkeit der Mietpreisbremse in Berlin (www.berliner-zeitung.de/wohnen/zu-hohes-mietpreisniveau-berliner-mieterverein-will-mietpreisbremse-verschaerfen,22227162,32893250.html)?  Bitte, Herr Staatssekretär. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kühn, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Bei den in der Berichterstattung zitierten Untersuchungen eines Unternehmens handelt es sich nur um vorläufige Auswertungen eines Teilsegments des Wohnungsmarktes, die für eine fundierte Evaluation nicht aussagekräftig genug sind. Erforderlich hierfür wäre eine differenzierte Betrachtung in Bezug auf die Wirkungen in unterschiedlichen Städten und Wohnungssegmenten. Zudem sind die in Bonn – Entschuldigung! –, die in Berlin untersuchten etwa fünf Monate ein zu kurzer Zeitraum. Für eine Evaluation ist es daher noch zu früh. – In Bonn ist die Mietpreisbremse allerdings auch in Kraft getreten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Staatssekretär, für die Antwort. Mir ist bekannt, dass in Bonn die Mietpreisbremse gilt. Auch dort ist einer der angespannten Wohnungsmärkte. Wenn man als Parlament ein Gesetz erlässt und der Bevölkerung damit die Hoffnung macht, dass es am Ende auch wirkt, es also eine dämpfende Wirkung auf den Wohnungsmärkten hat, will man ja auch wissen, ob es am Ende wirklich wirkt. Plant die Bundesregierung eine solche umfassende Evaluation, um die Wirksamkeit der Mietpreisbremse nachzuweisen und Erkenntnisse darüber zu erlangen? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Eine solche Evaluation kann natürlich erst dann starten, wenn erstens ausreichend viele Länder von der Ermächtigung Gebrauch gemacht haben, eine Verordnung für eine Mietpreisbremse in angespannten Wohnungslagen und Wohnungsmärkten zu erlassen, und wenn zweitens von dort dann auch entsprechende Erfahrungswerte vorliegen. Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und jetzt auch andere Bundesländer haben hier einen Anfang gemacht. Auf der Grundlage ausreichender Erfahrungen kann dann auch eine Evaluierung stattfinden. Bis zu diesem Zeitpunkt findet aber natürlich auch eine Beobachtung statt; wir schauen uns also auch Teilergebnisse an. Einige Teilergebnisse haben eine erste Abschwächung vorhergesagt, andere zeigen wieder andere Entwicklungen auf. Diese muss man aber auch mit weiteren Daten abgleichen, wie zum Beispiel den Daten über den Zuzug in einen solchen Wohnungsmarkt und auch den Neubau dort. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sehen zum jetzigen Zeitpunkt also keinen weiteren Bedarf, an der Mietpreisbremse Änderungen vorzunehmen, obwohl es erste Hinweise dafür gibt, dass sie eher sozusagen eine Delle in den Mietmärkten auslöst, anstatt wirklich ein bremsender Faktor zu sein? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wie ich in der ersten Antwort bereits gesagt habe, ist eine Untersuchung über ein Teilsegment eines Marktes, nämlich über die in der Datenbank eines Unternehmens eingetragenen Wohnungen, über einen Zeitraum von fünf Monaten in einer Stadt sicherlich nicht aussagekräftig, um über die Wirkung eines Instruments wie der Mietpreisbremse, die auf den gesamten angespannten Wohnungsmarkt wirken soll, wirklich eine Aussage treffen zu können. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir bleiben bei diesem Themenkomplex und ich rufe die Frage 20 des Kollegen Christian Kühn auf: Plant die Bundesregierung, die Mietpreisbremse in der für das Frühjahr 2016 geplanten zweiten Mietrechtsnovelle zu verschärfen, um ihre preisdämpfende Wirkung zu steigern, und, wenn ja, durch welche Maßnahmen?  Bitte, Herr Staatssekretär. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Herr Kollege, innerhalb der Bundesregierung bereits abgestimmte Planungen zu weiteren Änderungen des Mietrechts existieren weder im Hinblick auf den Inhalt noch auf einen Zeitplan. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat allerdings in der 48. Kalenderwoche einen ersten Diskussionsvorschlag zur weiteren Reform des Mietrechts in der aktuellen 18. Legislaturperiode vorgelegt. Es enthält die vom Ministerium erwogenen Maßnahmen. Unmittelbare Änderungen der Regelungen zur Mietpreisbremse selbst sind darin nicht vorgesehen. Das Ergebnis der weiterführenden Diskussion, am Ende auch hier im Parlament, bleibt abzuwarten. Der weitere Zeitplan ist innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt, aber das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz strebt an, im ersten Quartal 2016 einen Referentenentwurf vorzulegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Ziel dieser zweiten Mietrechtsnovelle soll sein, dass Menschen vor Verdrängung, vor Gentrifizierung und vor Raussanieren in den Ballungsräumen, sei es Bonn oder Berlin, sei es Tübingen oder Stuttgart, geschützt werden. Dieses Anliegen haben Sie mit der Vorstellung einer Kappungsgrenze, einer Absenkung der Modernisierungsumlage und anderer Maßnahmen, die Sie einführen wollen, sehr genau ausgeführt. Haben Sie in diesem Zusammenhang, als Sie die Maßnahmen dieses Eckpunktepapiers im Haus debattiert und abgeglichen haben, überlegt, diese Maßnahmen mit denen der Mietpreisbremse abzugleichen? In der Mietpreisbremse gibt es einen Anreiz für möglichst hochpreisige Modernisierung. Wenn nämlich die Modernisierung umfassend ist, also mehr als 30 Prozent der Kosten anfallen, die bei einem Neubau entstehen, dann gilt die Mietpreisbremse nicht. Genau dieses Einfallstor müsste geschlossen werden, um die Mietpreisbremse zu einem Instrument zu machen, mit der die Gentrifizierung, die in unseren Städten immer weiter ausufert, gestoppt werden kann. Deswegen noch einmal die Frage: Haben Sie darüber nachgedacht, die Mietpreisbremse an dieser Stelle zu korrigieren, um dem Ziel der zweiten Mietrechtsnovelle zu entsprechen? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die Beschlüsse des ersten Mietrechtspaketes und die jetzt vom Ministerium vorgelegten Vorschläge für ein zweites Paket lehnen sich sehr eng an den Koalitionsplan an, in dem die Zusammenhänge als Gesamtpaket berücksichtigt wurden. In der Tat: So richtig es ist, dass wir jetzt nach fünf Monaten und nach Ergebnissen aus nur einem Teilsegment eines Unternehmens und einer Datenbank keine Aussage über die Wirkung der Mietpreisbremse treffen können, obwohl einige der Daten mich eher positiv stimmen, so wenig richtig ist es, bereits jetzt Vorschläge für eine Korrektur oder eine Veränderung der Mietpreisbremse vorzunehmen. Aber in unseren Vorschlägen sind in der Tat auch Maßnahmen vorgesehen, die es weniger lohnend machen, mit besonders teuren und ineffizienten Sanierungen Mieterinnen und Mieter zu verdrängen. Sie haben als ein Beispiel die Kappungsgrenze erwähnt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben den Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung dazu angesprochen. Nach meinem Kenntnisstand haben Sie gesagt, dass dieser noch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Auch scheint es mir so zu sein, dass sich die tragenden Fraktionen der Regierung im Detail noch nicht einig sind. Ich bin sehr gespannt, was am Ende im Referentenentwurf steht. Meine Frage zielt auf etwas anderes. Es gibt ein sehr umfassendes Bündnis, das sich mit dem Thema „Bauen, Wohnen und bezahlbare Mieten in Deutschland“ beschäftigt, nämlich das „Bündnis bezahlbares Wohnen und Bauen“ im BMUB; Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, die neben Ihnen sitzt, ist darin involviert. Ich frage nun: Ist diese zweite Mietrechtsnovelle in irgendeiner Art und Weise an dieses Bündnis angekoppelt, und findet eine Rückkopplung mit den Verbänden statt? War das auch Teil der Beratungen des Bündnisses? Es macht keinen Sinn, wenn ein Haus einen groß angelegten Beteiligungsprozess startet, aber sich ein anderes Haus, das sich mit ähnlich elementaren Themen wie dem Mietrecht auf Wohnungsmärkten befasst, daran nicht beteiligt. Von daher: Inwieweit ist dieser Prozess mit dem Bündnis und den Partnerinnen und Partnern dieses Bündnisses abgestimmt? Welche Gespräche gab es da? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Herr Kollege, beide Häuser haben einen groß angelegten Beratungs- und Beteiligungsprozess gestartet. Sowohl das Bündnis, das Sie gerade erwähnt haben, als auch die Überlegungen für das zweite Mietrechtspaket sind Ausfluss von Arbeitsgruppen unter Beteiligung von Vertretern des Wohnungsmarktes, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und auch von anderen Häusern, unter anderem vom BMUB. Diese Maßnahmen sind also aufeinander abgestimmt. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 21 und 22 der Abgeordneten Lisa Paus, die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Dr. Axel Troost sowie die Frage 25 der Abgeordneten Tabea Rößner sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung steht die Parlamentische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller zur Verfügung. Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Corinna Rüffer auf: Wie erklärt es sich die Bundesregierung, dass Arbeitsagenturen Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher für Gespräche zwischen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und hörbehinderten Kundinnen und Kunden nur dann engagieren und finanzieren, wenn die Kundinnen und Kunden dies selbst nicht können (siehe Zitat aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit im Beitrag „Der Staat behindert Behinderte“, ZDF-Magazin Frontal 21 vom 1. Dezember 2015), und was unternimmt sie, damit Rehaträger ihrer Verpflichtung aus § 19 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nachkommen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin, Ausgangspunkt Ihrer Frage ist ein Beitrag des Magazins Frontal 21 vom 1. Dezember dieses Jahres. Die Aussage der Agentur für Arbeit Bonn, dass im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Effizienz erst dann ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine -dolmetscherin bestellt werden soll, wenn alle anderen Mittel und Möglichkeiten ausgeschöpft sind, ist nicht korrekt. Nach den Regelungen im Behindertengleichstellungsgesetz und in den Sozialgesetzbüchern I und X haben hörbehinderte Menschen einen individuellen Rechtsanspruch darauf, in deutscher Gebärdensprache zu kommunizieren. Der Anspruch besteht, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte erforderlich ist, in dem dafür notwendigen Umfang. Der Anspruch steht nicht unter einem Kostenvorbehalt. Die Bundesagentur für Arbeit hat den Arbeitsagenturen und den gemeinsamen Einrichtungen unter den Jobcentern in Handlungsempfehlungen bzw. Geschäftsanweisungen entsprechende Durchführungshinweise zum Umgang mit Gebärdensprachdolmetschen und Kommunikationshilfen gegeben. Hinweisen darauf, dass Rechtsansprüche auf Kommunikationshilfe nicht erfüllt werden, geht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach. Soweit erforderlich, werden im Einzelfall die notwendigen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, zum Beispiel eine Weisung, durch das Ministerium ergriffen. Auch dem mit Ihrer Frage verbundenen konkreten Fall gehen wir nach. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage. – Wir gehen nicht davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Es melden sich immer wieder Personen, die vergleichbare Probleme haben. Hier geht es um einen speziellen Fall, der sich auf die Gehörbehinderung eines Menschen bezieht. Oft geht es aber auch um die Frage, welche Hilfsmittel jemand braucht, um einer Arbeit nachgehen zu können, und um vieles mehr. Wir wissen, dass das Recht für behinderte Menschen sehr komplex ist und sich durch unterschiedliche Teile des Sozialgesetzbuches zieht. In dem Beitrag von Frontal 21 hat sich auch der Behindertenbeauftragte der Stadt Bonn geäußert. Er hat gesagt, ein Problem der Bundesagenturen, mit solchen und ähnlichen Fragestellungen umzugehen, ist, dass es innerhalb der BA eine hohe Fluktuation gibt und dass viele Mitarbeiter nicht ausreichend qualifiziert sind und Bescheid wissen, welche Rechte Menschen mit Behinderung haben, die Unterstützung brauchen. Was sagen Sie dazu? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, den Behindertenbeauftragten der Kommunen sozusagen in ihrer Einschätzung beizupflichten. Ich denke, dass die Bundesagentur und die Agenturen für Arbeit nicht unter einer extrem hohen Fluktuation der Mitarbeiter leiden. Es gibt eine sogenannte Handlungs- und Geschäftsanweisung, die allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zur Verfügung steht. Sie basiert auf dem geltenden Recht, und sie ist anzuwenden. Allerdings will ich Ihnen beipflichten: Die Bundesregierung sieht insofern einen Handlungsbedarf, als wir die Rechte, die Menschen mit Behinderung haben, noch stärker und direkter deutlich machen und transparenter gestalten wollen. Deshalb haben wir uns in dieser Koalition verpflichtet, ein Bundesteilhabegesetz zu erarbeiten. Allerdings scheint der Fall, den Sie Ihrer Frage zugrunde legen, nicht unbedingt geeignet zu sein, auf die kritische Situation hinzuweisen. Wir wollen bei der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger besser werden, damit Menschen – egal welche Behinderung sie haben – möglichst schnell und möglichst auch durch eine gute Beratung Hilfe zuteilwerden kann. Insofern sehen wir in dieser Legislatur noch einer guten Gesetzgebung entgegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, dass der Fall sehr typisch ist. Das bestätigen Mitarbeiter der BA, und auch in Gesprächen hier in Berlin wird immer wieder gesagt, dass der Rehabereich rechtlich, aber auch tatsächlich für Mitarbeiter ein schwieriger Bereich ist und dass es an Qualifikation mangelt, aber auch an Anreizen, gerade in diesem Bereich arbeiten zu wollen. Wir haben Probleme, da Mitarbeiter zu finden, die sich überhaupt bereit erklären, und statistisch kann man natürlich auch nachweisen, dass die Fluktuation innerhalb der BA besonders hoch ist. Insofern ist das natürlich ein sehr typischer Fall. Aber ein anderes Problem, das angesprochen wird, ist die Verwirrung, das Hin- und Hergeschiebe von Aufgaben zwischen der Bundesagentur und der Rentenversicherung. Da geht es darum, wer die Kosten übernimmt. Wie erklären Sie sich das? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ja, ich halte nach wie vor daran fest, dass dieser Fall sich dafür nicht eignet. Ich glaube auch nicht, dass er für eine Vielzahl von Fällen steht. Wir haben allerdings – das hat unser Sozialrecht so vorgesehen – in der Rehabilitation unterschiedliche Aufgabenträger. Wir haben in der Tat die Agentur für Arbeit, und wir haben zum Beispiel die Rentenversicherung. Das ist in diesem Fall auch ein Thema gewesen. Wir können uns gerne über Einzelheiten zu diesem Fall noch auseinandersetzen. Wir haben, soweit das in der Kürze der Zeit möglich war, sehr genau recherchiert. Wir werden in der geplanten Gesetzgebung Vorschläge machen, wie die Zusammenarbeit der Rehaträger zum Wohle der Betroffenen zügiger und verbindlicher gestaltet werden sollte, weil wir sagen: Auch da können wir Gutes besser machen. Aber Ihrer Generalkritik, die Sie zurzeit auch nicht unterlegen, widerspreche ich. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einer Minute ist das auch schwer, aber gerne später!) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. – Danke, Frau Staatssekretärin. Die Fragen zu den Geschäftsbereichen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – die Frage 27 der Abgeordneten Bärbel Höhn – und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend  – die Frage 28 des Abgeordneten Harald Petzold (Havelland) – werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz zur Verfügung. Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Weinberg auf: Ist die Information richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) der Hellenischen Republik 500 000 Euro für die Lizenzen zur Nutzung des Fallpauschalenkatalogs im Krankenhauswesen (GDRG) berechnet, und wie genau begründet sich diese Summe? Bitte, Frau Staatssekretärin. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Lieber Herr Weinberg, die Information, nach der die Bundesrepublik Deutschland der Hellenischen Republik über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 500 000 Euro für Lizenzen zur Nutzung des Fallpauschalenkatalogs im Krankenhauswesen in Rechnung gestellt haben soll, ist unzutreffend. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch die GIZ sind Vertragspartner einer solchen Vereinbarung; sie haben daher auch keine entsprechenden Rechnungen gestellt. Nach hiesigen Kenntnissen haben das griechische Gesundheitsministerium und das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK, im Dezember 2014 einen Lizenzvertrag geschlossen, der auch Lizenzgebühren umfasst. Die genauen Vertragsinhalte sind dem Bundesministerium für Gesundheit nicht bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Ja, vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Antwort. – Ich möchte zunächst einmal nachfragen: Es ist ja nicht so, dass man sagen könnte, dass die griechische Regierung es auf der Wunschliste hatte, diagnoseorientierte Fallpauschalen einzuführen. Ich war mehrmals in Griechenland, ich habe dort auch die Gespräche geführt; ich weiß das also relativ genau. Ich weiß, dass es auch Bestandteil des früheren Memorandums of Understanding war. Da ist ja im Prinzip gerade das Bundesministerium für Gesundheit sozusagen der Federführer bei der Durchsetzung dieses Memorandums. Darin stand, dass es sozusagen die Einführung von DRGs geben muss. Dann gibt es natürlich logischerweise auch die entsprechenden Lizenzvereinbarungen in der Notwendigkeit. Ist das erst einmal so zutreffend, wie ich es beschreibe? Dann stelle ich gleich noch eine zweite Nachfrage dazu. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, zunächst einmal ist es richtig, dass die Fragen des Krankenhausmanagements und der Fallpauschalen Inhalt des Memorandums of Understanding waren, neben anderen Inhalten. Mir ist nicht bekannt, dass das auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung oder der Bundesrepublik Deutschland in das Memorandum of Understanding aufgenommen wurde, sondern eher bekannt, dass es der ausdrückliche Wunsch der griechischen Regierung war, diesen Sachverhalt mit in das Memorandum of Understanding aufzunehmen. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann haben Sie das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Nach meiner Kenntnis des Memorandums of Understanding ist es allerdings einer der Punkte, die sozusagen im Wesentlichen dazu beitragen würden, dass man, wenn man sie nicht erfüllte, dann eben eventuell Zahlungen nicht bekäme. Ist es zutreffend, dass dies daran gebunden ist, oder ist das nicht zutreffend? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Mir sind an dieser Stelle keine Vertragsinhalte bekannt. Sollten Lizenzgebühren vereinbart worden sein, dann gehe ich davon aus, dass derjenige, der die Lizenz erteilt, natürlich auch den Eingang der dafür vertraglich vereinbarten Gebühr erwartet. Andere Zahlungsverpflichtungen bzw. Abhängigkeiten oder Bedingungen zu anderen Sachverhalten sind mir nicht bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zu Frage 30 des Kollegen Weinberg: An welche anderen Staaten wurden Lizenzen für das DRG-System vergeben, und wie hoch waren in diesen Fällen die Lizenzgebühren (bitte auch angeben, wenn keine Lizenzgebühren erhoben wurden)? Bitte, Frau Staatssekretärin. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Kollege Weinberg, die Lizenzen für das DRG-System an andere Staaten vergibt das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK. Nach eigenen Angaben hat das InEK Lizenzen unter anderem an die Schweiz, Zypern und die Slowakei vergeben. Über die etwaige Höhe der Lizenzgebühren liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Weinberg, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Harald Weinberg (DIE LINKE): Eine Nachfrage zu diesem Thema habe ich schon. Soweit ich informiert bin, ist das deutsche DRG-System einschließlich der Lizenzen von Australien übernommen worden. Ich erinnere daran: Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, Griechenland 12 Millionen. Nach meiner Kenntnis wurden damals 200 000 australische Dollar für die Lizenz gezahlt. Das entspricht etwa 120 000 Euro. Das war damals offensichtlich ein regelrechtes Schnäppchen. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man bedenkt, zu welchen Lizenzgebühren es nun an Dritte verkauft wird. Trifft das so zu oder nicht? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Ich kann Ihnen aus dem Stegreif nicht den Betrag nennen, den wir damals Australien als Lizenzgebühr gezahlt haben. Das würde ich Ihnen gerne schriftlich nachreichen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben keine zweite Nachfrage, Herr Weinberg. – Die Frage 31 der Kollegin Pia Zimmermann wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zu Frage 32 der Kollegin Kathrin Vogler: Welche Ideen hat die Bundesregierung, den steigenden (Zusatz-)Beiträgen für die gesetzlichen Krankenkassen entgegenzuwirken angesichts von Meldungen, dass sogar große Krankenkassen wie die DAK im Jahr 2016 einen Beitragssatz von 16 Prozent oder darüber verlangen (Handelsblatt vom 10. Dezember 2015) und damit der Zusatzbeitrag, den alleinig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bezahlen haben, für Millionen von gesetzlich Versicherten auf 1,5 Prozent steigen könnte? Bitte, Frau Staatssekretärin. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Vogler, nach Auswertung der Ergebnisse des GKV-Schätzerkreises wurde der durchschnittliche Zusatzbeitrag für das Jahr 2016 durch das Bundesministerium für Gesundheit auf 1,1 Prozent festgesetzt. Dieser wird damit gegenüber dem Vorjahr moderat um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte ansteigen. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht über 70 Millionen Versicherten Zugang zu einem modernen und leistungsfähigen Gesundheitssystem. Den moderaten Beitragssatzanpassungen stehen dabei Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung gegenüber, wie beispielsweise Neuentwicklungen im Arzneimittelbereich, mit denen erstmals eine wirksame und dauerhafte Heilung der Hepatitis C ermöglicht wurde. Ferner hat die Bundesregierung beispielsweise im Krankenhausbereich strukturelle Maßnahmen umgesetzt, die mittel- bis langfristig zu einer wirtschaftlich und qualitativ besseren Versorgung führen und den Anstieg der Zusatzbeiträge dämpfen sollen. Ein wichtiges Ziel der wettbewerblichen Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung ist weiterhin, Effizienzreserven im Gesundheitswesen zu heben und mit einer verantwortlichen Ausgabenpolitik Kostenanstiege auf das für eine sinnvolle Modernisierung und Weiterentwicklung der GKV notwendige Ausmaß zu begrenzen. Vor dem Hintergrund, dass die Haushaltsplanungen der Krankenkassen und die Genehmigungsverfahren der Aufsicht noch nicht abgeschlossen sind, liegt erst Anfang Januar ein vollständiges Bild über die Zusatzbeiträge aller Krankenkassen vor. Mitglieder von Krankenkassen, die ihren Beitragssatz anheben, haben ein Sonderkündigungsrecht und können somit ihre Krankenkasse unter Abwägung des Preis-Leistungs-Verhältnisses wechseln. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Zusatzfrage. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank. – Für mich hat sich das so angehört, als ob die Bundesregierung überhaupt keinen Handlungsbedarf sieht, was die steigenden Krankenkassenbeiträge angeht. Zu Beginn dieser Legislaturperiode hatte sich diese Koalition darauf verständigt, den Arbeitgeberanteil an den Krankenversicherungsbeiträgen eingefroren zu lassen. Allerdings meldete der Tagesspiegel am 29. November 2013, es gebe eine geheimnisvolle Protokollnotiz, in der eine fiktive Obergrenze festgelegt worden sei, ab der die Bundesregierung den allein von den Versicherten, also den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zu zahlenden Zusatzbeitrag nicht mehr allein der Versichertenseite aufbürden wolle. Vor diesem Hintergrund möchte ich nachfragen: Gibt es diese seltsame Protokollnotiz? Wie hoch ist der da angegebene maximale Zusatzbeitrag? Sehen Sie Handlungsbedarf, noch in dieser Wahlperiode da tätig zu werden? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, der Bundesregierung sind keine Protokollnotizen bekannt. Wenn ich Sie richtig verstehe, beziehen Sie sich auf einen Artikel, der auf eine Protokollnotiz der Koalitionsparteien abzielt. Damit ist die Bundesregierung nicht der richtige Ansprechpartner. Aber als Mitglied einer Koalitionsfraktion sind mir ebenfalls keine Protokollnotizen bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Vogler, Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Mich würde auch noch interessieren, wie hoch eigentlich die Summe ist, mit der diese Bundesregierung durch das Festschreiben der Arbeitgeberbeiträge auf 7,3 Prozent die Arbeitgeber insgesamt entlastet, bzw. wie hoch ist insgesamt in Euro und Cent die Belastung durch Zusatzbeiträge für einen Durchschnittsverdienenden im Jahr 2016? Sie haben das Ganze ja jetzt gerade ein bisschen kleingeredet: Sie sprachen von überschaubaren 0,2 Prozentpunkten. Was bedeutet das denn real für das Netto vom Brutto? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, zunächst will ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir bereits vor dem Inkrafttreten des GKV-Finanzierungsgesetzes eine Belastung von 0,9 Beitragssatzpunkten allein auf Arbeitnehmerseite hatten. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag, der vom Schätzerkreis für das Jahr 2016 vorausgesagt wurde, ist die erste Spreizung, die seit vielen Jahren eintritt. Da wir, wie ich gesagt habe, noch nicht die endgültigen Beitragssätze kennen – sie werden erst im Januar des nächsten Jahres vorliegen –, kann ich Ihnen zu den genauen Zusatzbeiträgen für Durchschnittsverdiener hier heute keine Aussage machen. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Birgit Wöllert das Wort. Birgit Wöllert (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Aufgrund mehrerer verabschiedeter Gesetzentwürfe in diesem Jahr, die die Koalition sowie die Bundesregierung hier vorgelegt haben, kommen auf die Krankenkassen in den nächsten Jahren einige Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben zu, was zu einem massiven Anstieg der Zusatzbeiträge führt. Kann die Bundesregierung präzisieren, wie hoch die Summe ist, die die Krankenkassen durch das Präventionsgesetz in 2016 aufwenden müssen, zum Beispiel für erweiterte Ausgaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung? Was spricht dagegen, dass Privatversicherte an diesen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben durch eine Finanzierung über Steuermittel beteiligt werden? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Wöllert, zunächst einmal darf ich Sie an dieser Stelle herzlich auf die Gesetzesbegründungen durch diese Regierung hinweisen, die die jeweiligen Berechnungen der Kosten der Auswirkungen enthalten. Ich habe sie leider nicht für alle Gesetze im Detail vor mir. Was einzelne Bestandteile anbelangt, ist eine Aussage sehr schwierig. Der Schätzerkreis hat eine Schätzung der Ausgabenentwicklung in den klassischen Ausgabebereichen – Krankenhausbehandlung, Arzneimittelentwicklung, ambulante Versorgung etc. – vorgenommen, auf deren Grundlage dann auch die Beitragsentwicklung geschätzt wurde. Welche Detailbestandteile darin aufgegangen sind, lässt sich Ihnen von meiner Seite aus an dieser Stelle nicht in Euro und Cent darlegen. Was Ihre Frage anbelangt, ob sich private Krankenversicherungen an der Prävention, auch in finanzieller Hinsicht, beteiligen: Sie wissen, dass das Gesetz eine solche Beteiligung ermöglicht. Sie haben bei verschiedenen Anlässen, auch außerhalb des Plenarsaals, erlebt, dass ich durchaus immer wieder den Versuch unternehme, hierfür Unterstützung zu gewinnen, sodass dort, wo die Bereitschaft dazu besteht, entsprechende Zuwendungen möglich sind. Die rechtlichen Regelungen dafür sind getroffen, und von daher harren wir der Dinge. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Klein-Schmeink das Wort. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, wir haben von den verschiedensten Sachverständigen Prognosen gehört, die davon ausgehen, dass wir bis 2017 insgesamt einen Kassenbeitrag zwischen 16 und 16,4 Prozent haben werden. Damit werden auch Zusatzbeiträge erhoben, die zwischen 1,5 und 1,9 Prozent liegen werden. Sehen Sie als Bundesregierung die Notwendigkeit, dass ab einer bestimmten Höhe des Beitragssatzes auch die Arbeitgeber wieder an der Finanzierung des Zusatzbeitrags beteiligt werden? Gibt es Diskussionen innerhalb der Bundesregierung zu diesem Punkt? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, zunächst einmal: Die Bandbreite des Zusatzbeitrags liegt aktuell zwischen 0 und 1,3 Prozent. Es ist durchaus auch vorstellbar und möglich, dass die Bandbreite im kommenden Jahr zunimmt und damit die höchsten Zusatzbeitragssätze im Verhältnis zu den niedrigsten steigen. Ich will hier deutlich machen, dass den Berechnungen der Entwicklung der Zusatzbeiträge entsprechende Verbesserungen in der Versorgungsstruktur zugrunde liegen, wie ich vorhin erwähnt habe. Darüber hinaus kann man solche Feststellungen nicht treffen, da die Entwicklung der Zusatzbeiträge sehr stark von der Einnahmesituation abhängt und auch die wirtschaftliche Entwicklung eine Rolle spielt. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Harald Weinberg das Wort. Harald Weinberg (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, ich kann mich noch recht gut daran erinnern, dass wir hier in diesem Hause einige Debatten zu dem Thema der paritätischen Finanzierung gehabt haben. In diesen Debatten über die paritätische Finanzierung hat Herr Dr. Lauterbach von der SPD selber auf die Protokollnotiz hingewiesen und gesagt, dass diese existiere. Wenn das Ganze ein bestimmtes Maß überschreiten würde, sei das zwischen den Koalitionsfraktionen neu zu debattieren. Sie haben gerade gesagt, dass Sie für die Bundesregierung und nicht für die Koalitionsfraktionen sprechen. Ich habe in meinem Exemplar des Koalitionsvertrags diese Protokollnotiz nicht gefunden. Das gebe ich erst einmal zu. Ich will jetzt einfach nur fragen, ob in Ihrem Exemplar, dem Exemplar, mit dem die Bundesregierung arbeiten muss, diese Protokollnotiz zu finden ist. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, nein. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das ist doch eine klare Aussage!) Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 33 der Kollegin Kathrin Vogler: Wie hoch ist der Anstieg der Arzneimittelausgaben, und in welchem Maße hat die Steigerung der Arzneimittelausgaben Einfluss auf die Krankenkassenbeiträge? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen betrugen im Jahr 2014 auf Basis der Jahresrechnungsergebnisse rund 33,4 Milliarden Euro. Dies entsprach einem Ausgabenzuwachs von absolut 10,1 Prozent bzw. 9,4 Prozent je Versichertem. Die aktuellen Ausgabenzuwächse vom ersten bis dritten Quartal 2015 lagen je Versichertem bei 4,4 Prozent und absolut bei 5 Prozent. Dies entspricht im Zeitraum Januar bis September einem Ausgabenanstieg von rund 1,3 Milliarden Euro. Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen einem Anteil von rund 17 Prozent der Gesamtausgaben. Dies entspricht einer Größenordnung von knapp 3 Beitragssatzpunkten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Zusatzfrage. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie hatten in Ihren einführenden Bemerkungen zu meiner letzten Frage darauf hingewiesen, dass es insbesondere ein besonders teures Medikament zur Heilung von Hepatitis C – der Markenname ist Sovaldi – ist, das die Arzneimittelpreise derart habe in die Höhe schnellen lassen. Vielleicht können Sie uns darlegen, wie hoch der Anteil dieses einzelnen Medikaments an dem Anstieg der Arzneimittelausgaben ist und was die anderen Medikamentengruppen oder die einzelnen Medikamente sind, die an diesem doch sehr hohen Anstieg einen signifikanten Anteil haben. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, zu Recht beschreiben Sie, dass die hohen Ausgaben für neu zugelassene Arzneimittel zur Behandlung der Hepatitis C auffällig sind. Sie haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres eine Größenordnung von gut 1 Milliarde Euro ausgemacht und somit einen erheblichen Teil des aktuellen Ausgabenanstiegs für Arzneimittel verursacht. Aber wir dürfen dabei nicht nur die Ausgaben betrachten, sondern wir müssen auch die Entwicklung solcher Arzneimittel als einen Erfolg im Arzneimittelbereich ansehen. So ermöglichen diese Sprunginnovationen eine Heilung von Hepatitis C, die vorher nicht möglich war. Ich weise auch darauf hin, dass dadurch Folgekosten, die bislang aufgrund von langwierigen Therapien gegeben waren, nicht mehr anfallen. Diese Arzneimittel sollen auch den Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung in unserem Land zur Verfügung stehen. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz gilt eine konsequente Preisregulierung auch für solche neuen Arzneimittel. Der Preis folgt dem belegten Zusatznutzen und kann nicht mehr wie früher vom Hersteller einseitig festgelegt werden. Der auf der Grundlage der Nutzenbewertung vereinbarte Preis gilt erst vom 13. Monat nach dem Inverkehrbringen an. Diese Regelung wurde getroffen, um den Patientinnen und Patienten in Deutschland weiterhin einen möglichst schnellen Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu ermöglichen. Mit dem 14. Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wurden bereits zu Beginn der Legislaturperiode Maßnahmen ergriffen, ohne die die Zuwächse bei den Ausgaben für Arzneimittel deutlich über der derzeitigen Entwicklung gelegen hätten. Entlastet werden die Krankenkassen weiterhin durch Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen. Diese Rabatterlöse sind im ersten, zweiten und dritten Quartal 2015 um knapp 0,3 Milliarden Euro gegenüber dem Zeitraum vom ersten bis zum dritten Quartal des Jahres 2014 auf jetzt insgesamt rund 2,54 Milliarden Euro angestiegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank. – Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei der Staatssekretärin für ihre umfangreiche Antwort, die mir schon einige Anknüpfungspunkte für die nächste Nachfrage liefert. Sie haben gerade wieder den Mythos verbreitet, dass die Bundesregierung bei der Begrenzung der Arzneimittelpreise gleich am Anfang der Legislaturperiode tätig geworden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Ganz am Anfang der Legislaturperiode – wir erinnern uns noch an die Debatten hier – haben Sie nämlich zum einen ein Gesetz gemacht, das die Arzneimittelkonzerne tatsächlich fördert, indem Sie alle Bestandsarzneimittel von der Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes ausgenommen haben. Das bedeutet, dass weiterhin Medikamente, deren Nutzen nicht überprüft worden ist, den Patientinnen und Patienten zu Höchstpreisen verabreicht werden können. Zum anderen haben Sie den vorher geltenden Rabatt von 16 Prozent auf patentgeschützte Arzneimittel auf 7 Prozent gesenkt. Er wäre automatisch auf null gegangen. Sie haben ihn dann auf 7 Prozent erhöht. De facto aber haben Sie den Preis durch die Senkung des Rabatts von 16 auf 7 Prozent erhöht. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin, würden Sie die Frage bitte noch in der Zeit, die zur Verfügung steht, stellen. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ja, genau. – Mich würde interessieren, ob Sie seitens der Bundesregierung im Lichte dieser Tatsachen noch in dieser Legislaturperiode Maßnahmen planen, um die steigenden Arzneimittelpreise wieder in den Griff zu bekommen. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, ich will gerne aus Anlass Ihrer umfangreichen Einleitung verdeutlichen, worauf ich mit meinen vorher vorgetragenen Zahlen abziele, insbesondere was den Anstieg der Arzneimittelausgaben im Jahr 2014 im Verhältnis zu den Ausgaben im Jahr 2015 anbelangt. Ich habe von den absoluten Steigerungen von 2013 bis 2014 um 10,1 Prozent und von der Veränderung vom ersten bis zum dritten Quartal 2014 im Verhältnis zum entsprechenden Zeitraum 2015 um 5 Prozent gesprochen. Bereits daran können Sie erkennen, dass unsere Maßnahmen in der Kombination sehr wohl zu Einsparungen geführt haben. Die Bundesregierung wird natürlich im Lichte solcher neuen Entwicklungen den Ausgabenanstieg sehr aufmerksam beobachten. Sie wissen, dass die Bundesregierung einen Pharmadialog führt. Wir werden zu gegebener Zeit beraten, welche Schlüsse wir aus diesem Dialog ziehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 34 der Kollegin Maria Klein-Schmeink: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen des Sachverständigenrats im Sondergutachten zum Thema „Krankengeld – Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten“? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin, ich würde wegen des Sachzusammenhangs die Fragen 34 und 35 gerne zusammen beantworten, wenn die Frau Kollegin damit einverstanden ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann rufe ich auch noch die Frage 35 der Kollegin Klein-Schmeink auf: Welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus dem Gutachten für die Prävention und die Versorgung von Rückenerkrankungen und psychischen Erkrankungen ab? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Klein-Schmeink, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat am 7. Dezember dieses Jahres sein Sondergutachten zum Thema „Krankengeld – Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten“ dem Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, überreicht. Das Sondergutachten wurde gemäß § 142 Absatz 3 Sozialgesetzbuch V umgehend vom Bundesminister für Gesundheit dem Bundestag und dem Bundesrat übermittelt. Der Sachverständigenrat führt am 17. Dezember dieses Jahres zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium ein Symposium durch, bei dem das Sondergutachten im Einzelnen vorgestellt und seine Ursachenanalysen und Handlungsempfehlungen diskutiert werden sollen. Vom Bundesministerium für Gesundheit werden die umfassenden Ursachenanalysen des Gutachtens sowie die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen der Sachverständigen derzeit sorgfältig und eingehend geprüft. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kann ich der Antwort entnehmen, dass die Bundesregierung zur Umsetzung des Gutachtens konkrete gesetzliche Schritte plant und dass diese Planungen darauf zielen, dass zum Beispiel die vielen Fälle, bei denen Krankengeldbezieher von den Krankenkassen dazu gedrängt worden sind, doch wieder ihre Arbeit aufzunehmen, abgestellt werden? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, bevor konkrete Handlungen beschlossen werden, müssen die Analyse und die Beratung sorgfältig erfolgen. Deshalb kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, ob wir zu dem Schluss kommen, gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten. Da das Gutachten aber im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erstellt worden ist, können Sie davon ausgehen, dass wir ein erhebliches Interesse daran haben, diesen Sachverhalt umfänglich aufzuarbeiten und Handlungsempfehlungen zu geben. Es wurden von den Sachverständigen verschiedene Vorschläge gemacht, was sowohl die Präventionsanstrengungen als auch das kontinuierliche Management anbelangt. Diese werden wir sorgfältig auch unter den Gesichtspunkten, die Sie genannt haben, prüfen und je nach Ausgang der Analyse und Prüfung gesetzgeberische Maßnahmen voranbringen. Dann werden wir viel Gelegenheit haben, im Parlament darüber zu diskutieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu weiteren Nachfragen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. – Weiterhin stellt sich in dem Gutachten der Bereich der Versorgung von psychisch Kranken, insbesondere der schnellen Versorgung, als ein Problemfeld dar, das angemahnt worden ist. Wir haben sehr lange Wartezeiten im Bereich der Psychotherapie, die unter anderem dazu führen, dass es sehr lange Krankschreibungszeiten gibt. Nun hat ja der Gesetzgeber im Versorgungsstärkungsgesetz durchaus ein paar Regelungen vorgesehen, um unter anderem die Bedarfsplanung für die Versorgung mit Psychotherapie zu verändern und auch neue Richtlinien zu schaffen, die zum Beispiel die Ermöglichung einer Akutsprechstunde enthalten – um nur einen Punkt zu nennen. Sind diese Vorhaben im Zeitplan, sodass wir davon ausgehen können, dass Ende 2016 tatsächlich eine gesetzliche Veränderung in Kraft treten kann und wir eine neue angepasste Versorgungsplanung in diesem Bereich haben? Wird auch die Richtlinie umgesetzt, die unter anderem die Akutsprechstunde und andere Formen der Kurzzeitintervention vorsieht? Wird das zum 1. Januar 2017 vorliegen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, zum jetzigen Zeitpunkt sind mir keine Verzögerungen bekannt. Sollte es welche geben, würde ich Sie darüber unterrichten. Wie wichtig die entsprechenden gesetzlichen Regelungen waren, wird durch das Gutachten einmal mehr bestätigt. Wir werden in der Veranstaltung am morgigen Tag die Gelegenheit haben, mit den Sachverständigen die aktuelle Entwicklung zu diskutieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben noch die Möglichkeit zu zwei weiteren Nachfragen, wenn es diese gibt. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das trifft sich gut. – Mir ist bekannt geworden, dass ein Gutachten eingeholt werden soll, um zum Beispiel für die Versorgungsplanung genauere Versorgungsanalysen in den verschiedenen Versorgungsbereichen anstellen zu können. Ist es so, dass dessen Ergebnisse keinesfalls so rechtzeitig vorliegen, dass es innerhalb dieses Zeitraums zu einer Umsetzung der Richtlinie und der neuen Versorgungsplanung kommt, oder können Sie das zu diesem Zeitpunkt ausschließen? Gibt es diese Gutachtenvergabe, die auch gleichzeitig schon deutlich macht, dass es nicht innerhalb dieses Zeitraums abgeschlossen werden kann? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, ich kann nichts ausschließen, weil ich zum heutigen Zeitpunkt keine Erkenntnis dazu habe. Wenn ich eine Erkenntnis dazu habe, dann werde ich es Ihnen im Nachgang schriftlich mitteilen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Vogler das Wort. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Weil das Thema der sogenannten Teilkrankschreibung in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird, finde ich, ist es an der Zeit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es mit dem sogenannten Hamburger Modell bereits so etwas Ähnliches gibt. Auf diese Weise können Menschen, die längere Zeit krankgeschrieben sind, Schritt für Schritt wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren. Nun hat dieses Modell aus Sicht der Beschäftigten einen entscheidenden Fehler, nämlich dass es sowohl für die Beschäftigten – das finde ich richtig – als auch für die Unternehmen – das finde ich falsch – freiwillig ist, das heißt, dass sich die Betriebe dem verweigern können. Hält es die Bundesregierung nicht auch für sachgerecht, dass Betriebe verpflichtet werden sollten, kranken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach längerer Krankschreibung die schrittweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu ermöglichen? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, auch das ist eine interessante Frage, die wir sicherlich im Dialog mit den Sachverständigen ausführlich diskutieren werden. Dieser Beratungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Sobald wir dazu eine Stellungnahme abgeben können, werden wir sie Ihnen auch geben. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Frage 36 des Abgeordneten Herbert Behrens, die Frage 37 des Abgeordneten Oliver Krischer, die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Stephan Kühn sowie die Frage 40 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms werden schriftlich beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zur Verfügung. Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Peter Meiwald auf: Wann genau plant die Bundesregierung, einen ressortabgestimmten Referentenentwurf für das Wertstoffgesetz vorzulegen, zu dem die Länder und Verbände dann Stellung nehmen können, und wann sind Kabinetts-, Bundesrats- und Bundestagsbefassung zu dem Wertstoffgesetz geplant? Bitte, Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Meiwald, nachdem sich die Koalitionsfraktionen im Sommer dieses Jahres auf Eckpunkte eines modernen Wertstoffgesetzes verständigt hatten, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 21. Oktober 2015 einen Arbeitsentwurf vorgelegt. Geplant ist, den Referentenentwurf Anfang nächsten Jahres zu veröffentlichen. Die Kabinettsbefassung und die Beratung in Bundestag und Bundesrat sollen im Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, „im Laufe des nächsten Jahres“ heißt ja, dass wir bezüglich der parlamentarischen Befassung, nämlich bis es dann in den Gremien und im Bundesrat behandelt worden ist, schon ziemlich ans Limit der Legislatur kommen. Können Sie „im Laufe des nächsten Jahres“ präzisieren? Können wir damit rechnen, dass wir schon im ersten Halbjahr nächsten Jahres die erste Lesung im Bundestag durchführen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Meiwald, Sie wissen, dass wir noch Beratungsbedarf haben. Insofern kann ich da keine weitere Präzisierung vornehmen. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne. – Da es von kommunaler Seite, vonseiten der Gewerkschaften und von den im Bundestag vertretenen Fraktionen – auch von denen, die die Regierung stützen – sehr viel Kritik zu dem ersten Arbeitsentwurf gegeben hat, gibt es in der Fachszene schon jetzt die Diskussion, ob überhaupt noch angestrebt wird, in dieser Legislaturperiode zu einem Gesetz zu kommen, oder ob man nicht sagen wird: Okay, wir schaffen es nicht, uns zu einigen. – Dann würde es auch in dieser Wahlperiode kein Wertstoffgesetz geben und damit keine dynamischen Recyclingquoten, keine Verlässlichkeit für diejenigen, die in diesem Bereich investieren wollen; und hier müssen wir ja eine Menge tun. Können Sie ausschließen, dass es in dieser Legislaturperiode nicht mehr gelingt, ein Gesetz zu verabschieden? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Meiwald, wie Sie schon gesagt haben, hat die Arbeit an einem neuen Gesetz schon in der letzten Legislaturperiode begonnen. Wir werden alles daransetzen, dass wir in dieser Legislaturperiode zu einem modernen Wertstoffgesetz kommen. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Haßelmann hat dazu eine Frage. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, da Sie gerade gesagt haben, dass die Einigung der Koalitionsfraktionen von Union und SPD auf die Eckpunkte eines Wertstoffgesetzes die Grundlage für den Arbeitsentwurf war, möchte ich Sie noch einmal dezidiert danach fragen. Im Eckpunktepapier der Regierungsfraktionen war ja angekündigt und fest verankert, dass es ein Durchgriffsrecht der Kommunen gegenüber dem beauftragten Entsorger geben soll. Warum ist gerade dieser Punkt im Arbeitsentwurf eigentlich nicht mehr enthalten? Vizepräsident Peter Hintze: Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Meine Antwort kommt sofort. – Wir haben versucht, ein Durchgriffsrecht im Arbeitsentwurf praktikabel umzusetzen. In dem Zusammenhang war das als solches nicht unmittelbar abbildbar. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee! Das war ja keine Antwort!) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Haßelmann, Sie müssen es gleich bei Ihren Fragen versuchen. Ich rufe jetzt Frage 42 des Kollegen Meiwald mit der gleichen Grundthematik auf: Welche Mengen an Wertstoffen aus dem Hausmüll werden nach Berechnung des BMUB voraussichtlich zusätzlich recycelt, sollten die im Arbeitsentwurf des Wertstoffgesetzes enthaltenen neuen Regelungen so umgesetzt werden wie von der Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks vorgeschlagen, und welche Auswirkungen hätte dies nach Einschätzung des BMUB auf den Ressourcen- und Klimaschutz oder weitere umweltpolitische Ziele? Bitte, Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Studien und Modellprojekte haben gezeigt, dass mit der flächendeckenden Einführung einer einheitlichen haushaltsnahen Wertstofferfassung die getrennt erfasste Menge jährlich um rund 7 Kilogramm pro Einwohner gesteigert werden könnte und davon jährlich rund 5 Kilogramm Wertstoffe pro Einwohner zusätzlich dem Recycling zugeführt werden könnten. Dies entspräche einem Mengenzuwachs von insgesamt ungefähr 415 000 Tonnen pro Jahr für das Recycling. Angesichts der vorgesehenen deutlichen Erhöhung der Verwertungsquoten wird davon ausgegangen, dass diese zusätzlich getrennt erfassten Abfälle auch tatsächlich recycelt werden. Mit Blick auf Ressourcenschutz und Klimaschutz sind jedoch nicht nur die Quoten oder die Mengen, die recycelt werden, relevant. Wichtig sind auch die Effizienz und vor allem die Qualität des Recyclings, die vorgesehenen Anreize für eine recyclinggerechte Produktgestaltung und die Anreize zur Abfallvermeidung, die zum Beispiel von der Erweiterung der Produktverantwortung auf die sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen ausgehen. Vizepräsident Peter Hintze: Nachfrage, Herr Kollege? Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, vielen Dank. – Das, was Sie gerade angesprochen haben – die angestrebte Steigerung der Qualität des Recyclings und der recycelten Menge –, vermissen wir im bisherigen Entwurf. In den Fachgesprächen, die vorher in aller Breite in der Branche gelaufen sind, war immer wieder die Rede davon, dass wir gestaffelte Entgelte brauchen, um die Produktverantwortung an dem Punkt weiter anzureizen und die Unternehmen zu motivieren, ressourcenschonend auch Verpackungen zu produzieren. Wir finden im vorliegenden Entwurf nichts, was unsere Vorstellungen hinsichtlich einer Ressourcenabgabe oder auch die immer wieder von der Koalition in die Diskussion gebrachten gestaffelten Lizenzentgelte konkret abbildet. Haben Sie da konkrete Planungen, die nur bisher noch nicht sichtbar geworden sind? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Nein, wir sind noch in den Gesprächen, nachdem jetzt das Arbeitspapier auf dem Tisch liegt. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Meiwald? Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne. – Für die Mehrwegquote ist in der bisherigen Verpackungsverordnung ja eine Zielquote vorgesehen. Das ist jetzt in dem neuen Entwurf gar nicht mehr zu finden. Heißt dies, dass Sie sich einfach von dem Ziel verabschieden, 80 Prozent ökologisch vorteilhafte Verpackungen und Mehrwegverpackungen zu haben, oder werden Sie andere, neue Mechanismen einbringen, um diese Zielquote weiterhin zu erreichen? Was haben wir im Bereich Mehrwegförderung von Ihrem Ministerium zu erwarten? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie wissen ganz genau, dass wir eine hohe Recyclingquote wollen, weil wir die Wertstoffe als solche wiedergewinnen wollen. Ich möchte darauf verweisen, dass tatsächlich 80,9 Prozent der in Deutschland in Verkehr gebrachten Verpackungen, die in privaten Haushalten anfallen, dem Recycling zugeführt werden. Ich möchte auch noch einmal die Zahlen zu den einzelnen Materialien nennen: Bei Kunststoffverpackungen sind es 51 Prozent, bei Papier 89,4 Prozent, bei Flüssigkartons 75,2 Prozent. Da Sie das Thema Flaschenrecycling angesprochen haben – in diesem Bereich haben wir in diesem Jahr mehrere Diskussionen geführt, auch weil Hersteller auf andere Verpackungsarten umgestellt hatten –: Es gibt einen Bericht, in dem die Entwicklung in diesem Bereich dargestellt wird; daraus geht hervor, dass mehr Bier- als Limonadenflaschen recycelt werden. Wir verfolgen immer den Ansatz: So viel Mehrwegverpackungen wie möglich, wenn sie vom ökologischen Fußabdruck her sinnvoll sind und auch wieder genutzt werden. (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Gesetzentwurf nicht drin!) Vizepräsident Peter Hintze: Jetzt kommt eine Frage von Frau Kollegin Haßelmann, danach vom Kollegen Dr. Gebhart. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, Sie können sich sicherlich vorstellen, dass mich Ihre Antwort vorhin nicht zufriedengestellt hat. Es ist lächerlich, wenn Sie sagen: Das Durchgriffsrecht war nicht abbildbar. – Vielmehr haben Sie es dann nicht abgebildet, und zwar aus dem Grund, weil Sie sich im Widerstreit zwischen privaten Entsorgern, die sich massiv gegen das Durchgriffsrecht gewehrt haben, und den kommunalen Interessen einfach dafür entschieden haben, es fallen zu lassen. Also noch einmal die Frage: Planen Sie für den Referentenentwurf ein deutlich stärkeres Durchgriffsrecht, wie es die kommunalen Spitzenverbände, der VKU, die Gewerkschaften und sämtliche Verbände bis hin zu sämtlichen kommunalpolitischen Vereinigungen aller im Bundestag vertretenen Parteien fordern – die Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Fraktion genauso wie die SPD und die Grünen? Planen Sie, im Referentenentwurf ein Durchgriffsrecht für die Kommunen vorzusehen, oder beugen Sie sich da den Interessen der Industrie? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich weise die Behauptung, dass sich unser Ministerium irgendwelchen Interessen beugt, weit von mir. Wir werden den Vorgang gründlich prüfen. Lassen Sie mich noch einmal auf das Durchgriffsrecht zu sprechen kommen und darauf verweisen, dass die Kommunen ein sogenanntes Rügerecht haben, um vor der offiziellen Einleitung von Durchgriffsmaßnahmen auf mildere Art und Weise auf den vom Dualen System beauftragten Entsorger einzuwirken. Eine Art Durchgriffsrecht ergibt sich aus dem Anspruch der Kommunen, von Betreibern dualer Systeme verlangen zu können, sich bezüglich der Abstimmungsvereinbarung der sofortigen Vollstreckung zu unterwerfen. Bei einem Verstoß eines Betreibers eines dualen Systems gegen eine Pflicht aus der Abstimmungsvereinbarung kann die Kommune also sofort Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, wozu auch die Möglichkeit der Ersatzvornahme zählt. Auf diesem Wege könnte die Kommune ein von dem Dualen System beauftragtes Entsorgungsunternehmen oder ein anderes Entsorgungsunternehmen im Wege der Ersatzvornahme beauftragen, eine unterlassene Leistung vorzunehmen. So ist es jetzt im Arbeitsentwurf vorgesehen. Wie gesagt: Wir befinden uns immer noch in Gesprächen mit allen Stakeholdern, mit den Kommunen, mit den privaten Anbietern und auch mit Ihnen. Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Frage: Herr Dr. Gebhart. Danach Christian Kühn von Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir sind uns sicherlich alle einig, dass wir ein Wertstoffgesetz brauchen, weil es bestimmte Vorteile mit sich bringt. Jetzt haben die Grünen ein eigenes Modell dazu vorgelegt, das insbesondere in ökologischer Hinsicht alles andere als ein Fortschritt wäre. Es würde vor allem höhere Gebühren für die Verbraucher bedeuten. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn das mit der Regierungsbefragung zu tun?) Vor diesem Hintergrund würde mich die Einschätzung der Bundesregierung in Bezug auf höhere Gebühren für Verbraucher im Zusammenhang mit dem Wertstoffgesetz interessieren. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja sehr plump, junger Mann!) Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Gebhart, im Dualen System liegt die Verantwortung beim Hersteller bzw. bei demjenigen, der die Produktverantwortung hat. Ich gehe davon aus, dass die Kosten für die Verpackung vom Hersteller eingepreist werden; darüber wird der Bürger es bezahlen. An den Abfallgebühren wird sich wahrscheinlich nichts ändern. Davon gehe ich aus. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ging jetzt aber nach hinten los!) Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Frage: Abgeordneter Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Frau Kollegin Staatssekretärin, wenn alles prima ist, wie erklären Sie sich dann die Aussage zum Beispiel des Kollegen Liebing, der mit mir im Unterausschuss Kommunales ist – er ist ja auch Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Fraktion – und sagt: Diesen Gesetzentwurf kann man einsammeln und entsorgen. – Die Kritik ist ja auch angebracht, da die Kommunen durch den Gesetzentwurf in eine völlige Schieflage geraten und eben nicht zu ihrem Recht kommen. Ihre Interessen werden nicht so berücksichtigt, dass wir zu einem Wertstoffgesetz kommen, das wirklich zukunftsfähig ist. Wenn ich mir noch eine Bemerkung erlauben darf: Im Augenblick zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr viel, nämlich über die Umlage bei jeder einzelnen Verpackung. Das muss eigentlich in die Betrachtung einbezogen werden. Ich glaube, unterm Strich bringt der Gesetzentwurf, den wir Grüne eingebracht haben mit der darin vorgesehenen Lösung, wie man mit Wertstoffen umgeht, für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland für Entsorgung und Recycling deutlich geringere Kosten mit sich. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Kühn, wir haben die Reaktionen der Abgeordneten, der kommunalen Arbeitsgemeinschaften, des Deutschen Landkreistages und auch der Privatwirtschaft durchaus zur Kenntnis genommen. Das hat uns auch veranlasst, noch weitere Gespräche führen. Vizepräsident Peter Hintze: Ich rufe die Frage 43 der Abgeordneten Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche Bereiche des Arbeitsentwurfs für ein Wertstoffgesetz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 21. Oktober 2015 überarbeitet die Bundesregierung aktuell, um der Kritik der kommunalen Spitzenverbände, Gewerkschaften, Umweltverbände, der Landesumweltminister von Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen und auch aus den eigenen Reihen der Regierungsparteien (wie der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands; vergleiche Pressemitteilung vom 23. Oktober 2015) zu begegnen, insbesondere dazu, den dualen Systemen die vollständige Verantwortung für die Sammlung der Wertstoffe im Siedlungsabfall zu übertragen und diese den Kommunen zu entziehen, und welche Korrekturen beabsichtigt sie vorzunehmen, um die geforderte Organisationsverantwortung und Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen zu stärken? Frau Staatssekretärin, bitte. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Kollegin Haßelmann, der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit am 21. Oktober 2015 veröffentlichte Arbeitsentwurf für ein Wertstoffgesetz dient, wie ich das vorhin schon gesagt hatte, der Umsetzung der Eckpunkte, auf die sich die Koalitionsfraktionen im Juni dieses Jahres geeinigt haben. Der Arbeitsentwurf sieht vor, die seit 25 Jahren bestehende Produktverantwortung der Hersteller und Vertreiber bei der haushaltsnahen Wertstoffsammlung von Verpackungen auf weitere Produkte aus Metall und Kunststoff zu erweitern. Die Verantwortung für die Erfassung, Sortierung und Verwertung der getrennt erfassten Abfälle bleibt bei den Produktverantwortlichen. Das gilt sowohl für die Finanzierung als auch für die operative Durchführung. Die Kommunen erhalten jedoch zusätzliche Einfluss- und Durchgriffsrechte und können damit zukünftig die Sammelstruktur bestimmen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit führt derzeit Gespräche mit Vertretern der beteiligten Kreise, mit Ländern, Kommunen und Abgeordneten. Dabei geht es unter anderem um die Forderung, den Kommunen eine noch stärkere Stellung einzuräumen, bis hin zu einer kommunalen Verantwortung für die Sammlung. In den Gesprächen geht es aber auch um weitere wichtige Punkte wie zum Beispiel die vorgesehenen hohen ökologischen Anforderungen und um die Zentrale Stelle. Nach Abschluss der Gespräche wird das Bundesumweltministerium einen Referentenentwurf erarbeiten, der diese Ergebnisse berücksichtigt. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Frau Kollegin Haßelmann? Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie mir doch noch einmal den Werdegang dieses Arbeitsentwurfs erläutern. Sie müssen doch in Ihrem Ministerium zur Kenntnis genommen haben, dass von den kommunalen Spitzenverbänden über die Gewerkschaften und den Verband kommunaler Unternehmen bis hin zu neun Landesregierungen alle unisono sagen: Die Gewichtung, die Sie im Referentenentwurf vornehmen, nämlich die Beschneidung der Organisationshoheit und der Steuerungsfähigkeit der Kommunen bezüglich der Verantwortung für die Wertstoffe, ist maximal katastrophal. Ich kenne niemanden, der das anders sieht – mit Ausnahme der privaten Unternehmen, die das Duale System umsetzen. Außer denen gibt es niemanden in der ganzen Republik, der diesen Entwurf auch nur ansatzweise gut findet. Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, eine Akzentverschiebung durch Einführung eines Rügerechts vorzunehmen, obwohl rechtlich und fachlich klargestellt ist, dass es keine verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gibt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin Haßelmann, ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Wenn alle unzufrieden sind, hat man sich irgendwo in der Mitte getroffen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind ja nicht alle unzufrieden! Es gibt eine Gruppe, die nicht unzufrieden ist!) – Auch die Industrie, auch die Privatwirtschaft hat unseren Arbeitsentwurf nicht nur gelobt, sondern auch kritisiert. Auch von dort gibt es Kritik. Das möchte ich doch noch einmal betonen. – Wir nehmen diese Kritik ernst und gehen jetzt noch einmal in die Gespräche. Dann werden wir einen Referentenentwurf erarbeiten. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage, Frau Haßelmann? Es gibt aus Ihren Reihen auch noch weitere Wünsche nach Zusatzfragen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Würden Sie denn wenigstens eingestehen, dass wir, wenn das von Ihnen angeführte Rügerecht umgesetzt wird, nicht länger von einem Steuerungs- und Organisationsrecht der Kommunen reden können? Weil man durch ein Rügerecht – das ist ja klar – nur noch eine Einspruchsmöglichkeit und keine Steuerungsmöglichkeit mehr hat. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie haben gerade eben gefragt, ob wir darüber nicht noch mehr reden können. Ich habe gerade mehrfach versucht, darauf hinzuweisen, dass wir jetzt sehr wohl noch einmal über diesen Arbeitsentwurf reden und in Gesprächen sind. Vizepräsident Peter Hintze: Die nächste Frage hierzu hat der Kollege Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke sehr. – Neben dem, was wir gerade schon angesprochen haben, gibt es ja auch eine Schieflage zulasten der Kommunen, die Sie eingebaut haben, indem Sie den Betreibern Dualer Systeme einen Herausgabeanspruch für die Papier-, Pappe- und Kartonverpackungen zukommen lassen wollen. Haben Sie eine Einschätzung darüber, wenn man diese Rosinenpickerei wirklich zulassen würde, in welchem Umfang dann die kommunalen Abfallgebühren steigen würden? Denn die Kommunen refinanzieren bisher zum Teil ihre Abfallwirtschaftsbetriebe auch dadurch, dass sie zumindest in dem Bereich keine Verluste machen. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wie gesagt, es wurde erweitert, aber ich kann Ihnen aus meiner eigenen kommunalen Erfahrung sagen, dass es in Deutschland durchaus sehr heterogen geregelt ist und die Kommunen sehr unterschiedliche Erfahrungen machen. Teils lassen sie es Private organisieren, teils organisieren sie es selber. Auch mir ist natürlich bekannt, dass viele Kommunen dadurch, dass sie Papiersammlungen über Vereine organisieren, die Finanzierung anderer Dinge ermöglichen. Konkrete Zahlen kann ich Ihnen jetzt nicht nennen. Diese müsste ich Ihnen dann nachliefern. (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte!) Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, Sie haben jetzt mehrfach angesprochen, dass Sie noch in einem Abstimmungsprozess sind. Mich würde interessieren: Gehen Sie in diesem Abstimmungsprozess noch einmal aktiv auf die kommunalen Spitzenverbände zu? Gehen Sie noch einmal aktiv auf die Umweltverbände und auch auf andere Stakeholder zu, die sich in diesem Bereich bewegen, um am Ende zu einem Gesetzentwurf zu kommen, der uns wirklich einen Schritt weiterbringt und auch der kommunalen Familie eine Möglichkeit bietet, ihr Know-how in diesem Bereich wirklich einzubringen und ihre Grundlagen der Daseinsvorsorge einen Schritt nach vorne zu bringen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wie schon zu Beginn gesagt, Herr Kollege Kühn, ist uns viel daran gelegen, dass wir dieses Wertstoffgesetz in dieser Legislaturperiode verabschieden; das wollen wir. Natürlich gehört dazu auch, dass wir uns mit den einzelnen Verbänden und Stakeholdern weiterhin aktiv auseinandersetzen bzw. einen Dialog führen. Vizepräsident Peter Hintze: Frage 44 der Abgeordneten Britta Haßelmann: Welche inhaltlichen Fragen wurden beim Treffen des BMUB mit den kommunalen Spitzenverbänden zum Entwurf des Wertstoffgesetzes am 23. November 2015 konkret besprochen, und welches Ergebnis wurde bei diesem Treffen erzielt? Bitte, Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Arbeitsentwurf auch mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert. Ein inhaltlicher Schwerpunkt lag in der Frage der Organisationsverantwortung für die Entsorgung der wertstoffhaltigen Abfälle und insbesondere der konkreten Ausgestaltung der kommunalen Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten. Das ist etwas, was wir ja jetzt schon die ganze Zeit miteinander konkretisiert hatten. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja, das ist schon klar!) Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich hatte ja nach konkreten Ergebnissen aus diesem Gespräch gefragt. Da Sie es von sich aus nicht nennen, frage ich noch einmal nach. Nach meinen Informationen ist es so, dass gemäß dem Arbeitsentwurf die Organisationshoheit der Kommunen, die wir ja alle fordern, durch das Rügeprinzip ersetzt werden soll und dass die kommunalen Spitzenverbände ganz unisono und einheitlich dieses Rügeprinzip ablehnen und es nicht als Ersatz für die Organisationshoheit betrachten. Ich gehe davon aus, dass das in dem Gespräch am 23. November deutlich gemacht worden ist. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Haßelmann, ich möchte darauf hinweisen, dass die Gespräche vertraulich waren. Auch wenn Sie schon von den Stakeholdern Erkenntnisse aus den Gesprächen haben, möchte ich einfach von unserer Seite auf die Vertraulichkeit hinweisen. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Dann kommen wir zur Frage 45 des Abgeordneten Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke: Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung zur Erarbeitung des Referentenentwurfs für ein Wertstoffgesetz Kontakt zwischen Mitarbeitern von Bundesministerien und externen Fachkräften von Anwaltskanzleien und Beratungsgesellschaften und, wenn ja, mit welchen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Lenkert, die Arbeiten zur Vorbereitung der Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung zu einem Wertstoffgesetz begannen früh in der letzten Legislaturperiode; das haben wir alle hier jetzt schon mitbekommen. Zunächst wurden mehrere Forschungsvorhaben und insbesondere ein Planspiel mit Vertretern aller relevanten Stakeholder-Gruppen durchgeführt. Auftragnehmer waren mehrere wissenschaftliche Institute und die Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs. Von Anfang an führte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit den Dialog mit den beteiligten Kreisen, insbesondere mit Vertretern von Ländern, Kommunen und Wirtschaftsverbänden, kommunalen und privaten Unternehmen, Umwelt- und Verbraucherverbänden. Zu diesem Dialog gehören Gespräche und Schriftwechsel mit einer großen Zahl von Beteiligten, darunter auch Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen. Weitere Gespräche finden derzeit zum Arbeitsentwurf statt, der auf der Grundlage der Eckpunkte der Koalitionsfraktionen vom Juni des Jahres 2015 von den zuständigen Mitarbeitern des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit erarbeitet wurde und an dessen Ausfertigung keine externen Berater mitgewirkt haben. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Der Arbeitsentwurf weicht aus unserer Sicht doch deutlich von dem Eckpunktepapier, das die Koalitionsfraktionen vereinbart haben, ab. Deswegen noch einmal die Frage: Inwieweit waren externe Berater in die Erarbeitung des Arbeitsentwurfes einbezogen, und gab es ganz spezielle Kontakte im Zusammenhang mit dem Arbeitsentwurf? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Lieber Herr Kollege Lenkert, ich habe Ihnen gerade gesagt, dass an seiner Erarbeitung und Anfertigung keine externen Berater mitgewirkt haben. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege, oder soll ich die nächste Frage aufrufen? – Die nächste. Dann rufe ich Frage 46, ebenfalls vom Abgeordneten Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke, auf: Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung darüber hinaus persönliche Kontakte von Mitarbeitern des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und deren Vorgesetzten, die an der Erarbeitung des Referentenentwurfs eines Wertstoffgesetzes beteiligt waren, zu Anwaltskanzleien, Beratungsgesellschaften und Unternehmen der privaten Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft und, wenn ja, welche? Bitte, Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Lenkert, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMUB, die an der Erarbeitung eines Arbeitsentwurfes beteiligt waren, haben sehr häufig mit Vertretern der in der Frage genannten Gruppen – genauso wie zu weiteren gesellschaftlichen Gruppen – Kontakt. Diese Kontakte sind nicht nur erforderlich, um Erkenntnisse zu gewinnen und Sachverhalte zu vermitteln, sondern es kommt natürlich im Rahmen der förmlichen Anhörungen, die ja auch gesetzlich verpflichtend sind, zu Kontakten – das ist ja auch bei Ihnen so – mit den Stakeholdern, die ich gerade noch einmal benannt habe. Vizepräsident Peter Hintze: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenkert? – Bitte schön. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Frau Staatssekretärin, ich fragte explizit, ob es über die normale Arbeitsebene hinausgehende persönliche Kontakte zwischen Mitarbeitern des Ministeriums und Vertretern der privaten Entsorgungswirtschaft gibt. Mir liegt die Einladung eines Mitarbeiters des Ministeriums – den Namen möchte ich jetzt nicht nennen – zu einer Veranstaltung der cyclos GmbH vor. Er wird zur Präsentation einer Urlaubsreise in die Karibik und zum privaten Gespräch in die Räume des Unternehmens eingeladen. Das sind für mich weit über das Übliche hinausgehende Kontakte zur cyclos GmbH, und das stimmt mich doch sehr skeptisch. Darüber hinaus liegt mir ein Schreiben vor, das von einem Syndikusanwalt – den Namen möchte ich ebenfalls nicht nennen – unterzeichnet worden ist. Der Syndikusanwalt ist Sohn eines Mitarbeiters des Umweltministeriums, der für die Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes verantwortlich ist. Deswegen noch einmal meine Nachfrage: Wie wollen Sie bei diesen engen persönlichen Kontakten, die weit über die normalen Arbeitskontakte hinausgehen, sicherstellen, dass der Arbeitsentwurf nicht einseitig zugunsten der privaten Entsorgungswirtschaft gestaltet worden ist, insbesondere da so große Abweichungen vom Eckpunktepapier der Koalitionsfraktionen vorliegen? Vizepräsident Peter Hintze: Frau Staatssekretärin. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Lieber Herr Lenkert, mir ist der Vorgang so nicht bekannt, aber wir werden dem nachgehen. Vizepräsident Peter Hintze: Zweite Zusatzfrage, Herr Lenkert? – Bitte. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Wenn sich dieser Vorgang auch aus Ihrer Sicht bestätigt – ich kann Ihnen die Dokumente gern zur Verfügung stellen –, würden Sie den Arbeitsentwurf dann komplett zurückziehen und ihn von anderen Mitarbeitern neu erstellen lassen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Dann würden wir prüfen, welchen Einfluss das hatte. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Na toll!) Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. Die Fragen 47 und 48 der Abgeordneten Katrin Kunert sowie die Fragen 49 und 50 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 51 des Abgeordneten Niema Movassat wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Frage 52 des Abgeordneten Herbert Behrens, die Frage 53 der Abgeordneten Tabea Rößner, die Frage 54 des Abgeordneten Oliver Krischer, die Frage 55 der Abgeordneten Bärbel Höhn und die Frage 56 der Abgeordneten Renate Künast werden schriftlich beantwortet. Wir sind am Ende der Fragestunde und damit auch am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 17. Dezember 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.29 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 16.12.2015 Ehrmann, Siegmund SPD 16.12.2015 Gabriel, Sigmar SPD 16.12.2015 Groth, Annette DIE LINKE 16.12.2015 Heinrich, Gabriela SPD 16.12.2015 Jantz, Christina SPD 16.12.2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Kunert, Katrin DIE LINKE 16.12.2015 Liebing, Ingbert CDU/CSU 16.12.2015 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 16.12.2015 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Nüßlein, Dr. Georg CDU/CSU 16.12.2015 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Röring, Johannes CDU/CSU 16.12.2015 Spinrath, Norbert SPD 16.12.2015 Veit, Rüdiger SPD 16.12.2015 Verlinden, Dr. Julia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE 16.12.2015 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Weber, Gabi SPD 16.12.2015 Wicklein, Andrea SPD 16.12.2015 Wilms, Dr. Valerie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16.12.2015 Anlage 2 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 1): Welche (anderen) Erkenntnisse zur Einschätzung der neuen Führung Saudi-Arabiens und zu den aktuellen außenpolitischen Aktivitäten des Landes liegen der Bundesregierung vor, dass sie sich vehement von der jüngst veröffentlichten Analyse des Bundesnachrichtendienstes (BND), der der neuen Führung Saudi-Arabiens eine „aggressivere Außenpolitik“ und „impulsive Interventionspolitik“ attestiert (vergleiche www.sueddeutsche.de/politik/saudi-arabien-bundesregierung-empoert-sich-ueber-bnd-1.2765939 vom 3. Dezember 2015), distanziert, und wie hat sich die Bundesregierung in anderen Fällen öffentlicher Einschätzungen des BND bisher verhalten (bitte auflisten nach Zustimmung/Distanzierung)? Die Bundesregierung betrachtet Saudi-Arabien als wichtigen Partner in einer von Krisen geschüttelten Weltregion. Wer Lösungen der Krisen in der Region voranbringen will, braucht konstruktive Beziehungen zu Saudi-Arabien. Dies gilt für den Konflikt in Jemen, zu dem diese Woche mit saudi-arabischer Unterstützung erstmals Direktgespräche zwischen Regierung und Huthis aufgenommen werden. Aber auch und insbesondere für Syrien kommt Saudi-Arabien große Bedeutung zu: Saudi-Arabien unterstützt in Syrien bewaffnete Oppositionsgruppen im Kampf gegen IS und ist Teil der „International Syria Support Group“, die sich in Wien um einen politischen Prozess zur Lösung des Syrien-Konflikts bemüht. Saudi-Arabien hat am 9. und 10. Dezember bei einer Konferenz in Riad die Rahmenbedingungen geschaffen, zum einen für die Bildung eines Verhandlungsteams der fragmentierten syrischen Opposition und zum anderen für die Einigung auf eine gemeinsame inhaltliche Grundlage. Dies ist für den Erfolg des Wiener Prozesses ein ganz entscheidender Fortschritt. Konstruktive Zusammenarbeit bedeutet selbstverständlich auch, dass Differenzen angesprochen werden. Dies gilt insbesondere für Menschenrechtsfragen, die die Bundesregierung regelmäßig gegenüber Saudi-Arabien anspricht. Anlage 3 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 3): Inwieweit hat die Bundesregierung (auch nachrichtendienstliche) Kenntnisse darüber, dass die Capital Bank of Jordan, an welcher auch unter anderem eine der größten US-Banken, die Bank of New York, über eine libanesische Tochter beteiligt ist, Filialen in den von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ kontrollierten Gebieten, wie beispielsweise im nordirakischen Mosul, betreibt (search4dinar.wordpress.com/2015/06/23/capital-bank-of-jordan-business-branch-in-mosul-going-about-normal-and-are-optimistic-the-iraqi-market/) und dass der Präsident dieser Bank die Präsenz in den IS-Gebieten als „business as usual“ verteidigt (www.cnbc.com/2015/05/22/capital-bank-says-its-business-as-usual-in-mosul.html)? Die Bundesregierung verfügt über keine derartigen Erkenntnisse. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 6): Welche Banken und anderen finanziellen Institutionen (Stiftungen etc.) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mit Sanktionen belegt, da sie finanzielle Transaktionen mit der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ unternommen haben (www.reuters.com/article/us-france-shooting-usa-sanctions-insight-idUSKBN0TD0BI20151124#cZvTUcdFp0c9EccK.97; bitte auflisten, wer die Sanktionen beschlossen hat und wann)? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im Rahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union keine Sanktionen gegen Finanzinstitute unter ISIS-Kontrolle beantragt oder eingeleitet. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Terrororganisation ISIS unter den von ihr jeweils verwendeten Bezeichnungen bereits seit dem Jahr 2004 als terroristische Organisation im Rahmen des Sanktionsregimes gegen al-Qaida gelistet. Die Sanktionen des VN-Sicherheitsrates – die über die Europäische Union auch von Deutschland konsequent in nationales Recht umgesetzt werden – beinhalten Vermögenseinfrierungen inklusive Kontensperrungen, Reiseverbote und ein Waffenembargo. Mit VN-SR-Resolution 2170 (2014) wurden zusätzlich Personen auf der al-Qaida-Liste des VN-Sicherheitsrates, insbesondere auch mit Zielrichtung der Verhinderung des illegalen Ölhandels, gelistet. In Umsetzung der Sanktionsbeschlüsse werden Zahlungen von und an gelistete Personen durch die Monitoring-Systeme der Banken kontrolliert und gegebenenfalls unterbunden. Sofern Zahlungen über das Bankensystem abgewickelt werden, wird damit auch die Finanzierung von ISIS über illegale Ölverkäufe erfasst. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die oben genannten Sanktionen mit dazu beigetragen haben, dass die Einnahmen von ISIS durch illegale Ölverkäufe zurückgegangen sind. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 8): Was sind aus Sicht der Bundesregierung die Hinderungsgründe dafür, dass es bisher zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission keinen regelmäßigen Austausch über verdächtige Finanzströme im Zusammenhang mit dem IS/Daesh gibt, und welche Maßnahmen aus der französischen Liste zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung werden von der Bundesregierung mit unterstützt (www.tagesschau.de/ausland/finanzminister-terrorfinanzierung-101.html)? Hinsichtlich der Erörterung von Bekämpfungsansätzen, Strategien und bereits implementierten Verfahrensweisen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung sowie eines Erkenntnisaustausches zur Finanzierung des sogenannten Islamischen Staates erfolgt auf internationaler Ebene ein regelmäßiger Austausch in verschiedenen Foren. So erfolgt ein intensiver Informationsaustausch der europäischen Ermittlungsbehörden über EUROPOL, bei der wichtige Informationen zu organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung zusammengeführt und bewertet werden. Ebenso erfolgt ein Austausch von Informationen der europäischen Zentralstellen für Verdachtsmeldungen (sogenannte Financial Intelligence Units – FIUs), sollten Tatsachen auf die Begehung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung hinweisen und zusätzliche Informationen der Nachbarstaaten erforderlich sein. Ein weiteres Forum ist die Financial Action Task Force (FATF), welche die internationalen Standards zur Geldwäschebekämpfung und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung setzt. Die Europäische Kommission nimmt hier als reguläres Mitglied der FATF regelmäßig an den Sitzungen der FATF teil. Die von Frankreich vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung werden von der Bundesregierung im Wesentlichen unterstützt. Dazu gehört die Novellierung des auf Europäischem Recht beruhenden Systems zum Einfrieren von Vermögensgegenständen beim Verdacht auf Terrorismusfinanzierung. Ferner befürworten wir die nationale Einführung von zentralen Bankkontenregistern und eine bessere Überwachung von Prepaidkarten und anderen anonymen Zahlungsinstrumenten. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 9): Warum wurde vonseiten der Bundesregierung und der EU bisher nichts unternommen, um Geldtransaktionen vom Ausland an den IS über den Weg von Banken im Irak, die Filialen im vom IS besetzten Gebiet unterhalten, zu verhindern (www.welt.de/politik/ausland/article148965354/So-finanziert-sich-der-Islamische-Staat.html), und warum wurden bisher von der Bundesregierung und der EU keinerlei Aktivitäten ausgelöst, die jordanische Regierung, einen offiziellen Verbündeten im Kampf gegen den IS-Terror, anzuhalten, die über ihre Banken laufenden Geldtransaktionen an den IS zu unterbinden? Gemeinsam mit den Partnern der Anti-ISIS-Koalition (ISIS – Islamischer Staat im Irak und in Syrien) verfolgt die Bundesregierung die Anstrengungen der irakischen Regierung zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung aufmerksam. Insbesondere innerhalb der Counter ISIL Finance Group (CIFG) erfolgt dabei ein regelmäßiger Austausch zu erkannten Risiken, aber auch zu Best-Practice-Beispielen mit den Staaten der betroffenen Region sowie die Golfstaaten, darunter auch Irak und Jordanien. Zudem müssen Banken, deren Filialen sich in unmittelbarer Nähe zu den vom IS besetzten Gebieten befinden, von ihren ausländischen Geschäftspartnern (in der Europäischen Union) im Rahmen ihrer Korrespondenzbankbeziehung regelmäßig auf die Einhaltung der internationalen Geldwäschestandards nach den Vorgaben der EU-Geldwäscherichtlinie überprüft werden. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 10): Wie hoch ist die Zahl der im EASY-System registrierten Asylsuchenden im Monat November 2015 (soweit vorliegend, bitte nach den zehn relevantesten Herkunftsländern und, soweit damit nicht erfasst, ergänzend nach den Westbalkanländern Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien darstellen), und wie soll die Erwartung der Innenministerkonferenz (Beschluss vom 3. Dezember 2015 zu TOP 37) erfüllt werden, dass sich die Asylverfahrensdauer durch Einzelfallprüfungen und Anhörungen bei allen Asylsuchenden nicht verlängern soll, wenn der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, bereits erklärt hat, dass dies die Verfahren wieder verlängern und den Abbau des Rückstaus unerledigter Anträge erschweren wird (Reuters vom 1. Dezember 2015; bitte ausführen)? Insgesamt wurden im Monat November 2015 insgesamt 206 101 Asylsuchende im EASY-System erfasst. Die meisten EASY-Zugänge wurden aus dem Herkunftsland Syrien verzeichnet (97 463 Zugänge, 47,29 Prozent). Dem folgen in absteigender Reihenfolge EASY-Zugänge aus den Herkunftsländern Afghanistan (44 846 Zugänge, 21,76 Prozent), Irak (24 678 Zugänge, 11,97 Prozent), Iran (10 080 Zugänge, 4,89 Prozent), Pakistan (3 655 Zugänge, 1,77 Prozent), Marokko (2 690 Zugänge, 1,31 Prozent), Libanon (2 648 Zugänge, 1,28 Prozent), Algerien (2 293 Zugänge, 1,11 Prozent), Eritrea (1 947 Zugänge, 0,94 Prozent) und Somalia (1 466 Zugänge, 0,71 Prozent). Im Hinblick auf die Westbalkan-Staaten wurden im Monat November 2015 aus Albanien 713 Zugänge (0,35 Prozent), aus Bosnien und Herzegowina 259 Zugänge (0,13 Prozent), aus Kosovo 278 Zugänge (0,13 Prozent), aus der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien 482 Zugänge (0,23 Prozent), aus Montenegro 37 Zugänge (0,02 Prozent) und aus Serbien 679 Zugänge (0,33 Prozent) verzeichnet. Die Details des künftigen Verfahrens werden gegenwärtig durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgearbeitet und mit dem Bundesministerium des Innern abgestimmt. Aussagen zum konkreten Verfahren können daher gegenwärtig noch nicht getroffen werden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 11): Wieso richtet sich die Bundesregierung bei der Bestimmung der Gruppen Asylsuchender, die wegen eines zu erwartenden rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts zu Integrationskursen zugelassen werden können, nach der unbereinigten Gesamtschutzquote (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 11 der Abgeordneten Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) auf Bundestagsdrucksache 18/6760), in die auch Verfahrenseinstellungen und Dublin-Entscheidungen mit eingehen, obwohl Asylsuchende im Dublin-Verfahren und solche, die ihr Verfahren nicht betreiben, ohnehin nicht zum Integrationskurs zugelassen werden, und inwieweit werden die bisherigen vier insofern begünstigten Herkunftsländer um Afghanistan und Eritrea erweitert, da deren bereinigte Gesamtschutzquoten im dritten Quartal 2015 bei 86,1 bzw. 99,6 Prozent lagen (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 18/6860, zu Frage 1 b)? Vorab ist hervorzuheben, dass jeder Asylsuchende, dessen Asylverfahren positiv beschieden wurde, berechtigt ist, an Integrationskursen teilzunehmen. Bereits während des laufenden Asylverfahrens können Asylsuchende aus Eritrea ebenso wie Asylsuchende aus Syrien, Irak und Iran an Integrationskursen teilnehmen. Die Bundesregierung richtet die Entscheidung, ob für Asylsuchende aus den jeweiligen Herkunftsländern ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, danach, dass die Wahrscheinlichkeit einer Schutzgewährung größer ist als eine negative Asylentscheidung. Negative Asylentscheidungen können auf Basis formeller Gründe, wie beispielsweise das Nichtbetreiben des Verfahrens oder das Bestehen einer Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten für das Betreiben des Asylverfahrens gemäß Dublin-Verordnung, oder materieller Gründe bestehen. Daher wird für die Frage, welche Herkunftsländer für einen Integrationskurszugang von Asylsuchenden in Betracht kommen, das Kriterium der Gesamtschutzquote zugrunde gelegt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 13): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einem mir bekannten Sachverhalt, dass in Meldebescheinigungen von Asylsuchenden in Schleswig-Holstein brisante Gesundheitsdaten, wie zum Beispiel in Feld 9 „Familienangehörige“ der Vermerk „AIDS-infiziert“, eingetragen sind, und was unternimmt die Bundesregierung, damit sich solche Datenschutzverletzungen bei Gesundheitsdaten nicht wiederholen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zum vorgetragenen Sachverhalt vor. Es ist auch nicht ersichtlich, um welche Meldebescheinigung es sich in dem genannten Fall handeln soll. Es könnte die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) i. S. d. § 63 a des Asylgesetzes gemeint sein. Die BüMA wird einem Ausländer ausgestellt, der um Asyl nachsucht, aber noch keinen Asylantrag gestellt hat. In der BüMA werden keine Gesundheitsdaten erfasst. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 14): Teilt die Bundesregierung die Darstellung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ), dass bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterschiedliche Auslegungen der „guten Bleibeperspektive“ existieren (vergleiche http://biaj.de/archiv-kurzmitteilungen/36-texte-biaj-kurzmitteilungen/715-ba-und-bamf-zwei-abweichende-auffassungen-zu-mit-guter-bleibeperspektive-421-sgb-iii.html; bitte begründen), und aus welchem Grund wird der Kreis der Personen „mit guter Bleibeperspektive“, der bei der BA bis zum 31. Dezember 2015 über die Möglichkeit der Teilnahme an Sprachkursen nach § 421 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und beim BAMF über die Möglichkeit der Teilnahme an Integrationskursen entscheidet, in den einzelnen Bereichen unterschiedlich gefasst? Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung verkennt in seiner Darstellung, dass die unterschiedlichen Berechtigtenkreise bei den Integrationskursen und den Sprachkursen der Bundesagentur für Arbeit nach § 421 SGB III nicht das Resultat einer unterschiedlichen Auslegung der Bleibeperspektive von Asylsuchenden ist, sondern auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruht. § 44 Absatz 4 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sieht neben dem Zugang von Asylsuchenden, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, auch den Zugang von Geduldeten mit einer Duldung nach § 60 a Absatz 2 Satz 3 AufenthG oder Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG vor. Bei § 421 SGB III ist dies nicht der Fall; jene Sprachkurse der Bundesagentur für Arbeit stellen eine zeitlich befristete flankierende Maßnahme zum Regelinstrument der sprachlichen Förderung der Integrationskurse dar und sind auf den Personenkreis der Asylsuchenden, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, begrenzt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 15): Warum antwortete die Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 18/5804 nach der Anzahl der Fälle seit 2010, in denen je Dienst- oder Staatsgeheimnisse eines der Nachrichtendienste (MAD, BfV, BND) bzw. ihrer jeweiligen Fachaufsichtsstellen in Medien veröffentlicht wurden, es gebe keine systematische Auswertung der Medienberichterstattung im Hinblick auf Dienst- oder Staatsgeheimnisse, wenn das Bundeskanzleramt nun – nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Angaben hierzu offenzulegen sind – angibt, dass im Jahr 2015 bis einschließlich Oktober 29 Verstöße gegen die einschlägigen Geheimschutzvorschriften vorlägen, die auf Presseberichte zurückzuführen seien, im Jahr 2014 seien es 16 und im Jahr 2013 sechs gewesen (vergleiche www.tagesspiegel.de/politik/bundesnachrichtendienst-geheimnisverrat-beim-bnd-nimmt-zu/12686288.html vom 7. Dezember 2015), und welche Angaben macht die Bundesregierung nunmehr auch gegenüber dem Parlament zur Anzahl solcher Veröffentlichungen (bitte nach Jahren seit 2005 bis heute aufschlüsseln)? Ihre schriftliche Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 18/5804 wurde von der Bundesregierung durch meinen Kollegen, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Dr. Ole Schröder, am 18. August 2015 beantwortet: Da eine systematische Auswertung von Medienberichten – nach wie vor – nicht stattfindet, hat die Bundesregierung auch heute noch keine abschließenden Kenntnisse darüber, in wie vielen Fällen Dienst- und Staatsgeheimnisse in Medien veröffentlicht wurden. Diese Antwort steht nicht im Widerspruch zu den im Nachgang des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2015 (Az.: BVerwG 6 VR 2.15) gemachten Ausführungen des Bundeskanzleramts. Der Antragsteller begehrte lediglich Auskunft über Fälle, welche dem Bundeskanzleramt betreffend den Bundesnachrichtendienst bekannt sind, und erhob damit im Gegensatz zu Ihrer heutigen Frage keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die daraufhin übermittelten Angaben beziehen sich daher lediglich auf Fälle von Geheimnisverrat, von denen das Bundeskanzleramt ohne eine statistische Auswertung, sondern auf andere Art und Weise Kenntnis erlangt hat, und bieten keine Gewähr für Vollständigkeit. Über die in Rede stehenden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren genannten Fälle hinaus ist der Bundesregierung auch zum jetzigen Zeitpunkt eine abschließende Angabe von in Medien veröffentlichten nachrichtendienstlichen Dienst- oder Staatsgeheimnissen, insbesondere auch für die bis 2005 zurückliegenden Jahre, nicht möglich, da eine entsprechende systematische Auswertung von Presseveröffentlichungen – wie schon zuvor dargelegt – nach wie vor nicht durchgeführt wird. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 16): Wann hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgeschlagen, dem Deutschen Forschungszentrum für Leistungssport Köln „momentum“ im Bundeshaushalt für das Jahr 2016 3 Millionen Euro für die konzeptionelle Arbeit zur Reformierung des Sportfördersystems auf Bundesebene zur Verfügung zu stellen (siehe Pressemitteilung Nummer 814 der SPD-Bundestagsfraktion vom 13. November 2015), und in welcher Weise wurden diesbezüglich die Sportverbände konsultiert? Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Bereinigungssitzung am 12. November 2015 beschlossen, im Einzelplan 06 den Titel „Förderung von Forschung, Dokumentation und Tagungen sowie Durchführung von Forschungsvorhaben und Betreuungsprojekten auf dem Gebiet der Sportwissenschaft“ um 3 Millionen Euro anzuheben. Dies erfolgte weder auf Initiative noch unter Mitwirkung der Bundesregierung. Das Bundesministerium des Innern als das fachlich zuständige Ressort wurde davon im Rahmen der Bereinigungssitzung in Kenntnis gesetzt. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 17): Warum werden diese 3 Millionen Euro zur Förderung von Forschungsvorhaben aus dem Einzelplan 06 Titel 686 22 anscheinend direkt vergeben und nicht angesichts der Existenz eines wissenschaftlichen Verbundsystems im Leistungssport und von bundesweit 61 Hochschulen mit mindestens einem Lehrstuhl im Bereich der Sportwissenschaft öffentlich ausgeschrieben? Wie bereits in der Antwort zu Frage 16 dargestellt, handelt es sich bei der Einstellung der Mittel in den Haushalt 2016 um eine Entscheidung des Deutschen Bundestages. Die Veranschlagung ist eine Ausgabeermächtigung im Sinne der Zweckbestimmung des Titels ohne besondere Erläuterungen. Das Bundesministerium des Innern wird mit dieser Ermächtigung sachgerecht gemäß den Vorgaben des Haushalts- und Vergaberechts umgehen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 18): Ist es zutreffend, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz während der letzten Sitzung der EU-Justizminister am 3. und 4. Dezember 2015 in Brüssel die Meinung vertreten hat, dass das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig und nicht vereinbar mit geltendem EU-Grundrecht erklärt hat, einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich nicht entgegenstehe (vergleiche www.consilium.europa.eu/en/meetings/jha/2015/12/st14937_en15_pdf), und wie hat sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zu der Frage der Präsidentschaft verhalten, ob es eine Neuauflage einer Richtlinie geben soll? Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass eine anlasslose verpflichtende Speicherung von Verkehrsdaten zulässig ist, wenn sie strengen Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der gespeicherten Daten sowie der Datenverwendung unterliegt und auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Hinsichtlich der Datensicherheit muss ein hoher Standard normenklar und verbindlich vorgegeben werden. In diesem Sinne hat sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz anlässlich der Sitzung des Rates für Justiz und Inneres am 3./4. Dezember 2015 geäußert. In diesem Rahmen hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seine Position zu bedenken gegeben, die Frage, ob eine europäische Neuregelung angestrebt werden soll, zunächst zurückzustellen und die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Tele2 Sverige (schwedisches Vorabentscheidungsersuchen, C-203/15) abzuwarten. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 21): Welche Bedenken einiger an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten gegenüber dem österreichischen Kompromissvorschlag zur Finanztransaktionsteuer wurden nunmehr in der Grundsatzeinigung, die am 8. Dezember 2015 beim Ecofin (Rat für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Union) erzielt wurde, ausgeräumt? Die Verhandlungen über die Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Verstärkter Zusammenarbeit werden unter allen 28 Mitgliedstaaten in den zuständigen Gremien der Europäischen Union geführt. Die gemeinsame Erklärung von zehn an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten ist am 8. Dezember 2015 im Rat für Wirtschaft und Finanzen beraten worden. Den Beratungen am 8. Dezember 2015 ging eine Sitzung der Ratsarbeitsgruppe am 25. November 2015 voraus, in der alle elf Mitgliedstaaten der Verstärkten Zusammenarbeit einvernehmlich ein Arbeitspapier zu Kernelementen einer künftigen Finanztransaktionsteuer eingebracht haben. Der von Österreich vorgelegte Vorschlag über die Kernelemente der Steuer ist vor dem 8. Dezember 2015 nicht Gegenstand von Beratungen im Rat für Wirtschaft und Finanzen gewesen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 22): Welche inhaltliche Position nimmt Deutschland in den laufenden Verhandlungen zur Finanztransaktionsteuer bei den noch offenen Fragen ein, und inwieweit nimmt Deutschland, neben Frankreich und Italien unter den größten Volkswirtschaften und Heimat eines der größten Börsenplätze in der Gruppe der Verstärkten Zusammenarbeit, eine Führungsrolle in den Verhandlungen ein? Die Bundesregierung unterstützt den österreichischen Kompromissvorschlag und die Suche nach einvernehmlichen Lösungen bei noch offenen Fragen. Österreich hat auf politischer Ebene und Portugal auf Arbeitsebene eine koordinierende Rolle unter den an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Staaten übernommen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein wichtiger Partner in den Verhandlungen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 23): Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, nachdem es beim letzten Ecofin zu einer Einigung über einige Kernelemente der Finanztransaktionsteuer gekommen ist, dass auf die zu besteuernden Derivate mindestens der gleiche effektive Steuersatz erhoben wird wie nach dem Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission, und wenn nein, wie will die Bundesregierung die aus ihrer Sicht angemessenen Steuersätze herleiten? In Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag sieht die Erklärung vom 8. Dezember 2015 vor, dass Derivate nach dem Prinzip des breitest möglichen Anwendungsbereichs mit niedrigen Sätzen besteuert werden. Zur Frage der Steuersätze sieht die Erklärung vor, dass bis Ende Juni 2016 hierzu eine Entscheidung herbeigeführt wird. Auf dieser Grundlage wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass eine einvernehmliche Lösung unter den an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten gefunden wird. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 24): Mit welchem Steueraufkommen rechnet die Bundesregierung mindestens, wenn die laut dem Kompromissvorschlag der österreichischen Regierung vom Sommer 2015 besteuerten Produkte mit mindestens dem gleichen effektiven Steuersatz besteuert würden wie nach dem Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission, und inwiefern ist ein jährliches nationales Steueraufkommen von 15 Milliarden Euro und mehr, wie es das Gutachten von Copenhagen Economics im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen errechnet hat, aus Sicht der Bundesregierung auf der Basis der bisherigen Kompromisse noch erreichbar? Die Bundesregierung hat Copenhagen Economics mit einer Folgenabschätzung zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie beauftragt. Auf der Basis eines unveränderten Kommissionsvorschlags erfolgten auch die Berechnungen in der Folgenabschätzung zum Steueraufkommen. Die Bundesregierung hat immer darauf hingewiesen, dass mögliche Veränderungen des Vorschlags der Kommission die Grundlagen der Berechnungen von Copenhagen Economics verändern würden. Berechnungen auf einer anderen Basis als dem Kommissionsvorschlag hat die Bundesregierung nicht vorgenommen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 25): Gibt es vonseiten der Bundesregierung Pläne, die restlichen Anteile des Bundes an der Deutschen Telekom AG zu verkaufen, so wie es jetzt auch die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten 73 aus ordnungspolitischer Sicht fordert, da die Kommission einen „massiven Interessenkonflikt“ sieht, der sich aus der Doppelrolle als Anteilseigner mit finanziellen Interessen einerseits und Inhaber der ordnungspolitischen Macht andererseits ergibt, und, wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hält grundsätzlich an ihrem Ziel fest, sukzessive weiter die Bundesanteile an der Deutschen Telekom AG – in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Kapitalmarktes und den sonstigen Rahmenbedingungen – zurückzuführen bzw. vollständig zu veräußern. Konkrete, weitergehende Aussagen zu Privatisierungsschritten sind aufgrund der Kapitalmarktrelevanz dieser Aussagen nicht möglich. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 27): Wie viel fruchtbarer Boden ist nach Kenntnis der Bundesregierung im „Jahr des Bodens“ weltweit und in Deutschland verloren gegangen, und welchen Anteil (in Prozent) hatten die jeweiligen Ursachen am Verlust fruchtbarer Böden in Deutschland zuletzt (bitte nach Ursachen, zum Beispiel Versiegelung, Übernutzung, Erosion und anderes, aufschlüsseln)? Insgesamt ist die Datenlage auf globaler und nationaler Ebene nicht ausreichend, um die Frage nach Veränderungen der Bodenfruchtbarkeit und ihren prozentualen Ursachen im Jahr des Bodens 2015 beantworten zu können, zumal das Jahr 2015 noch nicht abgeschlossen ist. Es mangelt des Weiteren an Daten, die eine weitere Aufschlüsselung ermöglichen würden. Für Deutschland liegen aus der Flächenerhebung Daten zur Veränderung der sogenannten Landwirtschaftsfläche aktuell bis 2014 vor. Danach ging diese Flächenkategorie im Jahr 2014 um 17 200 Hektar zurück. Ursache dafür ist insbesondere das Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen. Für das noch nicht abgeschlossene Jahr 2015 liegen naturgemäß noch keine Daten vor. Die Flächenerhebung ist eine Vollerhebung. Die Daten der Flächenerhebung werden sekundärstatistisch gewonnen, bisher durch Auswertung der Automatisierten Liegenschaftsbücher (ALB) der Länder. Auf Grund von Umstellungen der Informationsbasis auf die Amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssysteme (ALKIS), die in den Ländern zeitlich nicht einheitlich erfolgt, beruhen die Ergebnisse des Jahres 2014 allerdings auf einer heterogenen Grundlage. Für eine prozentuale Aufschlüsselung der Anteile nach Ursachen von Bodenfruchtbarkeitsverlusten und nach Ursachen von Änderungen der Flächeninanspruchnahme in Deutschland im Jahr 2015 liegen ebenfalls keine Daten vor. Die Erfassung von Veränderungen der Fruchtbarkeit eines Bodens bedarf eines verlässlichen Messverfahrens und langfristiger Erhebungen über mehrere Jahre. Im Bodenzustandsbericht des Umweltbundesamtes (UBA) vom November 2015 werden für 14 Prozent der ackerbaulich genutzten Flächen im Bezugsjahr 2007 ein Bodenabtrag von mehr als drei Tonnen pro Hektar und Jahr geschätzt. Außerdem verlieren, so das UBA, drainierte organische Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung viel Kohlenstoff. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Elke Ferner auf die Frage des Abgeordneten Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 28): Welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung zur Forderung des Bundesforums Familie nach voller rechtlicher Gleichstellung hetero- und homosexueller Eltern und dessen Abschlussbericht „Familie ist Vielfalt. Inklusion leben, Teilhabe sichern“? Die Bundesregierung wertet den vor zwei Wochen, am 4. Dezember 2015, veröffentlichten Abschlussbericht des Bundesforums Familie derzeit aus und wird sich in diesem Zusammenhang mit der darin enthaltenen differenzierten Analyse der Situation von unterschiedlichen Familienkonstellationen und den daraus geschlussfolgerten Leitlinien für Verbände, Politik und Gesellschaft auseinandersetzen. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die dort angesprochenen Fragen zur Situation von homosexuellen Eltern schon Gegenstand der Arbeit der Bundesregierung sind. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Pia Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 31): Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass das Einfrieren des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung offensichtlich zu einer immer stärkeren Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt, und erwägt die Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode oder gar schon im Jahr 2016 eine Obergrenze für die Zusatzbeiträge bzw. eine Erhöhung des derzeit auf 7,3 Prozent eingefrorenen Arbeitgeberanteils einzuführen? Festzuhalten ist zunächst, dass im Jahr 2015 aufgrund des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG), das zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, rund 20 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung geringere Beiträge als zuvor zahlten. Richtig ist aber auch, dass die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt dazu führen, dass die Gesundheitsausgaben steigen. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2016, der zugleich eine Richtgröße für die kassenindividuellen Zusatzbeiträge ist, wurde vom Bundesministerium für Gesundheit auf Grundlage der Ergebnisse des Schätzerkreises auf 1,1 Prozent festgesetzt. Er wird damit gegenüber dem Vorjahr moderat um 0,2 Prozentpunkte ansteigen. Dem moderaten Beitragssatzanstieg stehen dabei erhebliche Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung gegenüber, wie beispielsweise Neuentwicklungen im Arzneimittelbereich, mit denen erstmals eine wirksame und dauerhafte Heilung von Hepatitis C möglich wurde. Mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten und im Rahmen des GKV-FQWG umgesetzten Festhalten an der Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages verfolgt die Bundesregierung das Ziel, eine beschäftigungsfreundliche Ausgestaltung der Finanzierungsgrundlagen sicherzustellen und negative Effekte steigender Gesundheitsausgaben auf Beschäftigung und Wachstum zu vermeiden. Ein hohes Beschäftigungsniveau ist Voraussetzung für eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die auf dem Umlageprinzip und einer lohnabhängigen Finanzierung basiert. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 36): Welche Mitgliedsunternehmen der Netzallianz Digitales Deutschland haben zugesichert, 8 Milliarden Euro in den Breitbandausbau zu investieren (siehe Bundestagsdrucksache 18/6643, Nummer 36), und welche Summen wurden in diesem Zusammenhang bereits investiert (bitte mit Angabe der konkreten Ausbauprojekte)? Die Mitgliedsunternehmen der Netzallianz Digitales Deutschland haben zugesichert, 8 Milliarden Euro in den Breitbandausbau zu investieren. Die Unternehmen teilen der Bundesregierung keine konkreten Ausbauprojekte mit, jedoch fragt die Bundesnetzagentur die Investitionszahlen der Unternehmen zum Jahresbeginn ab. Diese werden in der ersten Jahreshälfte veröffentlicht. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 37): Wieso hat das Bundesverkehrsministerium die Aussage des Bundesministers gegenüber der ARD (http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Wer-sagt-die-Wahrheit-Dobrindt-oder-Pa­norama,abgasbetrug114.html), RDE-Tests (RDE: Real Driving Emissions) auch für Verbrauchs- und Kohlendioxidmessungen bei Fahrzeugen einzuführen, offenbar wieder zurückgezogen, und was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen diesbezügliche RDE-Tests? RDE („Real Driving Emissions“) und WLTP („Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure“) bilden zusammen die beiden Bausteine, um die Abgasemissionen und den Kraftstoffverbrauch von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen möglichst realitätsnah abzubilden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 38): Mit welchen Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu überprüfen, ob tatsächlich statt 800 000 nur 36 000 Autos der Volkswagen AG falsche Verbrauchsangaben aufweisen? Die Bundesregierung wird durch das Kraftfahrt-Bundesamt im ursprünglich geplanten Umfang die Typprüfwerte unter behördlicher Aufsicht bestimmen lassen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 39): Wie oft hat das Kraftfahrt-Bundesamt im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens von Automobilherstellern Unterlagen zum Quellcode der Fahrzeugsoftware eingefordert? Die europäischen Vorschriften sehen derzeit keine grundsätzliche Offenlegung der Fahrzeugsoftware und auch keine verpflichtende Kontrolle durch die Technischen Dienste vor. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 40): Inwiefern kann die Bundesregierung den Auftrag zur technischen Vorbereitung des LKW-Mautsystems für die Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen im Falle erfolgreicher Vertragsverhandlungen an die Toll Collect GmbH direkt vergeben (www.fr-online.de: „Vergabe ohne Ausschreibung“ vom 3. November 2015), bevor es einen Kabinettsbeschluss oder eine vom Deutschen Bundestag verabschiedete Veränderung mautrechtlicher Vorschriften (wie das Bundesfernstraßenmautgesetz) gibt, und wie kann dieser Auftrag durch die Bundesregierung vergeben werden, ohne dass dafür Mittel in den Bundeshaushalt 2016 eingestellt sind? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, vor einer Befassung des Kabinetts mit dem Gesetzentwurf zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften hinsichtlich einer Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen die Toll Collect GmbH mit der Erweiterung des deutschen Mautsystems zu beauftragen. Ebenso wird die Bundesregierung vor einer Beauftragung der Toll Collect GmbH die notwendigen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen beachten. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 47): Wie viele Anträge zur Förderung von Baumaßnahmen aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ wurden bislang von Kommunen beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung eingereicht, und wie verteilen sich diese Anträge hinsichtlich der Anzahl und ihres finanziellen Volumens auf die Bereiche Sport, Jugend und Kultur? Zum neuen Bundesprogramm wurden über das elektronische Erfassungssystem 980 Anträge auf Projektförderung gestellt, die aktuell noch ausgewertet, zugeordnet und geprüft werden. Nach erster Übersicht ist bei den Förderanträgen der Bereich Sport am häufigsten und volumenmäßig am höchsten vertreten, gefolgt vom Bereich Jugend. Eine genaue Übersicht kann erst nach Abschluss der Auswertung gegeben werden. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 48): Wie verteilen sich die Anträge zur Förderung von Baumaßnahmen aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ im Bereich Sport hinsichtlich der Anzahl und ihres finanziellen Volumens auf die einzelnen Bundesländer? Da die Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, ist eine abschließende Zuordnung noch nicht möglich. Nach erster Übersicht erfolgten jedoch die meisten Anträge im Bereich Sport aus den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 49): Kann das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit praktisch ausschließen, dass erstens ein Brennelementeabriss ähnlich dem im Lagerbecken des Atomkraftwerks Gundremmingen am 5. November 2015 sich auch bei einem Brennelementewechsel im Reaktordruckbehälter eines der acht deutschen Atomkraftwerke, die noch eine Berechtigung zum Leistungsbetrieb haben, ereignen könnte (bitte mit Begründung; zum oben genannten Zwischenfall siehe Meldung „Brennelement löst sich von seinem ‚Kopf‘ bei Handhabung im Lagerbecken“ vom 6. November 2015 auf der Betreiberwebseite) und zweitens, dass der oben genannte Brennelementabriss ähnliche oder gar die gleichen Ursachen wie die schon länger bekannten Brennelementeverformungen hatte (zu Letzterem vergleiche Antwort der Bundesregierung vom 3. September 2014 auf meine schriftliche Frage 91 auf Bundestagsdrucksache 18/2481; bitte mit Angabe zum Stand der Ursachenklärung)? Die Ursachenklärung zum meldepflichtigen Ereignis „Lösen eines Brennstabbündels vom Brennelementkopf“ am 5. November 2015 im Kernkraftwerk Gundremmingen ist noch nicht abgeschlossen. Bei dem Ereignis kam es zum Bruch des als Tragkonstruktion des betroffenen Brennelements dienenden Wasserkanals. Die weitere Ursachenklärung erfolgt derzeit. Die Aufsicht bei meldepflichtigen Ereignissen liegt zunächst im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde der Länder. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit lässt von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit prüfen, ob das Ereignis auf andere Anlagen übertragbar ist, um dann gegebenenfalls eine Weiterleitungsnachricht erstellen zu lassen. Ebenfalls befasst sich der Ausschuss „Druckführende Komponenten und Werkstoffe (DKW)“ der Reaktorsicherheitskommission mit dem Ereignis. Hinsichtlich Ihrer zweiten Frage zu Verformungen von Brennelementen in deutschen Druckwasserreaktoren hat die Reaktorsicherheitskommission am 18. März 2015 eine Stellungnahme abgegeben und auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Es wurden Empfehlungen hinsichtlich – zusätzlicher Anforderungen an die Nachweisführung bei auftretenden Brennelementverbiegungen und – Anforderungen an die Auslegung zur Vermeidung von Brennelementverbiegungen abgeleitet. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 50): Warum nimmt das Bundesamt für Strahlenschutz – nachgeordnete Bundesoberbehörde des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) – nicht an den Sitzungen der im Plenarprotokoll 18/142, Anlage 32, genannten gemeinsamen Arbeitsgruppe des BMUB und der Energieversorgungsunternehmen teil, obwohl es zuständige Genehmigungsbehörde für die betreffenden Transport- und Zwischenlagergenehmigungen, um die es in der Arbeitsgruppe geht, ist (bitte möglichst auch mit Angabe von deren nächstem Sitzungstermin), und welche Machbarkeitsnachweise wären aus Sicht der Bundesregierung für eine Genehmigungsfähigkeit einer von der Entsorgungskommission beim BMUB in ihrer Stellungnahme zur Rückführung verglaster Wiederaufarbeitungsabfälle vom 30. Oktober 2014 vorgeschlagenen „Konzeptgenehmigung (nachvollziehbarer Sicherheitsbericht, aber ohne detaillierende untersetzende Unterlagen)“ einer Primärdeckelwechseleinrichtung nach jetzigem Stand notwendig, insbesondere zu der Frage, wie ein dichter Verschluss um einen undichten Behälter hergestellt werden soll? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird das Bundesamt für Strahlenschutz an den Beratungen der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern der Energieversorgungsunternehmen und des Bundesumweltministeriums beteiligen, sobald konkrete genehmigungstechnische oder -rechtliche Fragestellen erörtert werden sollen. Dies war bislang nicht der Fall. Ein weiterer Sitzungstermin für die in Rede stehende Arbeitsgruppe wurde noch nicht festgelegt. Das Konzept einer Primärwechselstation am konkreten Zwischenlagerstandort sollte aufzeigen, wie die heiße Zelle am Standort des Zwischenlagers im Bedarfsfall errichtet bzw. eingerichtet werden soll. In dieser heißen Zelle würde die ursprüngliche Dichtheit des Behälters durch den Austausch der Primärdeckeldichtung erfolgen. Für die Lagerung kann die Dichtheit des Behälters auch durch einen Fügedeckel erreicht werden. Daher ist eine Errichtung der heißen Zelle zum Zeitpunkt der Einlagerung und Aufbewahrung im Zwischenlager nicht erforderlich. Im Bedarfsfall stünde vor einem Abtransport in ein Endlager ausreichend Zeit für ein entsprechendes Genehmigungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb der heißen Zelle zur Verfügung. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 51): Welche Ausgaben für Flüchtlinge hat die Bundesregierung in den Haushaltsjahren 2012 bis 2014 als öffentliche Entwicklungshilfe angerechnet (bitte um Auflistung, um welche Ausgaben es sich handelt, sowie des finanziellen Umfangs dieser Ausgaben)? Die Bundesregierung hat in den Jahren 2012 bis 2014 folgende Ausgaben für Flüchtlinge im Inland als öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) gemeldet: – 2012: 59 Millionen Euro – 2013: 105 Millionen Euro – 2014: 129 Millionen Euro Erfasst wurden nur Ausgaben für Leistungen auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes und nicht andere anrechenbare Kosten. Gemeldet wurden Leistungen nur für Asylbewerber aus Entwicklungsländern, denen Asyl oder Flüchtlingsschutz bereits gewährt wurde oder die aufgrund von subsidiärem Schutz oder Abschiebeverbot in Deutschland bleiben können. Die Kosten wurden aufgrund der gewählten Berechnungsmethode für weniger als zwölf Monate erfasst. Die Meldung wurde jeweils auf Grundlage der Asyl­entscheidungen und der Leistungsstatistik des Jahres erstellt, das vor dem ODA-Berichtsjahr lag (Ausgaben für 2012 beruhen auf Asylzahlen aus dem Jahr 2011). Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 18/6996, Frage 52): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Telefonkunden, die die „Persönliche Rufnummer fürs Leben“ 0700 oder den ortsunabhängigen Rufnummernraum 032 (NTR: Nationale Teilnehmerrufnummern) anwählen, für ihren Anruf nach mir vorliegenden Informationen teilweise deutlich höhere Entgelte zahlen müssen, und plant die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzes­änderung, die die Bundesnetzagentur zur Festlegung einer Preisobergrenze ermächtigt? Die „Persönliche Rufnummer fürs Leben“ 0700 oder der ortsunabhängige Rufnummernraum 032 (Nationale Teilnehmerrufnummer, kurz NTR) ist mit den „normalen“ Teilnehmerrufnummern (z. B. 030/ 2014….) für Endkunden vergleichbar. Die Endkundenpreise – das heißt das Entgelt für den Anruf einer solchen Rufnummer – sind nicht reguliert. Die Preisgestaltung obliegt grundsätzlich den Telekommunikationsanbietern. Dementsprechend sind die Verbindungsentgelte zu persönlichen Rufnummern unterschiedlich hoch. Die Verbraucher können mit Blick auf die persönlichen Rufnummern aber unter verschiedenen Angeboten auswählen. Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es hierbei auch Anbieter, die Anrufe zu den Rufnummern 0700 bzw. 032 zu Tarifen bereitstellen, die mit den sonst üblichen Verbindungsentgelten innerhalb der Festnetztelefonie bzw. für Gespräche in die Mobilfunknetze vergleichbar sind. Zum Beispiel werden für Verbindungen eines Anbieters für „Cityverbindungen, Deutschlandverbindungen und Verbindungen zu nationalen Teilnehmerrufnummern mit der Zugangskennzahl 032 (ganztägig)“ 0,029 Euro pro Minute (inklusive Umsatzsteuer) erhoben, das heißt, es werden hier keine höheren Entgelte berechnet. Bei Verbindungen zu „Persönlichen Rufnummern mit der Zugangskennzahl 0700“ wird ein Entgelt in Höhe von 0,063 Euro pro Einheit (inklusive Umsatzsteuer) erhoben, da diese Rufnummer gemäß den Zuteilungsregeln der Bundesnetzagentur sowohl als Festnetz- als auch Mobilfunknummer genutzt werden kann. Mit Blick auf die vielfältigen Angebote am Markt besteht aus Sicht der Bundesregierung deshalb keine Veranlassung, gesetzlich in die wettbewerbliche Preisgestaltung einzugreifen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 53): Gab es seit Oktober 2015 Gespräche zwischen Vertretern der Deutschen Telekom AG und Vertretern eines oder mehrerer Bundesministerien, in denen auch der Antrag der Deutschen Telekom AG auf exklusives Vectoring im Nahbereich und die mögliche Selbstverpflichtung der Deutschen Telekom AG zur Sprache kam, und, falls ja, wann fanden diese statt (bitte die Teilnehmer benennen)? Im Oktober gab es zwei Gespräche auf Leitungsebene, in denen das Thema Vectoring im Nahbereich zur Sprache kam: Am 1. Oktober wurde Bundesminister Gabriel von dem Vorsitzenden des Vorstands der Deutschen Telekom AG, Herrn Höttges, angerufen. Auf Staatssekretärsebene gab es am 20. Oktober ein Gespräch zwischen Staatssekretär Machnig und Herrn van Damme, Vorstandsmitglied der DTAG. Seither fanden keine weiteren Gespräche statt. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 54): Warum fördert der Bund weiterhin über das KfW-Programm „Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss“ den Austausch eines Wärmeerzeugers auf Basis fossiler Energien durch einen ebenfalls fossil betriebenen Kessel (Öl und Gas) mit leichter Effizienzerhöhung, ohne dass die Förderung an eine Kopplung an erneuerbare Wärmeerzeuger gebunden ist, und wie passt dies zu der von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gleichzeitig beim Klimagipfel 2015 in Paris eingeforderten Dekarbonisierung? Das Kabinett hat am 18. November 2015 die Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG) beschlossen. Diese Strategie zeigt Wege auf, wie die langfristigen Ziele des Energiekonzepts, darunter die Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestands, erreicht werden können. Eine der zentralen Grundaussagen der Strategie ist, dass dieses Ziel nur in Kombination von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien gelingen kann. Die Förderung durch die KfW im Rahmen des Programms „Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss“ setzt deshalb voraus, dass sehr hohe Energieeffizienzstandards eingehalten werden, die über den gesetzlichen Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) liegen. Dazu gehört auch, dass Effizienzpotenziale beim Austausch von Heizungen gehoben werden. Mit dem Einsatz der Brennwerttechnik kann der Wirkungsgrad der Heizungsanlage gegenüber solchen Anlagen, die mit veralteten Kesseln betrieben werden, deutlich gesteigert werden. Zudem schafft der Einsatz von Brennwerttechnik gute Voraussetzungen, um in einem zweiten Sanierungsschritt eine solarthermische Anlage einzukoppeln, und bereitet damit auch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien vor. Deren Einbau wird dann mit dem Marktanreizprogramm (MAP) gefördert, dessen Förderanreize im April 2015 nochmals verbessert wurden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 55): Welche finanziellen Risiken könnten sich aus Sicht der Bundesregierung im Falle eines Zuschlags an den tschechischen Bieter für die Vattenfall Europe Sales GmbH ergeben, insbesondere im Hinblick auf mögliche Klagen auf der Grundlage der Energiecharta, und welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung Bekenntnisse zur langfristigen Kohlenutzung in Deutschland durch den Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, bei der Kalkulation von Gewinnerwartungen, welche wiederum in einem späteren Verfahren als legitim oder nicht legitim eingeschätzt werden müssten? Im Fall einer Veräußerung der Vattenfall Europe Sale GmbH an einen tschechischen Bieter würden sich die Klagemöglichkeiten auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages nicht verändern. Darüber hinaus ist die Kalkulation von Gewinnerwartungen eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, welche die Bundesregierung grundsätzlich nicht kommentiert. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6996, Frage 56): Welche Energieversorgungsunternehmen erhöhen nach Kenntnis der Bundesregierung zum 1. Januar 2016 die Strompreise für Verbraucherinnen und Verbraucher, und welche rechtlichen und tatsächlichen Umstände sorgen nach Auffassung der Bundesregierung für diese Preissteigerungen? Die Bundesregierung erfasst nicht systematisch die Preisänderungen aller Stromlieferanten und verfügt dementsprechend auch nicht über eine umfassende Statistik. Im Regelfall sind die Preise der einzelnen Stromlieferanten über das Internet öffentlich verfügbar. Wichtig sind insbesondere die Trendentwicklungen über alle Lieferanten. In die Strompreis-Entwicklung fließen drei Elemente ein: Die sogenannten staatlich veranlassten Preisbestandteile, der Versorgeranteil (für Beschaffung, Vertrieb und Marge) sowie die Netzentgelte. Die sogenannten staatlich veranlassten Preisbestandteile werden (für Haushaltskunden) im Jahr 2016 im Saldo um 0,6 Cent pro verbrauchte Kilowattstunde steigen. Die Strombezugskosten der Lieferanten dürften dagegen, unter Berücksichtigung der Entwicklung der Börsenstrompreise, im Schnitt weiter sinken. In welchem Umfang es 2016 deshalb im Saldo zu Preisänderungen kommen wird, steht noch nicht fest. Viele Unternehmen werden erst Anfang nächsten Jahres darüber entscheiden, wenn auch die Netzentgelte endgültig feststehen. II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 145. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember 2015 V Plenarprotokoll 18/145