Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 237. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 1. Juni 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Egon Jüttner und Philipp Graf Lerchenfeld 23971 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 23971 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 23 23973 C Nachträgliche Ausschussüberweisungen 23973 C Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) Drucksachen 18/11131, 18/11186, 18/12588 23974 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/11135, 18/11185, 18/12589 23974 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen Drucksachen 18/11165, 18/12588 23974 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren Drucksachen 18/6875, 18/7643, 18/5207, 18/12599 23974 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen Drucksachen 18/10747, 18/12536 23974 D Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 23975 A Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) 23976 D Thomas Oppermann (SPD) 23980 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 23982 A Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 23984 A Roland Claus (DIE LINKE) 23986 A Olaf Scholz, Erster Bürgermeister (Hamburg) 23987 A Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 23988 B Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI 23989 C Herbert Behrens (DIE LINKE) 23991 A Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI 23991 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 23991 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ 23992 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) 23993 C Bettina Hagedorn (SPD) 23994 D Herbert Behrens (DIE LINKE) 23995 D Antje Tillmann (CDU/CSU) 23997 A Johannes Kahrs (SPD) 23998 B Volker Bouffier, Ministerpräsident (Hessen) 23999 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 24001 A Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31 GO) 24014 C Namentliche Abstimmungen 24002 D bis 24025A Ergebnisse 24003 D bis 24031 D Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), Brigitte Pothmer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Einwanderungsgesetzes Drucksache 18/11854 24035 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24035 C Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 24036 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) 24038 D Sebastian Hartmann (SPD) 24040 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24041 D Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 24043 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24044 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) 24045 C Dr. Karamba Diaby (SPD) 24046 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24047 D Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) 24048 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24050 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24050 D Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) 24051 D Nina Warken (CDU/CSU) 24053 A Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) 24054 A Tagesordnungspunkt 11: a)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) Drucksachen 18/11286, 18/12612 24054 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12613 24055 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gesetzliche Rente stabilisieren – Gute Rente für alle sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine faire und nachhaltige betriebliche Altersversorgung und ein stabiles Drei-Säulen-System Drucksachen 18/11402, 18/10384, 18/12612 24055 A c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes Drucksachen 18/3210, 18/6135 24055 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS 24055 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 24056 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) 24058 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24059 B Katja Mast (SPD) 24060 D Tobias Zech (CDU/CSU) 24061 D Ralf Kapschack (SPD) 24063 B Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) 24064 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 24065 C Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) 24066 A Sarah Ryglewski (SPD) 24066 C Anja Karliczek (CDU/CSU) 24067 C Dr. Martin Rosemann (SPD) 24068 D Tagesordnungspunkt 46: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes Drucksache 18/12510 24070 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes Drucksache 18/12493 24070 C c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (elDAS-Durchführungsgesetz) Drucksache 18/12494 24070 C d) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren Drucksache 18/12551 24070 D e) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Strategie der Bundesregierung zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen für alle Flächen des Bundes Drucksache 18/9710 24070 D f) Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2016 – Einzelplan 20 – Drucksache 18/12350 24071 A Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes ‒ Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr Drucksache 18/10145 24071 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 Drucksache 18/12513 24071 A c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksache 18/12546 24071 B d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht Drucksache 18/12547 24071 B e) Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen Drucksache 18/12109 24071 C f) Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz Drucksache 18/12380 24071 C g) Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksache 18/12556 24071 D h) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksache 18/12558 24071 D Tagesordnungspunkt 47: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen Drucksachen 18/12049, 18/12478, 18/12593 24072 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle Drucksachen 18/12333, 18/12566 24072 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte für den Zeitraum 2018–2022 Drucksachen 18/12332, 18/12609 24072 C d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Drucksachen 18/11867, 18/12575 24072 D e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer wasserrechtlichen Genehmigung für Behandlungsanlagen für Deponiesickerwasser und zur Änderung der Vorschriften zur Eignungsfeststellung für Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe Drucksachen 18/11946, 18/12573 24073 A f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Chemikaliengesetzes und zur Änderung weiterer chemikalienrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/11949, 18/12582 24073 C g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einbeziehung von Polymerisationsanlagen in den Anwendungsbereich des Emissionshandels Drucksache n18/11844, 18/12572 24073 D h)   – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) Drucksachen 18/11843, 18/12569 24074 B – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 30. November 1999 (Multikomponenten-Protokoll) zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon Drucksachen 18/11845, 18/12569 24074 B – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle Drucksachen 18/11846, 18/12569 24074 B i)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 15. Oktober 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen Drucksachen 18/12048, 18/12480, 18/12570 24074 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12617 24074 D j) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 12. November 2012 zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen Drucksachen 18/11868, 18/12605 24075 A k) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) Drucksachen 18/11933, 18/12592 24075 B l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum Drucksachen 18/6589, 18/7110 24075 C m) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Sozialen Basisschutz in Entwicklungsländern schaffen Drucksachen 18/8862, 18/11650 24075 D o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Für gute Bildung in Europa – Erfolgreiches Programm Erasmus+ weiterentwickeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Erasmus+ europäische Gemeinschaft erleben Drucksachen 18/11726, 18/11737, 18/12539 24076 A p) Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsprogramm Erasmus+ stärken – Teilprogramme sichtbarer machen Drucksache 18/12552 24076 B q) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Sven-Christian Kindler, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht um jeden Preis – Großprojekte im Zeit- und Kostenrahmen realisieren Drucksachen 18/8402, 18/12571 24076 B r)–u) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 440, 441, 442 und 443 zu Petitionen Drucksachen 18/12388, 18/12389, 18/12390, 18/12391 24076 C Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Tressel, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine transparente Regionalkennzeichnung einführen – Regionale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln stärken Drucksachen 18/9544, 18/11230 24077 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reduzierung, Beschränkung und Verbesserung von Tiertransporten Drucksachen 18/10251, 18/11231 24077 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden – Gesellschaftlichen Konsens umsetzen Drucksachen 18/9798, 18/11824 24077 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Landwirtschaft braucht Zukunft – Gutes Essen braucht eine gute Landwirtschaft Drucksachen 18/10872, 18/12579 24077 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katja Keul, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im deutschen Recht verankern Drucksachen 18/10255, 18/12209 24077 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Wirksame Sanktionen bei Rechtsverstößen von Unternehmen Drucksachen 18/10038, 18/11783 24077 D Tagesordnungspunkt 12: a)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) Drucksachen 18/11923, 18/12584 24078 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12614 24078 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Renteneinheit verwirklichen – Lebensleistung anerkennen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Annalena Baerbock, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Renteneinheit vollenden – Gleiches Rentenrecht in Ost und West Drucksachen 18/10862, 18/10039, 18/12584 24078 B c)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) Drucksachen 18/11926, 18/12590 24078 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12615 24078 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Erwerbsminderungsrente stärken und den Zugang erleichtern Drucksachen 18/12087, 18/12590 24078 B Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 24078 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 24079 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) 24081 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24082 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) 24083 B Michael Gerdes (SPD) 24084 B Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) 24085 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 24085 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24087 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) 24088 B Jana Schimke (CDU/CSU) 24089 A Namentliche Abstimmung 24090 D Ergebnis 24093 C Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen Drucksache 18/12107 24091 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die solidarische Mindestrente einführen Drucksachen 18/10891, 18/12434 24091 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System Drucksachen 18/10471, 18/8610, 18/7371, 18/11222 24091 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesamtkonzept Alterssicherung – Verlässlich, nachhaltig, solidarisch und gerecht Drucksachen 18/12098, 18/12586 24091 D Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 24091 D Dr. h. c. Albert Weiler (CDU/CSU) 24096 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24098 C Dr. Martin Rosemann (SPD) 24099 C Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) 24101 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) 24102 C Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 2016 (58. Bericht) Drucksache 18/10900 24104 B Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 24104 C Markus Grübel, Parl. Staatssekretär BMVg 24106 A Christine Buchholz (DIE LINKE) 24107 A Heidtrud Henn (SPD) 24108 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24109 C Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) 24110 D Julia Obermeier (CDU/CSU) 24111 D Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zeit ist reif für den Kohleausstieg Drucksache 18/12108 24112 D b) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen Drucksache 18/12381 24112 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kohleausstieg einleiten – Strukturwandel sozial absichern Drucksachen 18/8131, 18/11151 24113 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24113 A Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) 24114 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 24116 A Thomas Jurk (SPD) 24117 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24117 C Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) 24119 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24119 C Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24120 C Ulrich Freese (SPD) 24121 C Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24122 C Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Drucksachen 18/12037, 18/12479, 18/12610 24122 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen – Bundeseinheitliche Finanzierung voranbringen Drucksachen 18/7540, 18/12610 24123 A Elke Ferner (SPD) 24123 A Cornelia Möhring (DIE LINKE) 24124 D Christina Schwarzer (CDU/CSU) 24126 A Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24127 C Gülistan Yüksel (SPD) 24128 C Dr. Silke Launert (CDU/CSU) 24129 C Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einen armutsfesten, gesetzlichen Mindestlohn sicherstellen Drucksachen 18/11599, 18/12177 24131 B Bernd Rützel (SPD) 24131 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) 24132 C Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) 24133 B Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24134 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) 24135 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24136 A Markus Paschke (SPD) 24136 B Tobias Zech (CDU/CSU) 24137 A Tagesordnungspunkt 47: n) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen Drucksachen 18/12099, 18/12414 24138 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan Drucksache 18/12639 24138 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Neue Lagebeurteilung für Afghanistan Drucksache 18/12638 24138 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 24138 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) 24139 C Burkhard Lischka (SPD) 24140 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24142 A Dr. Martin Rosemann (SPD) 24142 D Michael Frieser (CDU/CSU) 24143 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24145 A Michael Frieser (CDU/CSU) 24145 D Namentliche Abstimmungen 24 146 B bis 24146 C Ergebnisse 24149 C bis 24155 C Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Beschlüsse zum Freiheits- und Einheitsdenkmal konsequent umsetzen Drucksache 18/12550 24146 C Michael Kretschmer (CDU/CSU) 24146 D Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) 24147 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) 24148 A Hiltrud Lotze (SPD) 24158 A Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24158 D Marco Wanderwitz (CDU/CSU) 24160 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) 24161 A Tagesordnungspunkt 19: Bericht des Innenausschusses gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung – zu dem von den Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Familiennachzug für subsidiär Geschützte) – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Frank Tempel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen uneingeschränkt gewährleisten Drucksachen 18/10044, 18/10243, 18/12399 24161 D Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24162 A Andrea Lindholz (CDU/CSU) 24163 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) 24164 C Dr. Lars Castellucci (SPD) 24165 D Nina Warken (CDU/CSU) 24166 D Rüdiger Veit (SPD) 24168 A Tagesordnungspunkt 20: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie Drucksachen 18/11495, 18/11929, 18/12181 Nr. 1.9, 18/12568 24169 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kontogebühren – Transparenz und Verbraucherschutz erhöhen Drucksachen 18/12367, 18/12568 24169 B Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE: Weltfriedenstag als europäischer Feiertag Drucksache 18/9587 24169 D Tagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten (§ 1 Absatz 2 GO-BT) sowie weitere Änderungen in den §§ 93, 93a und 93b GO-Beschäftigte Drucksache 18/12376 24169 D Bernhard Kaster (CDU/CSU) 24170 A Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) 24170 D Sonja Steffen (SPD) 24171 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24172 C Erika Steinbach (fraktionslos) 24173 C Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) 24174 B Tagesordnungspunkt 24: Beratung der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 18. Legislaturperiode) Drucksache 18/12511 24175 C Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters Drucksachen 18/12051, 18/12497, 18/12583 24175 C Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten Drucksachen 18/10938, 18/11187, 18/11225 Nr. 9, 18/12604 24176 A Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes Drucksachen 18/11493, 18/11927, 18/12181 Nr. 1.7, 18/12580 24176 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12616 24176 B Tagesordnungspunkt 28: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen Drucksachen 18/12086, 18/12607 24176 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen Drucksachen 18/12377, 18/12607 24176 C Dr. Johannes Fechner (SPD) 24176 C Frank Tempel (DIE LINKE) 24177 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) 24178 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24179 C Dr. Fritz Felgentreu (SPD) 24180 D Michael Frieser (CDU/CSU) 24181 C Tagesordnungspunkt 29: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten Drucksachen 18/11243, 18/11616, 18/12602 24183 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Frank Tempel, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte Drucksache 18/8272, 18/12602 24183 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB) Drucksache 18/8123, 18/12602 24183 A – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – Drucksachen 18/10980, 18/12602 24183 B Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität Drucksachen 18/11275, 18/12608 24183 D Tagesordnungspunkt 31: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/10822, 18/12600 24184 A Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen: Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV) Drucksachen 18/12221, 18/12443 Nr. 2.2, 18/12581 24184 C Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes Drucksachen 18/12202, 18/12496 24184 C Tagesordnungspunkt 34: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften Drucksachen 18/12041, 18/12481, 18/12611 24184 D Tagesordnungspunkt 35: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften Drucksachen 18/11488, 18/11930, 18/12181 Nr. 1.10, 18/12587 24185 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen Drucksachen 18/3551, 18/12606 24185 B Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes Drucksache 18/12509 24185 C Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: 25 Jahre Ostseerat – Das Modell für eine gelungene Integration von Ost und West weiterentwickeln Drucksache 18/12541 24185 D Tagesordnungspunkt 38: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht Drucksachen 18/12050, 18/12402 24186 A Nächste Sitzung 24186 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 24187 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. h. c. Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulrich Hampel, Ralf Kapschack, Dr. Matthias Miersch, Bettina Müller, Bernd Rützel, Dr. Hans-Joachim Schabedoth und Kerstin Tack (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24187 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Petra Crone, Elvira Drobinski-Weiß, Dagmar Freitag, Birgit Kömpel, Anette Kramme, Petra Rode-Bosse und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24188 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hendrik Hoppenstedt und Dr. Sabine Sütterlin-Waack (beide CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24190 A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Post und Claudia Tausend (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24191 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ursula Schulte und Gülistan Yüksel (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24191 D Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften c) die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und d) die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu – dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) 24193 A Ingrid Arndt-Brauer (SPD) 24193 B Bärbel Bas (SPD) 24194 A Veronika Bellmann (CDU/CSU) 24195 A Marco Bülow (SPD) 24195 C Dr. Daniela De Ridder (SPD) 24196 D Dr. Karamba Diaby (SPD) 24197 D Thomas Dörflinger (CDU/CSU) 24198 D Michaela Engelmeier (SPD) 24199 C Thorsten Frei (CDU/CSU) 24201 A Josef Göppel (CDU/CSU) 24202 B Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) 24202 C Gabriele Groneberg (SPD) 24203 A Michael Groß (SPD) 24203 D Sebastian Hartmann (SPD) 24204 C Gustav Herzog (SPD) 24206 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) 24206 C Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) 24207 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) 24208 C Ulrich Kelber (SPD) 24209 A Helga Kühn-Mengel (SPD) 24209 D Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) 24211 B Antje Lezius (CDU/CSU) 24211 C Ingbert Liebing (CDU/CSU) 24212 A Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) 24213 B Kirsten Lühmann (SPD) 24213 D Matern von Marschall (CDU/CSU) 24214 D Susanne Mittag (SPD) 24215 A Karsten Möring (CDU/CSU) 24216 A Ulli Nissen (SPD) 24216 B Eckhard Pols (CDU/CSU) 24217 B Mechthild Rawert (SPD) 24217 C Andreas Rimkus (SPD) 24218 C Annette Sawade (SPD) 24220 D Dr. Nina Scheer (SPD) 24221 D Udo Schiefner (SPD) 24223 C Dr. Dorothee Schlegel (SPD) 24224 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) 24225 A Ewald Schurer (SPD) 24225 D Reinhold Sendker (CDU/CSU) 24226 D Norbert Spinrath (SPD) 24227 B Svenja Stadler (SPD) 24228 B Christoph Strässer (SPD) 24229 A Dr. Karin Thissen (SPD) 24229 D Michael Vietz (CDU/CSU) 24230 C Barbara Woltmann (CDU/CSU) 24231 C Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Stefan Liebich (DIE LINKE) zu der sechsten namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 125c) (Tagesordnungspunkt 9) 24231 D Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der achten namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) (Tagesordnungspunkt 9) 24231 D Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Wöllert, Kerstin Kassner und Kersten Steinke (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 443 zu Petitionen (Beschlussempfehlung 1, laufende Nummer 1 – 11, Leitakte 2-18-15-2124-005471, Frau Skott u. a.) (Hebammen) (Tagesordnungspunkt 47 u) 24232 A Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Keul und Beate Müller-Gemmeke (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) (Tagesordnungspunkt 12 a) 24232 D Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschiebung nach Afghanistan aussetzen (Tagesordnungspunkt 47 n) 24233 B Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke: Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan (Zusatztagesordnungspunkt 10) 24233 C Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Neue Lagebeurteilung für Afghanistan (Zusatztagesordnungspunkt 11) 24233 C Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kontogebühren – Transparenz und Verbraucherschutz erhöhen (Tagesordnungspunkt 20 a und b) 24233 D Matthias Hauer (CDU/CSU) 24233 D Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) 24234 C Sarah Ryglewski (SPD) 24235 A Christian Petry (SPD) 24235 C Dr. Jens Zimmermann (SPD) 24236 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 24236 D Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24237 D Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE: Weltfriedenstag als europäischer Feiertag (Tagesordnungspunkt 21) 24238 D Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU) 24238 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) 24239 C Sebastian Hartmann (SPD) 24240 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 24240 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24241 C Anlage 17 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten (§ 1 Absatz 2 GO-BT) sowie weitere Änderungen in den §§ 93, 93a und 93b GO-BT (Tagesordnungspunkt 22) 24242 A Klaus Brähmig (CDU/CSU) 24242 A Katrin Werner (DIE LINKE) 24242 C Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung – (Arbeitsbericht der 18. Legislaturperiode) (Tagesordnungspunkt 24) 24242 D Josef Göppel (CDU/CSU) 24242 D Dr. Lars Castellucci (SPD) 24243 C Carsten Träger (SPD) 24244 A Birgit Menz (DIE LINKE) 24244 D Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24245 C Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters (Tagesordnungspunkt 25) 24246 A Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU) 24246 A Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 24246 D Marcus Held (SPD) 24247 C Michael Schlecht (DIE LINKE) 24248 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24248 D Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten (Tagesordnungspunkt 26) 24249 C Rudolf Henke (CDU/CSU) 24249 C Dr. Katja Leikert (CDU/CSU) 24250 D Sabine Dittmar (SPD) 24251 C Hilde Mattheis (SPD) 24252 B Harald Weinberg (DIE LINKE) 24253 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24254 B Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes (Tagesordnungspunkt 27) 24255 A Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) 24255 A Norbert Schindler (CDU/CSU) 24255 D Christian Petry (SPD) 24257 A Andreas Rimkus (SPD) 24257 D Herbert Behrens (DIE LINKE) 24258 B Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24259 A Anlage 22 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CDU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (Tagesordnungspunkt 28) 24259 C Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten - des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Frank Tempel, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte - des von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB) - des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – (Tagesordnungspunkt 29) 24260 A Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) 24260 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 24261 C Dr. Matthias Bartke (SPD) 24262 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 24262 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24263 B Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Tagesordnungspunkt 30) 24264 A Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) 24264 A Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 24265 B Bettina Bähr-Losse (SPD) 24266 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) 24267 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24267 D Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) 24268 C Daniela Ludwig (CDU/CSU) 24268 C Kathrin Rösel (CDU/CSU) 24269 D Sabine Dittmar (SPD) 24270 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 24271 B Karin Binder (DIE LINKE) 24272 A Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24272 D Anlage 26 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) und Olav Gutting (beide CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) 24273 C Anlage 27 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm und Michael Roth (Heringen) (beide SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) 24274 C Anlage 28 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) 24275 A Klaus Brähmig (CDU/CSU) 24275 A Ronja Kemmer (CDU/CSU) 24276 A Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) 24276 C Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen: Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV) (Tagesordnungspunkt 32) 24277 B Uwe Feiler (CDU/CSU) 24277 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) 24278 B Andreas Schwarz (SPD) 24279 B Richard Pitterle (DIE LINKE) 24279 D Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24280 B Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (Tagesordnungspunkt 33) 24281 C Hansjörg Durz (CDU/CSU) 24281 C Axel Knoerig (CDU/CSU) 24282 C Marcus Held (SPD) 24283 A Lars Klingbeil (SPD) 24283 C Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) 24284 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24285 A Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 34) 24285 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) 24285 D Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) 24286 C Dr. Matthias Bartke (SPD) 24287 B Frank Junge (SPD) 24288 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) 24289 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 24289 D Anlage 32 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Katja Keul (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 34) 24290 C Anlage 33 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften - der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen (Tagesordnungspunkt 35 a und b) 24291 A Rudolf Henke (CDU/CSU) 24291 B Dietrich Monstadt (CDU/CSU) 24292 A Hilde Mattheis (SPD) 24292 D Mechthild Rawert (SPD) 24294 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) 24295 A Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24295 D Anlage 34 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (Tagesordnungspunkt 36) 24296 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 24296 C Klaus Barthel (SPD) 24297 A Thomas Lutze (DIE LINKE) 24298 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24299 A Anlage 35 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: 25 Jahre Ostseerat – Das Modell für eine gelungene Integration von Ost und West weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 37) 24299 C Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) 24299 D Franz Thönnes (SPD) 24301 B Herbert Behrens (DIE LINKE) 24303 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24304 A Anlage 36 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht (Tagesordnungspunkt 38) 24304 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) 24304 D Sebastian Hartmann (SPD) 24306 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) 24306 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24307 B 237. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 1. Juni 2017 Beginn: 9.02 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle zu unserer 237. Sitzung in der allmählich zu Ende gehenden Legislaturperiode. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich dem Kollegen Dr. Egon Jüttner zu seinem 75. Geburtstag und dem Kollegen Philipp Graf Lerchenfeld, der seinen 65. Geburtstag gefeiert hat, jeweils herzlich gratulieren. Alle guten Wünsche für das neue Lebensjahr! (Beifall) Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für den Menschenrechtsschutz in Deutschland – Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter reformieren und stärken Drucksache 18/12544 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Raum – Anti-NGO-Gesetze stoppen, Menschenrechtsverteidiger stärken Drucksachen 18/7908, 18/10625 ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „UN Binding Treaty“ ambitioniert unterstützen Drucksache 18/12545 (ZP 1 bis 3 siehe 236. Sitzung) ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen Drucksachen 18/10747, 18/12536 ZP 5 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 46) a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes ‒ Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr Drucksache 18/10145 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Innenausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 Drucksache 18/12513 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksache 18/12546 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht Drucksache 18/12547 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Petitionsausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen Drucksache 18/12109 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz Drucksache 18/12380 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksache 18/12556 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Haushaltsausschuss h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksache 18/12558 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ZP 6 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 47) a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Tressel, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eine transparente Regionalkennzeichnung einführen – Regionale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln stärken Drucksachen 18/9544, 18/11230 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reduzierung, Beschränkung und Verbesserung von Tiertransporten Drucksachen 18/10251, 18/11231 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden – Gesellschaftlichen Konsens umsetzen Drucksachen 18/9798, 18/11824 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landwirtschaft braucht Zukunft – Gutes Essen braucht eine gute Landwirtschaft Drucksachen 18/10872, 18/12579 e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katja Keul, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im deutschen Recht verankern Drucksachen 18/10255, 18/12209 f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Wirksame Sanktionen bei Rechtsverstößen von Unternehmen Drucksachen 18/10038, 18/11783 ZP 7 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesamtkonzept Alterssicherung – Verlässlich, nachhaltig, solidarisch und gerecht Drucksachen 18/12098, 18/12586 ZP 8 Eidesleistung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand beteiligen Drucksache 18/12557 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Die Zusatzpunkteliste liegt wie immer vorne an den Tischen aus und sollte Ihre Aufmerksamkeit finden. Dabei soll wie immer von der Frist für den Beginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden. Der Tagesordnungspunkt 23 – da geht es um die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes – soll abgesetzt werden. Nach dem Tagesordnungspunkt 39 ist als Zusatzpunkt 8 die Eidesleistung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgesehen. Der Tagesordnungspunkt 47 n soll nach dem Tagesordnungspunkt 22 mit einer Debattenzeit von 25 Minuten aufgerufen werden. Schließlich mache ich noch auf zwei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunkteliste aufmerksam: Der am 18. Mai 2017 (234. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) Drucksachen 18/12329, 18/12378 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Die am 28. April 2017 gemäß § 80 Absatz 3 der Geschäftsordnung überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung Drucksache 18/11499 hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung Drucksache 18/11948 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ich frage Sie, ob Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden sind. – Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich möchte gerne noch eine Bitte vortragen, die ich im Ältestenrat in den letzten Monaten bereits mehrfach vorgetragen habe, ohne dass das offenkundig zu dem gewünschten Effekt geführt hat: Wir haben hier im Hause eine Reihe von Regeln. Sie betreffen auch und gerade die Betreuung von Besuchergruppen unter besonderer Berücksichtigung von Sitzungswochen und der Sicherung eines störungsfreien Ablaufs hier im Hause. Diese werden zunehmend – ich sage jetzt einmal: in freier Interpretation von Zweckmäßigkeiten – von jeweils interessierten Kolleginnen und Kollegen so gehandhabt, wie ihnen das am bequemsten erscheint, und Hinweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf unser eigenes Reglement werden offenkundig für eher störend als zweckdienlich gehalten. Alles, was hier im Haus an Regeln gilt, haben wir ausnahmslos selbst beschlossen. Daher ist es eigentlich nicht zu viel verlangt, dass wir das, was wir an Regeln für vernünftig halten, selber so praktizieren. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Jedenfalls sollten künftig diejenigen, denen wir die Regeln, die wir beschlossen haben, als für sie verbindlich vorhalten werden, nicht damit rechnen müssen, wir handhabten das selber im konkreten Fall großzügiger, als wir das von anderen erwarteten. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 d sowie den Zusatzpunkt 4 auf: 9.   a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) Drucksachen 18/11131, 18/11186 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Drucksache 18/12588 b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/11135, 18/11185 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Drucksache 18/12589 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen Drucksachen 18/11165, 18/12588 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren Drucksachen 18/6875, 18/7643, 18/5207, 18/12599 ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen Drucksachen 18/10747, 18/12536 Es liegen insgesamt zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke sowie drei Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Wir werden zu diesem Tagesordnungspunkt nach Schluss der Debatte insgesamt neun namentliche Abstimmungen durchführen. Dazwischen finden dann einfache Abstimmungen statt, weil wir in jeweils unterschiedlicher Weise einmal über Änderungsanträge und dann über die jeweils einzeln vorgesehenen Grundgesetzänderungen, teilweise namentlich, teilweise in einfacher Abstimmung, zunächst in zweiter Lesung entscheiden und danach in dritter Lesung in Gesamtabstimmung über das Gesamtpaket. Ich bitte, das bei den eigenen zeitlichen Dispositionen zu berücksichtigen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 125 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden sich sicherlich wundern, dass so eine wichtige Debatte – man sieht das an dem hochkarätigen Auditorium auf der Bundesratsbank und dem vollen Plenarsaal – von einem einfachen Abgeordneten des Deutschen Bundestags eröffnet wird. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!) Aber wir haben uns bewusst entschieden, das so zu machen, um zu zeigen, dass Gesetze immer noch im Deutschen Bundestag beschlossen werden und – bei allem Respekt – nicht in Ministerpräsidentenkonferenzen und auch nicht in irgendwelchen Runden im Kanzleramt oder sonst wo. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir hier klarmachen, dass dies heute eine Debatte des Deutschen Bundestages ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eine weitere Vorbemerkung: Es kann kein Land gut sein, in dem es dem Bund gut geht, den einzelnen Bundesländern aber nicht und umgekehrt. Es kann kein Land gut sein, in dem es den Ländern gut geht und den Kommunen nicht und umgekehrt. Es kann kein Land gut sein, in dem es Regionen gibt, in denen es den Menschen gut geht, und Regionen, in denen es den Menschen nicht gut geht. Das heißt, egal auf welcher politischen Ebene wir tätig sind, ob im Bund, im Land oder in den Kommunen: Wir haben immer auch die Verantwortung für die anderen und die Verantwortung für das Ganze. Man kann es einem Schüler nicht erklären, dass eine Schule ein Dach hat, das nicht dicht ist, weil man sich über Zuständigkeiten nicht einig wird. Deswegen, meine Damen und Herren, kann es auch nicht sein, dass wir uns als Bundespolitiker wegducken, wenn es Probleme in den Ländern gibt, dass die Länderpolitiker sich verstecken, wenn es Probleme im Bund oder in den Kommunen gibt. Auch jedem Kommunalpolitiker sollte klar sein, dass es seiner Stadt nur gut gehen kann, wenn es dem Land gut geht. Das ist einer der Hauptgründe dafür, warum ich gleich empfehlen möchte, heute diesem Gesetzespaket zuzustimmen. Aber im Einzelnen: Worum geht es? Das Paket besteht aus fünf Blöcken. Der erste Block sind die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Der zweite Block sind Mittel für kommunale Investitionen in die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen. Der dritte Block ist eine Neuausbalancierung von Bund-Länder-Beziehungen, die nichts mit Geld zu tun haben. Der vierte Block ist eine Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen, und der fünfte Block ist das Unterhaltsvorschussgesetz. Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu diesen Blöcken machen. Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Wir alle standen unter erheblichem Zeitdruck. 2019 laufen wichtige Finanzregelungen aus, insbesondere auch für die fünf neuen Länder und für Berlin. Wir haben die Schuldenbremse, die ab 2020 auch von den Ländern einzuhalten ist. Wir haben anhängige Klagen beim Bundesverfassungsgericht. Wir standen aber nicht nur unter Zeitdruck, sondern auch unter erheblichem Druck der Länder. Lassen Sie mich an dieser Stelle bei allem Respekt auch sagen: Es war im Sinne einer föderalen Partnerschaft schon teilweise grenzwertig, wie argumentiert worden ist, und wir sollten die Art und Weise, wie dort gearbeitet worden ist, zukünftig nicht überstrapazieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vonseiten der Länder wurde gesagt: Die Geberländer wollen bessergestellt werden – das kann ich verstehen –; kein Land soll schlechtergestellt werden, und wir müssen Ländern wie Bremen und dem Saarland aus gutem Grund Sanierungsperspektiven geben. Diese Quadratur des Kreises konnte nur gelingen, weil sich der Bund mit gut 10 Milliarden Euro beteiligt. Dieser Betrag wird aufwachsen; es wird mehr werden. Aber wir sind nicht nur mit Geld an die Unterstützung herangegangen, sondern wir haben auch vereinbart, dass wir das Risiko, dass die Lebensverhältnisse in den Ländern weiter auseinanderklaffen, als das heute der Fall ist, im Wesentlichen vom Bund tragen lassen. Das ist sehr viel. Wir sind damit in der Perspektive – in der Risikoübernahme – an die Grenze unserer finanziellen Belastbarkeit gegangen. Auch da bitte ich, dass anerkannt wird, was wir als Bund hier finanziell leisten. Vielleicht führt das auch dazu, dass das ständige Rufen nach Geld vom Bund, egal was ist, zumindest etwas leiser wird. Wir würden uns wünschen, dass das nach diesem Paket aufhört. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist aber auch so, dass die Länder einen Preis dafür gezahlt haben. Der Preis dafür ist, dass die schwachen Länder zukünftig – wie jemand, zugegeben etwas übertrieben, geschrieben hat – „Kostgänger des Bundes“ werden. Das heißt, die Balance zwischen Ländersolidarität und der Verantwortung des Bundes hat sich verschoben. Auch das muss man an dieser Stelle wissen. Zweites Paket: die kommunalen Investitionen. Jetzt wird gleich Folgendes passieren: Es wird eine Jubeldebatte darüber geben, dass damit das Kooperationsverbot aufgehoben worden ist. (Beifall des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist auch gut so!) Das ist mitnichten der Fall. Für diejenigen von Ihnen, die sich nicht so viel mit Finanzverfassung beschäftigen: Kooperationsverbot heißt, dass die Bundesländer alleine für den Bereich Bildung verantwortlich sind und diesen auch finanzieren und dass sich der Bund dabei gefälligst herauszuhalten hat. Das haben wir alle einmal sehr, sehr gut gefunden. Wir finden es als CDU/CSU auch immer noch gut, dass das so ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Das sieht die Kanzlerin aber anders!) Die Lebenserfahrung hat mich eines gelehrt: Wenn zwei für etwas zuständig sind, und wenn zwei etwas finanzieren müssen, dann gibt es immer ein Durcheinander, und das geht nie gut aus. Wir plädieren weiterhin für klare Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Merkel sieht das anders!) Wir greifen trotzdem ein, und zwar aus einem Grund: Wir haben festgestellt, dass einige Länder nicht in der Lage sind, die Schulinfrastruktur sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass die Kinder darunter leiden, dass wir uns in der föderalen Finanzverfassung nicht einig werden. Wir sehen uns als Bund in der Verantwortung, dieser Notlage Abhilfe zu schaffen. Das tun wir an dieser Stelle, aber wir sagen auch ganz eindeutig: Das ist eine Ausnahme, und das kann keine Regel sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Der dritte Punkt sind die strukturellen Verbesserungen in der Balance. Wir haben zukünftig – erstaunlicherweise war das bisher nicht der Fall – echte Mitspracherechte bei der Mischfinanzierung, wo wir Länderaufgaben mitfinanzieren. Wir haben nicht nur Mitspracherechte; wir haben endlich auch Prüfungsrechte – wofür wir als Haushälter lange gekämpft haben, Eckhardt Rehberg –, und das ist gut. Wir werden ein digitales Bürgerportal errichten. Wir werden endlich auch als Bundesverwaltung digital, und wir werden Länder und Kommunen mit einbeziehen. Auch das war vorher nicht möglich. Wir werden im Bereich der Steuerverwaltung Verbesserungen erzielen. Das ist eher etwas für steuerpolitische Feinschmecker, aber es ist ein riesiger Sprung, der uns enorm weiterbringen wird. Und wir werden – auch das war dringend notwendig – den Stabilitätsrat stärken, der künftig nicht nur für die Überwachung der Haushalte zuständig ist, sondern auch für die Einhaltung der Schuldenbremse. Der nächste Block ist die Infrastrukturgesellschaft. Der Verkehrsminister wird gleich erläutern, warum das gut und richtig ist. Ich möchte dazu nur eines sagen: Es gibt auch da eine Uneinheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. Das heißt, dass es Bundesländer gibt, die gut damit umgehen, die haben ihre Autobahnen im Griff, und es gibt Bundesländer, die haben sie nicht im Griff. Das ist aus Bundessicht nicht akzeptabel. Es geht dabei nicht um Privatisierung, sondern darum, dass die Verwaltung effizienter und effektiver wird. Auch das ist richtig, meine Damen und Herren. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Berichterstattern, den Verkehrspolitikern Bettina Hagedorn von der SPD und Norbert Brackmann von der CDU/CSU, bedanken, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die hier nicht alles, aber doch vieles zum Guten wenden konnten. Ich denke, wir sind zu einem guten Ergebnis gekommen. Beim fünften Block geht es um das Unterhaltsvorschussgesetz. Auch dabei handelt es sich um eine Stärkung der Alleinerziehenden. Das ist notwendig. Ich würde mir wünschen, dass wir mit dem gleichen Eifer nun daran gehen, derjenigen, die sich der Verantwortung für ihre Kinder entziehen – das sind hauptsächlich Väter –, habhaft zu werden und ihnen das entsprechende Geld abzunehmen. Ich denke, auch das ist dringend notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, es gibt immer Kompromisse. Das Ganze ist ein Kompromiss. Jeder hat Abstriche gemacht. Vielleicht hätte man es an der einen oder anderen Stelle besser machen können. Jede Kritik ist ernst zu nehmen. Ein Meisterwerk ist es sicherlich nicht geworden. (Beifall des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE]) Trotzdem empfehle ich Ihnen, zuzustimmen. Den einen Grund habe ich Ihnen am Anfang gesagt: Wir als Bundespolitiker können uns nicht vom Acker machen, wenn in Ländern und Kommunen Probleme vorhanden sind. Wir haben die Gesamtverantwortung im Blick zu halten. Das ist gut, und das ist wichtig. Das hat auch etwas mit Legitimation von Politik zu tun. Der zweite Grund ist, dass wir in der mittlerweile 68-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eines erreicht haben, was ganz viele Länder nie geschafft haben, was unglaublich wertvoll ist und vielleicht dazu beiträgt, dass wir stabiler als viele andere Demokratien sind. Wir streiten uns manchmal – das ist überhaupt keine Frage – wie die Kesselflicker. Das unterscheidet uns auch nicht von anderen Ländern. Manchmal stehen wir auch vor einer Situation, da wissen wir nicht, wie es weitergeht, und denken: Wie kommen wir da wieder heraus? Auch das unterscheidet uns nicht von anderen Ländern. Am Ende des Tages aber haben wir es hier in Deutschland, wenn es darauf ankam, immer wieder geschafft, über persönliche Grenzen, über Parteigrenzen und über die Grenzen von Bund und Ländern hinweg irgendwann einmal auch eine Lösung zu finden. Dieses Irgendwann ist heute, meine Damen und Herren, und deswegen stimmen Sie bitte zu. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das heutige Deutschland hat immer weniger gemein mit jener Bundesrepublik, die den Vätern des Grundgesetzes einst vorschwebte. (Thomas Oppermann [SPD]: Jetzt kommen wieder Adenauer und Erhard!) Der Auftrag, einen sozialen Bundesstaat zu gestalten, wurde bereits durch die Agenda 2010, den Abbau des Sozialstaats und die Schaffung eines riesigen Niedriglohnsektors weitgehend aufgegeben. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ach ja?) Jetzt wird mit einem Paket von sage und schreibe 13 Grundgesetzänderungen auch noch der Föderalismus untergraben und einer erneuten großflächigen Privatisierung öffentlicher Aufgaben der Weg bereitet. (Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung, wie immer! Lesen bildet, denken hilft, Frau Kollegin!) Ich muss sagen, dieses Abschiedsgeschenk der Großen Koalition ist so vergiftet, dass man wirklich nur hoffen kann, dass möglichst viele Wähler Ihr falsches Spiel durchschauen. (Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich!) – Dass Sie jetzt so laut werden, zeigt doch, wie angefasst Sie sind. Sie wissen es doch ganz genau. Sie täuschen die Öffentlichkeit, Sie erzählen den Leuten Dinge, die nicht stimmen. Deswegen reagieren Sie doch jetzt auch so. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Aber Arroganz und Dummheit sind schlimmer! Keine Ahnung, aber Redezeit!) Natürlich ist es gut und sinnvoll, wenn die Bundesländer mehr Geld bekommen, und es ist auch sinnvoll, ärmere Gemeinden bei der Sanierung von Schulen zu unterstützen. Aber all das hätten Sie auch auf anderen Wegen erreichen können. Dafür bedarf es nicht eines – ich zitiere unseren Bundestagspräsidenten – „monströsen Eingriffs in das Grundgesetz“, durch den Regelungen Verfassungsrang und Dauerhaftigkeit bekommen sollen, die bis kurz vor Schluss selbst innerhalb der Koalition heißumstritten waren und nicht umsonst immer wieder geändert wurden. Und jetzt soll dieses Riesenpaket innerhalb von 48 Stunden durch Bundestag und Bundesrat gedrückt werden. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wir haben drei Jahre lang daran gearbeitet!) Ich finde, wer so vorgeht, der muss sich schon nach seinem Respekt vor der Verfassung dieses Landes fragen lassen. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Komplett neben der Wahrheit! Aber komplett!) Wie gesagt, auch wenn Sie alles dafür tun, die Öffentlichkeit zu täuschen: Heute entscheiden Sie, ob ein knapp 13 000 Kilometer langes Straßennetz, das Generationen von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebaut und finanziert haben, in Zukunft zu einer Melkkuh für private Profite gemacht werden kann oder nicht. Um nichts anderes geht es, (Beifall bei der LINKEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist doch der totale Quatsch, was Sie da erzählen!) auch wenn Sie schon seit Monaten versuchen, die Wählerinnen und Wähler für dumm zu verkaufen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das machen Sie schon zur Genüge!) – Ja, Sie von der SPD sind besonders angefasst, weil Sie besonders intensiv täuschen. Ich verstehe das alles. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Weil wir einen gewissen Anspruch an Niveau haben! Das ist doch peinlich!) Ich rufe noch einmal in Erinnerung: Schon im November letzten Jahres ließ Herr Gabriel verlauten, dass die von Herrn Schäuble geplante Autobahnprivatisierung durch sein Veto gestoppt sei. Man war tief beeindruckt von so viel Durchsetzungsvermögen. Dann allerdings hat der Bundesrechnungshof diese Falschaussage von Sigmar Gabriel in der Luft zerrissen. Damit war die Autobahnprivatisierung wieder ein Thema. (Johannes Kahrs [SPD]: Vielleicht machen Sie sich schlau, bevor Sie zu einem Thema reden!) Also wurde das Paket wieder aufgeschnürt und wurden wieder Änderungen vorgenommen. (Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung!) Führende SPD-Vertreter haben fast im Wochenrhythmus erklärt, dass mit der jeweils letzten Änderung die Privatisierung der Autobahnen nun aber definitiv vom Tisch sei. In der letzten Sitzungswoche ist es der SPD dann angeblich gelungen, eine echte „Privatisierungsbremse“ durchzusetzen. (Johannes Kahrs [SPD]: Fragen Sie einmal Ihre Haushälter! Die haben uns dafür gelobt!) Sie haben offenbar gar nicht bemerkt, wie verräterisch schon der Begriff „Privatisierungsbremse“ ist. Bremsen muss man etwas, was bereits im Rollen ist. (Beifall bei der LINKEN) Ins Rollen kommt die Autobahnprivatisierung überhaupt nur durch Ihre geplanten Grundgesetzänderungen. Ohne diese Änderungen wäre sie schlicht ausgeschlossen. (Beifall bei der LINKEN) Bei dieser Gelegenheit fällt einem natürlich ein, dass wir mit angeblichen „Bremsen“ dieser Großen Koalition schon einige Erfahrungen haben. Ich erinnere Sie an die Mietpreisbremse von Herrn Maas, seit deren Beschlussfassung die Mieten noch schneller gestiegen sind als zuvor. Jetzt haben wir auch noch eine „Privatisierungsbremse“. Es steht zu erwarten, dass diese ähnlich wirkungsvoll sein wird. Jeder unvoreingenommene Beobachter muss sich doch fragen: Wenn Sie wirklich keine Autobahnprivatisierung wollen, warum übertragen Sie dann die Nutzungsrechte und die Verwaltungskompetenz für die Autobahnen an eine Gesellschaft privaten Rechts? (Sören Bartol [SPD]: Effizienz!) Herr Brinkhaus hat gerade das Parlament gefeiert. Sie wissen ganz genau, dass Sie dadurch die parlamentarischen Kontrollrechte untergraben. Ein Parlament, das dem zustimmt, entmachtet sich selbst. Das ist doch der Kern. (Beifall bei der LINKEN) Warum schließen Sie dann nicht wenigstens eine teure Fremdfinanzierung dieser Gesellschaft durch private Kapitalgeber im Grundgesetz aus? (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Schade um die Redezeit!) Untersagt wird das aktuell nur durch ein normales Gesetz, das jede künftige Regierung mit einfacher Mehrheit wieder ändern kann. Warum schließen Sie den Bau und den Betrieb von Autobahnen durch sogenannte öffentlich-private Partnerschaften im Grundgesetz nicht generell aus, sondern nur, wie es heißt, (Johannes Kahrs [SPD]: Das gibt es doch jetzt schon!) auf „wesentlichen Teilen“ des Streckennetzes? (Johannes Kahrs [SPD]: Ablesen macht es nicht besser!) Haben Sie schon einmal einen Juristen getroffen, der die Grenzlinie zwischen „wesentlichen“ und „unwesentlichen“ Teilnetzen definieren kann? Ich jedenfalls nicht. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das merkt man!) Damit ist doch völlig klar, dass mit dieser schwammigen Formulierung den öffentlich-privaten Partnerschaften, also für die bekannten Raubverträge zur Ausplünderung des Steuerzahlers, auch auf großen Streckenabschnitten die Türen nicht geschlossen, sondern weit geöffnet werden. (Johannes Kahrs [SPD]: Vielleicht sollte man reden, nicht nur ablesen, sondern sich einmal informieren! Da können wir helfen!) Schlimmer noch: Dadurch werden öffentlich-private Partnerschaften überhaupt erstmals im Grundgesetz verankert. (Johannes Kahrs [SPD]: Noch nie mit dem Thema beschäftigt und jetzt Unsinn ablesen!) Sie empfehlen sich schon allein dadurch künftig als Standardmodell zur Erledigung öffentlicher Aufgaben. Das ist doch die Konsequenz Ihrer Änderungen. Wer wissen will, was das bedeutet, muss sich einmal anschauen, wie bisherige ÖPPs funktionieren. Ein schönes Beispiel dafür ist Toll Collect, bei der der Steuerzahler seit Jahren von den Betreibern über den Tisch gezogen wird. Heute zahlt der Staat Millionen an private Anwaltskanzleien, weil er nicht in der Lage ist, die zigtausend Seiten langen Verträge zu verstehen, die er einst unterschrieben hat. Inzwischen wird sogar wegen Betrugs ermittelt. Aber Toll Collect ist kein Einzelfall. Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass öffentlich-private Partnerschaften in der Regel viel höhere Kosten verursachen als Bauprojekte in Eigenregie. Bei Autobahnen liegen die Mehrkosten bei bis zu 40 Prozent. Diese teuerste aller denkbaren Varianten soll in Zukunft mit grundgesetzlicher Weihe zum Standardmodell zur Sanierung unserer Infrastruktur werden? Und das nicht nur für Autobahnen, sondern auch für Schulen und in vielen anderen Bereichen. Ein Modell, bei dem die öffentliche Hand alle Risiken trägt und der Private sichere Renditen kassiert. Es ist genau besehen eine der übelsten Formen der Privatisierung. Und da erzählen Sie den Leuten doch wirklich, ohne rot zu werden, Sie hätten eine Privatisierung verhindert. Ich finde das wirklich dreist. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Wie kann man so einen Unsinn auch noch ablesen?) Natürlich weiß ich, (Johannes Kahrs [SPD]: Nein, eben nicht!) dass Sie der Grundgesetzänderung auch in diesem Fall ein einfaches Gesetz zur Seite gestellt haben, das ÖPPs stärker beschränkt. (Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung, aber davon viel!) Aber auch dieses Gesetz kann jederzeit mit einfacher Mehrheit wieder aufgehoben werden. Wer wissen will, worum es wirklich geht, der muss den Abschlussbericht, der von Herrn Gabriel ins Leben gerufenen Kommission zur angeblichen „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ von 2015 lesen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Lesen Sie doch einmal die Bundesrechnungshofberichte!) Dort wurde zum ersten Mal eine privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft gefordert. Dort wurde die eigentliche Absicht noch offenherzig ausgesprochen. Schauen Sie sich den Bericht einmal an. Dort steht: Die öffentliche Infrastruktur soll dem privaten Kapital geöffnet werden, um der Finanzbranche in Zeiten von Nullzinsen renditeträchtige Anlagen zu ermöglichen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das findet doch gerade nicht statt, gnädige Frau!) Genau das ist der Grund, warum wir heute diese fatalen Grundgesetzänderungen auf dem Tisch haben: Sie sollen das ermöglichen, was Herr Gabriel damals der Finanzbranche in die Hand versprochen hat. (Beifall bei der LINKEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Absoluter Quatsch! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die Linke hat die Konsequenz outgesourct, das ist das Problem!) Es geht also gar nicht um eine bessere Infrastruktur, um mehr Investitionen. Es geht darum, Banken, Versicherungen und anderen Großanlegern lukrative und zugleich risikofreie Anlagemöglichkeiten zu verschaffen. Offenbar sind Ihnen die Renditewünsche der Allianz und anderer Finanzkonzerne wichtiger als die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Einen anderen Schluss lässt das ja nicht zu. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Einen solchen Blödsinn habe ich selten gehört!) Der Hintergrund ist, dass solche Unternehmen in diesem Land sehr viel Macht haben und dass sie Ihnen allen regelmäßig erkleckliche Summen an Spenden überweisen (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) und seit längerem Druck machen, dass der Staat ihre Profite subventioniert. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Allianz-Chef Markus Faulhaber hat damals sogar genau beziffert, wie er sich das vorstellt. Der Allianz-Chef hat gesagt, der Steuerzahler solle seinem Finanzkonzern für das geliehene Geld 6,5 Prozentpunkte mehr bezahlen als den Zinssatz, den er für normale Bundesanleihen bekäme. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Demagogie! – Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung, aber davon viel!) Ende April wurde übrigens berichtet, dass sich der Allianz-Konzern mit mehr als einer halben Milliarde Euro an einem italienischen Autobahnbetreiber beteiligt. Warum? Weil dieser Betreiber die Hälfte des italienischen Mautstraßennetzes unter seinen Fittichen hat (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau das wird in Deutschland nicht passieren!) und dieser Betrieb einen Gewinn von 2,4 Milliarden Euro abwirft. So eine Geldkuh, die man melken kann, hätte die Allianz gerne auch in Deutschland. Das vorliegende Gesetzespapier bringt sie diesem Ziel einen gewaltigen Schritt näher. Wir finden: Das ist eine Katastrophe. (Beifall bei der LINKEN) Dann wundern Sie sich, (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Über Ihre Rede wundern wir uns!) wenn Sie solche Gesetze machen, dass es immer mehr Menschen gibt, die Politik für eine zutiefst korrupte Veranstaltung halten. (Johannes Kahrs [SPD]: Bei der Rede ist das kein Wunder!) Es sind genau solche Entscheidungen wie die heutige, die das bewirken. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Schämen Sie sich!) Ich finde es deswegen wirklich erschreckend – nicht nur, wie Sie sich heute hier aufführen, das auch –, auf welchem Niveau dieses Land inzwischen regiert wird (Beifall bei der LINKEN) und in welchem Sumpf aus Lobbywirtschaft, billiger Trickserei und mutwilliger Täuschung der Öffentlichkeit sich deutsche Politik heute bewegt. Aber noch haben Sie ja die Chance, insbesondere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Wenn Sie noch einmal, ohne sich zu schämen, das Wort „soziale Gerechtigkeit“ in den Mund nehmen wollen, dann verweigern Sie Ihre Stimme diesem zutiefst ungerechten Privatisierungsprojekt. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Wie peinlich kann man denn sein?) Wenn Sie das heute durchwinken, dann können Sie Ihren Gerechtigkeitswahlkampf wirklich in die Tonne treten. (Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung, aber davon sehr viel!) Hören Sie auf, die Leute zu belügen. Schließen Sie öffentlich-private Partnerschaften klipp und klar aus. Und knüpfen Sie das Paket auch im Bundesrat wieder auf, (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist jetzt AfD-Niveau der Linken! Unterirdisch und peinlich!) statt sich die Zustimmung der Länder mit einem Schmiergeld von 9 Milliarden Euro zu erkaufen (Johannes Kahrs [SPD]: Wir erwarten nicht viel von Ihnen, aber etwas Kompetenz wäre schon schön!) oder – man könnte es auch so sagen: – zu erpressen, weil Sie den Ländern gar keine andere Chance geben, als zuzustimmen oder dagegenzustimmen, (Johannes Kahrs [SPD]: AfD-Populismus ist das hier!) weil Sie keine differenzierte Abstimmung möglich machen. (Johannes Kahrs [SPD]: Beatrix von Wagenknecht, das geht doch nicht!) Die Bundestagsfraktion der Linken jedenfalls wird sich an diesem dreisten Griff in die Geldbeutel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler (Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich! Keine Ahnung!) sowie der Autofahrerinnen und Autofahrer nicht beteiligen, und deshalb stimmen wir mit Nein. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Echt AfD-Niveau! So peinlich! Keine Ahnung!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Thomas Oppermann das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Wagenknecht, (Ulli Nissen [SPD]: Liebe? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Liebe?) Politik als korrupte Veranstaltung, Schmiergeldzahlungen – (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch so!) das ist eine Sprache, die mich an eine andere Partei in Deutschland erinnert. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe Ihnen keine Ratschläge zu geben, aber in diesem Fall wäre es wirklich besser gewesen, Sie hätten sich vor Ihrer Rede sachkundig gemacht (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) oder Sie hätten Ihre Redezeit, auch wenn es heute die Stunde des Bundestages ist, dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow aus Thüringen überlassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Der hat wenigstens Ahnung!) Der wird nämlich im Bundesrat dem Gesetz, das Sie hier eben als Teil einer korrupten Veranstaltung diffamiert haben, zustimmen. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Zuruf von der SPD: Hört! Hört! Genau!) Vielleicht ist es doch besser, Sie überlegen sich noch einmal, ob das, was Sie gesagt haben, wirklich richtig ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bettina Hagedorn [SPD], an die LINKE gewandt: Das ist Heuchelei!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundestag setzt heute mit der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein deutliches Zeichen. Einige meinen ja, es genüge, wenn die Regierungen von Bund und Ländern sich auf ein Gesetzespaket verständigen und das dem Bundestag zum Durchwinken vorlegen. Man konnte in dieser Wahlperiode schon den Eindruck gewinnen: Die Ministerpräsidentenkonferenz möchte sich zum Ersatzgesetzgeber aufschwingen. – Diesen Ambitionen setzen wir heute ein klares und kraftvolles Zeichen entgegen. Wir machen heute in aller Deutlichkeit klar: Gesetzgeber ist und bleibt der Deutsche Bundestag zusammen mit dem Bundesrat und niemand sonst in diesem Land. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lieber Volker Kauder, ich möchte mich bei Ihnen und Ihren Kollegen und Kolleginnen dafür bedanken, dass wir uns genügend Zeit genommen haben, dieses Gesetzesvorhaben gründlich zu beraten und auch die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Meine Damen und Herren, wir stimmen heute über ein Gesetzespaket ab, das den Bund viel Geld kostet. Mit 10 Milliarden Euro wird der Bund ab 2020 die Länder unterstützen. Wir kommen damit den Ländern bis zur Schmerzgrenze entgegen. Für viele von uns ist das keine einfache Entscheidung, und trotzdem bringen wir sie heute auf den Weg; denn wir wollen, dass auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts die finanzielle Handlungsfähigkeit aller Länder gesichert ist, dass die Länder die Schuldenbremse einhalten können, ohne ihre Aufgaben zu vernachlässigen. Damit geben wir den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land ein ganz zentrales Versprechen, nämlich das Versprechen auf gleichwertige Lebensverhältnisse: dass man in allen Teilen unseres Landes gut leben kann und dass keine Region in Deutschland abgehängt wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dass wir im internationalen Vergleich in Deutschland immer noch ein hohes Maß an politischer Stabilität haben, das liegt auch daran, dass wir in allen Teilen des Landes immer noch relativ gleichwertige wirtschaftliche und soziale Verhältnisse haben. Wir wollen, dass es auch in Zukunft so bleibt, dass Länder und Kommunen ihre Aufgaben eigenständig erfüllen können, egal wo sie in Deutschland liegen und welche Voraussetzungen sie mitbringen. Das ist gut für unser Land, und das trägt dazu bei, dass unsere Demokratie stabil bleiben kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wie viele in Deutschland finden wir es unmöglich, dass immer noch sehr viele Kinder in marode Schulen gehen müssen, obwohl wir in einem der reichsten Länder der Welt leben. Auf der einen Seite haben Städte und Gemeinden nicht genug Geld für saubere und modern ausgestattete Schulen, auf der anderen Seite hat der Bund enorme Haushaltsüberschüsse. Das Grundgesetz verbietet uns bis heute, einen Teil davon in unsere Schulen zu investieren. Die Eltern sagen: Das ist ein absurder Zustand. – Ich finde, die Eltern haben recht. (Beifall bei der SPD) Ich bin froh, dass wir heute diesen absurden Zustand beenden und das Kooperationsverbot durchbrechen. Dafür ändern wir nicht nur das Grundgesetz, sondern wir stellen auch sofort 3,5 Milliarden Euro für Schulen in finanzschwachen Kommunen bereit. Lieber Kollege Brinkhaus, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie ganz ehrlich gesagt haben, dass Sie eigentlich für das Kooperationsverbot sind. Das gibt mir die Gelegenheit, zu sagen: Wir sind gegen das Kooperationsverbot. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich glaube, dass wir mit der Möglichkeit, zu kooperieren, neben der Erfolgsgeschichte der Kostenübernahme beim BAföG ein weiteres Instrument in die Hand bekommen, um für Chancengerechtigkeit zu sorgen. Wir wollen Bildungschancen für alle. Wir wollen, dass alle jungen Menschen durch eigene Anstrengung, durch Bildung und Ausbildung die Möglichkeit haben, etwas aus ihrem Leben zu machen. Ob sie diese Möglichkeit haben, darf nicht vom Geldbeutel ihrer Eltern oder von der Finanzkraft ihrer Heimatgemeinde abhängen. (Beifall bei der SPD) Ich darf mich ja hier vom Rednerpult aus nicht mit dem Präsidenten des Deutschen Bundestages auseinandersetzen. Aber ich möchte dem Abgeordneten Lammert aus Bochum zurufen, (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) dass damit kein Marsch in den Zentralstaat verbunden ist, sondern etwas ganz anderes, nämlich die Übernahme gesamtstaatlicher Verantwortung. (Beifall bei der SPD) Wenn es gravierende Defizite auf einer staatlichen Ebene gibt, dann gebietet die gesamtstaatliche Verantwortung, dass wir nicht wegschauen, sondern dass wir gemeinsam helfen. Und genau das machen wir. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, mit der heutigen Reform beenden wir auch die Bundesauftragsverwaltung der Länder bei den Autobahnen und gründen eine Infrastrukturgesellschaft beim Bund. Diese Infrastrukturgesellschaft in ausschließlich staatlicher Regie soll dazu beitragen, durch schnellere Planung Investitionen in unsere Autobahnen effizienter zu tätigen. Ob das gelingt, ist in erster Linie eine Frage der Umsetzung. Dabei wird der Bundestag dem Verkehrsminister – egal wer das in der nächsten Wahlperiode ist – genau auf die Finger schauen. Aber eines ist klar, meine Damen und Herren: Die Autobahnen bleiben im Eigentum des Staates. Sie gehören den Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben sie schon einmal mit ihren Steuern bezahlt. Deshalb lehnen wir jegliche Form der Privatisierung ab, wir wollen nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger die Autobahnen ein zweites Mal bezahlen müssen. (Beifall bei der SPD) Frau Wagenknecht, was Sie hier über den Gesetzentwurf gesagt haben, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist Verschwörungstheorie!) zeigt mir nur, dass Sie die ganze Zeit über den ursprünglichen Entwurf von Herrn Dobrindt und Herrn Schäuble gesprochen haben. Sie haben anscheinend gar nicht mitbekommen, dass wir diesen komplett geändert haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Wo denn?) Ihr Kollege Bartsch, der ja einer der Redner bei der ersten Beratung war, hat damals, wie ich finde, zu Recht darauf hingewiesen, dass der Bundesrechnungshof diesen ursprünglichen Entwurf massiv kritisiert hat, und den Bundesrechnungshof zum Kronzeugen ernannt. Aber dieser Bundesrechnungshof sagt heute: Mit diesem Gesetzentwurf ist eine Privatisierung ausgeschlossen. – Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Während heute ÖPP eigentlich grenzenlos zulässig und möglich ist, wird sie in der Verfassung jetzt erstmals deutlich ausgeschlossen. (Zuruf von der LINKEN: Hä? Warum? – Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Kommt erstmals in die Verfassung!) Durch eine effizientere Verwaltung bzw. Infrastrukturgesellschaft wird sie eigentlich auch überflüssig. Ich finde das gut so; denn wir haben mit ÖPP keine guten Erfahrungen gemacht. ÖPP benachteiligt systematisch die mittelständischen Bauunternehmen in Deutschland (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und bevorzugt international agierende Großkonzerne. Der Bundesrechnungshof hat dokumentiert, dass ÖPP-Projekte teurer sind, als wenn der Staat sie selber umsetzt. Daraus ziehen wir jetzt die richtigen Konsequenzen. (Beifall bei der SPD) In diesem Gesetz wird auch der Unterhaltsvorschuss neu geregelt. Wenn es eine Gruppe in unserer Gesellschaft gibt, die wirklich hart kämpfen muss, um zurechtzukommen, dann sind das berufstätige alleinerziehende Frauen. In der Regel können sie wegen Kindererziehung nur Teilzeit arbeiten. Damit diese Familien nicht in Hartz IV abrutschen, hat die SPD vor Jahren den Kinderzuschlag eingeführt. Jetzt hat Manuela Schwesig für diese Familien den zweiten großen Schritt erkämpft. (Beifall bei der SPD) Für Kinder, deren Väter sich ihren Verpflichtungen entziehen, wird der Unterhaltsvorschuss nicht mehr nur maximal 6 Jahre, sondern künftig 18 Jahre gezahlt, (Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das haben wir schon gemeinsam gemacht!) also bis zur Volljährigkeit der Kinder. Das ist eine enorme Verbesserung. Liebe Manuela Schwesig, dass dieses Gesetz am Ende doch noch kommt, zeigt: Wir haben eine hartnäckige und durchsetzungsstarke Frauenministerin. (Beifall bei der SPD) Das Gesetz über den Unterhaltsvorschuss ist der krönende Abschluss einer unglaublich erfolgreichen Amtszeit. Liebe Manuela, du hast als Frauenministerin allein in vier Jahren die Arbeit von acht Jahren gemacht. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ging nur mit der CDU!) – Ihr könnt doch auch mal klatschen. – Ich wünsche alles Gute für das neue Amt in Mecklenburg-Vorpommern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dann möchte ich noch Frau Merkel ansprechen. Liebe Frau Merkel, ich wäre froh gewesen, wenn wir auch mehr Gerechtigkeit geschafft hätten für Frauen, die in Teilzeit arbeiten und ihre Arbeitszeit gerne wieder erhöhen möchten. Jede dritte Teilzeitbeschäftigte möchte die Arbeitszeit wieder erhöhen, darf es aber nicht. Ich kann nicht verstehen, warum Sie all den Frauen – es geht vor allen um Frauen, die in der Teilzeitfalle sind – das Recht auf Rückkehr in die vorherige Arbeitszeit verweigern. (Beifall bei der SPD) Wir werden diese Frauen nicht im Stich lassen. Wir werden bei der Bundestagswahl darum kämpfen, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihr wart nicht kompromissbereit!) dass auch diese Frauen mehr Gerechtigkeit bekommen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Hätten wir doch regeln können! Ihr wart nicht kompromissbereit!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Anja Hajduk ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für diese Reform, die wir heute beschließen, sind schon große Worte gewählt worden: Sie sei historisch, sei möglicherweise eine Jahrhundertreform. Und tatsächlich: Es steht heute an, das Grundgesetz 13-mal zu ändern. Das ist etwas Besonderes. Wir entscheiden hier über nichts Geringeres als über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern mindestens bis zum Jahr 2030. Das heißt, was wir heute hier beschließen, wird mehr oder weniger für die nächsten 15 bis 20 Jahre gelten. Es ist auch gesagt worden, neue Rahmenbedingungen, die wir zum Beispiel für die Länder haben, nämlich die Schuldenbremse ab 2020 einzuhalten, machen es erforderlich, dass insbesondere die Länder Planungssicherheit bekommen. Aber wenn man eine solche Reform macht, muss man sich dann nicht auch fragen: Was sind eigentlich die großen Herausforderungen in den nächsten 20 Jahren? Was sind die absehbaren Veränderungen in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts? – Das sind einerseits die demografischen Veränderungen und die damit verbundenen Umbrüche sowie andererseits der sozialräumliche Wandel; wir haben eine immer stärkere Spreizung zwischen armen und reichen Regionen. Eine solche Analyse hätte der Ausgangspunkt für Reformüberlegungen im Rahmen einer Föderalismuskommission in dieser Legislaturperiode sein müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich hätte gerne als Mitglied des Bundestages die Gelegenheit gehabt, mit den Ministerpräsidenten der Länder über diese Herausforderungen zu diskutieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber was hat die Große Koalition entschieden? Sie hat stattdessen entschieden: Sollen sich doch erst einmal die 16 Ministerpräsidenten an einen Tisch setzen, sich einigen und ihre materiellen Interessen ausbalancieren. Ins Zentrum der Verhandlungen ist vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen doch tatsächlich die Aufgabe gesetzt worden: Verteilt doch mal den Kuchen unter euch neu. – Das war keine große Kunst, weil derjenige, der das bezahlen soll, erst später dazukam, nämlich der Bund. Bei der Verhandlung der Ministerpräsidenten ist als Kern der Reform Folgendes herausgekommen: Sie ändern den Artikel 107 GG und schaffen den Länderfinanzausgleich im eigentlichen Sinne ab. Den Ausgleich zwischen starken und schwachen Ländern soll man am besten gar nicht mehr sehen. Er soll verschwinden, und er wird gekappt. In Zukunft wird es eine geringere Solidarität zwischen den Ländern geben. Übernehmen wird diese Aufgabe jetzt der Bund. Ich kann sagen: Für meine Heimatstadt Hamburg, Herr Bürgermeister Scholz, ist das kein schlechter Deal. Aber das kann für mich nicht der Maßstab sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist ein gutes Geschäft für die starken Länder. Alle Experten in der Anhörung, auch die Experten der Regierungsfraktionen, haben gesagt: Diese Reform hilft ab 2020 insbesondere den starken Ländern; die werden im Vergleich zu den finanzschwachen Ländern stärker profitieren; die Spreizung wird zunehmen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie oft haben wir im vergangenen Winter und in diesem Frühjahr über die Gefahr geredet, dass sich bestimmte Regionen abgehängt fühlen, was auch ein demokratisches Problem ist, und die Infrastruktur in bestimmten Regionen unseres Landes nicht mehr gesichert ist? Und in einer solchen Situation beschließen wir eine Reform, die die Starken stärker macht und die Schwachen schwächer. Die Folge davon ist – das hat der Finanzminister gestern im Haushaltsausschuss eingeräumt –, dass der Ausgleich für die finanzschwachen Länder jetzt vom Bund kommen muss. Das liegt jetzt beim Bund. Liebe Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen, dazu kann man sagen: 16 : 0. Wenn man das so macht, dann bekommt der Bund nicht nur die Verantwortung für die Finanzierung der schwachen Kommunen und der schwachen Regionen, sondern damit müssen und werden – das dürfte niemanden wundern – auch größere Kontrollrechte des Bundes, auch unseres Parlamentes einhergehen. Deswegen werden wir diesen Kontrollrechten zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Man kann es auch anders sagen: Wenn sich bei dem Setting 16 : 0, das Sie immer verteidigen, bei so einem Beschluss die Starken durchsetzen, wird eine Bewegung in Gang gesetzt, die dazu führt, dass die schwächeren Länder in stärkere Abhängigkeit vom Bund geraten. Sie werden in diese Abhängigkeit regelrecht hineingetrieben. Dass dies von den Ministerpräsidenten, in der Regel bekennende Föderalisten, so beschlossen wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Ich erkenne darin keine Stärkung und keinen selbstbewussten Föderalismus. Deswegen wird meine Fraktion die Änderung des Artikels 107 GG ablehnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch auf zwei weitere Punkte eingehen: Erstens. Wir haben die große Zukunftsaufgabe, unsere Gesellschaft in Sachen Bildung richtig stark aufzustellen. Zitat: Bund und Länder können auf der Basis von Vereinbarungen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und der Weiterentwicklung des Bildungswesens zusammenarbeiten. Was ist an diesem Satz eigentlich so schlimm? Das ist es, was wir beantragen. Das heißt, das Kooperationsverbot soll aufgehoben werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir beantragen nicht, dass die Schulpolitik, ob in Baden-Württemberg oder in Hamburg, durch den Bund geregelt werden soll; das hielte ich für großen Quatsch. Aber warum darf es keine Zusammenarbeit bei der größten Zukunftsaufgabe geben, die wir auch in den nächsten Jahren vor uns haben? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Will hier jemand leugnen (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, Kretschmann! – Johannes Kahrs [SPD]: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der leugnet!) – ja, habe ich ja auch erwähnt; ich bin da nicht so ängstlich –, (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal zuhören!) dass wir das Ganztagsschulangebot, das wir heute haben, und den Ausbau der Kitaplätze ohne Unterstützung des Bundes wohl kaum geschafft hätten? Nein, das hätten wir nicht geschafft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Da sind wir uns mit der SPD einig. Aber dann muss man doch einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass Zusammenarbeit der Bildung nützt. Heute werden wir das Kooperationsverbot leider nicht gänzlich abschaffen; aber wir werden den kleinen Schritten in Richtung Öffnung des Kooperationsverbotes am Ende natürlich zustimmen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) im Interesse der Aufgabe. Dann bleibt in der Verantwortung der Länder noch genug zu tun. Ein weiterer, sehr zentraler Punkt der Auseinandersetzung, über den die Koalition sehr intensiv gestritten hat, ist das Thema der Gründung einer Infrastrukturgesellschaft. Wir Grünen sehen es in der Tat so, dass zum Schluss durch die Änderungen seitens der Bundestagsfraktionen, insbesondere auch durch den Einsatz der Kollegin Hagedorn und des Kollegen Brackmann, wirklich etwas Positives erreicht wurde (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) und damit einige Lücken geschlossen und einige Gefahren im Hinblick auf eine zukünftige Privatisierung gebannt werden. Aber ich sage Ihnen auch: Uns reicht das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne haben uns sehr genau überlegt, wo man etwas im Grundgesetz regeln muss und wo nicht, welche Detailverliebtheit ein Grundgesetz verträgt und welche Grundgesetzschranken wir vorsehen müssen, wenn wir eine neue Öffnung zulassen. Wenn wir – und wir Grünen sind dafür – eine Infrastrukturgesellschaft gründen und die Bundesautobahnen in die Verantwortung des Bundes überführen wollen, dann sind wir nicht nur dafür verantwortlich, eine neue Öffnung ins Grundgesetz zu bringen, sondern auch dafür verantwortlich, genau zu entscheiden, wo diese Öffnung endet und wo die Grenzen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist eine tiefe Überzeugung; das sage ich auch zu dem Abgeordneten Lammert aus Bochum. Wir haben da eine sehr schlanke Formulierung gefunden, mit der man dauerhaft grundgesetzlich verhindern kann, dass in ein, zwei, drei, vier Jahren doch eine Aktiengesellschaft entsteht und damit die Kontrollrechte des Bundestages nicht mehr gewährleistet sind. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben eine sehr schlanke Formulierung dafür gefunden: Der Dritte darf nicht durch Private finanziert werden, und die Bundesrepublik Deutschland haftet für die Verbindlichkeiten dieses Dritten. – Das heißt, wir wollen keine teure Fremdfinanzierung dieser Gesellschaft in ein, zwei Jahren haben, wenn es eine neue Regierungsmehrheit vielleicht vorsieht. Das sind Verfassungsschranken, die ich angemessen finde. Also haben wir eine bessere Formulierung vorgelegt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich wäre glücklich, wenn Sie sie unterstützen könnten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein kleiner Hinweis zur Verfassungsästhetik. Verrückt ist natürlich, dass wir bei der Gemeindeverkehrsfinanzierung sagen: Eine Änderung der Verkehrsfinanzierung darf der Bund erst ab dem 1. Januar 2025 vornehmen. Ich finde, da wird die Verfassungsästhetik gebrochen. So ein Satz gehört gestrichen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fazit: Wir werden heute bei den 13 Grundgesetzänderungen neunmal zustimmen, weil auch gute Dinge im Paket enthalten sind. Dem entziehen wir uns nicht. Wir werden aber auch viermal ablehnen; ich habe es gerade begründet. Das ist eine große Reform an Masse, aber leider nicht an Klasse. Es gibt einen großen Mangel an Weitsicht im Hinblick auf die Herausforderungen in den kommenden 20er-Jahren. Aber in Teilen ist diese Reform im Sinne der Planungssicherheit der Länder notwendig. Wir wissen genau, wo wir Ja sagen, wir wissen genau, wo wir Nein sagen. Wir werden uns am Ende, beim Gesamtpaket, enthalten, aber vorher differenziert abstimmen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Bundesregierung hat nun der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist notwendig geworden, weil der Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft und weil auch die in den Föderalismuskommissionen vorgenommenen Vereinbarungen zu Entflechtungs- und Konsolidierungsmitteln – das sind die Artikel 143c und d Grundgesetz – bis Ende 2019 befristet sind. Deswegen, Frau Kollegin Hajduk, hat die Große Koalition am Beginn dieser Legislaturperiode vereinbart – so haben wir es in den Koalitionsvertrag geschrieben –, dass wir diese Fragen in dieser Legislaturperiode lösen wollen, um dem nächsten Deutschen Bundestag zu ersparen, diese Fragen unter einem dann unangemessen großen Zeitdruck lösen zu müssen. Wir haben uns nach den Erfahrungen von zwei Föderalismusreformkommissionen – auch das wollte ich gerne der Frau Kollegin Hajduk sagen – bewusst dafür entschieden, nicht eine dritte Föderalismusreformkommission zu beauftragen, weil Aufwand und Ertrag der beiden vorangegangenen Föderalismusreformkommissionen nach unserer Auffassung in einem gewissen Missverhältnis gestanden haben. Vieles von dem, was an der jetzigen Verfassungslage kritisiert wird, ist im Übrigen ein Ergebnis der beiden Föderalismusreformkommissionen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsere Argumente damals, Herr Schäuble!) – Ich beschreibe nur, warum die Koalition diese Vereinbarung getroffen hat; denn es ist in der Tat ein wichtiger Schritt, den wir heute tun. Er ist auch nicht unproblematisch – das zeigt die öffentliche Diskussion –; denn es handelt sich um ein ganzes Bündel von Grundgesetzänderungen. Wir ändern ein Stück weit die Architektur unserer föderalen Finanzordnung. Wir sind ein Bundesstaat. Man muss gelegentlich daran erinnern, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Ordnung des Grundgesetzes ein Bundesstaat ist, in dem die Länder genauso Teil der staatlichen Gewalt sind wie der Bund. Das ist eine Vorgabe des Grundgesetzes, die sich im Übrigen in den Jahrzehnten der deutschen Nachkriegsgeschichte bewährt hat. In diesem Bundesstaat müssen Bund und Länder gemeinsame Lösungen finden und entwickeln. Der Bundesrat ist die zweite Kammer, deren Zustimmung zu allen diesen Fragen notwendig ist. Der Bundesrat ist die Vertretung der Regierungen der Bundesländer. Infolgedessen sind die Regierungen der Länder notwendigerweise in einem starken Maße beteiligt. Seit Beginn der Legislaturperiode haben wir uns intensiv um den Prozess bemüht. Wir haben auch die Koalitionsfraktionen immer wieder beteiligt und informiert. Aber natürlich handeln Bund und Länder ein Stück weit durch Regierungen. Deswegen möchte ich mich zunächst insbesondere bei Herrn Kollege Scholz bedanken. Wir haben uns dreieinhalb Jahre ausgehalten, andere auch: Herr Haseloff, Herr Bouffier. Es war herausfordernd, aber wir sind immer fair miteinander umgegangen bei der Suche, gemeinsame, für Bund und Länder akzeptable Lösungen zu finden. Das Ergebnis ist nicht unproblematisch, das ist wahr. Wir wissen, dass das Ergebnis in der fachlich orientierten Öffentlichkeit nicht sehr viel Zustimmung findet, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das kann man wohl sagen!) weil es uns nicht gelungen ist, die Transparenz im Bund-Länder-System und die Anreizsysteme zu verbessern. Das ist uns in den Beratungen – das muss man klar sagen – nicht gelungen. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer werden in Zukunft bedenken müssen, ob ein Verfahren, in dem sie zunächst vereinbart haben: „Wir entscheiden nur 16 : 0, keiner darf weniger bekommen, und wir werden nur einstimmig etwas entscheiden“, der Notwendigkeit, der Bedeutung des Anliegens, gemeinsame, für Bund und Länder zuträgliche Lösungen zu finden, auf Dauer gerecht wird. Das Ergebnis ist jetzt so. Ich plädiere sehr dafür, dass wir es annehmen. Wir stellen damit die Beziehungen zwischen Bund und Ländern für die nächsten Jahre auf eine solide Grundlage. Sie wird allerdings verändert. Es ist wahr: Der horizontale Finanzausgleich zwischen Stärkeren und Schwächeren, der der Architektur des Grundgesetzes mit der zentralen Rolle der Länder in der Ordnung des Grundgesetzes entspricht, wird durch einen vertikalen Ausgleich weitestgehend zurückgenommen. Das gefällt den Ländern nur begrenzt, aber es zwingt sie logischerweise dazu, dafür zu sorgen, dass der Bundesgesetzgeber, der Bundestag, stärkere Kontrollrechte hat, weil er durch die Neuregelung des Systems in Zukunft mit einer stärkeren Verantwortung für die finanzschwächeren Länder behaftet ist. Insbesondere im Stabilitätsrat muss er entsprechende Möglichkeiten haben. All das enthält das Bündnis, um seiner Verantwortung gerecht zu werden. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Das war der Weg, auf den wir uns einigen konnten, und deswegen werbe ich dafür, dass wir diesen Weg gehen, wissend um die Anfechtbarkeit des Systems. Dann kommt das Problem mit den Kommunen. Ich muss eines sagen: Herr Oppermann, Sie haben das Copyright liebenswürdigerweise Herrn Dobrindt und mir zugeschoben. Aber Sie sollten bitte nicht ganz unterschlagen, dass am Anfang der Debatte eine Initiative des damaligen Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers Sigmar Gabriel stand, der – beraten durch die Fratzscher-Kommission – vorgeschlagen hat, wir sollten die Finanzierung öffentlicher Infrastruktur durch private Investoren ermöglichen; das sei für das Wachstum der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Also: Schieben Sie doch nicht alles auf uns. Bleiben Sie ein bisschen bei der historischen Wahrheit. Wir halten es dann in der restlichen Zeit in dieser Großen Koalition leichter miteinander aus. Ich muss Ihnen noch etwas sagen. Sie sagten, was die Aufhebung des Kooperationsverbotes angeht, seien wir beim BAföG schon einen Schritt gegangen. Welchen Schritt sind wir denn beim BAföG gegangen? Aus der gemeinsamen Finanzierung durch Bund und Länder wurde eine vollständige Finanzierung durch den Bund. Wenn das Ihr Verständnis von einer Aufhebung des Kooperationsverbotes ist, dann muss ich sagen: Gute Reise. Das tut mir leid. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD) – Sie können sich gern bei Ihren Mitarbeitern erkundigen. Der Sachverhalt ist so. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Es ging um Chancengleichheit!) – Ich bin ja sehr dafür. (Johannes Kahrs [SPD]: Anscheinend nicht!) Wir haben in den letzten zwei Legislaturperioden, seit ich die Ehre habe, diesem Land als Bundesfinanzminister zu dienen, mehr für die Kommunen und Länder getan als in allen Jahrzehnten zuvor insgesamt. (Beifall bei der CDU/CSU) In den letzten vier Jahren haben wir es gemeinsam gemacht, und in den vier Jahren zuvor haben wir es mit der FDP als Koalitionspartner gemacht. Auch damals haben wir die Kommunen und Länder erheblich entlastet. Dies entspricht auch unserem Verständnis von gesamtstaatlicher Verantwortung, wie es Ralph Brinkhaus zu Beginn der Debatte definiert hat. Ich finde, dass wir uns von diesem Verständnis von gesamtstaatlicher Verantwortung auch bei unseren heutigen Entscheidungen leiten lassen sollten. Es gibt eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung überall in der westlichen Welt, jenseits des Atlantiks und in Europa. Schauen Sie sich die destruktive Entwicklung in vielen europäischen Ländern an. Die Wahlergebnisse der großen klassischen Parteien ändern sich dramatisch von Wahl zu Wahl. Schauen Sie sich nur das Wahlergebnis Ihrer Parteifreunde in den Niederlanden bei der letzten Wahl an. Das zeigt eine wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung dahin gehend, ob die politischen Eliten noch in der Lage sind, angesichts der schnellen Veränderungen die richtigen Lösungen für die Menschen zu finden. Auf diese Fragen müssen wir die richtigen Antworten geben. Deswegen haben wir schon zu Anfang der Legislaturperiode im Zusammenhang mit einer grundgesetzlichen Änderung einen Investitionsfonds für finanzschwache Gemeinden eingerichtet. Denn – Ralph Brinkhaus hat es gesagt – es ist den Bürgern nicht zu erklären, wenn Schulen in einem Zustand sind, der nicht akzeptabel ist. Kürzlich hat ein Parteivorsitzender auf einem Parteitag gesagt: Es geht nicht an, dass der Bundesfinanzminister zwar Schulen in Burundi sanieren kann, aber nicht in Gelsenkirchen. – Da hat er recht. Wenn dies so ist, müssen wir gesamtstaatlich bessere Lösungen finden. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir die gute grundgesetzliche Ordnung, die darauf beruht, dass wir nicht alles vereinheitlichen, aufgeben; sonst könnten wir den Föderalismus abschaffen, was das Grundgesetz nicht zulässt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das beantragt doch keiner, Herr Schäuble!) Darauf müssen wir achten. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn zu unserer Formulierung?) – Entschuldigung, zur grundgesetzlichen Verantwortung und Dezentralisierung gehört natürlich die prioritäre Verantwortung der Länder für die Kommunen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir das aufgeben, dann haben wir den Zentralstaat. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will auch keiner! Das hat auch keiner gesagt!) Wenn Sie das Wahlergebnis in einem großen Bundesland, das für Sie ein bisschen überraschend gekommen ist, analysieren, dann sollten Sie beachten: In anderen Bundesländern ist die Situation des kommunalen Finanzausgleichs besser. Die Bürgerinnen und Bürger haben bei den letzten Landtagswahlen offensichtlich stärker nach landespolitischen Gesichtspunkten entschieden. Wenn wir unsere weiteren Arbeiten im Bund-Länder-Finanzsystem einschließlich der kommunalen Selbstverwaltung so durchführen, dass transparenter wird, wer für welche Entscheidung verantwortlich ist, dann stärken wir das föderale System insgesamt, und dann dienen wir unserer Demokratie und der Nachhaltigkeit. In diesen Gesamtzusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich das heutige Gesetzgebungspaket einzuordnen – wie jeden Kompromiss. Zwischen Bund und Ländern geht es nur auf dem Weg der Konsensfindung und damit der Kompromissfindung. Das ist keine perfekte Lösung. Aber die Stärke der Demokratie, die Voraussetzung für freiheitliche Ordnung ist die Fähigkeit zum Kompromiss. Das beweisen wir mit dieser Regelung. Deswegen bitte ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, um Zustimmung zu diesem Gesetzeswerk. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Hohn und Spott begleitet die Koalition die öffentliche Kritik und auch die Kritik der Opposition an diesem Gesetzentwurf. Besonders originell ist das nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Denn Hohn und Spott haben uns begleitet, als wir seinerzeit gegen die Privatisierung der Bahn gestimmt haben, Hohn und Spott haben uns begleitet, als wir gegen Riester-Rente und Hartz-IV-Gesetze gestimmt haben. Jetzt frage ich Sie von der Koalition: Wer von Ihnen, der uns heute verspottet, kann sich vor seine Wählerinnen und Wähler stellen und sagen: „War doch alles paletti mit Hartz, war doch alles paletti mit Riester, ist doch alles paletti mit der Bahn“? Insofern sagen wir Ihnen: Etwas mehr Demut bitte vor der kritischen Öffentlichkeit und der parlamentarischen Opposition! (Beifall bei der LINKEN) Als die Überlegungen begannen, privates Kapital für Infrastrukturinvestitionen heranzuziehen, haben wir als Linke gesagt: Das geht in Ordnung. – Es gibt nur einen kleinen Unterschied: Sie wollen mit denen kungeln und Geschäfte machen, wir wollen die gerecht besteuern, um die notwendigen Finanzen heranzuziehen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Insofern finde ich, dass das Donnerwetter der Koalition gegen die linke Opposition ein bisschen Ihr schlechtes Gewissen zum Ausdruck bringt; denn Sie wissen sehr wohl: Die Mehrheit, die es hier im Bundestag für Ihr Privatisierungsvorhaben gibt, haben Sie in der Gesellschaft nicht. Und Sie sollten den Deutschen Bundestag nicht mit dem wirklichen Leben verwechseln. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Widerspruch bei der SPD) Dieses Gesetzespaket entscheidet stark über unser Leben im nächsten Jahrzehnt. Ich hätte mir gewünscht, dass am Anfang die Frage gestanden hätte: Wie wollen wir im nächsten Jahrzehnt leben? Diese Frage wurde aber nicht gestellt, sondern am Anfang standen hier lediglich die Fragen: Wie können Reiche und Starke reich und stark bleiben, und wie soll die Allgemeinheit das bezahlen? Das ist auch der Grund, warum in der Öffentlichkeit völlig zu Recht die Kritik an der sogenannten Infrastrukturgesellschaft oder Autobahngesellschaft im Vordergrund steht. Die Linke unterstützt und teilt ausdrücklich diese Kritik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben seit Beginn dieser Gesetzesbehandlung eine differenzierte Bewertung vorgenommen. Wir haben gesagt: Gut, dass die Ellenbogenföderalisten gestoppt werden konnten. Es gab nämlich Vorstellungen in den Bundesländern, die Dinge viel aggressiver zu ordnen. Da ist etwas bewegt worden. Gut fanden wir auch, dass das sogenannte Kooperationsverbot in der Bildung ein Stück weit gelockert wird und Schulinvestitionen möglich geworden sind. Aber – das muss man Ihnen auch sagen – gute Bildung entsteht daraus noch nicht. Dafür ist noch viel mehr notwendig. (Beifall bei der LINKEN) Schlecht finden wir, dass der Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge die Tür geöffnet wird. Da geht es, glaube ich, um mehr als nur um Autobahnen; denn die vermeintlichen Wohltäter von Allianz, BlackRock, Lone Star und Deutsche Bank kommen ja mit einem Finanzvolumen, das dem Zehnfachen eines Bundeshaushalts entspricht. Es muss berücksichtigt werden, mit wem man sich hier einlässt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Wir fragen natürlich auch: Warum ist die Autobahngesellschaft überhaupt in dieses Gesetzespaket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hineinverhandelt worden? (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr richtige Frage!) Das hat doch etwas mit Druckausübung und auch mit Erpressung zu tun, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Schlecht finden wir auch, dass es künftig keine Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau mehr geben wird und dass nichts getan wird, um dem Auseinanderdriften von Metropolen und ländlichen Räumen in dieser Republik entgegenzuwirken. Schlecht finden wir ebenso, dass die Verfassungsästhetik schweren Schaden genommen hat, obwohl wir auch in diesem Punkt vieles abwenden konnten. Bürokratische Monsterbegriffe geraten hier in die Verfassung, die mit so schönen Worten anfängt. Zum Schluss. Aus der Nachbesserung eines schlechten Regierungsentwurfs im Parlament wird noch lange kein gutes Gesetz, auch nicht durch Schönreden. (Beifall bei der LINKEN) Nun haben wir von der Koalition zu hören bekommen, dass sie einen sehr schlechten Regierungsentwurf verhandeln musste. (Bettina Hagedorn [SPD]: Stimmt!) Das haben wir zur Kenntnis genommen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, warum bleibt ihr dann auf dem halben Wege der Nachbesserung stehen und sagt nicht – besser wäre es doch –: „Weg damit!“? (Beifall bei der LINKEN) Da fällt mir nur noch die Aufforderung ein: Gebt den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das entscheiden die Deutschen glücklicherweise selbst!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für den Bundesrat hat nun der Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, das Wort. (Beifall bei der SPD) Olaf Scholz, Erster Bürgermeister (Hamburg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist kein Wunder, dass so viele Vertreter des Bundesrates heute anwesend sind; (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist wohl wahr! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist eine Seltenheit!) denn wir bewegen uns in einem Gesetzgebungsverfahren, das nur funktionieren kann, wenn alle Verfassungsorgane miteinander kooperieren. Ganz klar ist: Zuvorderst muss der Bundestag das Gesetz beschließen, was er heute tun wird, wie ich hoffe. Die Bundesregierung und die 16 Länder sind aber wichtige Teile dieses langen Gesprächs- und Verhandlungsprozesses. Eine Verständigung herbeizuführen, bei der Bundestag, Bundesregierung und 16 Länder mit ihren jeweils ganz unterschiedlichen Vorstellungen am Ende doch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, ist ein großer Beitrag zur politischen Demokratie und wirklich etwas Wichtiges für unseren Föderalismus. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn wir ein wenig innehalten, dann fällt uns vielleicht auch auf, dass wir wahrscheinlich zum allerersten Mal eine Verständigung unter so vielen Beteiligten hinbekommen, ohne dass vorher das Bundesverfassungsgericht dies verfügt hat. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Insofern ist es schon etwas Besonderes, dass wir in dieser Legislaturperiode nach einem mehrjährigen Gesprächsprozess zu einem Ergebnis gekommen sind, das aus meiner Sicht all die Anforderungen erfüllt, die wir am Anfang dieser Diskussion gestellt haben. Es ging darum, Aufgaben zu bewältigen, die wir aufgrund von auslaufenden oder neuen Gesetzen vor uns hatten: Der Solidarpakt läuft aus. Wir brauchen eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Für die 16 Länder gilt nach dem Grundgesetz ab 2020 das Neuverschuldungsverbot. In diesem ganzen Gefüge ist es eben notwendig, eine Verständigung hinzubekommen, die die nächsten Jahrzehnte, zumindest aber das nächste Jahrzehnt hält. Aus meiner Sicht ist das gut gelungen, wenn man bedenkt, was dabei alles zu bedenken war. Wir mussten erstens eine Situation herstellen – ich finde es ganz wichtig, das hier noch einmal zu betonen –, in der es keine Sonderregelung für die ostdeutschen Länder mehr gibt. Wir mussten ein neues bundesstaatliches Finanzgefüge aufstellen, das die Eigenständigkeit der ostdeutschen Länder gewährleistet, ihnen eine eigenständige Finanzkraft zugesteht und gleichzeitig keine Spezialregelungen mehr beinhaltet. Das ist mit dieser Neuregelung gelungen. Einige der in der Debatte als sehr kompliziert empfundenen Fragestellungen wie zum Beispiel die Bundesergänzungszuweisungen für Länder mit finanzschwachen Kommunen sind Teil des Vorhabens, das letztlich hinzubekommen. Ich finde, das ist nach so vielen Jahren deutscher Einheit ein notwendiger Schritt, den wir jetzt mit dieser Neuordnung gehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Zweite ist: Es muss sichergestellt werden, dass das Saarland und Bremen, die aufgrund struktureller Veränderungen, die in den Ländern durch den Wegfall von Industrien stattgefunden haben, sehr hohe Schulden haben, trotz des hohen Schuldenberges in der Lage sind, eine gute Zukunft für ihre Bürgerinnen und Bürger zu finden. Das ist mit dieser Neuregelung gelungen. Ich glaube, auch das ist eine gemeinsame Aufgabe aller Länder, des Bundestages und der Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben es hinbekommen, auch den Wunsch einiger sehr zahlungsstarker Länder im Süden Deutschlands zu erfüllen, nicht mehr so viel zusätzlich zur Finanzierung des Solidarausgleichs beizutragen, wie es sonst vorherzusehen gewesen wäre, ohne dass dies die Solidarität unter den Ländern wirklich beeinträchtigt. Denn tatsächlich wird es, wenn man die Neuordnung, die wir jetzt zustande gebracht haben, richtig betrachtet, unverändert so sein, dass jährlich über 16 Milliarden Euro im Rahmen des eigentlichen Finanzausgleichs unter den Ländern neu verteilt werden. Das ist nicht ganz so viel, wie es sonst hätte sein können; aber es ist unverändert ein großer und notwendiger Beitrag zur Solidarität. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Meine feste Überzeugung ist: Wir haben es auf diese Weise hinbekommen, dass Deutschland als föderales Land in Zukunft weiter gut funktioniert. Das heißt zuallererst, jedes der 16 Länder wird, auch wenn die Schuldenbremse gilt, in der Lage sein, die eigenen staatlichen Aufgaben zu erfüllen. Es wird nicht passieren, dass ab 2020 einzelne Länder sagen müssen, sie könnten mit dem Geld, das sie haben, diese Aufgaben nicht realisieren. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Warten wir mal ab!) Dass wir dies regeln und die einzelnen Länder in die Lage versetzen, die Aufgaben, die sie nach dem Grundgesetz haben, für ihre Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen, war letztendlich das wichtigste Ziel dieser Reform. Ich glaube, das haben wir tatsächlich geschafft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn man das alles zusammen betrachtet, dann, glaube ich, ist das ein ganz gutes System. Wir haben im Übrigen auch ein paar Vereinfachungen in Richtung Transparenz zustande bekommen. Ich bin mir nicht so sicher, ob wirklich alle das bisherige System des Länderfinanzausgleichs auswendig hätten aufsagen können. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die wenigsten!) Ich bin auch nicht ganz sicher, ob es in Zukunft sehr viel einfacher wird. Aber es wird etwas einfacher werden; das kann man eindeutig so sagen. Denn tatsächlich haben wir mit der Neuregelung ein vielstufiges System des Finanzausgleichs umgewandelt in einen einheitlichen Schritt – vorwiegend über die Umsatzsteuer, mit Zu- und Abschlägen. Das wird man viel einfacher erklären können, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Insofern hoffe ich, dass das auch ein Beitrag zur Transparenz innerhalb unseres Föderalismus ist. Zurückkommend zum Anfang: Ich bedanke mich – ich glaube, im Namen aller Länder – dafür, dass wir in einem langen Gesprächsprozess zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind. Es ist ein gutes Ergebnis für den deutschen Föderalismus. Die 16 Länder werden ihre Aufgaben wahrnehmen können, und sie werden es in enger Kooperation mit dem Bund tun. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Mutlu ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich mit einem Zitat beginnen: ... wir brauchen auch im Bereich der Ganztagsbetreuung oder der Ganztagsschulen noch mal eine Initiative. So die Bundeskanzlerin vergangenen Sonntag in ihrer Videobotschaft an die Bürgerinnen und Bürger. In der Videobotschaft sagte Frau Merkel weiter: Wir müssen die Schulen in Brennpunkten besser unterstützen. – Es fielen Stichworte wie „Lehrermangel“, „bessere Lehrerausbildung“, „Willkommensklassen“ etc. Ehrlich gesagt, ich habe meinen Augen und Ohren nicht getraut, als ich mir diese Videobotschaft angeschaut habe. Ich habe sie mir in der Mediathek erneut und erneut angeschaut. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist eine gute Idee! Machen Sie das ruhig weiterhin! – Sören Bartol [SPD]: Das ist aber auch nicht gut, so was!) Ich kann Ihnen empfehlen – vor allem Ihnen in den Reihen der CDU/CSU und insbesondere Ihnen, Herr Brinkhaus –: Schauen Sie sich diese Videobotschaft an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen ist die Aussage der Kanzlerin in der Videobotschaft klar: Das Kooperationsverbot ist hinfällig. Genau das sagen wir seit 2006 gebetsmühlenartig und fordern, den bildungspolitischen Irrsinn namens Kooperationsverbot, welchen Sie als Große Koalition vor elf Jahren zum Schaden und Nachteil der Schülerinnen und Schüler verzapft haben, lieber Herr Thomas Oppermann, endlich zu beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In keinem Land der Erde gibt es etwas Vergleichbares. Dabei schreien die bildungspolitischen Herausforderungen in unserem Land nach mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern. Wir sind Weltmeister in Bildungsungerechtigkeit. Aufstieg durch Bildung ist in unserem Land zu einer Floskel verkommen. Daran hat auch der Dresdner Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin im Jahre 2008 nichts geändert. (Johannes Kahrs [SPD]: Und warum hat Herr Kretschmann da eine andere Meinung?) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen eine qualitativ gute Bildung für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von der Herkunft und unabhängig vom Wohnort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen mehr Bildungsgerechtigkeit statt Exklusion. Deshalb liegt mir besonders der Bereich der Verfassungsänderung am Herzen, der die Lockerung des Kooperationsverbots im Schulbereich betrifft. Dieser Punkt im Gesetzespaket ist tatsächlich ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Uns geht er aber nicht weit genug. Die Neuregelung zum Unterhaltsvorschussgesetz dagegen begrüßen wir ausdrücklich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber warum sind Sie nicht mutiger? Lassen Sie uns doch gemeinsam mit den Ländern das unsägliche Kooperationsverbot endlich in Gänze abschaffen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Mit Baden-Württemberg vorneweg, ne?) Sie geben sich stattdessen mit Minimallösungen zufrieden und verpassen die Chance zu einer echten Öffnung der Verfassung. Ich zitiere wieder aus der besagten Videobotschaft: Also einiges kann und will der Bund hier auch tun, weil wir glauben, dass wir hier schon in einer gesamten Verantwortung stehen. Ich sage: Es wäre schön, wenn diesen Worten endlich auch Taten folgen würden. Immerhin erkennt Frau Merkel aber endlich an, dass der Bund eine Mitverantwortung für den Bildungsbereich hat, und das ist ja schon etwas. Einmalige Finanzspritzen für die ärmsten Kommunen zur Stärkung der kommunalen Bildungsinfrastruktur reichen aber nicht; denn die zusätzlichen 3,5 Milliarden Euro sind angesichts des Investitionsbedarfs in Höhe von 34 Milliarden Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir dürfen es nicht weiter zulassen, dass die Bildungschancen in unserem Land von den jeweiligen Landesetats oder von der Lage des Wohnorts abhängig sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Ist schon erstaunlich, dass Sie für die Bundeskanzlerin werben und was Sie gegen Ihren eigenen Ministerpräsidenten sagen!) Deshalb sagen wir – lieber Kollege Kahrs, hören Sie genau zu –: Schaffen wir das Kooperationsverbot gemeinsam ab, und verstecken wir uns nicht hinter irgendwelchen Floskeln! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Fangen Sie doch mal in Ihrer eigenen Partei an! Könnte ja helfen!) Das ist auch kein Einfallstor in den Kernbereich der föderalen Landeshoheit, wie manch einer vielleicht behauptet. Wir wollen den Ländern die föderalen Kompetenzen in der Bildung nicht entziehen. Das hat hier auch keiner gesagt. Wir wollen mehr Kooperation im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen, nicht mehr und nicht weniger; denn der Bund kann die Länder durch die Aufhebung des Kooperationsverbots unmittelbar unterstützen, zum Beispiel bei der Finanzierung des dringend benötigten Lehrerpersonals, beim Ausbau der Ganztagsschulen, bei der Inklusion und bei der digitalen Bildung. Auch die Integration von Geflüchteten ist eine nationale Aufgabe, die die Länder nicht alleine meistern können. Nur durch gute schulische Bildung für alle kann Teilhabe gelingen. Nur durch gute Bildung kann die Zukunft unseres Landes als Innovations- und Wirtschaftsstandort gesichert werden. Deshalb sage ich zum Schluss noch einmal: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und lassen Sie uns gemeinsam das Kooperationsverbot in Gänze aufheben! Lassen Sie uns gemeinsam Ihren Fehler aus 2006 korrigieren! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Herr Kollege Dobrindt. (Beifall bei der CDU/CSU) Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Wir starten heute in der Tat eine der größten infrastrukturpolitischen Reformen seit Jahrzehnten, und wir legen heute den Grundstein für eine Autobahngesellschaft. 13 000 Kilometer Autobahnen und 14 000 Mitarbeiter wird diese Autobahngesellschaft umfassen. Eine solche Gesellschaft darf in der Tat kein Selbstzweck sein, sondern sie muss am Schluss mehr Investitionen in unserem Land ermöglichen. Das geht, indem man die Effizienzen steigert, indem man dafür sorgt, dass die Verwaltung gestärkt wird, und indem man es endlich schafft, dass der größte volkswirtschaftliche Schaden, den wir jeden Tag in unserem Land erleben, beendet wird, nämlich der Stau. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD]) Wir haben in dieser Koalition einen Investitionshochlauf gestartet, den es so in der Vergangenheit noch nie gegeben hat, indem wir unsere Mittel für die Infrastruktur um 40 Prozent erhöht haben. Der Etat lag ursprünglich einmal bei 10 Milliarden Euro im Jahr und ist jetzt auf über 14 Milliarden Euro jährlich aufgewachsen. Wenn man die Investitionen steigert, dann muss dem auch die Verwaltungspraxis nachfolgen. Das heißt, die Struktur der Verwaltung muss dem Investitionshochlauf folgen. Deswegen ist es jetzt die richtige Entscheidung, eine Autobahngesellschaft zu gründen, die Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung zusammenführt und in eine Hand gibt. Das Nadelöhr, das wir zurzeit sehen – ich meine nicht die Finanzen, sondern eben die Planungen –, kann damit beseitigt werden. So schaffen wir es, dass die einen oder anderen echten infrastrukturpolitischen Sorgenkinder in diesem Land aus ihrer schwierigen Situation herauswachsen und dass in allen Regionen Deutschlands gleichermaßen Baurecht entsteht. Wir haben in den vergangenen Jahren erkannt, dass die Finanzmittel des Bundes in Deutschland sehr unterschiedlich investiert werden. Einige Länder profitieren deutlich mehr als andere. Bayern beispielsweise hat durch die Mittel des Bundes pro Kopf eine doppelt so hohe Investitionsquote wie Nordrhein-Westfalen. Jetzt kann man dafür eine sehr einfache Erklärung finden – das wurde in der Vergangenheit immer versucht –, nämlich: Das kann nur am Bundesverkehrsminister liegen. Man kann aber auch etwas genauer hinschauen und dann feststellen, dass es sich hier um ein strukturelles Versagen handelt: Die Struktur wurde unserer Dynamik bei den Investitionen nicht mehr angepasst. Das hat übrigens nichts mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun, sondern das hat etwas mit Politik zu tun, die nicht für ausreichend Stellen, ausreichend Kompetenz und ausreichend Planungsmöglichkeiten vor Ort gesorgt hat. Genau dieses Problem müssen wir beheben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wissen, dass Arbeit, Wachstum und Wohlstand in diesem Land maßgeblich davon abhängen, ob wir eine gute Infrastruktur haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau so ist es!) Dass die Autobahnen ein zentraler Punkt unserer Verkehrsinfrastruktur und unserer Mobilität sind, ist allen bekannt. Wenn wir in den Regionen gleichermaßen für Arbeit, Wachstum und Wohlstand sorgen wollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es überall gleiche Entwicklungschancen gibt. Deswegen gründen wir die Autobahn GmbH mit einer Reihe von Tochtergesellschaften, wodurch eine regionale Verwurzelung möglich wird. Meine Damen und Herren, ich weiß überhaupt nicht, warum man kritisiert, dass wir diese Art von Reform machen, um die Effizienzen zu steigern, um schlagkräftiger zu werden und um schneller, besser und mehr bauen zu können, warum man kritisiert, dass wir das Ganze in einer GmbH organisieren, die in der Tat klassischerweise eine Gesellschaft privaten Rechts ist. Wie an vielen anderen Stellen bedient sich der Bund Gesellschaften privaten Rechts. Auch in der Vergangenheit sind Firmen, die unsere Straßen bauen, private Gesellschaften gewesen, sind Büros, die unsere Autobahnen planen, private Gesellschaften gewesen. Ich kann dieses grundsätzliche Misstrauen, sehr geehrte Frau Wagenknecht, das Sie gegenüber allen Privaten in den Raum gestellt haben, beim besten Willen nicht teilen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Es geht um öffentliche Infrastruktur!) Ich will keine Autobahnen privatisieren, aber ich misstraue nicht jedem, der sich in diesem Land privat engagiert. Ihre Planwirtschaft ist schlichtweg gescheitert. Den Scherbenhaufen, den Sie hinterlassen hatten, mussten die Privaten zusammenkehren und dann dieses Land wiederaufbauen. Das ist die Wahrheit, Frau Wagenknecht. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf der Kollege Behrens eine Zwischenfrage stellen? Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Nein, darf er nicht. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Er muss sich die Wahrheit anhören. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf: Feigling! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!) Wir haben im Grundgesetz festgelegt, dass die unmittelbare und mittelbare Beteiligung Dritter an der Autobahngesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausgeschlossen ist. Deswegen ist mir ein Hinweis erlaubt, lieber Kollege Oppermann. Weil Sie auch mich freundlicherweise in diesem Zusammenhang genannt haben, muss ich der Heldensaga der Rettung der Autobahnen noch ein Kapitel hinzufügen. Es war in der Tat der Investitionskongress am 21. April 2015 im Bundeswirtschaftsministerium, auf dem die eingesetzte Kommission den Bericht übergeben hat, der auch eine Autobahngesellschaft und Privatisierungsmöglichkeiten zum Inhalt hatte. Der damalige Bundeswirtschaftsminister hat dann zu Protokoll gegeben: Privates Kapital kann und muss in Zukunft helfen, die Infrastruktur zu modernisieren. Wir wären ziemlich vernagelt, wenn wir uns diese Alternativen nehmen würden, (Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) nur weil wir uns wieder in einer Grundsatzdebatte verlieren. – Ich glaube kaum, dass er uns damit gemeint hat, lieber Herr Oppermann. Das war doch wohl eher in Ihre Richtung gedacht. Ich kann Ihnen an der Stelle nur sagen: Natürlich sind öffentlich-private Partnerschaften auch in Zukunft möglich. Das haben wir genau so vereinbart. Es gibt eine Liste von elf Maßnahmen, die wir vorhaben. Dabei geht es um Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft auf unseren Autobahnen mit einem Volumen in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro, und wir sind übereingekommen, dass wir die auch weiterhin so einsetzen wollen und müssen, weil wir bei dem, was wir investieren und was wir an Hochlauf, Sanierung und Erneuerungs- und Erweiterungsarbeiten in unserem Autobahnnetz vor uns haben, auch private Unterstützung brauchen. Und dabei bleibe ich auch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Diejenigen, die auch an anderer Stelle darüber gesprochen haben, meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass wir hier ein Risiko eingehen und Autobahnen privatisieren – was wir erkennbar nicht tun –, seien noch einmal daran erinnert, dass sie offensichtlich in der Vergangenheit ganz anders über diese Fragen gedacht haben. In der ersten Debatte hierzu vor wenigen Wochen hat Ihre Kollegin Wilms noch darauf hingewiesen, dass die neoliberalen Privatisierungsorgien vorbei sein müssten. In der Zeit, als Sie regiert haben, hat Ihre Haushaltspolitikerin Antje Hermenau deutlich darauf hingewiesen, dass Privatisierung die Lösung eines Haushaltsproblems sein kann. Wörtlich hat sie gesagt, es sei richtig, die Autobahnen zu privatisieren. Mit dem Verkauf aller Autobahnen „können wir die Haushaltslöcher stopfen“. (Bettina Hagedorn [SPD]: Sie ist auch inzwischen in die CDU eingetreten! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist Antje Hermenau?) Das war nicht unsere Idee; es ist die Idee der Grünen, meine Damen und Herren. Auch das gehört zur Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann war das noch mal?) Wir kennen Ihre Vorstellungen. Das kann man in den Ländern, in denen Sie mitregieren, deutlich sehen, und das zeigt übrigens auch das, was Sie im Bund von sich gegeben haben. Noch vor kurzem haben Sie über ein Neubaumoratorium bei Straßen gesprochen. Also Schluss mit Rekordinvestitionen. Schluss mit Straßenbau. Schluss mit Investitionen in unsere Autobahnen. Ihre Politik ist in der Tat eine Rückschrittsgarantie für Deutschland. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Ausländermautminister spricht mal wieder! Zu Recht hört niemand zu! Schauen Sie mal, selbst die Union hört Ihnen nicht zu bei dem Zeugs, das Sie erzählen!) Deutschland braucht aber eine Vorwärtsstrategie, Investitionen, Innovationen und Infrastruktur. Bei all denen, die in unserer Entscheidung für eine Bundesautobahngesellschaft eine richtige Entscheidung sehen und daran positiv mitgewirkt haben, bedanke ich mich. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Behrens das Wort. Herbert Behrens (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Minister Dobrindt, ich habe eine Frage vor dem Hintergrund, dass wir in Niedersachsen ein ganz eigenwilliges Projekt auf der Straße haben, nämlich den Ausbau der A 7 zwischen Seesen und Göttingen. Ihr Vorgänger im Amt, Herr Dr. Ramsauer, hat den zuständigen Minister in der niedersächsischen Landesregierung angewiesen, den Ausbau als ÖPP realisieren zu lassen. Bei dieser Frage sind wir nämlich ganz besonders sensibel: Das Projekt hat sich inzwischen von 600 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro verteuert, und trotzdem hat der private Betreiber die Möglichkeit, diesen Autobahnabschnitt auszubauen und über die nächsten 30 Jahre zu betreiben. Insofern ist meine Frage: Wie bewerten Sie die Änderungen, die angeblich ins Grundgesetz hineingeschrieben werden sollen, damit es künftig keine ÖPP-Bauvorhaben dieser Bedeutung mehr gibt? Es geht bei der A 7 um einen Autobahnabschnitt von 29 Kilometern Länge. Ist er wesentlich, oder ist er unwesentlich? Auch diese konkrete Frage hätte ich gerne von Ihnen beantwortet: Ist ein solches Projekt, das wir in Niedersachsen gegen den Willen der Landesregierung aufgedrückt bekommen haben, in Zukunft möglich oder nicht? (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Minister, Sie haben das Wort. Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Lieber Kollege, ich habe ja sehr deutlich gemacht, dass nach wie vor öffentlich-private Partnerschaften möglich sind. Ich habe sogar die Strecken, die wir zukünftig mit öffentlich-privaten Partnerschaften realisieren wollen – sie befinden sich schon heute in einer Liste – benannt. Die A 7 ist ein Beispiel. Es gibt aber noch eine Reihe von anderen Beispielen. Alle diese Beispiele der Vergangenheit zeigen, dass diese erstens wirtschaftlich realisiert werden und dass zweitens jeder Einzelfall, bevor er in Auftrag gegeben wird, einer Untersuchung der Wirtschaftlichkeit standhalten muss. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Der Bundesrechnungshof stellt fest, dass sie alle unrealistisch sind! Der Bundesminister kennt seine eigenen Zahlen nicht!) Drittens werden selbstverständlich auch zukünftig Maßnahmen dieser Größenordnung – und darüber hinaus – möglich sein, und sie werden von uns auch so umgesetzt werden. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Wir fahren in der Debatte fort. – Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte die leise Hoffnung, dass die Rede von Herrn Minister Dobrindt sachlich wird. Leider wurde es wieder eine Märchenstunde. Wenn man sich den Regierungsentwurf anguckt, Herr Dobrindt – er wurde maßgeblich von Ihnen und Herrn Schäuble ausgearbeitet –, dann war das Hauptziel für diese Autobahngesellschaft, dass in Zukunft alle Türen für eine Privatisierung weit aufgemacht werden. Sie wollten der Finanzindustrie ein riesiges Geschenk machen. Das ist die Wahrheit hier. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Dagegen gab es großen Protest hier im Parlament von der Opposition sowie vonseiten der Zivilgesellschaft – von Gewerkschaften und von Bürgerinnen und Bürgern. Die haben gesagt: Wir dürfen unsere öffentliche Infrastruktur nicht der Renditejagd von Banken und Versicherungen überlassen. Das geht gar nicht. Das müssen wir ausschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Deswegen ist es auch gut – ich begrüße das –, dass die Kollegen der Koalition im Haushaltsausschuss – gerade auch die der SPD – doch noch einiges herausgeholt haben. Das erkennen wir auch an. Es ist fair, das hier zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Aber die Frage ist ja: Reicht das? Reicht es aus, um in Zukunft weiterhin die Privatisierung der Autobahnen auszuschließen bzw. alle Hintertüren, die dazu führen könnten, vollständig zu schließen? Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, dass es eben nicht reicht. Es gibt weiterhin Hintertüren, die nicht geschlossen sind. Darauf will ich kurz eingehen und das erklären. Die erste Hintertür ist die Aktiengesellschaft. Das haben wir bei der Deutschen Bahn erlebt. Wir sehen jeden Tag, wie das läuft. Das wollen wir als Parlament nicht. Unsere Fragen werden nicht richtig beantwortet. Es gibt Intransparenz. Wir können bei der Deutschen Bahn kaum mitreden. Die Rendite sowie die Kapitalmarktorientierung stehen im Vordergrund. Deswegen sagen wir: Wir wollen, dass die Aktiengesellschaft dauerhaft auch im Grundgesetz ausgeschlossen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die zweite Hintertür sind öffentlich-private Partnerschaften. Es ist richtig, dass jetzt im Grundgesetz große Teilnetze ausgeschlossen werden sollen. Aber die Bundesregierung – der Minister hat es gerade noch einmal gesagt – hat in dieser Legislaturperiode Einzelprojekte mit öffentlich-privaten Partnerschaften massiv ausgeweitet. Diese sind nachher im Durchschnitt teurer, schlecht zu kontrollieren und intransparent. Und wenn eine solche Gesellschaft das jetzt alleine machen kann, verschlechtern sich auch unsere Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten als Parlament. Deswegen sagen wir: Wir wollen keinen ÖPP-Flickenteppich, wir wollen auch ÖPP für Einzelprojekte im Grundgesetz ausschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt noch eine dritte Hintertür, nämlich die private Finanzierung über Kredite und Genussscheine. Die soll jetzt einfachgesetzlich ausgeschlossen werden. Das ist ein Fortschritt. Aber auch da ist völlig klar: Wenn diese Gesellschaft über den Haushalt finanziert werden soll, dann kann man das auch in das Grundgesetz schreiben. Man kann ins Grundgesetz schreiben, dass eine private Finanzierung dauerhaft und rechtssicher ausgeschlossen ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Es ist ja richtig: Die von Herrn Gabriel eingesetzte Fratzscher-Kommission hat gerade auch Genussscheine im Kontext mit der Autobahngesellschaft als Finanzierungsinstrument für Versicherungen erwähnt, weil die damit hohe Renditen machen können. Diese Renditen müssen am Ende aber die Bürgerinnen und Bürger bezahlen. Die Bürgerinnen und Bürger haben aber schon einmal die Autobahnen bezahlt. Sie sollen sie nicht ein zweites Mal bezahlen. Deswegen wollen wir das im Grundgesetz ausschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir haben heute einen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung vorgelegt. Darin fordern wir kurz und knapp, für die Zukunft alle Hintertüren für eine Privatisierung zu schließen. Geben Sie sich einen Ruck, stimmen Sie mit uns; denn wir wollen einen kompletten und dauerhaften Ausschluss von Privatisierungen. Wir wollen eine gute und moderne öffentliche Verkehrspolitik. Dafür brauchen wir keine private Renditejagd. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Bundesministerin Manuela Schwesig. Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Zu dem dicken Paket, das heute beschlossen werden soll, gehört auch die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses. Das ist längst überfällig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Viele alleinerziehende Mütter und Väter sowie ihre Kinder leben in Armut, weil der Expartner oder die Expartnerin für die gemeinsamen Kinder nicht zahlen oder nicht zahlen können. Auch nach einer Trennung sind in erster Linie die Eltern für ihre Kinder verantwortlich. Dann muss der Staat dafür sorgen, dass der Unterhalt eingefordert wird. Aber in dieser Zeit dürfen die betroffenen Kinder nicht im Stich gelassen werden und es darf nicht hingenommen werden, dass sie in Armut leben. Deshalb ist es richtig, dass zukünftig der Staat allen Kindern bis zum 18. Lebensjahr hilft – also ohne eine zeitliche Begrenzung von sechs Jahren wie bisher –, wenn es sich nicht auswirkt, dass die betreffenden Mütter und Väter arbeiten gehen. Das ist ein ganz konkreter Schritt hin zur Bekämpfung der Kinderarmut, der seit vielen Jahren gefordert wird. Ich bin allen dankbar dafür, dass wir das heute endlich so beschließen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mein Dank gilt den Regierungsfraktionen, aber auch den Oppositionsfraktionen, die diese Sache immer unterstützt haben. Mein Dank gilt insbesondere dem Bundesfinanzminister. Lieber Herr Schäuble, wir waren uns in dieser Legislaturperiode nicht bei allen Dingen einig. (Heiterkeit bei der SPD) Aber in diesem Punkt haben wir an einem Strang gezogen und haben gesagt: Das muss Bestandteil dieses Milliardenpakets sein. Wenn schon über so viel Geld entschieden wird, muss ein wichtiger Punkt zur Bekämpfung der Kinderarmut dabei sein. – Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte aus Sicht der Familien auch den Ländern ausdrücklich danken. Wir waren uns zwar nicht von Anfang an einig. Aber vielen Dank dafür, dass das nun Teil des Pakets ist. Ein weiterer Punkt aus diesem Paket ist aus Sicht der Familien total wichtig. Mir begegnet in Gesprächen mit Eltern kein anderes Thema so oft wie die Bildung. Den Eltern ist es, ehrlich gesagt, egal, wer wofür zuständig ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei allem Respekt vor unserem Grundgesetz, dem Föderalismus und allen anderen verfassungsrechtlichen Fragen muss es uns gemeinsam gelingen – das ist das Wichtigste in diesem Land –, die Chancengleichheit von Kindern zu sichern. Hier darf es keine Zuständigkeitsdebatten geben. Vielmehr müssen aus Sicht der Kinder alle an einem Strang ziehen. Deshalb ist es gut, dass an dieser Stelle das Grundgesetz entsprechend geändert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Abgeordnete, liebe Ministerkollegen, das ist heute meine letzte Rede als Bundesfamilienministerin. Wie Sie alle wissen, haben wir die schockierende Nachricht erhalten, dass Ministerpräsident Erwin Sellering schwer erkrankt ist. Unsere Gedanken sind bei ihm und seiner Familie. Ich bin bereit, in dieser schwierigen Situation Verantwortung in meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern zu übernehmen. Ich fand, das waren vier tolle Jahre. Vielen Dank allen Unterstützerinnen und Unterstützern, insbesondere meiner SPD-Fraktion. Herzlichen Dank! Mein Dank gilt aber auch den Oppositionsfraktionen und denjenigen, die Widerstand geleistet haben. Der Widerstand war gut, weil er die Debatte vorangebracht hat und weil er zeigt: Wir müssen in diesem Land für die Interessen der Familien genauso wie für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern kämpfen. An dieser Stelle möchte ich deutlich machen: Ich mache mir große Sorgen um eine Partei – diese ist zwar zum Glück noch nicht im Bundestag vertreten, strebt aber den Einzug an –, die das Rad der Geschichte zurückdrehen will, Politik nur für einen bestimmten Teil der Familien machen will und Gleichberechtigung als Genderwahn bezeichnet. Ich bitte alle, weiterhin alle Familien im Blick zu haben und für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu streiten. Über die Wege kann man unterschiedlicher Meinung sein, nicht aber über das Ziel. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist elementarer Bestandteil unserer freiheitlichen Demokratie; das liegt mir in diesen Zeiten besonders am Herzen. Ich selbst bin in einem Land aufgewachsen, das nicht demokratisch und frei war. Ich habe das große Glück, heute mit meiner Familie in einem freiheitlich-demokratischen Land zu leben. Es ist nicht alles gut, aber vieles, und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es so bleibt. Vielen herzlichen Dank für die Zusammenarbeit. (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Alles Gute auf Ihrem weiteren Weg. Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen, Herr Bürgermeister Scholz, dankbar – das sage ich ausdrücklich –, dass Sie die Beweggründe für den sogenannten A-Teil noch einmal ruhig und sachlich dargestellt haben. Für uns war von Beginn an klar – das darf ich auch für den Koalitionspartner sagen –, dass wir dieses grundsätzlich nicht anfassen. Es handelt sich um eine schwierige Übereinkunft zwischen der Bundesregierung und den 16 Bundesländern. Es gab ja Debatten über eine 100-prozentige Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft. Ich glaube, wer an einer Stellschraube gedreht hätte, der hätte das ganze Gefüge durcheinandergebracht. Ich will darauf eingehen, dass die Kollegin Wagenknecht hier gesagt hat: Dann sagen wir einfach Nein. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Wissen Sie eigentlich, wozu Sie da Nein sagen? Sie sagen Nein zu weiteren Prüfrechten des Bundesrechnungshofes. Sie sagen Nein zu Artikel 104b des Grundgesetzes – ich komme darauf noch zurück –, in dem es darum geht, dass die Bundesregierung stärkere Prüfrechte hat. Sie sagen Nein zur Modernisierung der Onlineportale und damit auch zur Digitalisierung. Sie sagen Nein zur Modernisierung der Steuerverwaltung. Insofern will ich an dieser Stelle ausdrücklich Respekt gegenüber Bündnis 90/Die Grünen zum Ausdruck bringen. Es hat sich mit den Grundgesetzänderungen wirklich dezidiert auseinandergesetzt. Wenn die Grünen hier 9 von 13 Grundgesetzänderungen zustimmen, dann ist das, finde ich, ein starkes Signal des Deutschen Bundestages nach außen dafür, dass wir hier gemeinsam gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Wir haben schleichend quasi eine zweite Säule des Bund-Länder-Finanzausgleichs bekommen, die in diesem Jahr im Vergleich zu vor zehn Jahren zusätzliche Einnahmen für Länder und Kommunen in Höhe von fast 23 Milliarden Euro bedeutet. Nicht eingerechnet in diese 23 Milliarden Euro ist der Aufwuchs nächstes Jahr beim kommunalen Entlastungspaket, das von 2,5 Milliarden Euro auf 5 Milliarden Euro wächst, oder auch die Änderung über Artikel 104c, Stärkung von finanzschwachen Kommunen bei der Sanierung von Schulinfrastruktur mit weiteren 3,5 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird immer nur auf den Bund geschaut. Wenn wir über gleichwertige Lebensverhältnisse reden, wenn wir über gesamtstaatliche Verantwortung reden, dann müssen wir auch einbeziehen, dass im Jahr 2016 Länder und Gemeinden gemeinsam Jahresüberschüsse von 14,5 Milliarden Euro hatten. Bei den Ländern waren es fast 9 Milliarden Euro; bei den Gemeinden waren es 5,5 Milliarden Euro. Das ist nicht nur durch den massiven Aufwuchs von Steuereinnahmen, sondern insbesondere dadurch zum Tragen gekommen, dass sich, seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, also seit drei Legislaturperioden, diese quasi zweite Säule der Bund-Länder-Finanzbeziehungen so deutlich herausgebildet hat. Mir war immer wichtig – das wissen meine Kollegen im Haushaltsausschuss sehr gut –, dass wir endlich mit dafür sorgen können, dass das Geld, das wir Ländern und Kommunen geben, erstens da ankommt, wo es hingehört, und zweitens auch dafür verwandt wird, wofür es vorgesehen ist. Mit der Änderung von Artikel 104b Grundgesetz, mit der Änderung von Artikel 114 Grundgesetz hat der Bundesrechnungshof Instrumente in der Hand, um dafür zu sorgen, dass das zukünftig besser laufen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich will zwei Beispiele nennen, die mich in den letzten Tagen massiv geärgert haben. Erstens. Das Institut der deutschen Wirtschaft stellt fest, dass 300 000 Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen fehlen. Wahr ist, dass wir das vierte Programm auflegen – 2017 bis 2020; 1,1 Milliarden Euro –, dass aber im dritten Programm – 2015 bis 2018 – gerade mal ein Drittel der 550 Millionen Euro abgerufen worden sind. Hier gibt es aus meiner Sicht zwei Verantwortungsebenen. Es gibt die Verantwortung des Bundesministeriums, dafür zu sorgen, dass das Geld abfließt und ein Zustand, bei dem Kitaplätze fehlen – 300 000 ist eine erschreckende Zahl –, nicht eintritt, und es gibt die Verantwortung der Länder und Kommunen, dafür zu sorgen, dass dieses Geld zielgerichtet für das eingesetzt wird, für das wir es politisch vorgesehen haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens. Der Bund stellt in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro und auch im nächsten Jahr 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung; im letzten Jahr war es 1 Milliarde Euro. Gebaut wurden von der Ländergesamtheit gerade mal 25 000 Sozialwohnungen. Allein mit dem Bundesgeld – übrigens: sozialer Wohnungsbau ist keine Bundesaufgabe; das ist eine Länderaufgabe –, mit dieser 1 Milliarde Euro, hätten mindestens 30 000 Sozialwohnungen gebaut werden können. Da ist meine Frage an die Länder, die nicht einmal die Bundesmittel dafür eingesetzt haben: Was passiert mit dem Geld? Wofür wird es verwendet? Ich habe an dieser Stelle auch eine Bitte an das Bundesministerium. Man kann die Dinge nicht einfach so laufen lassen. Es geht nicht, sich zu freuen, dass es 15 000 neue Sozialwohnungen in 2015 und 25 000 in 2016 gibt, dann aber zu sagen: Wir brauchen 80 000 Sozialwohnungen. – Wenn 1,5 Milliarden Euro Bundesgeld und 1,5 Milliarden Euro von den Ländern eingesetzt werden – die Erwartungshaltung ist, dass zu einem Euro vom Bund ein Euro vom Land kommt –, dann schaffen wir auch die 80 000 Sozialwohnungen insgesamt für Deutschland; dann erreichen wir unser Ziel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem es um das Gesamtpaket ging, möchte ich nun eine kurze Anmerkung zum Thema Verkehrsinfrastruktur machen. Uns hat 2013 fast keiner geglaubt, dass wir den Investitionshochlauf schaffen. Heute haben wir die Situation, dass, was Straßenneubauprojekte angeht, die Schubladen leergefegt sind. Es gibt aktuell kein einziges Straßenneubauprojekt in Deutschland mit Baurecht mehr. Wir finanzieren alles aus. Es ist sehr wichtig, dass wir die Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen gründen, damit wir hier schneller und zügiger vorankommen. Frau Kollegin Wagenknecht, Sie haben Kritik an ÖPP geäußert. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Bürgermeister Scholz, mir zustimmen. Bei Ihnen läuft gerade ein ÖPP-Projekt: A 7 Hamburg–Bordesholm, Umfang: 1,6 Milliarden Euro. Es läuft nach meiner Kenntnis exzellent – termingetreu, kostengetreu –, und es gibt auch bei der Verkehrslenkung überhaupt keine Probleme. Ob das im konventionellen Bereich – Herr Behrens, ich könnte eine ganze Latte von Projekten im konventionellen Bereich herunterrattern, bei denen es eine Verdopplung der Kosten gegeben hat – genauso gelaufen wäre, das würde ich in hohem Maße bezweifeln. (Zuruf des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE]) Es wird immer wieder gesagt: ÖPP ist um 40 Prozent teurer. ÖPP ist um 20 Prozent teurer. – Die elf ÖPP-Projekte, die in Deutschland fertiggestellt worden sind, sind termin- und kostengetreu realisiert worden und haben unsere Infrastruktur vorangebracht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter der Federführung des Haushaltsausschusses und der Haushälter ist hier ein Gesamtpaket zusammengekommen, über das ich nur sagen kann: Es ist zustimmungsfähig. Verschieben hilft nicht. Entscheiden hilft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Bettina Hagedorn (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Am 16. Februar 2017 wurde dieses große Gesetzespaket hier in erster Lesung beraten. Zu dem Vorwurf, wir würden das hier alles im Sauseschritt beschließen, sage ich daher nur: Das ist schon drei Monate her, Frau Wagenknecht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben das hier ordentlich beraten. Ich finde, einiges von dem, was Sie hier vom Stapel gelassen haben, ist wirklich eine Diffamierung unserer parlamentarischen Arbeit, und dagegen sollten wir uns alle zur Wehr setzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Schon in der Debatte zur ersten Beratung habe ich Ihnen, Herr Schäuble und Herr Dobrindt, gesagt, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, bereits im Januar Ihnen ins Stammbuch geschrieben und uns zur Kenntnis gegeben hat, dass es in diesem Gesetzentwurf zur Autobahnprivatisierung sehr wohl vier Hintertüren zur Privatisierung gibt. Die sind nicht aus Versehen in Ihren Gesetzentwurf hineingekommen, sondern es war Ihr Ziel, zu privatisieren. Das hier zu kaschieren, muss ich sagen, steht Ihnen als Regierung nicht gut zu Gesicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist der Ehrlichkeit geschuldet, wenn ich sage, dass ich damals schon angekündigt hatte – ich konnte das tun, weil wir uns mit den Kollegen der CDU/CSU im Haushaltsausschuss schon damals im Grundsatz einig waren –, dass wir genau diese Türen der Privatisierung schließen wollen. Geglaubt hat uns das damals kaum jemand, weder die Sachverständigen noch die Journalisten oder die Öffentlichkeit – teilweise auch nicht die eigenen Kollegen. Aber heute können wir sagen – gemeinsam als CDU/CSU und SPD im Haushaltsausschuss –: Versprochen – gehalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist schon bemerkenswert, dass Sie, Herr Schäuble und Herr Dobrindt, es offenbar für nötig halten, Ihre eigene Verantwortung an diesem Regierungsentwurf mit den Ergebnissen der Fratzscher-Kommission zu begründen, die ihre Arbeit schon vor zwei Jahren beendet hat. Eines sei hier festgestellt: Die Ergebnisse der Fratzscher-Kommission habe nicht nur ich mir nie zu eigen gemacht, sondern auch unser Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der war schon dafür!) Sie waren auch nie Gegenstand von parlamentarischen Debatten hier in diesem Raum. Die Verantwortung für das, was Sie uns vorgelegt haben, liegt ausschließlich bei Ihnen. (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Wir haben am 27. März 2017 dann eine mehrstündige Anhörung gehabt. Die Sachverständigen, die uns damals beraten haben, haben mich und Norbert Brackmann – lieber Norbert, herzlichen Dank für unsere gemeinsame Arbeit in den letzten sieben Wochen – unterstützt. Diese Sachverständigen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns sieben Wochen lang dabei unterstützt haben, der Privatisierung die Giftzähne zu ziehen, sitzen zum Teil heute oben auf der Tribüne. Ganz herzlichen Dank an Sie alle, die uns unterstützt haben! Ich glaube, diesen Dank kann ich im Namen von allen Haushältern aussprechen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Es sind die Mitarbeiter der Professoren Hermes, Beckers und Gröpl, und es sind vor allen Dingen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Prüfer des Bundesrechnungshofes, die heute hier sind. Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Arbeit. Ohne Sie hätten wir diese parlamentarische Arbeit, die wir gemacht haben, nicht mit Erfolg abschließen können. Vielen Dank! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Das ist auch deshalb wichtig, weil wir nämlich bei der Veränderung des Gesetzestextes weder die Unterstützung des Finanz- noch des Verkehrsministeriums gehabt haben, allerdings auch nicht gewollt haben. Denn wir wollten das Gesetz ja um 180 Grad wenden. Das haben wir getan. Ich bin jetzt seit 15 Jahren Mitglied des Bundestages und des Haushaltsausschusses. Da habe ich schon manches erlebt. Aber das, was wir in den letzten sieben Wochen, lieber Norbert Brackmann, gemeinsam mit der Unterstützung unserer Haushälter von SPD und CDU/CSU erreicht haben, ist außergewöhnlich. Für diese Unterstützung möchte ich mich bei unseren Kollegen bedanken. Die Arbeit war jedenfalls anspruchsvoll und aller Ehren wert. Ich finde, dass wir das heute so beschließen, ist eine Sternstunde für das Parlament insgesamt. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Hagedorn, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Behrens? Bettina Hagedorn (SPD): Natürlich. Herbert Behrens (DIE LINKE): Liebe Kollegin Hagedorn, liebe Bettina, das Engagement in Ehren. Wir erkennen zwar an, dass es massive Veränderungen und Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf gegeben hat. Aber auch du hast richtigerweise darauf hingewiesen, dass das eigentliche Problem am Anfang liegt. Man konnte also nur noch versuchen, den Gesetzentwurf zu verbessern. Du hast von einer „Sternstunde des Parlamentarismus“ gesprochen. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir, zumindest wir als Oppositionspolitiker und Fachpolitiker, an dieser Diskussion teilhaben konnten, weil uns bis gestern, bis zu den Ausschusssitzungen, immer noch nicht das komplette Paket mit all seinen Details, mit allen Anträgen vorgelegen hat. Von daher meine Frage an dich und an die SPD-Kolleginnen und -Kollegen: Woraus ergibt sich der Zwang, diese Bundesfernstraßengesellschaft heute mit zu beschließen? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, das, was im Rahmen des Länderfinanzausgleiches nötig ist, heute zu regeln, um dann später noch einmal richtig und gründlich an das Thema Bundesfernstraßengesellschaft heranzugehen? (Beifall bei der LINKEN) Bettina Hagedorn (SPD): Lieber Kollege Behrens, die Öffentlichkeit weiß es vielleicht nicht, aber wir Abgeordnete wissen, dass das, was wir heute beschließen, ein Paket ist – ein Paket, ein Paket. Das haben nicht wir Abgeordnete so beschlossen, sondern 16 Ministerpräsidenten (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Nein!) zusammen mit unserer Regierungsspitze. Dabei waren übrigens auch Ministerpräsident Ramelow und Ministerpräsident Kretschmann. (Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört! – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Er wollte aber nicht das Paket!) – Genau. Es ist ein Paket. Weil das so ist, werden wir dieses Paket insgesamt beschließen oder nicht beschließen. Viele Vorredner haben schon darauf hingewiesen, was alles an diesem Paket hängt, zum Beispiel die auskömmliche Finanzierung der Länder. Für die mittelfristige Finanzplanung einiger Länder, die nicht so gut gepolstert sind, sind die Beschlüsse schon sehr wichtig. (Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Dafür brauchen sie keine Autobahngesellschaft!) Davon hängt zum Beispiel ab, ob sie in den nächsten Jahren Landespolizisten oder Lehrer einstellen können. An dem Paket hängen der Unterhaltsvorschuss und auch die 3,5 Milliarden Euro für die armen Kommunen, für die Schulen, sowie die Autobahngesellschaft. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist absurd!) Das hat Herr Schäuble hineinverhandelt. Deswegen kann man das Paket nur insgesamt beschließen. Ich will Ihnen ganz offen sagen – das habe ich hier sinngemäß schon am 16. Februar angekündigt –, dass nicht nur ich persönlich, sondern auch die SPD insgesamt ein Problem mit dem Regierungsentwurf zu einer Autobahngesellschaft hatte. Ich sage Ihnen auch: Wenn es nicht geglückt wäre, den Giftzahn einer Privatisierung der Autobahngesellschaft zu ziehen, dann würde ich heute nicht mit Ja stimmen. Und darum bin ich froh – wir wollten dem Gesamtpaket wegen der vielen Aspekte, die darin enthalten sind, zustimmen –, dass wir es geschafft haben, der Privatisierung das Stoppschild vehement entgegenzuhalten. Das haben wir geschafft, und darum können wir mit Ja stimmen. Es besteht keine Notwendigkeit, das Paket aufzuschnüren. (Beifall bei der SPD) Es ist heute immer wieder von der Grundgesetzänderung die Rede. Ja, wir haben es geschafft, dass heute über zwei zusätzliche Grundgesetzänderungen zum Stopp der Privatisierung abgestimmt wird. Damit bringen wir nach dem Urteil unserer Sachverständigen tatsächlich funktionierende Stoppschilder ins Grundgesetz ein. Die unmittelbare und mittelbare Beteiligung Dritter ist ausgeschlossen. Teilnetz-ÖPPs sind auch wirksam ausgeschlossen. Aber ich will auch sagen, was wir insgesamt noch einfachgesetzlich geändert haben. Ich finde schon, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass, wenn man nur von Grundgesetzänderungen spricht, darin die Gefahr liegt, einfache Gesetze zu diffamieren. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir aber nicht gemacht!) Der Bundestag beschließt zu 99,99 Prozent einfache Gesetze. Das kann man nicht schlechtreden. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir nicht gemacht!) Ich will Ihnen einmal vorlesen, was wir einfachgesetzlich alles beschlossen haben, was so nicht im Regierungsentwurf stand: Eine unmittelbare und mittelbare Beteiligung Dritter ist jetzt ausgeschlossen. Die Beteiligung Privater im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften auf Teilnetzen ist ausgeschlossen. Eine Übertragung von Altschulden wird jetzt ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Das wirtschaftliche Eigentum an den Fernstraßen bleibt beim Bund. Der Mautgläubiger bleibt der Bund. Spartengesellschaften sind ausgeschlossen. Es wird keine AG nach dem Vorbild der Deutschen Bahn geben. Die Satzung dieser Gesellschaft bedarf der Zustimmung des Parlaments. Die Prüfrechte des Bundesrechnungshofes werden erstmals gesetzlich verankert. Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Parlamentes auf Verkehrsinvestitionen bleiben erhalten und werden sogar gegenüber dem Status quo vergrößert, weil zum Beispiel der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan in Zukunft der Zustimmung des Haushalts- und Verkehrsausschusses bedarf, was jetzt nicht so ist. Weil hier noch nicht die Rede davon gewesen ist, will ich darauf hinweisen, dass wir mit diesem Gesetz auch über die berufliche Zukunft von vermutlich bis zu 11 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entscheiden. Auch diesbezüglich war der Regierungsentwurf, zurückhaltend gesagt, schlecht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Er enthielt eine vier- bis fünfjährige mitbestimmungsfreie Zeit. Er enthielt dahin gehend einen Eingriff in die Tarifautonomie, dass Tarifverträge ausdrücklich nicht vorgesehen waren. Ich möchte mich bei unseren Sachverständigen von Verdi bedanken – auch sie sitzen auf der Tribüne –, die uns dabei unterstützt haben, dass Tarifverträge gesetzlich festgeschrieben werden und die Mitbestimmung gestärkt wird, was im Interesse von vermutlich 11 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist. Wir haben zusammen mit Verdi alles getan, um aus einem schlechten Regierungsentwurf einen guten Gesetzentwurf zu machen, der den Stempel des Parlaments trägt. Allen, die daran mitgewirkt haben, vielen Dank für die Unterstützung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Antje Tillmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Der Auftrag für diese Legislaturperiode lautete, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu ordnen, unter anderem, weil der Solidarpakt II für die neuen Länder 2019 ausläuft. Wir haben es geschafft, einen bruchlosen Übergang für die neuen Länder in den künftigen Länderfinanzausgleich zu erreichen. Mein Land Thüringen zum Beispiel bekommt 2020 aus diesem Länderfinanzausgleich 172 Millionen Euro mehr als 2019 aus dem Solidarpakt. Der Teil hat gut geklappt. Eigentlich müsste man von Bund-Länder-Kommunen-Finanzbeziehungen sprechen; denn wir haben es geschafft – das haben wir uns als Zweites vorgenommen –, auch die Finanzen der Kommunen auf sichere Füße zu stellen. Diese Legislaturperiode war geprägt von vielen Entlastungsprogrammen für die Kommunen. 95 Milliarden Euro sind vom Bund an die Kommunen geflossen. Ich erinnere an Kitaausbauprogramme, Schulsanierungen, das Bildungspaket und die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung. Das führte dazu – ohne den heute zu beschließenden Pakt –, dass die Kommunen 2016 einen Überschuss von 5,4 Milliarden Euro erzielt haben. Angesichts dessen mutet ein Gesetzentwurf mit dem Ziel der Sicherung finanzschwacher Kommunen eigenartig an; aber natürlich ist mir klar, was das Problem mit Durchschnitten ist. Wir werden heute weitere Entlastungen für die Kommunen beschließen, unter anderem werden wir 3,5 Milliarden Euro zur Verbesserung der Schulinfrastruktur zur Verfügung stellen. Damit erhöhen wir diesen Posten auf 7 Milliarden Euro. Ich verstehe sehr gut, dass es den Eltern völlig egal ist, wo das Geld herkommt, wenn die Schule ihrer Kinder saniert werden muss. Ich sage aber allen heute Beteiligten: Jetzt muss erst einmal Schluss damit sein, dass solche Investitionen zulasten des Bundes gehen; denn jeden Euro, der ins Schulklo geht – das ist eigentlich eine Länderaufgabe –, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Also in die Sanierung der Schulklos!) kann der Bund nicht in seinen eigentlichen Aufgabengebieten investieren, zum Beispiel in den Bereichen „innere Sicherheit“ oder „Bekämpfung der Fluchtursachen“. Das sind die eigentlichen Bundesaufgaben, und auf die müssen wir uns jetzt auf jeden Fall wieder konzentrieren. Nach diesem Pakt muss jeder seine Aufgaben erfüllen, und Bildungspolitik ist eindeutig Ländersache. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei diesem Gesetzentwurf geht es aber nicht nur um Geld, auch wenn man das meinen könnte, wenn man die Reden hier hört. Es geht auch darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger an den Erfolgen dieser Verabredung teilhaben lassen. Ein ganz wesentlicher Punkt sind die zusätzlichen Kompetenzen des Bundes im Bereich der Finanzverwaltung, der Steuerpolitik. Das ist ein sehr sprödes Thema. Ich erkläre Ihnen aber sehr gerne, was auch die Bürgerinnen und Bürger damit zu tun haben. Wir müssen die Digitalisierung in den Finanzverwaltungen vorantreiben, damit die Bürgerinnen und Bürger demnächst dank einer vorausgefüllten automatischen Steuererklärung Lebenszeit sparen können. Aber auch für die Verwaltungen der Länder ist das wichtig; denn jeder Finanzbeamte, der für diese Aufgaben dann nicht mehr gebraucht wird, kann sich für wichtigere Aufgaben Zeit nehmen, zum Beispiel für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung in großem Umfang. Jeder dadurch gewonnene Euro kann dann wieder in Projekte fließen, zum Beispiel in die Schulsanierung. Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen im Bereich der Finanzverwaltung, um zu einer gerechteren und gleichmäßigeren Besteuerung in diesem Land zu kommen. Die Voraussetzungen dafür haben wir im Konsens-Gesetz – auch das ist ein spröder Titel – geschaffen. Demnächst ist es möglich, dass der Bund zusammen mit den meisten Ländern wesentlich schneller entscheidet. Das hat auch auf die Bürgerinnen und Bürger Auswirkungen. Beispiel eins. Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben wir vor einiger Zeit verpflichtet, dem Finanzamt eine elektronische Bilanz zu übermitteln. Das hat die Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Steuerberater viel Geld gekostet. Wir haben ihnen damals versprochen, dass sie die korrigierten Daten nach einer Betriebsprüfung in digitaler Form zurückübersandt bekommen. Dadurch hätten sie massiv Geld gespart, und die Finanzverwaltungen hätten sehr viel schneller arbeiten können. Dieses Verfahren liegt jedoch seit Jahren brach, weil es an entsprechender IT-Technik mangelt. Wir müssen da besser werden. Das nützt den Steuerpflichtigen, und das nützt den Finanzverwaltungen der Länder. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein ähnliches Problem gibt es im Privatbereich. 2015 haben wir beschlossen, dass die gerechtere Verteilung des Splittingvorteils über die Steuerklasse IV mit Faktorverfahren durch Antrag zwei Jahre gewährt werden kann. Auch das scheitert an technischen Voraussetzungen. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger sind überflüssigerweise jedes Jahr wieder aufgefordert, neue Anträge zu stellen, und das nur, weil die Technik nicht funktioniert. Das waren nur zwei Beispiele, die zeigen, warum wir die neue IT-Technik unbedingt brauchen. Wir brauchen sie, um allen die Arbeit, die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Wir brauchen sie, um eine gerechtere und einheitliche Besteuerung in diesem Land, in allen 16 Bundesländern, zu ermöglichen. Ich bin sicher, dass die Länder nach Anfangsschwierigkeiten gerade bei diesem Punkt mit dem Kompromiss sehr zufrieden sein können, weil es jetzt vorangeht. Wir sind uns einig, dass da für alle eine Win-win-Situation entstehen kann. Sie sehen an den genannten Punkten, dass diese Reform für mehrere Seiten ein Gewinn sein kann. Deshalb werde ich dieser Reform heute zustimmen, auch wenn ich mir an einigen Stellen andere Lösungen hätte vorstellen können. Wir gehen diesen Weg. Ich sage aber: Danach muss sich der Bund wieder auf seine Aufgaben konzentrieren, das Geld für Bundesaufgaben ausgeben, für innere Sicherheit, für die Bekämpfung von Fluchtursachen, für Aufgaben der Bundesverwaltung. Das machen wir nach der heutigen Verabschiedung des Gesetzes. Ich plädiere für eine Zustimmung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier, wie es die Kollegin Hagedorn eben schon gesagt hat, ein Paket vorliegen, in dem vier wichtige Bereiche enthalten sind, und wir Sozialdemokraten stehen zu allen vier Punkten. Das haben nicht alle Kolleginnen und Kollegen heute so gesehen. Jeder hat hier so seine Vorbehalte gehabt. Ich möchte es noch einmal sagen: Ich glaube, es ist ein Erfolg, dass sich 16 Länder mit dem Bund einigen. Geärgert hat uns ein bisschen, dass da nur die Exekutive mit der Exekutive geredet hat und wir als Abgeordnete nicht beteiligt waren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Trotzdem – das muss man sagen – ist es ein Ergebnis, dem wir jetzt zustimmen, weil es – ich glaube, der Kollege Rehberg hat es schon gesagt – im Ganzen eine Verbesserung ist. Olaf Scholz hat ausgeführt, warum es insbesondere mit Blick auf die ostdeutschen Länder richtig ist, diesem Paket so zuzustimmen. Jeder, der das nicht tun will, sollte sich das auch mit Blick darauf ganz genau überlegen. Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, dass das Kooperationsverbot aufgebrochen worden ist. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mit Aufbrechen wollen wir nichts zu tun haben!) Das sieht ein grüner Ministerpräsident nicht so, das sehen große Teile der CDU/CSU nicht so. Trotzdem glauben wir, dass es richtig ist, Geld in Schulen zu investieren, dass es richtig ist, dafür zu sorgen, dass die Schulen vernünftig ausgestattet werden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sieht Herr Scholz das eigentlich?) Wenn man da Geld investiert, ist das gut angelegtes Geld; (Beifall bei der SPD) die 3,5 Milliarden Euro sind gut angelegt. Bevor die Grünen irgendwelche Vorwürfe machen, wäre es schick, wenn sie die Probleme ihrer eigenen Partei klärten, statt hier Dinge zu erzählen, die nicht einmal bei ihnen Konsens sind. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sieht das denn Herr Scholz?) Wir Sozialdemokraten sind uns in der Frage einig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat es denn eingeführt? Die SPD! Herr Kahrs hat damals zugestimmt!) Zur Frage des Unterhaltsvorschusses. Es ist gut so, dass wir diese Frage geklärt haben. Ich möchte unserer Bundesministerin Manuela Schwesig an dieser Stelle ganz herzlich danken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das war in den letzten dreieinhalb Jahren nicht ganz einfach für dich. Du hast dich in der Bundesregierung häufiger durchgesetzt, als es Wolfgang Schäuble lieb war. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!) Du hast dich auch hier im Deutschen Bundestag durchgesetzt. In der Sache, für die Familien mit Kindern, ist das gut. Deswegen danken wir dir. So wichtig es ist, dass Mecklenburg-Vorpommern eine gute Ministerpräsidentin bekommt, so schade ist es, dass du gehst. Du wirst uns fehlen. Noch einmal vielen herzlichen Dank, Manuela! (Beifall bei der SPD) Es ist schon einiges zur Bundesautobahngesellschaft, zur Infrastrukturgesellschaft gesagt worden. Ich möchte daran erinnern, wo wir gestartet sind. Als wir diese Vorlage diskutiert haben – Kollegin Hagedorn hat es ja gesagt –, haben wir hier festgestellt, dass das Gesetz in diesem Punkt nicht zustimmungsfähig ist, dass es einfach so nicht geht. Herr Kauder – da Sie eben einen kleinen Zwischenruf riskiert haben –, als wir von der SPD gesagt haben, wir bräuchten eine Grundgesetzänderung, damit es zu keiner Privatisierung kommen könne, haben Sie im Fernsehen gesagt: Na, dann sollen sie es mal versuchen. – Herr Kauder, wir haben es versucht. Wir haben uns durchgesetzt, und zwar mit Ihrer Hilfe. Einsicht ist immer etwas Gutes. Deswegen meinen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) In der Sache ist das Gesetz deutlich besser geworden: Es ist nämlich zustimmungsfähig geworden. Das Paket enthält viel Gutes – darüber haben wir eben diskutiert –, und daher kann man das Paket nicht ablehnen. Es war notwendig, dass wir die angestrebte Privatisierung verhindert haben. Noch einmal ganz herzlichen Dank. Ich komme in keiner Rede ohne Dank aus. Mein Dank gilt auch Eckhardt Rehberg und Norbert Brackmann. Zusammen mit Bettina Hagedorn waren wir im Haushaltsausschuss ein starkes Team. (Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) – Ja, du auch, mein lieber Andreas. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ohne dich geht gar nichts, das wissen wir alle. – Also, ohne die Kolleginnen und Kollegen der Union und der SPD im Haushaltsausschuss hätten wir das nicht hinbekommen. Ganz herzlichen Dank dafür! Ehrlich gesagt: Der Höhepunkt der ganzen Debatte über die Privatisierung waren nicht die Diskussion bei der Heinrich-Böll-Stiftung oder die Unterschriftenübergaben von Campact und anderen, sondern als ein sehr knurriger, schmallippiger Parlamentarischer Staatssekretär Ferlemann gestern im Haushaltsausschuss, als uns von den Linken wieder vorgeworfen worden ist, das wäre Privatisierung, gesagt hat: Privatisierung? Das hat uns der Ausschuss alles verbaut. – Herr Ferlemann, das haben wir, und das ist auch gut so. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Selbst die Bundesregierung gesteht es ein: Wir als Deutscher Bundestag, wir als Parlament, haben die Privatisierung verhindert. Das heißt, das Struck’sche Gesetz gilt weiterhin: Kein Gesetz verlässt den Deutschen Bundestag so, wie es reingekommen ist. Und, Frau Wagenknecht: Purer Populismus und billige AfD-Stimmungsmache jenseits der Sach- und Faktenebene sind peinlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Machen Sie gerne weiterhin Ihre Doppelinterviews mit Frau Petry. Sie werden damit nicht gewinnen. Das ist billig und peinlich. Mit Ihnen kann man und wird man in Deutschland nie regieren können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Dass diese Festlegung auch einmal Gegenstand des Finanzausgleichgesetzes werden würde, hätte auch kaum jemand für möglich gehalten. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das musste einmal gesagt werden!) Nächster Redner für den Bundesrat ist der Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier. (Beifall bei der CDU/CSU) Volker Bouffier, Ministerpräsident (Hessen): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kahrs, das war mutig, das war munter, aber darum geht es eigentlich nicht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch wieder wahr!) Meine Damen und Herren, aus der Sicht der Länder ist diese Debatte ausgesprochen interessant. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Da bescheinigt der eine Koalitionspartner dem anderen, dass er kraftvoll etwas verhindert hat, (Christine Lambrecht [SPD]: Ganz anders als in den Ländern!) oder der andere bescheinigt wiederum, dass er kraftvoll etwas durchgesetzt hat. Das ist aus Sicht der Länder ziemlich unerheblich. (Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD]) Ich möchte gerne auf den Punkt zurückkommen, der aus meiner Sicht entscheidend ist. Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass heute ein ganz wichtiges, aus meiner Sicht auch richtiges Gesamtpaket zu verabschieden ist. Worum geht es eigentlich? Die Frage, wie eine Infrastrukturgesellschaft organisiert werden kann – linksherum oder rechtsherum –, mag für Sie wichtig sein, aber es ist nicht die entscheidende Frage. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ach!) Die entscheidenden Fragen sind andere. Wir wissen alle gemeinsam, dass Ende 2019 sämtliche Solidarsysteme auslaufen: der Solidarpakt II, die Entflechtungsmittel; bei all dem geht es um Milliardenbeträge. Es ging nun darum, eine Antwort zu geben auf die Fragen: Wie soll es weitergehen? Wie soll es weitergehen in den neuen Ländern? Wie soll es weitergehen mit Ländern wie Bremen und dem Saarland, die die Probleme aus eigener Kraft nicht lösen können? Das sind die entscheidenden Fragen. Es ging um die Bund-Länder-Beziehungen und um die Beziehungen der Länder untereinander. Alle anderen Fragen haben sich später ergeben. Ich will ausdrücklich sagen: In der Großen Koalition haben wir seinerzeit vereinbart, dass wir darauf eine Antwort geben wollen, (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist eine Sicht der Länder!) und die Antwort, die wir geben, ist aus meiner Sicht eine richtige. Herr Kollege Kahrs und alle anderen haben es zum Teil bestätigt. Wir beweisen hier zweierlei Dinge. Erstens. Der Föderalismus ist entgegen mancher Behauptungen handlungsfähig. Es ist das erste Mal in dieser Republik, dass die 16 Länder, die so unterschiedliche Interessen haben, eine gemeinsame Position formulieren, und zwar ohne Hilfe des Bundesverfassungsgerichts. (Johannes Kahrs [SPD]: Weil der Bund sie finanziert!) Das zeigt, dass sich alle bewegt haben. (Johannes Kahrs [SPD]: Der Bund!) – Sie sagen immer „der Bund“. Glauben Sie das im Ernst? Wollen Sie die neuen Länder alleinlassen? Sollen das die Zahlerländer alleine lösen? Wollen Sie Bremen und das Saarland alleinlassen? Dann haben Sie es falsch verstanden. (Johannes Kahrs [SPD]: Etwas mehr Solidarität von den reichen Ländern hätte geholfen!) Auch das muss klar sein: Die Stärke dieses Landes hat aus meiner Sicht zentral mit dem föderativen Aufbau zu tun. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie kriegen doch mehr als bisher! – Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben doch mehr Geld für sich gebraucht! Etwas mehr Demut!) Die politische Stabilität dieses Landes ist untrennbar verbunden mit diesem föderalen System. Mir ist wichtig: Wenn Sie auf viele Länder in Europa oder anderswo schauen, dann sehen Sie, dass diese heute kaum mehr in der Lage sind, über Parteigrenzen hinaus wichtige zukunftsweisende Strukturentscheidungen zu treffen. Dass dies in Deutschland gelingt, ist ein Anlass zur Freude und nicht zur Kritik. (Beifall bei der CDU/CSU) Zurück zum eigentlichen Thema. Wir haben einen neuen Modus gefunden – Kollege Scholz hat darauf hingewiesen –, indem wir ein nicht ganz einfaches System auf eine Ebene gebracht haben. Der Regelungsmechanismus über die Umsatzsteuer, auf den wir uns verständigt haben, beruht übrigens auf einem Vorschlag des Bundesfinanzministers. Zweitens. Ich konnte gelegentlich lesen, die Länder hätten die Solidarität untereinander aufgegeben. Dies ist grob falsch. Ich möchte Ihnen das anhand eines Beispiels aus meinem Land Hessen zeigen. Nach dem neuen System werden wir präterpropter 1,6 Milliarden Euro mehr aus der Umsatzsteuer einnehmen. Davon geht mindestens 1 Milliarde in den Topf des Länderfinanzausgleichs. Hessen wird ab dem Jahr 2020 rund 4 Milliarden Euro von seinem Kuchen zur Verteilung an die anderen Länder bereitstellen. Das ist bewusst so gemacht. Das ist auch richtig. Wir stehen zu unserer Solidarität. Deshalb ist es grob falsch, zu behaupten, hier würde der Gedanke der Solidarität aufgegeben werden. Es ist mir wichtig, das deutlich zu machen. Zum anderen konnte man lesen, es sei staatsrechtlich und finanzwissenschaftlich nicht das Maß aller Dinge. Wie wahr, aber darum geht es nicht. Wir als Ländervertreter konnten eben wunderbar sehen, wie ein und derselbe Text von den Fraktionen höchst unterschiedlich ausgelegt wird. Das kann nicht das Thema der Länder sein. Am Ende geht es nicht um finanzwissenschaftliche und staatswissenschaftliche Höchstleistungen, sondern es geht um das politisch Machbare. Gemessen am politisch Machbaren ist dies ein großer Erfolg. Ich möchte hinzufügen: Die Arbeit ist noch nicht getan. Ich werbe dafür, die Gewerbesteuerumlage, Herr Bundesfinanzminister, auch noch zu regeln. Dort besteht noch Handlungsbedarf. Denn das, was jetzt auf der einen Seite an Mehrerlösen zu erwarten ist, würde an der anderen Stelle wieder wegfallen, wenn wir das nicht entsprechend regeln. Ich habe – wie alle meine Kolleginnen und Kollegen – mit Interesse heute die Debatte über die spannende Frage verfolgt, wie einzelne Themen zwischen Bund und Ländern – ich füge bewusst hinzu: und den Kommunen – richtig austariert werden sollen. Das ist eine spannende Frage. Sie haben darüber im Bereich der Schulen und der Bildung diskutiert. Sie haben darüber auch im Bereich der Autobahnen bzw. der Infrastrukturgesellschaft diskutiert. Ich füge noch andere Bereiche hinzu, zum Beispiel die Steuerverwaltung. Ich kann nur allgemein zu einer Debatte mit Augenmaß raten. Beim letzten Mal haben wir die Debatte zur Reform unter der Prämisse geführt: Es ist klug, dass man Mischverantwortlichkeiten auseinandernimmt, damit man weiß, wer für was zuständig ist, dass man Bürokratie eindämmt und möglichst jeden auf seiner Ebene finanziell so ausstattet, dass er die Aufgaben wahrnehmen kann. Mit den jetzigen Regelungen drehen wir das Rad wieder ein Stück zurück. Ich bin nicht sicher, ob sich der angestrebte Erfolg auf allen Seiten wirklich so einstellen wird. Wir haben uns in dieser Vereinbarung ja verabredet, spätestens nach zehn Jahren eine Evaluation durchzuführen. Wer länger zurückschaut, kann zumindest Erfahrungen zur Kenntnis nehmen. Die Erfahrungen aus früheren Zeiten der Mischfinanzierungen und Mischverantwortungen für Wohnungsbau, Hochschulbau, Bildung und vieles andere mehr haben dazu geführt, dass die Begeisterung für gemeinsame Zuständigkeiten so zurückgegangen ist, dass wir zur Föderalismusreform gekommen sind, um genau das auseinanderzunehmen. Wir stehen zu dem, was wir miteinander vereinbart haben. Aber ich möchte ein wenig dazu anregen und auch ein wenig mahnen, es hier nicht zu übertreiben. Am Ende werden wir gemeinsam dafür Sorge tragen müssen, dass das neue finanzielle Fundament, das wir geschaffen haben – das ist der eigentliche Grund, um den es heute geht, weniger die Themen, die heute hier im Hause im Mittelpunkt standen –, die Länder und mit ihnen die Kommunen in den Stand versetzt, ihre Aufgaben so zu erfüllen, dass die Menschen in Deutschland, egal wo sie leben, eine Infrastruktur bekommen, einen Rahmen bekommen, ein Angebot bekommen, dass sie überall gut gefördert werden, dass sie überall gut leben können und dass sie – ganz nebenbei – wie bisher gerne in diesem Land leben. (Johannes Kahrs [SPD]: Ich habe selten so eine predigende Rede gehört!) Meine Damen und Herren, trotz mancher Bedenken, die die Länder haben, werden wir zustimmen. Das kann ich für mein Land und, ich denke, auch für fast alle meine Kollegen sagen. Es ist ein Tag der Freude, wenngleich sie unterschiedlich ausgedrückt wird. Das, was wir nach zweieinhalb Jahren intensivster Diskussion gemeinsam geschaffen haben, hat die Arbeit gelohnt. Ich bitte Sie herzlich: Stimmen Sie diesem Werk zu. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Debattenredner ist der Kollege Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ralph Brinkhaus hat, wie ich finde, mit wichtigen Worten die Debatte eröffnet. Er hat noch einmal deutlich gemacht: Gesetze werden im Parlament verabschiedet. Grundgesetzänderungen werden im Parlament debattiert und verabschiedet. Und deswegen war es wichtig, dass ein Parlamentarier die Debatte eröffnet. Ich darf sagen: Es ist auch gut, dass ein Parlamentarier die Debatte wieder schließt. Damit haben wir die Klammer gesetzt. Es ist auch deshalb gut, weil das Parlament bei den Beratungen bewiesen hat, wie wichtig es ist, dass wir gute und kluge Volksvertreter haben, die die auf dem Tisch liegenden Vorschläge noch verbessern. Es war eine gute Debatte. Für uns Familienpolitiker war es auch eine wichtige Debatte; denn mit den Grundgesetzänderungen haben wir die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes aufgesetzt. Die Unterstützung der Alleinerziehenden war für uns in der Union schon seit vielen Jahren ein zentraler Punkt. Die CSU, die CDU, wir haben schon vor zwei, drei Jahren auf Parteitagen entsprechende Beschlüsse gefasst. Da ging es um das Thema „Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende“. Darüber hinaus haben wir beschlossen, dass wir den Unterhaltsvorschuss ausweiten wollen. Deswegen sind wir froh und glücklich, dass wir heute zusammen mit unserem Koalitionspartner diesen Weg gehen können, dass es geklappt hat. Dass der Weg im Verlauf der Debatte hier und da etwas steinig war, haben wir zur Kenntnis genommen. Wir wissen ja, auch wenn Ministerpräsidenten ihre Zusagen machen oder ihre Beschlüsse fassen, muss man immer noch ein bisschen warten, bis es konkret wird. Wir wissen aber auch, dass solche Dinge natürlich vorbereitet werden müssen. Für uns in der Union war es beim Thema Unterhaltsvorschuss wichtig, dass wir es hinbekommen, aber auch, dass wir die Länder und die Kommunen mit im Boot haben. Denn wir wissen, die finanzielle Belastung beim Unterhaltsvorschuss tragen nicht nur wir als Bund, sondern auch die Länder und Kommunen. Deswegen war es wichtig, dass wir diesen Kompromiss gemeinsam entwickelt haben, um dieses Gesetz heute verabschieden zu können. In diesem Zusammenhang möchte ich mich dem Dank an Ministerin Schwesig für dreieinhalb Jahre gemeinsamer Zusammenarbeit anschließen. Das eine oder andere, was wir vorangetrieben haben, kam von Ihnen, das eine oder andere von uns. Die Ergebnisse sind gut. Sie wissen ja, es ist schön und wichtig, einen starken, erfahrenen und klugen Koalitionspartner an seiner Seite zu haben. Das werden Sie in Mecklenburg-Vorpommern auch haben. Die Kollegen der CDU werden Sie auch dort gut betreuen. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die weitere gemeinsame Arbeit. Sie sind bei uns in guten Händen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme auf das Thema Unterhaltsvorschuss zurück. Dieses Thema ist wichtig. Warum? Dazu am Schluss der Debatte einige wesentliche Zahlen: 2,3 Millionen Kinder leben bei Alleinerziehenden. Alleinerziehende haben ein hohes Armutsrisiko, 42 Prozent sind davon betroffen. Das ist seit Jahren bekannt. Wir arbeiten seit Jahren daran, diese Zahl zu senken, und werden das auch in den nächsten Jahren tun. Was ich besonders betrüblich finde, ist, dass 35 Prozent der Alleinerziehenden, die arbeiten, Leistungen nach SGB II beziehen. Das heißt, diesen Alleinerziehenden reicht das Einkommen aus ihrer Arbeit, aus ihrer Erwerbstätigkeit nicht aus, um den Lebensunterhalt für ihre Familien sicherzustellen. Deswegen haben wir in der Großen Koalition und im weiteren Sinne eigentlich schon seit 2005 eine Reihe von einzelnen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wir haben den Entlastungsbetrag von 1 308 Euro auf 1 908 Euro erhöht, also um 600 Euro. Auf die Maßnahme mussten wir leider zehn Jahre warten, aber sie ist wichtig für die Alleinerziehenden. Viele weitere Dinge haben wir in der Großen Koalition auf den Weg gebracht: Der Ausbau der Kindertagesbetreuung kommt insbesondere den Alleinerziehenden zugute. Damit verbessern wir die Möglichkeit, dass sie über Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern können. Selbst das Elterngeld, das vermeintlich von vielen als eine Maßnahme für die Besserverdienenden beschrieben wird, nutzt den Alleinerziehenden, weil ihnen auch die Partnermonate zugutekommen. Ich finde, eine Frau, die den ganzen Tag arbeitet und alleine ihr Kind erzieht, hat auch Anspruch auf gemeinsame Zeit. Deswegen war es richtig, dass wir entschieden haben, dass die Partnermonate von den Alleinerziehenden genommen werden können, damit auch sie für ihre Kinder mehr Zeit haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Des Weiteren waren das Bildungs- und Teilhabepaket sowie die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten wichtige Punkte für uns in der Koalition. Wir erleben seit 2005 einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Seit 2005 wird neben dem Bereich Bildung und Forschung insbesondere in den Bereich Familie investiert wie nie zuvor. Deswegen möchte ich gerne eine wichtige Bemerkung machen: Wer die Bundeskanzlerin als familienfeindlich bezeichnet, der hat die letzten zwölf Jahre in diesem Land nicht mitbekommen. Nein, die CDU/CSU war es, die seit 2005 deutliche Impulse in der Familienpolitik gesetzt hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden mit der Reform – das ist schon angesprochen worden – die Bezugszeiten erweitern. Das ist ein wichtiger Punkt aus unserer Sicht. Das haben wir als Union in den Debatten immer deutlich gemacht. Es gibt viele Elternteile, insbesondere Männer, die den Unterhalt nicht leisten können. Es gibt aber auch sehr viele Männer, die den Unterhalt leisten können, es aber nicht wollen. Da muss der Staat eingreifen. Die sogenannte Rückholquote ist in ihrer Höhe für uns nicht akzeptabel. Sie variiert sehr stark zwischen den Bundesländern: Bayern hat eine hohe Rückholquote, andere Länder eine sehr geringe. Wir erwarten von den Ländern, dass sie ihrer Aufgabe nachkommen, dafür zu sorgen, dass die säumigen Mütter und Väter zur Kasse gebeten werden. Es ist auch im Sinne der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, dass die Menschen in diesem Land erkennen: Der Staat leistet Unterhaltsvorschuss, der Staat sieht aber auch zu, dass er die nicht zahlenden Frauen und Männer erwischt und dazu bringt, dass sie ihr Geld zahlen. Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich für die Familienpolitiker der Union – ich glaube sogar, für alle Familienpolitiker hier – sagen: Wir haben mit der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses einen weiteren Baustein gesetzt für die Unterstützung der Alleinerziehenden. Insoweit ist es ein guter Tag. Wir werden diese Themen aber auch weiterhin im Auge haben. Die Frage der weiteren finanziellen Verknüpfung mit Bund und Ländern wird uns sicherlich auch in den nächsten Monaten weiter beschäftigen. Ich kann abschließend als Bundespolitiker nur sagen: Wir wissen, wo unsere Aufgaben liegen, wir wissen aber auch, wo unsere Grenzen sind. Nicht alles in unserem Land können wir bezahlen. Wir haben Kommunen, wir haben Länder, auch die haben eine Aufgabe. Diese Aufgabe müssen sie erfüllen. In diesem Fall bin ich froh, dass wir gemeinsam einen guten Kompromiss hinbekommen haben und schließe wieder mit einem Satz von Ralph Brinkhaus: Es war gut, dass das Parlament diese Sache in die Hand genommen hat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich über Ihre Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Bevor wir jetzt zu den Abstimmungen kommen, habe ich zwei Bitten für diesen beachtlichen Abstimmungsmarathon, der vor uns liegt. Vergewissern Sie sich erstens bitte, dass Sie bei den zahlreichen namentlichen Abstimmungen jeweils Karten mit Ihrem Namen einwerfen. Zweitens. Manche der namentlichen Abstimmungen ließen sich noch schneller abschließen, wenn die im Saal verteilten Abstimmungsurnen gleichmäßig in Anspruch genommen würden. Wir haben nämlich eine extreme Fixierung auf die in der Nähe der Regierungsbank aufgestellte Urne, die anschließend aber mit der gleichen Gewichtung ausgezählt wird wie die auf der anderen Seite und die beiden im hinteren Teil des Plenums. Insofern würden Sie sich alle einen Gefallen tun, wenn Sie Ihre Karten diesmal entgegen einer eingeübten Präferenz auch an anderen Stellen in die dafür vorgesehenen Urnen werfen würden. Tagesordnungspunkt 9 a. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c und 143d bis 143g). Der Haushaltsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12588, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11131 und 18/11186 in der Ausschussfassung anzunehmen. Zu dieser Ausschussfassung liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Als Erstes kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12596 zur Änderung des Artikels 125c des Grundgesetzes. Hier geht es um die in der Debatte erläuterte Fristenregelung im Hinblick auf den 1. Januar 2025. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Wir kommen nun zu den drei Änderungsanträgen, zu denen namentliche Abstimmung verlangt ist. Beim ersten Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/12594 geht es um den Artikel 90 des Grundgesetzes und die Beteiligung Privater im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn sie jeweils von beiden Seiten ordentlich besetzt sind. – Das ist der Fall. Ich eröffne die erste Abstimmung. Ist jemand im Saal, der seine Stimmkarte zum ersten namentlichen Abstimmungsvorgang noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe den ersten Abstimmungsvorgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eine Bitte, weil wir jetzt nicht neun aufeinanderfolgende namentliche Abstimmungen mit dazwischen notwendigen einfachen Abstimmungen in einem ambulanten Geschäftsverkehr durchführen können. Deswegen meine herzliche Bitte: Setzen Sie sich nach der Abgabe Ihrer Stimmkarte jeweils wieder auf einen der vorhandenen Plätze. Es verlangsamt nämlich das Verfahren, wenn Sie alle hier pulkweise stehen. Nach dem Aufruf des jeweils zur Abstimmung stehenden nächsten Gegenstandes bestehen hinreichend Zeit und Gelegenheit, die Abstimmungsurnen wieder zu erreichen. Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12597 zur Änderung der Artikel 90 und 143e des Grundgesetzes. Hier geht es um die Regelung der Verwaltung der Bundesautobahnen in Bundesverwaltung. Ich darf auch hier die Schriftführerinnen und Schriftführer darum bitten, mir ein Signal zu geben, wenn die Abstimmungsurnen besetzt sind. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstimmung. Ist jemand im Saal, der seine Stimme für den zweiten namentlichen Abstimmungsvorgang noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich auch diese Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer um Auszählung.2 – Nehmen Sie bitte wieder einen Augenblick Platz. Es werden jetzt schon wieder die geleerten Urnen an die bekannten Stellen getragen, sodass wir zum dritten Änderungsantrag mit namentlicher Abstimmung kommen. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12595 zur Änderung der Artikel 91b und 104c des Grundgesetzes. Hier geht es um Vereinbarungen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung des Bildungswesens. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mir auch hier jetzt wieder ein Signal zu geben, wenn die Urnen erstens am Platz und zweitens jeweils ordentlich besetzt sind. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich den Abstimmungsvorgang. Hat ein anwesender Kollege oder eine anwesende Kollegin seine bzw. ihre Stimmkarte für die dritte namentliche Abstimmung noch nicht abgegeben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung.3 Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der drei namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung, weil wir selbstverständlich das Ergebnis der Abstimmungen über die Änderungsanträge kennen müssen, bevor wir in zweiter Lesung über den Katalog der Änderungen weiter befinden können. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 11.54 bis 12.00 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz. Es geht nach dem Verkünden der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen mit einer Serie einfacher Abstimmungen weiter. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmungen bekannt. Wir kommen zuerst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Roland Claus, Gesine Lötzsch, Caren Lay und weiterer Abgeordneter der Fraktion Die Linke zu der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – konkret: zur Änderung von Artikel 90 des Grundgesetzes –: abgegebene Stimmen 604. Mit Ja haben gestimmt 118, mit Nein haben gestimmt 482. Enthaltungen gab es 4. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 117 nein: 482 enthalten: 4 Ja SPD Bettina Bähr-Losse Dr. Ute Finckh-Krämer Mechthild Rawert DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten SPD Ingrid Arndt-Brauer Marco Bülow Ursula Schulte Gülistan Yüksel Bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Valerie Wilms, Anja Hajduk und weiterer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung von Artikel 90 und Artikel 143e des Grundgesetzes gab es 603 abgegebene Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 116, mit Nein 483. Enthalten haben sich 4. Auch dieser Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 115 nein: 484 enthalten: 4 Ja SPD Bettina Bähr-Losse DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten SPD Ingrid Arndt-Brauer Marco Bülow Ursula Schulte Gülistan Yüksel Bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Kai Gehring, Katja Dörner, Özcan Mutlu und weiterer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – hier von Artikel 91b und Artikel 104c – wurden 602 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 117, mit Nein 481. Wiederum gab es 4 Enthaltungen. Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 602; davon ja: 117 nein: 481 enthalten: 4 Ja CDU/CSU Uda Heller SPD Bettina Bähr-Losse Detlef Müller (Chemnitz) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten SPD Ingrid Arndt-Brauer Marco Bülow Ursula Schulte Gülistan Yüksel Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11131 und 18/11186 in der bestätigten Ausschussfassung. Wir stimmen über jeden einzelnen Grundgesetzartikel getrennt ab, wobei wir mit den Grundgesetzartikeln beginnen, über die nicht namentlich abgestimmt wird. Nur für diejenigen, die das hoffentlich ohnehin sorgfältig verfolgen: Es gibt keinen Grund für eine Irritation deswegen, dass wir jetzt nicht in der Reihenfolge der Grundgesetzartikel vorgehen. Vielmehr rufe ich zunächst alle die Grundgesetzartikel auf, für die es keinen Antrag auf namentliche Abstimmung gibt, und rufe anschließend die verbleibenden Grundgesetzartikel auf, über die namentlich abgestimmt wird. Wir beginnen jetzt mit den einfachen Abstimmungen. Ich komme zunächst zur Änderung von Artikel 91c des Grundgesetzes. Ziel dieser Grundgesetzänderung ist die Verbesserung der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Deutschland. Damit wird die Einrichtung eines verbindlichen bundesweiten Portalverbunds ermöglicht, über den alle Nutzer einfach und sicher auf die Onlineanwendungen der öffentlichen Verwaltung von Bund und Ländern zugreifen können. Bevor ich das jetzt zur Abstimmung stelle, weise ich darauf hin, dass es zu diesem und eigentlich fast allen folgenden Grundgesetzartikeln in der Schlussabstimmung beinahe so viele persönliche Erklärungen zur Abstimmung wie Mitglieder im Hause gibt. Deswegen kann ich Ihnen im Augenblick keine verlässlichen Zahlen sagen. Aber Sie finden das ja alles in den Anlagen unseres Protokolls ordentlich vor. Wir stimmen jetzt über die Änderung von Artikel 91c des Grundgesetzes in der Ausschussfassung ab. Ich bitte diejenigen, die dieser Änderung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist Artikel 91c des Grundgesetzes in zweiter Lesung einstimmig angenommen. Ich komme zur Änderung von Artikel 104b des Grundgesetzes. Hier geht es um Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Ausgestaltung der Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen für Investitionen. Außerdem werden die Informationsrechte des Bundes zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel gestärkt. Wer dieser Änderung zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch dies einstimmig angenommen. Ich komme zu dem neuen Artikel 104c des Grundgesetzes. Der neue Artikel 104c Grundgesetz schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes für bedeutsame Investitionen finanzschwacher Kommunen im Bereich der Bildungsinfrastruktur. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist auch das so beschlossen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich komme zur Änderung von Artikel 108 des Grundgesetzes. Durch diese Änderung soll klargestellt werden, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Bezug auf das Zusammenwirken von Bund und Ländern in der Steuerverwaltung auch die Möglichkeit umfasst, Mehrheitsentscheidungen, die alle Länder binden, bundesgesetzlich vorzusehen. Wer dieser Regelung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dies findet allgemeine Zustimmung. Artikel 109a des Grundgesetzes. Hier geht es um den Stabilitätsrat, dem mit dieser Änderung die Kompetenz übertragen wird, zu überwachen, dass Bund und Länder die Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 Grundgesetz – der sogenannten Schuldenbremse – bei Kreditaufnahmen einhalten. Wer dieser Änderung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Diese Änderung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Ich komme zur Änderung von Artikel 114 des Grundgesetzes. Hier wird dem Bundesrechnungshof das Recht eingeräumt, für die Prüfung der Bundesverwaltung auch bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung Erhebungen vorzunehmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke gibt es ansonsten einmütige Zustimmung. Ich komme zur Änderung von Artikel 143d des Grundgesetzes. Durch diese Änderung wird die Möglichkeit eröffnet, den Ländern Saarland und Bremen Sanierungshilfen des Bundes zu gewähren, damit sie zukünftig in die Lage versetzt werden, die Vorgaben des Artikels 109 Absatz 3 Grundgesetz zur Kreditaufnahme, also der Schuldenbremse, eigenständig einzuhalten. Wer dieser Änderung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Wiederum bei Enthaltung der Fraktion Die Linke im Übrigen einmütig so angenommen. Ich komme zum neuen Artikel 143f des Grundgesetzes. Er regelt ein Verfahren, in dem die Bundesregierung, der Bundestag oder mindestens drei Länder ab dem Jahr 2030 ein Außerkrafttreten von Artikel 143d – über den haben wir gerade befunden – sowie der einfachgesetzlichen Regelungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich mit dem Ziel einer Neuregelung herbeiführen können. Wer dieser Grundgesetzänderung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich komme zum neuen Artikel 143g des Grundgesetzes. Der neue Artikel 143g enthält eine Übergangsregelung zu Artikel 107 Grundgesetz für die Steuerertragsverteilung, den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen bis zum 31. Dezember 2019. Wer stimmt für diese Ergänzung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke so angenommen. Wir kommen nun zu den vier Grundgesetzänderungen, für die es einen Antrag auf namentliche Abstimmung gibt. Zunächst komme ich zu Artikel 90 des Grundgesetzes in der Ausschussfassung. Durch die Änderung des Artikels 90 wird geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs unveräußerlich ist. Außerdem wird die Verwaltung der Bundesautobahnen in die Bundesverwaltung überführt. Diesbezüglich wird geregelt, dass sich der Bund zur Erfüllung dieser Aufgabe einer Gesellschaft des privaten Rechts bedienen kann, die im unveräußerlichen Eigentum des Bundes steht. Darüber stimmen wir jetzt namentlich ab. Also bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, wieder ihre Positionen einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn die Urnen ordnungsgemäß besetzt sind. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich jetzt die vierte namentliche Abstimmung. Es geht um die Änderung des Artikels 90 Grundgesetz. Ist noch jemand im Saal anwesend, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann können Sie sich wieder auf Ihre Plätze begeben. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Urnen auszuwechseln;4 denn vorher können wir die nächste namentliche Abstimmung nicht aufrufen. Darf ich noch einmal darum bitten, wieder auf die verfügbaren Plätze zurückzugehen? – Meine gelegentlich vorgetragene Sorge, wir könnten bei einer möglichen Vergrößerung des Bundestages gar nicht genug Sitzplätze haben, ist offenkundig unbegründet, weil viele Kolleginnen und Kollegen gar keinen brauchen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Ich komme jetzt zur Änderung von Artikel 107 des Grundgesetzes in der Ausschussfassung. Durch diese Änderung wird das bestehende System des bundesstaatlichen Finanzausgleichs umfassend reformiert. Die bisher in Artikel 107 vorgesehene Möglichkeit eines Umsatzsteuervorwegausgleichs entfällt, die Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer erfolgt grundsätzlich nach Maßgabe der Einwohnerzahl. Dies wird modifiziert durch Zu- und Abschläge zum angemessenen Ausgleich der Unterschiede in der Finanzkraft. Darüber hinaus werden Sondertatbestände für besondere Bereiche sowie Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich bestimmter Steuerkraftunterschiede geregelt. Ich bitte auch hier wieder, mir ein Signal zu geben, wenn die Urnen besetzt sind. – Sind die Urnen überall besetzt? – Es sieht so aus. Ich eröffne die fünfte namentliche Abstimmung. Ist noch jemand im Saal, der zu dieser fünften namentlichen Abstimmung seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Dann schließe ich auch die fünfte namentliche Abstimmung.5 Ich komme jetzt zur Änderung von Artikel 125c des Grundgesetzes in der Ausschussfassung. Durch diese Änderung werden die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Fortführung der Finanzhilfen für Seehafenlasten an die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein geschaffen. Das gilt auch für Finanzhilfen für besondere Programme nach § 6 Absatz 1 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Ich eröffne die sechste namentliche Abstimmung. Hat ein anwesendes Mitglied des Hauses seine Stimme für diese sechste namentliche Abstimmung noch nicht abgegeben? – Das ist nicht erkennbar. Dann schließe ich diesen Abstimmungsvorgang.6 Wir kommen zum neuen Artikel 143e des Grundgesetzes in der Ausschussfassung. Der neue Artikel 143e enthält verschiedene Regelungen im Zusammenhang mit der Umwandlung der Auftragsverwaltung für die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs durch die Länder in Bundesverwaltung. – Urnen gibt es schon wieder überall. Gibt es auch überall zwei Schriftführer? – Da drüben ist das der Fall, hinten rechts auch, hier vorne offenkundig auch, hinten an den Glastüren auch. Dann eröffne ich die Abstimmung und bitte Sie, dann unbedingt einen Augenblick für die weiteren Verfahrensankündigungen hierzubleiben. Ich bitte jetzt alle diejenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, Platz zu nehmen, und die paar wenigen, die möglicherweise ihre Stimme noch nicht abgeben haben, dies jetzt zu tun. – Hat noch jemand seine Stimme für die siebte namentliche Abstimmung nicht abgegeben? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.7 Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die übrigen Teile des Gesetzentwurfes. Ich bitte diejenigen, die Artikel 2 des Gesetzentwurfes, also der Inkrafttretensregelung, sowie der Einleitung und der Überschrift des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Fraktion Die Grünen sind damit Artikel 2, Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfes angenommen. Nachdem die Kollegin Wilms eine mündliche Erklärung zur Abstimmung abgegeben hat, die ich hiermit aufrufe, unterbrechen wir für ein paar Minuten die Sitzung, um die Ergebnisse der letzten namentlichen Abstimmungen auszuzählen. Das geht erfahrungsgemäß sehr zügig. Dann folgt die Schlussabstimmung über das gesamte Gesetzespaket einschließlich aller Grundgesetzänderungen, für die wir eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Ich bitte also schon jetzt dringend darum, allen anderweitigen Versuchungen tapfer zu widerstehen und am besten im Plenarsaal zu bleiben und nicht zwischendurch Besuchergruppen zu bedienen, was auch verdienstvoll ist, aber dazu führt, sich anschließend im Protokoll unter „Nicht anwesend bei 13 Grundgesetzänderungen“ zu finden. Das Wort hat jetzt also die Kollegin Valerie Wilms. In unmittelbarem Anschluss an diese Wortmeldung werde ich die Sitzung dann für die Auszählung der letzten namentlichen Abstimmungen vor der Schlussabstimmung unterbrechen. – Bitte schön. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, dass Sie mir noch zuhören möchten. Ich habe heute in Bezug auf die Einrichtung einer Autobahngesellschaft anders abgestimmt als die Mehrheit meiner Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Fraktion und ich stimmen darin überein, dass die Neuorganisation der Bundesautobahnen notwendig ist. Die Defizite sind einfach zu offensichtlich. Es ist gut, dass sich meine Fraktion nach langer Debatte zur Einrichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Behaftung bekennt. Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt viele gefährliche Elemente, die eine Privatisierung ermöglicht hätten. Ich freue mich deswegen, dass die Mehrheit in diesem Haus sehr entscheidende Änderungen vorgenommen hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Damit wurde auf die vielfache Kritik auch aus meiner Fraktion reagiert. Es ist gut für unsere Demokratie, wenn bei einer solch entscheidenden Änderung des Grundgesetzes auch auf die Opposition gehört wird, selbst wenn sie für die Erreichung der Mehrheit nicht unbedingt notwendig ist. Meiner Fraktion und mir war es wichtig, eine Neuorganisation ohne Privatisierung zu ermöglichen. Deswegen sollte eine Aktiengesellschaft ebenso ausgeschlossen werden wie die Beteiligung Dritter an Tochtergesellschaften. Auch ein Verbot zur Kreditaufnahme und die Einhaltung der Schuldenbremse sind notwendig. Meine Fraktion hat starke parlamentarische Kontrollrechte und zusätzliche Prüfrechte für den Bundesrechnungshof verlangt. Auf alle diese Forderungen ist die Koalition eingegangen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Einzig bei öffentlich-privaten Partnerschaften kann sich die Koalition nicht zu einem Ende dieser viel zu teuren Beschaffungsvariante durchringen. Hier soll es nun wenigstens zu einer Beschränkung des Status quo kommen. Ganze Teilnetze dürfen nicht im Rahmen von ÖPP vergeben werden; das haben wir gehört. Aus meiner fachlichen Sicht komme ich jedoch zu der Einschätzung, dass ÖPPs in der neuen Gesellschaft nur eine geringe und langfristig auch gar keine Rolle mehr spielen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Nationen. Denn eine Autobahngesellschaft in öffentlicher Hand kann die Möglichkeiten des privaten Rechtes nutzen, ohne sich teuer am Markt finanzieren zu müssen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) Im Gesamtblick sehe ich – einmal abgesehen von ÖPP – die Forderungen meiner Fraktion erfüllt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Man kann darüber diskutieren, ob alle Forderungen im Grundgesetz festgeschrieben werden müssen. Die Koalition hat die meisten Punkte im Begleitgesetz geregelt. Das ist anders, als meine Fraktion es bevorzugt hätte. Das Grundgesetz regelt die grundsätzliche Verfasstheit unseres Landes. Es ist deswegen sehr diskussionswürdig, ob hier die Details des Straßenbaus festzulegen sind. Nicht akzeptieren kann ich das Argument, neue Mehrheiten könnten anders beschließen. Das ist das Wesen der Demokratie. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Neue Mehrheiten sollen in einer Demokratie selbstverständlich das Recht haben, anders zu gestalten, auch wenn mir persönlich die Richtung dann vielleicht nicht mehr passt. Die Koalition hat sehr wesentliche Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen. Dadurch wird für mich deutlich, dass es sich um eine Neuorganisation der Autobahnen handelt und nicht etwa um ein verstecktes Geschenk an Banken und Versicherungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die teilweise sehr lautstarken Warnungen vor einer Privatisierung öffentlichen Eigentums sind nach den Änderungen, die jetzt vorgenommen wurden, einfach nicht mehr sachgerecht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich bitte meine Fraktion um Verständnis, dass ich hier zu einer anderen Einschätzung gekommen bin. Aus Respekt vor der Mehrheit meiner Fraktion habe ich mich deswegen enthalten, auch wenn ich die Neuorganisation der Autobahnverwaltung befürworte. Ich danke allen, mit denen ich über viele Jahre an einem Konzept für eine Autobahngesellschaft gearbeitet habe. Die eigentliche Arbeit, werte Kolleginnen und Kollegen, fängt jetzt erst an. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich nutze die Gelegenheit des Beitrags von Frau Wilms, darauf hinzuweisen, dass hier an einem Beispiel mündlich verdeutlicht wird, wie schwierig der Abwägungsprozess für viele Kolleginnen und Kollegen an dieser oder an jener Stelle oder im Ganzen gewesen ist, und mache deswegen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass es außer dieser hier mündlich vorgetragenen Erklärung zur Abstimmung viele Dutzende ähnliche persönliche Erklärungen zur Abstimmung gibt, die erfreulicherweise nicht alle mündlich vorgetragen werden sollen und können, aber natürlich dem Protokoll beigefügt werden. Da ich nun schon die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen habe, brauchen wir keine Sitzungsunterbrechung. Das erweist sich als außerordentlich klug, weil wir so die Sitzung bei voller Präsenz fortsetzen können. – Ich trage jetzt der Reihe nach die Auszählungsergebnisse der vier namentlichen Abstimmungen zu den Änderungen der Grundgesetzartikel, die einzeln aufgerufen worden sind, vor. Wir kommen zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Artikel 1 Nummer 1 des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassung zum Artikel 90 des Grundgesetzes: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt 455, mit Nein haben gestimmt 146, Enthaltungen gab es 2. Damit ist der Artikel 90 des Grundgesetzes in dieser Fassung angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 455 nein: 146 enthalten: 2 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Bettina Hagedorn Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Joachim Poß Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Sonja Steffen Kerstin Tack Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Ute Vogt Dirk Vöpel Bernd Westphal Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Josef Göppel Dr. Norbert Lammert SPD Ingrid Arndt-Brauer Bettina Bähr-Losse Klaus Barthel Marco Bülow Dr. Ute Finckh-Krämer Angelika Glöckner Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Rita Hagl-Kehl Sebastian Hartmann Marcus Held Gustav Herzog Cansel Kiziltepe Hilde Mattheis Ulli Nissen Christian Petry Detlev Pilger Florian Post Gerold Reichenbach Ursula Schulte Ewald Schurer Andreas Schwarz Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Carsten Träger Rüdiger Veit Gabi Weber Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Enthalten SPD Martina Stamm-Fibich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Valerie Wilms Wir kommen zum Ergebnis der nächsten namentlichen Abstimmung zu Artikel 1 Nummer 5 des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassung zum Artikel 107 des Grundgesetzes: abgegebene Stimmen 601. Mit Ja haben gestimmt 536, mit Nein haben gestimmt 65, Enthaltungen gab es keine. Damit ist auch diese Änderung angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 601; davon ja: 536 nein: 65 enthalten: 0 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Josef Göppel Dr. Norbert Lammert SPD Ingrid Arndt-Brauer Uli Grötsch Rüdiger Veit BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Wir kommen zum Ergebnis der nächsten namentlichen Abstimmung zu Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzentwurfs, hier zum Artikel 125c Grundgesetz: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt 493, mit Nein 66, enthalten haben sich 57 Kollegen. Damit ist auch diese Änderung angenommen.8 Schließlich gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Artikel 1 Nummer 11 des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung, betrifft Artikel 143e Grundgesetz, bekannt: abgegebene Stimmen 604. Mit Ja haben gestimmt 456, mit Nein 145, Enthaltungen gab es 3. Auch diese Änderung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 455 nein: 145 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Bettina Hagedorn Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Joachim Poß Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Norbert Spinrath Svenja Stadler Sonja Steffen Kerstin Tack Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Ute Vogt Dirk Vöpel Bernd Westphal Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Josef Göppel Dr. Norbert Lammert SPD Ingrid Arndt-Brauer Bettina Bähr-Losse Klaus Barthel Angelika Glöckner Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Rita Hagl-Kehl Marcus Held Gustav Herzog Cansel Kiziltepe Hilde Mattheis Ulli Nissen Christian Petry Detlev Pilger Florian Post Gerold Reichenbach Ursula Schulte Ewald Schurer Andreas Schwarz Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Carsten Träger Rüdiger Veit Gabi Weber Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Enthalten SPD Marco Bülow Rainer Spiering Martina Stamm-Fibich Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich hatte schon angekündigt, dass zahlreiche persönliche Erklärungen zur Abstimmung vorliegen.9 Ich weise darauf hin, dass zur Annahme des Gesetzentwurfs die Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich ist; das sind mindestens 420 Stimmen. Dass wir mit dem gerade festgestellten Ergebnis in zweiter Lesung die vorgesehenen Änderungen angenommen haben, kann man sicherlich als allgemein so verstanden voraussetzen. Ich trage es aber noch einmal ausdrücklich vor: Nachdem also der Gesetzentwurf einschließlich der namentlichen Abstimmungen in zweiter Beratung angenommen ist, kommen wir nun zur Schlussabstimmung, für die eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich ist. Auch diese Abstimmung führen wir namentlich durch. Deswegen bitte ich wieder die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. – Bevor ich die Abstimmung eröffne, weise ich darauf hin, dass wir nach dieser namentlichen Abstimmung eine weitere namentliche Abstimmung haben, nur damit niemand meint, mit dieser Abstimmung seien die Geschäfte für heute abschließend geregelt. – Die Abstimmung ist eröffnet. Hat bei der Schlussabstimmung über die Grundgesetzänderungen jeder anwesende Kollege seine Stimmkarte abgegeben? – Ich sehe jedenfalls nirgendwo Bewegung oder Signale. Also schließe ich hiermit die achte namentliche Abstimmung.10 Ich unterbreche gleich die Sitzung für einen Augenblick, weil wir nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Schlussabstimmung noch über die damit verbundenen gesetzlichen Regelungen zum Finanzausgleichssystem ab dem Jahre 2020 zu befinden haben und es dazu einen Änderungsantrag gibt, für den namentliche Abstimmung beantragt ist. Wir werden also unmittelbar nach der unterbrochenen Sitzung und der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses eine weitere namentliche Abstimmung durchführen. Ich muss wegen zweier Zahlendreher das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte und bekanntgegebene Ergebnis der sechsten namentlichen Abstimmung korrigieren bzw. präzisieren – das war die Abstimmung, die den Artikel 125c des Grundgesetzes betrifft –: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt 483, mit Nein 66, und Enthaltungen gab es 54. Damit haben wir das jetzt hoffentlich korrekt im Protokoll. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 483 nein: 66 enthalten: 54 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Josef Göppel Dr. Norbert Lammert Martin Patzelt SPD Ingrid Arndt-Brauer Ursula Schulte Rüdiger Veit DIE LINKE Stefan Liebich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Enthalten SPD Gülistan Yüksel DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) Die Sitzung ist jetzt für wenige Minuten unterbrochen. (Unterbrechung von 12.56 bis 13.02 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes mit den mehrfach aufgerufenen einzelnen Artikeln bekannt: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt 455, mit Nein haben gestimmt 87, Enthaltungen gab es 61. Die für die Annahme erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages liegt bei 420 Stimmen.11 Damit ist die notwendige Mehrheit erreicht und sind diese Änderungen so beschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 455 nein: 87 enthalten: 61 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Bettina Hagedorn Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Joachim Poß Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Kerstin Tack Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Ute Vogt Dirk Vöpel Bernd Westphal Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Josef Göppel Dr. Norbert Lammert Martin Patzelt SPD Ingrid Arndt-Brauer Bettina Bähr-Losse Klaus Barthel Marco Bülow Dr. Ute Finckh-Krämer Angelika Glöckner Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Rita Hagl-Kehl Marcus Held Gustav Herzog Cansel Kiziltepe Hilde Mattheis Detlev Pilger Florian Post Gerold Reichenbach Ursula Schulte Ewald Schurer Andreas Schwarz Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Carsten Träger Rüdiger Veit Gabi Weber Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Uwe Kekeritz Enthalten CDU/CSU Veronika Bellmann SPD Sebastian Hartmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12598. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Ablehnung durch die Koalitionsfraktionen ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 9 b und damit zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahre 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12589, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11135 und 18/11185 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/12601 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmung verlangt. Also bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer noch einmal, ihre Plätze einzunehmen und mir ein Signal zu geben, sobald ich die Abstimmung eröffnen kann. – Sind alle Urnen ordentlich besetzt? – (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die stimmen da oben schon ab!) Na ja, das da hinten rechts ist eine nicht ganz geschäftsordnungsgerechte Selbstbedienungsaktion. Aber ich vermute, dass es zwei ordentliche Beobachter als Schriftführerinnen und Schriftführer von beiden Seiten des Hauses gibt und eröffne damit förmlich diese neunte namentliche Abstimmung. Vizepräsidentin Claudia Roth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt das Mikro und die Leitung übernommen. Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben? – Das sieht nicht so aus. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung, weise aber darauf hin, dass wir noch einige Abstimmungen zu diesem großen Themenkomplex haben. (Unterbrechung von 13.08 bis 13.15 Uhr) Vizepräsidentin Claudia Roth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Linken zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung bekannt: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 44 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein haben gestimmt 481. Enthalten haben sich 62. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 597; davon ja: 54 nein: 481 enthalten: 62 Ja DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten SPD Marco Bülow Ursula Schulte Gülistan Yüksel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf auf den Drucksachen 18/11135 und 18/11185 in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD. Dagegen war die Linke, und enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer möchte sich enthalten? – Der Gesetzentwurf ist angenommen mit Zustimmung von CDU/CSU und SPD, bei Ablehnung der Linken und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt 9 c. Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zum Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12588, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11165 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Dann gibt es keine Enthaltungen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Tagesordnungspunkt 9 d. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 18/12599. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6875 mit dem Titel „Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/7643 mit dem Titel „Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen war die Linke, enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5207 mit dem Titel „In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen war Bündnis 90/Die Grünen, enthalten hat sich die Linke. Zusatzpunkt 4. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12536, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10747 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), Brigitte Pothmer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Einwanderungsgesetzes Drucksache 18/11854 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 77 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Katrin Göring-Eckardt für Bündnis 90/Die Grünen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Deutschland will ein modernes Land sein und ein moderneres Land werden. Dafür braucht es jetzt ein Einwanderungsgesetz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD]) Dafür sind große und kleine Unternehmen sowie Wirtschaftsverbände. Dafür sprechen sich die Wissenschaft, Rentenexpertinnen und Rentenexperten sowie alle aus, die etwas von globalem Wettbewerb verstehen. Ein modernes Einwanderungsgesetz gibt uns in einer zusammenwachsenden Welt den entscheidenden Schub im Wettstreit um die besten Köpfe und die wichtigen Fachkräfte. Geben auch Sie sich endlich einen Ruck, und stimmen Sie unserem Entwurf eines Einwanderungsgesetzes zu! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So geht es – kurz zusammengefasst in kurzer Redezeit –: Erstens. Die Einwanderinnen und Einwanderer bewerben sich um eine Talentkarte für Deutschland. Zweitens. Sie durchlaufen ein Auswahlverfahren nach einem Punktesystem. Drittens. Sie reisen zur Jobsuche nach Deutschland, haben ein Jahr Zeit, eine qualifizierte Arbeit zu finden. Nein, in diesem Jahr werden sie nicht alimentiert. Vielmehr versuchen sie in diesem Jahr, selbst zurechtzukommen. Zu einem modernen Einwanderungsland gehört selbstverständlich dazu, dass man die Familie mitbringen kann. Sonst wird keiner einwandern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Warum brauchen wir ein solches Gesetz? Ganz einfach: Weil wir keines haben. Wir sind ein Einwanderungsland ohne Einwanderungsgesetz. Das muss sich ändern. Die Chance dazu haben Sie heute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Worte sind genug gewechselt. Hier ist die Tat. Wir legen einen ausformulierten Gesetzentwurf vor, und zwar hier im Deutschen Bundestag und nicht für die Presse. Schade, dass Herr Oppermann nicht anwesend ist; denn für ein Einwanderungsgesetz muss man nun nicht mehr nach Kanada fahren oder woanders hin, sondern das kann man heute und hier haben. Warum gibt es Änderungsbedarf? Wie ist die heutige Situation? Egal ob es sich um eine potenzielle Pflegerin bzw. einen Pfleger oder eine Java-Programmiererin handelt, beide brauchen bislang eigentlich einen deutschen Fachanwalt, um sich durch den Dschungel der Regelungen in Deutschland hindurchfinden zu können. Es gibt 48 unterschiedliche Regelungen. Ehrlich gesagt, ohne fachlichen und irgendwann ohne seelischen Beistand kommt man nicht über die zehnte Regelung hinaus. So halbherzig wird das nichts, nicht in dieser Zeit, in der andere Länder längst erkannt haben, wie notwendig Einwanderung ist und wie man es macht, nicht in dieser Zeit, in der es Länder gibt, in denen nicht so verdruckst getan wird, dass man könnte, aber nicht will. Wir haben Einwanderungsregelungen, die ausladen. Wir finden, wir brauchen Einwanderungsregelungen, die einladen, damit wir im Wettbewerb bestehen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Klar: Große Unternehmen werden ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Fachkräfte schon finden. Die kleinen Handwerksmeister, die einen Nachfolger suchen, haben aber keine Chance, in Vietnam ein Anwerbebüro zu gründen. Das ist das, was sich ändern muss. Was wir haben, ist schlicht eher eine Ausladung als eine Einladung. Was wir haben, das bedeutet immer, dass jemand, der sich überlegt, dass er seine Fachkraft, seine Ideen in einem anderen Land zur Verfügung stellt, relativ schnell von allen deutschen Websites weggehen wird und relativ schnell nach Neuseeland oder nach Australien gehen wird. Dort gibt es nämlich einfache Regelungen. Dort gibt es Klarheit. Dort gibt es keine sinnlose Bürokratie. Das sind genau die Länder, mit denen wir im Wettbewerb stehen. Deswegen sage ich Ihnen: Diese Änderung ist, auch wenn wir ökonomisch erfolgreich sein wollen, wenn wir Wachstum wollen, längst überfällig und längst notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man kann sich Ihre Bilanz einmal ganz kurz anschauen. 2015 waren gerade einmal 4 Prozent aller Zuziehenden Arbeitsmigranten. Nehmen Sie eine andere Zahl: 14 500 Fachkräfte erhielten in demselben Jahr die sogenannte Blaue Karte EU, und nur 40 Prozent davon waren auch tatsächlich eingewandert. Alle anderen haben nur ihren Aufenthaltsstatus verändert. So geht das nicht mit der Einwanderung. So geht das nicht in einem Land, das Fachkräfte braucht, in einem Land, das älter wird, in einem Land, in dem wir mehr Menschen brauchen, die auch tatsächlich in die Rentenkasse einzahlen. Sie haben heute die Chance, diesem Einwanderungsgesetz zuzustimmen, und Sie haben die Chance, damit auch eine Entscheidung zu treffen für mehr Integration. Wir brauchen mehr Fachkräfte angesichts der Anforderungen der globalisierten Welt, und wir brauchen auch – das ist mir wichtig – Nachhaltigkeit für die Herkunftsländer. Es kann nämlich nicht sein, dass in einem Land, in dem es nur noch ganz wenige Ärzte gibt, wir diejenigen auch noch abziehen. Dass auch dagegen etwas getan wird, können Sie mit Verabschiedung unseres Gesetzes bekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir über Integration reden, erlauben Sie mir eine Schlussbemerkung, eine Schlussbemerkung, die mit diesem Einwanderungsgesetz nichts zu tun hat, die mir aber heute Morgen hier wichtig ist. Sie können heute Morgen dafür stimmen, dass Einwanderung in diesem Land gelingt, weil wir Einwanderer brauchen. Heute Abend können Sie dafür stimmen, dass diejenigen, die unsere Hilfe brauchen, sie auch bekommen. Ringen Sie sich durch angesichts der 80 Toten, die es in diesen Tagen in Afghanistan gab, endlich zu einem Abschiebestopp zu kommen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ringen Sie sich durch, nicht weiter hochintegrierte Menschen aus diesem Land abzuschieben, und ringen Sie sich im Außenministerium endlich durch, eine neue Lagebeschreibung vorzunehmen! Das ist notwendig, das ist menschlich, und das ist zwingend, wenn es uns darum geht, wie wir in diesem Land zusammenleben wollen. Es kann nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler, dass sich die Zivilgesellschaft aufstellen muss, damit Sie das tun, was doch eigentlich selbstverständlich sein muss: niemanden abzuschieben in ein Land, das definitiv nicht sicher ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Katrin Göring-Eckardt. – Nächster Redner: für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Göring-Eckardt, ich bin immer wieder fasziniert von dem Glauben der Grünen, allein das Aufenthaltsrecht würde über die qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland entscheiden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man nicht zuhört, dann versteht man auch nichts, Herr Schröder!) Die Logik dahinter ist wohl: Wenn man nur einen Hammer hat, dann muss wohl jedes Problem ein Nagel sein. – Anders kann ich mir das nicht erklären. Kein Ingenieur und kein Informatiker macht seine Entscheidung, in Deutschland zu arbeiten, in erster Linie von den rechtlichen Regelungen des Aufenthaltsrechts abhängig. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Handwerkskammern! Fragen Sie mal die Wirtschaftsverbände!) Der Rechtsrahmen muss es ermöglichen; das ist völlig richtig. Aber entscheidend, ob eine hochqualifizierte Fachkraft nach Deutschland kommen will, sind die Lebensqualität, die Karrierechancen und vor allem natürlich die Verdienstmöglichkeiten, insbesondere die Höhe der Steuern und Abgaben. Auch die Sprachbarriere spielt selbstverständlich eine Rolle. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal mit den Wirtschaftsunternehmen geredet? Ich denke, Sie reden immer mit der Wirtschaft!) Das heißt, wenn wir für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland wirklich attraktiver werden wollen, dann brauchen wir niedrigere Steuern und Abgaben. Was wir nicht brauchen, das sind neue Einwanderungsgesetze. (Beifall bei der CDU/CSU) Nach den jüngsten Reformen des Zuwanderungsrechts ist die Bundesrepublik eines der ... Länder mit den geringsten Beschränkungen für die ... Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte. Das steht in meinem Redemanuskript, aber das steht vor allen Dingen auch im Wirtschaftsbericht der OECD aus dem Jahr 2014. Unabhängige Institutionen wie die OECD oder der Sachverständigenrat für Migration und Integration bestätigen Deutschland seit langem, eines der liberalsten und attraktivsten Rechtssysteme weltweit für die Arbeitsmigration vorzuhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Kurz: Das Aufenthaltsrecht ist nicht der Hemmschuh bei der qualifizierten Zuwanderung. Was wir nicht brauchen, ist ein neues Zuwanderungsrecht. Wir müssen darüber sprechen, was unser Zuwanderungsrecht alles ermöglicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Gehen Sie einmal auf die Website Ihres Ministeriums! Da fallen Sie vom Glauben ab!) Wir brauchen ein entsprechendes Marketing dafür; denn wir haben alle Möglichkeiten innerhalb unseres bestehenden Rechts. Hören Sie also bitte auf, ein erfolgreiches System mit neuen Gesetzesinitiativen zu verschlimmbessern! Unser Einwanderungsgesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, heißt „Aufenthaltsgesetz“. Die legale Zuwanderung nach Deutschland ist bereits ausführlich und ausgesprochen großzügig geregelt. Wer dennoch ein Einwanderungsgesetz fordert, muss sich ehrlich machen: Welche Zuwanderung zusätzlich, die bisher noch nicht geregelt ist, wollen wir in unserem Land möglich machen? Was soll dazukommen? Die Fraktion der Grünen hat in ihrer Initiative immerhin eine klare Antwort gegeben. Was Sie fordern, ist die ungehemmte Vermengung von Asyl und Arbeitsmigration. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus welcher Kiste haben Sie sich das geholt?) Ihr Gesetzentwurf ist ein Plädoyer für die ungesteuerte Einwanderung von Geringqualifizierten in die deutschen Sozialsysteme. Damit entlasten Sie gerade nicht im Hinblick auf den demografischen Wandel. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gauland!) Im Gegenteil: Sie verschärfen das demografische Problem, indem Sie noch mehr Unqualifizierte ins Land holen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, lesen Sie den Gesetzentwurf, bevor Sie reden, oder lassen Sie das bleiben?) Meine Damen und Herren, genauso problematisch sind Ihre Vorschläge, dass quasi jeder, der zu uns kommt, auch gleich die doppelte Staatsangehörigkeit erhalten soll. Haben Sie mitbekommen, dass das antidemokratische Referendum in der Türkei maßgeblich mit den Stimmen aus Deutschland entschieden wurde? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie eigentlich, dass die das waren? Vielleicht waren es die mit nur türkischem Pass!) Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit bestimmen über Demokratie und Rechtsstaat in anderen Staaten, obwohl sie deren Herrschaftsgewalt überhaupt nicht ausgesetzt sind, und das ist problematisch. Wir müssen vor diesem Hintergrund, nach den Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, nicht über eine Ausweitung der Mehrstaatigkeit nachdenken, sondern über deren Eindämmung. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist rückwärts!) Die Verleihung der Staatsangehörigkeit steht am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses. Sie soll den hier integrierten Menschen eine umfassende politische Teilhabe ermöglichen. Das Angebot zur Einbürgerung muss auch die Belange der Aufnahmegesellschaft berücksichtigen. Dafür ist eine bereits erfolgte erfolgreiche Integration zentral. Ihre Idee einer nahezu voraussetzungslosen Staatsangehörigkeit lehne ich daher mit Nachdruck ab. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quark!) Meine Damen und Herren, wenn wir bei der Zuwanderung von Fachkräften nachhaltig Erfolg haben wollen, müssen wir drei Punkte berücksichtigen. Erstens: die Steuerung von Zuwanderung. Arbeitsmigration und Asylrecht sind zu unterscheiden. Humanitär Schutzbedürftigen geben wir Asyl. Arbeitskräfte holen wir im Gegensatz dazu in geordnetem Verfahren nach unserem Bedarf ins Land, (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist doch Einwanderungsgesetz! Genau das wollen wir! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mal mit den kleinen und mittleren Unternehmen, die jemanden suchen!) so wie es alle modernen Einwanderungsländer tun. Die Vermengung von Asyl und Fachkräftezuwanderung halte ich persönlich wirklich auch für zynisch, und sie lädt – noch schlimmer – zu Asylmissbrauch ein. Spurwechsel und ähnliche Fehlanreize müssen wir ausdrücklich verhindern. Bestehende Durchbrechungen des Systems dürfen wir auf gar keinen Fall ausweiten, weil wir ansonsten unser Asylsystem untergraben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben echt Angst!) Zu einer gesteuerten Zuwanderungspolitik gehört ganz elementar auch die Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten. Beides geht Hand in Hand. Ihre Pläne, Aufenthaltstitel und sogar die Staatsangehörigkeit ausreisepflichtigen Geduldeten zu erteilen, wären für Deutschland ein gigantischer Pull-Faktor, und das hat mit Steuerung von Zuwanderung wirklich überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens. Die Zuwanderung muss dem Bedarf entsprechen. Wer mehr Arbeitskräfte ins Land holt, als von der Wirtschaft benötigt, leistet Lohndumping Vorschub. Genau das ist ja die Logik des Punktesystems. Das bedeutet: Ich hole einen Pool von Arbeitskräften ins Land, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dem Bedarf!) aus dem sich die Wirtschaft dann bedienen kann. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Billigsten!) Was ist aber dann mit denjenigen, die keinen Arbeitsplatz bekommen? In den klassischen Zuwanderungsländern wie Amerika schlafen diese Menschen unter der Brücke. Wir haben den Anspruch, jeden innerhalb unseres Sozialsystems entsprechend dem Grundsatz der sozialen Teilhabe zu unterstützen. Das heißt natürlich, dass die Länder mit einem solchen Punktesystem auch massiv die Zuwanderung in die Sozialsysteme verstärken. Ich verstehe wirklich nicht, warum gerade die Parteien links der Mitte innerhalb dieses Hauses ein solches System unterstützen. Das leuchtet mir einfach nicht ein. In Ländern wie Kanada, das Herr Oppermann ja so gerne besucht, ist ja deshalb auch die Zuwanderung ohne konkretes Jobangebot ausgeschlossen worden. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Der Kollege hat gesagt: „in Anlehnung an Kanada“!) Die haben es verstanden. Sie wollen jetzt genau das Gegenteil einführen. Meine Damen und Herren, von einem Punktesystem kann ich nur abraten. Es ist extrem bürokratisch mit sehr langen Verfahrensdauern und deckt gerade nicht den Bedarf ab. Im Übrigen: Länder wie Kanada, Australien oder Neuseeland, die Sie, Frau Göring-Eckardt, ja eben als positives Beispiel zitiert haben, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als Wettbewerber!) haben dieses Punktesystem gerade deshalb eingeführt, um die Zuwanderung einzuschränken, und nicht, um die Zuwanderung auszudehnen. Das System ist extrem bürokratisch. In Deutschland kann durch die Entbürokratisierung des Verfahrens ein Arbeitsvisum binnen weniger Wochen, zum Teil binnen zehn Tagen erteilt werden. In Kanada muss man hingegen selbst mit Jobangebot in der Regel sechs Monate auf ein Visum warten. Die Zuwanderer, aber auch die Wirtschaft würden sich bei Ihnen von den Grünen sehr herzlich für ein solches System bedanken. Drittens. Wir brauchen ein gutes Marketing der Möglichkeiten der Zuwanderung nach Deutschland. Das deutsche Zuwanderungsrecht ist enorm liberal. Unser unbürokratisches Verfahren für Fachkräfte funktioniert schnell und transparent. Über diese Erfolgsgeschichte sollten wir sprechen. Initiativen der Bundesregierung wie „Make it in Germany“ sind wichtige Bausteine auf diesem Weg. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie sich das mal durchgelesen?) Das reicht aber noch nicht aus. Meine Damen und Herren, ich weiß, dass einige hier das Einwanderungsgesetz als ihr Thema lieb gewonnen haben. Ich appelliere dennoch an Sie, von nationalen Alleingängen auf Kosten unserer Sozialsysteme Abstand zu nehmen. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Wir reden von Fachkräften, nicht vom Sozialsystem!) Wir haben ein gutes Aufenthaltsrecht, wir haben bereits ein Zuwanderungsrecht, das übrigens zu großen Teilen europäisch geregelt ist. Auch dazu würde mich einmal Ihre Stellungnahme interessieren. Wollen Sie wirklich einen deutschen Alleingang, oder wollen Sie das Ganze in das europäische Rechtssystem einbetten? Wir verhandeln ja gerade die neue Bluecard-Richtlinie auf europäischer Ebene. Ich meine: Wir sollten bei diesem bewährten System bleiben. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit der Anpassung. Da, wo es noch unbürokratischer geht, sollten wir daran arbeiten. Aber eine neue Seite im Bundesgesetzblatt mit der Überschrift „Einwanderungsgesetz“ löst nicht ein einziges Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Schröder. – Nächste Rednerin: Sevim Dağdelen für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Schröder, eines muss ich hier bezüglich Ihrer Rede schon sagen. Sie kritisieren das Abstimmungsverhalten hier lebender türkischer Wählerinnen und Wähler, die mehrheitlich dem Referendum Erdogans über eine Verfassungsänderung in der Türkei zugestimmt hätten. Daher wollten Sie keine doppelte Staatsbürgerschaft, darüber machen Sie eine Debatte auf. Ich frage mich: Warum wurde keine Debatte zur doppelten Staatsbürgerschaft aufgemacht bei den in Deutschland lebenden US-Amerikanern, die Trump gewählt haben, oder bei den Franzosen, die in Deutschland Le Pen gewählt haben? Diese Frage müssen Sie doch beantworten. Dass Sie die Wählerinnen und Wähler jetzt mit dem Staatsangehörigkeitsgesetz bestrafen wollen, halte ich für eine falsche Methode, weil das Abstimmungsverhalten vor allen Dingen eine Folge des Netzwerkes des türkischen Staatspräsidenten und seiner Partei hier in Deutschland ist, die diese Netzwerkarbeit auch mit der Förderung dieser Bundesregierung machen. Das ist doch das wahre Problem. Wenn Sie sagen, Sie sind gegen ein Einwanderungsgesetz und das Punktesystem, dann möchte ich Sie daran erinnern: Der Generalsekretär Ihrer Partei steht für ein Einwanderungsgesetz und auch für ein Punktesystem. Wir kennen diese Debatten, insofern können wir uns anschließen. Wir Linke lehnen ein solches Punktesystem ab. Aber ich bin einmal auf die Erklärungen Ihrer Unionskolleginnen und -kollegen bezüglich dieser Debatte gespannt. Der Gesetzentwurf, den die Grünen vorgelegt haben, ist aus unserer Sicht keine solide Integrationspolitik. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Punktesystem. Das ist der Kern Ihres Gesetzentwurfes. Das steht auch wortwörtlich in Ihrem Gesetzentwurf. Das ist nichts anderes als ein Ausländerauslesegesetz. Ihre Vorschläge zum Punktesystem und Auswahlverfahren für aufzunehmende Ausländer lesen sich aus unserer Sicht wie eine Regieanweisung aus den Castingshows von Privatfernsehen. Für die Erfüllung Ihrer Kriterien, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Bewerbungsverfahren ist es üblich, dass die Leute nach Eignung und Befähigung ausgewählt werden!) die Sie angeben – Hochschulabschluss, qualifizierte Berufsausbildung, möglichst in Mangelberufen, Berufserfahrung, trotzdem aber möglichst jung und wenn alt, dann nur diejenigen, die eine Rentenanwartschaft mitbringen, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist immer so!) Kenntnisse der deutschen Sprache –, gibt es jeweils eine bestimmte Punktzahl. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss sich Herr Schröder anhören!) Dann heißt es in Ihrem Gesetzentwurf wörtlich – ich zitiere –: Wer eine festgelegte Mindestpunktzahl erreicht hat, hat sich für die Einreise nach Deutschland qualifiziert. Aus diesem Pool der Bewerberinnen und Bewerber werden diejenigen mit der höchsten Punktzahl aufgenommen, bis die festgelegte Aufnahmezahl erreicht wird. Also diejenigen mit den meisten Fleißbienchen erhalten schließlich eine Aufenthaltserlaubnis. Sie nennen es „Talentkarte“. Das ist, meine Damen und Herren, keine soziale Politik. Das ist nur sozialdarwinistische Politik. Dieses Deutschland sucht den Superausländer und Germanys next Top-Immigrant. Das hätten sich Dieter Bohlen oder Heidi Klum nicht schlimmer ausdenken können. Wir jedenfalls lehnen ein solches Punktesystem ab. (Beifall bei der LINKEN) Wir lehnen es auch ab, weil sie beispielsweise in Ihrem Gesetzentwurf einen Fachkräftemangel in Deutschland unterstellen, den es so pauschal nicht gibt. Angesichts niedriger Löhne und schlechter Arbeitsbedingungen verlassen zunehmend Fachkräfte Deutschland. Rund 140 000 Auswanderer verlassen jedes Jahr Deutschland, vor allem junge und gut ausgebildete. Das hat mit der Politik am Arbeitsmarkt und mit der Lohnentwicklung der letzten Jahre zu tun. Also ist Deutschland mit dieser Politik eher zum Auswanderungsland gemacht geworden. Das ist die Realität. Ein Einwanderungsgesetz, das sich nach der Nützlichkeit der Menschen richtet, in der der einzelne Mensch als Ware ge- und behandelt wird, lehnen wir als Linke ab. Dieses Konzept widerspricht auch Artikel 1 Grundgesetz, in dem es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Beifall bei der LINKEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen stellen Sie als Mitarbeiter ein: Leute ohne Ausbildung?) Die Würde und nicht das Humankapital des Menschen ist unantastbar. Die Linke ist für eine solidarische Gesellschaft. Wir denken, Deutschland braucht kein Einwanderungsgesetz unter falscher Flagge, das den deutschen Unternehmen bessere Ausbeutungsbedingungen schaffen soll. Wir brauchen bessere Integration und qualifizierte Ausbildung. Unternehmen müssen in die Ausbildung hierzulande investieren, statt Fachkräfte aus ärmeren Ländern anzuwerben. Mit Ihrem Gesetz fördern Sie beispielsweise auch den Braindrain aus den Ländern des Südens. Sie ermuntern Gutausgebildete, ihre Heimat zu verlassen. Für die betroffenen Länder ist das verheerend. Das führt auch jede Art von solider und guter Entwicklungspolitik ad absurdum. Wir sind jederzeit bereit, die Verbesserungen im Aufenthaltsrecht mitzutragen. Bringen Sie die Vorschläge für eine erleichterte Einbürgerung und für die Verbesserung des Staatsangehörigkeitsgesetzes als Anträge einzeln ein. Denen werden wir immer zustimmen, keine Frage. Aber diese grüne Mogelpackung, die Sie vorgelegt haben, hat nichts mit dem Einwanderungsgesetz zu tun. Sie haben das Aufenthaltsrecht im Kern nicht angerührt. Sie bringen aber das Punktesystem ins Spiel, das von Teilen der CDU, der SPD, der Grünen, der FDP bis zur AfD gefordert wird. Das lehnen wir ab. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Sevim Dağdelen. – Nächster Redner: Sebastian Hartmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sebastian Hartmann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, herzlichen Dank für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer gerne!) Er eröffnet uns die Möglichkeit, eine qualifizierte Debatte darüber zu führen, wie wir Einwanderung in einem modernen Staat gestalten wollen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet auch einen einbringen können! Dann hätten wir auch darüber geredet!) So weit zum Guten. Wir werden uns mit dem Gesetzentwurf natürlich im Weiteren auseinandersetzen, und ich werde auch klar Stellung beziehen; aber ich möchte zunächst auf meine Vorrednerin von den Linken eingehen: Sie müssen hübsch aufpassen, wenn Sie uns vorwerfen, alles in einen Topf zu werfen, das aber selber machen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Ich gebe Ihnen ausdrücklich zu bedenken: Wenn Sie wieder alles in einen großen Topf packen, das Asylrecht, das humanitäre Recht und das Einwanderungsrecht, (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ist doch in dem Gesetz!) dann machen Sie den Fehler der Vergangenheit, den wir mit einem modernen Einwanderungsrecht eben abstellen wollen. Wir wollen vernünftige Regelungen für eine Einwanderung haben. (Beifall bei der SPD) Sie begehen noch einen zweiten Fehler – das ist Ihnen in Ihrer Argumentation wahrscheinlich gar nicht aufgefallen –: Im Zusammenhang mit dem Punktesystem werfen Sie den Arbeitgebern Sozialauslese und Sozialdarwinismus vor. Aber Sie haben sich durch einen Satz verraten. Sie haben gesagt: Damit fördern Sie die Ausbeutung anderer Arbeitnehmer, die dann Druck auf den deutschen Arbeitsmarkt auslösen. – Da ist das Problem: Sie organisieren die Angst in diesem Land, indem Sie sagen, dass jemand, der nach Deutschland einwandert, Druck auf den Arbeitsmarkt ausübt, indem er in die Sozialsysteme einwandert und Druck auf das Lohnsystem ausübt. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Quatsch! Das sagt Ihr Kanzlerkandidat! Hören Sie auf! Das ist doch gelogen von Ihnen!) Das ist das Problem der Linken. Sie bedienen das gleiche Klischee wie die von Ihnen kritisierte populistische Partei am rechten Rand. Sie bedienen das genauso. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sahra Wagenknecht ist dabei die Erste, zusammen mit ihrem Mann Oskar Lafontaine. (Zuruf der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE]) – Denken Sie doch einmal über das Argument nach. Denken Sie darüber nach, wie Sie argumentiert haben. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wir haben das gar nicht gesagt!) – Wenn Sie es nicht glauben, lesen Sie das im Protokoll nach. Sie haben das selbst gesagt. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wo haben wir das gesagt? Unehrlich von Ihnen!) Es gibt noch etwas, was man in dieser Debatte nicht tun sollte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Wir wollen über Einwanderung in einem modernen Staat reden. Über ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht haben wir Anfang dieser Legislaturperiode schon gesprochen. Wir haben uns auf die doppelte Staatsbürgerschaft verständigt. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das ist falsch!) Wir haben das Optionsmodell abgeschafft, weil wir den Loyalitätskonflikt auflösen wollten. Eröffnen Sie die Diskussion darüber bitte nicht erneut. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind froh über das Lohndumping! Sie machen die Agenda 2010!) Sie haben im Umfeld eines CDU-Bundesparteitags im Bruch mit der Linie Ihrer eigenen Kanzlerin Angela Merkel gesagt, dass Sie wegwollen vom Doppelpass. Wir haben im Koalitionsvertrag etwas viel Moderneres beschlossen. Heute haben Sie diesen Fehler erneut gemacht. Ich glaube nicht, dass Herr Staatssekretär Ole Schröder hier eine Stellungnahme der Bundesregierung vorgetragen hat, (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Parteitagsrede!) als er etwas zur Doppelstaatsbürgerschaft und den Problemen, die angeblich nur bei Deutsch-Türken auftreten, gesagt hat. Meine Damen und Herren, wenn der Brexit ein Erfolg für die Briten wird und zum Schaden für Europa und vieler Menschen, die in Britannien arbeiten, dann wird die doppelte Staatsangehörigkeit für Briten ganz besonders interessant. So einfach ist das nicht. Es geht nicht nur um Deutsch-Türken. Wer dann noch das Klischee bedient, dass Türken in Deutschland angeblich mal eben für Erdogan und seine Verschärfung der Verfassung gestimmt haben, der verfälscht die Zahlen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) In der Türkei haben 1,4 Millionen Menschen mehr für die Verfassungsänderung votiert. In Deutschland waren knapp 29 Prozent aller Deutsch-Türken in der Abstimmung dafür. 416 000 haben dafür gestimmt. Das heißt umgekehrt, fast 70 Prozent der hier in Deutschland lebenden Türken haben, obwohl sie wahlberechtigt waren, sich nicht in diesen Loyalitätskonflikt bringen lassen. Lassen Sie uns doch endlich anerkennen, dass viele Menschen sich positiv zu diesem Staat bekennen, egal welchen zweiten Pass sie haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann hätte man Wesentliches erreicht, was zu einem modernen Staat dazugehört. Deswegen ist die SPD in dieser Debatte sehr selbstbewusst. Ja, die Grünen haben jetzt einen Antrag eingebracht. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Gesetzentwurf!) Ja, die SPD hat auf einer Pressekonferenz im November gesagt: Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das sich an folgenden Kriterien orientiert: Erstens. Wir erkennen an, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist. Zweitens. Wir erkennen an, dass Einwanderung auf Basis eines Punktesystems, angelehnt an Kanada, eine echte Bereicherung für Deutschland und den Arbeitsmarkt sein kann, dass das eine echte wirtschaftliche Chance für dieses Land sein kann. Drittens. Wir wollen das ordnen und klar trennen (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!) von einem humanitären Recht und dem Asylrecht; denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, den internationalen Verträgen zur Geltung zu verhelfen. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Eindeutig! Klar!) Warum ist das Gesetz noch nicht beschlossen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger? Es gibt doch angeblich eine so progressive linke Mehrheit hier im Parlament, die von der CDU/CSU-Fraktion schon als Schreckgespenst an die Wand gemalt wurde. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: „Schreckgespenst“? Sie wollen Rot-Rot-Grün machen!) Das, was Sie gemacht haben, zeigt eines: Sie sind alleine, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen vom Koalitionspartner. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sehen wir bei jeder Landtagswahl!) Die Einzigen, die für Ihr Format eines Einwanderungs- oder Staatsangehörigkeitsrechts stimmen würden, werden möglicherweise gar nicht Mitglieder dieses Parlaments. Sollte eine andere, liberale Partei wieder in dieses Parlament einziehen, gäbe es sogar eine noch breitere Mehrheit für ein modernes Einwanderungsrecht. Das ist die Problematik, liebe Grüne: Sie können jetzt hier zwar ein Einwanderungsgesetz einbringen und dafür stimmen, aber es gibt dafür keine Mehrheit. Wir hätten uns hier auf eine andere, gesellschaftlich progressive Mehrheit verständigen können; aber Sie haben sich der Regierungsverantwortung verweigert, als es nach der Bundestagswahl 2013 darum ging, wer die Mehrheit hier im Bundestag und in diesem Land repräsentieren möchte. Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Dieser sah keine Reform des Einwanderungsrechts vor. Er sah aber die Abschaffung der Optionspflicht vor, was die doppelte Staatsbürgerschaft angeht. Daran halten wir uns. Wir bedauern sehr, dass unser Vorschlag eines Einwanderungsgesetzes, das im Wesentlichen ausformuliert ist und deutlich besser ist als das der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hier nicht – gemeinsam mit der Union – beschlossen werden kann. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Darüber wird am 24. September entschieden. Wir werden mutig dafür werben, werben, dass Deutschland als Einwanderungsland endlich auch ein modernes Einwanderungsrecht bekommt. Wir wollen die 50 Aufenthaltstitel, mit denen Einwanderung in Deutschland schon gelungen ist, endlich vernünftig ordnen, transparent und nachvollziehbar gestalten und Deutschland als modernen Staat in der Welt attraktiv machen. Lassen Sie uns doch dafür sorgen, dass Menschen, die hochqualifiziert sind, die aus beruflichen Gründen Interesse an Mobilität haben, nicht irgendwie auf ein Asyl oder ein humanitäres Recht angewiesen sind, indem wir ihnen in der Sache klarmachen: Es gibt eine Chance für dich in Deutschland, wenn du dich bewirbst, wenn du die entsprechenden Kriterien des Punktesystems erfüllst und wenn die Zuwanderung eine Bereicherung darstellt, und zwar für dich selbst als Person und für die aufnehmende Gesellschaft in Deutschland, die dann von der Einwanderung profitiert. – Denn wir haben doch die demografische Herausforderung, wir haben doch den Fachkräfteverlust, wir haben doch die Entwicklung, dass die Einwohnerzahlen in Deutschland zurückgehen. Wenn man diese Fakten anerkennt, dann müsste man doch zwangsläufig sofort das Einwanderungsgesetz beschließen, das die SPD vorgelegt hat – eine schlanke Lösung mit einer Punktesystematik, die an jene in Kanada angelehnt ist. Lassen Sie uns das tun. Wenn es nicht heute gelingt, dann werden wir es bei der Bundestagswahl zur Abstimmung stellen. Ich bin mir sicher: Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit, und es ist Zeit für ein modernes Einwanderungsrecht in Deutschland. Danke schön. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Sebastian Hartmann. – Nächster Redner: Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist doch fürwahr eine interessante Debattenlage: Staatssekretär Schröder spricht für die Bundesregierung und lehnt jegliche Änderungen am Einwanderungsrecht rundheraus ab; die SPD behauptet aber schlank und frei, sie würde dafür kämpfen. Sind Sie noch in dieser Koalition, oder ist es schon vorbei? Das ist doch wirklich mehr als kurios. (Sebastian Hartmann [SPD]: Wir zählen die Tage runter! – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ja, wir sind drin! Aber lesen Sie mal die Rede des Staatssekretärs! Die wollen das doch nicht!) Frau Präsidentin, könnten Sie für eine Beendigung der Aufregung sorgen? Ich habe zu wenig Redezeit. Vizepräsidentin Claudia Roth: Nein, Zwischenrufe sind hier schon erlaubt. Das machen Sie auch gern. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Debattenlage bei Herrn Schröder und Frau Dağdelen. Herr Schröder meint, jetzt komme die Zuwanderung in die Sozialsysteme, wir würden unqualifizierten Menschen hier eine neue Tür öffnen; (Sebastian Hartmann [SPD]: Schröder hat sich von der Kanzlerin abgegrenzt!) Frau Dağdelen beschimpft uns genau für das Gegenteil. Frau Dağdelen hat den Gesetzentwurf gelesen, aber die Problemlage unseres Landes nicht verstanden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) In der Tat ist es so, dass Deutschland Zuwanderung braucht. Schauen Sie sich die neuen Zahlen vom IAB an: Selbst wenn wir eine Nettozuwanderung von 200 000 Menschen im Jahr erreichen, geht das Arbeitskräfteangebot massiv zurück. 200 000 Zuwanderer netto – das ist eine stattliche Zahl, und das sollte man vernünftig steuern. Sie sehen doch anhand unseres Punktesystems, was die Voraussetzungen wären: Es geht um Qualifikation, es geht um soziale Aspekte, und es geht natürlich auch darum, wie integrationsfähig die Leute sind, was sie für sprachliche Vorkenntnisse haben, in der deutschen Sprache und in europäischen Sprachen. Natürlich sind das Auslesekriterien. Es geht hier nicht um Flucht; es geht um Arbeitskräftezuwanderung. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das sind zwei Paar Stiefel. Man muss es unterschiedlich regeln: Humanität ohne Obergrenze – (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ausgerechnet!) wer Schutz braucht, soll ihn kriegen –, aber bei der Arbeitskräftezuwanderung wählen wir natürlich aus. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ist das mit der SPD abgestimmt?) Das machen Sie doch selber in Ihrem Büro. Ist es ein Menschheitsverbrechen, wenn Sie in eine Ausschreibung reinschreiben, was für Qualifikationen man für eine Stelle braucht? Das ist die Logik der Arbeitskräftezuwanderung: nach Eignung und Befähigung, damit die Leute hier etwas beitragen können. Dafür schäme ich mich überhaupt nicht, obwohl ich an das Thema Menschenrechte sehr kompromisslos herangehe. Aber wie gesagt: Das sind zwei Paar Stiefel. Unser Vorschlag zu einem Einwanderungsgesetz beinhaltet nicht nur ein Punktesystem. Herr Hartmann, Sie sagen, Ihr Gesetzentwurf sei so toll. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat seinen Artikel über den Gesetzentwurf überschrieben mit – meines Erachtens zu Recht –: „Vorschlag zu einem Einwanderungsgesetz – Viel Lärm um wenig“. Sie haben ihn eben selber als schlank bezeichnet. Ich würde sagen: Er ist einfach sehr dürftig; denn es geht nicht nur um die formale Gestaltung einer neuen Tür, um regulierte Zuwanderung von qualifiziertem Personal, sondern es geht auch um attraktive Rahmenbedingungen, zum Beispiel den Familiennachzug für arbeitsuchende qualifizierte Zuwanderer, (Sebastian Hartmann [SPD]: Steht auch bei uns drin!) die Perspektive einer raschen Einbürgerung und Integrationsangebote und auch die Beseitigung von ideologischen und bürokratischen Regelungen, Stichwort: Spurwechsel. Es kann doch nicht sein, dass jemand, der bei uns ist, weil er einen Asylantrag gestellt hat oder geduldet ist, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, obwohl er die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Er muss erst das Land verlassen, um dann vom Ausland aus seine Wiedereinwanderung zu organisieren. Daran wollen Sie nichts ändern; das hat Herr Oppermann selber so gesagt. Damit springt der SPD-Entwurf entscheidend zu kurz. Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie an die Redezeit. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lassen Sie mich noch auf ein aktuelles Geschehnis eingehen, das herzzerreißend ist. Vizepräsidentin Claudia Roth: Kurz. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich meine das, was gestern in Kabul passiert ist. Hier geht es mir nicht um das Einwanderungsgesetz, sondern um das Thema Flucht. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Es gibt noch eine Debatte dazu!) Eines ist sicher: In Afghanistan ist nichts sicher. Wer jetzt nach Afghanistan abschiebt, der hat seine menschenrechtliche Verantwortung nicht verstanden. Ich hoffe, wir werden das heute Abend noch anders klären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Volker Beck. – Nächster Redner: Stephan Mayer für die CSU/CDU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Mir geht es genauso wie dem Kollegen Sebastian Hartmann: Ich bin dankbar, dass wir am Ende dieser Legislaturperiode diese Debatte zum Thema Zuwanderungsrecht führen. Aber, Herr Kollege Hartmann, die Gemeinsamkeit endet dann sehr schnell. (Lachen des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] – Dr. Karamba Diaby [SPD]: So schnell?) Auch mir geht es darum, mit Irrtümern aufzuräumen, vor allen Dingen mit Irrtümern, die bei der SPD-Fraktion angesiedelt sind. Der Irrtum Nummer eins ist: Deutschland braucht endlich ein Einwanderungsgesetz. – Das stimmt nicht. Wir haben ein Zuwanderungsrecht. Frau Kollegin Göring-Eckardt, Sie haben selbst darauf hingewiesen: Es gibt im deutschen Aufenthaltsgesetz 48 verschiedene Tatbestände, (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Intransparent und kompliziert!) nach denen man vollkommen legal aus dem nichteuropäischen Ausland nach Deutschland einreisen kann. Der Irrtum Nummer zwei: Deutschland braucht endlich ein völlig neues Einwanderungsgesetz. – Das stimmt nicht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Die OECD hat es uns 2014 ins Stammbuch geschrieben: Wir haben ein außerordentlich modernes und fortschrittliches Zuwanderungsrecht, eines der modernsten der Welt. Dieses moderne und fortschrittliche Zuwanderungsrecht führt jedes Jahr zu dem Ergebnis, dass Deutschland nach den USA die zweitgrößte Nettozuwanderung in der Welt hat. Wenn unser Zuwanderungsrecht so reaktionär, so überaltert und so rückschrittlich wäre, wie Sie das immer behaupten, dann möchte ich Sie fragen, wie es kommt, dass wir nach den USA Hauptzuwanderungsland auf unserem Globus sind. So schlecht kann es also nicht sein. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten die Frage bei meiner Rede stellen sollen, dann hätte ich sie beantwortet!) Ganz im Gegenteil: Wir haben zwar nicht das am einfachsten zu lesende, aber mit Sicherheit ein präzises und sehr modernes Zuwanderungsrecht. Was die Genehmigungen der Bluecard anbelangt: Wir erteilen 80 Prozent aller Bluecard-Genehmigungen in Europa; also vier von fünf Bluecards, die in Europa ausgereicht werden, werden von Deutschland ausgereicht. Es gab auch einen Anstieg zu verzeichnen: Im März 2015 gab es 22 000 Bluecard-Inhaber in Deutschland, im September 2016 gab es 31 000 Bluecard-Inhaber. Laut DAAD gibt es in Deutschland derzeit 320 000 ausländische Studenten, davon immerhin 180 000 aus dem nichteuropäischen Ausland. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Die bleiben aber nicht!) So schlecht kann unser Zuwanderungsrecht also auch für Studierende nicht sein, wenn immerhin 180 000 Studenten aus dem nichteuropäischen Ausland an deutschen Hochschulen studieren. Ende letzten Jahres gab es bei uns 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus den anderen EU-Ländern. Wir dürfen bei dem Thema Zuwanderungsrecht nicht außer Acht lassen, dass es daneben noch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union gibt. Sie hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass wir netto eine erhebliche Zunahme der Zuwanderung aus den anderen EU-Ländern zu verzeichnen hatten. So waren es im Jahr 2006 noch 770 000, im Jahr 2011 schon 915 000 und im Jahr 2016, im letzten Jahr, immerhin 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus der Europäischen Union. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiger Aspekt, den man erwähnen muss. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland, wie es die USA, Kanada oder Australien sind. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Schon wieder! Wir waren so weit!) Aber wir sind ein Land, das Zuwanderung benötigt; das möchte ich hier klar konstatieren. Wir erwarten aufgrund der demografischen Entwicklung einen deutlichen Rückgang der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter: bis 2030 einen Rückgang um ungefähr 6 Millionen auf dann nur noch knapp 44 Millionen und bis 2040 sogar einen Rückgang auf dann nur noch 40 Millionen. Deshalb brauchen wir Zuwanderung. Wir wollen – das ist der große Unterschied zu allen hier im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen – eine zielgerichtete, eine gesteuerte Zuwanderung. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist doch das Punktesystem! Genau das wollen wir!) Wir wollen, dass die nach Deutschland kommen, die der deutschen Wirtschaft einen Mehrwert bringen. Lieber Herr Kollege Beck, Sie sagen, dass wir auf die Wirtschaft schauen sollen und dass auch die Wirtschaft ein Punktesystem fordert. Das mag ja durchaus sein. Die Wirtschaft hat aber ein anderes Interesse als der Staat. Bei aller Sympathie und bei aller Offenheit gegenüber den Forderungen der Wirtschaft, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird aber die Arbeitgeberverbände freuen zu hören!) den Unternehmen geht es darum, dass sie aus einem möglichst großen Pool an nichteuropäischen Ausländern wählen können, wer für das Unternehmen gerade geeignet ist. Den Rest kippen sie uns dann vor die Sozialkassen. So kann es natürlich nicht gehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen eine gesteuerte, eine zielgerichtete Zuwanderung. Ich sage ganz offen: Es gibt aus meiner Sicht zwei entscheidende Paradigmen, an denen wir nicht rütteln dürfen. Paradigma Nummer eins ist, dass die Zuwanderung aus dem nichteuropäischen Ausland an den konkreten Nachweis eines Arbeitsplatzes gebunden ist. Das hat sich in Deutschland bewährt. Wer aus dem nichteuropäischen Ausland zum Zwecke der Arbeitsaufnahme nach Deutschland einreisen will, muss nachweisen, dass er einen Arbeitsplatz hat. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Mayer, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr gerne. Selbstverständlich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Gut. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe manchmal das Gefühl, wir debattieren hier Freestyle, also ohne Kenntnisnahme des zugrundeliegenden Gesetzentwurfes. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in unserem Punktesystem zur Zuwanderung geregelt ist, dass jemand, der zur Arbeitssuche hierherkommt, ein Jahr Zeit hat, sich eine Arbeit zu suchen, (Marian Wendt [CDU/CSU]: Auf welche Kosten lebt er denn da?) in der Zeit allerdings von Anfang an arbeiten darf, dass aber, wenn er seinen Lebensunterhalt durch Arbeit nicht verdient, die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird? Damit kübelt Ihnen niemand irgendjemanden vor die Sozialkassen. Dieses Bild finde ich übrigens ein bisschen schräg, wenn man über Menschen redet. Der Effekt ist ganz klar: Bleiben darf derjenige, der Arbeit gefunden hat, und nicht der, der keine findet. Deshalb gehen Ihre Ausführungen an dem Gesetzentwurf, den wir hier vorgelegt haben, völlig vorbei. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Mayer, bitte. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Kollege Beck, ich habe mir Ihren Gesetzentwurf sehr genau angesehen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesehen, aber nicht gelesen!) Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Ich halte überhaupt nichts von einem Punktesystem, auch nichts von dem Punktesystem, das Sie konkret vorschlagen. Sie sehen ja vor, dass jemand zum Zwecke der Arbeitsplatzsuche für ein Jahr nach Deutschland kommen darf. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Und muss sich selber unterhalten in der Zeit!) Das halte ich, um es klar zu sagen, für einen fatalen Fehler. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn was machen Sie, wenn er innerhalb eines Jahres keinen Arbeitsplatz findet? Wer bringt denn den wieder außer Landes? Das Unternehmen, bei dem er sich beworben hat, interessiert sich dafür überhaupt nicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dieser Logik dürften Sie auch keine Touristen ins Land lassen!) Das kanadische Modell wird ja immer so gelobt. Auch ich war in Kanada und habe es mir angesehen. In Kanada ist übrigens die Arbeitslosigkeit höher als in Deutschland. Der entscheidende Unterschied ist, dass Sie, wenn Sie eine gewisse Punktehürde überschritten haben, nach Kanada einreisen und sich dort einen Arbeitsplatz suchen dürfen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage! Sie haben offensichtlich keine Antwort auf meine Frage!) Wenn Sie keinen finden, dann ist das kanadische Sozialsystem für Sie zuständig. Das ist der entscheidende Unterschied. Wie gesagt, es gibt zwei entscheidende Paradigmen. An denen sollten wir partout nicht rütteln. Paradigma Nummer eins: Einreise nach Deutschland nur, wenn schon im Ausland ein konkreter Arbeitsplatz in Deutschland nachgewiesen werden kann. Wir wollen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und nicht in die Arbeitslosigkeit. Paradigma Nummer zwei: Wir müssen partout daran festhalten, dass die humanitäre Zuwanderung von der legalen Zuwanderung strikt getrennt wird. Diesen Spurwechsel, den Sie immer wieder propagieren, halte ich für grundlegend falsch, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leute aus dem Land schmeißen, damit sie wieder einreisen! Da freut sich nur die Lufthansa!) weil damit fatale Signale in die falsche Richtung gesendet werden. Es darf nicht sein, dass wir hier Dinge miteinander vermengen, die nichts miteinander zu tun haben. Die legale Zuwanderung ist ganz anders zu betrachten als die humanitäre Zuwanderung. Bei der humanitären Zuwanderung darf es, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nie um Nützlichkeitserwägungen gehen. Da darf es, mit Verlaub, nie darum gehen, ob jemand dem deutschen Arbeitsmarkt dient oder nicht. Bei der humanitären Zuwanderung darf es nur darum gehen, ob jemand schutzbedürftig ist, ob jemand an Leib und Leben bedroht ist, ob jemand politisch verfolgt ist. Bei der legalen Zuwanderung darf es hingegen sehr wohl um Nützlichkeitserwägungen gehen. Da darf es sehr wohl darum gehen, ob jemand so qualifiziert ist, dass er in Deutschland dringend gebraucht wird, weil es in Deutschland dafür keine Fachkräfte gibt. Diese beiden Stränge darf man aus meiner Sicht nicht miteinander vermengen. Aber sie würden vermengt werden, wenn man dem von den Grünen vorgeschlagenen Gesetzentwurf folgen würde. Herr Beck, ich möchte Ihnen den Gefallen tun, intensiver auf Ihren Gesetzentwurf einzugehen, weil er neben dem fehlerhaften Punktesystem weitere Irrtümer aufweist und vor allem falsche Signale in sich birgt. Sie propagieren eine deutliche Ausweitung des Familiennachzugs. Wir hatten gestern eine Debatte im Innenausschuss über das Thema Familiennachzug. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat uns darüber informiert, dass wir alleine in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme des Familiennachzugs nach Deutschland erlebt haben: im Jahr 2015  25 000 erteilte Visa zum Zwecke des Familiennachzugs, im letzten Jahr eine Verdoppelung, 50 000 erteilte Einreisevisa zum Zwecke des Familiennachzugs, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Angesichts der vielen Flüchtlinge, die wir aufgenommen haben, liegt das in der Natur der Sache!) und allein im ersten Quartal dieses Jahres 17 000. Wir können also davon ausgehen, dass wir in diesem Jahr noch einmal eine deutliche Zunahme des Familiennachzugs zu in Deutschland lebenden Flüchtlingen erleben werden. Auch hier ein klares Wort: Der Familiennachzug bedeutet, dass ungesteuert und unkontrolliert Zuwanderung nach Deutschland erfolgt. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat uns auch darüber informiert, dass er davon ausgeht, dass weitere 200 000 bis 300 000 Personen in den nächsten Monaten einen Antrag auf Erteilung eines Visums in Deutschland stellen werden. Und dieses Visum muss ihnen, wenn sie GFK-Flüchtlinge sind, also wenn sie Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind, erteilt werden. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Schämen Sie sich!) – Ich schäme mich nicht, sondern ich bin der festen Überzeugung, dass es im deutschen Interesse, (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie wollen sozial sein? Sie sollten sich schämen!) im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger ist, wenn wir darauf achten, dass der Familiennachzug nicht überhandnimmt. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Christlich ist das nicht! Ich bin entsetzt! – Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Gesetzentwurf der Grünen lese ich, dass Sie den Familiennachzug noch ausweiten wollen, von der Kernfamilie auf Großtanten und Großonkel. Das ist ein absolut falsches Signal. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Punkt, den ich hier auch ansprechen muss, ist, dass die Grünen zwei Dinge miteinander vermengen, nämlich das Zuwanderungsrecht, das Aufenthaltsrecht auf der einen Seite und das Staatsangehörigkeitsrecht auf der anderen Seite. Das hat nichts miteinander zu tun. Ich bin der festen Überzeugung: Wir brauchen klare Regeln, wer zu uns kommen darf und wer nicht zu uns kommen darf. Und ich bin auch der festen Überzeugung: Wir benötigen kein Einwanderungsgesetz, sondern wenn überhaupt, dann benötigen wir vielleicht ein leichter lesbares Einwanderungsbegrenzungs- und Einwanderungssteuerungsgesetz. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist Wahlkampfgetöse!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Stephan Mayer. – Nächste Rednerin: Ulla Jelpke für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass Deutschland seit vielen Jahren, Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist, das kann hier doch wirklich niemand bestreiten, lieber Kollege Mayer. Das muss endlich einmal respektiert und darf nicht immer wieder von rechts außen hier infrage gestellt werden. Richtig ist doch, dass wir über die Rechte von Einwanderern sprechen. Ich habe den Eindruck, dass Sie heute alles miteinander vermischen. Familienzusammenführung ist ein Grundrecht für geflüchtete Menschen, die hierherkommen. Aber auch für Menschen, die hier einwandern, muss es ganz klare Rechte für Familienzusammenführung geben. Natürlich gibt es hier Parallelen. Aber die Rechte müssen formuliert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihnen möchte ich sagen: Sie werfen gerade der Großen Koalition immer vor, Schnellschüsse zu machen. So wichtig ich diese Debatte finde, so muss ich mich aber ernsthaft fragen: Wie können wir eine solche Debatte in den zwei verbleibenden Sitzungswochen dieser Legislaturperiode noch führen, in denen nicht einmal mehr eine Anhörung möglich ist? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben doch schon vor anderthalb Jahren dazu Vorschläge gemacht!) Nein, ich finde, das ist wirklich Effekthascherei im Wahlkampf. (Beifall der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE]) Ich finde es voll daneben, jetzt mit einem solchen Gesetzentwurf zu kommen, der nicht mehr zu Ende beraten werden kann. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sebastian Hartmann [SPD]) Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf viele gute Forderungen stehen – das ist ohne Zweifel –, die auch die Linke teilt, angefangen bei der Frage der Staatsangehörigkeit, also dass man per Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt, über Erleichterungen bei der Vergabe der Staatsangehörigkeit bis zu den kürzeren Einbürgerungsfristen. Natürlich müssen auch die Menschen, die hier nur eine Duldung haben, zum Beispiel zum Zwecke der Ausbildung, eine Chance erhalten. Auch für sie muss geregelt werden, dass sie ihre Familien hierherholen können. Ich will auf zwei Punkte eingehen, die ich in diesem Gesetzentwurf für besonders kritisch halte und auf die Sie nicht eingehen. Meine Kollegin hat es schon gesagt, und Herr Mayer hat es eben hier sehr plastisch vorgeführt: Natürlich geht es hier um die Fragen: Wer darf kommen, und wer darf nicht kommen? Wer ist auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar und wer nicht? Das ist Ihr Grundansatz. Dass Sie das aber über ein Punktesystem regeln wollen, kritisieren wir. Sie müssen dann nämlich genau sagen, wer hereindarf und wer hinaussoll. Sie regeln zum Beispiel auch überhaupt nicht, was nach einem Jahr geschieht. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, das ist geregelt!) Nach einem Jahr sollen diese Menschen Arbeit haben, eine Wohnung haben, sollen sich hier in einer gewissen Weise integriert haben. Aber was ist dann? Was ist, wenn es schiefgeht und diese Menschen zum Beispiel ihren Arbeitsplatz verlieren? Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf keinerlei Regelung vorgesehen, ob diese Menschen zum Beispiel über das rigide Abschiebesystem, das wir gegenwärtig von der Großen Koalition beschert bekommen haben, wieder abgeschoben werden. Nichts! Das halte ich für ein ausgesprochen oberflächliches Herangehen. Ich sage hier ganz ehrlich: Auch in der Linken wird seit vielen Jahren über ein Zuwanderungs- oder, besser gesagt, ein Einwanderungsgesetz diskutiert. Aber genau diese Antwort muss man auch geben. Man kann hier nicht einfach so tun, als wenn man Einwanderung zulassen und Rechte verteilen wolle, und dann lässt man in der Konsequenz doch zu, dass Menschen auf brutale Art und Weise das Land wieder verlassen müssen. Deswegen sagt die Linke ganz klar und deutlich: Einwanderer brauchen Rechte. Wir brauchen ein sicheres Aufenthaltsrecht für sie und ihre Familien, demokratische und soziale Rechte müssen festgeschrieben werden. Wir würden da weit über ein Jahr hinausgehen. Es ist doch völliger Unsinn, das auf ein Jahr zu begrenzen. Auch im Interesse der Einheimischen will ich hier ganz deutlich sagen: Wenn diese Politik nicht mehr in Bildung und insgesamt in Integration investiert, dann haben wir Bildungslücken auch in der eigenen Bevölkerung. Qualifizierung für alle halten wir für besonders wichtig, damit es keine soziale Spaltung gibt, die, wenn es um die Einwanderungsfrage geht, insbesondere von der rechten Seite dieses Hauses immer wieder angeführt wird. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss möchte ich deutlich darauf hinweisen: Einwanderung darf nicht dazu führen, dass hier Billiglohnarbeiter und Lohndrücker beschäftigt werden. Einwanderer müssen genau wie alle anderen den garantierten Mindestlohn bekommen und die gleiche Förderung wie alle anderen auch. Auch das ist, finde ich, ein großes Problem in diesem Gesetzentwurf, in dem solche Fragen nicht beantwortet werden. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist alles geregelt!) Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Ulla Jelpke. – Der nächste Redner für die SPD-Fraktion: Dr. Karamba Diaby. (Beifall bei der SPD) Dr. Karamba Diaby (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende der 90er-Jahre gab es die unsägliche Kampagne des ehemaligen Ministerpräsidenten von Hessen, Roland Koch, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Kurz darauf habe ich mir gedacht: Ich muss jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, um vor allem die vollen Rechte zu bekommen. (Beifall bei der SPD) Leider musste ich dank der Union meinen senegalesischen Pass abgeben. Die Diskussionen, die damals geführt worden sind, waren ausgrenzend, und sie sind es bis heute. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Hört!) Deshalb finde ich es gut, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Entwurf eines Einwanderungsgesetzes für eine schnelle Einbürgerung bei Beibehaltung der Mehrstaatigkeit ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit haben Sie der Union zumindest eines voraus: Weitsicht. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den vergangenen Jahren habe ich regelmäßig Unternehmen in meinem Wahlkreis, in Halle an der Saale und Umgebung, besucht. Viele dieser Unternehmen beklagen den Fachkräftemangel. Deshalb wundere ich mich über die Darstellung, wir hätten keinen Fachkräftemangel. Ich weiß nicht, ob wir in zwei unterschiedlichen Ländern leben. Aber die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit sagen bis 2050 einen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials um 14 Millionen Menschen voraus. Das sind eindeutige Zahlen, die auch Ihnen bekannt sein müssten. Auch wenn jedes Jahr 200 000 Menschen nach Deutschland kämen, würde sich das Erwerbspersonenpotenzial bis 2030 um 3,6 Millionen Menschen verringern; auch das ist bekannt. Dies ist eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, auf die wir Antworten geben müssen. Diese Antworten müssen wir jetzt geben, nicht in 20 Jahren. (Beifall bei der SPD) Eine Antwort darauf ist aus unserer Sicht auf jeden Fall ein neues Einwanderungsgesetz. Unseren Gesetzentwurf dazu haben wir als SPD-Bundestagsfraktion – das wurde schon erwähnt – im November 2016 vorgelegt. Mit einem Einwanderungsgesetz schaffen wir Klarheit, wer aufgrund seiner Qualifikation nach Deutschland einwandern darf. Dabei möchte ich eine unserer geplanten Regelungen ganz besonders hervorheben: den neuen Fachkräftebegriff. Darunter fallen nicht nur Akademikerinnen und Akademiker, sondern zu dieser Gruppe gehören auch Absolventen einer beruflichen Qualifikation. (Beifall bei der SPD) Für beide Gruppen gelten die gleichen aufenthaltsrechtlichen Bedingungen. Sie können also entweder für ein Jahr zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen oder ein Aufenthaltsrecht zu Erwerbszwecken für die Dauer von drei Jahren erhalten. Das ist eine Neuheit. Dabei soll mit einem Punktesystem – in Anlehnung an das kanadische System – darüber entschieden werden, wer nach Deutschland kommen darf. Wer ein Arbeitsplatzangebot hat, hat grundsätzlich bessere Chancen. Bei diesem Punktesystem gibt es fünf Kriterien: Qualifikation, Jobangebot, Sprachkenntnisse, Alter und Integrationsaspekte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Einbürgerungen zu erleichtern, schneller einen Aufenthaltstitel zu erhalten und den Familiennachzug zu ermöglichen, das sind Ansätze der Grünen, die der aktuellen Situation gerecht werden und die auch wir unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt aber mindestens drei Punkte, Frau Göring-Eckardt, mit denen wir nicht einverstanden sind: Erstens geht es um den Spurwechsel. In der SPD-Bundestagsfraktion haben wir bewusst darauf verzichtet, das Einwanderungsgesetz mit einem humanitären Recht zu vermischen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Herr Castellucci feiert das überall!) – Das wollen wir nicht vermischen, Herr Beck. Wir sind der Meinung, dass wir das nicht machen dürfen, weil es gefährlich ist. Diese beiden Ebenen dürfen wir nie miteinander vermischen. (Beifall des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Der zweite Punkt, mit dem wir Probleme haben, meine Damen und Herren, ist die nicht vorhandene Mitwirkungspflicht des Deutschen Bundestages bei der Festlegung der Zahl der Visa. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich will nicht, dass der Deutsche Bundestag hier im Detail über Zahlen debattiert, aber er sollte als Verfassungsorgan zumindest irgendwie an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Das ist unser Vorschlag. (Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll er ja bei uns auch!) Der dritte Punkt ist das Arbeitsangebot. Für die SPD ist das ein wichtiges Kriterium, weil wir aus den Fehlern der Kanadier gelernt haben. In dem Entwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dazu aber nichts gesagt. Kanada hat sein System bereits vor langer Zeit angepasst und verlangt bei seinem zweitstufigen Punktesystem das Vorhandensein eines Arbeitsplatzangebotes. Das hat den Vorteil, dass die Menschen ab dem ersten Tag an der Gesellschaft teilhaben können. Deshalb ist das Arbeitsangebot auch im SPD-Entwurf ein wichtiges Kriterium, und das ist auch gut so. Aus diesen genannten Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind groß, und groß ist auch die Verantwortung, vor der wir gemeinsam stehen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir das wirklich einsehen. Heute ist leider nicht der Tag der Entscheidungen und auch nicht der Tag für ein rationalisiertes Heldentum. Den Tag für ein Einwanderungsgesetz – und zwar am besten für eines von der SPD – wird es wirklich nur mit einer anderen Mehrheit geben. Auf die arbeiten wir hin. (Beifall bei der SPD) Ich stimme Ihnen natürlich zu, wenn Sie sagen, dass die Notwendigkeit dafür besteht. Das sehen wir auch so. Die genannten Punkte, mit denen wir nicht einverstanden sind, haben Sie aber zur Kenntnis genommen. Ich wünsche mir eine breite gesellschaftliche Diskussion über ein modernes Einwanderungsgesetz für Deutschland. Danke schön. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Karamba Diaby. – Nächste Rednerin: Brigitte Pothmer für Bündnis 90/Die Grünen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, sprechen Sie eigentlich manchmal auch mit Ihren Arbeitsmarktexperten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Nein, das machen sie nicht!) Wenn das so wäre, dann wüssten Sie ein bisschen genauer darüber Bescheid, was auf dem deutschen Arbeitsmarkt eigentlich los ist. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir wissen besser Bescheid!) Der Fachkräftemangel droht zur stärksten Wachstumsbremse in Deutschland zu werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!) Die Zahl der offenen Stellen nimmt Monat für Monat zu. Inzwischen sind es über 1 Million offene Stellen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das haben wir schon anders erlebt! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist doch positiv! Unter Rot-Grün war das anders!) Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter den Folgen. Sie können wegen der fehlenden Fachkräfte teilweise keine Aufträge mehr annehmen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wer?) Dem Mittelstand entgehen somit jährlich 50 Milliarden Euro. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass wir bis zum Jahr 2030  3,6 Millionen Erwerbspersonen weniger haben werden. Meine Damen und Herren von der Union, ich finde, darauf müssen Sie endlich auch einmal eine Antwort geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich sage hier ganz deutlich: Wir dürfen das heimische Potenzial nicht gegen die Zuwanderung ausspielen. Wir brauchen beides. Wir brauchen auch die Investitionen in Arbeitslose, damit auch für sie der Fachkräftemangel zur Chance wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, die Rente mit 63 war nun wahrlich kein Beitrag zur Fachkräftesicherung. Dadurch sind uns über eine halbe Million Fachkräfte verloren gegangen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Sagen Sie das zu einem Bäcker! Das ist ein Skandal!) Die Tatsache, dass Sie es nicht hinbekommen haben, das Recht auf Rückkehr in Vollzeit tatsächlich durchzusetzen, führt daneben dazu, dass die Frauen, die wir dringend auf dem Arbeitsmarkt brauchen, in der Teilzeitfalle festsitzen. Ich sage hier auch ganz deutlich: Selbst wenn wir jeden dieser Fehler korrigieren und das heimische Potenzial optimal nutzen, werden wir Zuwanderung brauchen, und zwar in einer riesigen Dimension von mindestens 200 000 im Jahr. Herr Staatssekretär Schröder, ich möchte Ihnen jetzt einmal sagen, was das Zuwanderungssystem, das von Ihnen als so erfolgreich dargestellt wurde, tatsächlich für Deutschland bringt: Im Jahr 2015 sind über die unterschiedlichen Aufenthaltstitel, die wir in Deutschland haben, 82 000 Menschen nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. 200 000 gegen 82 000: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union, selbst Ihnen müsste auffallen, dass die Dimension des Problems und die Dimension der Lösung, die Sie anbieten, überhaupt nicht zusammenpassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ich glaube, die drei Minuten sind um!) Nein, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, weil wir ein Einwanderungsland sind. Ich bitte Sie dringend: Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab, Herr Mayer. (Nina Warken [CDU/CSU]: Bitte nicht! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Herr Mayer hat keine Scheuklappen! – Gegenruf des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wie man unschwer sieht!) Bekennen auch Sie sich nun endlich zu Deutschland als Einwanderungsland. Ansonsten laufen Sie Gefahr, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, die sich so gerne als Freunde der Wirtschaft begreifen, dass gerade Sie dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet wird. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Brigitte Pothmer. – Nächster Redner: Wolfgang FC Bosbach. (Beifall bei der CDU/CSU) Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man der untergehenden Sonne entgegenreitet und wenige Tage vor dem 65. Geburtstag steht, wird man altersmilde. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Man sieht es Ihnen nicht an! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Enttäusch uns nicht!) Deswegen versuche ich, meine Rede jetzt einmal ohne jede Süffisanz und Ironie zu halten, nämlich ganz sachlich. Ich möchte zunächst einmal zwei Pluspunkte verteilen. Frau Pothmer, ein Pluspunkt geht an Sie: Ich finde es toll, wie Sie die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün geschildert haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Die Reformen haben wir angestoßen!) Wie gut, dass damals die Union politische Verantwortung übernommen hat. Der zweite Pluspunkt geht an die ganze Fraktion der Grünen; denn Sie machen sich ehrlich. Das finde ich gut. Sie täuschen gar nicht vor, dass das Ziel dieses Gesetzentwurfes eine Reduzierung der Zuwanderung sei. Sie sagen die Wahrheit: (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Wir wollen mehr Zuwanderung. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen schrumpfen!) Dann haben wir auch eine politische Alternative bei der Bundestagswahl: Wer das richtig findet, wird dem zustimmen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Wir brauchen Zuwanderung!) Wer für Steuerung und Begrenzung ist, wird das ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuerung ist bei uns genauso drin!) Immer hart am Text: „Das geltende deutsche Einwanderungsrecht ist kompliziert ...“ Das stimmt. Wir haben ein relativ kompliziertes Recht, was allerdings im Vergleich zum Steuerrecht an Einfachheit kaum zu überbieten ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) „Aufwändig“ ist es auch, weil wir ein differenziertes Recht haben. Aber ist es wirklich so „unattraktiv“, wenn 85 Prozent der EU-Bluecards für Deutschland erteilt werden und wenn uns die OECD erst vor wenigen Jahren ausdrücklich für unsere Regelungen gelobt hat? Es ist interessant, wie das geltende Recht niedergemacht wird. Im Gesetzentwurf steht hinter dem Namen von Frau Göring-Eckardt der von Volker Beck. Gucken wir uns doch einmal an, was Volker Beck gesagt hat, als das Gesetz, das er gerade niedergemacht hat, im Deutschen Bundestag beraten wurde. Ich zitiere den Kollegen Beck: Wir steuern mit diesem Gesetz erstmals die Zuwanderung nach den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes und sorgen dafür, dass die Leute, die wir brauchen, auch zu uns kommen können und attraktive Rahmenbedingungen vorfinden. Ich zitiere weiter: Das leistet das Zuwanderungsgesetz. Mit diesem Gesetzentwurf wird durch die Steuerung der Zuwanderung dem nationalen Bedarf an Arbeitskräften Rechnung getragen. Sie schreiben jetzt in dem Gesetzentwurf genau das Gegenteil von dem, was Sie an dieser Stelle bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfes verkündet haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Noch zwei kurze Anmerkungen: In dem Gesetzentwurf steht, dass „Deutschland in Zukunft auf die kontinuierliche Einwanderung angewiesen“ sein wird. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!) Da fehlt mir das Wörtchen „auch“: „auch auf Einwanderung“ – hoffentlich nicht nur. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht auch „nicht nur“!) Ich komme Ihnen sogar entgegen und sage: Wir würden einen großen Fehler machen, wenn sich Deutschland am weltweiten Wettlauf um die klügsten Köpfe nicht beteiligen würde. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den machen Sie! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber vorhin schon zugehört, was ich gesagt habe?) Aber dass wir uns bei der Beseitigung des Fachkräftemangels nur auf Zuwanderung verlassen sollen, greift mir zu kurz. Ich zitiere aus einer E-Mail vom 25. Mai 2017: Ich war Controller in einem DAX 30 Konzern ... Jetzt, nach über 200 (!!!!) Bewerbungen und Absagen sind wir „ernüchtert“. Wie kann es sein, dass man, bei dem immer wieder zitierten Facharbeitermangel, keine Arbeit findet? (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja!) An meiner Qualifizierung kann es wohl eher nicht liegen. Also dann wohl an meinem Alter (52). (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Wenn es nicht aufhört, dass wir älteren Arbeitslosen permanent keine Chance mehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt geben, muss bei mir niemand nach mehr Zuwanderung rufen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Bosbach, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Göring-Eckardt? Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Ja, klar. Vizepräsidentin Claudia Roth: Bitte. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bosbach, ich weiß nicht, ob Sie vorhin schon anwesend waren, als ich den Gesetzentwurf eingebracht habe. Da habe ich sehr deutlich gesagt: Wir brauchen noch andere Maßnahmen, zum Beispiel in der Bildung. Wir brauchen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Thema Frühverrentung – darauf hatte Frau Pothmer hingewiesen –, und wir brauchen natürlich auch Maßnahmen, die es Menschen, die heute nicht mehr im Arbeitsmarkt sind, ermöglichen, wieder in Arbeit zu kommen. Wir nehmen das gerne in die Begründung des Gesetzentwurfs auf. Darin geht es schließlich nicht nur um Einwanderung, sondern auch um Qualifizierung, Schulabbrecher etc. Das können wir gerne machen, und ich gehe davon aus, dass Sie dann zustimmen. Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Es geht mir um den Text, so wie Sie ihn vorgelegt haben. Darin ist von all dem überhaupt keine Rede. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es da nicht um Einwanderung geht, Herr Bosbach? Na klar!) Wir vernageln seit Jahrzehnten Zehntausenden jungen Menschen den Zugang zu unseren Universitäten, weil sie ihr Wunschstudium nicht aufnehmen können. Wir geben ihnen das Zeugnis der Hochschulreife, verweisen aber gleichzeitig auf den Numerus clausus. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die sollen ja nicht einwandern! Die sind ja schon da!) – Frau Göring-Eckardt, ich habe Ihnen zugehört, und jetzt müssen Sie mir tapfer zuhören. – (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt mir schwer!) Lasst uns doch erst einmal in unserem Land für die, die schon hier sind, die Hürden beseitigen, ohne dass wir auf noch mehr Zuwanderung setzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch die ewigen Vergleiche mit Kanada und den USA hinken vorne und hinten. Kanada hat ein Nachbarland, bei großzügiger Betrachtung mit Grönland/Dänemark anderthalb. Da gibt es überhaupt keine Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die USA haben zwei Nachbarn: Kanada und Mexiko. Wir haben neun Nachbarn. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und 27-mal Freizügigkeit!) Keiner in Westeuropa hat mehr Nachbarn als wir. 27 Länder in der Europäischen Union haben freien Zugang zu unserem Arbeitsmarkt: ein Raum mit 550 Millionen Menschen. Glauben Sie ernsthaft, die USA und Kanada hätten ein solches Recht, wenn 27 Staaten der Erde freien Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt hätten? (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nie im Leben!) Nein, sie hätten das nicht. Die Binnenmigration in der Europäischen Union blenden Sie völlig aus. Im Übrigen – das ist ganz ernst gemeint –: Koppeln Sie nicht die Zuwanderung vom Nachweis eines Arbeitsplatzes ab! Diese Kombination sollten wir unter allen Umständen beibehalten, auch wenn Frau Göring-Eckardt vor einiger Zeit im Morgenmagazin gesagt hat, dass „wir Menschen brauchen, die in unserem Sozialsystem zu Hause sind“. (Lachen bei der CDU/CSU) Wir haben keinen Mangel an Zuwanderung, sondern wir haben einen Mangel an Integration. Wir müssen die Menschen befähigen, ihren Lebensunterhalt durch eigene Hände Arbeit zu verdienen, und wir dürfen keine weitere Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme fördern. (Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt zum Beispiel in die Rentenkasse einzahlen! „In unserem Sozialsystem zu Hause sein“ heißt in die Rentenkasse einzahlen! Einmal nachdenken!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Bosbach, ich habe noch eine Wortmeldung von Frau Pothmer. Sind Sie bereit, diese zuzulassen? Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Ja, klar. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bosbach, die Altersmilde, die Sie für sich in Anspruch genommen haben, nehme ich auch für mich in Anspruch. Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Da haben Sie aber noch 20 Jahre Zeit, wenn ich das sagen darf. (Heiterkeit) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können ja sogar charmant sein. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Weil Sie kein Arbeitsmarktexperte, sondern Innenpolitiker sind, Herr Bosbach, möchte ich Sie unterstützen und Ihnen zur Kenntnis geben, dass die Binnenzuwanderung aus der Europäischen Union bereits abgenommen hat und weiter abnehmen wird. Das hängt erstens damit zusammen, dass sich Gott sei Dank die Lage insbesondere in den südlichen Ländern Europas deutlich verbessert und deswegen dort auch wieder Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Zweitens hängt es damit zusammen, dass die Löhne insbesondere in den osteuropäischen Ländern in der letzten Zeit deutlich gestiegen sind. Die Menschen gehen in ihre Herkunftsländer zurück. Das ist übrigens auch das Ziel. Es geht zunehmend um zirkuläre Migration; es ist nicht mehr so, dass Leute einmal ihr Land verlassen, in ein anderes Land gehen und dort dauerhaft bleiben. Das kommt vor, ist aber überwiegend nicht mehr der Fall. Der Entwurf eines Einwanderungsgesetzes, wie wir ihn heute vorgelegt haben, reflektiert genau diese Fakten auf dem deutschen und dem europäischen Arbeitsmarkt. Ich möchte nicht, dass Sie das Pult verlassen, ohne das zu wissen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Bosbach. Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Ja, jetzt warte ich noch auf die Frage. Sie haben eine Zwischenfrage angemeldet, kein Zwischenreferat. Vizepräsidentin Claudia Roth: Es gilt laut Geschäftsordnung: Frage oder Bemerkung. Das war schon korrekt. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie sich jetzt auf die Geschäftsordnung berufen, Herr Bosbach!) Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Trotzdem bleibt richtig, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass es um völlig verschiedene Sachverhalte geht: Auf der einen Seite geht es um ein Mitgliedsland der Europäischen Union mit Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit für die Unternehmen, und auf der anderen Seite geht es um Amerika und Kanada, wo es diesen freien Zugang auf den Arbeitsmarkt überhaupt nicht gibt. Ich habe einmal eine junge Sportwissenschaftlerin auf ihrem mühsamen Weg nach Kanada begleitet. Es klingt jetzt etwas härter, als es gemeint ist: Vom kanadischen Einwanderungsrecht sind insbesondere die begeistert, die noch nie Gelegenheit hatten, sich mit ihm näher zu beschäftigen. Das ist viel komplizierter, als landläufig vermutet wird. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Viel strenger!) Ich darf mich für 23 tolle Jahre bedanken. Es war eine tolle Zeit. Ich habe fraktionsübergreifend viele nette Menschen kennengelernt. Viele werde ich vermissen, sogar Claudia Roth irgendwie. (Heiterkeit im ganzen Hause) Vizepräsidentin Claudia Roth: Was heißt denn hier „sogar“? Wir streiten uns auf dem Platz wieder. Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Während meiner Rede habe ich überlegt, ob es einmal eine Situation gab, wo wir zwei politisch einer Meinung waren. Ich kann mich im Moment nicht daran erinnern. (Heiterkeit im ganzen Hause) Aber menschlich ist Claudia Roth eine Granate. Und sie ist kompetent. Sie hat Ahnung vom Fußball. (Heiterkeit im ganzen Hause) Da spielt sie in einer Liga mit Dirk Fischer, Franz Josef Jung und anderen. Wir haben uns eigentlich schon seit 20 Jahren vorgenommen, einmal ein Spiel Köln gegen Augsburg zu besuchen. Vielleicht schaffen wir das. Am Ende, nach dem Schlusspfiff, werde ich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags über das vermutete Ergebnis hinwegtrösten. Ich habe, wie bereits gesagt, fraktionsübergreifend tolle Menschen kennengelernt. Ich weiß jetzt nicht, Burkhard, ob ich deine Karriere ruiniere, wenn ich sage: Es war ein Vergnügen, mit dir zusammenzuarbeiten. – Euch allen wünsche ich für die Zeit, die kommt, bei aller Härte der Auseinandersetzung im Wahlkampf: Geht immer ordentlich miteinander um. Danke. (Anhaltender Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Claudia Roth: Lieber Wolfgang Bosbach, es gibt wirklich Persönlichkeiten, die diesem Haus ein Gesicht gegeben haben. Ich glaube, Sie gehören – mit Ihrer milden Härte und Ihrer herzenswarmen Gnadenlosigkeit – unzweifelhaft dazu. (Heiterkeit) Ich nehme die Einladung gerne an. Erst einmal spielt der FC europäisch. Ich freue mich darüber sehr und hoffe, dass er nicht das gleiche Schicksal wie Augsburg erleidet: Wir wären fast abgestiegen, als wir kurzzeitig europäisch spielten. Ich wünsche Ihnen von Herzen im Namen des ganzen Hauses eine gute Zeit. Ich wünsche, dass Sie weiterhin Ihre Leichtigkeit und Lebenslust beibehalten. Und ich wünsche Ihnen noch ein sehr genussvolles Leben. Alles Gute! (Beifall) Der nächste Redner in dieser lebendigen und streitbaren Debatte ist Dr. Hans-Joachim Schabedoth für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bosbach, Sie waren natürlich immer ein wertvoller Streitpartner. Wir werden Sie im Bundestag vermissen. Aber wie wir Sie alle kennen, werden Sie sicher öfter einmal die Gelegenheit finden, im Fernsehen aufzutreten. Dann können wir Ihnen ja schreiben. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Asyl ist für Menschen, die uns brauchen. Einwanderung ist für Menschen, die wir brauchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so hat es einst Bundespräsident Richard von Weizsäcker ausgedrückt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf) – Es ist schön, wenn er von verschiedenen Seiten zitiert wird. Diese Erkenntnis, die ja offensichtlich viele teilen, ist nun schon viele Jahre alt. Alle, die sich heute mit dem Thema Einwanderung beschäftigen, wissen: Wir müssen zwischen Geflüchteten und Einwanderungswilligen differenzieren. Wenn Sie nicht buhen, sondern das abnicken, dann hat das Konsequenzen. Asyl ist und bleibt ein in Deutschland von der Verfassung geschütztes Recht. Dieses Recht kennt keine Obergrenze. Doch eine Zuwanderung nach Gutdünken darf es nicht geben. Um es klar und deutlich zu sagen: Einen universellen Anspruch, nach Deutschland zu kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, gibt es nicht. Es sollte ihn auch weiterhin nicht geben. Trotzdem gibt es viele gute Gründe, Menschen einzuladen, nach Deutschland zu kommen, nicht nur als Besucher, sondern mit der Perspektive, unsere Arbeitskollegen, unsere Nachbarn und unsere Mitbürger zu werden; denn ein Land mit unserer demografischen Schieflage ist auf Einwanderung angewiesen. Trotz aller Produktivitätsfortschritte durch die Digitalisierung und des damit überflüssig gemachten Arbeitskräftepotenzials droht jetzt und in Zukunft in vielen Branchen ein Fachkräftemangel; dieser wird noch massiver. Die Einwanderung von Fachkräften und Ausbildungswilligen kann deshalb ein Teil der Problemlösung sein. Doch dazu – damit komme ich auf meine Eingangsbemerkungen zurück – brauchen wir Regeln. Ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild ist vielleicht eine Möglichkeit. Die SPD hat das in ihrem Entwurf aus dem letzten Jahr ausgeführt. Die Grünen haben daran angedockt. Aber klar ist: Einwanderung wird an klare Voraussetzungen gebunden. Begünstigt ist, wer jung ist, über Sprachkenntnisse verfügt, eine Ausbildung in einem Mangelberuf besitzt oder sogar schon einen Arbeitsvertrag mitbringt. Das bislang höchst unübersichtliche Regelwerk, auf das viele verwiesen haben – von rund 40 Regeln ist die Rede –, braucht endlich klar vermittelbare Strukturen und eine einheitliche Zusammenfassung. Herr Schröder, stellen Sie sich einmal vor, dass Sie nicht Mitglied einer Regierungsmannschaft sind, sondern ein gut ausgebildeter IT-Spezialist, der sich den Arbeitgeber und das Zielland aussuchen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dann ausgerechnet das Land wählen, das die größten bürokratischen Hürden aufstellt. Erst recht können wir uns nicht vorstellen, dass Einwanderungswillige und ihre Familien unser Land wählen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie hier nur Bürger zweiter Klasse sind. In vielen Gesprächen, die ich vor allem mit Vertretern von Start-ups geführt habe, wurde immer wieder über die Vielzahl der bürokratischen Hürden in Deutschland geklagt. Ich bin sicher, dass ich solche Gespräche nicht exklusiv geführt habe, sondern dass Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Auf diese Klagen muss man doch antworten. (Beifall bei der SPD) Unternehmen, die sich für Arbeitskräfte aus Drittstaaten öffnen wollen – und zwar nicht deshalb, weil sie diese besser ausbeuten können als deutsche –, müssen wir doch verlässliche Einwanderungsregeln geben. Doch auch Geflüchtete – das ist der andere Aspekt, der immer zu kurz kommt –, die bereits in Deutschland sind, sollten eine Einwanderungschance nutzen dürfen. Viele sind bei uns heimisch geworden. Sie möchten auch dann nicht mehr in ihr erstes Heimatland zurückkehren, wenn es gelingen würde, die Fluchtursachen zu beseitigen. Was sollen wir mit diesen Menschen machen? Warum sollten wir ihnen Chancen prinzipiell verwehren? Auch wer im Rahmen der Drei-plus-zwei-Regelung eine Ausbildung bei uns absolviert hat, sollte eine Anschlussperspektive erhalten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Außerdem sollte eine fest definierte Zahl junger Menschen, die willens und in der Lage sind, eine Berufsausbildung in Deutschland zu absolvieren, eine Einwanderungschance bekommen, ohne dass sie dabei auf Schlepperdienste angewiesen sind, ihr Vermögen oder sogar ihr Leben aufs Spiel setzen müssen. Dafür brauchen wir doch eine Alternative. Förderliche Kriterien sind natürlich Schulbildung, Deutschkenntnisse, die Bereitschaft zur Ausbildung in einem Mangelberuf. Aber was ist denn mit denen, die sagen – das haben wir in unseren Gesetzentwürfen noch nicht berücksichtigt –: „Ich will meine Chance bei euch suchen“? Sagen wir denen: „Sucht sie doch woanders, aber nicht bei uns“? Auch für sie brauchen wir einen irgendwie kalkulierbaren Weg. Wer darüber gründlich nachdenkt – das haben die Grünen ja getan –, kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie wir mit unserem Einwanderungsgesetz. Leider will die Union nicht mitziehen; das haben wir gehört. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es in Ihren Reihen oft ein Hyperventilieren auslöst, wenn es um Zuwanderung und Einwanderung geht. Gerne würden wir unseren Vorschlag von der langen Bank wieder auf den Tisch des Hauses legen. Die vorliegende Initiative der Grünen ist jüngeren Datums; klar. Sie unterscheidet sich von unserem Vorhaben in ein paar entscheidenden Punkten; sie sind genannt worden. Die Stoßrichtung ist jedoch dieselbe. Die Grünen testen jetzt erneut die Tiefe des Wassers; das ist immer gut. Aber wir haben das schon selbst ermessen. Unser nüchternes Fazit: Mit dem Koalitionspartner in seiner jetzigen Formation geht so etwas leider nicht. Wir wollen ihn überzeugen, nicht überfahren oder überstimmen. Deshalb sagen wir Nein zu Ihrem Vorschlag. Die Aversion gegen ein Einwanderungsgesetz hat doch oft ein Geschmäckle des Xenophobischen. Aus dieser Ecke müssen wir heraus. Ich finde es wichtig, dass wir uns darauf besinnen – das hat uns eine Studie vor einigen Tagen aufgezeigt –, dass Menschen, die hier gut integriert sind, schon nach zehn Jahren mehr für unsere Gesellschaft einbringen, als sie je gekostet haben. Wenn man schon humanen Erwägungen nicht folgen will: Irgendwie kann man dann auch fragen, ob das schlichte ökonomische Nutzenkalkül nicht ein Anlass ist, die eigene Position zu überdenken. Wenn das nicht in dieser Legislaturperiode gelingt: Mit einem Bundeskanzler, den wir stellen, werden wir die Sache schnell erledigen können. Danke für Ihre Unterstützung, die ich dann immer noch erwarte. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Hans-Joachim Schabedoth. – Nächste Rednerin: Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Nina Warken (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein erster Satz geht heute an unseren Kollegen Wolfgang Bosbach. Es ist mir eine besondere Freude, heute noch einmal nach Ihnen sprechen zu können, auch wenn das natürlich bedeutet, dass dann alles Wesentliche schon ganz wunderbar auf den Punkt gebracht wurde und dass für mich gar nicht mehr so viel übrig bleibt. Trotzdem auch von mir noch ein paar Aspekte zum Gesetzentwurf. Die Diskussion ist ja nicht neu. Es werden immer wieder einmal Vorschläge aus der Schublade gezogen. Der vorgelegte Entwurf und die heutige Debatte zeigen noch einmal ganz klar – das ist auch gut so –, was wir eigentlich schon wissen: Die CDU/CSU hat schlichtweg eine andere Vorstellung von der Zukunft unseres Landes als die Initiatoren dieses Gesetzes. Für uns als Union geht es gerade nicht darum, durch schnellere Arbeitserlaubnisse oder schnellere Einbürgerungen den Migrationsdruck noch zu verstärken, sondern für uns geht es darum, Migration zu steuern, zu begrenzen und an den Interessen unseres Landes auszurichten. (Beifall bei der CDU/CSU) Während wir hier Einwanderungsgesetze diskutieren, wächst in Teilen Europas eine ganze Generation ohne Perspektive heran. In Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei weit über 30 Prozent, und das kann und das darf nicht sein. Wir müssen das Potenzial unserer Jugendlichen ausschöpfen. Das gilt auch dann, wenn wir in den letzten Tagen lesen mussten, dass der Zuzug nach Deutschland zurückgeht. Dass die europäische Idee der Freizügigkeit grundsätzlich funktioniert, das wissen wir, und das merkt man auch: Es ist Bewegung in der Bildung und im Arbeitsmarkt. Das zeigt nicht nur das europäische Wanderungssaldo, sondern auch im Alltag sind die innereuropäische Migration und der rege Austausch allgegenwärtig. Längst trifft man nicht nur an ein paar deutschen Universitäten vereinzelt Erasmus-Studenten. Europäische Richtlinien prägen auch die Einwanderung von Drittstaatsangehörigen. Gerade erst haben wir beispielsweise Änderungen zu Firmenentsendungen, zum Aufenthalt von Praktikanten, Forschern, Studenten und zur Saisonarbeit umgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn man es uns hier anders weismachen will: Wir haben bereits sinnvolle und liberale Regelungen im Aufenthaltsgesetz; das haben die Kollegen meiner Fraktion schon dargelegt. Einer der bestehenden Grundsätze ist, dass es für eine Einwanderung ein konkretes Jobangebot braucht. Je nach Qualifizierung und Status bedarf es zudem einer Vorrangprüfung. Diese Prinzipien bestehen nicht zur Schikane, sondern sie bestehen zum Schutz unserer sozialen Gemeinschaft. Die Ansätze zur angebotsorientierten Einwanderung, die Sie jetzt hier vorschlagen, sind für uns schlichtweg nicht vertretbar. Nach Ihrer Idee soll derjenige, der genügend Kriterien erfüllt, auch ohne ein verbindliches Jobangebot ein einjähriges Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen – und dies inklusive Familienmitzug und – da muss man ehrlich sein und Ihren Entwurf genau lesen – ohne dass der Lebensunterhalt in diesem ersten Jahr gesichert sein muss. Für diese Menschen und auch für Selbstständige mit guter Prognose soll dann bereits nach einem Jahr eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine kleine Liberalisierungsnuance. Das ist nicht vertretbar. Es bleibt auch völlig unklar, warum das alles überhaupt nötig sein sollte; denn wer hochqualifiziert ist oder aber in einem Mangelberuf ausgebildet ist und in Deutschland arbeiten möchte, der kann das auch schon nach den jetzt bestehenden Regelungen. Sie sagen, dass sich Dinge ändern müssen, dass Dinge besser werden müssen. Aber die Regelungen, die Sie vorschlagen, helfen nicht, und es braucht sie auch nicht. Unser Land braucht Ihr Kriterienmodell nicht. Deutschland ist bei der Fachkräftezuwanderung sehr gut aufgestellt. Deutschland ist attraktiv für Qualifizierte. Tatsächlich wurden 2015 allein 85,5 Prozent aller EU-weit ausgegebenen Blauen Karten von Deutschland ausgestellt; das hat der Kollege Mayer auch schon gesagt. Führend sind hierbei übrigens Bayern mit 21 Prozent und Baden-Württemberg mit 15,5 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU) Machen wir uns doch nichts vor: Jemand, der qualifiziert ist, der die deutsche Sprache nicht scheut, wird auch kommen, und zwar immer dann, wenn er ein attraktives Angebot für einen gutbezahlten Job hat und wenn die Region ihm eine mindestens so hohe Lebensqualität bietet wie das englischsprachige Ausland. Noch etwas: Ein Hochqualifizierter wird doch in Zeiten des Internets nicht mit Kind und Kegel zu einer einjährigen Suche anreisen, sondern nur direkt zur Arbeitsaufnahme, wenn er ein Jobangebot hat. Das kann er auch schon nach unseren jetzigen Regelungen. Das Angebot muss ihn nur erreichen, sei es über Anlaufstellen der zentralen Auslandsvermittlungen oder ländereigene Programme. Daran, liebe Kollegen, müssen wir arbeiten. Was die Grünen hier fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird für Deutschland und Europa nicht zu einer Verbesserung führen, sondern im schlechtesten Fall neue ungewollte Anreize setzen und im besten Fall unnötig sein. Deshalb lehnen wir als Union diesen Entwurf ab. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Nina Warken. – Die letzte Rednerin in unserer Debatte: Anita Schäfer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Liebe Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Mit diesem auf Angebotsorientierung im Migrationsrecht zielenden Gesetzentwurf wollen die Grünen im Kern nichts anderes, als die Einwanderung massiv vereinfachen und die Tore weit aufstoßen. Wir als Unionsfraktion stellen uns gegen die Beliebigkeit im Einwanderungsrecht und stehen daher auch klar für eine gezielte Auswahl bei der Migration ein. Der Staat und die Politik haben die Pflicht, bewusst darauf zu achten, dass die Migration für unser Land vor allem einen Mehrwert und keine Belastung darstellt, und genau darin liegt der Unterschied zum Asyl- und Flüchtlingsrecht. Gerade eine sonst so regulierungsfreudige Partei wie Bündnis 90/Die Grünen wird das verstehen. Ich sehe jedenfalls keinen Sinn darin, Menschen sozusagen auf Vorrat einwandern zu lassen – unabhängig davon, ob sie auf dem hiesigen Arbeitsmarkt gebraucht werden oder nicht. Daher sollte auch weiterhin bereits bei der Einwanderung ein konkretes Arbeitsangebot vorliegen. Sehr geehrte Damen und Herren, zur Steuerung der Migration gehört für mich beispielsweise auch, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie man Migration gleichmäßig über das Land verteilen kann. Nach Köln, Hamburg oder Berlin werden die Leute immer gehen. Auch für die großen Unternehmen wird es kein Problem sein, die benötigten Fachkräfte anzuwerben und ihnen beratend zur Seite zu stehen. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft jedoch ist der Mittelstand. Mittelständische Unternehmen sind oft im ländlichen Raum angesiedelt. Wenn Änderungen an den bestehenden gesetzlichen Regelungen dazu führen, dass es für einen mittelständischen Unternehmer einfacher wird, beispielsweise einen Migranten in die Lehre zu nehmen, dann würde ich das begrüßen. Ohne Frage wäre dies für die Wirtschaft eine große Hilfe und für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Erleichterung. Was die Anwerbung und Einreise von Experten und Hochqualifizierten aus Nicht-EU-Staaten angeht, haben wir mit der erfolgreichen Einführung der Blue Card EU im Jahr 2012 schon einmal einen guten Schritt gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das muss aber nicht nur für Akademiker, sondern auch für Bewerber in anderen nachgefragten Bereichen gelten. Beispielsweise wollen wir es Pflegedienstleistern einfacher machen, zugewanderte Kräfte einzustellen. Die Idee der Grünen, hier geborenen Kindern von Ausländern automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft anzutragen, schießt allerdings deutlich über das Ziel hinaus. Staatsbürgerschaft ist das höchste Gut, das ein Staat vergeben kann, und man sollte nicht leichtfertig mit ihr umgehen. In den Staaten, die über ein solches Geburtsortprinzip verfügen, ist es stets historisch gewachsen. Und selbst Großbritannien mit seinem liberalen Staatsbürgerschaftsrecht hat seine Regelungen zum Geburtsortprinzip schon 1981 eingeschränkt. In Deutschland gibt es für das sogenannte Ius soli jedenfalls keine historische Basis. Auch sehe ich in der von der Opposition befürworteten doppelten Staatsbürgerschaft weniger ein Integrationsangebot als vielmehr das Gegenteil davon. Meiner Meinung nach kann es bei der Staatsbürgerschaft kein Sowohl-als-auch geben. Ich fasse zusammen: Ja, über eine übersichtlichere und klarere Gestaltung des Migrationsrechts können wir debattieren. Ein neues Einwanderungsgesetz ist aber nicht der richtige Weg; denn wir haben bereits sehr gute und großzügige gesetzliche Rahmenbedingungen. Ja, wir wollen die Einwanderung von Fachkräften stärken. Wir müssen uns aber die Möglichkeit bewahren, Einwanderer nach unseren Bedürfnissen und Kriterien auszuwählen. (Dr. Hans-Joachim Schabedoth [SPD]: Deshalb brauchen wir das doch!) Ja, wir wollen Ausländern attraktive Angebote machen und ihre Integration fördern. Dabei dürfen wir aber nicht der Beliebigkeit verfallen; denn wir erwarten, dass Menschen, die bei uns leben, sich auch klar zu unserem Staat bekennen. Diese Punkte sehe ich in dem Gesetzentwurf der Grünen nicht hinreichend erfüllt, weswegen ich ihm nicht zustimmen kann. Für ein grünes Laisser-faire in Einwanderungsfragen steht die Union jedenfalls nicht bereit. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Anita Schäfer. – Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11854 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibt dazu keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11 a bis 11 c auf: a)  – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) Drucksache 18/11286 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) Drucksache 18/12612 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12613 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gesetzliche Rente stabilisieren – Gute Rente für alle sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und nachhaltige betriebliche Altersversorgung und ein stabiles Drei-Säulen-System Drucksachen 18/11402, 18/10384, 18/12612 c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes Drucksache 18/3210 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/6135 Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Plätze zu tauschen bzw. Platz zu nehmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Bevor hier keine Grundruhe einkehrt, rufe ich die erste Rednerin nicht auf. – Ich kann warten. Wenn Sie nicht ein bisschen ruhiger werden, rufe ich die erste Rednerin nicht auf. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht schon weiter, Frau Präsidentin!) – Gerade hat eine Kollegin von Ihnen sich über die Geräuschkulisse beschwert. Das nehme ich ernst. Sind Sie bereit? – Dann eröffne ich die Debatte und erteile das Wort der Bundesministerin Andrea Nahles für die Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei wichtige rentenpolitische Gesetze haben wir heute zur Beschlussfassung vorliegen. In der gesetzlichen Rente sorgen wir an zwei Stellen für mehr Gerechtigkeit und auch für Leistungsverbesserungen. Wir schaffen ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland. Das ist auch höchste Zeit. Bis zum Jahr 2025 erreichen wir gleiche Rentenwerte in Ost und West. Und wir verbessern zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode die Erwerbsminderungsrenten für die Menschen, die nicht mehr arbeiten können. Das dritte wichtige Gesetz ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Mit ihm schaffen wir neue und attraktive Möglichkeiten für die zusätzliche Altersvorsorge, vor allem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen und in kleinen und mittelständischen Betrieben. Betriebsrenten sind seit jeher in Deutschland ein gutes, bewährtes und weit verbreitetes Standbein der Altersvorsorge. Aber gleichzeitig sehen wir: Viele Menschen, für die es aufgrund ihres kleinen Einkommens besonders wichtig wäre, haben bisher keine Betriebsrente und hatten bisher kaum eine Chance, eine zu bekommen. Gerade für sie wollen wir die Chance schaffen, mit einer Betriebsrente für ihr Alter besser abgesichert zu sein, und zwar nicht durch Zwang, sondern durch die gute Verabredungskultur der Sozialpartner, die unser Land auszeichnet und auch stark macht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Neben den bisherigen fünf Modellen – wir haben fünf Betriebsrentenmodelle in Deutschland – kommt nun ein sechstes hinzu: das Sozialpartnermodell. Die Tarifpartner können künftig eine Zielrente vereinbaren. Dabei wird auf Garantien und Mindestleistungen verzichtet; denn diese sind bislang der Haupthemmschuh, der gerade kleine Unternehmen davon abhält, eine betriebliche Altersvorsorge anzubieten. Dass ein Tarifvertrag Voraussetzung für den neuen Weg ist, stellt sicher, dass Vereinbarungen getroffen werden, die zugleich im Sinne der Arbeitgeber, aber auch zum Nutzen der Beschäftigten sind. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wollen wir es hoffen!) Das schafft Akzeptanz für die neue Betriebsrente, und wir stärken damit die Tarifpartnerschaft in unserem Land ein weiteres Mal. (Beifall bei der SPD) Wir wissen, dass diese neue Betriebsrente eine echte kommunikative Herausforderung ist. Nicht-Garantien werden von vielen mit Nicht-Sicherheit gleichgesetzt. Aber das ist nicht so. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, so ist es aber!) Wenn die Linke hier von Pokerrente redet, wie ich hörte, dann ist das schlicht unverantwortliche Propaganda. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist die Wahrheit!) Ich vertraue auf die Arbeit der BaFin, aber vor allem auf die Sozialpartnerschaft. Sie garantiert vernünftige und kostengünstige Betriebsrenten. Mein Eindruck ist übrigens, dass die Arbeitgeber und die Gewerkschaften die Chancen dieser neuen Form der Betriebsrente längst erkannt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn es auch Verdi gelänge, ein eigenes Versorgungswerk auf die Beine zu stellen. Und das wird derzeit auch vorbereitet. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, das Gesetz zielt in erster Linie darauf ab, dass Betriebsrenten vom Arbeitgeber finanziert werden. Das ist mir auch wegen der Geringverdiener ganz wichtig. Die neue steuerliche Förderung der Geringverdiener ist an Arbeitgeberbeiträge geknüpft. Arbeitgeber müssen künftig bei jeder Form der Entgeltumwandlung die gesparten Beiträge an die Beschäftigten weitergeben. Hier hat das Parlament noch einmal eine entscheidende Verbesserung erzielt. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU]) Wir wollen gerade diejenigen besser absichern, die hart arbeiten, aber wenig verdienen. Deswegen fördern wir arbeitgeberfinanzierte Betriebsrentenbeiträge für Beschäftigte mit Einkommen unter 2 200 Euro brutto mit direkten Steuerzuschüssen. Durch diese Anhebung gegenüber dem Regierungsentwurf von 2 000 auf 2 200 Euro, die wiederum durch das Parlament beschlossen wurde, können noch mehr Menschen profitieren. Dafür möchte ich mich bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern ausdrücklich bedanken. Damit sich zusätzliche Vorsorge auch wirklich für alle lohnt und auch die Beschäftigten mit kleinen Löhnen einen Sinn darin sehen, für später vorzusorgen, schaffen wir in der Grundsicherung im Alter erstmals in der deutschen Gesetzgebung Freibeträge von mehr als 200 Euro für Betriebs- und Riesterrenten. Das ist ein Novum. Und ich bin mir sicher, dass das zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung gerade bei Geringverdienern beitragen wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mit diesem Gesetz stärken wir also das Vertrauen in unseren Sozialstaat. Es ist ein echtes Plus für alle. Ich möchte mich beim BMF, mit dem wir bei diesem Gesetzentwurf zusammenarbeiten, herzlich bedanken. Ich danke aber auch für die konstruktive parlamentarische Debatte hier. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Matthias Birkwald für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin Nahles! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Wir brauchen eine starke gesetzliche Rente, die den Lebensstandard wieder sichert. Alles andere muss zusätzlich sein, muss obendrauf kommen. (Beifall bei der LINKEN – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!) Ganz wichtig: Betriebsrenten und private Vorsorge dürfen nicht dazu missbraucht werden, die willkürlich in die gesetzliche Rente gerissenen Löcher zu stopfen. Alterssicherung kommt von „Sicherheit“, Frau Ministerin, und Altersversorgung kommt von „versorgen“. Betriebliche Altersversorgung bedeutet also: Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin versorgt seinen Mitarbeiter oder seine Mitarbeiterin im Alter mit einer garantierten, also einer sicheren, und zusätzlichen Betriebsrente als Anerkennung für lange Betriebszugehörigkeit, für unentgeltlich geleistete Überstunden usw. Eine sichere, planbare und verlässliche Zusatzrente im Alter, überwiegend oder ganz und freiwillig durch die Chefin oder den Chef finanziert, das ist echte betriebliche Altersversorgung. (Beifall bei der LINKEN) Solche echten Betriebsrenten finden die Beschäftigten gut; und die findet auch die Linke gut. (Beifall bei der LINKEN) Nur, solche echten Betriebsrenten gibt es immer weniger. Auch Ihre neue Betriebsrente wird keine Altersversorgung sein. Deswegen ist schon der Titel des Gesetzentwurfs falsch. Frau Professorin Wallrabenstein von der Uni Frankfurt kritisiert Ihr Betriebsrentenstärkungsgesetz deutlich. Sie sagt – ich zitiere –: Eine Versorgung durch den Betrieb ist diese Betriebsrente ... nicht mehr. ... es ist eine individuelle Altersvorsorge, und der Betrieb wird zum Vertriebsweg. Also noch einmal: Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat seinen Namen nicht verdient; denn Sie wollen mit Ihrem Betriebsrentenstärkungsgesetz für die Tarifparteien regeln, dass künftig jeder Beschäftigte, der sich nicht aktiv wehrt, automatisch Beiträge für eine überwiegend selbst finanzierte Betriebsrente von seinem Gehalt abgezogen bekommt. (Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ja! Das ist auch gut so!) Und für diesen Teil des Gehaltes werden keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Entgeltumwandlung heißt das!) Wer also in die Falle der Entgeltumwandlung geht, kürzt sich seine eigene gesetzliche Rente und indirekt auch die aller anderen. Allein das ist völlig inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN) Bisher haben die Arbeitgeber sich ihren Anteil an den gesparten Sozialversicherungsbeiträgen auch noch in die eigene Tasche stecken können. Das soll nun vorbei sein. 15 Prozent sollen sie künftig auf die vom Arbeitnehmer gesparte Summe drauflegen. Das klingt gut, ist es aber nicht; denn insgesamt sparen Chef oder Chefin über 20 Prozent. Darum sage ich: Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen dürfen nicht auch noch daran verdienen, dass ihre Beschäftigten auf Lohn verzichten und in eine Betriebsrente einzahlen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir Linken fordern: Der Arbeitgeber muss sich nicht mit 15 oder 20 Prozent beteiligen, sondern er soll mindestens die Hälfte der Beiträge zur Betriebsrente finanzieren. Das wäre gerecht. (Beifall bei der LINKEN) Das steht aber nicht in Ihrem Gesetzentwurf. Es wird noch schlimmer: Mit Ihrem Sozialpartnermodell verbieten Sie den Arbeitgebern, ihren Beschäftigten eine bestimmte Höhe ihrer Betriebsrente zu garantieren. Dem oder der Beschäftigten wird nicht mehr garantiert, dass er oder sie in 30 Jahren wenigstens die eingezahlten Beiträge zurückerhält. Meine Damen und Herren von der Koalition, nach Ihrem Gesetzentwurf muss der Chef nur noch versprechen, dass er das Geld, das sich der Beschäftigte abspart, auch wirklich an das Versorgungswerk überweist. Dazu sagt zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung – Zitat –: Bei einer Beitragszusage hat der Arbeitgeber letztlich nur noch die Funktion einer Zahlstelle bezogen auf den Beitrag. Der Arbeitgeber als „Zahlstelle“ für Entgeltumwandlung, das hat doch nichts mehr mit einem Arbeitgeber zu tun, der seine Beschäftigten im Alter mit einer zusätzlichen Betriebsrente belohnen will, der für sie vorsorgen will, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Diese sogenannte reine Beitragszusage bedeutet, dass niemand weiß, wie hoch seine oder ihre Betriebsrente im Alter sein wird. Es wird eine sogenannte Zielrente vereinbart. „Zielrente“ heißt auf Deutsch: Das eingezahlte Geld wird mehr oder weniger riskant auf den Aktienmärkten angelegt. Wenn es gut läuft, gibt es mehr als die eingezahlten Beiträge zurück, und wenn es schlecht läuft, weniger oder sehr viel weniger. In der Auszahlungsphase werden davon dann auch noch die eigenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und die des Arbeitgebers abgezogen. Da es keine Garantien mehr gibt, können künftig auch laufende Renten abgesenkt werden. Welche Summe dann am Schluss rauskommt, steht völlig in den Sternen der Kapitalmärkte. Es kann mehr sein, und es kann fast nichts sein. Und wenn der Anbieter pleitegeht, dann muss nicht einmal mehr der Pensions-Sicherungs-Verein einspringen. Darum, liebe Frau Nahles, liebe Koalition, ist und bleibt Ihre Zielrente in Wirklichkeit eine Hoffnungsrente, eine Pokerrente oder – wenn Sie das weniger aufregt – eine Lottorente. (Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Mannomann! Übertreib doch nicht!) Sie von Union und SPD wälzen die Kapitalmarktrisiken allein auf die Beschäftigten ab. Thomas Richter, der BVI-Hauptgeschäftsführer, jubelte am 22. Mai im Handelsblatt: Das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz ist das seit langem Beste, was die Politik zum Thema Rente vorgelegt hat. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Stimmt auch!) Warum klatscht keiner von Ihnen? (Beifall des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU]) Wissen Sie, von wem Sie da so gelobt werden? Vom Bundesverband Investment und Asset Management e. V. Er hat 99 Mitglieder, und die verwalten rund 2,9 Billionen Euro in Publikumsfonds, Spezialfonds und Vermögensverwaltungsmandaten auf den Finanzmärkten. Offenkundig haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, aus der Finanzkrise nichts gelernt. Da sage ich: Das ist unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Anstatt die Arbeitgeber stärker in die Pflicht zu nehmen, Frau Nahles, entlassen Sie die Arbeitgeber aus jeglicher Haftung. Mein geschätzter SPD-Kollege Dr. Martin Rosemann hat mir in der ersten Lesung zugerufen: „Schon mal was von Risiko beim Sparen gehört?“ (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Was?) Ich finde, dieses sozialdemokratische Risikosparen hat nichts mehr mit betrieblicher Altersversorgung zu tun, und deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Der Begriff heißt „Kollektivrisiko-Sparen“!) Noch ein Wort zum Förderbeitrag für Geringverdienende, den Sie, Frau Nahles, erwähnt haben: Der ist gut gemeint. Es ist zumindest ein Beitrag, den der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter oder seiner Mitarbeiterin zahlt, sofern sein oder ihr Gehalt unter 2 200 Euro brutto im Monat liegt. Die Obergrenze für die Förderung liegt aber bei 480 Euro Arbeitgeberbeitrag im Jahr, also bei 40 Euro im Monat. Und was kommt dann da hinten raus? Das ist völlig unklar, aber eines ist sicher: Die Kürzungen bei der gesetzlichen Rente werden damit auf keinen Fall ausgeglichen werden können. Darum sage ich: Schaffen Sie für alle Arbeitgeber und für alle Beschäftigten die Möglichkeit, bis zu einer bestimmten Grenze freiwillig zusätzliche Beiträge auf das persönliche Rentenkonto der Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung einzuzahlen. Die Vorteile: niedrige Verwaltungskosten, völlig unkompliziert, es gibt langfristig 3 Prozent Rendite, es muss kein Versorgungswerk gegründet werden, für den Arbeitgeber gilt „pay and forget“, und die Beschäftigten haben eine höhere gesetzliche Rente. (Beifall bei der LINKEN – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Und es belastet die nächsten Generationen noch mehr! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Generationenungerechtigkeit pur!) Das wäre eine gute Alternative zu dem, was Sie hier heute vorlegen. Meine Damen und Herren, die hart arbeitenden Menschen wollen eine starke und zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierte gesetzliche Rente. Sie würden lieber höhere Beiträge in die Rentenkasse zahlen, als in hochkomplizierte Betriebsrentenmodelle zu investieren, bei denen unklar ist, was unterm Strich netto für sie rauskommt. Die Beschäftigten wollen eine gesetzliche Rente, die zum Leben reicht. Darum sagt die Linke: Rauf mit dem Rentenniveau! Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Legislaturperiode war die gesetzliche Rentenversicherung im Fokus der Politik. Wir haben dort eine Menge auf den Weg gebracht. Denn wir wissen – anders als die Linken –, dass die umlagefinanzierte Rente für die Menschen bei der Altersabsicherung natürlich im Zentrum steht, aber auch die betriebliche und die private Altersvorsorge als kapitalgedeckte Systeme haben eine hohe Bedeutung. Deswegen erreichen wir mit diesem Betriebsrentenstärkungsgesetz das, was wir wollen, nämlich, die Betriebsrenten zu stärken, zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Das erklärte Ziel ist, sie so auszuweiten, dass möglichst alle Menschen in Deutschland die Möglichkeit haben, eine betriebliche Altersvorsorge zu bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es wird zugestanden, dass die derzeitigen betrieblichen Altersvorsorgesysteme vielfältige Anlage- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Aber offensichtlich haben zu wenig Beschäftigte eine betriebliche Altersvorsorge. Das hat wahrscheinlich viele Ursachen: Unkenntnis über Möglichkeiten, fehlende finanzielle Spielräume, die Anrechnung der Betriebsrente auf die Grundsicherung, Vorbehalte der Arbeitgeber gegenüber der Haftung, die zu geringe Rendite in der Niedrigsparphase und die Beitragslast für die Sozialversicherung. Dies alles sind Gründe, die zu der jetzigen Situation geführt haben mögen. Deswegen setzen wir genau an diesen Punkten an und beseitigen die Hemmnisse – nicht ganz, aber in wesentlichen Teilen –, um mehr Anreize für die betriebliche Altersvorsorge zu schaffen. Was machen wir als Erstes? Wir haben die Sorge, dass Geringverdiener die Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge nicht nutzen. Lassen Sie mich Ihnen eine Zahl nennen, die das belegt. 47 Prozent aller Menschen, die 1 500 Euro verdienen, haben weder eine Betriebsrente noch eine Riester-Rente. Für diese Menschen tun wir etwas. Diejenigen, die bis 2 200 Euro verdienen, erhalten erhebliche Zuschüsse. Sie bekommen 480 Euro im Jahr von ihrem Arbeitgeber, der dabei auch unterstützt wird, indem er einen Teil steuerlich geltend machen kann. Wir sorgen für Verbesserungen bei der Riester-Rente. Wenn diese mit eingebracht wird, kann ein Geringverdiener mit einem Anteil von 60 Euro im Jahr plus den 175 Euro, die er zusätzlich bekommt, plus den Geldern, die er bekommt, wenn er Kinder hat, nennenswerte Beiträge für eine betriebliche Altersvorsorge ansparen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was kommt denn als Rente raus? Sagen Sie doch einmal was dazu!) Ich glaube, dass das ein Weg ist, der die betriebliche Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rente stärkt und gute Perspektiven aufzeigt. (Beifall bei der CDU/CSU) Dazu kommt, dass 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steuerlich geltend gemacht werden können. Das bedeutet für einen Arbeitnehmer, dass er bis zu 6 000 Euro im Jahr steuerlich geltend machen kann. Auch das ist ein Anreiz in diesem Verfahren. Es stellt sich natürlich die Frage, was wir verbessern können, um weitere Hemmnisse zu beseitigen. So ist die Idee der sogenannten Rente der Tarifpartner entstanden. Die Tarifpartner sollen Versorgungseinrichtungen etablieren können, um für Erleichterungen zu sorgen. Zum einen geht es um die Frage, wie wir Unternehmen von der Haftung befreien können, damit sie selbst nicht ein Leben lang für die betriebliche Altersversorgung geradestehen müssen, die sie ihren Beschäftigten einmal zugesagt haben – dadurch ist das Sozialpartnermodell entstanden –, und zum anderen geht es darum, wie wir für höhere Erträge auch in den Zeiten sorgen können, in denen aufgrund niedriger Zinsen bei konservativer Geldanlage nur minimale Erträge erwirtschaftet werden können. Hier sollen durch eine exzellente Aufsicht, durch verantwortliches Handeln der Tarifpartner und durch Unterstützung der BaFin Gelder am Kapitalmarkt ertragreicher angelegt werden. Es spricht alles dafür, dass die betriebliche Altersvorsorge hinterher in der Regel höher ausfallen wird als über andere Verfahrenswege. Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, die betriebliche Altersvorsorge als ein Gleichschrittsystem zu entwickeln. So bunt und so vielfältig die tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten sind: Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, durch die betriebliche Altersvorsorge über den Betrieb passgenau und zielgerichtet Hilfen zu erhalten. Dazu gehört auch, dass jetzt und in Zukunft Arbeitgeber mindestens 15 Prozent der eingesparten Sozialversicherungsbeiträge auf ein Betriebsrentenkonto einzuzahlen haben. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Soll es sich wirklich um eine betriebliche Altersvorsorge handeln, erwarte ich von den Arbeitgebern, dass sie von dem in ihrem Betrieb erwirtschafteten Geld noch etwas obendrauf legen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ganz viele tun dies, aber ich kann nur dazu raten, dass sich mehr dazu bereit erklären. Das ist übrigens ein wichtiges Instrument der Personalgewinnung, der Motivierung und der Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal. Wer eine betriebliche Altersvorsorge geschickt einsetzt, wird Menschen halten, motivieren und stärken, und das wäre auch ein Gewinn für den Betrieb. Die betriebliche Altersvorsorge, die wir jetzt stärken, unterstützen und ausweiten wollen, ist kein Allheilmittel zur Lösung aller Alterssicherungsfragen. Aber sie ist ein wichtiger und zentraler Baustein in einem System, in dem wir unterschiedliche Wege gehen müssen, damit die Menschen am Ende der Tage von ihren Alterseinkünften leben können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Betriebsrente und die betriebliche Altersversorgung stärken – wer wollte das nicht? Das will auch meine Fraktion. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Rahmen dieser parlamentarischen Beratungen einen Antrag vorgelegt, in dem wir ganz einfach erklären, wie man das macht. Erstens. Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Beschäftigten ein Angebot vorzulegen, ein sogenanntes Angebotsobligatorium. Zweitens. Sie sollen einen Eigenbeitrag zu der betrieblichen Altersversorgung leisten. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Das habt ihr bei uns abgeschrieben!) Drittens. Eine Enthaftung wird auf die Unternehmen, die es nötig haben, beschränkt. Dazu gehören die kleinen und mittleren Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten. Viertens. Wir brauchen einen einfachen und transparenten Durchführungsweg, der es insbesondere kleinen Unternehmen leicht macht, nicht unter 100 Produkten aussuchen zu müssen. Vielmehr können sie sich dann auf ein verlässliches, einfaches, öffentlich-rechtlich getragenes Produkt stützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese vier einfachen Bausteine würden genau das erzielen, was das Gesetz im Namen trägt: die Stärkung der Betriebsrenten. Was macht die Große Koalition stattdessen? Sie scheitert gerade an dem wichtigsten Ziel – das sage ich voraus –, nämlich bei der Verbreitung der Betriebsrenten; denn die verschiedenen Vergünstigungen oder Anreize, die sie vor allen Dingen für Arbeitgeber geschaffen hat, namentlich die Enthaftung, werden auf tarifgebundene Unternehmen beschränkt. Denn der zweite Punkt auf Ihrer Agenda neben der Stärkung der Betriebsrenten – das hat die Ministerin mehrfach öffentlich gesagt – ist die Stärkung der Tarifbindung. Aber in kleinen und mittleren Unternehmen, zum Beispiel in Branchen wie dem Gastgewerbe, ist die Tarifbindung minimal. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und im Osten!) Das heißt, Sie werden genau diejenige Zielgruppe nicht erreichen, die Sie zu erreichen vorgeben. Das ist ein großes Problem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben in den Ausschussberatungen und auch hier in den Debatten gehört, dass das gar nicht so ein großes Problem sei. Auch nicht tarifgebundene Betriebe könnten den neu zu gründenden gemeinsamen Einrichtungen der Tarifpartner beitreten. Das sei doch alles ein Kinderspiel. Ich sage Ihnen einmal, was der DGB in seiner Stellungnahme zur Anhörung gesagt hat. Der DGB hat sich glasklar geäußert. Er hat gesagt: Die Möglichkeit der einzelvertraglichen Bezugnahme durch nicht tarifgebundene Arbeitgeber wird abgelehnt. Die reine Beitragszusage – das ist die sogenannte Enthaftung – darf nur im Rahmen eines tarifexklusiven Sozialpartnermodells geregelt werden und soll nur tarifgebundenen Arbeitnehmern zu Gute kommen. Ich denke, es ist eindeutig, dass es sich die Sozialpartner im Regelfall nicht gefallen lassen werden, dass nicht tarifgebundene Unternehmen beitreten. Da fragt sich jeder Arbeitgeber, der brav seine Beiträge an den Arbeitgeberverband zahlt: Wozu zahle ich denn eigentlich noch diese Beiträge, wenn unsere exklusiven Vereinbarungen plötzlich für jedermann, jedefrau oder jeden anderen Betrieb gelten? – Wenn das so einfach und klar wäre, würden Sie die Tarifbindung nicht stärken, sondern durch diese Öffnung sogar schwächen. Darum ist Ihre Argumentation an diesem Punkt völlig paradox. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Kommen wir zu dem großen Thema der sogenannten Enthaftung. Sie nutzt in diesem Fall eher den Großunternehmen, die nach meiner Auffassung am ehesten in der Lage sind – sie sollten an dieser Stelle auch in die Verantwortung genommen werden –, die Beiträge ihrer Beschäftigten und eine festgesetzte Betriebsrente zu garantieren. Ich hoffe, dass viele Großunternehmen oder größere Unternehmen das wie bisher, zum Beispiel durch Betriebsdirektzusagen oder aber über betriebliche Pensionskassen und Pensionsfonds, machen werden. Der Punkt, um den Sie sich immer geschickt herumzulavieren versuchen, den Sie verschwiemeln wollen, ist, dass das Kapitalmarktrisiko ein Stück weit auf die Beschäftigten verlagert wird. Das ist so. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!) Das können Sie auch nicht dadurch verdecken, dass Sie sagen, durch die Enthaftungen sind mehr Anlagemöglichkeiten an den Aktienmärkten und höhere Erträge möglich. Möglich! Möglich! Sie tun ja so, als ob das sicher wäre. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Konjunktiv!) Sie müssten ehrlicherweise sagen: Wir nehmen an, dass die Wahrscheinlichkeit höherer Erträge bei einer guten Entwicklung der Kapitalmärkte recht gut ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben sie bei Riester auch erzählt!) Aber – das „aber“ dürfen Sie nicht verschweigen – wenn es eben nicht so gut läuft, dann ist es sogar möglich, dass die betrieblich zugesagten Renten während der Auszahlungsphase sogar noch sinken. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist so!) Das hat mir das Ministerium als Antwort auf meine schriftliche Frage Nummer 202 schriftlich gegeben. Ich zitiere es hier gerne noch einmal: Folglich können solche Betriebsrenten unter Umständen während des Rentenbezugs auch gesenkt werden. Das ist für diejenigen, die gut verdient haben, die hohe Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, vielleicht verkraftbar, aber wir richten uns ja hier an eine Zielgruppe, die wenig verdient. Gerade für Geringverdienerinnen und Geringverdiener zählt jeder Euro. Das ist dann hochproblematisch. Da beißt die Maus keinen Faden ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU]) Ich würde jetzt nicht so weit gehen und sagen, dass das eine Pokerrente oder dergleichen ist, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ein bisschen Unterschied muss auch sein!) aber es ist natürlich eine Risikoverlagerung, die man, wenn überhaupt, nur andenken könnte, wenn man ganz klar politisch zusichert, das Niveau der gesetzlichen Rente zu stabilisieren, damit wenigstens der Sockel klar ist, auf dem die Betriebsrente aufsetzt. Aber auch dazu ringen Sie sich nicht durch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass wir in der nächsten Legislaturperiode dahin kommen, was Sie ja im Grunde genommen selbst schon befürchten. Denn warum sonst haben Sie im Feststellungsteil dieses Gesetzentwurfes erwähnt: Wenn unser Gesetz scheitert, dann brauchen wir ein Angebotsobligatorium? – Das ist genau das, was Bündnis 90/Die Grünen an dieser Stelle schon heute vorschlagen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht für Entgeltumwandlung!) Ich fände es vernünftig, wenn wir auch bei der sogenannten Entgeltumwandlung zu einer anderen Schlussfolgerung kämen. Das ist im Moment und kurzfristig nicht zu erwarten. Die beitragsfreie Entgeltumwandlung senkt Rentenansprüche, senkt die Einnahmen der Rentenkassen, war ursprünglich auch nur als befristetes Anreizinstrument gedacht, um sozusagen Betriebsrenten einen Startvorteil zu geben. Leider – das muss man sagen – ist es auf Initiative der Sozialpartner, von DGB und BDA, dann entfristet worden. Leider, leider ist auch nicht zu erwarten, dass sich das kurzfristig wieder ändert. Ich will hier aber noch einmal ausdrücklich festhalten, dass das Instrument der Entgeltumwandlung problematische Folgen zeigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aber solange wir dieses Instrument haben, brauchen wir den verpflichtenden Arbeitgeberbeitrag. Ich nehme mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis, dass Sie diesen Punkt aus unserem Antrag in Ihren Gesetzentwurf übernommen haben. Das werten wir als klaren Erfolg unserer Oppositionspolitik. (Katja Mast [SPD]: Ausschließlich, weil ihr den Antrag geschrieben habt! – Zuruf des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Natürlich wäre es sinnvoll, diesen Eigenbeitrag der Arbeitgeber zu steigern, erst über die Sozialpartner, um so zu einer besseren Beteiligung von Arbeitgebern zu kommen. Aufgeklärte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wissen, dass eine zusätzliche Absicherung ihrer Beschäftigten der Arbeitszufriedenheit, der Stabilität der Personalsituation und natürlich der Motivation dient. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode zu entscheidenden Verbesserungen in unserem Sinne kommen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Katja Mast hat als nächste Rednerin das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Katja Mast (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat in dieser Legislaturperiode immer wieder deutlich gemacht, dass es im Kern darum geht, die gesetzliche Rente zu stärken. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Macht mal!) Wir haben mit unserer Bundesarbeitsministerin nicht nur die erste Leistungsverbesserung seit Jahrzehnten in der gesetzlichen Rentenversicherung durchgesetzt, sondern wir haben auch mit ihrem mutigen Rentenkonzept einen deutlichen Vorschlag für eine doppelte Haltelinie bei Rentenniveau und Beitragssatz. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es liegt nichts auf dem Tisch!) Heute diskutieren wir über die betriebliche Altersvorsorge, die wir neben der gesetzlichen Rentenversicherung als ergänzende Säule ansehen. Ich betone an dieser Stelle: als ergänzende Säule. Wir werden gleich das Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschieden, in dem Verbesserungen bei der betrieblichen Altersvorsorge vorgesehen sind. Ich höre hier die ganze Zeit von der Opposition, mit unserem Gesetz würden wir die Arbeitgeber aus der Verantwortung nehmen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Enthaftung!) Ich frage mich nur, warum dann der Deutsche Gewerkschaftsbund, die IG BCE, die IG Metall und viele andere Gewerkschaften dieses Gesetz loben und sagen, es sei sinnvoll. Ich glaube nicht, dass die Gewerkschaften in Deutschland wollen, dass wir die Arbeitgeber bei der betrieblichen Altersvorsorge aus der Verantwortung nehmen. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die können sich auch mal irren!) Ich möchte an vier Punkten klarmachen, warum wir genau das Gegenteil von dem tun, was Sie uns hier vorwerfen: Erstens bauen wir mit diesem Gesetz die Hindernisse ab, die nach mehreren Studien der Bundesregierung viele Arbeitgeber bisher davon abhielten, in die betriebliche Altersvorsorge einzusteigen. Zweitens. Wir sorgen dafür – darauf sind wir als SPD-Fraktion mächtig stolz –, dass sich die Arbeitgeber künftig durch die pauschalierte Weitergabe der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 15 Prozentpunkten an jeder Form der Betriebsrente beteiligen müssen. Das war ein großer Erfolg in den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner. Darauf sind wir stolz. (Beifall bei der SPD) Die Arbeitgeber werden sich aber auch an der Förderung von Geringverdienern beteiligen müssen. Auch da lassen wir die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung. Drittens. Enthaftung ist nicht gleichbedeutend mit einem Verlust der Verantwortung der Arbeitgeber. Neben den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern gibt es, wenn es um betriebliche Altersvorsorge geht, die Tarifvertragsparteien. Wir stärken die Sozialpartner und die Tarifautonomie. Unser roter Faden in dieser Legislatur ist, dass wir nicht auf die Schiene individueller Verträge setzen, sondern dass wir unseren Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden zutrauen, dass sie verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen, das die Mitglieder für die betriebliche Altersvorsorge investieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Viertens. Wir stellen – das hat Ministerin Nahles auch schon klargemacht – neben die fünf Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge, die es schon heute gibt, eine sechste Säule. Die anderen schaffen wir aber nicht ab. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Noch komplizierter! Noch komplexer! Noch unübersichtlicher!) Jeder kann also in dem System bleiben, in dem er sein will. Aber es gibt eine neue sechste Säule. Das ist mir wichtig zu sagen; denn es geht darum, die betriebliche Altersvorsorge auszubauen. Ich komme zum Schluss. Ich möchte mich bei allen bedanken. Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU bedanken. Es waren harte Verhandlungen, in denen es um Details ging. Aber wir haben gemeinsam einen Erfolg erzielt. Ich will mich vor allen Dingen bei Andrea Nahles und ihren Staatssekretärinnen bedanken, insbesondere bei Gabriele Lösekrug-Möller. Es war kein einfacher Weg, mit Herrn Schäuble und seinem Haus in gemeinsamer Verantwortung dieses Gesetz auf den Weg zu bringen. Es ist komplex. Ich finde, dass sich dieses Gesetz sehen lassen kann. Wir gemeinsam, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier hier im Parlament, haben dafür gesorgt, dass Sicherheiten ausgebaut und gestärkt werden, und wir haben für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr herausgeholt, vor allem für die Geringverdiener; denn diese brauchen besonders unsere staatliche Unterstützung. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit unser Ziel erreichen, nämlich die betriebliche Altersvorsorge auf eine gute Basis zu stellen und eine deutliche Verbreiterung hinzubekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Tobias Zech hat als nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Tobias Zech (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man der Opposition so zuhört, dann müsste man fast glauben, dieses Gesetz wäre keine Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge und wir hätten das Ziel nicht erreicht. Das Gegenteil ist der Fall. Das wissen Sie ganz genau. Wir haben im Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU vereinbart, die bAV zu stärken und weiterzuverbreiten. Zumindest das Ziel, die bAV zu stärken, haben wir erreicht. Warum wir die bAV stärken wollen, ist auch klar. Wir haben hier nämlich ein riesengroßes Potenzial. Nur 60 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland haben eine betriebliche Altersvorsorge. Viel tragischer aber ist – Karl Schiewerling hat das erwähnt; ich weite das ein bisschen aus –: Nur 27 Prozent der Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 2 500 Euro brutto, wenn man das als Maßstab nimmt, haben eine betriebliche Altersvorsorge. Der Grund dafür ist nicht Unwille und auch nicht die große Bürokratie, sondern schlicht und einfach der Fakt, dass sie sich die 20 Euro im Monat für die betriebliche Altersvorsorge nicht leisten können, dass sie sich dieses Geld bei Wohnung, Kindergartenplatz oder Lebensmitteln absparen müssten. Deswegen ist es wichtig – das ist das klare Signal von heute –, dass wir bei den Geringverdienern angesetzt haben. Das ist ein guter Erfolg dieses Gesetzes. (Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen aber immer noch mehr als 20 Euro selbst zahlen!) Wir haben beschlossen, dass bei Neuverträgen, aber auch bei Altverträgen ab 2 022 pauschal 15 Prozent der eingesparten Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers zwingend mit überführt werden müssen. Das ist ein Riesenerfolg. Wir haben den Geringverdienerzuschuss für die Arbeitgeber auf 30 Prozent festgelegt. Das heißt, dass der Arbeitgeber bei einem Zuschuss von 480 Euro 144 Euro vom Staat bekommt. Das ist eine ganz klare Förderung der Geringverdiener im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Wir haben im parlamentarischen Verfahren die Einkommensgrenze für Geringverdiener von 2 000 Euro auf 2 200 Euro erhöht. Damit erreichen wir knapp 1,4 Millionen Menschen mehr. Wir haben auch die Riester-Grundzulage erhöht: von aktuell 154 Euro im ersten Gesetzentwurf auf 165 Euro und jetzt auf 175 Euro. Das heißt, es gibt heute 21 Euro mehr. Wir haben auch den steuerfreien Dotierungsrahmen von 4 auf 8 Prozent – das heißt, auf bis zu 6 000 Euro im Jahr – erhöht. Das sind ganz klare Verbesserungen. Wir haben außerdem einen ganz klaren Schwerpunkt bei der Nichtanrechenbarkeit von bis zu 200 Euro auf die Grundsicherung gesetzt. Somit ist die Aussage dieses Gesetzes: Wer im Rahmen einer betrieblichen Altersvorsorge vorsorgt, ist, wenn es ihm später einmal schlechter geht, immer besser gestellt als derjenige, der nichts tut. Das ist eine für das System wichtige Aussage. Darauf kann man auch stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU) – Auch die SPD. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die klatscht trotzdem nicht!) – Aber bei dem, was jetzt kommt, werden sie auch nicht klatschen. Das war also meine letzte Chance. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Die Stärkung ist damit erreicht. Jetzt komme ich zur Verbreiterung. Da kann man unterschiedlicher Ansicht sein, welche Hürde die größte ist. Ist es die Bürokratie, oder ist es die Haftung? Man hat sich jetzt für einen Weg entschieden, der einen Paradigmenwechsel darstellt. Es gibt zum ersten Mal einen Durchführungsweg, der den Arbeitgeber aus der Haftung nimmt. Das Grundprinzip der betrieblichen Altersvorsorge war immer die Haftung des Arbeitgebers: arbeitnehmerfinanziert, arbeitgeberorganisiert, aber der Arbeitgeber haftete auch. Man hat sich entschieden, mit diesem Gesetzentwurf davon abzurücken. Das geschah übrigens in Rücksprache mit allen Sozialpartnern. Auch die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften wollen das. Ich kann ihnen nur zurufen: Seid euch bitte bewusst, welche Verantwortung ihr jetzt übernehmt, welche Verträge ihr abschließt und wie ihr kommuniziert! Wenn man die Haftung ausschließt, geht damit ein Garantieverbot einher; das ist folgerichtig. Man kann nicht ohne Haftung Garantien versprechen. Allerdings ist die Aussage richtig: Garantien kosten Geld und Rendite. Genauso richtig ist die Aussage, dass eine hohe Rendite Sicherheit kosten wird. Das muss richtig kommuniziert werden. Man muss das den Menschen wahrheitsgemäß vermitteln. Ich sehe hier – das hat auch die Ministerin vorhin angesprochen – eine sehr große argumentative Aufgabe auf uns alle zukommen, wenn es darum geht, zu erklären, was es heißt, eine Betriebsrente ohne Garantien zu haben, mit der Chance auf eine höhere Rendite, aber natürlich auch mit dem Risiko auf eine geringere. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr diplomatisch formuliert! Sehr diplomatisch!) Für Gutverdiener ist dieses Risiko kein Problem; sie können es eingehen. Aber denken Sie – wir haben über sie gesprochen – auch an die Kleinverdiener. Die Ministerin und alle meine Vorredner haben es erwähnt: Die Frage: „Kann sich ein Geringverdiener dieses Risiko leisten?“ wird in den nächsten Jahren von den Menschen beantwortet werden, indem sie sich entweder für diese Rente entscheiden oder nicht. Sie werden mit den Füßen abstimmen, und ich muss noch einmal zu äußerster Seriosität der Tarifpartner auffordern. Es darf hier nicht zu einem Überbietungswettkampf kommen, sondern wir brauchen hier eine ganz große Seriosität und Achtsamkeit. Nur dann kann dieses Gesetz wirken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hätte ich ja fast geklatscht!) Wir haben im parlamentarischen Verfahren auch noch mit in den Gesetzentwurf hineinverhandelt, dass es OT-Betriebe, also nicht tarifgebundene Betriebe, leichter haben, sich daran anzulehnen; denn eines gehört auch zur Wahrheit: Die Mitarbeiter in den Betrieben, die der Tarifbindung unterliegen, haben Gott sei Dank privilegierte Arbeitsverhältnisse in Deutschland. Um sie mache ich mir die wenigsten Sorgen. Wie schaffen wir es nun, OT-Betriebe noch stärker an der betrieblichen Altersversorgung partizipieren zu lassen? Hier sind wir leider weit hinter den Potenzialen zurückgeblieben. Wir haben aber zumindest in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, dass die Tarifpartner bei der Anlehnung keine Mondpreise, sondern nur sachgrundbezogene Preise verlangen dürfen. Das heißt für die Administration, dass Sondergebühren bei der Aufnahme entfallen müssen. Allerdings hätte ich mir schon erhofft – wir alle wissen, dass Opting-out-Modelle die größte Durchsetzungsfähigkeit aller bAV-Modelle in Deutschland haben –, dass wir hier im Bereich des Opting-outs weitergegangen und das Opting-out zumindest auf betrieblicher Ebene erlaubt hätten. Ich habe nämlich genauso viel Vertrauen in die Betriebsräte und Betriebsratsvorsitzenden wie in die Gewerkschaften. Das müssen wir wohl in der nächsten Legislaturperiode machen. Das hätte nämlich wirklich eine Verbreiterung der bAV gebracht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Ralf Kapschack hat als Nächster das Wort. (Beifall bei der SPD) Ralf Kapschack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung titelte am vergangenen Freitag – ich zitiere –: „Betriebsrente wird attraktiver“, und sie schrieb von neuen Anreizen für Geringverdiener und einer Entlastung für Unternehmen. – Besser hätte man es kaum auf den Punkt bringen können; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) denn genau das machen wir. Wir schaffen die Betriebsrente plus – „plus“ für Geringverdiener und für kleine und mittlere Unternehmen. Es ist eben nicht gerecht, dass in großen Unternehmen Betriebsrenten selbstverständlich und in kleinen Unternehmen die Ausnahme sind. Deshalb wollen wir das ändern. Wir helfen Geringverdienern durch staatliche Förderung, einen leichteren Zugang zu Betriebsrenten zu bekommen. Gerade sie können eine zusätzliche Absicherung im Alter gut gebrauchen. Der neue Freibetrag in der Grundsicherung macht klar: Es lohnt sich auch mit kleinem Einkommen – und damit vermutlich auch kleiner Rente –, für das Alter vorzusorgen, wenn es eben geht, und von dem Freibetrag profitieren nicht nur künftige Rentnerinnen und Rentner. Einige Tausend Menschen, die jetzt schon in der Grundsicherung sind und deren Betriebsrente angerechnet wird, haben künftig deutlich mehr in der Tasche. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum macht ihr keinen Freibetrag für die gesetzliche Rente?) In der Ausschussberatung gestern gab es den Vorwurf, wir würden uns durch den Freibetrag quasi damit abfinden, dass es Renten unterhalb der Grundsicherung gibt. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Das ist natürlich Unsinn. Die SPD setzt sich für gute Löhne und stabile Beschäftigungsverhältnisse ein. Das sind die zentralen Stellschrauben für eine gute gesetzliche Rente. (Beifall bei der SPD) Wir wollen eine Solidarrente für alle, die lange gearbeitet, aber wenig verdient haben. Die Solidarrente wird deutlich oberhalb der Grundsicherung liegen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Steht im Koalitionsvertrag, aber es liegt nichts auf dem Tisch!) Wer das wissen will, konnte das schon seit Ende vergangenen Jahres wissen. Damals hat Andrea Nahles nämlich ein entsprechendes Konzept vorgelegt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, aber keinen Gesetzentwurf!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitgeber profitieren finanziell davon, wenn die Beschäftigten im Rahmen der Entgeltumwandlung etwas für ihre Altersversorgung tun. Ich habe nie verstanden, warum das so ist. Künftig müssen die Arbeitgeber den größten Teil dieser Einsparungen in die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten einbringen. Das war uns ein ganz wichtiger Punkt in den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner; denn das hat auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir verringern auf diesem Weg auch das Problem der Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten. Klar ist allerdings: An dieses Thema müssen wir in der nächsten Legislaturperiode sicherlich noch einmal grundsätzlich ran. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat er recht!) Auf das Thema Sicherheit wird meine Kollegin Sarah Ryglewski gleich noch einmal eingehen. Nur ganz kurz: Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Kritik der Linken deutlich milder ausgefallen ist als in den vergangenen Monaten. Als kleine Erinnerung und als Warnung sei aber nur noch einmal gesagt: Wenn Sie uns kritisieren, dann halten wir das aus; das ist überhaupt kein Problem. Aber diffamieren Sie nicht gleich die Gewerkschaften mit, die sich jetzt auf den Weg machen, Betriebsrenten für ihre Mitglieder zu ermöglichen. (Beifall bei der SPD) Sie erwecken manchmal den Eindruck, das seien Zocker, die das Geld von künftigen Rentnerinnen und Rentnern rücksichtslos aufs Spiel setzen. Das ist nicht nur sachlich falsch. Ein solches Vokabular nutzt am Ende nur denen, die wir alle, glaube ich, hier nicht sehen wollen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verfolgen mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ein ehrgeiziges Ziel. Egal über welches Rentenmodell man diskutiert: Klar ist, dass die gesetzliche Rente die erste starke Säule ist. Aber genauso wichtig ist es, dass möglichst jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer eine starke Zusatzrente bekommt. Mit diesem Gesetz wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass für jeden eine gute Betriebsrente möglich wird, dass nicht nur knapp 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland über einen Betriebsrentenanspruch verfügen, sondern eines Tages möglichst über 90 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, ein solches Ziel erreicht man nicht mit Herumjammern und mit Zaghaftigkeit, sondern dadurch, dass man ehrgeizig ist. Dieses Gesetz ist vor allen Dingen Ausdruck unseres Ehrgeizes, für eine starke Altersversorgung für alle Menschen in Deutschland zu sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Jetzt wissen wir, dass es bis heute starke Hemmnisse gibt. Der Geringverdiener sagt zu Recht: Ich habe doch dafür gar kein Geld übrig. – Deswegen gibt es die Geringverdienerförderung in Höhe von 480 Euro jährlich durch den Arbeitgeber mit einer Teilrefinanzierung durch den Staat, ohne dass der Arbeitnehmer dafür zusätzlich etwas leisten muss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir stärken eine arbeitgeberfinanzierte bAV, keine, die zulasten des Lohns des Arbeitnehmers geht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein anderer Punkt ist: Wir erhöhen die Riester-Förderung. Sobald jemand, vor allen Dingen ein Geringverdiener, ein paar Euro zusätzlich für die Altersvorsorge in die Hand nimmt, kann er die 175 Euro Riester-Förderung pro Jahr für seine bAV nutzen, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 4 Prozent!) weil wir die sogenannte Doppelverbeitragung abschaffen. Das ist ein riesiger Fortschritt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das, was an Fördermitteln zusammenkommt, ist ein Vielfaches dessen, was heute möglich ist. Natürlich sagt ein Geringverdiener: Menschenskinder, wenn das, was ich mir für die Altersvorsorge vom Mund abgespart habe, am Schluss nicht reicht und ich doch Grundsicherung im Alter beantragen muss, dann wird dieses Geld angerechnet. – Damit hat er heute recht. Das hält auch viele davon ab, etwas anzusparen. Deswegen stellen wir die bisherigen Regelungen auf den Kopf: 100 bis 200 Euro Freibetrag für jeden in der Grundsicherung, der irgendetwas zusätzlich fürs Alter angespart hat, was zu einer Rentenzahlung führt! Das ist ein Wort. Jetzt gilt: Wenn ich etwas zusätzlich angespart habe, dann weiß ich, dass ich auf jeden Fall im Alter besser dastehe als derjenige, der nichts gemacht hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich ist die sogenannte Entgeltumwandlung, dass also ein Teil des eigenen Gehalts für die Betriebsrente verwendet wird, ein gängiger Weg. Aber mit dem, was wir gemacht haben, sorgen wir für Folgendes: Es gibt künftig keine Betriebsrente ohne Arbeitgeberbeteiligung. Auch das ist ein riesiger Fortschritt. Damit ist klar: Das, was an Sozialversicherungsbeiträgen auf der Arbeitgeberseite eingespart wird, geht zum allergrößten Teil in die Betriebsrente des Arbeitnehmers. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum nicht alles?) Kollege Kapschack hat es Gott sei Dank schon gesagt: Das löst die gesamte Problematik des Krankenkassenbeitrags in der Bezugsphase. Jetzt macht der Arbeitnehmer mit Blick auf seine Beitragsbilanz kein Minusgeschäft mehr, sondern ein Plusgeschäft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) All diese Punkte gelten für jeden Arbeitnehmer in Deutschland, ob tarifgebunden oder nicht. Deswegen sollte man zu allererst festhalten – das war uns als Union wichtig –: Das Wichtigste an dieser Reform ist, dass das Gesetz nicht nur in tarifgebundenen Betrieben gilt, sondern für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Jeder profitiert von den Vorzügen des neuen Gesetzes. (Beifall bei der CDU/CSU) In der Tat haben wir gemeinsam ein Sondermodell, das sogenannte Tarifvertragsmodell, beschlossen, das schon ausführlich dargestellt worden ist. Dieses Modell macht es möglich, dass sich jetzt mehr Betriebe – bisher haben manche gezögert – über einen solchen Tarifvertrag an der bAV beteiligen. Es kann eine Zielrente vereinbart werden, wodurch man auch in der Anlagepolitik größere Freiheiten hat als bisher. Das machen wir nicht, weil wir pokern oder Lotto spielen wollen. Solche Verdächtigungen sind, finde ich, eine Gemeinheit gegenüber den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, die verantwortungsvoll mit Tarifverträgen umgehen. Sie sind schlicht eine Gemeinheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir machen es vielmehr deshalb, weil wir den Arbeitgebern und den Gewerkschaften ermöglichen wollen, Modelle auszuprobieren, bei denen mehr Rendite, sprich: mehr Geld, für den einzelnen Arbeitnehmer und seine Betriebsrente herauskommt. Ich finde, wenn man das vernünftig organisiert – auch mit vernünftigen Sicherungsvorschriften –, dann ist das ein Weg, den man gehen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Uns als Union war allerdings in den Verhandlungen wichtig – wir sind froh, dass wir das durchgesetzt haben –, dass Folgendes klar ist: Wir wollen niemanden in ein neues Modell zwingen, wenn er es nicht will. Deswegen stellen wir im Gesetzentwurf klar: Die Tarifpartner sollen bestehende Betriebsrentensysteme, die gut funktionieren, auch weiter bestehen lassen und nicht durch dieses neue Modell ersetzen. Sie sollen zum Zweiten nicht tarifgebundenen Unternehmen ermöglichen, durch Inbezugnahme ohne unbillige Zusatzauflagen teilzunehmen. Herr Kollege Kurth, ich sehe das völlig anders als Sie. Tarifverträge sehen in der Frage der bAV Vergünstigungen für tarifgebundene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor. Eine starke Betriebsrente setzt sozusagen eine entsprechende Masse voraus, es sollen möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. viele Betriebe beteiligt werden. Deswegen sollte es ein natürliches Interesse geben, auch viele nicht tarifgebundene Unternehmen zu beteiligen, damit es zu einer erfolgreichen Betriebsrente insgesamt kommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die Sozialpartner aber anders gesagt!) – Herr Kurth, es kommt nicht darauf an, was A, B oder C sagen, sondern was im Gesetz steht, und genau das haben wir in den Gesetzentwurf hineingeschrieben. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Darauf kommt es nicht an! Es kommt auf die Realität an, nicht auf das, was auf dem Papier steht! Auf die Realität!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Erfolg dessen, was wir mit diesem Gesetzentwurf starten, wird davon abhängen, ob die Botschaft, die Neuregelungen und die Attraktivitätssteigerungen auch finanzieller Art, die wir in diesem Gesetzentwurf für die Betriebsrente verankert haben, bei den Beschäftigten in Deutschland auch ankommen. Deswegen bitte ich herzlich darum, nicht das Kritisieren in den Vordergrund zu stellen – Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): – ja, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –, sondern die Bitte, die Betriebe und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland zu ermutigen, diese Chance für eine starke zusätzliche Altersvorsorge zu nutzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Bevor ich Frau Ryglewski das Wort erteile, hat der Kollege Birkwald das Wort für eine Kurzintervention. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie trotz unserer langen Tagesordnung die Kurzintervention zulassen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Mit dem Hinweis: kurz! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Mich haben gerade drei Kollegen der Koalition – Katja Mast, Ralf Kapschack und jetzt auch Herr Weiß – der Gewerkschaftsfeindlichkeit geziehen. Ich habe das schon geahnt, weil Herr Weiß das auch schon in der ersten Lesung gemacht hat. (Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das schweißt uns zusammen! Das ist gut!) Zunächst einmal: Ich bin seit über 30 Jahren Mitglied der IG Metall, und die IG Metall ist eine gute Gewerkschaft. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) – Da können jetzt auch bei euch einige klatschen. Zweitens. Wir erinnern uns bitte daran, dass das unsägliche Riester-Gesetz leider von einem ehemaligen Vorsitzenden dieser Gewerkschaft ins Leben gerufen worden ist. Wir wissen heute: Riester ist ein Flop. Allein die Tatsache, dass ein Gewerkschafter oder Gewerkschaften etwas vorschlagen, ist also noch kein Qualitätsmerkmal. Jetzt möchte ich Ihnen gerne einmal vortragen, was Gewerkschafter zum Betriebsrentenstärkungsgesetz sagen. So beschreibt beispielsweise Michael Mostert – das ist der Tarifexperte der wirklich starken IG BCE – das Betriebsrentenstärkungsgesetz – ich zitiere – wie folgt: Das ist der letzte verzweifelte Versuch, einem Obligatorium vor Entgeltumwandlung zu entgehen, was kein Gewerkschafter ernsthaft will. – Was kriegen sie? Eine automatische Entgeltumwandlung mit Opt-out. Jörg Wiedemuth von Verdi fordert – Zitat – im Betriebs-Letter „bAV“ ein gesetzliches Verdrängungsverbot, damit gute bAV-Tarifverträge nicht durch vermeintlich schlechtere Betriebsrentenstärkungsgesetzlösungen aufgeweicht werden können. Weil die Präsidentin schon skeptisch guckt, belasse ich es dabei. Ich könnte noch stundenlang weitermachen. Also kommen Sie mir bitte nicht damit. Wir als Linke haben einen eigenen Kopf. Wir können das selber bewerten. Und ich sage Ihnen hier heute voraus, dass es auch mit diesem neuen Sozialpartnermodell nicht nur eitel Sonnenschein geben wird, sondern genügend Probleme. Erinnern Sie sich an Riester. Wir werden uns hier wiedertreffen! Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Bevor ich der Kollegin Ryglewski das Wort erteile, hat der Kollege Weiß die Möglichkeit zur Antwort. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kurzintervention des Kollegen Birkwald zeigt: Die Linke hat ein Problem mit den Gewerkschaften. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Habe ich Ihnen doch gerade erzählt!) Und das ist bitter, weil es natürlich die gesamte Wahlstrategie der Linken durchkreuzt. Das ist der Punkt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein echter Witz hier!) Es ist doch beachtlich, dass uns zum Beispiel die IG Metall und Gesamtmetall nachhaltig gedrängt haben, dieses Modell einzubringen. Und es ist doch interessant, dass auch der Verdi-Chef, der ja Berufsgruppen vertritt, die es im Hinblick auf Betriebsrenten nicht besonders gut haben, ausdrücklich sagt: Ich will dieses Modell nutzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Verehrter Kollege Birkwald, natürlich kann man aus jeder Organisation – auch vonseiten der CDU/CSU und der Arbeitgeberverbände – alle möglichen Zitate bringen. Entscheidend ist, dass die deutschen Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften geschlossen hinter diesem Modell stehen. Allerdings legen wir Wert darauf, dass es die von mir zitierten Wahlmöglichkeiten gibt. Wir wollen die alte bAV – also das bisherige Recht – nicht kaputtmachen. Sie hat ihre Berechtigung und eine Zukunftschance. Aber wir wollen ein neues Modell zulassen und vertrauen darauf, dass verantwortungsbewusste Verhandler bei Gesprächen über Tarifverträge das machen, was ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nutzt – und nicht das Gegenteil. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In welcher Gewerkschaft sind Sie denn?) Dieses Vertrauen veranlasst Betriebe, in Arbeitgeberverbänden Mitglied zu werden. Und es veranlasst Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Mitglied von Gewerkschaften zu werden. Nichts anderes! Wir setzen auf das Vertrauen derer, denen die Mitglieder ihrer Organisationen vertrauen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Jetzt hat Sarah Ryglewski das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sarah Ryglewski (SPD): Ich muss vorab um Entschuldigung bitten. Als Finanzpolitikerin ist man diese Emotionalität in den Debatten gar nicht so sehr gewohnt. (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU) Ich möchte an etwas anknüpfen, das schon von einigen benannt worden ist. Natürlich ist es nicht so, dass irgendwer in diesem Raum – das kann ich zumindest für die SPD-Fraktion und, wie ich glaube, auch für unsere Bundesministerin sowie ihre Staatssekretärin sagen – glaubt, dass wir mit diesem Gesetz alle Probleme in der gesetzlichen Rentenversicherung lösen könnten. Ich glaube aber, wir müssen den Blick auf ein anderes Problem richten. Dabei geht es um die Frage: Was ist denn eigentlich mit den Menschen, die gerne zusätzlich zu einer guten Rentenversicherung, die wir auch weiter stärken müssen, fürs Alter sinnvoll vorsorgen wollen? Da ist es aktuell de facto so, dass die Anlagemöglichkeiten sehr begrenzt sind. Denn die Gruppe, die wir hier im Fokus haben, ist nicht in der Lage, sich mit einem schön austarierten Aktienportfolio am Markt etwas zu sichern bzw. selber zu partizipieren. Vielmehr sind die Angehörigen dieser Gruppe auf das angewiesen, was hier schon beschrieben wurde: Stichwort „Riester-Rente“ oder „Kapitallebensversicherungen“, von denen wir alle wissen, was da momentan an Renditen herauskommt. Deswegen muss es auch darum gehen, für diese Menschen etwas zu tun. (Beifall bei der SPD) Ich möchte mich darauf konzentrieren, wie wir an dieser Stelle Sicherheit und Chancen miteinander verknüpft haben. Wenn man für die Rente vorsorgen möchte, dann möchte man auch eine Sicherheit haben, dass man im Alter wirklich ein Plus zu verzeichnen hat. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!) In diesem Zusammenhang sollten wir uns das Thema Garantien noch einmal anschauen. Da vorhin so häufig auf die Sozialpartner, die in diesem Thema – ich erlaube mir, diesen Ausdruck zu verwenden – ihre Aktien haben, verwiesen wurde, habe ich einmal geschaut, welche Verbände es sonst noch gibt, die sich damit auskennen. Dabei bin ich ganz schnell beim vzbv angekommen. Herr Lars Gatschke, der als Sachverständiger an unserer Anhörung teilgenommen hat, hat zum Thema Garantien gesagt: Feste Zusagen machen nur Sinn, wenn sie inflationsbereinigt sind. – Das bietet aber niemand an. Übersetzt bedeutet das: Die Garantien, die es aktuell gibt, sind genauso viel wert, als ob man das Geld jeden Monat unter das Kopfkissen legen würde. (Beifall der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]) Denn am Ende hat man eine Rendite, die inflationsbereinigt nichts wert ist. Deswegen müssen wir schauen, wie sich Chancen und Sicherheit in Einklang bringen lassen. Garantien sind es aber nicht. Wir wollen, dass gemeinsam gespart wird, das sogenannte kollektive Risikosparen. Man legt also nicht alleine am Aktienmarkt an. Vielmehr werden viele einbezogen und es wird eine breitere Streuung ermöglicht. Wir wollen außerdem keinen Überbietungswettbewerb bei den Zielrenten. Die Zielrenten sollen vorsichtig kalkuliert werden, damit die Menschen planen und Puffer aufgebaut werden können. Der nun vorgesehene Puffer, ab dem erst eine Rentensteigerung eintreten darf, liegt bei 10 Prozent. Damit sind Kapitalschwankungen von bis zu 25 Prozent auf den Aktienmärkten abgedeckt. Das ist ein Sicherheitsaspekt, der den Menschen eine gewisse Planbarkeit und Verlässlichkeit gibt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dabei haben wir das Thema Finanzaufsicht berücksichtigt. Die BaFin wird genau beobachten, ob alle Punkte eingehalten werden, und im Zweifelsfall eingreifen. Ansonsten stehen die Sozialpartner mit ihrer Kompetenz dahinter. Es ist mitnichten so – das ist der Unterschied zu Riester –, dass wieder in Versicherungen angelegt wird. Vielmehr erwarten wir, dass die Sozialpartner eigene Versorgungswerke aufbauen – Andrea Nahles hat es vorhin gesagt –; die haben Erfahrungen in diesem Bereich. Deswegen, glaube ich, kann man das auch im Auge behalten. Zum Schluss noch eine Sache, die mir ebenfalls wichtig ist. Wir hätten es uns sehr gewünscht, dass beim Thema Riester die Frage der ethisch-sozialen Kriterien noch einmal aufgegriffen worden wäre. (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Die Verbraucherinnen und Verbraucher fragen verstärkt entsprechende Produkte nach. Dass solche Kriterien wichtig sind, sieht man auch an den ganzseitigen Anzeigen, die einzelne Bankinstitute geschaltet haben. Solche Kriterien wurden aber unter Schwarz-Gelb abgeschafft. Wir hätten sie gerne wieder eingeführt, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht auch im Grünenantrag!) aber das machen wir dann in der nächsten Legislaturperiode. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat Anja Karliczek für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Anja Karliczek (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kurth, als Erstes will ich auf Sie eingehen. Manche Dinge, die Sie vorschlagen, sind nicht so schlecht. Mit diesen könnten wir uns bestimmt anfreunden. Aber Sie wollten am Anfang keine Koalition mit uns eingehen. Jetzt müssen Sie mit dem zufrieden sein, was wir zusammen mit der SPD erarbeitet haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat sie ja sogar recht! Da kann man auch klatschen! Das war gut! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich möchte als Allererstes unseren beiden Staatssekretären – Frau Lösekrug-Möller ist anwesend, Herr Dr. Meister leider nicht – sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Ministerium der Finanzen danken. Die Vorbereitungen für dieses Gesetz waren sehr umfangreich, intensiv und anfänglich sehr diskursiv. Aber zu jeder Zeit standen uns die Mitarbeiter aus beiden Häusern mit ihrer Expertise zur Seite. Die Zusammenarbeit mit ihnen hat mir bei allem Ernst in der Sache viel Spaß gemacht. Dafür meinen ganz herzlichen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Geeint hat uns über alle Differenzen hinweg das Ziel dieses Gesetzes: mehr Vorsorge für das Alter bei Menschen mit kleinem Einkommen und Mitarbeitern in kleinen Betrieben. Ihnen wollen wir bessere Möglichkeiten geben, neben der gesetzlichen Rente eine betriebliche Altersvorsorge anzusparen. Wir halten das Mehrsäulensystem unserer Altersvorsorge hoch; denn wir halten es für gerecht gegenüber den Generationen und für eine solide Basis, um der Vielfalt unserer Lebenswirklichkeit am besten gerecht zu werden. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode damit auseinandergesetzt, wie wir die zweite Säule, die betriebliche Altersvorsorge, stärken können. Wir haben uns als Union auf mehrere wesentliche Punkte konzentriert, die nicht zu Unrecht häufig beklagt wurden. Erstens. Wir wollen weiterhin dem Grundsatz Geltung verschaffen: Wer freiwillig für das Alter vorsorgt, muss mehr haben als der, der es nicht tut. – Das haben wir erreicht. Selbst wenn es im Leben arbeitstechnisch nicht gut läuft und jemand im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist, kann er sich darauf verlassen, dass er bis zur Höhe des halben HartzIV-Satzes, heute 202 Euro, eine zusätzliche Rente behalten darf. Das ist gerecht, und das motiviert, in jungen Jahren einfach mal mit dem Sparen für das Alter anzufangen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wenn man denn Geld hat!) Zweitens. Es ist uns wichtig, dass die Systematik stimmt. Einmal im Leben muss jedes Einkommen aus Arbeit in der Sozialversicherung verbeitragt und beim Finanzamt versteuert werden. Auch diesem Grundsatz haben wir für die Zukunft zu seinem Recht verholfen. Denn wer heute in der betrieblichen Altersvorsorge spart, sei es durch Entgeltumwandlung oder auch durch zusätzliche Beiträge des Arbeitgebers – ich finde, wir sollten auch einmal sagen, dass die Mischfinanzierung des Ganzen in Deutschland die Regel ist –, der kann sicher sein, dass er nicht schlechtergestellt ist als der private Altersvorsorgesparer. In der betrieblichen Altersvorsorge spare ich aus meinem Bruttolohn, also vor Steuern und vor Verbeitragung in der Sozialversicherung. In der privaten Altersvorsorge spare ich aus meinem Nettolohn, also nach Steuern und nach Verbeitragung in den Sozialversicherungen. Hier haben wir dafür gesorgt, dass ein Großteil der beim Arbeitgeber eingesparten Sozialversicherungsbeiträge aus Entgeltumwandlung in den Sparvertrag mit einfließen muss. Damit kann es zukünftig unter normalen Umständen nicht mehr zu Doppelverbeitragungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kommen. Auch steuerrechtlich haben wir übrigens beide Augen darauf, dass in der Phase der Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung bis 2029 niemand doppelt zur Kasse gebeten wird. Das ist uns wichtig; denn nur ein faires Miteinander zwischen dem Staat als Kollektiv der Steuerzahler und dem Individuum bewahrt die Akzeptanz, die eine freiheitliche und auf individuelle Verantwortung ausgerichtete Gesellschaft braucht. Das ist gerade wichtig beim Thema Altersvorsorge. Drittens. Wir wollen erreichen, dass sich auch und gerade Geringverdiener dieser Form der Altersvorsorge annähern. Ihnen stellen wir deshalb ein Zuschussmodell zur Verfügung, wie wir es bisher in der betrieblichen Altersvorsorge nicht gekannt haben. Einfach und unkompliziert – Peter Weiß hat es eben schon gesagt – können Arbeitgeber nun bis zu 480 Euro pro Jahr in die Altersvorsorge ihrer Arbeitnehmer stecken und sich davon 30 Prozent über die Lohnsteuer erstatten lassen. Bei aller Komplexität, die die Form der Altersvorsorge hat – ich werde niemandem mehr versprechen, dass es einfacher wird, solange wir diesen Koalitionspartner haben –, (Kerstin Tack [SPD]: Jetzt aber!) lohnt es sich gerade jetzt für Menschen mit kleinem Einkommen. Doch es gibt eine Stelle, die die Arbeitgeber zur Reduktion der Komplexität in der Altersvorsorge nutzen können. Wir haben den prozentualen Anteil, den die Arbeitnehmer steuerfrei sparen können, auf 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze verdoppelt. Damit gibt es jetzt die Möglichkeit, mehrere Versorgungswerke im Unternehmen zusammenzufassen. Ich würde mich sehr freuen, wenn davon rege Gebrauch gemacht würde; denn dieser Wunsch ist vielfach auch aus mittelständischen Unternehmen an uns herangetragen worden. Ich sprach eben von der geringen Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern. Nachdem wir nun viele berechtigte Einwände berücksichtigt und die Regeln verbessert haben, wollen wir eben auch über ein betriebliches Opting-out einen sanften Hinweis geben, dass es wichtig ist, sich mit seiner persönlichen Vorsorge auseinanderzusetzen. Nach den Erfahrungen in den Niederlanden und Großbritannien ist dies ein wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge. Denn auch nach dieser Abstimmung bleibt die Frage eines sicheren Auskommens im Alter weiter auf der politischen Agenda, auch über diese Wahlperiode hinaus. Am 24. September dieses Jahres endet nicht die Welt. Doch eins muss allen klar sein: Die betriebliche Altersvorsorge wird sich nur dann bewähren, wenn wir die Regelungen, die wir heute beschließen, nicht in späteren Beschlüssen wieder konterkarieren. Wir werden Menschen nur dann dauerhaft davon überzeugen können, vorzusorgen, wenn wir das Vertrauen, das sie in dieses Gesetz setzen, auch in Zukunft bewahren und wenn sie bestätigt sehen, dass finanzielle Sparbemühungen im aktiven Leben dann auch im Ruhestand tatsächlich belohnt werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als letzter Redner in der Aussprache hat Martin Rosemann für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Martin Rosemann (SPD): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Um es am Anfang ganz deutlich zu sagen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stärken die gesetzliche Rente und die Betriebsrente. Das ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Rentenniveau sinkt derweil!) Heute geht es uns darum, mit der Betriebsrente plus möglichst vielen Beschäftigten die bestmögliche Betriebsrente zu verschaffen, eine Betriebsrente, an der sich die Arbeitgeber finanziell weitestgehend beteiligen. Ich will als letzter Redner in der Debatte auf ein paar Punkte aus der Debatte eingehen. Erstens. Die Behauptung, wir würden mit diesem Gesetz die Entgeltumwandlung ausweiten, wird durch Wiederholung schlichtweg nicht wahrer. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Steht doch drin: Opt-out!) Ganz im Gegenteil! Das Gegenteil ist richtig. Peter Weiß hat schon darauf hingewiesen: Die Förderung für Geringverdiener, die wir in der betrieblichen Altersvorsorge einführen – eine parlamentarische Verbesserung ist übrigens, dass auf Druck der SPD die Einkommensgrenze, bis zu der gefördert wird, auf 2 200 Euro angehoben wird –, setzt an der Finanzierung durch den Arbeitgeber an, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD) Wir erleichtern es den Geringverdienern zudem deutlich, dann, wenn sie selber noch etwas tun wollen, den Riester-Förderbetrag mit in die betriebliche Altersvorsorge einzubringen. Zweiter Punkt: Thema Garantien. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich habe schon den Eindruck: Sie haben sich bei dem Thema schlichtweg verrannt; (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) denn anstatt sich einmal mit dem Zielrentenkonzept auseinanderzusetzen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir getan!) hören wir von Ihnen nichts als Polemik und Angstmache. Dabei geht es doch eigentlich um die Frage: Sind Garantien für die Beschäftigten gut? Da hilft ein Blick in die Niederlande, wo es Betriebsrenten ohne Garantien seit Jahrzehnten gibt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo es 1 100 Euro Grundrente gibt! Ja, dann können wir darüber reden!) Wir waren in der vergangenen Woche in den Niederlanden und haben dort erfahren, dass sich das eingezahlte Kapital bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns verdreifacht. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 1 100 nach 50 Jahren! Das verschweigen Sie!) Wir reden hier darüber, dass wir die eingezahlten Beiträge nominal garantieren wollen. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die haben 1 100 Euro Grundrente! Du verschweigst die Hälfte! – Gegenruf der Abg. Katja Mast [SPD]: Hör doch mal zu!) Spätestens dann, wenn Sie einmal schauen, wer Ihre Bündnispartner sind, müsste Ihnen klar sein, dass Sie sich verrannt haben. Aus Zeitgründen jetzt nur ein Zitat. Sie sind Mitglied der IG Metall, also zitiere ich einmal – mit Erlaubnis der Frau Präsidentin – Kerstin Schminke von der IG Metall. Sie hat auf der gleichen Veranstaltung gesagt: Ohne Tarifexklusivität und ohne Garantieverbot ist die IG Metall raus. Weiter heißt es da: In dem Gesetz sieht Schminke auch eine einmalige Chance: ... „Diese Chance kommt nie wieder“, so Schminke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann nur sagen: Ihr Bündnispartner ist die Versicherungswirtschaft – das ist nicht ehrenrührig –, und unsere Bündnispartner sind die Gewerkschaften in diesem Land. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Habt ihr immer noch Karneval?) Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss noch eines deutlich machen: Dieses Gesetz ist nicht am grünen Tisch entstanden, sondern dieses Gesetz ist mit den Sozialpartnern entwickelt worden, weil sie wesentliche Teile dieses Gesetzes umsetzen müssen. Es ist in diesem Prozess nicht immer einfach gewesen. Dass es so gut gelungen ist, das verdanken wir einer Frau, nämlich unserer Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, die sich durch Widerstände nicht hat entmutigen lassen. (Beifall bei der SPD) Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgewirkt haben, dass wir es im parlamentarischen Verfahren so richtig gut hinbekommen haben. Ich danke den beiden Staatssekretären, Frau Lösekrug-Möller und Herrn Dr. Meister. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12612, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11286 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und zur Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/12612 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/11402 mit dem Titel „Gesetzliche Rente stabilisieren – Gute Rente für alle sichern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer enthält sich? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen worden. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10384 mit dem Titel „Für eine faire und nachhaltige betriebliche Altersversorgung und ein stabiles Drei-Säulen-System“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich noch jemand? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 11 c. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6135, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3210 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 46 a bis 46 f sowie die Zusatzpunkte 5 a bis 5 h auf: 46.   a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren und zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes Drucksache 18/12510 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes Drucksache 18/12493 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (elDAS-Durchführungsgesetz) Drucksache 18/12494 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss Digitale Agenda d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren Drucksache 18/12551 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Finanzausschuss Haushaltsausschuss e) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Strategie der Bundesregierung zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen für alle Flächen des Bundes Drucksache 18/9710 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus f) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2016 – Einzelplan 20 – Drucksache 18/12350 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ZP 5   a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes ‒ Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr Drucksache 18/10145 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Innenausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 Drucksache 18/12513 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksache 18/12546 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht Drucksache 18/12547 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Petitionsausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen Drucksache 18/12109 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz Drucksache 18/12380 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksache 18/12556 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Haushaltsausschuss h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksache 18/12558 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Es handelt sich hierbei um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 47 a bis 47 m und 47 o bis 47 u sowie die Zusatzpunkte 6 a bis 6 f auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich komme zunächst zum Tagesordnungspunkt 47 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen Drucksachen 18/12049, 18/12478 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Drucksache 18/12593 Die Gesetze über Bergmannssiedlungen dienten nach dem Ersten Weltkrieg zur Förderung der Errichtung von Bergarbeiterwohnungen. Dieses wohnungspolitische Ziel ist inzwischen entfallen, und die Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen ist erforderlich, damit das vorhandene Bergmannssiedlungsvermögen verwertet werden kann. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12593, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/12049 und 18/12478 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der Opposition angenommen worden. Wir kommen damit zur dritten Beratung und zur Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition angenommen worden. Es gab keine Gegenstimmen. Tagesordnungspunkt 47 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle Drucksache 18/12333 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/12566 Änderungen im Gebührenrecht sowie der Erlass des Zahlungskontengesetzes haben dazu geführt, dass die Formulierungen im Akkreditierungsstellengesetz und der zugehörigen Beleihungsverordnung angepasst werden müssen. Mit diesem Gesetz wird der Anpassungsbedarf umgesetzt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12566, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12333 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig in dritter Beratung angenommen. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 c: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte für den Zeitraum 2018-2022 Drucksache 18/12332 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12609 Durch das Gesetz werden die innerstaatlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der deutsche Vertreter im Rat die Zustimmung zum genannten Beschlussvorschlag erklären darf. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12609, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12332 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 d: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Drucksache 18/11867 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 18/12575 Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12575, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11867 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 e: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer wasserrechtlichen Genehmigung für Behandlungsanlagen für Deponiesickerwasser und zur Änderung der Vorschriften zur Eignungsfeststellung für Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe Drucksache 18/11946 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12573 Mit diesem Gesetz wird die EU-Richtlinie über Industrieemissionen vom 24. November 2010 umgesetzt und die derzeit noch bestehende Regelungslücke zur Genehmigung und Überwachung von Behandlungsanlagen für Deponiesickerwasser beschlossen. Außerdem wird das Bauordnungsrecht hinsichtlich der Vorschriften zur Eignungsfeststellung von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe geändert. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12573, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11946 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ohne Gegenstimme angenommen worden. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die LINKE gewandt: Habt ihr keine Meinung zu Sickerwasser? – Heiterkeit) Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 f: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Chemikaliengesetzes und zur Änderung weiterer chemikalienrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/11949 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12582 Mit diesem Gesetz wird das Begriffssystem der EG-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen in das nationale Recht übernommen. Daneben wird die nationale Übergangsregelung für Biozidprodukte, die ebenfalls auf eine EU-Verordnung zurückgeht, angeglichen. Dies ist notwendig, da die entsprechende EU-Verordnung geändert wurde. Ferner werden die Abgabevorschriften für Chemikalien im Versandwege auf die Angebotsphase ausgeweitet. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12582, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11949 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ohne Gegenstimmen angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 g: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einbeziehung von Polymerisationsanlagen in den Anwendungsbereich des Emissionshandels Drucksache 18/11844 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12572 Damit wird die EU-Emissionshandels-Richtlinie nunmehr vollständig umgesetzt. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12572, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11844 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ohne Gegenstimmen angenommen worden. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ohne Gegenstimmen angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 47 h: – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (POP) Drucksache 18/11843 – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 30. November 1999 (Multikomponenten-Protokoll) zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon Drucksache 18/11845 – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle Drucksache 18/11846 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12569 Ziel dieser Vertragsgesetze ist es, die Schadstoffbelastung in und durch Deutschland durch nationale und internationale Anstrengungen zu reduzieren. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12569, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11843 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Protokolls vom 30. November 1999 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12569, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11845 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gibt es jemanden, der dagegenstimmen möchte? – Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Damit ist auch dieser Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12569, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11846 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Möchte jemand dagegenstimmen? – Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 i: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der am 15. Oktober 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen Drucksachen 18/12048, 18/12480 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12570 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12617 Ziel der Änderung ist es, die Herstellung und Verwendung teilfluorierter Kohlenwasserstoffe zu verringern. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12570, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/12048 und 18/12480 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gibt es jemanden, der dagegenstimmen möchte? – Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 j: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 12. November 2012 zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen Drucksache 18/11868 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) Drucksache 18/12605 Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12605, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11868 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 k: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) Drucksache 18/11933 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12592 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12592, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11933 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich möchte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitten, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 l: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum Drucksachen 18/6589, 18/7110 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/7110, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6589 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 m: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Sozialen Basisschutz in Entwicklungsländern schaffen Drucksachen 18/8862, 18/11650 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11650, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8862 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 o: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Für gute Bildung in Europa – Erfolgreiches Programm Erasmus+ weiterentwickeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit Erasmus+ europäische Gemeinschaft erleben Drucksachen 18/11726, 18/11737, 18/12539 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12539, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/11726 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11737 mit dem Titel „Mit Erasmus+ europäische Gemeinschaft erleben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 p: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsprogramm Erasmus+ stärken – Teilprogramme sichtbarer machen Drucksache 18/12552 Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt 47 q: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Sven-Christian Kindler, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nicht um jeden Preis – Großprojekte im Zeit- und Kostenrahmen realisieren Drucksachen 18/8402, 18/12571 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12571, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8402 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden; es gab keine Enthaltungen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 47 r bis 47 u, den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 47 r: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 440 zu Petitionen Drucksache 18/12388 Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Sammelübersicht 440 einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 s: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 441 zu Petitionen Drucksache 18/12389 Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Sammelübersicht mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 t: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 442 zu Petitionen Drucksache 18/12390 Wer stimmt dafür? – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Sammelübersicht einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt 47 u: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 443 zu Petitionen Drucksache 18/12391 Ich möchte darauf hinweisen, dass mir zu diesem Punkt einige Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen. 12 Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch diese Sammelübersicht mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Zusatzpunkt 6 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Tressel, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eine transparente Regionalkennzeichnung einführen – Regionale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln stärken Drucksachen 18/9544, 18/11230 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11230, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9544 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition ohne Enthaltungen angenommen worden. Zusatzpunkt 6 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Reduzierung, Beschränkung und Verbesserung von Tiertransporten Drucksachen 18/10251, 18/11231 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11231, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10251 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Zusatzpunkt 6 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Missstände und Stillstand beim Tierschutz beenden – Gesellschaftlichen Konsens umsetzen Drucksachen 18/9798, 18/11824 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11824, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9798 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Zusatzpunkt 6 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landwirtschaft braucht Zukunft – Gutes Essen braucht eine gute Landwirtschaft Drucksachen 18/10872, 18/12579 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12579, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10872 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Beschlussempfehlung ebenfalls mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Zusatzpunkt 6 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katja Keul, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im deutschen Recht verankern Drucksachen 18/10255, 18/12209 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12209, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10255 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition ohne Enthaltungen angenommen worden. Zusatzpunkt 6 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Wirksame Sanktionen bei Rechtsverstößen von Unternehmen Drucksachen 18/10038, 18/11783 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11783, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10038 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 d auf: a)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) Drucksache 18/11923 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) Drucksache 18/12584 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12614 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Renteneinheit verwirklichen – Lebensleistung anerkennen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Annalena Baerbock, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Renteneinheit vollenden – Gleiches Rentenrecht in Ost und West Drucksachen 18/10862, 18/10039, 18/12584 c)   – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz) Drucksache 18/11926 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) Drucksache 18/12590 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12615 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Erwerbsminderungsrente stärken und den Zugang erleichtern Drucksachen 18/12087, 18/12590 Zu dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz der Bundesregierung, über das wir später namentlich abstimmen werden, liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in der Aussprache hat die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Lösekrug-Möller das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Jetzt wird wieder debattiert, (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) und zwar über ein Thema, das uns alle zentral berührt; denn eine verlässliche Altersversorgung ist Kernversprechen unseres Sozialstaats. Für eine Stärkung der Alterssicherung haben wir in dieser Wahlperiode bereits wesentliche Gesetze verabschiedet. Jetzt kommen zwei weitere. Erstens beenden wir die unterschiedliche Rentenberechnung in Ost und West. Zweitens verbessern wir die Absicherung bei Erwerbsminderung. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) 27 Jahre nach der deutschen Einheit scheint es doch wie aus der Zeit gefallen, dass die Renten bundesweit noch nicht einheitlich berechnet werden. Besonders in Berlin wird das deutlich: Wenn der Arbeitgeber in Friedrichshain sitzt, gilt der Rentenwert Ost. Geht man über die Brücke nach Kreuzberg, gilt der Rentenwert West. – Aber auch aus der Perspektive aller anderen Bundesländer zeigt sich, dass es Zeit ist für eine einheitliche Rentenberechnung in Ost und West. (Beifall bei der SPD) Der Rentenwert Ost nähert sich immer mehr dem Rentenwert West. Mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 kommt die Angleichung einen Riesenschritt voran. Der Rentenwert Ost steigt von 94,1 Prozent auf 95,7 Prozent des Westwertes. Nur zur Erinnerung: 1992 sind wir mit 62,3 Prozent gestartet. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Ich glaube, manche vergessen, welchen Weg wir hinter uns haben. Meine Damen und Herren, wegen der unterschiedlichen Lohnentwicklung in Ost und West wurden mit der Rentenüberleitung unterschiedliche Berechnungsgrößen eingeführt. Die deutlich geringeren Löhne im Osten sollten sich nicht auf Dauer nachteilig auf die Renten im Osten auswirken. Wenn sich der Rentenwert Ost an den Rentenwert West annähert, bedeutet das also, dass sich die Verdienste in Ost und West angleichen. Das ist ein gutes Zeichen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir wissen, dass das Lohnniveau in vielen Branchen mit Tarifverträgen bereits einheitlich ist. Da ist es auch Zeit für eine einheitliche Rente. Es bleibt dabei: Gute Löhne und eine hohe Tarifbindung sind Voraussetzung für gute Lebensverhältnisse und eine gute Rente, und zwar in Ost und West, wenn wir diesen Unterschied überhaupt noch machen wollen. Dafür setzen wir uns heute ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ost und West gibt es jedes Jahr mehr als 170 000 Menschen, die wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Diese Menschen sind besonders auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft angewiesen. Schon 2014 konnten wir die Leistungen durch das Rentenpaket spürbar verbessern. Jetzt erhöhen wir die zukünftigen Erwerbsminderungsrenten noch einmal deutlich; (Beifall bei der SPD) denn der Anteil der Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner, die zusätzlich auf Grundsicherung angewiesen sind, liegt deutlich höher als bei den Altersrenten. Wir verlängern die Zurechnungszeit für künftige Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner ein weiteres Mal: stufenweise von 62 auf 65 Jahre. Dadurch erwarten wir eine Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten um durchschnittlich 7 Prozent. Wir stärken also den Grundsatz „Wer hart gearbeitet hat und nach Unfall oder Krankheit nicht oder nur noch eingeschränkt weitermachen kann, muss sich auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft verlassen können“. Dafür sorgen wir mit diesem Gesetz. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben in dieser Wahlperiode wichtige Verbesserungen im Bereich der Rente umgesetzt. Heute vollenden wir die Renteneinheit in unserem Land und verbessern die Absicherung bei Erwerbsminderung noch einmal deutlich. Wenn wir zurückblicken, können wir sehen, dass wir gemeinsam viel erreicht haben für eine starke Alterssicherung in unserem Land, und darüber bin ich sehr froh. Erlauben Sie mir, diesem Dank noch ein ganz persönliches Dankeschön anzufügen. Dies ist nämlich meine letzte Gelegenheit, hier im Bundestag Danke zu sagen. Ich stelle ein Riesendankeschön in den Raum. Möge sich jede und jeder davon so viel nehmen, wie ihr oder ihm gebührt. (Heiterkeit) Ich verdoppele das dann. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Ihnen ebenfalls vielen Dank. – Sabine Zimmermann hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Wahlperiode neigt sich dem Ende zu, und wir müssen schon sagen, dass es im Hause Nahles eine große Betriebsamkeit gegeben hat. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Die hat es immer gegeben! Von Anfang an!) – Die hat es gegeben, aber mit welchem Ergebnis bitte schön: (Zuruf von der SPD: Mit guten Ergebnissen! – Katja Mast [SPD]: 40 Gesetze!) mit einem Mindestlohn, mit dem die Altersarmut garantiert ist, (Dagmar Ziegler [SPD]: Den Sie nicht haben wollten! Unglaublich! – Katja Mast [SPD]: Sie waren nicht für den Mindestlohn!) einer Regulierung der Leiharbeit, die für die meisten Leiharbeitskräfte keine wirksame Verbesserung bringt, (Dagmar Ziegler [SPD]: Sie wollen lieber gar nichts! – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Nicht regierungsfähig!) oder aber einem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das den Rückgang allgemeinverbindlicher Tarifverträge nicht aufhält. (Dagmar Ziegler [SPD]: Was haben Sie denn geleistet? Sie waren gegen den Mindestlohn! – Katja Mast [SPD]: Wer hat denn dem Mindestlohn nicht zugestimmt? – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das tut euch weh, was?) Sie sollten einmal schauen, was Sie hier in den letzten Jahren gemacht haben. Das bringt den Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und mit Niedriglohn leben müssen, nämlich überhaupt keine Verbesserung. Hier hat diese Bundesregierung auf der ganzen Linie total versagt. (Beifall bei der LINKEN) Genauso machen Sie es bei den beiden hier vorliegenden Gesetzentwürfen. Natürlich ist die Angleichung des Rentenwertes über ein Vierteljahrhundert nach der Wende längst überfällig. Sie haben es doch schon so viele Jahre versprochen, und unter den Vorgängerregierungen ist von Ihnen nichts getan worden. Jetzt sollen die Kolleginnen und Kollegen wieder acht Jahre länger warten. Das ist ungerecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für uns ist die ersatzlose Streichung der Hochwertung bzw. Umrechnung der Ostlöhne völlig inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN) Im Osten verdienen Vollzeitbeschäftigte immer noch 24 Prozent weniger als im Westen dieses Landes. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fast ein Viertel! – Gegenruf der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]: Stimmt doch gar nicht!) In Brandenburg, dem ostdeutschen Bundesland mit den höchsten Durchschnittslöhnen, wird im Monat immer noch durchschnittlich 500 Euro weniger verdient als in Schleswig-Holstein, wo von den Westländern am wenigsten verdient wird. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!) Das ist ungerecht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Der Umrechnungsfaktor für die Ostlöhne hat somit eine wichtige sozialpolitische Ausgleichsfunktion. Die kann man nicht einfach ersatzlos streichen. (Beifall bei der LINKEN) Das ist auch keine Bevorteilung der ostdeutschen Beschäftigten, (Dagmar Ziegler [SPD]: Doch! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) sondern ein Ausgleich dafür, (Dagmar Ziegler [SPD]: Dass sie unter Ihnen gelitten haben, müssen Sie jetzt sagen!) dass sie am Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt werden. Das ist ungerecht, und das muss sich ändern, liebe Kollegen von der SPD. (Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Dass Sie früher in der DDR regiert haben, ist ungerecht!) Jetzt hoffen Sie, dass die Angleichung der Löhne im Osten bis 2025 von selber kommt. Ja, glauben Sie das wirklich? Nein, Sie lassen die Menschen im Osten ein weiteres Mal im Stich und im Regen stehen. Das werden wir Linke nie hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Dass ausgerechnet Sie das sagen! Sie haben da doch 40 Jahre lang Misswirtschaft betrieben! – Dagmar Ziegler [SPD]: Dass Sie es wagen, so etwas zu sagen! Die kriegen jetzt wenigstens Westrente und keine DDR-Mark mehr! Das ist der Unterschied!) Genauso lassen Sie die Millionen Geringverdiener im Westen im Stich; da gibt es nämlich auch sehr viele. Die lassen Sie genauso im Regen stehen. Das kann so nicht weitergehen. (Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die auch höherwerten?) Eines will ich hier klarstellen, meine Damen und Herren: Für die Linke ist die Rentenüberleitung keineswegs abgeschlossen, wie Sie es im Titel des Gesetzentwurfes – er lautet „Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz“ – so schön formuliert haben. Wir bestehen darauf, dass die Überführungslücken bezüglich des DDR-Rentenrechts endlich geschlossen werden, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) zum Beispiel bei den Krankenschwestern, bei den Bergleuten, bei den mithelfenden Familienangehörigen und auch bei den in der DDR geschiedenen Ehefrauen. (Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der NVA auch! Das müssen Sie dazusagen!) Ich muss Ihnen sagen – wir reden heute ja auch über die Erwerbsminderungsrente –: Die Rente bei voller Erwerbsminderung lag 2015 bei 711 Euro und damit deutlich unter der Grundsicherung in Höhe von 756 Euro. Jede/jeder siebte erwerbsgeminderte Rentnerin/Rentner erhält zusätzlich Leistungen der Grundsicherung. Es ist ein echter Skandal, dass man in diesem Land in ärmliche Verhältnisse abrutscht, wenn man schwer erkrankt. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich? Menschen, die sich viele Jahre abgerackert haben, werden mit Minirenten abgespeist. Das ist Ihre unsoziale Politik der letzten Jahre. (Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das war in der DDR leider nicht anders!) Ihr Gesetz ändert daran überhaupt nichts. Bei Neuanträgen ab 2018 bekommen die Leute 4,58 Euro mehr – 4,58 Euro netto, das ist eine Demütigung –, und das, wenn überhaupt noch jeder zweite Antrag genehmigt wird; denn die meisten Anträge werden abgelehnt. Das kann so nicht weitergehen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb fordern wir: Die Abschläge müssen weg, auch für diejenigen, die schon jetzt in Erwerbsminderungsrente sind. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen auch Erleichterungen beim Zugang zur Erwerbsminderungsrente. Menschen, die sich kaputtgearbeitet haben, müssen abgesichert werden. Das ist für uns eine Frage des Anstands und der Würde. Genauso sollte es selbstverständlich sein, dass den Rotkreuzschwestern nicht länger elementare Arbeitnehmerrechte vorenthalten werden. Mit Ihrem Änderungsantrag verstoßen Sie eindeutig gegen EU-Recht. Das ist vollkommen inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss: Für uns Linke ist soziale Gerechtigkeit nicht nur etwas für Sonntagsreden. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: „Nicht nur“? Wo handeln Sie denn? Sie quatschen doch bloß! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zum Beispiel in Brandenburg, Thüringen und Berlin!) Sie muss sich auch ganz konkret in den Gesetzen widerspiegeln. Da ist bei Ihnen noch sehr viel Luft nach oben. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Und bei euch ist die Luft raus!) Deswegen sage ich natürlich auch an dieser Stelle: Soziale Gerechtigkeit kann es nur mit einer starken Linken geben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!) Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Zimmermann. – Als Nächstes spricht Karl Schiewerling von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Zimmermann, dafür, dass Sie relativ wenige Wähler haben und in Nordrhein-Westfalen sogar aus dem Landtag geflogen sind, machen Sie aber ganz schön viel Krach; das will ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich gehe auf Ihre Argumente deswegen nicht ein, weil Sie immer wieder mit derartig viel Leidenschaft so viele Dinge durcheinanderwerfen, dass es eine halbe Stunde brauchte, um Ihre falschen Aussagen so auseinanderzuziselieren, dass endlich deutlich wird, dass Sie den Leuten permanent Sand in die Augen streuen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na, na! Jetzt ist es aber gut, Herr Kollege! Eine Sachauseinandersetzung können wir hier jederzeit führen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verabschieden heute zwei weitere Gesetze im Bereich der Rente. Nachdem wir vorhin das Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet haben, geht es jetzt um die Erwerbsminderungsrente und die Angleichung der Ostrenten an die Westrenten. In dieser Legislaturperiode haben wir im Bereich der Rentenpolitik vieles auf den Weg gebracht: Mütterrente, Rente mit 63, Flexirente. Diese Koalition hat in dieser Legislaturperiode gemeinsam viel bewegt. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf wessen Kosten?) Ich glaube, dass es wichtig ist, einmal darauf hinzuweisen, dass es den Menschen im Land dank dieser Reformen besser geht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer zahlt die Zeche?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz greifen wir ein wenig in die ohnehin positive Entwicklung der Rentenanpassung ein. Frau Staatssekretärin Lösekrug-Möller hat vorhin die Zahlen genannt und gesagt, was sich alles im Laufe der Rentenüberleitung seit 1990 getan hat. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Rentenangleichung, nicht Rentenüberleitung! Von Rentenüberleitung steht in diesem Gesetz gar nichts drin!) Wir kommen von Ostrenten in Höhe von 40 Prozent gegenüber den Westrenten und sind in diesem Jahr bei 95,7 Prozent angelangt, weil die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der Löhne dazu geführt haben, dass die Anpassung nahezu automatisch vollzogen wurde. Mit diesem Gesetz, das wir verabschieden, machen wir der Bevölkerung in den neuen Bundesländern – die schon lange keine neuen Bundesländer mehr sind – klar: Wir wollen, dass die Anpassung bis 2024 endgültig erfolgt. Alles, was bis dahin aus wirtschaftlicher Kraft und durch positive Lohnentwicklungen geschieht, entlastet uns aber davon, mit zusätzlichen staatlichen Mitteln oder mit Beitragsmitteln dafür zu sorgen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Stand im Gesetzentwurf nicht drin!) Wir können stolz sein, dass wir die Erwerbsminderungsrente in dieser Legislaturperiode zum zweiten Mal verbessern. Für einen Durchschnittsrentner heißt das 80 Euro mehr. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In acht Jahren und nur für die Neuen!) Ich sage Ihnen: Das ist eine gute Entwicklung, die wir jetzt eingeleitet haben, und darüber bin ich froh. Gleichzeitig muss ich sehr deutlich sagen, dass es mich sehr betroffen macht, wie viele Menschen in relativ jungen Jahren – mit 48, 49 Jahren – in die Erwerbsminderungsrente gehen. Die Gründe sind häufig psychosomatische Erkrankungen. All diese Entwicklungen die dahinter stehen, machen uns sehr betroffen. Deswegen ist es richtig, dass wir das, was wir bei der Flexirente beschlossen haben, hier jetzt auch tatsächlich umsetzen, nämlich mehr Prävention, mehr Rehabilitation und die Stärkung des Einzelnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, ich will die Gelegenheit gerne nutzen und der Staatssekretärin Lösekrug-Möller an dieser Stelle und von ganzem Herzen für eine hervorragende Zusammenarbeit zu danken. Dass wir die vorliegenden Gesetze, das Bundesteilhabegesetz und viele andere Dinge in dieser Koalition so hinbekommen haben, verdanken wir dir, liebe Gabriele, deiner Fähigkeit zur Moderation, deiner Fähigkeit zum Ausgleich und all deinen Möglichkeiten, die du eingesetzt hast, um Menschen zusammenzuführen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu? Karl Schiewerling (CDU/CSU): Wir wissen, dass dein Platz nicht in erster Linie auf dem Sonnendeck der Politik, sondern mehr im Maschinenraum war. Offensichtlich hat dies aber dazu geführt, dass wir gut vorangekommen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte dir für all diese Dinge, für die gute Zusammenarbeit und für all das, was du an exzellentem Parlamentarismus vorbildlich gezeigt hast, von ganzem Herzen danken, und ich wünsche dir für die Zeit, die jetzt vor dir liegt, alles erdenklich Gute und Gottes Segen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Schiewerling. – Als Nächstes spricht der Kollege Markus Kurth von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Einsatz verpasst!) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe etwas gezögert, weil ich noch ganz gerührt von den Abschiedsworten von Karl Schiewerling war. – Auch von meiner Seite alles Gute, Gabriele. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Karl Schiewerling von der Union hat gerade noch einmal die Mütterrente, die Rente mit 63 und die Ost-West-Rentenangleichung aufgezählt, und er hat dies als Erfolge der Großen Koalition gelobt. Ich muss dazusagen – das hat er verschwiegen –: Es sind teure Maßnahmen zulasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Die Mütterrente und die Ost-West-Rentenangleichung sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, und wir alle hier wissen, dass dies nicht mit dem Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, sondern aus Steuermitteln hätte finanziert werden müssen. Das muss man klar sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr richtig!) In seiner schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung zur Ost-West-Rentenangleichung hat unser Sachverständiger vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – wahrhaft kein grüner Parteigänger – eindeutig gewarnt: Insbesondere ist eine noch stärkere Belastung der Versicherten angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Vereinheitlichung des Rentenrechts um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, abzulehnen. … Diese dürfte zu einem zusätzlichen Beitragssatzanstieg führen. Genau das wollen wir nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Insgesamt wird deutlich: Sie diskutieren angesichts der Überschüsse, des finanziellen Spielraums, den wir im Bundeshaushalt haben, über Steuersenkungen. Aber eine durchschnittliche vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von vielleicht 30 000 Euro zahlt kaum Steuern, aber sie zahlt vom ersten Euro an Sozialversicherungsbeiträge. Wir, Bündnis 90/Die Grünen – das haben wir auch in unserem Zehn-Punkte-Plan klargemacht –, wollen Familien und Geringverdiener bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlasten und nicht Steuergeschenke an Gutverdienende verteilen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist der Hauptgrund, warum wir dieses Gesetz ablehnen werden. Wir machen allerdings in unserem Antrag einen eigenen Vorschlag. Wir wollen die sofortige Anhebung des Rentenwertes Ost auf den Rentenwert West, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und wir wollen die sogenannte Umrechnung abschaffen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Einmal gut, einmal schlecht!) weil es Lohnunterschiede auch zwischen Emden und Herne auf der einen Seite und Stuttgart und München auf der anderen Seite gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 26 Jahre nach der deutschen Einheit muss mit der Mauer auch in der Sozialversicherung endlich Schluss sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei der Erwerbsminderungsrente stimmen wir dem Gesetz natürlich zu, weil es in die richtige Richtung geht. Aber natürlich bleibt eine offene Wunde: Aufgabe für die Zukunft ist die Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner entscheiden sich nicht freiwillig, in die Erwerbsminderung zu gehen, sondern die Gründe dafür sind ernsthafte gesundheitliche Folgen aufgrund von Arbeitsunfällen und Arbeitserkrankungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Wir müssen aber dringend noch einige Worte zu einer weiteren Regelung verlieren, die an dieses Gesetz in einer – ich will es so sagen – Nacht-und-Nebel-Aktion angehängt worden ist. 25 000 sogenannte Rotkreuzschwestern arbeiten ganz normal als Pflegekräfte. Sie sind Mitglied beim DRK. Sie arbeiten wie Leiharbeitnehmerinnen in Krankenhäusern und Kliniken, die nicht zum DRK, zum Deutschen Roten Kreuz, gehören. Sie werden dorthin abgestellt. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein!) Aber sie gelten nicht als Arbeitnehmerinnen. Sie haben als Beschäftigte keinerlei Rechte. Sie dürfen nicht streiken, sie haben keinen Kündigungsschutz, sie können keinen Betriebsrat wählen, und sie können kein Arbeitsgericht anrufen, wenn ihnen gekündigt wird. Das klingt nicht nur unglaublich. Das ist im 21. Jahrhundert unfassbar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege Kurth, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogler von der Linken zu? Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn es zu dem Sachverhalt DRK-Schwestern ist, bitte. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Kollege Kurth, dass Sie die Zwischenbemerkung zulassen. – Ich freue mich, dass Sie endlich diesen unglaublichen Sachverhalt transparent machen. Ich habe bei den Reden des Kollegen Schiewerling und der Parlamentarischen Staatssekretärin die ganze Zeit darauf gewartet, dass auch zu diesem Sachverhalt geredet wird; denn diese Regierungskoalition hat sich damit geschmückt, dass sie im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung angeblich etwas Gutes für die Menschen getan hat. Jetzt aber zieht die Regierung diese Regelung, die für uns ein Erfolg gewesen wäre, für diese 25 000 Menschen über Nacht per Handstreich zurück. Damit verstößt die Regierung auch gegen eindeutige Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofes, der erklärt hat, dass diese DRK-Schwestern, die bisher nicht als Mitarbeiterinnen und Angestellte behandelt wurden, sondern als Vereinsmitglieder dieser Schwesternschaften entsandt und Kliniken als Personal gestellt werden, in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!) Beispielsweise wird im Uniklinikum Essen mehr als die Hälfte der 2 000 Beschäftigten im Pflegedienst von der DRK-Schwesternschaft gestellt. Das heißt, im Kündigungsfall haben sie keinen Schutz. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, darauf würde ich gerne eingehen. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Sie können auch nicht das Arbeitsgericht anrufen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Kommen Sie bitte zur Frage. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Meine Fragen an Sie: Was können wir weiterhin dagegen tun, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz an dieser Stelle aufgebohrt wird? Ist das nicht ein Präzedenzfall für weitere Gruppen, sodass man befürchten muss, dass es nach und nach zu immer mehr Fällen kommt? (Beifall bei der LINKEN) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kollegin Vogler, leider hat Ihre Kollegin Sabine Zimmermann den Aspekt mit den DRK-Schwestern nur mit einem Satz gestreift, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber ein langer Satz!) weshalb Sie auf dem Weg einer Zwischenfrage diesen Redeteil nachholen mussten. Ich wäre auf diesen Aspekt in der mir verbleibenden Redezeit in der Tat noch weiter eingegangen. Der Punkt ist, dass nicht gegen das Urteil des EuGH verstoßen wird; es wird vielmehr ausgehebelt. Das ist der entscheidende Punkt. Der Europäische Gerichtshof hat aufgrund einer Klage von Mitgliedern der Schwesternschaft Essen entschieden, dass diese Art der Gestellung bzw. Abstellung de facto ein Leiharbeitsverhältnis ist. Das bedeutet, dass eigentlich auch die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gilt, die übrigens die Große Koalition und gerade die Sozialdemokratie erst im April als großen Durchbruch für Leiharbeitnehmer gefeiert hat. Kurzum: Nach 18 Monaten müssten diese Schwestern übernommen werden. Das ist auch eine glasklare Auslegung durch die Gerichte. Aus meiner Sicht skandalös ist, dass jetzt ein Sonderrecht nur für diese 25 000 DRK-Schwestern geschaffen wird und die Höchstüberlassungsdauer nur für diese Gruppe aufgehoben wird. Das ist wirklich außerordentlich, vor allen Dingen weil dies in einem sehr verkürzten Beratungsverfahren im Ausschuss zustande gekommen ist. Dass das jetzt noch manifestiert wird, halten wir schon für einen Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir wollen das natürlich abstellen. Das geht mit anderen politischen Mehrheiten und vor allen Dingen mit einer Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen an der nächsten Bundesregierung; denn das, was an dieser Stelle passiert ist, werden wir uns auf jeden Fall merken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, man kann es gerade der SPD an dieser Stelle nicht durchgehen lassen, dass offensichtlich auf Wunsch von DRK-Präsident Rudolf Seiters, früherer Bundesinnenminister, einer bestimmten Beschäftigtengruppe – das DRK wäre sonst die größte Leiharbeitsfirma Deutschlands; das haben wir in der Anhörung gehört – elementare Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte weggenommen werden. (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!) Mir war es noch einmal wichtig, auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer klarzumachen, dass in regulären Gesetzgebungsverfahren, auch wenn es um so zentrale Punkte wie die Ost-West-Rentenangleichung und die Erwerbsminderungsrente geht, manchmal schmutzige Dinge einfach mit angehängt und transportiert werden. Das gehört zu manchen Untiefen des parlamentarischen Betriebs. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes spricht Michael Gerdes von der SPD-Fraktion. Ich bitte, die Zeit im Auge zu behalten. Wir haben noch eine relativ lange Plenarsitzung vor uns. Es geht jetzt schon bis morgen früh 2 Uhr. (Beifall bei der SPD) Michael Gerdes (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer! Ich habe zwar nur drei Minuten und versuche auch, sie einzuhalten, aber bevor ich zum Inhalt dieser Debatte komme, gestatten Sie mir ein Wort zur Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller. Das war heute ihre letzte Rede hier im Haus. Wir schätzen unsere Parlamentarische Staatssekretärin für ihr diplomatisches Geschick, ihr ausgleichendes Wesen und ihre fachliche Kompetenz. (Beifall) Liebe Gabriele, du hast großes Einfühlungsvermögen. Das hast du uns in dieser Legislaturperiode nicht nur dadurch bewiesen, dass du Plenarreden zum Beispiel zum Teilhabebericht über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen in einfacher Sprache gesprochen hast. Das war definitiv ein Highlight. Liebe Gabriele, genieße den Ruhestand und bleibe gesund! Herzlichen Dank. (Beifall) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Thema Rentenüberleitung wird gleich die Kollegin Wolff reden. Es ist gut, dass wir heute erneut etwas für die erwerbsgeminderten Menschen tun. Wir verbessern die Leistungen, weil wir wissen, wie schwierig die finanzielle Lage derer ist, die aufgrund von Krankheit nicht mehr arbeiten können. Wir halten hier keine Wahlkampfrede. Hier geht es um jeden Euro für die Betroffenen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 4,58 Euro! Nur zur Erinnerung!) Die Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf hat uns in unserer Meinung bestätigt, lieber Kollege Birkwald: Es ist absolut notwendig, Verbesserungen herbeizuführen. Mit der Verlängerung der Zurechnungszeiten erreichen wir laut Deutscher Rentenversicherung eine Steigerung der Rentenzahlbeträge von circa 7 Prozent. Das ist zugegebenermaßen kein großer Sprung, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung bzw. ein Beitrag zur sozialen Absicherung. Mit der Verlängerung der Zurechnungszeiten beginnen wir bereits im nächsten Jahr. Die Koalition geht mit diesem Gesetz über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritte hinaus. Das ist ein gutes Zeichen für die Betroffenen und macht Hoffnung für künftige Problemlösungen. Unsere fleißige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat in ihrem Gesamtrentenkonzept deutlich gemacht, dass der Kampf gegen Altersarmut für die SPD eine zentrale Säule der Altersversorgung ist und immer war. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Erwerbsminderungsrente wird uns sicherlich auch in den kommenden Legislaturperioden beschäftigen, und trotz der guten Beschlüsse gibt es noch genügend Herausforderungen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!) Ich denke dabei zum Beispiel an die Zugänge zur Erwerbsminderungsrente. Da gibt es noch deutlich zu hohe Hürden. (Beifall der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Katja Mast [SPD]) Gleiches gilt für die jetzige Trennung zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung, die sich an der möglichen Zahl der Arbeitsstunden orientiert. Wie sind teilweise Erwerbsgeminderte eigentlich geschützt, und haben sie überhaupt Chancen am Arbeitsmarkt? Dann komme ich zum wichtigen Teil Reha. Sind die Potenziale im Rehabereich ausgeschöpft? Oder sollten die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stärker in den Fokus rücken? Wie minimieren wir Risikofaktoren, die zur Erwerbsminderung führen? Hier lohnt sich auf jeden Fall ein vertiefender Blick. Abschließend noch ein Wort zu den Mitfahrern dieses Omnibusgesetzes. Wir verlängern die aktuelle Regelung, wonach die Aufwandsentschädigung aus kommunalen Ehrenämtern keinen Einfluss auf den Hinzuverdienst bei Alters- und Erwerbsminderungsrenten hat. Damit stärken wir das politische Ehrenamt in den Gemeinden, Städten und Kreisen. Meine Hoffnung ist, dass wir in naher Zukunft zu einer dauerhaften Lösung in dieser Frage kommen. Herzlichen Dank und Glück auf! Ich habe die drei Minuten knapp eingehalten, Frau Präsidentin. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Michaela Noll: Perfekt. Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt spricht als Nächster der Kollege Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen in der Tat jetzt über vier weitere wichtige Regelungen vor allem rentenrechtlicher Art, nachdem wir schon mit großem Erfolg ein neues Betriebsrentenstärkungsgesetz verabschiedet haben. Der politisch wichtigste Punkt ist sicherlich: Wir schaffen endlich ein einheitliches Rentenrecht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal in welchem der Bundesländer sie zu Hause sind und arbeiten. Dazu wird meine Kollegin Jana Schimke nachher noch einmal profund im Einzelnen Stellung nehmen. Ich will nur nach den mehr als verwirrenden Äußerungen aus den Oppositionsfraktionen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na, na!) einmal Folgendes festhalten: Wenn Sie den Linken genau zugehört haben, dann wissen Sie, dass diese die Spaltung Deutschlands im Rentenrecht nicht beenden, sondern über Jahrzehnte weiter beibehalten wollen. Das ist der Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Völliger Unsinn, Kollege Weiß!) Wenn Sie Herrn Kurth von den Grünen genau zugehört haben, dann wissen Sie, dass diese in einem brutalen Akt auf einen Schlag dafür sorgen wollen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Osten Deutschlands, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, eine deutlich schlechtere Rente bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage: Wir aus der Koalition wollen beides nicht, sondern wir wollen einen möglichst schonenden Übergang finden, der in Schritten dazu führt, dass weder die einen zu viel verlieren noch die anderen ungerechtfertigt zu viel dazugewinnen. In Ost und West ein gemeinsames Rentenrecht in Schritten zu schaffen, ist der einzig vernünftige Weg. Im Hinblick auf das, was wir heute beschließen, kann man sagen: Das ist ein guter Tag für die deutsche Einheit. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die zukünftigen Rentner im Osten werden massiv niedrigere Renten bekommen!) Das zweite Wichtige ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir wollen noch einmal einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass Armutsgefährdung in der Rente abnimmt. Wir haben bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode Verbesserungen für eine Personengruppe beschlossen, die es in der Tat besonders schwer hat, nämlich für diejenigen, die wegen eines Unfalls oder Krankheit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und Erwerbsminderungsrente beantragen müssen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für die, die in Erwerbsminderungsrente sind, tun Sie gar nichts!) 16 Prozent der Angehörigen dieser Personengruppe kommen schon heute mit ihrem Einkommen nicht aus, sondern müssen Grundsicherung im Alter beantragen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege Weiß, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Bitte schön. Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Vielen Dank, Kollege Weiß, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben uns als Linksfraktion ja gerade vorgeworfen, dass wir über Generationen hinweg die Spaltung der Gesellschaft in Ost und West vorantreiben würden, wenn wir diesem Gesetz nicht zustimmen würden. Dazu habe ich zwei Fragen an Sie: Welche Botschaft haben Sie denn an die zukünftigen Generationen? Denn genau mit dem Gesetz, das Sie hier vorschlagen und zur Abstimmung stellen, treiben Sie die Spaltung voran. Sie treiben sie voran, indem Sie nämlich die Umrechnung der Löhne derjenigen, Menschen aus meiner Generation, die jetzt in Ostdeutschland arbeiten, sozusagen aufheben. Damit sorgen Sie dafür, dass die Spaltung und Ungleichheit auch in weiteren Generationen bestehen bleibt. Das wäre Frage Nummer eins. Frage Nummer zwei: Welche Botschaft richten Sie denn an jene Berufsgruppen, bei denen in Bezug auf die Rentenüberleitung immer noch Lücken vorhanden sind und wo die Ungleichheit nicht nivelliert bzw. aufgehoben wird? Welche Botschaft haben Sie für die Krankenschwestern, Kumpels in der Braunkohleveredlung sowie Menschen aus anderen Berufsgruppen, die bei der Rentenüberleitung bislang keine Berücksichtigung gefunden haben? (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nichts machen Sie da!) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Kollegin, interessant ist, dass aus Ihrer Zwischenfrage offensichtlich resultiert, dass Sie das DDR-Rentensystem für besonders gerecht halten. Das genaue Gegenteil ist der Fall. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Mit der Rentenüberleitung haben wir für alle Rentnerinnen und Rentner in Deutschland und vor allen Dingen für die Rentner in der ehemaligen DDR dafür gesorgt, dass ihre Renten deutlich angestiegen sind. Wenn wir das, was es in der DDR gegeben hat, umgerechnet hätten, dann hätte es Hungerrenten bis zum heutigen Tag gegeben. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ob Krankenschwester, Bergarbeiter oder was auch immer, letztendlich gewinnt jeder mit der Rentenüberleitung. Niemand verliert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was Sie vorschlagen, bedeutet, dass das, was ein Arbeitnehmer in seinem Arbeitsleben auf seinem Rentenkonto im Osten angesammelt hat, höher bewertet wird (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, umgerechnet! So steht es im Gesetz!) als das, was ein Arbeitnehmer im Westen auf seinem Rentenkonto angesammelt hat. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil der 24 Prozent weniger hat!) Aber bei beiden soll mit dem gleichen Euro-Betrag multipliziert werden. Was bedeutet das? Wenn zwei Personen – der eine im Osten, der andere im Westen – die gleiche Berufsbiografie haben und zum Beispiel in einem Bereich arbeiten, in dem die Löhne mittlerweile angeglichen sind – das gibt es –, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber das sind nur ganz wenige, Herr Weiß!) bekommt derjenige im Osten über Jahrzehnte eine höhere Rente als derjenige im Westen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist nicht die Mehrheit!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Lassen Sie bitte den Redner die Frage beantworten. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das kann im Osten wie im Westen niemand für gerecht halten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein, der seit fast 70 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland lebt, ist es gewohnt, dass er leider im Schnitt 25 Prozent weniger verdient als ein Arbeitnehmer bei mir zu Hause in Baden-Württemberg. Aber der Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein hat sich über das Rentenrecht in Deutschland, das sowohl in Baden-Württemberg als auch in Schleswig-Holstein gilt, noch nie beschwert. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Doch! Natürlich!) – Außer Frau Kollegin Hiller-Ohm. – Kurzum: Ihre Berechnungen gehen nicht auf; denn sie führen zu neuer Ungerechtigkeit. Aber wir wollen keine neue Ungerechtigkeit, sondern ein gerechtes Rentensystem für alle in Deutschland. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es wird nicht besser, wenn Sie das immer wieder wiederholen!) Nun zurück zur Erwerbsminderungsrente. Bei der Erwerbsminderungsrente legen wir, obwohl wir das schon einmal getan haben, noch etwas obendrauf. Bereits die ersten Maßnahmen haben gewirkt. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente in Deutschland steigt wieder an. Heute beschließen wir weitere drei Jahre Zurechnungszeit. In diesem Zusammenhang kommen wir auch auf die Abschläge zu sprechen. Früher gab es keine Abschläge, allerdings gab es Zurechnungszeiten nur bis zum 55. Lebensjahr. Dank des Gesetzes, das wir heute beschließen, wird die Grenze für Zurechnungszeiten um zehn Jahre auf das 65. Lebensjahr angehoben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ab 2025, noch acht Jahre hin!) Die Fachleute haben in der Anhörung gesagt, dass man nur eines von beiden machen kann, nämlich entweder Abschläge abschaffen oder Zurechnungszeiten anheben. Das, was wir machen, nämlich zehn Jahre mehr Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente, ist deutlich besser, als Abschläge abzuschaffen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Noch acht Jahre!) So kommt mehr heraus. Deswegen ist das Gesetz richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das bleibt alles unter Sozialhilfegrenzen, Mann, Mann!) Nun ändern wir in der Tat noch das DRK-Gesetz wegen der Rotkreuzschwestern. Ich halte das, was gesagt wurde, für schlichtweg unterirdisch. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, das stimmt, was Sie gesagt haben!) Nicht das Gesetz, das wir machen, sondern die Art und Weise, wie die Opposition über die Rotkreuzschwestern in unserem Land redet, ist ein Skandal. (Beifall bei der CDU/CSU) Es handelt sich hier um Mitbürgerinnen, die sich freiwillig in einer Schwesterngemeinschaft zusammengeschlossen haben – man kann also austreten, wenn man will – (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die sich an uns gewandt haben, weil Sie sie so behandeln!) und die genau das wollen, was wir nun in das Gesetz hineinschreiben. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben sie dann geklagt?) Die Rotkreuzschwestern leisten Großartiges in den Sozial- und Gesundheitseinrichtungen unseres Landes. Sie wollen die Regelungen, die wir jetzt gesetzlich festlegen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) Es ist ein Skandal, wie die Opposition über die DRK-Schwestern redet. Wir stehen mit dem, was wir hier beschließen, an der Seite des Roten Kreuzes und der DRK-Schwestern. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind Fake News, Herr Weiß, was Sie hier machen! Das ist kontrafaktisch, was Sie hier machen!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege Weiß, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu? Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ja. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, Herr Kollege Weiß, dass ich noch schnell eine Frage stellen kann. – Sie haben eben gesagt, das Rote Kreuz wolle das so haben. Auf der anderen Seite ist es so, dass engagierte DRK-Schwestern aus Essen ein Urteil beim Europäischen Gerichtshof erstritten haben. (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Verdi!) – Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln; so war es. – Das Urteil besagt, dass die DRK-Schwestern, obwohl sie hier in Deutschland immer noch nicht als Arbeitnehmerinnen gelten, aber als Leiharbeitskräfte gelten und dass damit eine dauerhafte Gestellung nicht erlaubt ist. Gerade die DRK-Schwestern in Essen haben sich darüber sehr gefreut, weil sie sehr große Hoffnungen haben, dass die Reform des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz und insbesondere die Einführung der Höchstüberlassungsdauer dazu führt, dass sie tatsächlich irgendwann übernommen werden, dass sie endlich einen echten, regulären Arbeitsvertrag bekommen, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) dass sie endlich Arbeitnehmerinnenrechte bekommen wie alle anderen Beschäftigten in Deutschland auch; mein Kollege hat es vorhin ausgeführt. Wie passt das zusammen? Ich muss auch noch Sie ganz persönlich fragen: Finden Sie es wirklich gerecht, dass DRK-Schwestern, die ganz normal in Kliniken fürsorglich arbeiten, die ganz normal qualifiziert sind, keine Arbeitnehmerinnen sind? Ist das im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Kollegin Müller-Gemmeke, ich hatte bisher immer angenommen, dass vor allem die grüne Partei, der Sie angehören, für die Vielfalt von Lebensentwürfen und deren Berücksichtigung plädiert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr schwach! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Entschuldigung. – Es ist schon etwas Besonderes, wenn man sich entscheidet, sich einer katholischen Ordensgemeinschaft oder den evangelischen Diakonissen anzuschließen. Genauso ist es etwas Besonderes, wenn man sich der DRK-Schwesternschaft anschließt und sagt: Ich will nicht als einzelne Arbeitnehmerin, sondern in einer Gemeinschaft den Dienst und die Arbeit in einer sozialen Einrichtung verrichten. – Das ist der Punkt. Das ist eine freiwillige Entscheidung. Dazu ist niemand gezwungen worden. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Urteil?) Zum Zweiten. Die Leitungen dort werden auf demokratische Art und Weise bestellt. Ich habe mit der Leitung der DRK-Schwestern auf Bundesebene und genauso mit der Leitung der DRK-Schwestern auf lokaler Ebene gesprochen. Ich muss Ihnen sagen: Die Vertreterinnen der DRK-Schwesternschaft haben von mir als Abgeordnetem und von uns als Bundestag genau das gefordert, was wir in den heute vorliegenden Gesetzentwurf geschrieben haben. Ich finde, die Frauen, die sich freiwillig in dieser Schwesterngemeinschaft zusammentun und einen speziellen Dienst leisten, haben unseren ganzen Respekt und unsere Unterstützung und Anerkennung verdient. Darum geht es bei dieser gesetzlichen Neuregelung. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war keine Antwort! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Lass Sie doch machen! Die kannst du sowieso nicht überzeugen!) Ein letzter Punkt, den wir mit diesem Gesetz regeln. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland würde nicht funktionieren, würde nicht lebendig bleiben, wenn wir nicht viele Männer und Frauen finden würden, die bereit sind, ehrenamtlich das Amt eines Bürgermeisters oder eines Ortsvorstehers auszuüben. Weil diese Damen und Herren all das auf sich nehmen, was mit einem solchen Amt verbunden ist, nämlich jeden Tag den Kopf hinzuhalten, jeden Tag für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger da zu sein, jeden Tag für Bürgersprechstunden und Vor-Ort-Termine zur Verfügung zu stehen, sich intensiv um das Wohl der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden zu kümmern, ist es richtig, dass wir die Aufwandsentschädigung für ein solches Ehrenamt ganz besonders behandeln. (Michael Gerdes [SPD]: So ist das!) Wir verlängern deshalb heute eine Übergangsregelung bei der Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, ehrenamtliche Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen, dass wir in einer lebendigen Demokratie gerade auf der kommunalen Ebene auch in Zukunft darauf angewiesen sind, dass Männer und Frauen sich ehrenamtlich für solche Funktionen zur Verfügung stellen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ihnen gelten unser Respekt und unsere Unterstützung. Auch deswegen Ja zu unserem Gesetzesvorschlag. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als Nächstes spricht die Kollegin Waltraud Wolff von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man könnte sagen: Eine unendliche Geschichte findet heute ihr Ende. – Ich bin froh darüber; denn seit 1998, seit ich diesem Haus angehöre, habe ich mich für ein einheitliches Rentenrecht eingesetzt. Es ist immer suggeriert worden: Mit dem geringeren Rentenwert im Osten haben die Menschen das Gefühl, auch ihre Lebensleistung sei geringer. – Dem ist eben nicht so. Darum ist heute ein guter Tag. Ich glaube, es ist gut, dass wir dieses ungelöste sozialpolitische Thema heute hier beenden. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele haben schon nicht mehr daran geglaubt. Ehrlich gesagt, ich habe auch gedacht: Wir bekommen das ein bisschen eher hin. – Fakt ist: Es gab über die Jahre viele Widerstände, nicht nur hier im Haus, auch in den Ländern. Deshalb danke ich ausdrücklich unserer Ministerin Andrea Nahles, die bei dem Thema in dieser Legislaturperiode bei der Stange geblieben ist. (Beifall bei der SPD) Einen ganz besonderen Dank möchte ich der Beauftragten für die neuen Länder, Iris Gleicke, sagen, die seit vielen Jahren das Thema „Rentenangleichung Ost“ immer und immer wieder vorangebracht hat. (Beifall bei der SPD) Bei aller Erleichterung darüber, dass nach diesem Beschluss alles seinen Gang gehen wird, bleiben zwei Wermutstropfen. Der erste ist der Zeitpunkt 2025 statt, wie wir das wollten, 2020, und das Ganze in sieben Schritten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Erste von der Koalition, die das erkennt!) Der zweite Wermutstropfen ist: Der größte Teil wird beitragsfinanziert sein. – Wir wollten, dass die Regelung des letzten Themas im Zusammenhang mit der deutschen Einheit steuerfinanziert wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da muss ich zugeben: Das haben wir, die SPD, nicht geschafft. Trotzdem ist es eine gute Sache, dass wir das Thema heute vom Tisch bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß auch, dass wir mit diesem Rentengesetz nicht alle Probleme der Rentner im Osten lösen können. Wir können die unterschiedlichen Erwerbsbiografien und auch die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen nicht über den Rentenwert ausgleichen; das geht einfach nicht. Auch die Ungerechtigkeiten für die unterschiedlichsten Berufsgruppen – in jeder Legislaturperiode sind von den Linken dazu Vorschläge zur Abstimmung gebracht worden – können wir nicht über das Rentensystem beseitigen. Unser Vorschlag liegt seit Jahren auf dem Tisch. Wir haben immer einen Härtefallfonds gefordert. Über einen solchen Fonds kann man Problemfälle, die auch über die Rentenangleichung nicht gelöst werden können, besserstellen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immerhin!) Auch hier bleiben wir, die SPD, dran. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden hier im Bundestag und auch in den nächsten Monaten im Wahlkampf noch viel über die Rente streiten. Aber heute freut es mich erst einmal, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!) dass wir die Rentenüberleitung abschließen. Das kommt jetzt ins Gesetz. Wir stimmen heute namentlich darüber ab. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, hier können Sie sich uns anschließen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie können zeigen, dass Sie, wenn es darum geht, die Ungerechtigkeiten, die die Menschen im Osten heute noch empfinden, abzubauen, mit uns stimmen, um hier ein Stück Gerechtigkeit herzustellen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr schickt die zukünftigen Rentner in die Altersarmut!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als letzte Rednerin in dieser Debatte spricht jetzt Jana Schimke von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Jana Schimke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als letzte Rednerin in dieser denkwürdigen Debatte mache ich fürs Erste gerne einen Punkt an einem Tag, der noch viele andere Meilensteine mit sich brachte und vor allen Dingen auch viele Verbesserungen bzw. Veränderungen für die Menschen vor Ort. So haben wir heute Morgen die Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Damit wird endlich das möglich, was man als aktiver Wahlkreisabgeordneter doch immer wieder schwerlich vermisst hat, nämlich dass sichergestellt ist, dass Bundesgeld auch dafür verwendet wird, wofür es letztendlich gedacht ist. Zu oft kommt Bundesgeld durch aufgeblähte Richtlinien mit praxisfernen Fördertatbeständen schlichtweg nicht mehr vor Ort an. Das wird sich jetzt ändern. Wer bezahlt, muss auch entscheiden können, was am Ende gekauft wird. Meine Damen und Herren, das soeben beschlossene Betriebsrentenstärkungsgesetz ist zweifelsohne der zweite Meilenstein dieses Tages. Mit deutlich verbesserten Fördermöglichkeiten bei der bAV sowie dem Abbau von Bürokratie schaffen wir Alternativen gegenüber den andauernden Auswirkungen der Niedrigzinsphase. Der dritte Meilenstein dieses Tages ist der Abschluss der Rentenüberleitung. Damit schließen wir nach 27 Jahren eines der letzten Kapitel deutsch-deutscher Einigungsgeschichte ab. Und wir halten ein Versprechen, das die Menschen seit der Wiedervereinigung umtreibt und das ihnen schon lange gegeben wurde: die Einheit eben nicht nur durch den Wegfall ehemaliger Grenzen, sondern eben auch durch die gleichen sozialrechtlichen Standards zu vollziehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es verwundert deshalb nicht, dass die Einigung auf den hier vorliegenden Fahrplan relativ zügig erfolgte. Auch unter uns Abgeordneten war und ist der Wunsch, hier zu einem Abschluss zu kommen, natürlich sehr groß und weit verbreitet. Auch die Sachverständigenanhörung im Ausschuss zeigte, dass die Deutsche Rentenversicherung, die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften und die Rentenexperten aus der Wissenschaft einen Abschluss der Rentenüberleitung jetzt für notwendig gehalten haben. Es gibt in dieser Frage, meine Damen und Herren, aber auch noch einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: Gegenstand der Rentenüberleitung der letzten 26 Jahre war immer, Gerechtigkeit bestmöglich abzubilden und damit das Zusammenwachsen beider Landesteile schnellstmöglich voranzutreiben. Das konnte durch die Besserstellung der ostdeutschen Arbeitnehmer bei der Rentenberechnung geschehen, und so werden die ostdeutschen Löhne auch heute noch um 14 Prozent hochgewertet. Nur im Unterschied und einem differenzierten Rentenrecht lag die Chance auf eine gerechte Sozialpolitik und eine gemeinsame Zukunft. Deshalb dürfen wir stolz darauf sein, dass es die Väter und Mütter der Wiedervereinigung waren, die 1991 die Grundlage für die heute nahezu vollständig erreichte Rentenwertangleichung geschaffen haben. (Beifall des Abg. Jens Koeppen [CDU/CSU]) Dies gelang durch ein hohes Maß an Solidarität und natürlich auch durch viel Eigenleistung. Denn eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem Aufbau Ost begann und die sich heute durch viele Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern sowie durch die Gründung einer Vielzahl kleiner und mittelständischer Betriebe fortsetzt, trägt maßgeblich zur Höhe der Renten in unserem Land bei. Die letzten Jahre waren dafür das beste Beispiel. (Unruhe) Vizepräsidentin Michaela Noll: Liebe Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit. Jana Schimke (CDU/CSU): Seit 2012 stiegen die Renten um annähernd 20 Prozent. Der Rentenwert Ost steigt noch in diesem Jahr auf 95,7 Prozent und damit um 1,6 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres. Damit haben wir die erste Stufe des noch zu beschließenden Gesetzes schon quasi erreicht. Meine Damen und Herren, genau so soll es eben auch sein. Dieses Gesetz ist eine Vorsorgemaßnahme und soll auch so verstanden werden. Wenn es der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und einer schnelleren Angleichung dient, dann ist das gut und richtig. Die im Gesetz festgeschriebene Vergleichsprüfung stellt sicher, dass am Ende immer die für die Menschen bessere Regel Anwendung findet. Meine Damen und Herren, nicht nur heute, am Internationalen Kindertag, müssen wir die Folgen unseres Handelns im Sinne künftiger Generationen bedenken, gerade auch in Fragen der Rentenpolitik. Natürlich haben wir bei der Rentenwertangleichung über viele verschiedene Modelle beraten, stets mit dem Anspruch, die Interessen der heutigen und kommenden Rentnergenerationen zu berücksichtigen. Die heute vorliegende Variante ist allerdings das beste Ergebnis davon. Sie ist für uns als Union die gerechteste und bestmögliche Lösung. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Weitsicht vermisse ich bei den Gegenvorschlägen, insbesondere der Linken. Sie betreiben nichts anderes als Rosinenpickerei. Ein einheitliches Rentenrecht muss natürlich zur Folge haben, dass einstige Sonderregelungen wie beispielsweise der Hochwertungsfaktor abgeschafft bzw. abgebaut werden – Stück für Stück –, sonst wäre es eben keine Renteneinheit. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht alles auf einen Schlag!) Schon deshalb stößt der Antrag der Linken, den Hochwertungsfaktor bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortzuführen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Gesetz steht „Umrechnung“, nicht „Hochrechnung“!) an verfassungsrechtliche Grenzen. Und es würde den Beitrags- und Steuerzahler künftig noch mehr kosten als prognostiziert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur den Steuerzahler!) Nachdem wir heute einen wichtigen und abschließenden Schritt bei der Schaffung einheitlicher Regeln im Rentenrecht gegangen sind, stellt sich nun die Frage: Ist jetzt alles gleich? Ich würde sagen: Nein, das ist es nicht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) Ich bin mir der Unterschiede der neuen Bundesländer gegenüber den Regionen in den alten Bundesländern sehr wohl bewusst. Bei uns in Brandenburg – das kann ich Ihnen auch ehrlich sagen – liegt das natürlich zu einem Großteil an der rot-roten Landesregierung. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eine gute Landesregierung!) Es liegt vor allen Dingen aber auch daran, dass wir im gesamtdeutschen Wettbewerb noch immer nicht dort stehen, wo wir eigentlich stehen sollten. Deshalb kommt es künftig darauf an, weiterhin für Wachstum und Innovation im ganzen Land zu arbeiten. Vielleicht bedarf es dann künftig einmal nicht mehr des Berichts zum Stand der Deutschen Einheit, weil es dann nicht mehr solche Unterschiede gibt, wie wir sie heute immer noch zu verzeichnen haben. Wir, die Union, meine Damen und Herren, haben dafür die richtigen Konzepte und die nötige Weitsicht. Haben Sie vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Schimke. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf über den Abschluss der Rentenüberleitung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12584, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11923 in der Ausschussfassung anzunehmen. Die Fraktion Die Linke hat beantragt, über den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung getrennt abzustimmen, und zwar zum einen über Artikel 9a – Änderung des DRK-Gesetzes – und zum anderen über den Entwurf im Übrigen. Ich rufe zunächst Artikel 9a in der Ausschussfassung auf. Ich bitte nun diejenigen, die Artikel 9a des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Artikel 9a ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe nun die übrigen Teile des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die übrigen Teile des Gesetzentwurfes sind mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Alle Teile des Gesetzentwurfes sind damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD namentlich ab. Ich erlaube mir den Hinweis: Es sind zwei Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages abgegeben worden.13 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Ich eröffne die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.14 Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12618. Wer stimmt für den Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Tagesordnungspunkt 12 b. Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/12584 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10862 mit dem Titel „Renteneinheit verwirklichen – Lebensleistung anerkennen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10039 mit dem Titel „Renteneinheit vollenden – Gleiches Rentenrecht in Ost und West“. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Gibt es Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 12 c. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12590, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11926 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie eben angenommen. Tagesordnungspunkt 12 d. Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/12590 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12087 mit dem Titel „Die Erwerbsminderungsrente stärken und den Zugang erleichtern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a bis 13 c sowie Zusatzpunkt 7 auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen Drucksache 18/12107 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Petitionsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die solidarische Mindestrente einführen Drucksachen 18/10891, 18/12434 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System Drucksachen 18/10471, 18/8610, 18/7371, 18/11222 ZP 7 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesamtkonzept Alterssicherung – Verlässlich, nachhaltig, solidarisch und gerecht Drucksachen 18/12098, 18/12586 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Kollegen Matthias Birkwald von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst begrüße ich Frau Barbara Riechert und ihre Mitstreiterinnen vom Verein der in der DDR geschiedenen Frauen e. V. ganz herzlich auf der Besuchertribüne. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese bemerkenswerten Frauen haben vor dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau recht bekommen. Dieser UN-Ausschuss fordert den Gesetzgeber – also uns – auf, ein staatliches Entschädigungssystem zur Ergänzung der Renten von in der DDR geschiedenen Frauen zu errichten. Die SPD-Kollegin Kolbe hat das in einer Presseerklärung zum Internationalen Frauentag aufgegriffen. Ich sage mal: Falls die SPD nach der Wahl noch regieren sollte und falls sie dann diese Forderung vergessen sollte, werden wir sie daran erinnern. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dieses Unrecht und diese Diskriminierung der in der DDR geschiedenen Frauen schnell beenden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun zu unserem Rentenkonzept. Das Rentenkonzept der Linken umfasst elf Bausteine. Jeder dieser elf Bausteine dient den zwei Zielen unserer Rentenpolitik: Erstens soll die gesetzliche Rente wieder den einmal erreichten Lebensstandard angemessen sichern, und zweitens soll niemand im Alter in Armut leben müssen. (Beifall bei der LINKEN) Die zwei wichtigsten Bausteine stelle ich Ihnen jetzt vor. Zum Jahrtausendbeginn haben SPD, Grüne und die Union das Rentenniveau in den Sinkflug geschickt. Meine Damen und Herren, dieser Sinkflug muss in einem ersten Schritt gestoppt werden. (Beifall bei der LINKEN) Und wie? Die Linke will die unsäglichen Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel streichen. Zweitens muss das Rentenniveau dringend wieder auf die lebensstandardsichernden 53 Prozent angehoben werden, (Anja Karliczek [CDU/CSU]: Nein!) also auf das Niveau des Jahres 2000. (Beifall bei der LINKEN) Dann erhielte eine Kölner Erzieherin mit einem Bruttogehalt von circa 3 100 Euro nach 45 Jahren Arbeit 130 Euro mehr Rente – netto! Diese Frau müsste dann für eine lebensstandardsichernde Alterssicherung – wie auch ihre Arbeitgeberin – nur 32 Euro mehr in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Ja, heute!) Da sage ich: Das muss doch drin sein. (Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wann war das? Im Jahr 2000?) – Jetzt. Im Jahr 2030 wären es 92 Euro. Dann, sagt die Ministerin, würden aber auch schon 4 337 Euro durchschnittlich verdient. Das alles kann man berechnen. Es ist auf jeden Fall günstiger als Ihr Dreisäulensystem. – Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die Anhebung des Rentenniveaus ist finanzierbar. Sie ist der richtige Weg, damit wieder gilt: Die Rente muss zum Leben reichen. (Beifall bei der LINKEN) Was fordert die Linke außerdem? Erstens. Wir wollen Zeiten niedriger Löhne und der Erwerbslosigkeit deutlich besser in der Rente anerkennen, wir wollen die sogenannte Mütterrente erhöhen, und wir wollen bei Erwerbsminderungsrenten die Abschläge abschaffen (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Kostet noch mal 6 Milliarden!) und die Rente verbessern, und zwar nicht, wie Sie es wollen, erst 2025, sondern schon heute. Das soll auch für die Menschen gelten, die schon eine Erwerbsminderungsrente beziehen. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Wir wollen, dass für alle Erwerbseinkommen Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt werden, und wir wollen, dass auch auf hohe Erwerbseinkommen Rentenbeiträge gezahlt werden müssen. Drittens. Statt Riester und schlechter betrieblicher Altersvorsorge wollen wir gute Betriebsrenten, und wir wollen, dass alle Arbeitgeber und alle Beschäftigen bis zu einer Grenze freiwillig zusätzliche Beiträge auf ihr persönliches Rentenkonto einzahlen können. Viertens. Wir wollen die Rente erst ab 67 abschaffen und die Ostrenten deutlich schneller und vollständig steuerfinanziert an das Westniveau angleichen. (Beifall bei der LINKEN) Fünftens. Wenn das alles nicht reicht, um Menschen eine existenzsichernde Rente im Alter zu sichern, dann, und nur dann, sollen über 65Jährige einen Zuschlag auf ihre Alterseinkommen erhalten, der ihnen nicht nur das Überleben, sondern ein würdevolles Leben ohne Altersarmut ermöglicht. (Beifall bei der LINKEN) Damit niemand im Alter von weniger als 1 050 Euro netto leben muss, wollen wir eine von der Rentenversicherung auszuzahlende einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente einführen, die als Zuschlag gezahlt wird, zum Beispiel auf eine kleine Rente. (Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Dann wären wir bei über 60 Milliarden Euro! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist eine kleine Rente wie in der DDR!) Wer also wegen Krankheit, Leiharbeit, eines viel zu niedrigen gesetzlichen Mindestlohns oder wegen Teilzeitarbeit und Kindererziehung beispielsweise nur eine Rente von 800 Euro erhielte, bekäme von der Rentenversicherung einen steuerfinanzierten Zuschlag von 250 Euro. – Die 1 050 Euro entsprechen übrigens exakt der Armutsrisikogrenze des Sozio-oekonomischen Panels für einen Einpersonenhaushalt im Jahr 2014. Wir meinen es ernst mit dem Kampf gegen Altersarmut. Deshalb darf die exakt berechnete Armutsschwelle von 1 050 Euro nicht unterschritten werden. (Beifall bei der LINKEN) Bei der Vermögensprüfung bleiben bis zu 68 750 Euro anrechnungsfrei, damit die Menschen bis weit in die Mittelschicht keine Angst vor Altersarmut haben müssen. Auch Menschen mit kleinen Renten sollen nicht gezwungen werden, ihre Häuser oder ihre Wohnungen zu verlassen. Deshalb wollen wir selbstgenutzte Wohnungen oder Häuser bis zu 130 Quadratmeter nicht berücksichtigen. (Beifall bei der LINKEN) Und ich sage Ihnen: Die solidarische Mindestrente ist finanzierbar. Dazu muss sich allerdings etwas ändern: Wenn das Rentenniveau wieder bei 53 Prozent und der gesetzliche Mindestlohn bei armutsfesten 12 Euro läge, wenn Frauen jederzeit von Teilzeit in Vollzeit zurückkehren dürften und für Geringverdienende die Rente nach Mindestentgeltpunkten gälte, es keine Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten gäbe und manches mehr, dann prophezeie ich Ihnen, dass die Zuschläge der solidarischen Mindestrente mit einem einstelligen Milliardenbetrag zu finanzieren wären. Liebe Bundesregierung, hören Sie auf, Steuergelder für Riester, für Rüstung oder für Reiche zu verpulvern. Das Mindeste im Alter sind 1 050 Euro im Monat, und das garantiert nur die solidarische Mindestrente der Linken. (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Kommen über 100 Milliarden Euro zusammen!) Die Garantierente der Grünen würde die Grundsicherung im Alter nur um ein paar Euro anheben: von durchschnittlich 804 Euro auf gerade einmal 830 Euro. Das ist nur weiße Salbe. Nein, in diesem reichen Land darf niemand von weniger als 1 050 Euro leben müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Ihnen kurz das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) mitteilen: abgegebene Stimmen 566. Mit Ja haben gestimmt 462, mit Nein haben gestimmt 56, Enthaltungen 48. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 566; davon ja: 462 nein: 56 enthalten: 48 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Carola Stauche Dr. Frank Steffel Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Marco Bülow Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Fraktionslos Erika Steinbach Nein BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Enthalten SPD Klaus Barthel Dirk Heidenblut DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) Wir können die Debatte fortsetzen. Als Nächstes spricht der Kollege Albert Weiler von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. h. c. Albert Weiler (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach Birkwalds Märchenstunde wollen wir wieder zur Realität kommen. (Beifall bei der CDU/CSU) – Danke schön. – Wer sein Leben lang gearbeitet und damit einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft geleistet hat, muss im Alter abgesichert sein. Deshalb müssen wir – da sind wir uns alle einig – Altersarmut verhindern. Das muss das Ziel eines nachhaltigen Altersvorsorgesystems in Deutschland sein. Dazu müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die den Menschen Sicherheit geben, damit niemand Angst davor haben muss, dass seine Rente im Alter nicht ausreicht. Wir haben in dieser Legislatur bereits wichtige Verbesserungen unseres Rentensystems auf den Weg gebracht – ich will ein paar aufzählen –: die Ausweitung der Mütterrente, die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, wir haben die Flexirente eingeführt, wir haben die Angleichung der Renten in Ost- und Westdeutschland beschlossen, wir stärken die Renten durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz und, und, und. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir haben unser bestehendes Rentensystem nachhaltig gestärkt und unsere Hausaufgaben ernst genommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Höhe der Renten hat sich sehr positiv entwickelt: in den Jahren 2014 bis 2017 um bis zu 15 Prozent. Die gesetzliche Rentenversicherung steht gut da. Dies liegt auch an der sehr guten Beschäftigungslage und den mittlerweile rund 45,2 Millionen erwerbstätigen Menschen in Deutschland. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn die alle Beiträge zahlen würden, wäre es noch besser!) Das ist eine der höchsten Beschäftigungsquoten in Europa. Gleichzeitig sank die Zahl der Arbeitslosen auf weniger als 2,5 Millionen. Das gab es seit 1990 noch nie. Die von Angela Merkel geführte Bundesregierung schafft durch ihre beständige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sehr gute und verlässliche Rahmenbedingungen. Die Linke torpediert mit ihren Anträgen unser Drei-Säulen-Modell und schwächt damit unser bewährtes System. Präsentieren Sie doch bitte Vorschläge, die unser System stärken, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Machen wir doch!) und stellen Sie nicht immer alles grundsätzlich infrage. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das tun wir doch gar nicht! Wir haben sogar bei der Erwerbsminderungsrente zugestimmt, Herr Kollege!) Ihre Anträge sind ein Überbietungswettbewerb der Versprechungen. Sie lassen an der Ernsthaftigkeit Ihrer Vorschläge stark zweifeln. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Quatsch!) Sie befinden sich ausschließlich im Wahlkampfmodus und sind an konstruktiver Parlamentsarbeit überhaupt nicht mehr interessiert. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämtheit! Keine Ahnung von Rentenpolitik haben und dann das hier ablassen!) Angesichts des demografischen Wandels schaffen wir Lösungen für eine nachhaltige Finanzierung der Renten. Sie reden alles schlecht und stellen sich als göttliche Heilsbringer dar. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben überhaupt kein einziges Argument genannt! Reden Sie mal zur Sache!) Zur Frage der Finanzierung liefern Sie hier wieder einmal nichts. Die Kosten auf die nächste Generation abzuschieben, lehne ich persönlich ab. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unsinn! Das kann ich Ihnen alles vorrechnen! Das verstehen Sie wahrscheinlich nicht! Also echt!) Ein umlagefinanziertes System erfordert Solidarität in beide Richtungen; sonst verliert es an Akzeptanz. Durch Ihren willkürlichen Umgang mit den Beiträgen derjenigen, die durch ihre Leistungen unseren Sozialstaat tragen, gefährden Sie das Vertrauen in den Generationenvertrag. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Begründen Sie mal „willkürlich“!) – Kommt noch. – Dieser Angriff ist erschreckend. Die Jungen gegen die Alten beim Thema Rente auszuspielen, (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das machen Sie doch gerade! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das machen doch Sie!) halte ich für den falschen Weg. Ich komme nun zu dem Antrag der Linken, der zu mehr Gerechtigkeit für in der DDR geschiedene Frauen beitragen soll. Das ist ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Seit über drei Jahren beschäftige ich mich regelmäßig mit den Anliegen der in der DDR geschiedenen Frauen. Ich habe sie in meinem Wahlkreis in Gera viele Male besucht. Ich habe Briefe geschrieben, Telefonate geführt und sogar die zuständige Ministerin auf diese Frage persönlich angesprochen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und was hat es gebracht?) Bisher sah niemand eine konstruktive und mehrheitsfähige Lösung bzw. Möglichkeit, das Anliegen der Frauen umzusetzen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zum Beispiel!) Dafür gibt es Gründe; diese möchte ich aufzählen. Bereits seit 25 Jahren ist das Renten-Überleitungsgesetz in Kraft. Die Zusammenlegung zweier Staaten mit unterschiedlichen Sozialsystemen war für den damaligen Gesetzgeber keine leichte Aufgabe. Insbesondere das DDR-Rentenrecht mit seinen vielen Sonderregelungen für verschiedene Berufs- und Personengruppen stellte die Macher der Rentenüberleitung vor eine schwierige Aufgabe. Damals wurden wichtige Grundentscheidungen getroffen. Eine Abkehr würde viele Fragen aufwerfen. Erstens. Mögliche Änderungen wären kaum mit den Grundsätzen des lohn- und beitragsbezogenen Rentenrechts des SGB VI vereinbar. Zweitens. Es wäre aus meiner Sicht problematisch, eine Konkurrenzsituation zwischen Versicherten mit vergleichbaren Lebenssachverhalten in den alten und neuen Ländern zu forcieren. Ich frage mich: Wenn wir die Grundsätze des Renten-Überleitungsgesetzes an einer Stelle ändern würden, müssten wir das nicht auch für weitere Personengruppen tun, deren Situation vergleichbar ist und die ähnliche Forderungen haben? Immer noch ist unklar, welche Kosten hierbei auf uns zukommen würden und wer dafür aufkommen soll. Meine Damen und Herren, die Politik und jedes Gesetz haben den Anspruch, Gerechtigkeit bestmöglich abzubilden. Auch bei der Erarbeitung des Renten-Überleitungsgesetzes vor 25 Jahren galt dieser Anspruch. Er wirkt bis heute nach. Das wissen wir, aber das weiß auch die Linke. Trotzdem sind die Auswirkungen dieses Gesetzes bis heute für bestimmte Gruppen unbefriedigend. Auch die hier und heute diskutierten Probleme der in der DDR geschiedenen Frauen gehören dazu. Als Verein der in der DDR geschiedenen Frauen e. V. haben die Betroffenen auf ihr Anliegen unentwegt aufmerksam gemacht. Sie haben den Kontakt mit Experten, Ministerien und vielen Abgeordneten gesucht. Sie haben Petitionen eingereicht, die wir ausführlich im Ausschuss und in Expertenrunden beraten haben. Mehrere Verfahren und Gerichtsprozesse haben sie auf Landes-, Bundes- und sogar auf EU-Ebene geführt. Dieses Engagement ist beeindruckend. Ich habe großen Respekt vor den Anstrengungen jener Frauen, die oft in hohem Alter viel Kraft aufwenden, um für ihre Belange zu kämpfen. Es ist diesem Einsatz zu verdanken, dass sich im Februar dieses Jahres der UN-Fachausschuss zur Frauenrechtskonvention mit der Rentenproblematik der betroffenen Frauen befasst hat. Im Ergebnis gab er eine Empfehlung an die Bundesregierung ab, ein Entschädigungssystem zu schaffen und den Ausschuss über die geplanten Schritte zu unterrichten. Ich habe gerade in dieser Woche einen neuen Vorstoß unternommen und will Bewegung in die Angelegenheit bringen, indem ich gemeinsam mit dem Kollegen Tankred Schipanski in einem Brief an Bundesministerin Schwesig einen Lösungsentwurf eingefordert habe. Dieser ist aus meiner Sicht angebracht. Es wäre nur fair und richtig, die Empfehlungen des UN-Ausschusses ernst zu nehmen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann machen Sie das doch mal!) Aus meiner Sicht muss die Frau Ministerin nun handeln. Hoffentlich war das nicht der Grund dafür, dass sie jetzt den Bundestag verlässt und woanders hinwill. Angesichts der Konstruktion des Rentensystems in Deutschland sind Kinder aufgrund der Umlagefinanzierung ein wichtiges Element. Mütter leisten daher einen wichtigen Beitrag zum Generationenvertrag. Aus diesem Grunde sollten Kindererziehungszeiten bei der Rente berücksichtigt werden. Dieser Grundsatz ist bereits bei der Mütterrente angewandt worden und könnte nun auch Grundlage möglicher Lösungsvorschläge für die Altersversorgung der in der DDR geschiedenen Frauen sein. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam an einer Lösung dieser Problematik arbeiten. Aber leider kann ich den Antrag der Linken nicht unterstützen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schade!) Warum nicht? Weil Ihre Frist, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, bis zum 30. Juni 2017 leider absolut unrealistisch ist. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ein Konzept vorzulegen? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!) Eine Kurzschlussreaktion kurz vor der Wahl schreit nach Populismus und Wahlkampfgetöse und lässt mich daran zweifeln, dass Sie dieses Thema wirklich ernst nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Oh Mann! 27 Jahre! Also echt!) Eine gute Lösung erfordert die Zusammenarbeit der Bereiche Arbeit und Soziales und Familie. Auch bei den Kosten sind bisher noch alle Fragen offen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das können wir doch gemeinsam ausgestalten!) Eine Lösung zur Finanzierung liefern Sie hier leider nicht, (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Nein, weil wir das gemeinsam machen müssen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben die Möglichkeit eines Konzeptes, aber Sie kriegen leider nichts hin!) nicht einmal Ansätze dazu, nur Forderungen, Forderungen, Forderungen. Von einer ordentlichen Partei erwarte ich zumindest Lösungsansätze. Meine Damen und Herren, wir müssen den unentwegten Einsatz der Betroffenen und deren Anliegen sehr ernst nehmen. Ich respektiere besonders das Engagement des Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen e. V. und hoffe nun auf Unterstützung und einen konstruktiven Beitrag durch das Familienministerium. Eine nachhaltige Lösung ist in einem Monat sicher nicht zu erreichen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das haben wir auch nicht gefordert!) Daher kann ich den vorliegenden Antrag auch nicht unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das ist ganz schmal, Herr Weiler!) Ich werde mich aber weiterhin persönlich für eine gute Lösung in der Angelegenheit einsetzen, damit den betroffenen Frauen nach so langer Zeit endlich geholfen werden kann. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Weiler. – Ich erlaube mir den Hinweis: Nach Ende dieser Debatte werden wir die Sitzung kurz unterbrechen. Gegen 18.30 Uhr finden Fraktionssitzungen der CDU/CSU und der SPD statt. Den Wiederbeginn werden wir über einen Hausruf kundtun. Ich bitte als nächsten Redner den Kollegen Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nach vorne. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ein Déjà-vu! Aller guten Dinge sind drei! – Ralf Kapschack [SPD]: Hast du was vergessen, Markus?) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, zum dritten Mal. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bei diesem Tagesordnungspunkt eine etwas eigentümliche Zusammenstellung der Anträge, zum einen Gesamtkonzepte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aber auch der Linken, zum anderen einen schwerwiegenden Antrag zur Situation der in der DDR geschiedenen Frauen. Wir als Bündnis 90/Die Grünen verfolgen die Situation dieser Frauen schon seit vielen Jahren und haben in den vergangenen Legislaturperioden immer – nicht nur in der letzten, sondern auch schon davor – Anträge vorgelegt, mit denen eine Lösung für diese Situation gefunden werden soll. Ich finde es auch angemessen, wenn ich damit anfange. Wir haben es mit Frauen zu tun, die nicht im klassischen Recht des Versorgungsausgleichs waren und die im Renten-Überleitungsgesetz auch nicht beim Versorgungsausgleich berücksichtigt wurden. Das bedeutet, dass diese Frauen vielfach in bitterer Armut leben. Natürlich kann man jetzt, Kollege Weiler, nicht jede rentenrechtliche Besonderheit der DDR nachträglich aufschnüren. Im Fall der in der DDR geschiedenen Frauen ist es aber anders: Wir haben es hier mit einer geschlechterspezifischen Diskriminierung zu tun. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das sieht das Bundesverfassungsgericht völlig anders!) Das ist auch der Grund, warum der UN-Ausschuss das an der Stelle zu seinem eigenen Anliegen gemacht hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aus diesem Grunde finde ich, dass eine Umweglösung – Ihr Engagement in allen Ehren – über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach dem Vorbild der Mütterrente völlig am Sachverhalt vorbeigeht. Wir als Grüne wollen – und das ist auch vernünftig –, dass man in Anlehnung an den Versorgungsausgleich die individuellen Ansprüche dieser Frauen aus der Ehezeit ermittelt, sie halbiert und dann dem Rentenkonto zuschreibt. Das kann man natürlich auch mit Steuermitteln – das wird den Bundeshaushalt nicht überfordern – im Rahmen einer Härtefalllösung machen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Und was ist mit Männern?) Wir als Grüne werden uns dafür in der nächsten Legislaturperiode weiterhin einsetzen; seien Sie sich dessen gewiss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da die bescheidene Redezeit auch dafür herhalten muss, unsere rentenpolitische Gesamtvorstellung wenigstens kurz anzureißen – die Linke hat ihre bereits dargestellt –, möchte ich darauf im Folgenden eingehen. Entscheidender Punkt ist, dass wir für eine Rente für alle und eine Rentenversicherung für alle einstehen. Herr Weiler, Sie haben gesagt, ein Grund für die gute Lage der Rentenversicherung sei, dass wir 45,2 Millionen Erwerbstätige in Deutschland haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die zahlen aber nicht alle in die Rentenversicherung ein!) Die zahlen aber nicht alle Beiträge. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist der Punkt!) Wir wollen, dass nach einem längeren Prozess letzten Endes alle in der Bürgerversicherung sind und alle Rentenversicherungsbeiträge bezahlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer kann und will, soll sich darüber hinaus zusätzlich absichern. Aber: Minijobber, Arbeitslose, Selbstständige und natürlich auch wir Abgeordnete sollten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Mit der Folge, dass sie auch Ansprüche hätten! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, aber wir wollen ja noch mehr!) Wir geben ein neues Sicherungsversprechen, indem wir das Rentenniveau stabilisieren wollen. Allerdings muss ich an die Adresse der Linken sagen: Ihre darüber hinausgehenden Steigerungsvorschläge würden zu mehrstelligen Milliardenbelastungen führen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 32 Euro, Markus! Das habe ich dir schon 50-mal vorgerechnet!) und würden ab dem Jahr 2030 – bis dahin reichen die Berechnungen von Matthias Birkwald meistens nur – den Sozialversicherungsbeitrag in enorme Höhen steigen lassen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist billiger als das Drei-Säulen-Modell!) Wir müssen ebenfalls berücksichtigen, dass wir mit der Alterung der Gesellschaft auch Pflegeversicherungsbeiträge erhöhen werden müssen. Das beabsichtigen wir auch, weil wir eine bessere Bezahlung von Pflegekräften und mehr Qualität in der Pflege wollen. Wir werden außerdem höhere Krankenversicherungsbeiträge haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht, wenn wir eine Bürgerversicherung einführen!) Am Ende des Tages muss man die Gesamtschau betrachten und dabei halbwegs realistisch sein. Wir wollen Frauen eine eigenständige Alterssicherung aufbauen. Wir wollen eine faire Verteilung von Haus- und Familienarbeit, eine neue Verteilung von Zeit im Arbeitsleben. Das ist nicht unmittelbar Rentenpolitik, hat aber am Ende große Auswirkung auf die Lebens- und Einkommenssituation von Frauen im Alter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gestern mit unseren beiden Spitzenkandidaten für die Wahl den Kern dieser Vorstellung in einem Zehnpunkteprogramm vorgestellt. Es beinhaltet die Eckpunkte, bei denen wir jeweils Fortschritte erreichen wollen und auch werden, wenn wir in eine Regierungsbeteiligung kommen; das will ich hier noch einmal ganz klar festhalten. Nicht zuletzt ich persönlich werde darauf achten, dass das genau so ist; ansonsten gibt es auch meine Stimme nicht. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster spricht Dr. Martin Rosemann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Martin Rosemann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Rentenpolitik verlangt Seriosität. Die Anträge der Linken sind das Gegenteil davon. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Quatsch!) Sie machen Politik nach dem Motto: Im Himmel ist Jahrmarkt. Ich will nur ein Beispiel aus Ihrem Antrag herausgreifen. Sie fordern allen Ernstes die abschlagsfreie Rente mit 60 Jahren nach 40 Beitragsjahren. Sie machen keinerlei Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen und dazu, wie Sie sich die Finanzierung vorstellen. Offensichtlich soll alles auf dem Rücken der jungen Generation ausgetragen werden. Ihnen ist egal, wie hoch der Beitragssatz ist, uns nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr verballert das Geld lieber auf den Kapitalmärkten!) Deshalb hat unsere Bundesministerin Andrea Nahles den Vorschlag der doppelten Haltelinie gemacht: eine Haltelinie nach unten für das Rentenniveau und eine Haltelinie nach oben für den Beitragssatz; denn wir wollen keine Politik zulasten der zukünftigen Generationen. Die Herausforderungen des demografischen Wandels müssen fair auf die Generationen verteilt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zustimmung zu dem Vorschlag der doppelten Haltelinie kam in einer Anhörung unseres Ausschusses im Januar dieses Jahres auch von der Deutschen Rentenversicherung. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Uns liegt kein Gesetzentwurf vor!) Ich darf mit Erlaubnis der Frau Präsidentin Dr. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung zitieren: Wir halten dieses Konzept für sehr sinnvoll, weil es sicherstellt, dass die demographischen Belastungen nicht einseitig einer Gruppe zugewiesen werden. Wenn man gar keine Haltelinie hätte, oder nur eine, dann wäre die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die demographische Belastung ganz überwiegend oder sogar komplett entweder die Beitragszahler oder die Rentenempfänger tragen müssten. Ein weiteres Problem Ihres sogenannten Gesamtkonzepts ist, dass Sie keine Antwort auf zentrale Gerechtigkeitsfragen geben. Dies gilt zum Beispiel für das zentrale Gerechtigkeitsproblem, das darin besteht, dass 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland eine betriebliche Altersvorsorge haben, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Entschuldigung! Natürlich haben wir darauf eine Antwort drin! Sie haben den Antrag wohl nicht gelesen!) vor allem in Großbetrieben und bestimmten Branchen, und 40 Prozent eben nicht. Sie machen keinen Vorschlag zur Verbesserung und Verbreitung von Betriebsrenten. Gut, dass wir gehandelt und die Betriebsrente plus beschlossen haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben Sie nicht zugehört? Ich habe den Vorschlag doch eben gesagt!) Sie haben das abgelehnt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, zu Recht!) Meine Damen und Herren von den Linken, Sie stellen sich damit gegen die Position der Gewerkschaften in Deutschland. Das wird bei Ihnen offenbar zur Mode. So fordern Sie ja auch die Aufweichung des Äquivalenzprinzips bei der beitragsfinanzierten Rente. Wir wollen die gesetzliche Rente stärken, und wir wollen Altersarmut zielgerichtet bekämpfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon habe ich noch nichts gesehen! Ihr habt einen Koalitionsvertrag, und bei eurer Solidarrente ist nichts herausgekommen!) Wir wissen, dass es drei Gruppen gibt, die besonders von Altersarmut bedroht sind: Kleinselbstständige, die nichts oder fast nichts eingezahlt haben und auch nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, die Erwerbsgeminderten und Leute, die in ihrem Erwerbsleben nur geringe Einkommen bezogen haben, zum Beispiel, weil sie im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, weil sie lange arbeitslos waren oder weil sie längere Familienphasen hatten – dies betrifft vor allem Frauen – und dann in Teilzeitbeschäftigung oder sogar nur in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gegangen sind. Hier brauchen wir zielgenaue Lösungen. Deswegen haben wir vorhin schon zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente beschlossen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 4,58 Euro netto in 2018! Super!) Wir Sozialdemokraten wollen Selbstständige verbindlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Wie genau das gelingen kann, haben wir in einem Positionspapier unserer Fraktion dargestellt, das weitgehend in das Konzept der Bundesarbeitsministerin eingeflossen ist. Wir wollen die Solidarrente. Wir wollen, dass derjenige, der ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, seine Rente im Alter nicht beim Sozialamt abholen muss. Wir wollen, dass Würde auch im Alter sichergestellt ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel Euro mehr als die Sozialhilfe soll das denn sein?) Deshalb meine ich, dass der Vorschlag, den Andrea Nahles gemacht hat, nämlich den einer Solidarrente, (Kerstin Griese [SPD]: Gute Idee! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar keine Rente!) die steuerfinanziert ist, immer 10 Prozent oberhalb des örtlichen Grundsicherungsniveaus liegt und damit sicherstellt, dass man nicht in Altersarmut fällt – (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch falsch! Das liegt unter allen Armutsgrenzen! Guck mal in euren Armuts- und Reichtumsbericht!) ob man, wie ich, in Tübingen wohnt, wo die Preise und die Wohnkosten hoch sind, oder in Mecklenburg-Vorpommern auf dem flachen Land –, ein richtig guter und zielgerichteter Vorschlag ist. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, überhaupt nicht!) Leider konnten wir den Koalitionspartner davon nicht überzeugen. Weder bei der Solidarrente noch bei der Einbeziehung Selbstständiger war die Union bereit, diese Schritte zu gehen. Wir hätten damit das Vertrauen in die Politik wieder stärken können. Ich bedaure, dass Sie dabei nicht mitgemacht haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Mein Fazit ist: Wir lehnen Ihre Anträge ab. Für uns gilt: Wir wollen eine verlässliche und finanzierbare Alterssicherung für Jung und Alt, heute und auch für die kommenden Generationen. Genau dies wird durch das Gesamtkonzept, das Andrea Nahles vorgelegt hat, sichergestellt. Erste Schritte haben wir bereits heute umgesetzt. Die nächsten Schritte wollen wir gerne nach der Bundestagswahl in diesem Haus umsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben schon in dieser Legislaturperiode gezeigt: Wir reden nicht nur, wir handeln auch. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste spricht die Kollegin Dr. Astrid Freudenstein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Rente ist eine Dauerbaustelle, allerdings nicht deshalb, weil hinten und vorne nichts funktioniert, Herr Kollege Birkwald, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Habe ich nicht behauptet!) sondern wir bauen deshalb ständig am System und justieren nach, weil die Rente an sich ein wertvolles Konstrukt ist, das wir immer wieder nachjustieren wollen, immer noch besser machen wollen und immer den aktuellen Bedürfnissen anpassen wollen. Wir wollen jedenfalls nicht all das, was wir an Alterssicherung haben, niederreißen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer will das denn?) sondern es stabil für die Zukunft machen. Die Jungen müssen das, was die Alten brauchen, eben immer auch bezahlen können. Darauf kommt es im Rentensystem an. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch die Mittelalten und die Älteren! Alle die, die einen Job haben!) Herr Kollege Kurth, Sie haben von der Bürgerversicherung gesprochen. Es klingt ganz toll, dass dann mehr Leute einzahlen würden. Fairerweise müssten Sie aber dazusagen, dass dann auch mehr Leute Leistungen beziehen können. Das gehört bei der Bürgerversicherung ja zur Wahrheit dazu und macht die Rechnung schwieriger. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja, sicher! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Genau so ist es! Das ist ein Nullsummenspiel! – Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber zeitversetzt!) Wir haben in dieser Legislaturperiode schon einige Herausforderungen angepackt. Allein in den vergangenen Stunden haben wir einige davon diskutiert. Zunächst ist hier die Mütterrente zu nennen. Altersarmut ist vor allem ein Problem für Frauen. Mit der Mütterrente bekommen passgenau jene Frauen, die durch die Erziehung von Kindern keine durchgängigen Erwerbsbiografien haben, eine zusätzliche Leistung. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber im Osten weniger als im Westen!) – Herr Kollege Birkwald, bei dem Punkt sind die Linken und die CSU ja sogar auf einer Linie; das ist wohl richtig. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ist doch auch mal schön! Kann ich auch mal klatschen!) Auch die Flexirente haben wir auf den Weg gebracht. Erfreulicherweise werden wir immer älter; die Lebenserwartung steigt. Viele Menschen möchten keine starren Regelaltersgrenzen mehr, sondern so lange arbeiten, wie sie können. Die Flexirente gibt ihnen dafür die Möglichkeit. Die Ost-West-Angleichung der Renten ist nicht ganz so schnell erfolgt wie erwartet, sie hat sich in den vergangenen Jahren aber beschleunigt. Mit dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz, das wir gerade beschlossen haben, wird das auch weiter forciert. Davor haben wir noch die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung beschlossen. Auch hier gab es Nachholbedarf. Das Gesetz eröffnet jetzt mehr Beschäftigten die Möglichkeit einer Betriebsrente. Das vielleicht wichtigste Problem war jedoch die Situation der Erwerbsminderungsrentner. Dafür haben wir bereits im Rentenpaket 2014 deutliche Verbesserungen auf den Weg gebracht, und heute haben wir noch einmal weitere Fortschritte beschlossen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht für die Bestandsrentner!) So kann die Erwerbsminderungsrente für die Betroffenen wieder eine feste Größe werden. Alle Maßnahmen haben gemeinsam, dass sie die bisherigen Leistungen erweitern oder flexibilisieren, wo das nötig wurde. An keinem Punkt haben wir die Grundsätze unseres Drei-Säulen-Systems der Alterssicherung infrage gestellt oder erschüttert, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist das Problem!) und zwar aus gutem Grund, Herr Kollege Birkwald. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) Das ist also nicht das Problem, sondern dafür gibt es gute Gründe. Ich meine, dass man an kein anderes System der sozialen Sicherung so bedacht und klug herangehen muss wie an die Rente. Aktionismus kann hier tatsächlich schnell schaden. Dreht man an nur einem kleinen Rädchen, kann das auf der anderen Seite Milliardenkosten verursachen – für die Beitragszahler, für den Staat oder auch für die Rentner. Alle Beteiligten profitieren eben ganz besonders von der Stabilität und von der Kontinuität dieses Konstrukts. Das bleibt das A und O. Heute liegen uns nicht weniger als fünf Anträge der Opposition vor, einer von den Grünen, vier von der Linksfraktion. Damit haben Sie sich auf jeden Fall schon einmal ein Fleißkärtchen verdient, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Danke!) aber um Fleiß geht es hier halt leider nicht. (Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Ein bisschen schon auch!) Sie sprechen von einer Stärkung der Rente durch Ihre Vorschläge. Ich meine aber, dass Ihre Vorschläge unser Konstrukt gehörig ins Wackeln bringen würden. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die gesetzliche Rente würde sehr gestärkt!) Der Riester-Faktor und der Nachhaltigkeitsfaktor haben nicht umsonst Eingang in die Rentenformel gefunden. Sie gewährleisten nachhaltige Stabilität über eine einzelne Legislaturperiode hinaus und können eben nicht einfach gestrichen werden, wie Sie das fordern. Und schon gar nicht kann man das Rentenniveau eben einmal auf 53 Prozent anheben und fixieren. Die Rente war immer ein atmendes System, in dem nicht eine Variable beliebig festgelegt werden kann, ohne dass es an anderer Stelle knapp werden würde, und das zeigen Ihre Rechnungen eben leider nicht. Dort ist zwar von einem Rentenniveau von 53 Prozent und vom Jahr 2030 die Rede. Weil die damit einhergehenden Beitragserhöhungen aber mit dem heutigen Wert berechnet werden, lägen sie dann nur knapp über 20 Prozent. Das wären quasi Peanuts, das macht nichts aus. Aber tatsächlich würde der Beitragssatz bis zum Jahr 2030 natürlich auf weit über 25 Prozent ansteigen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür braucht man keine Betriebsrente und keine Riester-Rente! Das wird unterm Strich billiger!) Das verschweigen Sie aus gutem Grund geflissentlich. Die Sozialversicherungsbeiträge sind aber sozusagen die Steuern des kleinen Mannes. Deshalb würde es dann mit Ihrem Modell vor allem für die Gering- und Durchschnittsverdiener plötzlich eng und teurer, während die Großverdiener von einem höheren Rentenniveau profitieren würden. Jetzt kenne ich alle möglichen Umverteilungsideen von Ihnen. Aber eine Umverteilung von unten nach oben von Ihrer Seite ist eher neu. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür gibt es ja die Mindestrente!) Eine der Säulen stand in den vergangenen Jahren sehr oft und zu Recht im Zentrum der Diskussionen, nämlich die private Vorsorge. Über die Leistungsfähigkeit der Riester-Rente ist viel gesprochen worden – zu Recht. Hier gibt es deutlichen Verbesserungsbedarf. Der Vorschlag der Grünen ist vielleicht noch nicht ganz ausgereift. Ich finde aber, dass man über ein solches Basisproduktmodell durchaus nachdenken kann. Im Bereich der privaten Vorsorge gibt es auf jeden Fall in der kommenden Legislaturperiode etwas zu tun. So bleibt die Rente, was sie ist: eine Dauerbaustelle. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Dr. Freudenstein. – Als nächste Rednerin spricht Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon drei Rentenbeschlüsse gefasst. Ich erlebe es in 19 Jahren als Abgeordnete zum ersten Mal, dass an einem Tag drei so entscheidende Beschlüsse, deren Beschlussempfehlungen aus einem Ausschuss kommen, gefasst werden: zu den Betriebsrenten, zur Rentenangleichung zwischen Ost und West und zur Erwerbsminderungsrente. Wir haben – das kann man feststellen – die Rente wieder ein Stück besser gemacht. Diesen Weg müssen wir weitergehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den vorliegenden Anträgen wird auf Ungerechtigkeiten in der Rentenüberleitung hingewiesen. Ich habe es schon in der vorhergehenden Debatte gesagt: Ja, es gibt Ungerechtigkeiten. Herr Birkwald, Sie haben – ich sehe sie auf der Tribüne sitzen – die davon betroffenen Damen wieder eingeladen. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie auf die Situation der in der DDR geschiedenen Frauen eingehen. In der DDR gab es keinen solchen Versorgungsausgleich, wie es ihn in der Bundesrepublik gibt. (Kerstin Griese [SPD]: Genau!) Daher haben die Frauen, die in der DDR geschieden wurden, geringere Rentenansprüche. Das ist ganz klar, das ist logisch. Aber dieses Problem können wir doch nicht im Rentenrecht lösen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: So sieht es aus!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist der falsche Weg. Sie laden in jeder Legislaturperiode in der DDR geschiedene Frauen aus 15 bis 18 Berufsgruppen – (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 18!) – ja, 18 – hier in den Bundestag ein. Aber dieses Problem ist im Rentenrecht nicht zu lösen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann machen Sie was!) 1992 sind die Regelungen zur DDR-Rente ins Sozialgesetzbuch VI übernommen worden, aber – das muss man dazusagen – die Sondersysteme eben nicht. 1999 ist darüber vom Bundesverfassungsgericht abschließend entschieden worden. Diese Tatsachen kann man nicht einfach von der Hand weisen. (Beifall des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU] – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!) Wir als SPD-Fraktion haben zwar nicht immer, aber schon seit Jahren einen steuerfinanzierten Härtefallfonds gefordert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr seid in der Regierung! Ihr habt es nicht gemacht!) – Ich rede nicht von der Regierungskoalition, sondern ich rede von der SPD. – Dieser Vorschlag liegt auf dem Tisch. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf welchem Tisch?) Gerade die Diskriminierung von Frauen wäre ein Fall für eine Härtefalllösung. (Beifall bei der SPD) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es nur der Auftrag für die nächste Legislaturperiode sein, an der Einrichtung eines solchen Härtefallfonds zu arbeiten und hier eine Lösung herbeizuführen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann dürft ihr nicht mit der CDU regieren! – Gegenruf des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU]: Misch dich da mal nicht ein! – Gegenruf der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns die Renten im Osten der Republik ansehen, dann sehen wir eines ganz besonders deutlich: Renten sind das Spiegelbild des Erwerbslebens. Arbeitslosigkeit und Krankheit spiegeln sich darin genauso wider wie prekäre Beschäftigung und schlecht bezahlte Arbeit. Davon – ich komme ja aus Sachsen-Anhalt – kann ich ein Lied singen. Diese gebrochenen Erwerbsbiografien vieler Menschen im Osten, die es seit der deutschen Einheit gibt, haben natürlich ihren Preis, und zwar niedrige Renten in der Zukunft. Der Blick nach Ostdeutschland zeigt aber auch noch eine andere Entwicklung auf, die wir in der Zukunft in ganz Deutschland zu verzeichnen haben. Durch Umbrüche und Wegbrechen der Industrie – das zeigt zum Beispiel ein Blick nach Nordrhein-Westfalen auf jede Zeche und jedes Stahlwerk, die dort schließen – werden wir in der Zukunft dieselben Probleme haben wie in Ostdeutschland. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Zukunft? Wir haben die Probleme seit 30, 40 Jahren!) Darum finde ich es richtig, dass wir uns die Köpfe darüber heißreden und diskutieren, wie wir die gesetzliche Rente als wichtigste Säule der Alterssicherung zukunftsfest machen können. (Beifall bei der SPD) Natürlich müssen wir an dieser Stelle auch über das Rentenniveau sprechen und diskutieren, aber – heute sind auch viele junge Leute anwesend – wir dürfen auch nicht vergessen, über die Finanzierung zu reden. Deshalb finde ich den Ansatz von Bundesministerin Nahles, eine doppelte Haltelinie einzuführen, sehr richtig. So brauchen wir eine Haltelinie für ein garantiertes Rentenniveau, damit es nicht weiter sinkt. Man muss es aber nicht nur halten, sondern es geht auch darum, dass es in der Zukunft in höherem Maße steigt. Dazu sage ich: 50 Prozent müssen eine Richtschnur für die Zukunft sein. Die Solidarrente für den einzelnen Rentner und die einzelne Rentnerin einzuführen – ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin –, ist für uns als SPD auch ein ganz wichtiger Punkt. Denn wer sein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht in der Grundsicherung landen. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit dem gesetzlichen Mindestlohn gerade für die neuen Bundesländer eine stärkere Rentensteigerung erreicht. Genau das muss die wichtigste Aufgabe sein: gute Arbeit und gute Löhne. Dann kann man auch zu einer guten Rente kommen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Das war ein guter Schlusssatz. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Ja, so ist es. – Mit einer Solidarrente, die die Lebensleistung absichert, schaffen wir insgesamt eine verlässliche Altersversorgung. Aber es gibt noch viele Aufgaben in der Zukunft. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich schließe die Aussprache. Tagesordnungspunkt 13 a. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/12107 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 13 b. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die solidarische Mindestrente einführen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12434, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10891 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mit beiden Händen! – Heiterkeit) Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition und den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 13 c. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/11222. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10471 mit dem Titel „Zeit für einen Kurswechsel – Rentenniveau deutlich anheben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungskoalition und den Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8610 mit dem Titel „Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung überführen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Diese Beschlussempfehlung ist mit dem gleichen Stimmverhalten angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7371 mit dem Titel „Für eine faire und transparente private Altersvorsorge und ein stabiles Drei-Säulen-System“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Grünen angenommen. Zusatzpunkt 7. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Gesamtkonzept Alterssicherung – Verlässlich, nachhaltig, solidarisch und gerecht“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12586, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12098 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Die Beschlussempfehlung ist mit dem gleichen Abstimmungsverhältnis wie eben angenommen. Jetzt unterbrechen wir für eine Fraktionssitzung. Wir werden den Wiederbeginn durch Klingelzeichen oder durch Hausruf bekannt geben. Vielen Dank. (Unterbrechung von 18.35 bis 19.37 Uhr) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten Jahresbericht 2016 (58. Bericht) Drucksache 18/10900 Überweisungsvorschlag: Verteidigungsausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Herr Dr. Hans-Peter Bartels. – Bitte schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der Vorlage meines Berichts für das Jahr 2016 Ende Januar dieses Jahres ist viel passiert. Aufgrund einiger sehr unterschiedlicher Vorfälle wurde die innere Lage der Bundeswehr einmal mehr zu einem besonderen öffentlichen Thema. Darüber sollten aber die Hauptbelastungen der Soldatinnen und Soldaten nicht vergessen oder verdrängt werden. Von der kleinsten Bundeswehr aller Zeiten ist gegenwärtig das breiteste Aufgabenspektrum zu bewältigen. Es gibt 13 mandatierte Auslandsmissionen. Sie kennen die Einsatzorte: Prizren, Pristina, Catania, Limassol, Naqoura, Gao, Koulikoro, Bamako, Niamey, Dschibuti, Mogadischu, Juba, al-Faschir, Incirlik, Konya, Erbil, Masar-i-Scharif, Kunduz, Kabul. Hinzu kommen unsere NATO-Verpflichtungen im Rahmen der kollektiven Verteidigung in Litauen, Estland, Lettland und Polen. Es wird nicht weniger, sondern mehr. Nicht zu vergessen ist die Flüchtlingshilfe, die mehr als 20 000 Bundeswehrangehörige leisteten. Viele Soldaten tun ihren Dienst gern, weil sie als Staatsbürger wissen, dass der Frieden nicht umsonst zu haben ist. Aber viele Soldaten, die mir schreiben und die ich gesprochen habe, sind am Limit: zu oft unterwegs, zu wenig Zeit für die Familie, zu unplanbar die Zukunft. Trotzdem hängen sie sich rein. Viele tun weit mehr als ihre Pflicht. Ihnen allen, unserer ganzen Parlamentsarmee, gebühren dafür Anerkennung, Vertrauen und Dank. Es ist gut zu wissen, dass es sie gibt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In meinem Jahresbericht 2016 warne ich vor einer Überlastung der Truppe. Es fehlt an Personal, es fehlt an Ausrüstung, es fehlt allzu oft gute Infrastruktur. Ich bin dankbar, dass es für all diese Mängelanzeigen jetzt politische Trendwendebeschlüsse gibt. Parlament und Regierung wollen die vielen Lücken nicht länger hinnehmen. Das wird Geld kosten, aber ich bin zuversichtlich, dass das Geld kommen wird. Das alles – neues Personal, neues Material und eine bessere Infrastruktur – geht aber viel zu langsam. Die Trendwendebeschlüsse sind gut, aber sie müssen mit einer Beschleunigungsinitiative verbunden werden. Beschleunigung tut not. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vielleicht muss man dafür einige selbstgemachte Regeln und auch bestimmte Mentalitäten aus 25 Jahren des permanenten Schrumpfens ändern. Nur zu! Unsere Soldatinnen und Soldaten wollen am Originalgerät ausgebildet werden, und sie wollen vollständig ausgerüstet sein; denn die Aufträge für die vollausgerüstete Bundeswehr gibt es ja heute schon, nur eben die Ausrüstung nicht: die Hubschrauber, die Schiffe, die geschützten Fahrzeuge, die Tieflader, die Funkgeräte, die Schutzwesten, die Nachtsichtbrillen, das Kasernen-WLAN, die Taucherübungshalle. In Bezug auf das Personal will ich den Fortschritt in der Planung loben. Ich habe im Jahresbericht 2016 kritisiert, dass es zu unterambitioniert ist, bis 2023 nur 7 000 zusätzliche militärische Dienstposten zu schaffen, wenn die eigene Lückenanalyse gleichzeitig ein Fehlen von 14 000 Posten ergeben hatte. Inzwischen gibt es neue Zielzahlen aus dem Ministerium. Jetzt soll es ein Plus von 12 000 Soldaten bis 2024 geben. Das ist ein besserer Plan. Allerdings muss man die zusätzlichen Soldaten nun auch wirklich auf dem freien Markt gewinnen. Die Polizei stockt ihr Personal im Moment ja auch auf. Hier ist viel Konkurrenz. Das wird nicht leicht. Um für junge Leute wie für qualifizierte Seiteneinsteiger attraktiv zu sein, kann und muss man gewiss noch viel verbessern. Aber auch das Bestandspersonal muss sich vom Attraktivitätsprogramm gemeint fühlen. Manche der kritischen Punkte in diesem Zusammenhang finden Sie in meinem Jahresbericht: Besoldungsstruktur, Beurteilung, Beförderung, Zulagen, Dienstaltersstufen, finanzieller Ausgleich für Mehrarbeit nach der neuen Arbeitszeitverordnung, Einplanungsfehler, Kinderbetreuung am Standort usw. Es geht um Materielles und um Ideelles. Vertrauen ist eine der ideellen Kategorien, vielleicht die wichtigste – Vertrauen der Gesellschaft in ihre Streitkräfte, Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten in ihre Führung, Vertrauen der Führung in das Personal, das sie führt. Ich will nicht drumherum reden: In den letzten Wochen ist viel Vertrauen beschädigt worden. Im Ansehen der Bevölkerung hat die Bundeswehr quasi von jetzt auf gleich 10 Prozentpunkte verloren. Viele Soldatinnen und Soldaten – auch Soldatenfamilien – berichten mir von einer veränderten Wahrnehmung durch ihr persönliches soziales Umfeld. Das belastet viele Soldaten, die jeden Tag ganz tadellos für unsere Sicherheit einstehen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Jeder Jahresbericht enthält immer wieder Beispiele für inakzeptables Vorgesetztenverhalten, für unangemessene Ausbildungsmethoden, für fremdenfeindliche und rechtsextremistische Ausfälle wie auch für sexuelle Übergriffe und Mobbing. Das sind Dauerthemen in den Jahresberichten. Damit ist aber auch klar: Wir erfahren das! Es wird gemeldet, es gibt Eingaben, es wird gehandelt – nicht immer und nicht immer angemessen, aber doch sehr oft mit großem Verantwortungsbewusstsein der Verantwortlichen. Sicherlich gibt es auch hier manche Mentalitäten, die sich ganz bestimmt noch ändern müssen. Ein Aufenthaltsraum mit einer Tanzstange, einer Leine mit Slips und einem obszönen Wort an der Wand: Das ist unwürdig. Hier hätte es keine Frau und keine Vorgesetzten gebraucht, um zu sagen: Weg damit! – Das kann jeder sehen. So ist Innere Führung gemeint. Die deutsche Öffentlichkeit diskutiert heute über Traditionsverständnis und Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Es sind wiederkehrende Diskussionen. Auch Soldaten beteiligen sich daran. Das ist gut. Wir alle leben mit der Geschichte unseres Landes. Mein Großvater hatte nur einen Arm. Den anderen ließ er im Ersten Weltkrieg. Mein ältester Onkel, Heinrich, liegt im Kaukasus. Ob er ein Grab hat, weiß ich nicht. Er war dort mit der Wehrmacht. Geschichte lässt sich nicht entsorgen. Wir müssen sie kennen, um aus ihr zu lernen. Auch das ist ein Aspekt und eine Aufgabe der politischen Bildung in der Bundeswehr. Da kann man noch mehr tun. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich bin aber überzeugt: Wir haben heute die demokratischsten Streitkräfte, die Deutschland je hatte. Wann soll es besser gewesen sein? Das bizarre Doppelleben eines in Frankreich gerade fertigstudierten Offiziers für bundeswehrtypisch zu halten, wäre absurd. Unser Rechtsstaat muss alles, auch das Umfeld, komplett aufklären. Dies ist ein schwerwiegender Kriminalfall. Für mich ist glasklar: Wer die freiheitliche Ordnung verächtlich macht und bekämpft, kann kein Kamerad der Verteidiger der Freiheit sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was wir jetzt allerdings vermeiden müssen, ist, in eine Kultur des Misstrauens abzurutschen. Die Durchsuchungsaktion in 1 600 Bundeswehrliegenschaften mit 33 000 Gebäuden geht vielen Soldatinnen und Soldaten sehr an die Nieren. Ich weiß nicht, ob das nötig war. Falls ja, war jedenfalls die Kommunikation dazu nicht wirklich ideal. Abschließend danke ich all unseren Ansprechpartnern in der Bundeswehr, dem Verteidigungsausschuss und dem Verteidigungsministerium für die gute Zusammenarbeit. Ein Dank geht natürlich auch an die engagierten Kolleginnen und Kollegen in meinem Amt, ohne die 4 500 Vorgänge im Jahr nicht zu bewältigen wären und ohne die es diesen Jahresbericht nicht geben könnte. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Bevor ich dem Parlamentarischen Staatssekretär Markus Grübel für die Bundesregierung das Wort erteile, möchte ich Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, und Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Vorlage dieses Jahresberichtes ganz herzlich danken. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Ihre Berichte sind für uns immer wichtig, damit wir unsere Funktion als Parlament wahrnehmen können. Wir freuen uns auf die weiteren Debatten. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Staatssekretär. Markus Grübel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter Dr. Bartels! Zu Beginn darf ich Ihnen ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit und für Ihr Engagement für unsere Soldatinnen und Soldaten danken. In den Dank schließe ich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Sehr geehrte Damen und Herren, die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Es waren vier ereignisreiche Jahre voller Herausforderungen. Schon 2014 erfolgten die Paukenschläge: Annexion der Krim und Vormarsch des IS. Der internationale Terrorismus wütete immer wieder in den Städten Europas: in Paris, Nizza, London, Berlin und zuletzt in Manchester. Freiheit und Frieden sind bedroht. Deutschland wird gefordert. Wir handeln verantwortungsvoll, um dem Anspruch gerecht zu werden, den wir uns selbst in der Präambel des Grundgesetzes gegeben haben, nämlich „dem Frieden der Welt zu dienen“. Wir sind über unseren Schatten gesprungen und haben den Kurden Waffen geliefert. Wir erweisen uns des Vertrauens unserer Bündnispartner als würdig und treten für sie ein, zum Beispiel im Baltikum. Darin lagen und liegen große Anforderungen an die Bundeswehr und ihre Angehörigen: in den Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen, bei der Landes- und Bündnisverteidigung und in der Heimat, etwa bei der Flüchtlingshilfe. Die Menschen in unserem Land vertrauen zu Recht ihrer Bundeswehr, unserer Bundeswehr. Was die Männer und Frauen der Bundeswehr mit und ohne Uniform in diesen vier Jahren geleistet haben, ist großartig. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese vier Jahre waren sehr wertvoll für die Zukunft der Bundeswehr. Wir haben vieles angestoßen und viel erreicht. Die Bundeswehr wächst wieder. Wir haben die Trendwende Personal eingeleitet; der Wehrbeauftragte hat darauf hingewiesen. Wir haben die Personalstrategie verabschiedet und so den Weg zu einer zeitgemäßen Personalführung im 21. Jahrhundert geöffnet. Die Agenda Attraktivität greift. Ihre Maßnahmen sind zu einem Standard geworden, auf den niemand mehr verzichten will. Wenn es Kritik gibt, dann nur, dass es nicht schnell genug geht. Ich nenne die Trendwende Finanzen. Mit knapp 39 Milliarden Euro gemäß dem Eckwertebeschluss für 2018 wächst der Etat gemessen am Haushalt zu Beginn der Legislaturperiode um gut 14 Prozent. Hinzu kommt die Trendwende Material. Wir haben bis zum heutigen Tag schon 50 sogenannte 25-Millionen-Vorlagen mit einem Volumen von rund 17 Milliarden Euro durch den Bundestag billigen lassen. Wir wollen noch über 20 25-Millionen-Vorlagen mit einem Gesamtvolumen von über 10 Milliarden Euro vor der Sommerpause in das Parlament einbringen. Da gilt es zu entscheiden und nicht zu verzögern. Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen das Material dringend. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den vergangenen vier Jahren haben wir vor allem die europäische Verteidigung vorangebracht. Wir wollen den Weg zu einer europäischen Verteidigungsunion weiter gemeinsam, insbesondere mit Frankreich, beschreiten. Deutschland und Frankreich haben seit über einem Jahr hart daran gearbeitet und viel erreicht. Wir haben die europäische Kommandozentrale, und jetzt schaffen wir die Pesco, die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, mit vielen ambitionierten Projekten. Wenn wir wachsen, dann wollen wir vor allem europäisch wachsen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem europäischen Sinn überprüfen wir auch den geltenden Traditionserlass von 1982. Wir wollen dies offen und transparent, in vielen Workshops und unter Mitwirkung der Öffentlichkeit machen. Vor allem aber sollen sich die Soldatinnen und Soldaten selbst breit und intensiv einbringen. Die zentrale Frage wird sein, was wir als Bundeswehr zukünftig aus unserer eigenen erfolgreichen 60-jährigen Geschichte ziehen können: eine über 60-jährige Geschichte voller herausragender Leistungen, voller beispielhafter Persönlichkeiten. Es ist eine Geschichte, auf die wir alle unendlich stolz sein können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Christine Buchholz das Wort. Bitte schön. (Beifall bei der LINKEN) Christine Buchholz (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Lieber Herr Bartels! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wehrbeauftragten! Meine Damen und Herren! Heute Abend ist Afghanistan in aller Munde. Ich möchte nicht die Debatte, die wir später dazu führen, vorwegnehmen, sondern nur eines sagen: Dass überhaupt über den Stopp von Abschiebungen diskutiert wird, ist einzig und allein dem couragierten Auftreten von Schülerinnen und Schülern und vielen, vielen Flüchtlingshelferinnen und -helfern zu verdanken. Daher ein ganz, ganz herzlicher Dank an diese couragierten Mitbürgerinnen und Mitbürger. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist ein Tagesordnungspunkt später!) Das hat auch etwas mit der Bundeswehr zu tun. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ah! Dann kommen wir zum Thema!) Denn die Bundeswehr ist von mehreren Skandalen erschüttert worden, die gerade mit dem Thema „Courage und couragiertes Auftreten“ zu tun haben. Es ging um die systematische Erniedrigung von Rekruten, um sexistische Vorfälle und um rechte Umtriebe. Ich möchte an der Stelle daran erinnern, dass es letztendlich einer aufmerksamen Reinigungskraft am Wiener Flughafen gelungen ist, die Herausbildung eines NSU in der Bundeswehr zu verhindern. Es waren nicht die Bundeswehr selbst oder der MAD, die eine aktive rechte Terrorzelle verhindert haben. Auch das muss hier gesagt werden. (Henning Otte [CDU/CSU]: Die ist auch nicht in Österreich tätig, die Bundeswehr!) Es gibt ein systematisches Problem mit dem Wegsehen bei der Bundeswehr, und es gibt ein systematisches Problem mit der extremen Rechten. Ich konzentriere mich hier auf die extreme Rechte. Uns haben Zuschriften von Soldaten erreicht, die aus Einsätzen berichten. (Henning Otte [CDU/CSU]: Können wir die Briefe mal sehen? – Gegenruf des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Bestimmt nicht! Die gibt es ja gar nicht!) – Die leite ich Ihnen gerne weiter. – Sie schreiben, dass es gang und gäbe war, dass an den Abenden im Einsatz Nazilieder gesungen wurden und Kameraden entsprechende Abzeichen an der Brust hatten. Diese Soldatinnen und Soldaten zeigen, dass nicht alle in der Bundeswehr so ticken; aber sie sind es, die wir unterstützen müssen. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das glaubt nicht mal Ihre eigene Fraktion!) – Ich weiß, dass Sie damit ein Problem haben. Denn Sie erhalten nicht die Zuschriften der Soldatinnen und Soldaten, die tatsächlich kritisch denken, sondern Sie erhalten die Zuschriften der Soldatinnen und Soldaten, die sich beispielsweise durch die Begehung gestört fühlen. (Beifall bei der LINKEN) Auch im Bericht des Wehrbeauftragten ist von Facebook-Einträgen und WhatsApp-Gruppen die Rede, aus denen ganz klar hervorgeht, dass es so etwas in der Bundeswehr gibt. Das hat der Wehrbeauftragte eben ja noch einmal deutlich aufgezeigt. Es gibt auch Fälle – das berichtet der Wehrbeauftragte ebenfalls –, die geahndet werden. Ich möchte aber daran erinnern, dass 80 Prozent der Verfahren, in denen es um rechtsextreme Verdachtsfälle geht, eingestellt werden. Das kann nicht angehen. (Beifall bei der LINKEN) Während Sie jetzt nach den aktuellen Vorkommnissen um Franco A. sehr schnell dabei sind, zehntausend Flüchtlinge zu überprüfen, ist es nicht möglich, die rechtsextremen Verdachtsfälle zu überprüfen. Ich finde, das ist ein Skandal. Wir brauchen eine Aufarbeitung der rechtsextremen Vorfälle. Sie müssen wir aber auch in den Kontext einer Einsatzarmee einordnen. Denn es ist auffällig, dass das Fehlverhalten besonders in den Einheiten vorkommt, die auf Kampf und Einsatz orientiert sind. Auch das ist kein Zufall. (Henning Otte [CDU/CSU]: Das hätten Sie wohl gern!) Des Weiteren müssen wir den Korpsgeist durchbrechen. Von daher verstehe ich auch nicht, Herr Bartels, dass Sie jetzt die Begehung der Liegenschaften kritisiert haben. Denn ich glaube, es ist das Mindeste, dass man sich ein Bild verschafft, ob und in welcher Form tatsächlich rechtsextreme Devotionalien und andere Wehrmachtsgegenstände in den Liegenschaften vorhanden sind. Deshalb verstehe ich Ihre Kritik an der Stelle nicht. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen einen hundertprozentigen Bruch mit der Wehrmachtstradition. Meine Kritik an Frau von der Leyen geht auch nicht in die Richtung, dass sie das nicht angekündigt hätte. Meine Kritik an ihr lautet, dass sie das jetzt nicht konsequent durchführt. Von daher sage ich noch einmal an der Stelle: Die Wehrmacht hat in den Köpfen und Stuben der Bundeswehrangehörigen nichts zu suchen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Kritik an der Ministerin bezieht sich auf zwei Punkte. Zum einen gibt es einen neuen Rekord an minderjährigen Rekruten. Herr Bartels hat das angesprochen, es ist aber noch nicht im Wehrbeauftragtenbericht enthalten. Es gab bei der Einstellung minderjähriger Rekruten 2016 eine Steigerung um 25 Prozent. Das ist, finde ich, absolut inakzeptabel. Da ist auch die Bewertung des Wehrbeauftragten zahnlos. Zum anderen geht es – Herr Grübel hat das eben noch einmal betont – um eine beispiellose Aufrüstung, welche die Ministerin vorangetrieben hat. Von daher können wir nur sagen: Herr Bartels, wenn Sie jetzt noch mehr Tempo einfordern, heißt das mehr Aufrüstung und mehr Auslandseinsätze. Damit werden die Probleme nicht gelöst, sondern verstärkt. Wir wollen diejenigen in der Bundeswehr stärken, die sich gegen die Missstände auflehnen. Wir wollen diejenigen stärken, die Courage haben. Ich glaube, das ist auch bitter nötig. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächste hat Heidtrud Henn, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD) Heidtrud Henn (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Mein großer Dank gilt unserem Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels für die Vorlage seines zweiten Berichtes. Dieser Dank gilt aber nicht nur dir, lieber Hans-Peter, sondern auch allen deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in der Neustädtischen Kirchstraße um die Eingaben kümmern und die Ergebnisse zu einem Bericht für uns zusammenfassen. Dies wird meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag sein. Bitte, gestatten Sie mir, dass diese Rede vom Gefühl und von dem Wunsch getragen wird, Ihnen bzw. Euch etwas von meinen Erfahrungen und Erkenntnissen mit auf den Weg zu geben. Ich will mit einem Zitat von Carl Spitteler anfangen: Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden. Ich frage hier in die Runde und schaue dabei in Richtung Regierungsbank sowie auf alle Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen. Ich frage nicht nur unsere Politikerinnen und Politiker, sondern auch unsere Gesellschaft: Wie fühlen wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten? Was empfinden wir für sie? Bei jedem Gelöbnis legen junge Rekruten den Eid ab, dem Vaterland treu zu dienen, dem Vaterland: Deutschland. Damit meinen sie, uns, der Gesellschaft, zu dienen. Das sollte allen ganz bewusst sein, die in der letzten Zeit über die Bundeswehr spotten. Es gibt ein altes Sprichwort: Kehre vor deiner eigenen Haustür, dann hast du genug zu tun. – Eines ist ganz sicher: Es gibt keinen Menschen, der unfehlbar ist. Ja, es ist gut, wenn genau hingeschaut wird. Es gehört aber mehr dazu, als nur genau hinzuschauen. Die Kommunikation ist das A und O. Dazu gehört ein ehrlicher Austausch auf der Kommandeursebene, zwischen Vorgesetzten und Mannschaft sowie zwischen der Ministerin und den Führungskräften. Auch die Kommunikation zwischen zivilen und militärischen Bundeswehrangehörigen ist wichtig. Hinschauen gilt nicht nur bei den Soldaten. Hinschauen gilt auch im zivilen Bereich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Seine Meinung kundzutun, hat nichts damit zu tun, keinen Respekt vor dem Vorgesetzten zu haben. Seine Meinung kundzutun, darf kein Nachteil bei der Beförderung sein, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) was bei manchem Vorgesetzten noch immer der Fall ist. Genaues Hinschauen! Ich vermisse das genaue Hinschauen auch im zivilen Bereich. Keiner kann mir richtig erklären, warum manche Dinge nicht vorwärtsgehen. In den letzten Wochen sind Stuben durchsucht worden; so haben es Soldatinnen und Soldaten empfunden. Besuchen ist besser als durchsuchen. Vertrauen ist besser als Verdacht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dies möchte ich der Ministerin mit auf den Weg geben. Ich habe in den letzten Wochen viele Anrufe und E-Mails von Soldaten bekommen, die die Uniform ausziehen wollten. Ja, in der Truppe ist ein großer Vertrauensbruch im Verhältnis zur Ministerin entstanden. Zurück zum genauen Hinschauen. Seit Jahren fällt keinem auf oder will keinem auffallen, dass Fenster in den Unterbringungen herausfallen, dass im Winter die Heizung nicht funktioniert, dass sanitäre Einrichtungen so versifft sind, dass man sich ekelt, duschen zu gehen, und dass immer mehr Betreuungseinrichtungen geschlossen werden, weil nach Meinung des Versorgungsamtes nicht alles den Bestimmungen entspricht. Karrierecenter: Ohne die Wehrpflicht müssen wir alle gut beraten, die Interesse an der Arbeitgeberin Bundeswehr haben. Begeisterung für die Berufung Soldat und auch ein authentisches Darstellen der schweren Stunden im Dienst können manche Fehlentscheidung bei guter Beratung verhindern. Weiter geht es mit der Klotzberg-Kaserne Idar-Oberstein. Das Freibad wird nun endlich eröffnet. Seit 2014 versucht man dort, eine Betreuungseinrichtung in Form von Containern hinzustellen. Noch nicht einmal die Bodenplatte ist vorhanden. Zweibrücken, Abriss der Sporthalle. Zumindest hatte der Bagger vor zwei Wochen einen Versuch gemacht. Dann war der Bagger kaputt. Was ist seitdem passiert? Von Stillstand kann man nicht direkt reden. Immerhin gab es einen Anfang nach sieben Jahren. Unsere Fallschirmjäger sollen 2018 in den Einsatz gehen. Darauf müssen sie gut vorbereitet sein. Bei den Helmen war nach Überprüfung der TÜV abgelaufen. Die EU-Ausschreibung erfolgte. Der Zuschlag wurde erteilt – dem billigsten Anbieter. Die Helme kamen zurück: unbrauchbar, Risse in der neuen Beschichtung. Ende vom Lied: keine Sprungübungen. Das ist unser Vergaberecht. Ganz zu schweigen von dem, was wir unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zumuten. Sie fühlen sich manchmal von ihrer Heimat vergessen. Die Einsätze sind kein Traumurlaub und keine Kreuzfahrt. Risse in Helmen! Seit Jahren weiß man, dass Schutzwesten fehlen. Die Beschaffung von Fahrzeugen, Munition und Kleidung dauert viel zu lang. Genaues Hinschauen! Und unsere Soldatinnen und Soldaten? Sie dienen treu und sind gehorsam. Ich habe einen Appell an alle zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Unterstützen Sie unsere Soldatinnen und Soldaten! Bringen Sie die Beschaffung voran! Wir müssen unsere Soldatinnen und Soldaten gut ausgestattet in die Einsätze schicken, und gut ausgestattet müssen sie auch beim Üben sein, und zwar mit dem Material, mit dem wir sie in die Einsätze schicken. Ein Appell auch an uns Abgeordnete: Ja, der Wahlkampf hat begonnen; aber bitte nicht auf dem Rücken unserer Soldatinnen und Soldaten, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) für deren Schutz wir alle verantwortlich sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Beginn meiner Zeit als zuständige Berichterstatterin den Sanitätsdienst der Bundeswehr als Schmuckkästchen bezeichnet. Zum Ende meines Mandates möchte ich das wiederholen: Ja, Schmuckkästchen. „Der Menschlichkeit verpflichtet“ ist euer Leitsatz, und das kann ich bestätigen: Ihr kümmert euch. Insbesondere allen, die sich um die traumatisierten Soldatinnen und Soldaten kümmern, möchte ich sagen, dass ihre Arbeit unverzichtbar ist. Bitte denken Sie dabei immer an die mitleidenden Angehörigen. Sie werden oft vergessen. Heilende Hände haben auch Militärseelsorger. Das Wort Gottes ist hier das Skalpell und das Medikament. Das Halten einer zweifelnden Hand, die Umarmung einer ängstlichen Seele gehören aber ebenfalls in den Koffer aller, die in der Militärseelsorge tätig sind. Vor allem im Einsatz in diesem Bereich hat der Wehrbeauftragte nichts zu monieren. Das zeigt, wie gut die Seelsorge allen tut, und zwar ohne Ansehen der Konfession. Hier gilt das Gesetz „Nächstenliebe“. Liebe Soldatinnen und Soldaten, ich habe viele von euch kennenlernen dürfen und viele Eindrücke mitgenommen. Ich kann eins bestimmt sagen: dass ihr loyal gegenüber eurer Arbeitgeberin Bundeswehr seid und uns allen mit Leib und Leben dient. Lasst euch nicht den Stolz nehmen, Soldatin oder Soldat zu sein, nicht von denen, die nichts von euch wissen oder euch nicht kennen oder die gar das Sprachrohr anderer sind. Ich habe große Achtung vor euch. Von 2013 bis 2017 war ich viel unterwegs. Ich habe immer gesagt: Die Bundeswehr ist wie ein Puzzle für mich. Je mehr man die Bundeswehr kennenlernt, umso vollständiger wird das Bild. In meiner Kreuznacher Diakonie haben wir einen Leitsatz: „Gemeinsam sind wir stark.“ Diesen Leitsatz möchte ich Ihnen und euch mit auf den Weg geben. Ich habe im Evangelischen Gesangbuch ein Lieblingslied; das Lied 604: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“. Es beschreibt Gemeinschaft. Ein Kapitän geht unter, wenn er nicht hinter seiner Mannschaft steht. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist das!) Ich lege es Ihnen und euch wirklich ans Herz, sich die Zeit zu nehmen und die Strophen zu lesen. Nur in Gemeinschaft und Zusammenhalt kann man gemeinsam etwas bewegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft Gesundheit, Kraft, Liebe und Gottes Segen – lieber Tobias. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Wir nehmen Gottes Segen jetzt an. Als nächste Rednerin rufe ich Doris Wagner, Bündnis 90/Die Grünen, auf. Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Lieber Hans-Peter Bartels! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute sprechen wir über den letzten Jahresbericht des Wehrbeauftragten in dieser Legislatur. Ich finde, das ist Grund genug für einen kurzen Blick zurück. Die Bundeswehr ist in weiten Bereichen in einem beklagenswerten Zustand. So lautete das Urteil von Hellmut Königshaus im ersten Jahresbericht des Wehrbeauftragten in dieser Wahlperiode. Wenn ich mir den aktuellen Bericht so ansehe, stelle ich fest, dass sich in wesentlichen Punkten nicht wirklich etwas geändert hat. Der Wehrbeauftragte fasst nämlich zusammen: Nach wie vor gilt die Erkenntnis: „Es ist von allem zu wenig da.“ Das gilt auch für das Personal. Im Sanitätswesen beispielsweise ist die Personallage so schlecht, dass in den Bundeswehrkrankenhäusern zeitweise ganze Abteilungen geschlossen werden müssen. Herr Bartels kommt zu dem Schluss, dass der Grundbetrieb in den Sanitätsregimentern und Sanitätsstaffeln Einsatz nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet werden kann. Da müssen wir uns doch fragen, ob die Bundesregierung die Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz schickt, ohne garantieren zu können, dass sie im Fall der Fälle ausreichend medizinisch versorgt werden können. Ich finde das unverantwortlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) Wir sehen also: Die Personallage ist immer noch äußerst beklagenswert. Jetzt will die Ministerin 7 000 weitere Dienstposten schaffen. Es wäre doch interessant, wenn sie uns zunächst einmal erklären würde, wie sie eigentlich die jetzt schon bestehenden Personallücken schließen will. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das wird doch erklärt!) Durch ein paar Plakate und YouTube-Filmchen allein wird sich dieses Personalproblem nicht lösen. Meine Damen und Herren, die besten Werbeträger für die Bundeswehr sind doch die Soldatinnen und Soldaten selber – wenn sie zufrieden sind, zum Beispiel wenn sie eine gute und funktionierende Ausrüstung haben. Aber leider spricht gerade die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten nicht wirklich für den Dienst in der Truppe. Im aktuellen Bericht ist zu lesen, dass manch neuer Soldat oder manch neue Soldatin mindestens – ich wiederhole das: mindestens – 45 Wochen warten müssen, bis sie vollständig eingekleidet sind. Sie wären wahrscheinlich viel schneller eingekleidet, wenn sie sich ihre Uniform eigenhändig zusammennähen würden. (Henning Otte [CDU/CSU]: Das wird aber dann krumm und schief!) Das ist doch wirklich ein Armutszeugnis. Das geht gar nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Manchmal ist es aber weniger die Wartezeit als die Art der Ausstattung. Kürzlich habe ich mir die neuentwickelte Dienst- und Ausgehbekleidung von Soldatinnen zeigen lassen. Als ich mir die Handtasche zur Ausgehuniform angeguckt habe – groß genug, um damit mehrere Tage zu verreisen –, habe ich mich unweigerlich gefragt, ob überhaupt eine Soldatin an diesem Prozess beteiligt war. Apropos Mode, meine Damen und Herren von der Union: Der Kollege Hahn von der CSU – leider heute nicht da – ist der Ansicht – ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung –, dass rechte Ideologie in der Truppe „Ausdruck einer sehr negativen Modeerscheinung“ ist. Meine Damen und Herren der Union, damit verharmlost der Kollege Hahn diese Vorfälle in völlig inakzeptabler Weise. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Anstatt diese Vorgänge zu verharmlosen, brauchen wir jetzt schonungslose Aufklärung darüber, wie die bestehenden Strukturen, Instrumente und Meldewege derart versagen konnten – das auch, um Schaden von der Bundeswehr und von den vielen demokratisch gesinnten Soldatinnen und Soldaten abzuwenden, die einen tadellosen Dienst verrichten. Wenig hilfreich ist es in diesem Zusammenhang auch, wenn die Ministerin in ihrem Haus an einem sogenannten Verhaltenskodex arbeitet, den viele Soldatinnen und Soldaten, wie ich finde: zu Recht, als Maulkorb empfinden. Es kann doch nicht sein, dass sie lieber schweigen, weil sie Angst haben müssen, dass sich eine Meldung möglicherweise negativ auf ihre Karriere auswirkt. Da muss die Ministerin in dieser Lage doch wirklich jede Anstrengung für ein offenes und demokratisches Diskussionsklima unternehmen. Dazu reicht es nicht, medienwirksame Auftritte hinzulegen. Die Ministerin hat jetzt eine Reihe von Reformen angekündigt, und ich erwarte von ihr, dass diese Prozesse tatsächlich zügig vorangetrieben werden. Wie Sie unserem Entschließungsantrag zum Wehrbericht – Sie verweigern heute die Abstimmung über diesen Antrag – entnehmen können, erwarten wir noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung dieser Reformen. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass der Bundestag umfassend in diesen Prozess eingebunden ist und regelmäßig informiert wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Eigentlich Regierungsverantwortung!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auch meine letzte Rede hier im Haus, (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Oh, das tut mir aber leid!) und deswegen möchte ich mich zum Schluss von Ihnen allen verabschieden. Ich mache Politik, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass jeder und jede Einzelne von uns Verantwortung für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie trägt, weil ich wirklich fest daran glaube, dass Einsatz sich lohnt, dass jede und jeder Einzelne etwas zum Besseren bewirken kann. Ich habe gezeigt – da gucke ich extra in Ihre Richtung –, dass das auch für Politiker und Politikerinnen der Opposition gilt. Ich möchte gern einen Appell an Sie richten, werte Kolleginnen und Kollegen des Verteidigungsausschusses: Tun Sie das Beste für unsere Soldatinnen und Soldaten; denn das tun sie in aller guten Regel auch für uns. Gerade für Sie in diesem Ausschuss wünsche ich mir von Herzen, dass Sie sich vom Streben nach Frieden als oberster Priorität leiten lassen. Machen Sie es gut! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Auch Ihnen vielen Dank. – Als Nächstes hat Anita Schäfer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sag mal, dass das nicht deine letzte Rede ist!) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Das weiß niemand, ob es die letzte Rede ist. Wir treten noch einmal an. Der Wähler hat zu entscheiden, ob er mich noch einmal hierherschickt oder nicht. (Henning Otte [CDU/CSU]: Wir würden dich wählen!) – Wir würden uns gerne sehen, ja. Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, lieber Herr Bartels! Danken möchte ich zunächst wieder Ihnen und Ihren Mitarbeitern im Namen der gesamten CDU/CSU-Fraktion für Ihre wichtige Tätigkeit und die Arbeit am Jahresbericht 2016. Wie immer beleuchten Sie darin eine Vielzahl von Themen, die beim inneren Zustand der Bundeswehr eine Rolle spielen. Ich finde es gut, dass dazu auch die Trendwenden bei Personal, Material und Infrastruktur gehören, die Bundesverteidigungsministerin von der Leyen eingeleitet hat. Sie stellen fest, Herr Wehrbeauftragter, dass damit die richtigen Entscheidungen getroffen worden sind. Es kommt nun darauf an, die getroffenen Beschlüsse möglichst rasch mit konkreten Maßnahmen umzusetzen, damit die Verbesserungen bei allen Soldaten ankommen. Dabei geht es um die Bewilligung zusätzlicher Mittel zur Schließung von Lücken, um Beschaffungs- und Sanierungsaufträge sowie um die weitere Steigerung der Attraktivität des Dienstes bei der Bundeswehr. Auch die Personalgewinnung muss sich fortentwickeln. Wir begrüßen, dass die Bundeswehr bei der Nachwuchswerbung neue Wege in den sozialen Medien geht, etwa mit der jüngst mit dem Deutschen Digital Award ausgezeichneten YouTube-Serie Die Rekruten. Die teilweise daran geäußerte Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Die Streitkräfte sind Teil unserer modernen Gesellschaft, und der Dienst zum Schutz von Sicherheit und Werten dieser Gesellschaft sollte selbstverständlich sein – angesichts aktueller Entwicklungen mehr denn je. Auch im letzten Jahr sind neue Einsätze hinzugekommen oder bestehende erweitert worden, an denen Deutschland sich im Rahmen von UN, EU und NATO beteiligt. Zugleich müssen wir uns nach den politischen Veränderungen dieses letzten Jahres darauf einstellen, insgesamt einen größeren und gewichtigeren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung im Bündnis zu leisten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich dafür einsetzen, dass die Bundeswehr schnell die Mittel erhält, um den sich rasch entwickelnden Herausforderungen zu begegnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heidtrud Henn [SPD]) Meine Damen und Herren, die vielleicht traditionellsten Aspekte der Berichte des Wehrbeauftragten sind der Umgang untereinander in der Truppe und der Hinweis auf Fehlentwicklungen. Im aktuellen Bericht findet sich dies im Kapitel „Führung und Soldatenalltag“, hier insbesondere „Führungsverhalten und Fehlerkultur“, und im Kapitel „Rechtsverstöße und Rechtspflege“, hier besonders die Punkte „Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“ sowie „Mobbing und sexuelle Belästigung“. Diese Punkte haben durch die Vorgänge in Pfullendorf und Illkirch zuletzt große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Die Ministerin hat in ihrem offenen Brief an die Bundeswehr um Unterstützung bei der Diskussion über wichtige Punkte gebeten, die sich aus diesen Vorgängen ergeben. In einer auf Befehl und Gehorsam beruhenden Organisation wie der Bundeswehr erscheint offene Diskussion zunächst schwierig. Denn wer sagt seinem Vorgesetzten schon unbefangen die Meinung? Eigentlich sollte das aufgrund des Prinzips des Staatsbürgers in Uniform, eines der Markenzeichen der Bundeswehr, kein Problem sein. Aber vielleicht fehlt es dennoch an Offenheit in der Truppe. Der Bericht des Wehrbeauftragten weist unter dem Punkt „Führungsverhalten und Fehlerkultur“ auf eine Zunahme des Gefühls bürokratischer Eingeengtheit und auf eine Absicherungsmentalität hin. Dies beeinträchtigt nicht nur das Prinzip des Führens mit Auftrag, eines weiteren Markenzeichens der deutschen Streitkräfte, sondern hat auch andere Folgen. Vorgesetzte sind so mit Bürokratie beschäftigt, dass sie immer weniger zur Dienstaufsicht kommen. Das wurde beispielsweise auch im Fall Pfullendorf beklagt. Für andere wichtige Dinge wie politische Bildung steht ebenfalls entsprechend weniger Zeit zur Verfügung. Auch scheinen Fehlermeldungen zunehmend unerwünscht, sodass nach oben meist nur gemeldet wird: Alles in Ordnung. – Das hat möglicherweise auch im Fall der Masterarbeit des späteren Oberleutnants aus Illkirch eine Rolle gespielt. Etwas mehr Fehlerkultur könnte der Bundeswehr also nicht nur bei der Erfüllung ihres Auftrags helfen, sondern auch solchen Entwicklungen entgegenwirken. Dafür müssen wir allerdings die Bedingungen schaffen, also Bürokratie abbauen und auch Fehler zulassen. Meine Hoffnung ist, dass dies ebenfalls eine Konsequenz aus den jüngsten Vorgängen sein wird. Ich möchte aber zum Schluss die Gelegenheit nutzen, allen Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Beschäftigten der Bundeswehr für ihren großartigen Dienst zu danken, den sie im In- und Ausland häufig unter schwierigen Bedingungen und teilweise unter großer Gefahr für Leib und Leben leisten – für die Sicherheit Deutschlands und unserer Verbündeten und zum Schutz der Schwächsten in Krisengebieten. Dafür sollte ihnen unser aller Anerkennung gebühren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt Julia Obermeier, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heidtrud Henn [SPD]) Julia Obermeier (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen beiden Jahren haben wir den Verteidigungshaushalt erhöht. Das ist kein Selbstzweck, sondern wichtig und richtig. Mit der Trendwende Finanzen machen wir auch deutlich: Wir brauchen eine starke Bundeswehr. Deutschland braucht engagierte Männer und Frauen in Uniform, um den aktuellen globalen Bedrohungen zu begegnen. Unsere Truppe ist international immer stärker gefordert, etwa im Kampf gegen den IS oder in der NATO-Speerspitze. Die Landes- und Bündnisverteidigung wird wieder wichtiger. Gleichzeitig aber bleiben die Friedens- und Stabilisierungsmissionen weiterhin notwendig. Angesichts der gestiegenen Belastungen haben wir nicht nur die Trendwende bei den Finanzen gestemmt, sondern auch die Trendwenden beim Personal und beim Material eingeläutet. Allerdings braucht es etwas Zeit, bis die Verbesserungen bei den Soldatinnen und Soldaten ankommen. Daher ist es zwar bedauerlich, aber auch nicht ganz verwunderlich, dass die Zahl der Eingaben beim Wehrbeauftragten im Berichtsjahr angestiegen ist. Aber mit den Trendwenden bei Finanzen, Personal und Material sprechen wir auch den Angehörigen der Bundeswehr unsere Anerkennung aus; denn sie nehmen eine unverzichtbare Aufgabe für unseren Staat und für unsere gesamte Gesellschaft wahr. Sie schützen durch ihren Dienst in der Bundeswehr unsere Freiheit und setzen sich für eine bessere, eine gerechtere, eine freie und eine sichere Welt ein. Sie setzen sogar ihr Leben ein, damit wir in Deutschland in Sicherheit leben können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Hierzulande sind wir an Frieden und Sicherheit gewöhnt, aber Frieden und Sicherheit sind nicht selbstverständlich. Sie müssen tagtäglich aufs Neue verteidigt werden. Mein Dank und der Dank meiner CDU/CSU-Fraktion gilt all unseren aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten sowie den zivilen Beschäftigten, die die immer anspruchsvoller und mehr werdenden Aufgaben engagiert erfüllen. Ganz besonders danke ich auch ihren Familien und Freunden, die ihnen dabei zur Seite stehen. Wir danken euch. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Wehrbeauftragte ist ein wichtiges Hilfsorgan des Bundestages. Aber, Herr Bartels, wenn Sie schon öffentlich verkünden, das Militär sei für Rechtsextremismus strukturell besonders anfällig, (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Recht hat er!) dann frage ich schon, warum Sie in Ihrem 95-seitigen Jahresbericht nicht einmal eine ganze DIN-A4-Seite dem Thema Extremismus gewidmet haben. Sehr geehrte Damen und Herren, damit Sie mich richtig verstehen: Ich will keinen der Fälle beschönigen oder gar kleinreden. Aufklärung ist wichtig. Klare Konsequenzen wurden gezogen und werden gezogen. Das sind wir unserer Bundeswehr schuldig. Aber als Parlament sind wir es unseren Soldatinnen und Soldaten auch schuldig, dass wir weiterhin mehr in ihren Schutz und ihre Ausrüstung investieren. Wenn Sie, Herr Wehrbeauftragter, in Ihrem Jahresbericht schreiben, das größte Problem sei jetzt das Tempo, dann schreiben Sie das bitte auch Ihren Parteigenossen von der SPD ins Stammbuch; denn es ist die SPD, die wichtige Beschaffungsvorhaben über Wochen verzögert. (Thomas Hitschler [SPD]: Das ist ja unerhört!) Ginge es nach uns, wären die neuen Schutzwesten und die wichtigen Funkgeräte schon auf dem Weg. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie aber tragen Ihren Wahlkampf auf dem Rücken der Soldaten aus, und das ist verantwortungslos. (Wolfgang Hellmich [SPD]: Ja, es ist Wahlkampf! – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Das kann man in München machen bei der CSU, aber nicht hier!) Wir als CDU/CSU wollen den besten Schutz und die beste Ausrüstung für unsere Bundeswehr. Wir stehen an der Seite der Truppe. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: So was Verlogenes bin ich nur aus dem Bayerischen Landtag gewohnt!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass die Vorlage auf Drucksache 18/10900 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen wird. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12574. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung an dieselben Ausschüsse, an die der Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten überwiesen wurde. Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Und wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 15 a bis 15 c: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Zeit ist reif für den Kohleausstieg Drucksache 18/12108 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen Drucksache 18/12381 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Kohleausstieg einleiten – Strukturwandel sozial absichern Drucksachen 18/8131, 18/11151 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre von Ihrer Seite keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Annalena Baerbock für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So absurd es ist: Während wir hier stehen, blickt die Welt gebannt auf einen berühmt-berüchtigten Twitter-Account. Und zu Recht wird es aller Wahrscheinlichkeit nach ganz empörte Tweets und Bierzeltreden geben. Doch mit Empörung allein werden wir diesem Donald Trump nicht begegnen können, und mit Empörung allein werden wir auch das Weltklima nicht retten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt braucht es kein Geschwätz, sondern jetzt braucht es Taten. Auf Donald Trumps Ankündigung, aus dem Klimavertrag auszusteigen, muss aus Deutschland die eindeutige Antwort kommen: Deutschland leitet den Kohleausstieg ein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Alles andere, alle anderen hehren Worte werden ansonsten wie ein Bumerang zu uns zurückkommen. Nehmen wir nur die letzte Woche: Beim Petersberger Klimadialog riet Frau Merkel den Vertretern aus Saudi-Arabien, jetzt in neueste Technologien zu investieren. Weise Worte! Doch ein paar Wochen davor eröffnete die LEAG, dass sie plane, vielleicht auch noch 2030 Menschen, Dörfer, Kirchen und Betriebe dem Boden gleichzumachen und weiter Braunkohle abzubaggern. Und warum? Weil diese Bundesregierung nicht in der Lage ist, eine klimapolitische Entscheidung zu treffen und zu sagen: Wir brauchen keine neuen Tagebaue. – Das ist schizophren, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie können die klimapolitische Schizophrenie, Saudi-Arabien zu raten, in Erneuerbare einzusteigen, und selber an der Kohle festzuhalten, heute beenden, indem Sie unserem Antrag zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Um Gottes willen!) Liebe SPD, Ihr Kanzlerkandidat macht es der Kanzlerin mit seiner Schizophrenie gleich: Heute verkündet er, in Zukunft müssten Handelsabkommen internationale Klimaverträge berücksichtigen, und zwar verbindlich. Sehr schön, wenn Sie diese grüne Forderung, die wir seit langem erheben, wirklich ernst meinen! Dann können Sie zum einen erst einmal bei allen anderen Handelsverträgen aufräumen. Aber zum anderen erwarte ich dann von Ihrem Kanzlerkandidaten, dass er sich ab sofort für die Einführung der CO2-Emissionsstandards für Kohlekraftwerke aus den USA in Deutschland einsetzt. Diese hatte Obama nämlich mit seinem Clean Air Act im Lichte von Paris erlassen. Wenn jetzt Herr Schulz sagt, es sei eine Schande, dass dieser Clean Air Act abgewickelt wird, dann muss er doch in Deutschland dafür sorgen, dass wir diese Standards einführen. Alles andere wäre klimapolitische Schizophrenie, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn wir schon beim Handel sind: Sie feiern sich dafür ab, dass Sie mit der KfW in das größte Solarkraftwerk der Welt – leider nicht in Deutschland, sondern in Marokko – investieren. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Da scheint die Sonne länger!) Zeitgleich geben Sie Hermesbürgschaften für dreckige fossile Kraftwerke in Südafrika. Warum hat denn Marokko eine Zukunft verdient und Südafrika nicht? Das ist schizophren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE]) Wir können Ihnen nur sagen: Hören Sie damit auf! Kommen Sie zu der Erkenntnis, dass die Unterschrift unter dem Abkommen von Paris nicht nur ein Auftrag an Amerika und den Rest der Welt war. Es war ein Auftrag an Deutschland, den Kohleausstieg endlich einzuleiten und aus den fossilen Energien auszusteigen. Geben Sie sich einen Ruck! Zeigen Sie heute, was auf dieser Seite des Atlantiks wahre Größe ist, und stimmen Sie unserem Antrag zum Kohleausstieg zu! Dann haben wir morgen die Headline: Amerika steigt aus dem Abkommen von Paris aus, Deutschland leitet den Kohleausstieg ein. – Wir hoffen auf Ihre Vernunft. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Matthias Heider das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nachdem die Kollegin Baerbock sich drei Minuten Zeit genommen hat, die Industriefeindlichkeit des Wahlprogramms der Grünen zu skizzieren, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja lächerlich! – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Klimaschutz, gerade heute Abend!) ist es jetzt einmal Zeit, zu erklären, warum Energiepolitik auch Industrie- und Wettbewerbspolitik ist. Meine Damen und Herren, den Antrag der Grünen könnte man in einem Satz zusammenfassen: Hochwertige, tarifgebundene Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft sollen aufs Spiel gesetzt werden, (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und mit der Energieversorgung in Deutschland wollen die Grünen und auch die Linken spielen wie mit einem Baukasten. Das wird nicht funktionieren; das sage ich Ihnen gleich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Weder das eine noch das andere werden wir zulassen, und deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen. Denken wir einmal an das Jahr 2010 zurück. Deutschland befand sich in einer guten Lage. Es wurde von einer christlich-liberalen Koalition regiert. 45 Prozent der Stromerzeugung waren CO2-frei. Damals kam der Strom nämlich noch aus CO2-freier Kernenergie. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Nachdem wir aber gemeinsam aufgrund einer neuen Bewertung des Restrisikos beschlossen hatten, dass wir diese Form der Energieerzeugung nicht mehr nutzen wollen, haben wir doch alle eine hohe Verantwortung, die Versorgungssicherheit in Deutschland weiter zu gewährleisten. Sie ist aber gefährdet, wenn man neben der Kernenergie im Hauruckverfahren auch aus der Kohle aussteigen will. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Hauruckverfahren“?) Wir werden nach dem aktuellen Stand die Energie aus Kernkraft und Kohle nicht eins zu eins mit volatiler Energie aus Wind und Sonne ersetzen können. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wodurch denn? Beantworten Sie doch mal die Frage!) Das wissen Sie auch ganz genau. Sie ignorieren das aber lieber, weil Sie ideologiegetrieben sind und das Augenmaß für das Machbare einfach nicht haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also finden Sie gut, was Trump macht, ja?) Ich will Sie an ein Datum erinnern, den 24. Januar 2017. Das war der Tag der sogenannten Dunkelflaute. Der Strombedarf in Deutschland betrug an diesem Tag 83 Gigawatt. Die erneuerbaren Energien konnten an diesem Tag gerade einmal 3 Gigawatt liefern. Was mussten wir also tun? Wir haben Strom aus Kernenergie aus Frankreich importiert. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonst exportieren wir immer nur nach Frankreich!) Das kostete uns einerseits richtig viel Geld, und andererseits belastete es die Netze erheblich. Warum ist die Versorgungssicherheit so wichtig? Ich will Ihnen dazu eine anschauliche Geschichte aus meinem Wahlkreis im Sauerland erzählen. Dort befindet sich eine Papierfabrik, ein echtes mittelständisches Familienunternehmen, über 100 Jahre alt, mit knapp 100 Mitarbeitern. Für eine Papierfabrik ist eine verlässliche Stromversorgung so wichtig wie die Luft zum Atmen. Kleinste Schwankungen im Netz können bei einem kontinuierlichen Prozess wie der Papierherstellung zu einem Stillstand der Produktion führen. Und wenn die Maschinen einmal stehen, kann es bis zu einer Stunde dauern, bis die Produktion wieder richtig läuft. Dieser Stillstand kostet das Unternehmen einen gut fünfstelligen Betrag; das ist für ein mittelständisches Unternehmen eine Menge Geld. Das gilt umso mehr, wenn sie an andere Konti-Prozesse denken, etwa in einem Elektrostahlwerk oder in einer Aluminiumhütte im Ruhrgebiet. Wenn wir also nicht genau darauf achten, dass die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt, verlieren wir im Wettbewerb und gefährden die Existenz von Arbeitsplätzen. Mehr noch: Wenn der Unternehmer nicht nur mehr Geld für den Strom wegen der Energiewende bezahlen muss, sondern sich auch nicht mehr auf die Energieversorgung verlassen kann, dann sind das zwei ganz gefährliche Wettbewerbsnachteile. Dann machen wir Deutschland als Wirtschaftsstandort unattraktiv. Wir als Unionsfraktion wollen das Gegenteil. Wir wollen (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Kohle bleiben!) unseren attraktiven Wirtschaftsstandort schützen. Wir wollen, dass hier Arbeitsplätze entstehen. Richtig ist auch: Wenn wir die sehr ambitionierten Ziele von Paris einhalten wollen, brauchen wir Veränderungen im Bereich der konventionellen Kraftwerke. Uns muss aber klar sein, dass der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung dadurch langsam sinken wird. Die Liste der Bundesnetzagentur über die Stilllegungsanzeigen dokumentiert, dass dieser Transformationsprozess im Markt langsam in Gang kommt. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja keine Klimapolitik! Da geht es um Wirtschaftspolitik!) Wir sollten eines aber nicht vergessen: Wir haben in Paris keinen Ausstieg aus der Kohle beschlossen. Die Reduzierung der Kohleverstromung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist kein Selbstzweck. Unser Beitrag ist im internationalen Vergleich durchaus größer als der, den andere Industrienationen angekündigt haben, und es wäre schön, wenn es nicht nur bei Ankündigungen bliebe. Die in Ihrem Antrag aufgezählten Länder haben alle nur Absichtserklärungen zur Reduzierung der Kohleverstromung vorgelegt. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! 100 Standorte!) Großbritannien hat für 2025 angekündigt, keine Kohle mehr verstromen zu wollen, beschlossen ist nichts; die haben mit dem Brexit jetzt auch ganz andere Probleme. Der Trilog in Brüssel stoppt gerade. Die Niederlande haben keine CO2-Reduzierung beschlossen; von Kohle war da direkt gar keine Rede. Sie hatten auch China genannt. China will die Kohleförderung um ein Drittel reduzieren; die pusteten im Jahr 2014 insgesamt 8,5 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die haben auch ein paar mehr Leute als wir!) In den hochindustrialisierten Ländern der EU sind es insgesamt 3,4 Milliarden Tonnen CO2, davon entfielen auf Deutschland gerade einmal 794 Millionen Tonnen CO2. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich einmal die Bevölkerungszahlen an! Was ist das denn?) Dann führen Sie uns Frankreich als Musterbeispiel für saubere Energie an, (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie was Falsches gelesen im Antrag! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal unsere Anträge!) weil dort 2023 angeblich das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden soll. Dabei wird dort mit 75 Prozent der höchste Anteil der Energie in Kernkraftwerken produziert. Wen wollen Sie eigentlich verschaukeln? (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage Ihnen: In der Wirtschaftspolitik müssen Sie einmal das Fernlicht einschalten. Da reicht ein Öllämpchen nicht aus, nicht einmal, wenn man daran reibt. Es besteht also überhaupt kein Anlass, eine kurzfristige, einseitige Verschärfung der bestehenden Klimaziele durchzuführen, und es besteht auch kein Anlass, neue Daumenschrauben zu erfinden, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zusätzlich zu benachteiligen. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wurde die Rede eigentlich in Washington geschrieben, oder wo?) Im Übrigen gilt – ich will noch auf das ETS zu sprechen kommen –: Die aktuell in Brüssel diskutierten Reformschritte führen durch die entsprechenden Maßnahmen sicherlich zu einer weiteren Belebung des Marktes. Aber ich rate auch hier zu Augenmaß. Zentrales Problem sind die Benchmarks für den künftig erlaubten CO2-Ausstoß. Im Moment bedeutet das, jedenfalls für Deutschland, 3 bis 4 Milliarden Euro mehr an Belastungen. Ich habe deshalb eine große Sympathie (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Trump? Das haben wir gehört!) für die Bitte der Bürgermeister deutscher Stahlstandorte an die Bundeskanzlerin, die Erzeugung von Stahl im eigenen Land nicht zu gefährden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein paar Milliarden Euro mehr sind schwer zu erwirtschaften. (Beifall bei der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sollte Thyssen nicht in Brasilien investieren!) Das macht man nicht einfach so. Das geht zulasten des Ergebnisses. Das geht zulasten von Wertschöpfungsketten; diese brechen dadurch weg. Das geht zulasten von Arbeitsplätzen in Deutschland. Die Folge ist: Billiger chinesischer Stahl gewinnt, der zu wesentlich höheren Umweltbelastungen hergestellt wird. Das alles wollen Sie. Wir als Union wollen das nicht. Deshalb sind Sie in Nordrhein-Westfalen abgewählt worden. (Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Jurk [SPD]: Das trifft uns hart!) Wir wollen keine kurzfristigen und kurzsichtigen Kraftwerksschließungen in Deutschland. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) Das träfe Nordrhein-Westfalen hart. Durch die Abhängigkeiten im Braunkohlesystem würden im Rheinischen Revier unmittelbar 17 Kraftwerke und 2 Tagebaue unwirtschaftlich. Das ginge zulasten von qualifizierten Arbeitsplätzen. Das bedeutet, dass bei einem solchen Ausstieg in Nordrhein-Westfalen 40 000 Arbeitsplätze und bundesweit 70 000 Arbeitsplätze betroffen wären. Das können wir zusätzlich zu dem Ausstieg aus der Kernenergie nicht tragen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Nordrhein-Westfalen sind das nicht 40 000 Arbeitsplätze! Das sind Märchen, die Sie erzählen! Das sind nicht einmal mehr 10 000!) Deshalb ist Augenmaß gefordert. Eines haben Sie vergessen: das Preisschild an Ihrem Vorschlag. Dieses werden wir hier heute an Ihrem Vorschlag anbringen müssen. Hier ist wirtschaftliche Vernunft gefragt. Sie müssen an die Menschen denken, die davon betroffen sind. Dafür werden wir uns einsetzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen eine Änderung der Tagesordnung bekannt geben: Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass nach TOP 17, also gegen 22.30 Uhr, die Debatte und drei namentliche Abstimmungen zum Thema „Abschiebungen nach Afghanistan“ stattfinden. Stellen Sie sich bitte darauf ein. Jetzt hat als Nächste Eva Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke, das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer über den Klimawandel spricht, darf über den Kohleausstieg nicht schweigen. Ich sage Ihnen: Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wenn Sie reden, immer!) Wir müssen beim Klimawandel das Schlimmste verhindern. Das heißt, das 2Grad-Ziel muss eingehalten werden. Hier haben auch wir eine Verantwortung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Heute wird der Präsident der USA, Donald Trump, voraussichtlich bekannt geben, dass er aus dem Pariser Abkommen aussteigen will. Ich sage Ihnen: Das ist furchtbar. (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Er will die Uhr zurückdrehen. Das geht nicht. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das macht ihr doch jeden Tag!) Das wird auch nicht funktionieren; denn jegliche Vernunft sagt: Weg von fossilen Rohstoffen, weg von Öl und Kohle! (Beifall bei der LINKEN) Das hieße dann auch: keine Kriege mehr um Rohstoffe. Dann bräuchten wir hier auch nicht über fehlende Schutzjacken zu diskutieren, sondern könnten über vernünftige Dinge sprechen. Zurück zu Deutschland. Wir brauchen ein Kohleausstiegsgesetz. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Thomas Jurk [SPD]: Nein!) Wir wollen ein Enddatum festlegen. Wir als Linke sagen: 2035. Herr Heider, wir wollen dies also nicht im Hauruckverfahren erreichen, sondern bis 2035. Wir brauchen Investitionssicherheit, wir brauchen Sicherheit für die Beschäftigten, aber wir brauchen auch einen Strukturwandel. Wir brauchen einen Strukturwandelfonds. Menschen müssen vorbereitet werden. Sie müssen zum Teil umgeschult werden. Sie müssen sozial abgesichert werden, um ihnen ihre Ängste zu nehmen. Menschen brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze, die natürlich tarifgebunden und armutssicher sind. (Beifall bei der LINKEN – Ulrich Freese [SPD]: Die sind gut ausgebildet! Die brauchen nicht unsere Hilfe! Sie brauchen gute Arbeit!) Wenn hier von Arbeitsplatzvernichtung gesprochen wird, dann frage ich Sie: Was ist denn mit der Solarindustrie in Thüringen? Wie ist das mit der Deckelung bei KWK? Schauen Sie doch einmal diese Industrien an. Darüber reden Sie überhaupt nicht. In der energiepolitischen Bilanz dieser Bundesregierung sind der versäumte Kohleausstieg und die Erpressbarkeit der Bundesregierung im Sommer 2015 die schlimmsten Makel. Wirtschaftsminister Gabriel machte einen Rückzieher vom Klimabeitrag, den wir unterstützt hätten, und einige Uraltkohlemeiler wurden vergoldet, natürlich aus dem Geldbeutel von Stromkundinnen und Stromkunden. Wir finden, das ist ein starkes Stück. Hier werden wieder Konzerne subventioniert. Wir halten das für falsch. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Inzwischen gibt es Ausschreibungen für Strom aus regenerativen Energien. Damit kann man regenerative Energien deckeln, was die Bundesregierung beschlossen hat. Wir halten das für falsch. Wir brauchen mehr regenerative Energien und nicht weniger. (Beifall bei der LINKEN) Überall hört man, wie die Null-Cent-Zuschläge der Offshorewindindustrie gefeiert werden, Null-Cent-Zuschläge für EnBW und DONG Energy. Auf einmal hört man auch Kritik am Deckel, also an der Begrenzung, aus den Reihen der CDU. Man höre und staune! Enak Ferlemann fordert sogar die Abschaltung von Kohlekraftwerken. Ich kann nur sagen: Sehr vernünftig, der Mann; denn die Kohlekraftwerke verhindern das Durchleiten von Ökostrom. Das ist natürlich auf Dauer ein Problem. Ich begrüße, dass langsam die Front der fossilen Lobby bröckelt. Allerdings kommt mein Vorredner noch aus der Steinzeit; es gibt auch andere. Wenn es um den Konzernwillen geht, dann verstehen CDU-Ohren das offensichtlich und sind nicht mehr taub, wenn es um die Anhebung des Ausbaudeckels geht. Ich finde das richtig. Wir Linke sagen schon lange: Ein zu niedriger Ausbaudeckel ist Bestandsschutz für Kohlekraftwerke. Die Welt verändert sich. Sie verlangen Flexibilität und Mut zur Veränderung von den Menschen, die Sie wählen hier im Land. Gehen Sie voraus! Haben auch Sie Mut, und tun Sie das, was notwendig ist: raus aus der Kohle. Das ist dringend notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Zum Schluss noch ein Satz zur Versorgungssicherheit. Ich habe mir das genau angehört. Ich würde gerne einmal über Smart Grids, Digitales, Sicherheit und Hacker diskutieren. Dann kann es ganz schnell aus sein mit der Versorgungssicherheit. Darüber verlieren Sie aber keinen Ton. (Zuruf von der CDU/CSU: Ist auch nicht das Thema heute!) – Sie haben ja auch über Themen gesprochen, die nicht Thema waren. Also, was soll das? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen eine andere Energieversorgung. Das ist dringend notwendig, auch für die Jugend, die eine Zukunft haben soll, und zwar ohne große Auswirkungen des Klimawandels. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Thomas Jurk das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thomas Jurk (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Legislatur wurde durch die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen der gesetzliche Rahmen für den Umbau unserer Energieversorgung neu geordnet und erheblich konkretisiert. Mit dem Klimaschutzplan der Bundesregierung wurden die Einsparziele für verschiedene Sektoren festgelegt. Damit ist auch Planungssicherheit verbunden. Planungssicherheit erfolgt auch durch das Strommarktgesetz und die damit verbundene Sicherheitsbereitschaft zur geplanten Stilllegung von Kraftwerken. Mit den EEG 2014 und 2017 sind die Entwicklungsperspektiven für die erneuerbaren Energien fixiert worden. Damit verbunden ist die dringende Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch Ausschreibungsmodelle bei Photovoltaik und Windkraft. Ein weiterer wesentlicher Beitrag zur Energiewende ist die finanzielle Förderung von Energieeffizienz, die in dieser Legislatur auf circa 3 Milliarden Euro im Jahr 2017 erhöht wurde. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Jurk, darf ich Sie unterbrechen? – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Baerbock? Thomas Jurk (SPD): Na klar. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Jurk, Sie zählen ja jetzt alles auf, was erreicht wurde. Wir reden an diesem Abend aber auch über das Klimaabkommen. Seit 2009 wurde in Deutschland keine Tonne CO2 eingespart; wir haben über sieben Jahre keine weitere Reduktion erreicht. Wie gedenken Sie trotz all Ihrer Maßnahmen und ohne Kohleausstieg dem Klimaabkommen gerecht zu werden, wenn Sie keine einzige Tonne CO2 in den letzten Jahren eingespart haben? Thomas Jurk (SPD): Wir wollen nach vorne schauen, sehr verehrte Frau Kollegin. Wenn Sie meiner Rede weiter folgen, werde ich Ihnen eine Antwort darauf geben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man kann es nicht oft genug sagen: Im energiepolitischen Dreieck von Umwelt- und Klimaschutz, Bezahlbarkeit sowie Versorgungssicherheit wird das hohe Gut der Versorgungssicherheit momentan durch viele Akteure gewährleistet. Versorgungssicherheit ist übrigens keine Selbstverständlichkeit. Deshalb sollte niemand der Illusion verfallen, man müsste nur intelligent hin- und herschalten und das System bliebe einfach stabil. Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende leistet dazu einen kleinen, aber nicht unwichtigen Beitrag. Aber das Funktionieren unseres Energiesystems macht nach wie vor einen erheblichen Anteil an grundlastfähigen Erzeugungskapazitäten erforderlich. Bei aller erfreulichen Entwicklung beim Ausbau der erneuerbaren Energien, die mittlerweile ein Drittel des Strombedarfes abdecken, werden konventionelle Kraftwerke weiterhin gebraucht. Deshalb ist die Forderung in Ihrem Antrag, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir sollten uns an Großbritannien und Frankreich orientieren, ein völliger Trugschluss. Wir verabschieden uns aus guten Gründen Ende 2022 von der Kernenergie; da bin ich anderer Meinung als mein Vorredner von der CDU/CSU-Fraktion. Großbritannien setzt auf Windenergie und Kernkraft; neue Kernkraftwerke sollen gebaut werden. Hinkley Point C soll 2025 ans Netz gehen. Vor diesem Hintergrund ist es einfach, die Kohlekraftwerke abzuschalten. Der frisch gewählte französische Präsident Macron sieht sich den Wünschen der Energieversorger auf finanzielle Unterstützung für Kernkraft ausgesetzt. Übrigens ist der französische Energiekonzern EDF Bauherr beim britischen Kernkraftwerk Hinkley Point C. Wenn wir aus der Atomkraft aussteigen, müssen wir für die Versorgungssicherheit auch Kapazitäten an Kohlekraft haben. Dabei rede ich nicht einmal über die Beschäftigung und Wertschöpfung in strukturschwachen Räumen wie meiner Heimatregion, der Lausitz. Ein erfolgreiches Industrieland wie Deutschland braucht eine verlässliche, eine stabile Energieversorgung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das im Antrag der Linken genannte Ziel, bis 2035 alle kohlebasierten Kraftwerke in Deutschland stillzulegen – das ist auch, sehr verehrte Frau Kollegin, im Ausschuss diskutiert worden –, würde bedeuten, 67 Standorte, von denen übrigens 35 Standorte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit 51 000 Megawatt elektrischer und 14 000 Megawatt thermischer Leistung sind, aus dem Energieversorgungssystem herauszunehmen. Dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Aber wie bereits eingangs dargestellt, werden wir in den nächsten Jahren durch die Außerbetriebnahme – Frau Baerbock, jetzt dürfen Sie zuhören – (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich höre!) von Braunkohlekraftwerksblöcken nicht nur einen Beitrag für den Klimaschutz leisten, sondern auch strukturschwache Räume vor erhebliche Probleme stellen. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Allein Sicherheitsbereitschaft und Stilllegung von zwei Blöcken, nämlich F und E in 2018 und 2019, in Jänschwalde in Brandenburg bedeuten den Verlust von 600 Arbeitsplätzen. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, der Arbeitsrückbau war doch eh schon eingeplant!) Deshalb ist es richtig, dass wir eine Vielzahl von engagierten regionalen Akteuren haben, die sich der Aufgabe des neuerlichen Strukturwandels stellen. Die überwiegende Zahl dieser Initiativen sieht den Strukturwandel mit Kohle und nicht, wie Sie behaupten, ohne Kohle. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und Sie als Politiker schauen zu! Genau!) Ich finde es hervorragend, dass sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Landräte der Region in einem Bündnis zusammengefunden haben. Sie sind auch nicht bekloppt; sie verzichten nicht auf das, was die Region reich gemacht hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum werden 4 Millionen für Strukturwandel nicht abgerufen? – Zuruf von der CDU/CSU: Auf die Grünen können wir verzichten!) Frau Baerbock, das müssen Sie doch zugeben: Alle Erfahrungen vom Strukturwandel in Kohleregionen machen deutlich, vor welcher Herkulesaufgabe man steht, diese wirklich gut bezahlten Arbeitsplätze irgendwie zu kompensieren. Deshalb war es richtig, unter anderem im Energie- und Klimafonds Mittel für Begleitmaßnahmen – ich betone: für Begleitmaßnahmen – des Strukturwandels einzustellen. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die können nicht abgerufen werden!) Unsere Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker dürfen nicht alleingelassen werden. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, sie können sie nicht abrufen!) In 14 Tagen wird Frau Bundeswirtschaftsministerin Zypries die Gemeinde Boxberg in der Oberlausitz besuchen – einen Kraftwerksstandort, aber einen Standort mit Ansätzen des Strukturwandels –, um mit den Akteuren vor Ort einem erfolgreichen Strukturwandel einen weiteren Schub zu verleihen. Für den Strukturwandel in betroffenen Regionen ist aber noch weitere Unterstützung notwendig. Einerseits gilt dies in organisatorischer Hinsicht: Das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Stabsstelle für den Strukturwandel in Braunkohleregionen geschaffen, die im Klimaschutzplan genannte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ wird vorbereitet, (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, 2018!) und es finden Gespräche zwischen dem Bund und den betroffenen Ländern statt. Andererseits geht es auch darum, den Strukturwandel finanziell zu begleiten. Hier nenne ich vor allem die Förderung durch die bewährte Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz GRW, mit ihrer Experimentierklausel. Das ist etwas Neues und Erfolgversprechendes. Darüber hinaus muss es um einen weiteren Ausbau der Infrastruktur gehen. Deshalb ist es äußerst kontraproduktiv, dass die Deutsche Bahn – offensichtlich auf Geheiß des Bundesverkehrsministeriums – keine Planungsvereinbarung mit den beteiligten Ländern mehr schließen darf, um eine Eisenbahnverbindung wie die von Berlin nach Görlitz aus dem Potenziellen Bedarf in den Vordringlichen Bedarf zu befördern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die in den Bundesverkehrswegeplan reingenommen!) – Hören Sie doch zu, und unterstützen Sie uns! Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Baerbock, jetzt ist es gut. Der Herr Kollege Jurk kommt jetzt zum Ende. Thomas Jurk (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin; ich folge Ihrem Wunsch und komme zum Schluss. – Es bleibt viel zu tun. Ausstiegsszenarien, immer neuer Ballast oder ideologische Debatten sind dabei nicht hilfreich. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit der Kraft der Menschen vor Ort Stück für Stück vorankommen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat jetzt Dr. Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Jurk hat viele Punkte, die auch ich auf meinem Zettel habe, angesprochen; das gilt auch für Dr. Heider. Ich möchte ein ganz anderes Thema beleuchten, das aus meiner Sicht in der gesamten Debatte, solange ich im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen dabei bin, noch nicht angesprochen wurde. Die deutsche Gipsindustrie benötigt jährlich etwa 9,5 Millionen Tonnen Gips. Davon kommen 5 Millionen Tonnen aus den REA-Anlagen der Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke. Dort wird das SO2, das ja im Wesentlichen an der Bildung des sauren Regens in den 70er- und 80er-Jahren beteiligt war, eliminiert, und über Kalkstein entsteht Gips. Dieser Gips ist im Vergleich zu Naturgips chemisch reiner, und er wird von der Gipsindustrie sehr gerne weiterverarbeitet. Bei uns im Kraftwerk Schwarze Pumpe, aber auch am Kraftwerksstandort Jänschwalde und an vielen Kraftwerksstandorten in NRW hat sich die Gipsindustrie angesiedelt, und sie nutzt diesen Rohstoff. Damit werden die natürlichen Vorkommen geschont. Gleichzeitig möchten wir gerne, dass die Bautätigkeit in Deutschland weiter vorangeht. Ich sage nur: Wir brauchen dringend mehr Wohnungen. Dazu wollen wir neue Wohngebiete erschließen, wir wollen aber auch verdichten. Wenn wir verdichten, heißt das, dass wir auf bestehende Gebäude noch die eine oder andere Etage draufsetzen müssen. Das wird dazu führen, dass wir zusätzliche Mengen benötigen. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An Kohle oder an Gips?) – Ich rede immer noch von Gips. Die Gipsvorkommen, die wir in vier Bundesländern und in Süddeutschland haben, kann man auch bergmännisch gewinnen. Dazu muss man dann neue Steinbrüche bzw. Bergwerke erschließen. Ich erwarte natürlich, dass sich diejenigen, die den Kohleausstieg jetzt schnell vorantreiben wollen, auch vor dem Hintergrund, dass mindestens 60 Prozent des in Deutschland benötigten Rohstoffs über Kohlekraftwerke gesichert werden, an die Spitze der Bewegung stellen und sagen werden: Wir unterstützen im Südharz, in Nordthüringen, in Nordhessen, im Keuper von Baden-Württemberg und in Bayern den Aufschluss neuer Tagebaue. – Ich bin gespannt, ob die Bundestagsabgeordneten von Linken und Grünen in Verantwortung für ihre Region an der Spitze dieser Bewegung stehen und diese Entwicklung vorantreiben werden. Das, was ich derzeit aus Thüringen und Sachsen-Anhalt höre, lässt erwarten, dass man dies nicht tun möchte. Ich will noch auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel, Regionalentwicklung“ eingehen – sie wurde schon erwähnt –, die im Zusammenhang mit dem Klimaplan etabliert wird. Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass dies mitverfolgt wird und dass wir uns auch darüber Gedanken machen. (Beifall des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Dr. Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krischer? Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Natürlich. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, ich finde, es ist eine interessante Theorie, die Sie hier aufstellen. Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Das ist keine Theorie, das ist Praxis. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sagen, wir müssen Kohle abbauen, um die Gipsproduktion in Deutschland zu sichern. Das ist eine sehr interessante These. Damit sollten Sie öfters auftreten. Man könnte jetzt einmal weiter darüber nachdenken, was das alles für Konsequenzen hat. Wir baggern viele Quadratkilometer Fläche im Rheinland und in der Lausitz ab, schädigen das Klima und verschmutzen das Grundwasser, um am Ende das Abfallprodukt Gips zu erhalten, das bei der Stromerzeugung entsteht. Meine Frage an Sie ist: Ist Ihnen bekannt, dass im Rheinland große Mengen Kalk zur Verhinderung der Versauerung und Verockerung in den Tagebau geschüttet werden, dass dieser Kalk in vielen Gebieten abgebaut und ins Rheinland transportiert werden muss und dass der Braunkohlebergbau, den Sie gerade als Rechtfertigung dafür benutzt haben, weiter Gips abzubauen, selber wieder einen Abbau von Kalk an anderen Stellen verursacht? Damit dreht sich Ihre ganze Geschichte im Kreis. Ich glaube, wenn ich noch ein bisschen länger darüber nachdenken würde, dann fielen mir noch ganz andere Sachen dazu ein. Ich bitte Sie einfach einmal um eine Stellungnahme dazu. Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Sie haben die Dinge gerade nicht vollständig benannt. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Natürlich brauche ich auch Kalk, um das Rauchgas zu entschwefeln. Diese Mengen müssen Sie also einfach mit dazurechnen. Ich habe bewusst auf diesen Teil hingewiesen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also noch mehr!) Wir haben ja schon eine Debatte über die Vermaisung der Landschaft geführt. Wir haben Biogasanlagen in nennenswerten Größenordnungen aufgebaut und deshalb die Maisanbaufläche um über 1 Million Hektar erhöht. Damit haben wir die Landschaft vermaist, um die Biogasanlagen mit Mais zu füttern. Damals hat sich keiner Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen das langfristig auf die Biodiversität hat. Darauf hat keiner Rücksicht genommen. Es wird mir doch wohl erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass auch diese Dinge ganz einfach mit berücksichtigt werden müssen, wenn man einen Kohleausstieg fordert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich komme jetzt einmal zu Ihren Arbeitsplatzzahlen, die in dem Antrag hier angeführt werden. Sie sagen, es sind etwa 30 000. Ich kann diese Zahl nicht nachvollziehen. In den deutschen Kohlekraftwerken und in den Bergwerken haben wir zusammen 36 000 Arbeitsplätze. Da jeder dortige Arbeitsplatz mindestens einen Arbeitsplatz bei Industrieleistern nach sich zieht, sind wir bei knapp über 70 000. Kollege Jurk, Sie haben die 600 Arbeitsplätze vom Kraftwerk Jänschwalde angesprochen. Das sind die bei LEAG. Ich muss also die gleiche Anzahl auch noch einmal bei den Industriedienstleistern berücksichtigen. Ich glaube nicht, dass es uns in dem von Ihnen angegebenen Zeitraum bis 2035 gelingen wird, die entsprechende Anzahl von Ersatzindustriearbeitsplätzen zu schaffen. Mit Paddelbootverleihern am Senftenberger See oder anderswo werden wir eine Region nicht ernähren können. Wir brauchen Industriearbeitsplätze. Der sächsischen Wirtschaftsförderung in Rothenburg ist hier etwas gelungen, wenn denn die Ansiedlung kommt (Ulrich Freese [SPD]: Wenn sie denn mal kommt!) – das habe ich ja gesagt, Herr Freese – und 1 000 Arbeitsplätze entstehen. Das wäre dann aber nur ein erster Schritt. Damit muss es auf dieser Strecke insgesamt weitergehen. Abschließend möchte ich noch auf das Thema Steinkohle eingehen. Frau Baerbock, Sie haben ja gesagt, es gehe Ihnen erst einmal um die Braunkohlekraftwerke. Mit anderen Worten – das hat Rot-Rot-Grün hier in Berlin ja verkündet –: Sie wollen noch einige Jahrzehnte weiter mit den Steinkohlekraftwerken wirtschaften. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wir wollen auch aus der Steinkohle aussteigen!) Darüber muss man einmal nachdenken. 2018 stellen wir die deutsche Steinkohlenförderung ein. Dann werden wir alles, was wir benötigen, importieren. Schauen Sie sich einmal an, unter welchen Bedingungen zum Beispiel in Kolumbien – ein Fraktionsmitglied von Ihnen war mit vor Ort – Kohle gefördert wird und welche Umwelt- und Sozialstandards dort gelten. Hinzu kommt, dass dort Tausende Hektar nicht rekultiviert werden. Das Grubengas, das im Ruhrgebiet und in anderen Steinkohlenabbaugebieten aufgefangen und thermisch verwertet wird, steigt dort auf Hunderten und Tausenden Hektar Fläche ungehindert in die Atmosphäre. Jedes Molekül Methan hat als Treibhausgas eine Wirkung wie etwa 25 Moleküle CO2. Auch das muss man berücksichtigen. Dann muss man auch die Transportwege berücksichtigen. Ich erinnere hier auch an die Bedingungen, unter denen Menschen umgesiedelt werden und unter denen sie dort arbeiten. Da sage ich Ihnen: Solange wir Kohle noch benötigen, ist es mir lieber, dass wir Kohle mit den hohen Umweltstandards, die bei uns in Deutschland gelten, abbauen und sie nicht irgendwo anders herholen, zum Beispiel aus 8 000 Kilometer Entfernung. Das liefe dann nach dem Motto: Aus dem Auge, aus dem Sinn. Das ist im Sinne des globalen Klimaschutzes sicherlich nicht der richtige Weg. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerhard Schick für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte machte eines erschreckend deutlich: Energiepolitisch steht diese Bundesregierung leider näher bei Donald Trump als beim Pariser Klimaabkommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Das ist fatal, und zwar gerade ökonomisch. Wenn Sie nur auf das blicken, was Wertschöpfung bisher geleistet hat, verschlafen Sie einen wichtigen Trend. Die Märkte sind längst weiter als diese Bundesregierung. 700 institutionelle Investoren, die Kapitalanlagen von über 5 Billionen US-Dollar verwalten, haben sich in der „Go Fossil Free“-Initiative zusammengeschlossen und haben angekündigt und dazu Pläne vorgelegt, aus Kapitalanlagen, die bisher in fossilen Energien investiert sind, auszusteigen. Sie haben eines kapiert: Wenn das Pariser Klimaabkommen ernst genommen wird – das muss es, wenn wir die Klimakrise vermeiden oder eingrenzen wollen –, dann darf maximal noch ein Drittel der bekannten Vorräte verbrannt werden. Das bedeutet, dass vieles von dem, was heute in den Büchern von den Unternehmen steht, die noch auf fossile Energien setzen, seinen Wert verlieren muss. Deswegen sind wichtige Kapitalmarktteilnehmer, etwa der größte Versicherungskonzern Allianz, der größte Kapitalverwalter BlackRock, längst viel weiter als diese Bundesregierung und sagen ihren Anlegern: Wir müssen bei den Kapitalanlagen raus aus fossilen Energien, weil man damit in Zukunft Geld verlieren wird. – Genau das ist es, was diese Bundesregierung diesem Land leider vorschreibt: Geld zu verlieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Letzte Woche in Frankfurt: Das Who is Who der Finanzbranche in Deutschland, eingeladen von der Deutschen Börse AG, unterzeichnet eine Frankfurter Erklärung mit dem klaren Willen, Kriterien für eine nachhaltige Finanzwirtschaft zu definieren und diese ins Kerngeschäft zu integrieren, weil auch die deutsche Finanzwirtschaft inzwischen ganz klar die Perspektive sieht: Fossile Energien sind von gestern. Morgen sind erneuerbare Energien. – Das sollten auch Sie endlich kapieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen legen wir Ihnen einen Divestment-Antrag vor, einen Antrag, in dem Sie dazu aufgefordert werden, diese Perspektive dort, wo der Bund Kapitalanlagen hat, endlich einzunehmen. Die Gefahr ist, dass der Finanzanleger, der dies als Letzter kapiert, der mit den größten Verlusten sein wird. Das soll bitte nicht bei den Pensionen unserer Bundesbeamten sein. Das soll nicht beim Gesundheitsfonds sein. Das soll nicht bei den Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit sein. Deswegen ist es wichtig, dass Divestment auch endlich in dieser Bundesregierung ankommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Es ist doch fatal: Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie. Es gibt sogar einen Leitfaden Nachhaltiges Bauen. Aber beim Thema Finanzen haben Sie den ganzen Aspekt Klimaschutz und nachhaltige Geldanlage bisher völlig ausgeblendet. Das Bundesland Berlin ist hier weiter und macht es Ihnen vor: keine Kapitalanlage des Versorgungsfonds für Beamte mehr in fossile Energien, damit hier kein Geld verloren geht. Man muss auch konsistent sein. Es ergibt doch keinen Sinn, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu verabschieden, wenn man sie nachher im Alltagsgeschäft der Regierung nicht ernst nimmt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ökonomisch rechnet es sich sogar, das zu berücksichtigen. Hessen hat es gezeigt: Sie sind 2012 eingestiegen und haben nun 2 Prozentpunkte mehr als Outperformance gegenüber einer vergleichbaren Geldanlage erzielt. Nehmen Sie das also ernst! Der Markt ist weiter als Sie. Hören Sie auf die Leute, die vorausdenken! Wenn Trump aus dem Pariser Abkommen aussteigt, dann sollten wir nicht denselben Fehler machen, sondern wir sollten auch aus Kapitalanlagen in fossile Energie aussteigen. Divestment ist die Zukunft, nicht das Festhalten an der Kohle. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Ulrich Freese für die SPD. (Beifall bei der SPD) Ulrich Freese (SPD): Schönen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es einmal mit einer Diskussion versuchen. Herr Heider, Herr Dr. Klaus-Peter Schulze, die Bergleute an der Ruhr hätten sich über Ihre Reden im Jahre 2007 sehr gefreut; denn damals haben Sie als CDU/CSU und FDP den Steinkohleausstieg auf den Weg gebracht. Heute feiern Sie sich als Retter der Kohleindustrie in Deutschland. Das ist, denke ich, in hohem Maße widersprüchlich. Weil vom Strukturwandel die Rede ist, bin ich gespannt, wie Sie die Schuttberge, die dieser Kohleausstieg im Ruhrgebiet hinterlassen hat, strukturpolitisch ordentlich auf den Weg bringen. Die Arbeitslosigkeit in Gelsenkirchen, Bottrop, Herten, Herne, Marl und anderswo spricht eine klare und deutliche Sprache: Der Strukturwandel hat nicht zu industriell gut bezahlten und vernünftig wertschöpfenden Arbeitsplätzen geführt. Deshalb war es mit Sicherheit falsch, erst auszusteigen, wenn Sie heute, Herr Dr. Klaus-Peter Schulze, darüber jammern, dass wir 56 Millionen Tonnen durch Kinderarbeit und nicht umweltverträglich geförderte Kohle aus aller Welt nach Deutschland holen. Für die Stahlindustrie führen wir 11 Millionen Tonnen Kohle ein, damit die Stahlindustrie in Deutschland fortleben kann. Das war meine erste Bemerkung. Zweite Bemerkung: Frau Baerbock, Sie haben gerade gesagt, dass wir aus Deutschland heraus in schmutzige Kohlegeschäfte investieren. Sie haben doch eine Anfrage gestellt und darauf auch am 20. April 2017 eine Antwort bekommen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bzw. die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft hat Ihnen klar und deutlich geantwortet, in welchen Bereichen sie in Kohle investieren, und zwar in die Modernisierung von Kohlekraftwerken unter ganz besonders engen Bedingungen, nämlich wenn der Empfänger eine Klimastrategie hat, wenn Anwendungen bestverfügbarer Technik zur Verfügung stehen, wenn keine Energiealternativen in den Regionen vorhanden sind, wenn KWK-Anlagen mindestens 75 Prozent Wirkungsgrad haben, wenn eine signifikante Verbesserung der Energieversorgungssicherheit gegeben ist und, was wichtig ist, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstandards eingehalten werden. (Beifall bei der SPD) Das ist ein guter Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung und auch zur CO2-Minderungsstrategie, die weltweit wirken muss. (Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage] – Wir diskutieren so oft auf offener Bühne; da können wir uns das heute sparen. Das ist meine Antwort auf Ihre Wortmeldung. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wurden doch noch gar nicht gefragt!) Ich will in dieser Diskussion eine weitere Bemerkung machen. Sie haben Trump angesprochen und gesagt, dass Deutschland jetzt der Welt etwas beweisen muss. Wir haben seit 1990 über 250 Millionen Tonnen CO2 eingespart, und das weitestgehend in der Energieerzeugung, nirgendwo anders. (Beifall des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Wenn wir jetzt noch, wie Sie es wollen, aus der Braunkohleverstromung aussteigen und etwa 180 Millionen bis 200 Millionen Tonnen CO2 einsparen, dann ist das in der Wirkung für das Weltklima so ähnlich, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Es ist auch nicht richtungsweisend. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie wollen auch nicht das Pariser Klimaabkommen befolgen? Es wird immer besser!) Nein, wir in Deutschland müssen unsere Blockaden aufgeben und die bestmöglichen verfügbaren Techniken, die wir haben, nicht nur im Bereich der regenerativen Energien und der Speichertechnologien, sondern auch in der Verwendung von fossilen Energien wie Erdgas, Erdöl und Braunkohle einsetzen. Wir werden – das garantiere ich Ihnen – in der nächsten Wahlperiode darüber zu reden haben, weil die Evaluierung des von CDU/CSU und FDP auf den Weg gebrachten CCS-Gesetzes ansteht, wo es ja auch um die Opt-out-Regelung geht. Wir werden nicht daran vorbeikommen, in Deutschland darüber nachzudenken, was wir mit dem abgeschiedenen CO2 aus industriellen Prozessen machen sollen. Stoffliche Verwertung: Ja. Das wird aber nicht reichen. Wir werden auch darüber nachdenken müssen, ob wir die CCS-Technik nicht in ganzheitlicher Art und Weise anwenden und dabei Untergrund nutzen. Wo Gas drin war, kann auch wieder Gas hinein. Das wäre ein wichtiger Beitrag auch für alle anderen in der Welt, die derzeit noch 7 Milliarden Tonnen Kohle fördern und verstromen, um ihre Investitionen dann in CO2-Treibhausgasfreiheit zu stecken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute noch eine sehr anspruchsvolle Tagesordnung vor uns. Das bitte ich bei den dringend gewünschten Kurzintervention und Nachfragen zu bedenken. Ich lasse jetzt eine Kurzintervention der Kollegin Baerbock zu, die sich nicht richtig interpretiert gefühlt hat. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Herr Freese, Sie hätten mir schon richtig zuhören müssen. Ich habe über die KfW-Kredite für das Solarkraftwerk in Marokko geredet und dann gesagt: Auf der anderen Seite sichern Sie mit Hermesbürgschaften, was etwas anderes ist, Kohlekraftwerke zum Beispiel in Medupi in Südafrika ab. Genau für diese Hermesbürgschaften haben Sie eben keine Klimastrategien. Das machen Sie einfach weiter. Aus diesem Projekt ist zum Beispiel die Weltbank bei der Kreditabsicherung ausgestiegen. Hermesbürgschaften machen das aber weiter nötig. Das halten wir für absolut falsch. Denn warum soll die KfW nur noch klimafreundlich investieren, Hermes aber weiter fossile Energie wie Kohle absichern? Rundherum betrachtet ist es ja sehr interessant, dass die SPD offensichtlich den Ausstieg aus der Steinkohle in NRW als falsch empfunden hat und jetzt auch noch in CCS einsteigen wollte. Vielleicht sollten Sie das alles Ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz noch einmal mit auf den Weg geben. Dann können Sie auch gleich selbst aus dem Klimaschutzabkommen aussteigen. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Freese, Sie haben die Gelegenheit, darauf zu erwidern, wenn Sie das wünschen. (Ulrich Freese [SPD]: Es ist alles gesagt!)  – Das ist nicht der Fall. Dann sind wir am Ende der Aussprache, die ich damit auch schließe. Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 15 a und 15 b. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/12108 und 18/12381 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Es gibt keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 15 c. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kohleausstieg einleiten – Strukturwandel sozial absichern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11151, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8131 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b auf: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Drucksachen 18/12037, 18/12479 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) Drucksache 18/12610 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen – Bundeseinheitliche Finanzierung voranbringen Drucksachen 18/7540, 18/12610 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich sehe hierzu nur Einverständnis. Dann ist das so beschlossen. Ich darf die Aussprache unverzüglich eröffnen und erteile als erster Rednerin Elke Ferner für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Elke Ferner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist ein weiterer Meilenstein in einer langen Reihe gleichstellungspolitischer Meilensteine. Gewalt gegen Frauen ist auch bei uns kein Randphänomen und findet mitten in unserer Gesellschaft statt. Viele Frauen erleiden Gewalt. Alleine 2015 waren 104 000 Frauen von häuslicher Gewalt in der Partnerschaft betroffen. Doch auch heute schweigen viele von ihnen aus Angst vor weiterer Gewalt oder aus Angst, dass ihnen niemand glaubt, und das trotz eines gut ausgebauten Hilfesystems, trotz des Gewaltschutzgesetzes und trotz anderer gesetzlicher Regelungen. Eine der zentralen Forderungen der Istanbul-Konvention ist, alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen. Diese letzte Lücke im deutschen Sexualstrafrecht haben wir im letzten Sommer nach langen Diskussionen gemeinsam geschlossen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben das im Bundestag einstimmig beschlossen, mit großer Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, für die ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken möchte. Ohne die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft hätten wir diesen Paradigmenwechsel wahrscheinlich nicht geschafft. (Beifall bei der SPD) Jetzt gilt der Grundsatz „Nein heißt nein“ ohne Wenn und Aber. Wer diese Grenze überschreitet, macht sich strafbar. Das ist eindeutig und – das will ich klar sagen – auch für mittelmäßig begabte Männer zu verstehen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention stehen wir aber nicht am Ende, sondern am Anfang eines Prozesses. Mit der Ratifizierung verpflichten wir uns, die geschaffenen Standards im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen dauerhaft aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Deshalb ist für mich ganz klar, dass in der nächsten Wahlperiode im Bundestag ein drittes Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen beschlossen werden muss. (Beifall bei der SPD) Die Istanbul-Konvention muss auch im Alltag Wirklichkeit werden und in der Rechtsprechung angewandt werden. Dazu gehören auch Fortbildungen für Angehörige von Justiz, Ermittlungsbehörden und Polizei. Das liegt im Zuständigkeitsbereich der Länder. Ich kann diese nur ermutigen, Justiz-, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden schnell mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen; denn nur wenn Gewalt gegen Frauen erkannt wird, kann sie auch bekämpft und geahndet werden. (Beifall bei der SPD) Deshalb müssen die Istanbul-Konvention und die sich daraus ergebenden Rechte auch in der Bevölkerung besser bekannt gemacht werden. Nur so können gewaltbetroffene Frauen und Mädchen ihre Rechte einfordern und besser geschützt werden. Ich will ein Beispiel nennen. Die BVG hier in Berlin hat – vielleicht hat das der eine oder die andere schon mitbekommen – eine Kampagne zur Bekanntmachung des Prinzips „Nein heißt nein“ initiiert, die auf den Bildschirmen der U-Bahnen zu sehen ist. Das ist eine großartige Aktion. Ich wünsche mir, dass viele andere dieser Aktion folgen, um dieses Prinzip klarzumachen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit Ende dieser Legislaturperiode werde ich nach fast 27 Jahren – mit einer Unterbrechung – aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden. Ich habe meine Tätigkeit als Abgeordnete über all die Jahre immer als großes Privileg empfunden. Es ist für viele von uns das Spannendste und Vielseitigste, was man kennenlernen kann. Ich durfte unglaublich viele Menschen kennen- und schätzen lernen. Ich konnte für die Menschen in meinem Wahlkreis und darüber hinaus viel bewegen und bei der Lösung ganz konkreter Probleme helfen. Ich habe hier im Parlament die Gelegenheit gehabt, auf unterschiedlichen Feldern zu arbeiten: in der Verkehrs-, Europa-, Haushalts-, Umwelt-, Gesundheits- und Sozialpolitik und nun in dieser Wahlperiode im Bereich der Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik. Das war immer mein persönliches Hobby. Es war toll, das sozusagen hauptamtlich in der Politik machen zu können. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Als verkehrspolitische Sprecherin meiner Fraktion, als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und jetzt als Parlamentarische Staatssekretärin – zwischendurch war ich einmal beamtete Staatssekretärin im Verkehrsministerium – habe ich in unterschiedlichen Bereichen Verantwortung übernehmen dürfen. Ich bin sehr dankbar, dass ich wie heute an vielen gleichstellungspolitischen Meilensteinen in der Gesetzgebung mitwirken und damit auch ein Stück Frauengeschichte in Deutschland schreiben konnte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) An vielen Punkten haben wir Frauen hier in diesem Parlament viel bewegt: bei § 218, bei der Erweiterung von Artikel 3 Grundgesetz, bei der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe oder wie im letzten Jahr bei der Reform des Sexualstrafrechts. Ich hätte mir auch gewünscht – das sage ich hier ganz offen –, dass wir in dieser Wahlperiode die vorhandenen Mehrheiten im Parlament genutzt hätten, um zu beschließen, dass gleichgeschlechtliche Paare die Ehe eingehen können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vielleicht kann sich die Unionsfraktion noch dazu hinreißen lassen, in den letzten beiden Sitzungswochen den Fraktionszwang aufzuheben. Wir haben auch dann sehr viele gleichstellungspolitische Meilensteine umsetzen können, wenn die SPD in der Regierungsverantwortung war. Ich will nur einige aus der Zeit nennen, in der ich im Parlament war: das Gewaltschutzgesetz; das Bundesgleichstellungsgesetz; die Einführung von Gender-Mainstreaming in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien; das Elterngeld; das Elterngeld Plus; Verbesserungen im Rentenrecht; der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz; die sogenannte Frauenquote, die ja in Wahrheit eine Geschlechterquote ist; die Entgelttransparenz. Wir hätten eigentlich auch noch in dieser Wahlperiode – das wäre wirklich wichtig gewesen – das Recht auf Rückkehr von Teilzeit- zu Vollzeitarbeit (Beifall bei der SPD) und auch die Verbesserung der Rentenanwartschaften für die Niedrigverdienenden, was ja insbesondere den Frauen zugutekommt, beschließen müssen. Insofern bleibt für die, die dem Bundestag in den nächsten Wahlperioden angehören, noch viel zu tun. Ich würde mir sehr wünschen, dass in der nächsten Wahlperiode das Tempo erhöht wird. Wir haben in dieser Wahlperiode viel vorgelegt. Ich wünsche mir, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen den Lebensmodellen des 21. Jahrhunderts angepasst werden und nicht in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts verharren. Dies gilt beispielsweise für das Ehegattensplitting, das wirklich ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass Gesetze nur verabschiedet werden, wenn sie die bestehenden Benachteiligungen zwischen Frauen und Männern wirklich verringern. Die Aussage „Gleichstellungspolitische Auswirkungen: keine“ spricht eigentlich nicht für gute Gesetze. Vielleicht kann man sich diesen Punkt in der nächsten Wahlperiode vornehmen. Ich würde mir wirklich sehr wünschen, dass endlich bei großen Teilen der Wirtschaft, aber auch bei den gleichstellungspolitischen Bremsern in diesem Parlament die Einsicht einkehrt, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Gewinn ist – für alle: für die Männer, für die Frauen, für die gesamte Gesellschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte jetzt schließen. Ich bedanke mich für die gute fraktionsübergreifende Zusammenarbeit. Ich möchte mich insbesondere bei meiner Fraktion, bei meinen Parteifreundinnen und freunden zu Hause bedanken. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Bei der CDU/CSU-Fraktion!) – Ja, bei allen hier im Parlament. Alle sind natürlich eingeschlossen. Natürlich bedanke ich mich auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, mit denen ich viel zusammenarbeiten konnte. Darüber hinaus bedanke ich mich bei meinem Team, bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und meiner Familie. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die nächste Wahlperiode und möchte, wie das bei uns im Saarland so üblich ist, mit einem herzlichen Glückauf schließen. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich) Vizepräsident Johannes Singhammer: Liebe Kollegin Ferner, das hat sich so angehört, als ob das Ihre letzte Rede hier im Deutschen Bundestag gewesen wäre. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit nutzen, Ihnen im Namen der Kolleginnen und Kollegen für diese lange Zeit als Abgeordnete und für Ihre Arbeit im Hohen Haus herzlich zu danken. (Beifall) Wir fahren fort in der Aussprache. Ich erteile das Wort der Kollegin Cornelia Möhring für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Cornelia Möhring (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich der Istanbul-Konvention zuwende, ganz kurz zu Elke Ferner: Liebe Elke, ich finde, es ist eigentlich völlig inakzeptabel – das habe ich auch schon zu anderen Zeiten gesagt –, dass du aufhörst. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Genau!) Aber ich konnte mich damit ja nicht durchsetzen. Deswegen an dieser Stelle auch von mir und meiner Fraktion noch einmal: Danke für die klasse Zusammenarbeit! (Beifall im ganzen Hause) Jetzt zur Istanbul-Konvention, über die wir heute reden, die nun endlich ratifiziert wird. Damit sollen Frauen besser vor Gewalt geschützt werden. Die Istanbul-Konvention hat auch deshalb eine so hohe Bedeutung, weil die völkerrechtlichen Vereinbarungen von allen staatlichen Organen umzusetzen sind. Diese Vereinbarungen umfassen eigentlich sehr viel. Es müssen nämlich einheitliche Schutzstandards in den Bereichen der Prävention, des Opferschutzes, des Hilfesystems und der Strafverfolgung geschaffen werden, um Gewalt an Frauen zu beseitigen. Außerdem ist wichtig, dass das Übereinkommen diskriminierungsfrei umgesetzt werden soll. Was heißt das? Spezielle Bedürfnisse von Personen, die durch besondere Umstände besonders verletzlich sind, müssen auch besonders berücksichtigt werden. Damit sind Frauen mit Beeinträchtigungen gemeint, geflüchtete Frauen, Migrantinnen mit einem prekären Aufenthaltsstatus, die logischerweise spezielle Bedürfnisse haben, wenn sie in einer solchen Gewaltsituation sind. Es ist also wirklich an der Zeit, dass die Istanbul-Konvention nun endlich auch von Deutschland ratifiziert wird. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns hier immer völlig einig, wenn es darum geht, zu sagen: Gewalt gegen Frauen ist nicht hinnehmbar. – Wir sind uns auch immer völlig einig, wenn gesagt wird: Es muss jetzt endlich etwas getan werden. – Wir freuen uns natürlich auch über gemeinsame Erfolge wie die Verankerung des eben schon genannten Grundsatzes „Nein heißt nein“ im Strafrecht. Das war wirklich, finde ich, das politische Highlight der letzten Jahre in diesem Haus. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man könnte jetzt sagen und denken „alles chic“, aber das ist es eben leider nicht. Wenn ich mir Ihre Denkschrift zur Istanbul-Konvention angucke, habe ich die Sorge, dass sie womöglich zum Papiertiger wird und damit ein politisches Ruhekissen geschaffen wird. (Mechthild Rawert [SPD]: Nein, nein, nein! Keine Panik!) – Ich hoffe ja, dass es nicht so ist. – In dieser Denkschrift schreiben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, dass es nur „punktuelle Versorgungslücken und Zugangsschwierigkeiten zum Hilfesystem“ gibt. Das sehe ich wirklich anders. Jährlich werden circa 18 000 Frauen und ihre Kinder in Frauenhäusern aufgenommen, aber ungefähr genauso viele finden keinen Platz. Im Ausschuss gab es die Frage, woher diese Zahlen kommen. Sie sind aus dem CEDAW-Alternativbericht. Da kann man also nicht von einer punktuellen Versorgungslücke sprechen. Um die nächstgelegene Hilfeeinrichtung zu erreichen, müssen Frauen oft etliche Kilometer zurücklegen. Im ländlichen Raum ist das ohne Auto und öffentliche Verkehrsmittel eine recht hohe Hürde. 90 Prozent der Schutzeinrichtungen sind nicht oder nur teilweise barrierefrei, für Frauen mit körperlichen Beeinträchtigungen und speziellen Bedürfnissen also nicht zugänglich. Was Sie als punktuelle Versorgungslücke schönreden, nenne ich „eklatante Unterversorgung“. Ein ausreichendes flächendeckendes Hilfesystem braucht Frauenhausplätze, Beratungsstellen mit einer entsprechenden Personalausstattung. Die Kolleginnen und Kollegen, die in dem Bereich arbeiten, gehen echt auf dem Zahnfleisch. Ein solches flächendeckendes Hilfesystem existiert schlichtweg nicht. Die Istanbul-Konvention und ihre vorbehaltlose Ratifizierung zielt aber auch noch auf mehr als auf die Versorgung mit Hilfeeinrichtungen. Es ist ein sehr wichtiges Abkommen, weil es auf die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt dringt, und zwar durch eine koordinierte Gesamtstrategie. Solch eine Gesamtstrategie ist in Ihrer Denkschrift – das ist die Gesetzesbegründung – nicht zu finden. Ich weiß: Sie haben auch keine. Wenn Sie jetzt wieder mantramäßig einwenden, dass Länder und Kommunen zuständig sind, dann bitte ich Sie wirklich, zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade bei der föderalen Struktur der Bundesrepublik solch eine Gesamtstrategie und vor allem eine Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen notwendig sind. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zu einer solchen Gesamtstrategie gehören auch Bereiche wie Datensammlung, Forschung, Präventionsarbeit. Auch in diesen Fragen beschränkt sich Ihre Denkschrift leider nur auf die Aufzählung verschiedener Beispiele. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir mit Akteurinnen im Hilfesystem oder auch mit kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sprechen, erfahren wir: Die haben wirklich langsam die Faxen dicke. Die wollen, dass endlich mehr getan wird und nicht nur geredet wird. (Beifall bei der LINKEN) Es ist wirklich an der Zeit, zu handeln. Ich will zum Abschluss deswegen wirklich den eindringlichen Appell an die Regierungsfraktionen richten: Nutzen Sie die noch verbleibende Zeit und die Ratifizierung der Istanbul-Konvention, und bringen Sie eine Gesamtstrategie auf den Weg! Holen Sie alle relevanten Akteure an einen Tisch, und arbeiten Sie daran. Die Linke ist in dieser Frage auf jeden Fall an Ihrer Seite. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die Kollegin Christina Schwarzer spricht jetzt für die Fraktion von CDU und CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Christina Schwarzer (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Ferner, auch aus unserer Fraktion Ihnen alles Gute! Wir haben sehr gerne mit Ihnen zusammengearbeitet. Ein paar gemeinsame Monate haben wir ja noch. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben ja auch noch große Dinge vor. So ist das ja nicht. Es passiert so häufig bei uns in Deutschland, und doch wird darüber so wenig gesprochen: Häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch von Frauen sind noch immer ein Tabuthema. Kaum jemand spricht darüber. Dabei findet die Gewalt eigentlich immer statt, auch jetzt, irgendwo, in allen sozialen Schichten, oft nicht einmal heimlich. Das wissen wir nicht erst seit den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht. Gewalt macht vor niemandem halt. Es betrifft alte Frauen und junge Frauen, es betrifft reiche Frauen und arme Frauen, es betrifft Frauen mit heller Hautfarbe und Frauen mit dunkler Hautfarbe, Frauen mit dunklen Haaren und Frauen mit roten Haaren. Wir alle sind betroffen. Dass so viele Frauen in Deutschland bereits Gewalt erfahren haben, ist erschreckend, die meisten davon übrigens in den eigenen vier Wänden. Der Täter ist oft der Partner, den man häufig nicht verlieren will. Und wir reden hier nicht von einer Backpfeife oder verbaler Gewalt, was schlimm genug wäre. Wir reden von Delikten wie Mord, Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder Stalking. Etwa 35 Prozent der Frauen in Deutschland wurde in ihrem Leben bereits körperliche oder sexuelle Gewalt angetan. Ob in der U-Bahn, im Restaurant, im Freundeskreis oder auch hier im Bundestag: Statistisch gesehen sitzt mindestens eine Frau neben uns, die bereits Gewalt erfahren hat. Wenn man sich das so vor Augen führt, dann stellt man fest: Das ist eine erschreckende Zahl. Es ist also ein wichtiger Schritt, wenn wir das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nun ratifizieren. Ich glaube, daran hat niemand einen Zweifel. Die sogenannte Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als das ein, was sie ist: diskriminierend und eine Verletzung der Menschenrechte. 81 Artikel definieren politische und juristische Maßnahmen, die Staaten ergreifen müssen, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen. Deutschland hat das Abkommen bereits am 11. Mai 2011 direkt in Istanbul unterzeichnet. Für die Ratifizierung – Frau Möhring, das haben Sie ja auch erwähnt – waren noch einige Änderungen am nationalen Gesetz notwendig, von denen wir hier im Haus die meisten gemeinsam beschlossen haben. Ein wichtiges Beispiel ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Weil das so wichtig ist, frage ich jetzt einmal: Wer hat die Nummer im Kopf? Frau Ferner, Sie dürfen jetzt gerade nichts sagen. – Entweder Sie hören mir alle nicht zu oder die Nummer ist einfach noch zu unbekannt. Ich glaube, es ist vielleicht gerade eine Mischung aus beidem. (Gudrun Zollner [CDU/CSU]: 08000 116 016!) – Gudrun Zollner sagt es gerade: 08000 116 016. Ich finde, jeder von uns müsste diese Telefonnummer aus dem Effeff können. Das Hilfetelefon bietet ganz unkompliziert Unterstützung und Beratung an – rund um die Uhr, kostenlos, vertraulich, anonym, in 17 Sprachen. Auch ganz wichtig: Es gibt ein barrierefreies Angebot in Deutscher Gebärdensprache. Immer häufiger gehen beim Hilfetelefon auch Anfragen im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen von geflüchteten Frauen ein. Dabei melden sich oft Mitarbeiter und Ehrenamtliche von Flüchtlingsunterkünften, die sich mit dem Thema überfordert fühlen oder einfach schlichtweg nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sie Gewalt beobachten. Oft geht es aber auch nur um das Zuhören und um Entlastung. Auch in diesen Fällen kann das Hilfetelefon natürlich helfen. Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass wir mittlerweile auch großartige Angebote im Internet haben. Das finde ich sehr wichtig; denn Niederschwelligkeit ist oft der wichtigste Faktor bei der Frage, ob eine Frau Hilfe sucht oder nicht. Die Hilfe muss da angeboten werden, wo sich die Frauen bewegen, und das ist heutzutage auch im Internet. Dabei kommt es nicht darauf an, was wir hier im Bundestag unkompliziert finden. Vielmehr es ist wichtig, was für die Frauen unkompliziert ist. (Beifall der Abg. Ursula Groden-Kranich [CDU/CSU]) Denn für sie ist jeder Schritt zur Hilfe sowieso schon sehr schwierig. Ich möchte auch noch einmal das Projekt gewaltlos.de hervorheben. Hier erhalten Mädchen und Frauen, die von häuslicher Gewalt oder Stalking betroffen sind, Beratung und Hilfe, und zwar ausschließlich im Internet. Zentrales Medium ist hier ein Chat, der rund um die Uhr erreichbar ist. Eine konkrete Beratung findet dann in öffentlich nicht zugänglichen Einzelchats statt. Wir haben – daran können Sie sich sicherlich erinnern – in den vergangenen Haushaltsberatungen den richtigen Beschluss gefasst, dieses Projekt mit 500 000 Euro vom Bund zu fördern. Eine erste Amtshandlung der neuen Familienministerin – morgen werden wir sie treffen – ist es hoffentlich, dieses Projekt zur Kenntnis zu nehmen. Ich werde ihr morgen einen netten Brief überreichen. Ich hoffe, dass sie sich weiterhin für dieses Projekt einsetzt. Wir haben – das wurde auch schon gesagt – in den letzten Monaten eine Reform des Sexualstrafrechts beschlossen. Der alte Vergewaltigungsparagraf, der unter anderem eine Gewaltanwendung oder Nötigung des Opfers voraussetzte, wurde aufgehoben. Der Grundsatz „Nein heißt nein“ ist hier schon oft genug genannt worden. Aber ich finde, man kann das nicht oft genug erwähnen. Ein wichtiges Thema, über das wir heute noch beschließen werden – zwar sehr spät, aber wir beschließen es –, ist die Kinderehe, also ein Verbot der Kinderehe. Ich glaube, ich trete niemandem zu nahe – es ist umgangssprachlich so gesagt, aber wir alle wissen, was gemeint ist; es ist ein wahnsinnig wichtiges Thema, das in den letzten Monaten immer wieder in den Medien stand –, wenn ich sage, dass ein 14-jähriges Mädchen in keiner Kultur der Welt die geistige Reife besitzt, freiwillig eine Ehe einzugehen. Hier ist immer Zwang im Spiel, ob direkter körperlicher oder moralischer Zwang oder anderer Druck. Davon bin ich überzeugt. Insofern gehen wir mit dem, was unter Verbot der Kinderehe subsummiert wird, einen wichtigen Schritt im Sinne der Istanbul-Konvention. Die WHO bezeichnet Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen weltweit. Lange war das Thema vollständig tabuisiert. Viele der betroffenen Frauen fühlen sich immer noch hilflos. Scham und Angst vor Gerede oder weiteren Übergriffen hemmen sie, ihre Rechte einzufordern und Hilfe zu suchen. Viele sprechen einfach nicht und suchen sich keine Hilfe. Noch einmal: Es ist richtig und wichtig, dass wir das Übereinkommen ratifizieren. Ich sage aber auch – Frau Möhring, das haben Sie schon erwähnt –: Papier ist geduldig. Allein das Ratifizieren schützt nämlich keine Frau vor Gewaltanwendungen. Es hält keinen Mann davon ab, die Hand gegen seine Frau zu erheben oder sie zu vergewaltigen. Es hilft keiner Frau dabei, sich zu wehren oder nach Unterstützung zu fragen. Die Ratifizierung muss nun mit politischen und gesellschaftlichen Inhalten gefüllt sein. Und das ist sie nun bei uns. Viele kritisieren – Sie auch –, dass die Ratifizierung so lange gedauert hat. Ja, wir sind erst der 24. Staat, der ratifiziert. Das mag man falsch finden. Ein Land wie Deutschland müsste in diesen Dingen besser sein, schneller, möchte man meinen. Aber Schnelligkeit allein ist jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss. Weniger als ein Jahr nach der Unterzeichnung hat beispielsweise die Türkei das Abkommen ratifiziert. Kurze Zeit später fand an einer Universität eine Umfrage statt. Hier fand man heraus, dass 62 Prozent der türkischen Männer Gewalt gegen Ehefrauen befürworten, 28 Prozent hielten sie gar für unerlässlich, um Frauen zu disziplinieren und zu erziehen. Dann wundert man sich auch nicht über folgende Zahl: In der Türkei hat fast jede zweite verheiratete Frau bereits Gewalterfahrung gemacht. (Mechthild Rawert [SPD]: Wir wären erstaunt, wie hoch die Zahlen in Deutschland sind!) Über die Dunkelziffer lässt sich, wie auch bei uns in Deutschland, nur spekulieren. Noch einmal: Die Türkei hat längst ratifiziert. Daher möchte ich wiederholen: Die Ratifizierung ist richtig und wichtig, selbstverständlich. Aber es sind auch konkrete politische Maßnahmen, die helfen. Die regionalen Unterstützungsangebote, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und das Nichtwegsehen können helfen, Frauen vor sexueller oder körperlicher Gewalt zu schützen. Anders gesagt: Wir alle sind verantwortlich, niemand darf wegschauen. Die Voraussetzung zur Ratifizierung der sogenannten Istanbul-Konvention haben wir erfüllt. Mit dem Gesetz zur Ratifizierung verpflichten wir uns nun, die geschaffenen Standards im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen dauerhaft aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Das heißt ganz eindeutig, Frau Möhring: Die Ratifizierung ist kein Anlass, sich jetzt zurückzulehnen. Der Schutz von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen bleibt gesellschaftliche und vor allen Dingen auch politische Aufgabe. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Elke Ferner, von meiner Fraktion und von mir persönlich: Ganz herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit. Vielen Dank für die vielen Herausforderungen. Es wird eine riesige Lücke bleiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Istanbul-Konvention ist ein Meilenstein im Kampf gegen Gewalt an Frauen in Europa. Dass die Bundesregierung diesen wichtigen völkerrechtlichen Vertrag in Deutschland ratifiziert, ist überfällig. Wir werden diesem Gesetzentwurf heute zustimmen, auch weil wir Grüne lange darauf gedrängt haben. Effektiver gegen Gewalt gegen Frauen vorzugehen, duldet keinen Aufschub. Es geht nicht um ein individuelles, sondern um ein gesellschaftliches Problem. Jede dritte Frau in Deutschland wurde bereits einmal Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt – Frauen jeden Alters, jeder Schicht und jeder Nationalität. Hinter jeder Statistik, hinter jedem Gewaltszenario, das wir in Zahlen auflisten, verbirgt sich die Angst der betroffenen Frauen, oft sogar die tägliche Angst vor Erniedrigung, vor Verletzung der Würde, vor psychischer oder massiver körperlicher Gewalt. Ich möchte daran erinnern, dass der Justizminister und auch das Kanzleramt sehr, sehr lange blockiert haben, bevor sie bei der Reform des Sexualstrafrechts überhaupt etwas bewegt haben. Ohne den Druck der Frauenverbände, den frühen Gesetzentwurf meiner Fraktion und ohne die Debatte nach der Silvesternacht in Köln wäre der Entwurf des Nein-heißt-nein-Gesetzes vermutlich nicht eingebracht worden. Ohne all das wäre auch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention kaum möglich gewesen. Darum sage ich Ihnen: Es wäre vermessen, diesen Erfolg als Erfolg der Bundesregierung zu feiern. Das hier ist ein frauenpolitischer Erfolg, und zwar ein ganz wichtiger. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dennoch gibt es Gründe für deutliche Kritik. Meine Vorrednerinnen haben schon viele Punkte genannt. Die Weigerung der Bundesregierung, ein klares Bekenntnis zum Schutz von geflüchteten oder migrierten Frauen und Mädchen abzugeben, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen in Strafverfahren aussagen, kann ich nicht nachvollziehen. Sie verweigern ihnen weiterhin ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Deshalb sage ich es ganz klar: Ich fordere Sie auf, Artikel 59 der Istanbul-Konvention endlich vorbehaltlos zu ratifizieren, und zwar schnell. Alles andere wäre nicht glaubhaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frauen- und Menschenrechtsverbände mahnen in ihren Stellungnahmen zum Gesetzentwurf weiteren Handlungsbedarf an. Es bedarf einer Gesamtstrategie, einer effektiv gestalteten Koordinierung und eines Monitorings vonseiten des Bundes. Meine Fraktion teilt diese Forderungen. Was nach wie vor fehlt, sind auch Maßnahmen für eine qualifizierte Notfallversorgung der Opfer, eine gute Ausstattung, systematische Sensibilisierung und Schulungen von Polizei und Justiz. Sie wissen alle, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Da könnte aus meiner Sicht die Bundesebene auf die Länder positiv einwirken. Meine Damen und Herren, die Regierung hat mit dem Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen eine der Forderungen der Istanbul-Konvention, nämlich die Telefonberatung, umgesetzt – erfolgreich. Das ist erst einmal gut; aber obwohl Sie wissen, dass das nicht reicht, bringen Sie das Hilfetelefon immer als das Vorzeigebeispiel – Punkt, und das war es dann. Was bringt es einer Frau, die dringend einen Schutzraum braucht, wenn sie am Hilfetelefon hört, dass es in ihrer akuten Situation keinen Frauenhausplatz für sie gibt? Nach vier weiteren Jahren kann Ihre Antwort nicht lauten: Dafür sind allein die Länder zuständig. Nach 40 Jahren müssen die Länder, aber auch der Bund endlich gewährleisten, dass allen von Gewalt betroffenen Frauen ein schnellerer, ein sicherer und ein unbürokratischer Zugang zu Frauenhäusern gewährt wird. Darum fordere ich die Bundesregierung auf: Gehen Sie endlich gesamtverantwortlich vor. Tun Sie alles, dass Frauenhäuser, Notrufe und Frauenberatungsstellen finanziell und personell ausreichend ausgestattet werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Länder und Kommunen leisten die schwierige Finanzierung der Frauenhäuser seit Jahrzehnten. Ich betone es ausdrücklich: Hier eine bessere Lösung zu finden, ist eine Mammutaufgabe. Die Frage nach der Zuständigkeit von Bund und Ländern hat ihre Berechtigung, aber nicht, wenn daraus ein Totschlagsargument fürs Nichtstun wird. Wo ein Wille, da ein Weg! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne haben 2015 zusammen mit der Fraktion der Linken in einem öffentlichen Fachgespräch mit Sachverständigen über Lösungen hinsichtlich einer Bundesbeteiligung und zum Beispiel über einen Rechtsanspruch für Frauen gesprochen. Das ist keine einfache Hürde, die es zu überwinden gilt. Aber wir wollen über solche Lösungen nachdenken; denn wir wollen allen Frauen mit einem sicheren Frauenhausplatz Schutz bieten, unabhängig von Einkommen, Wohnort, Aufenthaltstitel oder Behinderung. Deshalb fordern wir Sie als Bundesregierung und Sie als Koalition auf: Fangen Sie endlich an, Lösungen zu finden. Wir Grüne sind dabei. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt die Kollegin Gülistan Yüksel für die Fraktion der SPD. (Beifall bei der SPD) Gülistan Yüksel (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweck dieses Übereinkommens ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen … So lautet Artikel 1 Absatz 1a der sogenannten Istanbul-Konvention. Sehr geehrte Damen und Herren, 2011 hat Deutschland das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unterzeichnet. Sechs Jahre hat es seitdem gedauert, bis der Vertrag nun endlich in nationales Recht umgesetzt wird. Ich freue mich, dass wir über Parteigrenzen hinweg in den letzten Jahren viel erreichen konnten, was die Rechte und den Schutz von Frauen und Mädchen angeht. Das Hilfetelefon und die Reform des Sexualstrafrechtes wurden heute schon mehrmals erwähnt. Gewalt an Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung, die nicht tabuisiert werden darf, sondern immer wieder thematisiert werden muss. Wie die Kampagne des Hilfetelefons richtigerweise fordert, müssen wir das Schweigen brechen – immer wieder. Und wir müssen präventiv denken und handeln. Hierzu zählt auch die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau. Somit gehören nicht nur die Angebote von Frauenhäusern und Beratungsstellen zum Kampf gegen Gewalt an Frauen, sondern auch gleichstellungspolitische Gesetzgebungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Legislaturperiode haben wir oft das Schweigen gebrochen und vieles durchsetzen können, was die Gleichstellung von Männern und Frauen fördert: mit unserer Familienministerin Manuela Schwesig die Frauenquote und das Entgelttransparenzgesetz, mit unserer Arbeitsministerin Andrea Nahles den Mindestlohn und mit unserem Justizminister Heiko Maas die Reform des Sexualstrafrechts. (Beifall bei der SPD) Auf viele weitere Bereiche bist du, liebe Elke, eingegangen; ich lasse sie jetzt einfach weg. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention tragen wir weiter dazu bei, den Schutz vor Gewalt zu stärken und weiterzuentwickeln. Aber unsere Arbeit ist noch nicht zu Ende. Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Istanbul-Konvention mit Leben füllen. Auch darauf sind meine Vorredner schon eingegangen. Ein gut funktionierender Überwachungsmechanismus, Schulungsangebote für Justiz und Polizei sowie eine verstärkte Sensibilisierung sind dafür grundlegend. Wichtig sind auch der Ausbau unserer Hilfsangebote und eine bedarfsgerechte Finanzierungslösung für die Frauenhäuser. Denn jede Frau und auch deren Kinder müssen Schutz und Zuflucht vor Gewalt finden können, und das unabhängig vom Einkommen, vom Wohnort, unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder einer Behinderung. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Dies können wir nur gemeinsam mit den Ländern erreichen. Denn diese können am besten eine bedarfsgerechte Infrastruktur gemäß den Gegebenheiten vor Ort bereitstellen. Wir werden aber im Gespräch bleiben und versuchen, einen gangbaren gemeinsamen Weg zu finden. Wir dürfen weiterhin nicht schweigen, sondern müssen jegliche Gewalt – insbesondere gegen Frauen – aktiv ansprechen, verfolgen und beseitigen und uns auch auf internationaler Ebene, bei unseren Partnern und Nachbarn, weiterhin für ein gewaltfreies Leben und für die Rechte von Frauen einsetzen. Zum Schluss möchte ich noch kurz dir, liebe Elke Ferner, auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen – heute sind ja sehr viele da, aber es sind auch einige leider nicht dabei, weil sie verhindert sind – für deinen unermüdlichen Einsatz für die Rechte der Frauen ganz herzlich danken. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Du hast während deiner Zeit hier im Deutschen Bundestag nie lockergelassen und viel bewegt. Das ist heute in deiner Rede noch einmal ganz deutlich geworden. Auch wenn du nicht mehr kandidierst – ich denke, du hinterlässt eine große Lücke –, bin ich mir sicher, dass du eine treibende Kraft bei den Frauenrechten bleiben wirst. Wir wünschen dir alles Gute, viel Kraft und Freude bei den Aufgaben, die vor dir stehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zum Ende dieser Aussprache hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort die Kollegin Dr. Silke Launert. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor nunmehr fast genau 20 Jahren wurde die Vergewaltigung in der Ehe eine Straftat. Am 15. Mai 1997 stimmte die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages für eine Gleichstellung des Straftatbestandes der Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe. (Ulli Nissen [SPD]: Die CDU hat damals aber dagegengestimmt!) Was für uns heute selbstverständlich ist, galt im Jahre 1997 noch als fortschrittlich und als ein großer Erfolg für die Frauenbewegung. Lange Zeit war in der Gesellschaft die Annahme verbreitet, dass es zu den Pflichten einer guten Ehefrau gehöre, die sexuellen Bedürfnisse ihres Ehemannes zu befriedigen, auch dann, wenn die Frau nicht einverstanden war. Sexualisierte Gewalt in der Ehe konnte bis zu diesem Zeitpunkt daher nur als schwere Nötigung oder Körperverletzung strafrechtlich zur Anzeige gebracht werden. Und das ist nicht der einzige Meilenstein, den wir errungen haben. So war insbesondere die Einführung des Gewaltschutzgesetzes im Jahre 2002 – Frau Kollegin Ferner hat es angesprochen – wegweisend. In diesem Gesetz ist der Kerngedanke „Wer schlägt, muss gehen – das Opfer bleibt in der Wohnung“ festgeschrieben. Mit diesen Regeln können die Täter der Wohnung verwiesen werden, während die Opfer, zumeist Frauen, in der Wohnung verbleiben dürfen. So werden die Opfer unmittelbar geschützt, und zugleich wird zwischen den Parteien die notwendige Distanz hergestellt, die erforderlich ist, um die Gewaltspirale zu durchbrechen. Auch das ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit, aber lange war das nicht so. Gewalt innerhalb der Familie ist heutzutage zum Glück nicht mehr nur reine Privatsache. Wir schauen hin, und das ist auch richtig so; denn Gewalt gegen Frauen und insbesondere häusliche Gewalt ist bei uns in Deutschland noch weit verbreitet – das wurde oft angesprochen –, und das geht in Einzelfällen bis hin zu brutaler Gewalt. So hat mich ein Fall besonders erschüttert, über den gestern das Landgericht Hannover entschieden hat. Es handelt sich um den sogenannten Hameln-Prozess. Vor gut einem halben Jahr hat ein Mann in Hameln seine vormalige Partnerin, nachdem er sie zunächst mit einem Messer und einer Axt schwer körperlich misshandelt hat, mit einem Seil an sein Auto gebunden und ist dann losgefahren. Er hat die Dame schwer verletzt einfach auf dem Gehweg liegen gelassen. Wie durch ein Wunder hat die Frau überlebt. Der Mann ist wegen versuchten Mordes zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. In der Gerichtsverhandlung hat die Frau geschildert, wie sehr sie unter ihrem Partner gelitten hat. Sobald das Paar verheiratet war, begann der Mann, seine damalige Partnerin systematisch zu beleidigen und zu schlagen. Nach der Trennung kam es zu Streit über Unterhaltszahlungen für den gemeinsamen Sohn und Drohungen mit Gewalt, wenn sie die Unterhaltsforderungen nicht einstellt. Letztendlich gipfelten sein Hass und seine Verachtung gegenüber seiner Partnerin in seiner grauenvollen Tat an diesem Tag im November letzten Jahres. Doch das ist nur ein Beispiel von vielen. Gewalt gegen Frauen findet nicht nur in Partnerschaften statt, obwohl dies einen großen Anteil ausmacht. Nach der jüngsten Statistik des Bundeskriminalamtes wurden allein im Jahre 2015 – die Zahl wurde heute schon genannt – über 100 000 Frauen Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Expartner. Nein, Gewalt findet nicht nur in den eigenen vier Wänden oder innerhalb von persönlichen Beziehungen statt – es wurde schon angesprochen –, sondern sie existiert am Arbeitsplatz, in der U-Bahn, bei Volksfesten, an der Uni, und sie beschränkt sich nicht auf sexuelle Gewalt. Gewalt hat viele Gesichter: von Stalking, Körperverletzung und Beleidigung bis hin zu Mord und Totschlag. Und ebenso vielfältig wie die Gewalt auftreten kann, so vielfältig müssen unsere Maßnahmen sein, die wir anbieten. Ich habe ein Bild vor Augen: Wir benötigen ein Sicherheitsnetz, das die Frauen auffängt. Wir müssen es so groß und so dicht wie möglich knüpfen. Das gelingt uns durch Gesetze, durch eine effektive Strafverfolgung, durch die Einrichtung von Beratungsstellen, durch Frauennotrufe, aber auch durch Prävention in Form von Hilfsprogrammen für Gewalttäter. Es gelingt uns auch durch internationale Übereinkommen wie die Istanbul-Konvention, die wir heute in deutsches Recht umsetzen. Wir haben uns damit auf die Fahne geschrieben, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten und zu bekämpfen. Im Rahmen der Istanbul-Konvention wird auch dafür gesorgt, dass wir international einheitliche Schutzstandards im Bereich Gewalt gegen Frauen schaffen. Deutschland – auch das ist schon mehrfach gesagt worden – hat die Istanbul-Konvention bereits im Jahre 2011 unterzeichnet. Sie hat uns seither wichtige Impulse gegeben, die unser Sicherheitsnetz zum Schutz vor jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen in Deutschland gefestigt habe. Es wurde bereits angesprochen: Wir haben seitdem ein bundesweites, kostenloses und rund um die Uhr erreichbares Hilfetelefon eingerichtet. Dass das Angebot gut angenommen wird, zeigen die Zahlen. In den letzten beiden Jahren wurden über 100 000 Beratungsgespräche geführt. Zudem haben wir die Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik dahin gehend geändert, dass nun genauere Angaben über die Täter-Opfer-Beziehung aufgezeichnet werden. Damit können wir die Fälle häuslicher Gewalt bei vielen Delikten besser identifizieren und Licht in das Dunkel bringen. Besonders am Herzen lag mir – auch dieser Punkt wurde schon mehrfach angesprochen – die Umsetzung von Artikel 36 der Istanbul-Konvention, mit der wir die sexuellen Selbstbestimmungsrechte der Frau gestärkt haben. Seit November letzten Jahres gilt der Grundsatz „Nein heißt nein“. Das heißt, jede sexuelle Handlung, die nicht einvernehmlich ist, ist strafbar. Wir haben festgelegt, dass jetzt auch das Grapschen als Straftatbestand gilt; Anlass waren sicherlich auch die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln. Seit der Einführung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe vor 20 Jahren hat sich im Bereich von Gewalt gegen Frauen wirklich einiges getan. Die Istanbul-Konvention hat daran einen wertvollen Anteil. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch Folgendes sagen: Ein Sicherheitsnetz, wie ich es gerade beschrieben habe, kann nur so zuverlässig auffangen, wie es ausreichend Menschen gibt, die dieses Netz engagiert und mit viel Kraft festhalten. Ich denke da vor allem an die Frauenhäuser und die Beratungsstellen vor Ort, also die ersten Anlaufstellen für die Opfer. Sie leisten Großartiges; denn sie zeigen einen Ausweg aus der Gewaltspirale. Sie bieten Schutz und Halt in akuten Notsituationen. Deshalb muss in Zukunft – ich sehe, dass wir uns da zunehmend einig sind – mehr Geld genau dorthinfließen, auch im ländlichen Raum, denn sie leisten eine wertvolle Arbeit vor Ort; das dürfen wir nicht vergessen. Insofern bin ich durchaus einverstanden mit der Zielrichtung des Antrags der Linken – über diesen entscheiden wir heute auch –, die Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser finanziell stärker zu unterstützen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Christina Schwarzer [CDU/CSU]) Allerdings ist es nicht ganz so einfach. Wir können nicht einfach auf Bundesebene alles übernehmen; die Grünen und die Linken haben es angesprochen. Es gibt natürlich trotz alledem noch die Aufteilung, und auch die Länder müssen ihren Teil dazu beitragen und das Netz ein bisschen stützen. Ich weiß von Emilia Müller, dass sie durchaus bereit ist, ihren Anteil zu leisten. Ich sehe gerne ein, dass der Bund nicht immer die Feuerwehr spielen und alles alleine machen muss. Aber einen kleinen Anstoß – vielleicht einen Schlauch legen – können wir schon geben. Ich hoffe, dass wir das in der nächsten Legislatur angehen können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur zweiten Beratung und Schlussabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Weil es sich dabei um ein Vertragsgesetz handelt, finalisieren wir mit der zweiten Lesung. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12610, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/12037 und 18/12479 anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – (Petra Crone [SPD]: Das ist aber ein schönes Bild!) Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig, mit allen Stimmen des Hohen Hauses, angenommen. (Beifall im ganzen Hause) Wir setzen die Abstimmungen zu den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 18/12610 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/7540 mit dem Titel „Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen – Bundeseinheitliche Finanzierung voranbringen“. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einen armutsfesten, gesetzlichen Mindestlohn sicherstellen Drucksachen 18/11599, 18/12177 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Widerspruch erhebt sich dagegen keiner. Dann werden wir genau so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Bernd Rützel für die Fraktion der SPD. (Beifall bei der SPD) Bernd Rützel (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke den Linken für diesen Antrag. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Denn er ermöglicht mir, noch einmal darauf hinzuweisen, wie wichtig diese größte Arbeitsmarkt- und Sozialreform in unserem Land gewesen ist. Dieser Mindestlohn ist ein Meilenstein. Über 4 Millionen Menschen haben mehr auf ihrem Gehaltszettel. Das hilft den Menschen, aber vor allem auch der Binnennachfrage in unserem Land. Viele Minijobs sind in sichere und reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden. Darüber hinaus haben durch die beschriebenen Übergangsregeln sehr viele erstmals in Tarifverträge gefunden. Mit Blick auf die Tarifbindung war das eine deutliche Verbesserung. Das war alles positiv. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahlen hätte ich mal gerne!) Wir haben absichtlich darauf verzichtet, einen differenzierten Mindestlohn zu machen. Wir wollten einen einheitlichen Mindestlohn. Wir haben zur Kontrolle den Zoll aufgestockt. Wir haben 1 600 Stellen geschaffen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch gar nicht besetzt!) – Dafür braucht man Zeit. Das haben wir damals auch hineingeschrieben. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was nützt es denn in zehn Jahren?) Man braucht die Zeit von 2015 bis 2019, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren viel früher versprochen!) um diese 1 600 Menschen einzustellen und auszubilden. Dass der Zoll eine sehr gute Arbeit macht, aufklärt, informiert, aber auch kontrolliert, das sehen wir immer wieder. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber sie können immer weniger kontrollieren! Die Zahlen liegen doch auf dem Tisch!) Darüber hinaus war nie geplant, zumindest nicht aus Sicht der Sozialdemokratie – ich glaube, auch nicht von großen Teilen der Union; von manchem Lautsprecher schon –, dass es Ausnahmen für Flüchtlinge und Zuwanderer beim Mindestlohn gibt. Das war nie unser Thema. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Des Weiteren hilft der vorliegende Antrag, deutlich zu machen, dass wir verschiedene Blickwinkel auf den Mindestlohn haben. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Praktika sind keine Arbeitsverhältnisse. Praktika sind Lernverhältnisse. Von daher muss man genau abwägen, welche Praktika man mit Mindestlohn versieht. Wir haben die Generation Praktika beendet, aber da, wo ein Praktikum gebraucht wird, für Schule, Ausbildung, Beruf, Studium, da ist es auch möglich, und bei diesem Praktikum wollen wir nicht den Mindestlohn haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Bei der Sonderregel für Langzeitarbeitslose hat sich gezeigt, dass diese keine Rolle spielt. Es ist nicht der Fall, dass sie massenhaft angewendet wird. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum schaffen wir sie nicht ab, lieber Herr Rützel?) – Man kann sie abschaffen. Da sind wir uns einig. Sie hilft nicht, wir brauchen sie nicht, aber haben sie auch nie gefürchtet. Ein ganz elementarer Punkt ist: Ja, wir haben in die Tarifautonomie eingegriffen. Ja, wir haben den Lohn politisch festgelegt. Das war ein großer Eingriff. Vor zehn Jahren haben die Gewerkschaften gesagt: Lasst die Finger davon. Das machen wir selber. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Genau!) Weil die Tarifbindung nicht da war, weil die Flächentarifverträge nicht da waren, weil die Kraft nicht da war, weil auch die Arbeitgeber ein wenig gebunden waren, hat man gesagt: Helft uns. Wir brauchen einen Mindestlohn. – Und die Gewerkschaften haben gesagt: 8,50 Euro sind genau richtig. Wir haben das durchgesetzt, aber wir machen das nicht noch einmal. Wir überlassen in Zukunft die Höhe des Mindestlohnes der Mindestlohnkommission. Darin sitzen neun Leute: ein Vorsitzender, sechs Stimmberechtigte und zwei Berater. Die machen das richtig, die machen das gut. Sie bewerten das, und sie werden den Mindestlohn entwickeln und angleichen. Die Politik sollte, wenn sie gut beraten ist, die Finger davon lassen. Das unterscheidet uns: Sie wollen jetzt 12 Euro, dann wollen Sie irgendwann 14 Euro; das hört nicht mehr auf. Das muss diese Kommission entscheiden. (Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nein, jetzt keine Zwischenfrage! – Katja Mast [SPD]: Ach nein, Matthias!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Herr Kollege Birkwald hat den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Bernd Rützel (SPD): In Anbetracht der Zeit: nein. – Der Mindestlohn ist gut, er wirkt, und ich sehe keine Möglichkeit und Notwendigkeit, den Mindestlohn noch einmal anzugehen und abzuändern. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die Kollegin Jutta Krellmann hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir machen das jetzt genauso wie eben: Wir stimmen über unseren Antrag ab, und es wird einstimmig. (Tobias Zech [CDU/CSU]: Ihr stimmt gegen euren eigenen Antrag?) – Wir stimmen für unseren Antrag, und dann wird das einstimmig wie eben; damit haben wir den Mindestlohn erhöht. (Beifall bei der LINKEN) Wer Vollzeit arbeitet, muss von seiner Arbeit leben und natürlich auch eine Familie ernähren können. Das ist meine feste Überzeugung. Anders geht das doch überhaupt nicht. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeiten sind vorbei! Die Frauen arbeiten halb!) – Ja, Frau Pothmer, Sie kommen gleich dran. – Der Mindestlohn ist von 8,50 Euro auf 8,84 Euro angehoben worden. Das sind 34 Cent mehr pro Stunde – 34 Cent mehr pro Stunde! –, und das zwei Jahre nach der Einführung. (Bernd Rützel [SPD]: Das sind 4 Prozent!) Trotz der Anhebung liegt dieser Mindestlohn deutlich unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10 Euro; das wissen Sie ganz genau, meine Damen und Herren der Großen Koalition. Ich finde es einen Skandal, es soziale Gerechtigkeit zu nennen, wenn Menschen, die von morgens bis abends arbeiten, einen Bruttolohn verdienen, der nicht zum Leben reicht. Das geht doch gar nicht! (Beifall bei der LINKEN) Der Mindestlohn von 8,84 Euro ist und bleibt ein Mangellohn. Selbst für alleinstehende Personen reicht dieser Mindestlohn trotz Vollzeitarbeit häufig hinten und vorne nicht. Sie können ihr Leben nicht unabhängig von staatlichen Leistungen finanzieren. Auch Alleinerziehende mit Kindern unter sechs Jahren kommen bei diesem Mindestlohn in Deutschland nahezu flächendeckend nicht aus der Hartz-IV-Falle. Allein dafür müsste der Mindestlohn über 10 Euro liegen. Beschäftigte, die ihr Leben lang zum Mindestlohn in Vollzeit gearbeitet haben, müssen im Alter ihr Einkommen mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken. Wie viel Beschäftigte heute verdienen müssten, um nicht im Alter unterhalb der Grundsicherung zu landen, haben wir die Bundesregierung gefragt. Die Antwort aus dem Hause Nahles lautete: 11,85 Euro – 11,85 Euro und nicht 8,84 Euro; das ist an der Stelle ein erheblicher Unterschied. (Beifall bei der LINKEN) Wer ein Leben lang hart gearbeitet hat, muss vor Altersarmut sicher sein. Das ist doch wohl die Mindestanforderung, die man an einen Mindestlohn stellen muss. Daher fordern wir einen Mindestlohn von 12 Euro, damit es auch für diese Kolleginnen und Kollegen langt. (Beifall bei der LINKEN) Der Mindestlohn von 8,84 Euro ist zudem zu niedrig, um die Binnennachfrage zu stärken, auch wenn das immer so locker gesagt wird. Die Binnennachfrage müsste man noch viel wirksamer stärken. Durch die enormen Leistungsbilanzüberschüsse in Deutschland sowie die geringen Löhne werden unsere Partnerländer und damit alle Beschäftigten in Europa massiv unter Druck gesetzt. Aber: Aufstockerleistungen sind Subventionsleistungen für die deutsche Wirtschaft. Allein der Wirtschaftszweig Handel wurde 2016 mit 1 400 Millionen Euro in Form von Aufstockerleistungen durch Steuergelder subventioniert. Damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN – Tobias Zech [CDU/CSU]: Wir schaffen die Aufstockung ab!) Die Arbeitgeber müssen endlich gerechte Löhne zahlen. Der Fehler lag von Anfang an bei der Bundesregierung und daran, wie das Mindestlohngesetz angelegt war. Bereits bei seiner Einführung war der Mindestlohn deutlich zu niedrig. Es geht mir auf die Nerven, (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Ui!) mit welcher Überheblichkeit sich die Große Koalition lobt, ohne wenigstens ansatzweise die Probleme, die bestehen, wahrzunehmen. (Bernd Rützel [SPD]: Ihr habt ja gar nicht mitgestimmt! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber deswegen ja, Bernd!) Wenn Sie nichts tun, wird sich die Schere zwischen den Beschäftigten im unteren und oberen Entlohnungsbereich immer weiter öffnen. Sie haben heute die Chance, diesen Konstruktionsfehler zu korrigieren, sich für faire Löhne einzusetzen und gegen Altersarmut vorzugehen. Stimmen Sie dem Antrag der Linken zu, damit der Mindestlohn endlich erhöht werden kann! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Professor Dr. Matthias Zimmer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Krellmann, so ganz habe ich die Ableitung der Höhe der Mindestlöhne, die Sie hier vorschlagen – mal 10 Euro, mal 12 Euro –, nicht verstanden. Aber ich glaube, bei jemandem, der der Meinung ist, wenn er selbst für den eigenen Antrag stimmt, sei dieser damit einstimmig verabschiedet, ist es kein Wunder, dass er auch in diesen Formen der Mathematik nicht ganz nachkommt. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt aber schwach!) Meine Damen und Herren, der Mindestlohn – der Kollege Rützel hat es gesagt – funktioniert. Der Mindestlohn ist gut eingeführt. Der Mindestlohn ist nach anfänglichen Debatten heute in ruhigem Fahrwasser. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber er ist zu niedrig!) Die meisten Firmen haben sich hervorragend darauf eingestellt. Mit anderen Worten: Der Mindestlohn ist nicht mehr ein gesellschaftlich dringendes Thema. Das könnte vielleicht auch erklären, warum wir darüber zu einem solch späten Zeitpunkt diskutieren. Das war einmal anders. Ich erinnere mich daran, dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2006 ausdrücklich vor dem Mindestlohn gewarnt hat. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso wie Ihre Kollegen!) Ich erinnere mich auch daran, dass es in den Anhörungen, die wir zum Mindestlohn durchgeführt haben, Sachverständige gegeben hat, die gesagt haben: Mit dem Mindestlohn werden wir bis zu 1 Million mehr Arbeitslose haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Professor Sinn aus München!) Es ist aber überhaupt nichts passiert. Der erste Bericht der Mindestlohnkommission hat das sehr deutlich gemacht, und auch die Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung haben das gezeigt. Ich kann nur sagen: Wenn die deutsche Volkswirtschaftslehre darin besteht, aus schiefen Prämissen unter Einfütterung von Zahlen Prognosen abzuleiten, die der Wirklichkeit überhaupt nicht standhalten – ich glaube, das nennt man „garbage in, garbage out“; wenn man Müll hineingefüllt hat, dann kommt am Ende auch nur Müll heraus –, (Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) dann ist ihr Stand nicht sehr viel besser als der der Scholastik im Mittelalter, die sich sehr dafür begeistern konnte, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen könnten. Dann kann man zukünftig getrost darauf verzichten, solche Aussagen ernst zu nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, wir haben den Mindestlohn bei 8,50 Euro festgelegt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war der Fehler!) Das taten wir aber nicht, weil die SPD das gewollt hat. Es war zwar euer Vorschlag; das ist sicherlich richtig. Aber ich glaube, es gab auch eine gute Begründung dafür, das zu machen. Denn zur damaligen Zeit lag der Mindestlohn auch in der Zeitarbeit genau bei jenen 8,50 Euro, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Ableitung ist jetzt aber auch abenteuerlich!) und die Zeitarbeit als einer der branchenübergreifenden Sektoren hatte an dieser Stelle gewissermaßen eine Leitfunktion. (Katja Mast [SPD]: Jetzt tut doch nicht so, als wärt ihr für den flächendeckenden Mindestlohn gewesen!) Deswegen war es vernünftig, mit 8,50 Euro in den Mindestlohn einzusteigen. Wir waren auch zusammen in London und haben uns mit den englischen Erfahrungen befasst. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!) Dort gibt es den sogenannten Kaitz-Index, der besagt, wie viel Prozent des Medianeinkommens es sind. Es sind bei uns etwa 48 Prozent. Bei den Engländern ist diese Zahl genauso hoch. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir brauchen 60 Prozent! – Katja Mast [SPD]: Aber ihr wolltet doch gar keinen flächendeckenden Mindestlohn! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit der Leiharbeit zu tun!) Fast alle europäischen Staaten liegen, was den Kaitz-Index angeht, zwischen 45 und 50 Prozent. Wir sind also relativ gut unterwegs, was den Mindestlohn, seine Begründung und seine volkswirtschaftliche Einordnung anbetrifft. Was mich aber immer ein bisschen nervt – jetzt verfalle ich schon in die Diktion der Kollegin Krellmann –, (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) ist die Tatsache, dass hier zwei Dinge miteinander verwechselt werden. Der Mindestlohn ist eben keine sozialpolitische, sondern eine ordnungspolitische Maßnahme. Er soll Ordnung in den Markt bringen. Das ist der entscheidende Punkt, den die Linken bei ihrem Antrag offensichtlich nicht verstanden haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich weiß sehr wohl: Sowohl in der Enzyklika Rerum Novarum von 1891 als auch schon in Der Wohlstand der Nationen von Adam Smith wird von einem gerechten Lohn, einem Lohn, der es einem Arbeitnehmer gestattet, sich selbst und seine Familie zu ernähren, gesprochen. Wenn man das mit dem gerechten Lohn wirklich ernst nehmen würde, dann müsste er von Stadt zu Stadt wirklich unterschiedlich sein. Die Engländer haben uns das gesagt. Das ist der Unterschied zwischen Minimum Wage und Living Wage. Es macht ja eine ganze Menge Sinn, dass man den Mindestlohn landeseinheitlich festlegt; aber er entspricht natürlich nicht dem gerechten Lohn, dem Living Wage, den wir eigentlich brauchen. Dieser ist in London natürlich deutlich höher als beispielsweise in den schottischen Highlands. Ich glaube, man muss letztlich auch immer in Betracht ziehen, dass wir zwar ordnungspolitisch über einen Mindestlohn reden, sozialpolitisch aber nicht einen gerechten Lohn verordnen könnten, weil wir dann Einzelfallentscheidungen treffen müssten. An der einen oder anderen Stelle mag es vielleicht problematisch sein, Gerechtigkeit zu erzielen, aber ich glaube, was wir hier mit der Festlegung des Mindestlohnes für die Ordnung des Marktes getan haben, ist schon ein Meilenstein in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, und darauf können wir zu Recht stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Brigitte Pothmer. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Keine Zwischenfrage!) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Zimmer, Sie haben recht. Ich finde auch, dass der Mindestlohn wirklich ein Erfolgsprojekt ist. Er ist aber kein Allheilmittel. (Beifall der Abg. Katja Mast [SPD] – Bernd Rützel [SPD]: Stimmt! Da hast du recht!) Er ist eine Haltelinie nach unten, wirkt gegen Schmutzlöhne und Lohndumping und sorgt für fairen Wettbewerb, der eben über gute Leistungen und nicht über Schmutzlöhne ausgetragen wird. Der Mindestlohn ist im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch im Interesse der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Diese haben das erst relativ spät verstanden, genauso wie erhebliche Teile der CDU/CSU-Fraktion. Aber wir freuen uns ja über jeden, der dazulernt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Zimmer, der Mindestlohn ist aber durchaus auch ein Baustein zur Armutsvermeidung – aber eben nur ein Baustein. Liebe Frau Krellmann, der Mindestlohn ist dagegen nicht eine eierlegende Wollmilchsau, nach dem Motto: Rauf auf 12 Euro die Stunde, und schon sind die schwierigsten Probleme aus der Welt geschafft. Armut: Weg! Zu hohe Mieten: Vergangenheit! Altersarmut: Erledigt! Binnennachfrage: Läuft! Leistungsbilanzüberschuss: Abgehakt! Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Pothmer, die Frau Kollegin Krellmann hat den Wunsch, eine ganz kurze Zwischenfrage zu stellen, wenn Sie sie zulassen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein. Ich finde, zu dieser Zeit muss man einfach auch einmal ein bisschen gnädig sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Frau Krellmann, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich frage mich manchmal wirklich, ob Sie das, was Sie aufschreiben und hier reden, auch glauben. Wir brauchen wirklich keinen populistischen Überbietungswettbewerb. Wir brauchen für die durchaus vorhandenen Probleme Lösungen. Ja, wir müssen die Altersarmut bekämpfen. Das tun wir aber doch am besten zum Beispiel gezielt mit der Garantierente. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, ganz bestimmt nicht! Das ist nur weiße Salbe!) Und nein, Herr Birkwald, wir wollen explodierende Mieten nicht mit dem Mindestlohn bekämpfen, sondern indem wir mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das sind die Antworten auf diese Fragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]) Ich gebe zu: Sie sind komplizierter als die simplen Lösungen, die Sie hier anbieten, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie sind gut begründet!) aber sie sind zielgenauer und vor allen Dingen ehrlicher. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es schon bezeichnend, dass in Ihren Debattenbeiträgen und auch in Ihrem Antrag mit keinem Wort auf die Frage eingegangen wird, ob ein Mindestlohn von 12 Euro vielleicht auch mit Jobverlusten verbunden sein könnte. Das ist für Sie offensichtlich überhaupt keine Frage. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie müssen mal dem Kollegen Zimmer zuhören! Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, an einigen Stellen muss ich den Linken allerdings recht geben. Ja, wir haben Probleme im Kontext mit dem Mindestlohn. Es ist wirklich eine Schande, dass es immer noch die Ausnahme für Langzeitarbeitslose gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Rützel [SPD]: Die können wir abschaffen!) Sie wird nicht gebraucht. Sie wird nicht angewendet. Aber trotzdem wirkt sie stigmatisierend. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das war das Bauernopfer, das Sie damals der CDU gebracht haben. Das nehme ich Ihnen noch heute übel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Gefährlich! – Bernd Rützel [SPD]: So ist Politik!) Ja, Herr Rützel, wir bräuchten deutlich mehr Kontrollen. Es ist eine Schande, dass Sie bei der Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit immer noch nicht weitergekommen sind. Wenn Sie hier heute Abend erzählen, dass dieses Gesetz zu mehr Tarifbindung geführt hat, dann möchte ich wirklich wissen, woher Sie diese Zahlen haben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Mast [SPD]: Die Landwirtschaft hat den Tarifabschluss gemacht!) Mit anderen Worten: Ja, es gibt Nachbesserungsbedarf beim Mindestlohn. Was es nicht braucht, Frau Krellmann, ist ein Überbietungswettbewerb. Das ist keine Lösung. Diesen Antrag lehnen wir deshalb ab. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Krellmann, ich erteile Ihnen das Wort zu einer kurzen Kurzintervention. Bitte bedenken Sie, dass wir heute noch eine außerordentlich anspruchsvolle Tagesordnung haben. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Unsolidarisch gegenüber den Kollegen!) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne feststellen: Die Tatsache, dass man 11,85 Euro verdienen muss, um später nicht in die Altersarmut zu rutschen, ist nichts, was wir als Linke berechnet haben, sondern diese Zahl stammt aus dem Ministerium von Frau Nahles, nichts anderes. Ich habe von Herrn Zimmer etwas erfahren, was ich bislang nicht wusste: dass sich der Mindestlohn anscheinend an dem orientiert hat, was Leiharbeiter verdient haben. Selbst wenn sich der Mindestlohn an der Bezahlung von Leiharbeitern anlehnen würde, würden wir nicht über 8,84 Euro reden, sondern über eine Zahl von über 9 Euro. Das geht ganz einfach nicht. Das ist ein Konstruktionsfehler des ganzen Mindestlohngesetzes. Dazu stehen wir. Es wird niemals gelingen, dass der Mindestlohn auch nur annähernd an die allgemeine Lohnentwicklung herankommt. Die Höhe des Mindestlohns wird der Lohnentwicklung immer hinterherlaufen. Wenn wir nicht ordnungspolitisch – um ebenfalls diesen Begriff zu benutzen, Herr Zimmer – den Schritt machen, den Mindestlohn zwischendrin deutlich zu erhöhen, (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Kurz!) wird der Mindestlohn immer der allgemeinen Lohnentwicklung hinterherlaufen. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Koreferat!) Das wollen wir nicht. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Pothmer, Sie haben die Gelegenheit, darauf zu erwidern. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Frau Krellmann, natürlich spielt das Einkommen bei der Rente eine Rolle. Das will hier überhaupt niemand bestreiten. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Es geht aber nicht, dass wir die Fehler, die wir in der Rente machen, alleine durch den Mindestlohn korrigieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nein, wir müssen die Fehler da korrigieren, wo sie entstanden sind, nämlich in der Rentenpolitik. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber die Löhne müssen zu einer guten Rente führen!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion der Kollege Markus Paschke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Markus Paschke (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mindestarbeitsbedingungen – dazu gehören auch die Mindestlöhne – sind Kernelemente sozialer Gerechtigkeit. Manche interpretieren da allerdings völlig andere Sachen hinein. Diese Arbeitsbedingungen sind kein geeignetes Instrument zur Armutsbekämpfung. Sie eignen sich auch nicht, um lebensstandardsichernde Renten zu garantieren. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hier ging es nicht um Lebensstandardsicherung, sondern um Armutsfestigkeit! Das ist eine andere Baustelle!) Bei dem gesetzlichen Mindestlohn handelt es sich um eine untere Haltelinie in der Entlohnung, vergleichbar mit dem Bundesurlaubsgesetz. Darin sind vier Wochen bezahlter Urlaub geregelt. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Völlig richtig!) Den Wert der Arbeit bestimmen nicht die Mindestlöhne, sondern den bestimmen Tariflöhne, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jeder Arbeitgeber, der engagierte und qualifizierte Mitarbeiter haben möchte, zahlt deutlich mehr als den Mindestlohn. Mit der Einführung des Mindestlohns haben wir eines unser zentralen Wahlversprechen umgesetzt, und wir haben sichergestellt, dass über 4 Millionen Menschen mehr Geld in der Tasche haben. Ich finde, das ist ein Erfolg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fakt ist aber auch, dass die Festsetzung angemessener Löhne in die Verantwortung der Tarifvertragsparteien gehört. Das ist auch gut so. Ich finde, die Tarifautonomie ist ein wertvolles Gut. Eines ist uns allen klar: Wer gute und gerechte Löhne will und Armut bekämpfen will, der muss Gewerkschaften und Tarifautonomie stärken, statt alle paar Monate über politisch festgelegte Lohnhöhen zu reden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mittlerweile haben Gewerkschaften und Arbeitgeber in 18 Branchen Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz vereinbart. Diese Mindestlöhne liegen in der Spitze bei 16,53 Euro. In dieser Wahlperiode wurden für sechs neue Branchen solche Mindestlöhne vereinbart. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt einfach nicht!) Die Tarifautonomie funktioniert also, und unsere Maßnahmen zur Stärkung der Tarifautonomie wirken. Ich finde, wir haben da eindeutig die bessere Strategie. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wichtig wird es sein, nach der nächsten Wahl die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen deutlich zu stärken, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) damit es keine Konkurrenz um die niedrigsten Löhne, sondern um die besten Produkte und Dienstleistungen gibt. Ihr Vorschlag würde indirekt die Tarifautonomie schädigen und den Beschäftigten schaden. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zum Abschluss dieser Aussprache spricht der Kollege Tobias Zech für die CDU/CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Tobias Zech (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal muss ich sagen: Ich bin begeistert, wie viele sich um diese Uhrzeit noch für den Mindestlohn interessieren. Das zeigt, dass Sie ein wichtiges Thema getroffen haben. Aber ein paar wichtige Dinge vorweg – Frau Krellmann, vielleicht können Sie Ihr bilaterales Gespräch später fortführen, wenn ich fertig bin –: Erstens. Der Mindestlohn ist ein ordnungspolitisches Instrument und setzt die Untergrenze. Wir sprechen nicht über einen Deutschlandtarif, und es ist nicht die Aufgabe des Staates, deutschlandweit Löhne festzusetzen. Das wäre Gleichmacherei und Planwirtschaft. Sie haben ja die beste Erfahrung damit, wie man so etwas an die Wand fahren kann. Das wollen wir mit dem Mindestlohn nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen haben wir uns auch immer gegen einen gesetzlichen Mindestlohn gewehrt und wollten einen tariflichen – das war leider nicht möglich; (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch gut! Mein Gott, ihr habt noch nichts kapiert!) jetzt haben wir einen gesetzlichen –, weil wir wussten, dass dieser Tag kommt und dass Sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht im Sinne der Arbeitnehmer gestalten, sondern dass Sie ihn jetzt drei Monate vor der Bundestagswahl für Wahlkampfklamauk benutzen. Das tun Sie heute, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) Zweitens. Wir haben den gesetzlichen Mindestlohn vor zwei Jahren eingeführt. (Katja Mast [SPD]: Sie haben gar nichts eingeführt!) Geben Sie dem Gesetz doch die Zeit, auch zu wirken. Es gab jetzt die erste Erhöhung durch die Tarifkommission. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dass wir nicht in diesem Hause politisch den Lohn festlegen, sondern dass wir das den Fachleuten überordnen. Haben Sie denn zu diesem paritätisch besetzten Gremium aus Arbeitgebern und Gewerkschaften kein Vertrauen? Anscheinend nicht. Wir schon, und deshalb arbeiten wir mit dieser Tarifkommission weiter. Ich bin davon überzeugt, dass es im Sinne der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes gut ist, wie es ist. Was Sie machen, hat nicht das Interesse der Arbeiter und der Menschen in diesem Lande, sondern billigen Populismus im Sinn. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn einer weiß, was Populismus ist!) Meine Damen und Herren, Lohngestaltung ist nicht Aufgabe der Tarifparteien und Betriebe. Wir haben die Tarifautonomie im Grundgesetz verankert. Das Grundgesetz gebietet uns, den richtigen Rahmen für vernünftige Arbeit zu schaffen. Natürlich muss man von gutem Lohn auch leben können. Natürlich ist guter Lohn gerecht; denn er ermöglicht es, dass man nicht in Altersarmut gerät und nicht auf Aufstockung angewiesen ist. Aber Ihr Denkfehler ist, Frau Krellmann, davon auszugehen, dass man von einem Alter von 16 oder 17 Jahren bis zur Verrentung im Mindestlohn bleibt. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Redezeit!) Das wollen wir nicht. Wir wollen die Menschen ausbilden und gute Beschäftigung anbieten; wir wollen nicht, dass die Menschen 60 Jahre in prekärer Beschäftigung bleiben. Was Sie vorschlagen hat nichts mit vernünftiger Wirtschaftspolitik, vor allem aber nichts mit vernünftiger Politik für die Arbeitnehmer in diesem Land zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt momentan einen historischen Tiefstand der Arbeitslosenquote. In Bayern beträgt sie 3 Prozent. Das ist quasi Vollbeschäftigung. Es gibt nur noch eine natürliche Fluktuation. Je nachdem, wie die Politik in den einzelnen Ländern ist, ist die Lage unterschiedlich. Ich würde Ihnen raten – bevor Sie hier weiter Wahlgeschenke verteilen wollen –, sich in den von Ihnen mitregierten Ländern um Wachstum zu kümmern, damit eine vernünftige Beschäftigungssituation geschaffen werden kann. Horst Seehofer hat gestern ein 3-Milliarden-Euro-Programm vorgestellt, um die Wettbewerbsfähigkeit von Bayern noch stärker auszubauen. Das ist die richtige Politik. Das ist Politik mit Augenmaß. Das schafft auch gute und sichere Arbeitsplätze. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben jetzt mit dem gesetzlichen Mindestlohn einen Eckpfeiler gesetzt. Bei ihm muss es aber auch noch eine langfristige und nachhaltige Entwicklung geben. Das heißt, er muss auch in einer nicht so robusten konjunkturellen Lage funktionieren. Deshalb wird er sich auch nicht immer auf Grundlage der Lebenshaltungskosten entwickeln können, was Sie vorher eingefordert haben. Der Kollege hat das vorhin gesagt: Wir sprechen hier von der untersten Haltelinie. Es sollte nicht der Anspruch sein, dass man mit dieser untersten Haltelinie in Pension geht. Natürlich muss es auch Ausnahmen vom Mindestlohn geben. Wer glaubt, er könne mehr Menschen in die richtigen Jobs bringen, wenn er für Praktikanten-Arbeitsverhältnisse den Mindestlohn verlangt, der irrt. Ein Praktikum ist natürlich kein Arbeitsverhältnis. Deshalb ist es auch richtig, Ausnahmen einzuführen. Das Schlimme an Ihrer heutigen Forderung ist, dass Sie vor allen Dingen die Unternehmen, die eh unter rot-grüner Standortpolitik leiden – diese Politik ist ja bei den letzten Wahlen abgewählt worden –, noch mehr gängeln wollen. Machen Sie einfach zu Hause, wo Sie noch regieren, eine vernünftige Politik. Dann haben Sie vernünftige Arbeitsplätze, und wir müssen uns über dieses Thema hoffentlich nicht noch weiter unterhalten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn sicherstellen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12177, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11599 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen jetzt zu einem neuen vorgezogenen Tagesordnungspunkt. Die Fraktionen sind übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 47 n nach dem Tagesordnungspunkt, den wir soeben beraten haben, aufzusetzen. Sie sind außerdem übereingekommen, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12639 sowie um die Beratung des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12638 zum Thema „Abschiebungen nach Afghanistan“ zu erweitern und jetzt als Zusatzpunkte 10 und 11, verbunden mit dem Tagesordnungspunkt 47 n, zu beraten. – Ich sehe keinen Widerspruch. Daher gehe ich davon aus, dass Sie alle damit einverstanden sind. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 47 n sowie die eben aufgesetzten Zusatzpunkte 10 und 11 auf: 47   n) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen Drucksachen 18/12099, 18/12414 ZP 10 Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan Drucksache 18/12639 ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Neue Lagebeurteilung für Afghanistan Drucksache 18/12638 Über die Beschlussempfehlung und die beiden Anträge werden wir später jeweils namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Roderich Kiesewetter für die Fraktion von CDU und CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten haben heute einen bemerkenswerten Beitrag zur Versachlichung der Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan geleistet. Unser Koalitionsantrag möchte dies aufgreifen und mit dem Antrag „Neue Lagebeurteilung für Afghanistan“ gleichfalls einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten. Nach vielen Jahren Erfahrungen mit Afghanistan liegt mir persönlich etwas daran, mitzuwirken, dass wir einen solchen Beitrag hinbekommen. Blicken wir auf Afghanistan, dann müssen wir feststellen, dass es schwierig ist, die Situation mit mitteleuropäischen Maßstäben zu messen: (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit menschenrechtlichen?) 32 Millionen Einwohner, über 50 verschiedene Volksstämme sowie über 40 verschiedene Sprachen und Dialekte. Dabei dürften Paschtu, Urdu und Farsi die bekanntesten sein. Von den Volksgruppen dürften uns Usbeken, Tadschiken, Hazara, Paschtunen und vielleicht noch Belutschen bekannt sein. Wenn wir dieses Land mit 32 Millionen Einwohnern betrachten, muss uns bewusst sein, dass etwa 10 Millionen in heiß umkämpften Gebieten leben, aber 23 Millionen Menschen in befriedeten und ruhigen Regionen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie diese doch einmal! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie nur eine!) Hinzu kommt, dass wir die Lage in Afghanistan immer wieder betrachten müssen. Deshalb ist es zu begrüßen, dass Bundesregierung und Ministerpräsidenten ein neues Lagebild nach den Anschlägen in den letzten Wochen angeraten haben. Wir unterstützen dies. (Beifall bei der CDU/CSU) Genauso vorsichtig, wie ich eben die komplexe Lage holzschnittartig skizziert habe, müssen wir uns die Anträge, die heute zur Debatte stehen, anschauen. Hier fällt aus meiner Sicht von vornherein der mit heißer Nadel gestrickte Antrag der Linken heraus; denn er nimmt überhaupt keine Rücksicht auf die Besonderheiten Afghanistans, sondern fällt ein Pauschalurteil. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) Bei dem Antrag der Grünen lässt sich durchaus eine gemeinsame Linie finden. Gemäß dem Koalitionsantrag werden Abschiebungen von normalen Flüchtlingen, die ausreisepflichtig sind, zunächst ausgesetzt. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Heiße Nadel“ kann ich nur dazu sagen!) Aber Ihr Antrag hat einen gravierenden Fehler. Sie setzen mit Ihrem Antrag das Migrationsabkommen aufs Spiel, das die Bundesrepublik Deutschland mit Afghanistan verhandelt hat. Dieses Migrationsabkommen hat zu etwas ganz Besonderem geführt: 18-mal mehr Menschen kehren freiwillig nach Afghanistan zurück, als dorthin abgeschoben werden. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen des Abkommens?) Sie wollen die freiwillige Rückkehr aufs Spiel setzen. Das halte ich für falsch. Unser Antrag stellt die ausgewogenere Lösung dar. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will das mit Zahlen belegen. Im letzten und in diesem Jahr sind insgesamt 3 700 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nicht einmal 200 sind abgeschoben worden. Es geht also nicht um massenhafte Abschiebungen, sondern um Abschiebungen in einem niedrigen dreistelligen Bereich. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Sicherheitslage?) Wen schieben wird denn ab? Der Antrag, für den ich werbe, sieht vor, dass wir weiterhin die freiwillige Rückkehr fördern; das ist wichtig. Wir schaffen entsprechende Anreize und arbeiten mit der afghanischen Regierung gut zusammen. So können wir Einfluss auf die Art und Weise nehmen, wie mit zurückgekehrten Migranten in Afghanistan umgegangen wird. Diese Menschen werden durch Förderprogramme unterstützt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn jetzt mit der Sicherheitslage?) Was die abgeschobenen Personen angeht: Wir schieben Straftäter, Identifizierungsverweigerer und all diejenigen ab, die als Gefährder gelten. Das ist doch genau richtig. Diese Antwort erwartet unsere Bevölkerung. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Unwahrheit! Das ist schlichtweg falsch, was Sie sagen! Das haben wir bei dem Schüler in Nürnberg sehen können!) Ein Letztes. Es war Deutschland, das im Jahr 2001 und im Jahr 2011 Gastgeber der Petersberg-Konferenzen war; einige von uns waren dabei. Im Jahr 2011 hat sich unser Land zusammen mit den anderen 40 Staaten in der Gemeinschaft für Afghanistan dazu verpflichtet, alle Kraft dafür aufzuwenden, Afghanistan bis zum Jahr 2024 zu einem normalen Entwicklungsland zu machen. Wir sind weit davon entfernt. Aber wenn wir ständig die Besten aus diesem Land weglocken und einen Braindrain verursachen, dann ist das genau das Falsche. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen kluge, gut ausgebildete Leute in das Land zurückbringen und Anreize schaffen. Dann werden wir auch unserer Verantwortung gerecht. Deshalb rate ich dazu, dass wir diesem gemäßigten Antrag zustimmen. Wir werden im Juli dieses Jahres die Lagebeurteilung bekommen, und wir werden dann auch keine pauschalierten Abschiebungen durchführen, sondern wir werden nach Einzelfallprüfung weiterhin im niedrigen dreistelligen Bereich Abschiebungen vornehmen. Wir setzen auf freiwillige Rückkehr und auf den Wiederaufbau von Afghanistan. Dafür braucht es die Unterstützung des gesamten Hauses. Ich bitte Sie darum, uns zu folgen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die Kollegin Ulla Jelpke spricht jetzt für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kiesewetter, der Antrag, den Sie hier heute verteidigen wollen, ist wirklich ein schändlicher Versuch, auf Zeit zu spielen. Ich sage Ihnen ganz klar: Wir wollen hier heute einen sofortigen Abschiebestopp, und wir können das auch ganz eindeutig begründen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was sagt denn der Herr Ramelow?) Ich möchte Sie daran erinnern: Seit fast zwei Jahren und besonders in den letzten Monaten haben diverse Menschenrechtsorganisationen – UNO, UNHCR – und sogar das US-Militär übereinstimmend berichtet, dass Afghanistan nicht sicher ist. Schon deswegen brauchen wir einen Abschiebestopp; völlig klar. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt in der Tat einen ganz kleinen Erfolg – darüber freue ich mich –: dass Sie endlich einmal über die Sicherheitslage in Afghanistan überhaupt nachdenken; denn bisher haben Sie das verweigert. Man könnte noch sehr viel dazu sagen, mit welchen dubiosen und komischen Argumenten Sie hier immer wieder die Behauptung verteidigt haben, dass es dort sichere Regionen gibt. Sie hören einfach nicht auf die NGOs (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, auf Herrn Ramelow!) und schon gar nicht auf die internationalen Organisationen. Das ist wirklich ein Riesenskandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt zu den freiwilligen Rückkehrern, die hier immer wieder angesprochen wurden, auch von Herrn Kiesewetter. Ich halte es wirklich für zynisch, dass Menschen, die hier unter Druck gesetzt werden, freiwillig zurückzukehren, weil ihnen nur die Alternative bleibt, entweder abgeschoben zu werden oder aber in Abschiebehaft zu kommen, als freiwillige Rückkehrer bezeichnet werden. Es gibt keine freiwillige Rückkehr in ein Land, wo Krieg und Terror herrschen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, der UN-Nothilfekoordinator hat gerade erst erklärt, 9,3 Millionen Menschen lebten dort in akuter Not; es gebe dort 1 Million Binnenflüchtlinge; die medizinische Versorgung sei unhygienisch und menschenunwürdig, und die Menschen dort seien von Hunger bedroht. Angesichts all dessen kommen Sie und sagen, Sie wüssten nichts über die Sicherheitslage. Es ist doch einfach lächerlich, was Sie hier machen. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt Gruppen, bei denen Sie Abschiebungen nach Afghanistan einschränken wollen. Wie gesagt, Sie wollen die Menschen zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan bewegen. Sie wollen aber weiterhin Straftäter nach Afghanistan abschieben. Was für Straftäter sind das denn? Sie berieseln die Bevölkerung permanent mit der Behauptung: Wir schieben ja nur Straftäter ab. – Ich habe versucht, die Bundesregierung zu fragen: Was sind denn das für Straftäter? – Man konnte darauf keine Antwort geben. Es gibt genügend Beispiele dafür – zum Beispiel das Nürnberger Beispiel, aber auch viele andere; ich komme darauf gleich noch zu sprechen –, dass man Menschen aus der Arbeit herausgeholt und abgeschoben hat, insbesondere junge Männer. Es ist wirklich ein Skandal, dass auch hierzu immer wieder gesagt wird: Junge Männer können abgeschoben werden. – Sie sind besonders davon bedroht, von den Warlords zwangsrekrutiert zu werden und in den Krieg geschickt zu werden. Auch das werden wir nicht mitmachen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt zu den Gefährdern. Ich bitte Sie: Wenn Sie wirklich Erkenntnisse haben, dass es bei uns Bombenleger gibt, dann stecken Sie sie hier in den Knast, und bedrohen Sie nicht zusätzlich die afghanische Bevölkerung und uns auch nicht. Es ist doch ein Skandal, Menschen dorthin zu schicken, wo Bomben fallen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich will Ihnen sagen: Was gerade in Nürnberg passiert ist, ist doch beispielhaft. (Henning Otte [CDU/CSU]: Kommen Sie mal zum Thema!) Der Kollege Mayer tut nach dem Polizeieinsatz an einer Berufsschule ganz betroffen. Das ist aber übliche Praxis. Sie haben beschlossen, dass unangekündigte Abschiebungen, Überraschungsabschiebungen durchgeführt werden können. Das haben Sie hier gesetzlich durchgesetzt, und nichts anderes. Das ist unmenschlich und muss total zurückgewiesen werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist passiert, nachdem die Jugendlichen in der Schule gegen die Abschiebung protestiert haben? Sie wollten den jungen Menschen ins Abschiebegefängnis stecken. Zum Glück hat ein Amtsgericht das verhindert. Ich will wissen, wie viele Menschen im Moment in Abschiebegefängnissen sitzen. In Hamburg zum Beispiel sind es vier junge Afghanen. Es ist ein Skandal, dass man die nicht freilässt. Das fordern wir hier auch. Wir wollen auf jeden Fall heute hier einen Abschiebestopp durchsetzen. Es gibt genügend Argumente, (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Die Sie nicht angeführt haben!) und die kennen Sie viel zu gut. Es ist wirklich zynisch, wenn Sie jetzt so tun, als wenn Sie nicht wüssten, dass die Lage in Afghanistan unsicher ist. Es ist wirklich traurig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: Sie hatten die Gelegenheit, Argumente zu nennen!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Das Wort hat jetzt der Kollege Burkhard Lischka für die Fraktion der SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhard Lischka (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute Abend wirklich über ein Dilemma, (Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) das schon seit mehreren Monaten besteht, und zwar ein Dilemma in mehrfacher Hinsicht. Das grundsätzliche Dilemma haben wir eigentlich in jedem Asylverfahren. Es beginnt damit, dass wir selbstverständlich sagen: Denjenigen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, geben wir Schutz. – Das wollen wir auch weiterhin tun. Jeden Einzelfall prüfen wir dann in ganz aufwendigen rechtsstaatlichen Verfahren: (Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) mit Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, mit Entscheidungen, mit Rechtsmittelmöglichkeiten, mit verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Am Ende steht häufig sogar eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung: Bedarfst du unseres Schutzes, oder kannst du keine Flucht vor Krieg und Verfolgung geltend machen? Dann kommen wir jedes Mal zu der schwierigen Seite des Asylrechts, nämlich denjenigen, die nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, zu sagen: Du musst zurück. Wenn du nicht freiwillig zurückgehst, dann musst du mit einer Abschiebung rechnen; dann werden wir dich zurückführen. – Übrigens: Auch diese Seite des Asylrechts unterliegt einer kompletten gerichtlichen Überprüfung. (Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das sind die beiden Seiten unseres Asylrechts. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Und das bei eurem Lagebild!) Ich finde, sie sind auch notwendig. Wir werden ganz generell die nach wie vor hohe Bereitschaft in unserer Bevölkerung, Schutzbedürftige auch in Zukunft aufzunehmen, nur dann erhalten, wenn wir andere, die einen Asylgrund nicht geltend machen können, wieder zurückführen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir können uns sonst übrigens das ganze aufwendige Asylverfahren komplett sparen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann reden Sie über die Sicherheitslage?) Das erste Dilemma, über das wir hier reden, ist, dass wir Menschen, die aus zum Teil absolut verständlichen und nachvollziehbaren Gründen kommen, wieder nach Hause schicken, wenn sie nicht Verfolgungsgründe geltend machen können, (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Afghanistan!) und, ja, das fällt niemandem leicht. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wann reden Sie über die Sicherheitslage?) In Afghanistan kommt noch mindestens ein weiteres Dilemma hinzu. Ich selber war viermal in Afghanistan. Es sind absolut widersprüchliche Eindrücke, die ich mitgenommen habe. Ich habe bei meiner letzten Reise an einem Tag drei Anschläge in Kabul erlebt. Ich habe dort mit Menschen gesprochen, die Terror durch Taliban, durch Warlords, durch Drogenbarone selbst erlebt haben. Ich habe mit Frauen gesprochen, die über furchtbarste Gewalterlebnisse berichtet haben. Aber ich habe in dem gleichen Land Afghanistan auch in strahlende Schüleraugen geschaut. Diese Schüler haben mir in perfektem Englisch erklärt, dass sie mal Arzt oder Manager werden wollen. Ich habe mit Führungskräften aus der Wirtschaft, aus der Landwirtschaft und aus der Verwaltung gesprochen, die mir gesagt haben, dass sie in Afghanistan bleiben wollen, weil sie sich von Extremisten und vermeintlichen Gotteskriegern nicht ihre Zukunft klauen lassen wollen, so wie es ihren Eltern und Großeltern ergangen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe auch an Dorfjirgas teilgenommen, wo mir Dorfälteste über Taliban-Angriffe berichtet haben, als sie eine Mädchenschule gebaut haben, (Zuruf von der LINKEN: Aber immer mit BKA-Schutz!) die mir aber auch stolz erzählt haben, dass sie erstmals in ihrem Dorf Elektrizität und fließendes Wasser haben, Felder bestellen und ihre Kinder zur Schule schicken können. Nein, Afghanistan ist nicht nur schwarz und nicht nur weiß. Es hat teilweise vollkommen widersprüchliche Facetten. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie sind ja ein Heimatdichter!) Das ist das Dilemma, wenn man über Afghanistan spricht. Deshalb sage ich auch: Afghanistan eignet sich nicht für rein ideologisch aufgeheizte Debatten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir werden übrigens diesem Afghanistan auch nicht gerecht, wenn hier in Deutschland der Zufall oder der Aufenthalt in einem bestimmten Bundesland darüber entscheidet, ob jemand zurückgehen muss und wer zurückgeht. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Hier spricht Karl May!) Wir haben Bundesländer, die niemanden zurückführen, wir haben Bundesländer, die Gefährder und Straftäter zurückführen, und wir haben wieder andere Bundesländer, die gut integrierte Menschen zurückführen – aus ihrem Job, aus der Ausbildung oder aus der Schule. Ich finde, wir wären alle einen bedeutenden Schritt weiter, wenn wir uns auf einen Kompromiss für die Zukunft einigen könnten, dass wir uns bei Abschiebungen nach Afghanistan auf Gefährder und schwerste Straftäter konzentrieren und dass wir nicht gut integrierte Menschen aus den Schulen oder aus dem Job holen und in ein Flugzeug nach Kabul stecken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das wäre, glaube ich, ein richtiger und wichtiger Anfang bei einem schwierigen Thema, das sich nicht für irgendwelche plakativen Anträge eignet. Wir haben die Möglichkeit, darüber in den nächsten Wochen zu sprechen, nachdem sich Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium, und zwar auf Initiative der SPD, auf einen Abschiebestopp für die nächsten Wochen geeinigt haben. (Beifall bei der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche SPD?) Ich darf auch unseren Koalitionspartner auffordern, in den nächsten Wochen einmal über die Frage nachzudenken: Ist es eigentlich mit einem guten Rechtsstaat vereinbar, dass der Zufall und nicht klare Regeln darüber entscheiden, ob man in ein Land wie Afghanistan zurückführt oder nicht und wen man zurückführt? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den ganzen Tag habt ihr überlegt, wie ihr den Antrag wegkriegt!) Ich finde, es wäre ein Versagen der Politik, wenn wir keine Einigung über solche Regelungen hinbekommen würden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste spricht die Kollegin Katrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das war ein furchtbarer Anschlag in Kabul. Es war übrigens nicht der erste Anschlag. Es gab viele. Es gab auch vor wenigen Wochen einen großen Anschlag. Deswegen haben wir vor wenigen Wochen den Antrag eingebracht, über den wir heute hier diskutieren. Herr Lischka, wir reden heute hier nicht auf Initiative der SPD. Wir reden hier, weil wir mit unserem Antrag die Initiative ergriffen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und wir reden hier, weil Sie den ganzen Tag darüber nachgedacht haben, wie Sie es wohl hinkriegen, dass nicht eine ganze Reihe von Abgeordneten aus Ihrer Fraktion unserem Antrag zustimmt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, das ist doch zynisch. Es ist doch zynisch, dass Sie genau in dem Moment, wo ein fürchterlicher Anschlag in der Nähe der deutschen Botschaft in Kabul stattfindet, finden, jetzt müsse man doch einmal die Lage neu bewerten. Das ist ein Schritt, von dem ich sage: Erst einmal ganz gut für die Situation, in der wir sind. Aber er kommt natürlich zu spät. Er kommt zu spät für viele Menschen, die bereits abgeschoben sind, die in Gefahr sind und die mitnichten in Afghanistan sicher sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen jetzt endlich einen neuen Lagebericht. Und: Nein, wir müssen nicht darauf warten, bis die Botschaft in Kabul wieder arbeitsfähig ist; denn die Fakten liegen auf dem Tisch, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Welche?) Schon vor Monaten hat der Außenminister einen Brief von Ministerpräsident Winfried Kretschmann bekommen, als der UNHCR festgestellt hat, dass Afghanistan kein sicheres Land ist. Meine Damen und Herren, dem müssen Sie sich endlich stellen. Sie können sich doch nicht hierhinstellen und sagen: Wir wissen eigentlich nicht, wie die Lage in Afghanistan ist. – Herr Kiesewetter, Sie können sich nicht hierhinstellen und sagen: Wir reden jetzt einmal sachlich. – Was ist denn sachlich? Sachlich ist die Tatsache, dass immer wieder Anschläge stattfinden. Sachlich ist übrigens auch die Tatsache, dass und wie Ihre Bundesregierung auf unsere Frage, welche Region denn genau in Afghanistan sicher ist, am 24. April geantwortet hat. (Zurufe von der CDU/CSU) Sie konnte darauf keine Antwort geben, und daraus schließe ich: Keine Region ist sicher! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU) Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass Lageberichte für Afghanistan gemacht werden, indem sich der deutsche Innenminister und der deutsche Außenminister einigen. Das ist doch verrückt. Es kann doch nur so sein, dass das Außenministerium einen Lagebericht macht. Den muss es mit den Menschenrechtsorganisationen, mit dem UNHCR und mit den Leuten machen, die wissen, wie die Lage vor Ort ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tobias Zech [CDU/CSU]: Wieso mit den Menschenrechtsorganisationen? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Das hätte sich Herr Gabriel, aber auch Herr Steinmeier von Joschka Fischer abschauen können, der nämlich genau das gemacht hat. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage von Dr. Rosemann zu? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich lasse eine Zwischenfrage zu. Natürlich, sehr gerne. Bitte schön. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wenn Sie nicht so in das Mikrofon brüllen würden!) – Sie müssen ja auch wach bleiben, oder? (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wir sind hellwach! Wir sind nicht bei den Grünen!) Dr. Martin Rosemann (SPD): Frau Göring-Eckardt, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich frage mich ernsthaft, was Sie hier eigentlich machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Sie haben gerade gesagt, der Antrag der Koalitionsfraktionen käme zu spät angesichts der großen Anzahl von Menschen – ich weiß nicht, wie viele –, die schon zurückgeschickt worden wären. Finden Sie das nicht zynisch angesichts der Tatsache, dass die Menschen von Landesregierungen zurückgeschickt worden sind, an denen auch Sie beteiligt sind und die Sie teilweise auch führen? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich frage mich, und ich frage Sie: Geht es Ihnen hier um die betroffenen Menschen? Geht es Ihnen darum, tatsächlich eine realistische Einschätzung der Lage zu bekommen? (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Oder geht es Ihnen hier um Wahlkampf, Selbstdarstellung, Selbstgefälligkeit und ein billiges politisches Spiel? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sagen Sie: Ja, sie haben recht! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rosemann, ich kann Ihnen gerne sagen, worum es mir geht. Mir geht es um das, was alle Landesregierungen, an denen Bündnis 90/Die Grünen beteiligt sind, eingefordert haben. Das ist ihre Aufgabe. Sie alle haben nämlich eingefordert, dass diejenige Ebene, die dafür verantwortlich ist, einen Lagebericht vorzulegen, auf dessen Grundlage nicht mehr abgeschoben werden kann, dies macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Lars Castellucci [SPD]: Das Schwarze-Peter-Spiel! Sie schieben es doch nur weg! – Weitere Zurufe von der SPD) Ich sage Ihnen, dass es dafür nur eine Ebene gibt. Diese eine Ebene ist das Bundesaußenministerium. Die machen den Lagebericht und niemand anders. (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Lars Castellucci [SPD]: Wir sind nicht auf dem Kirchentag!) Ich will Ihnen noch etwas sagen: Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, meine Damen und Herren von der SPD, sind keine Koalitionsfrage. Sie werden nur dort im Auswärtigen Amt gemacht. Wenn sich Herr Schulz heute hinstellt und sagt: „Wir brauchen einen Abschiebestopp“, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) dann erwarte ich, dass er das schon längst Herrn Steinmeier und Herrn Gabriel gesagt hat: Wir brauchen eine neue Lageeinschätzung. – Dort ist die Adresse für Ihre Aufregung, Herr Rosemann, genau dort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ja, es geht um die Realität und nicht mehr um die Abschiebefantasien, die manche hier haben. Herr Lischka, wir sind nicht in einem Dilemma. Ja, wir sind in vielen Fragen bezüglich der Flüchtlingspolitik in einem Dilemma, aber in dieser Frage sind wir in keinem Dilemma. Deswegen sage ich Ihnen eines: Wir stehen an der Seite der Schülerinnen und Schüler von Nürnberg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!) – Ja. – Wir stehen an der Seite von vielen Menschen in diesem Land, die dafür sorgen, dass Menschen aus Afghanistan hier integriert werden. Wir stehen auch an der Seite derer, die durch Gewährung von Kirchenasyl dafür sorgen, dass hier ein bisschen mehr Menschlichkeit bleibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU) Ich sage Ihnen eines, weil ich hier immer wieder den Zwischenruf „Kirchentag!“ höre: Dabei geht es nicht um den Kirchentag. Es geht um einen realistischen Blick. Herr Kiesewetter, da Sie eine realistische Einschätzung hören wollen, sage ich Ihnen jetzt als Letztes zu den mitteleuropäischen Maßstäben, die Sie gerne anlegen wollen: Im letzten Jahr sind in Afghanistan 3 500 Menschen zu Tode gekommen und 7 900 Menschen wurden verletzt. Ein Drittel davon waren Kinder. – Das ist die Realität. Das ist die Lage in Afghanistan. Deswegen sage ich: Zeigen Sie endlich Haltung! Ein Abschiebestopp muss her, und zwar jetzt, und nicht ein Aussetzen. Jetzt brauchen wir den Abschiebestopp! Jetzt brauchen wir Sicherheit! In Afghanistan ist nur eines klar: Dieses Land ist nicht sicher. Zeigen Sie endlich Haltung, zeigen Sie Menschlichkeit, und zeigen Sie, dass Sie politisch nicht länger vor Herrn de Maizière kriechen, der nur eines will: Menschen abschieben. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht darum, dass wir klar sagen: Afghanistan ist nicht sicher. Abschiebestopp jetzt, meine Damen und Herren! (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Als Nächster spricht der Kollege Michael Frieser von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Frieser (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Man stellt sich zum Abschluss dieser Debatte die einzige wirklich erhebliche Frage: Worum geht es den Grünen heute Abend eigentlich? Geht es ihnen um die Frage der Abschiebung, oder geht es ihnen um sich selbst und ihre Daseinsberechtigung? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man hat fast das Gefühl, dass man eine solche Situation herbeigesehnt hat. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist billig!) Ich kann nur sagen: Es ist der Dramaturgie dieser Debatte geschuldet, dass jetzt ein Nürnberger am Redepult steht. Ich muss Ihnen sagen, Frau Göring-Eckardt: Ich weiß ganz genau, an wessen Seite Sie stehen. Diejenigen, die in Nürnberg demonstriert haben, die zehn Polizisten verletzt haben, die mit Fahrrädern und Flaschen geworfen haben, waren Linksautonome und keine Schüler. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Quatsch! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Bayern! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Empörend! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich habe das Gefühl, dass es bei dieser Debatte schon längst nicht mehr um einzelne Abschiebungen geht. Wir haben alle gehört, wie diese Debatte geführt wurde. Ich bin voll des Lobes und des Stolzes, nicht nur auf die Verantwortung tragenden Ministerpräsidenten, sondern auch auf die Bundesregierung, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Herrn Herrmann heute Morgen!) die in einer schwierigen Situation genau das herbeiführt, wozu erstens der deutsche Wähler und zweitens das Gesetz uns veranlassen, (Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) nämlich in dieser Situation eine neue Lagebewertung herbeizuführen, um keine Fehler zu machen. Das ist es, was Recht und Ordnung in diesem Land bedeuten. Deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle beim Bundesinnenminister und dem Außenministerium. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Bei Gabriel könnt ihr schon klatschen! – Gegenruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Es geht um nicht weniger als die Durchsetzung nationalen und internationalen Rechtes. Wer bei der Frage der Rückführungen nicht unterscheiden will zwischen demjenigen, der nach einem gerichtlichen Verfahren, nach einer schweren Entscheidung in einem Asylverfahren – durch die Instanzen hindurch – letztendlich eine Abschiebungsverfügung erhält, und demjenigen, dem nach einem Asylverfahren in diesem Land Schutz vor Verfolgung gewährt wird, der versündigt sich nicht nur an unserem Auftrag, für unsere Bürger zu sorgen, sondern der versündigt sich auch an dem Auftrag unseres Gesetzes, weil er letztendlich nicht gegen Abschiebungen ist, sondern gegen den Rechtsstaat. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer konsequent Recht anwendet, muss das Recht auch dann konsequent anwenden, wenn es um Rückführungen geht. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau!) Ich glaube, es ist entscheidend, dass wir die Situation in Afghanistan unter die Lupe nehmen. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wie die AfD!) Wir haben es nicht nur gehört, sondern wir wissen – auch Sie wissen das –, dass es sich um eine durchwachsene Situation handelt, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Durchwachsen“?) dass es sehr wohl inländische Fluchtalternativen gibt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die UNO sagt: Eines der gefährlichsten Länder der Welt!) In Richtung der Linken sage ich: Wenn man den UNHCR hier anführt, dann muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass unter Mithilfe bzw. Mitorganisation des UNHCR Hunderttausende von Paschtunen aus Pakistan nach Afghanistan freiwillig zurückgeführt wurden. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Quatsch!) Man kann doch nicht in jedem dieser Fälle sagen, dass man die Leute in ein total unsicheres, in ein total doktrinäres, in ein total zerbombtes Land bringen würde. Es führt an der Realität vorbei, wenn man diese Tatsache nicht zur Kenntnis nehmen will. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN) Letztendlich bleibt es gegenüber denjenigen, die wirklich ein Anrecht haben, in unserem Land zu bleiben, nicht nur eine Frage der Gleichbehandlung, sondern auch eine Frage der Humanität, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Humanität! Da steht Herr Herrmann in Bayern ganz vorne!) dass wir ihnen einen Hafen geben, dass wir ihnen die Kapazitäten unseres Landes zur Verfügung stellen und sie nicht aufzehren, indem wir alles gleichmachen. Das ist ein Davonlaufen vor der moralischen Frage, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie nicht von Moral!) vor der Tatsache, dass Sie persönlich eine Entscheidung treffen müssen. Diese Entscheidung sollte nicht lauten, gegen jegliche Art von Rückführung zu sein, sondern diese Entscheidung sollte lauten, die Fälle zu unterscheiden, anhand der Situation im jeweiligen Rückführungsland und der Tatsache, ob der Antragsteller ein Recht hat, in unserem Land zu bleiben, oder die Pflicht hat, zurückzugehen – gerne mit unserer Unterstützung, gerne mit unserer Hilfe. Aber wer das nicht zur Kenntnis nehmen will, der hebelt am Ende den Rechtsstaat und das gesamte Asylverfahren aus. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht der Herr Herrmann!) Deshalb ist dieser Kompromiss richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Frieser. – Bevor ich diese Aussprache schließe, gebe ich dem Kollegen Omid Nouripour das Wort für eine Kurzintervention. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Frieser, Sie haben gerade den Anspruch erhoben, dass es sachlich sein soll. Ich habe das in Ihrer Rede noch nicht gefunden, aber wenn Sie das Protokoll überarbeitet haben, finde ich das sicherlich. (Widerspruch bei der CDU/CSU – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr deutlich! Hören Sie mal zu! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Es war sehr sachlich!) – Man merkt, wie angefasst Sie sind. Hervorragend! Hören Sie zu. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nee! Wir wollen doch bei der Wahrheit bleiben!) – Hören Sie mir zu! – Erstens. Die Frau Bundeskanzlerin hat heute in ihrem Statement gesagt, man müsse sich die Sicherheitslage anschauen, und zwar von Region zu Region. Wenn man das macht und die Bundesregierung uns seit Monaten erzählt, dass es sichere Regionen gibt, dann ist es doch notwendig, dass sie ein einziges Mal eine einzige dieser Regionen benennt. Das hat sie bis heute kein einziges Mal gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Zweitens. Ich habe am 28. Februar die Bundesregierung in ihrer ungemein großen Kompetenz gefragt: Wo kommen diese Leute eigentlich her, wohin schickt ihr sie eigentlich zurück? Ich habe hier eine Liste. Hier gibt es viele, viele Städte, bei denen die Bundesregierung die Herkunftsprovinz – in der Spalte steht nichts – nicht weiß. Und dann gibt es dort eine Stadt, die Maschhadi heißt. Es gibt aber keine Stadt Maschhadi in Afghanistan. Es gibt eine Stadt Maschhad im Iran. Die Leute aus der Stadt im Osten Irans heißen Maschhadi. Das ist eine Stadt, in der es seit 1979 sehr viele afghanische Flüchtlinge gibt. Da kommen diese Leute her. Wenn Sie uns jetzt erzählen, es gäbe sichere Regionen, und dann auf eine Region im Iran verweisen, dann ist das einfach nur Hohn und Zynismus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das Letzte, was ich Ihnen noch sagen will. Es gab einmal einen Generalsekretär der Bundes-CDU. Dieser Mann heißt Ruprecht Polenz. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Mann!) Ich möchte Ihnen einfach nur vorlesen, was er heute auf Facebook geschrieben hat. Ich zitiere: Niemand zwingt Deutschland dazu, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Wir können die Abschiebung aussetzen, wenn das Herkunftsland unsicher ist. Ob das der Fall ist, beurteilen wir selbst. Wir können abgelehnte Asylbewerber sogar einbürgern, wenn sie wegen langjähriger Duldung inzwischen unsere Sprache sprechen, gut integriert sind und für sich selbst sorgen können. Es liegt ganz an uns. Der schreckliche Terroranschlag in Kabul sollte uns bei den Abschiebungen nach Afghanistan innehalten lassen. Ich teile die Sorge der Schülerinnen und Schüler in Nürnberg und Duisburg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, Sie sollten einmal auf den ehemaligen Generalsekretär der CDU hören. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Kollege Frieser, möchten Sie darauf antworten? Michael Frieser (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Kollege, anscheinend haben Sie sich die Frage vor dem heutigen Tag überlegt, vor der Tatsache, dass wir genau das tun, was nicht nur das Gesetz, sondern auch die Situation von uns erfordert. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das machen Sie gerade nicht!) Ich meine, dass das Auswärtige Amt sehr gründlich über die Frage zu entscheiden hat, in welche Regionen zurückgeführt werden kann – (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie einen Namen, bitte!) auf Grundlage der Kenntnisse vor Ort, die nicht nur von Beamten, sondern auch von anderen Mitarbeitern zusammengetragen werden. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nennen Sie eine!) Letztendlich zeugt das von extremstem Misstrauen in den eigenen Rechtsstaat, in die eigenen Fähigkeiten. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Spalte ist leer! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nennen Sie einen! – Weitere Zurufe von Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie wollen um Gottes willen eines begründen: ein moralisches Recht für sich selbst. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Eine Region, eine Stadt, bitte!) Ich bleibe dabei: Wenn Sie den Rechtsstaat anerkennen, dann geben Sie Ihren Behörden und Ihrer Regierung die Möglichkeit, die Lage zu überprüfen und zu Recht zu dem Ergebnis zu kommen: Es gibt sehr wohl Regionen und Städte in Afghanistan, in die man Menschen zurückführen kann. (Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Namen! Ich flehe Sie an! – Weitere Zurufe von Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu drei namentlichen Abstimmungen. Tagesordnungspunkt 47 n. Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12414, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12099 abzulehnen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.15 Zusatzpunkt 10. Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12639 mit dem Titel „Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan“. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme bei der zweiten namentlichen Abstimmung nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.16 Zusatzpunkt 11. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12638 mit dem Titel „Neue Lagebeurteilung für Afghanistan“. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Damit eröffne ich die dritte namentliche Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.17 Die Ergebnisse der Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Beschlüsse zum Freiheits- und Einheitsdenkmal konsequent umsetzen Drucksache 18/12550 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Kollegen Michael Kretschmer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Kretschmer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Wort „Denkmal“ lässt sich erstmals in den Schriften von Martin Luther nachweisen, wo es die Bedeutung „Gedächtnisstütze“ hat. Genau darum geht es. Wir schaffen Denkmäler, um uns an Ereignisse und Personen zu erinnern. Wir tun dies meist aus der Verantwortung für unsere Geschichte. Denkmäler vergegenwärtigen unser Erbe. Sie konfrontieren uns mit einer fortwirkenden Vergangenheit. Denken wir an das Holocaust-Mahnmal, an das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen oder für die Opfer der „Euthanasie“-Morde. Wir haben sie gebaut, um an die traurigsten und dunkelsten Flecken in unserer deutschen Geschichte zu erinnern, um kommende Generationen mit dieser uns prägenden Geschichte zu konfrontieren und uns unserer Verantwortung immer wieder aufs Neue bewusst zu werden. Beim Freiheits- und Einheitsdenkmal, über das wir heute sprechen, geht es um den glücklichsten Teil unserer deutschen Geschichte. Frei von Gewalt, getrieben von dem Wunsch nach Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat sind die Menschen in der früheren DDR für ihre Überzeugungen auf die Straße gegangen und haben ein System zu Fall gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist nicht nur wichtig, dass an diesen einmaligen und wohl glücklichsten Moment in unserer Geschichte erinnert wird, es ist auch hochaktuell, wenn man sich die Lage in anderen Ländern der Welt anschaut. Es ist unsere Aufgabe, daran zu erinnern, dass es sich lohnt, für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu kämpfen, und dass dies leider keine Selbstverständlichkeit ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb, meine Damen und Herren, ist es richtig, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen darauf gestoßen werden, sich die Verletzlichkeit und den Wert unserer Demokratie zu vergegenwärtigen. Dies ist ganz unabhängig von der Frage, ob einem der vorliegende Siegerentwurf des Freiheits- und Einheitsdenkmals „Bürger in Bewegung“ gefällt oder nicht. Abgesehen davon kennen wir genügend Beispiele aus der Architektur und von Kunstwerken, an deren Errichtung sich die Geister schieden und die heute Publikumsmagneten sind. Denken wir allein in Berlin an die Reichstagskuppel, an die Verhüllung des Reichstagsgebäudes oder an den Bau des Holocaust-Mahnmals. Unterschiedliche Meinungen und Streit über einen Denkmalsentwurf sprechen nicht gegen diesen, im Gegenteil. Der Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals liegt ein demokratisch legitimierter Entscheidungsprozess zugrunde. Wir haben zweimal mit klarer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag Beschlüsse gefasst, die die Errichtung dieses Denkmals möglich gemacht haben. Im Jahr 2007 hat der Deutsche Bundestag über die Errichtung des Denkmals in der Berliner Mitte entschieden. Im Jahr 2008 wurde nach Abwägung der historischen und räumlichen Aspekte der Beschluss für die Errichtung auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf der Berliner Schlossfreiheit gefasst. Diese Beschlüsse haben nach wie vor ihre Gültigkeit. Der Entwurf „Bürger in Bewegung“ von Milla & Partner ging schließlich aus zwei internationalen Wettbewerben mit insgesamt 920 Einreichungen hervor. Durch Bewertung einer 15köpfigen Jury und nach ausführlicher Prüfung unter Beteiligung des Landes Berlin, des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung und der Entscheidung der Auslober ist dieser Sieger ausgewählt worden. Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege Kretschmer, lassen Sie die Frage des Kollegen Dr. Feist zu? Michael Kretschmer (CDU/CSU): Ja, Frau Präsidentin. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Kollege. – Hier draußen vor dem Reichstag läuft jeden Abend eine wunderbare und ergreifende Dokumentation über den Weg zur deutschen Einheit. Wir reden heute über das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin. Ich freue mich, dass in dem Antrag auch Leipzigs Rolle bei der friedlichen Revolution erwähnt worden ist; das spielt auch in dieser Präsentation eine wichtige Rolle. Weil ich aus Leipzig komme – (Zurufe von der SPD: Ah!) – Sie können ruhig einmal zuhören – und weil wir dort nicht unbedingt die besten Erfahrungen mit einer Ausschreibung der Stadtverwaltung gemacht haben, die eine solche gegen die Wand gefahren hat, (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Redezeit gekriegt, was?) möchte ich einmal fragen, wie die Meinung des Deutschen Bundestages für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig wäre. Das frage ich nicht nur für mich, sondern das frage ich für die vielen mutigen Menschen, die dort auf die Straße gegangen sind, für Vereine und die Stiftung Friedliche Revolution oder auch für Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler wie Gesine Oltmanns, die an der Errichtung eines solchen Freiheits- und Einheitsdenkmals ein großes Interesse haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke schön für diesen Beitrag!) Michael Kretschmer (CDU/CSU): Kollege Feist, ich kann nicht für den gesamten Bundestag sprechen, aber für mich ist klar: Dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal gehört in die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, nach Berlin, und zwar deswegen, weil hier die Teilung Deutschlands am deutlichsten war, weil hier die Stasigefängnisse gestanden haben, weil es hier im Verhältnis zu allen anderen Denkmälern zum Holocaust und zu anderen traurigen Orten der deutschen Geschichte steht. Natürlich ist die friedliche Revolution, der Einsturz der Mauer, nicht zu denken ohne die vielen Menschen in Plauen, in Görlitz, in Jena, in Leipzig. Deswegen steht es für mich außer Frage, dass, wenn es in Leipzig eine Mehrheit für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal gibt, wir uns auch in Zukunft zu unserem Beschluss bekennen und dass es dort ein solches Denkmal geben kann. Ich finde es traurig, dass es bisher nicht gelungen ist, diese Initiative zu einem Erfolg zu führen. Ich finde es großartig, dass an anderen Stellen, wie beispielsweise in Plauen, ein solches Denkmal ohne Unterstützung des Bundes, alleine von den Menschen vor Ort gemacht wird. Das zeigt eine starke Bürgergesellschaft. Wir würden uns freuen, wenn es an vielen Stellen so ist, auch in Leipzig. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, das Baurecht liegt vor. Es ist jetzt nur noch eine Frage unseres Beschlusses, dass dieses Denkmal realisiert wird. Ich bin frohen Mutes und freue mich darüber, dass dieser letzte Schritt gegangen werden kann. Wir haben allen Grund, uns über die deutsche Einheit und über das, was damals erreicht worden ist, zu freuen. Wir sollten das mit einem solchen Denkmal deutlich dokumentieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes spricht die Kollegin Sigrid Hupach von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sigrid Hupach (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind ja nur noch wenige Zuschauer auf der Besuchertribüne. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Koalition erweckt den Eindruck, es hätte seit 2007 eine breite öffentliche Debatte, einen breiten öffentlichen Diskurs über ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin gegeben. Richtig ist: Die Entscheidungen wurden verkündet. Wir Linken verstehen unter „Beteiligung“ aber mehr als bloße Information, nämlich Mitbestimmung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie war auch dem Kulturausschuss des Bundestags nicht vergönnt. Mitbestimmung meint nicht, der Künstlerin oder dem Künstler ins Werk zu reden, wie immer behauptet wird. Vielmehr ist damit einfach ein aktives Mittun bei der Konzeption der Ausschreibung, bei der Gestaltung der Wettbewerbsbedingungen und auch ein Mitentscheiden-Dürfen gemeint, und gerade bei einem Denkmal, das an die Selbstermächtigung der Bürgerinnen und Bürger der DDR 1989/90 erinnern soll, wäre sie mehr als geboten gewesen. Insofern verwundert es auch nicht, dass das Denkmal in dieser Form und an diesem Ort kaum auf Akzeptanz stößt. (Lachen des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) Ich weiß nicht, wo Sie die Behauptung hernehmen, dass es eine breite Zustimmung zur goldenen Wippe, Waage oder Schale gibt. Umfragen, Leserbriefspalten, soziale Medien und nicht zuletzt das Feuilleton zeichnen ein ganz anders Bild. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ihnen ist das ganze Denkmal ein Dorn im Auge!) Den öffentlichen Veranstaltungen fehlte in aller Regel vor allem eines: Besucherinnen und Besucher. Es gab auch keinen Aufschrei, als der Haushaltsausschuss im April 2016 das Projekt stoppte, sondern vielmehr Erleichterung, vor allem in Berlin – abgesehen von der Handvoll Initiatoren und den Gestaltern des Entwurfes. Das sollte und muss uns doch zu denken geben. (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Ihr bedauert noch die Einheit!) Das gilt auch für die Tatsache, dass es innerhalb von fast 20 Jahren nicht gelungen ist, das Denkmal zu realisieren. Die ersten Ideen reichen ja bis in das Jahr 1998 zurück. Nur weil im Herbst letzten Jahres plötzlich die Idee der Rekonstruktion der Preußischen Kolonnaden auftauchte, wird das, was wir heute hier beschließen sollen, nicht besser. Wir Linken haben uns nie prinzipiell gegen ein Gedenken an die friedliche Revolution 1989/90 ausgesprochen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ihr habt euch nie über die deutsche Einheit gefreut! Das ist doch der Punkt! – Michael Brand [CDU/CSU]: Ihr wolltet die deutsche Einheit nie!) Kritisiert haben wir aber den konkreten Standort, die mangelnde Beteiligung der Bevölkerung und auch die Verfahrensweise. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das waren gute und auch sachliche Gründe, Gründe übrigens, die in den vergangenen Monaten auch von der Kulturstaatsministerin vorgebracht wurden. Noch im Februar dieses Jahres hatte Frau Grütters im Spiegel ein verbreitetes Unbehagen wahrgenommen und den Sockel mit seiner wilhelminischen Herrschaftssymbolik als unpassend für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal charakterisiert. (Beifall bei der LINKEN) Sie sah das ganze Vorhaben durch den Kolonnadenvorschlag konterkariert und hat einen Neustart der Diskussion angeregt, gegebenenfalls auch für Leipzig. In Leipzig macht man es nach dem gescheiterten ersten Versuch nun richtig. Gerade in Sachen Bürgerbeteiligung sollte man sich daran ein Beispiel nehmen. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, haben Sie sich eigentlich einmal den Beschluss von 2008 genau angesehen? Dort ist ausdrücklich die Beteiligung der Öffentlichkeit gefordert. Wir haben immer kritisiert, dass genau dies nicht geschehen ist. Erinnert werden soll doch vor allem an die friedliche Revolution von 1989/90. Sie hat an vielen Orten in der DDR stattgefunden, ganz sicher aber nicht auf dem Platz des zukünftigen Denkmals. Als Orte sind doch vor allem Leipzig und der Alexanderplatz in Berlin im kollektiven Gedächtnis vorhanden. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Warum sind denn die Linken in Leipzig dagegen?) – Nein, das sind wir nicht. Es gibt eine Neustartinitiative linker Stadträte. (Michael Brand [CDU/CSU]: Dass Sie bei der Rede so ernst bleiben können, ist beeindruckend! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja zynisch!) Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage: Kann man überhaupt mit einem zentralen Denkmal einer dezentralen Selbstermächtigung der Bürgerinnen und Bürger entsprechen? (Zuruf von der CDU/CSU: „Dezentrale Selbstermächtigung“? Was ist denn das?) – Sie hat nicht nur an einem Ort stattgefunden, sondern an vielen, vielen Orten in der DDR. (Beifall bei der LINKEN) Ich zum Beispiel finde die Idee interessant, den Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals einfach frei zu lassen – Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Sigrid Hupach (DIE LINKE): – und regelmäßig Künstlerinnen und Künstler einzuladen – ich komme zum Schluss –, ihn temporär zu bespielen. Dadurch könnte sich eine permanente Debatte entwickeln. Das wäre eine wunderbare Form, an die Diskussionen und die Aufbruchsstimmung von 1989 zu erinnern und die Auseinandersetzungen damit zu üben. (Michael Brand [CDU/CSU]: Oh! Noch so eine tolle Idee!) Aufgrund der unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Ost und West empfinden viele Menschen in ihrem Alltag noch nicht, dass die Einheit wirklich schon hergestellt ist. Unterschiedliche Lohn- und Rentenzahlungen kann man hier nur als zwei Stichworte nennen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Dass Sie die Rente noch in die Rede reinkriegen: beeindruckend!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin. Sigrid Hupach (DIE LINKE): Vielleicht ist die Zeit für ein solches Denkmal einfach noch nicht reif. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin. Sigrid Hupach (DIE LINKE): Ich finde, das ist noch ein Grund mehr dafür, über Alternativen nachzudenken. (Michael Brand [CDU/CSU]: Für Sie kriegt die Rente ein Einheitsdenkmal!) Aus all diesen genannten Gründen lehnen wir den heute hier vorliegenden Antrag ab. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Sie wollen kein Einheitsdenkmal!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir mit der Aussprache fortfahren, möchte ich Ihnen gerne die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen mitteilen. Erste namentliche Abstimmung. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen“ bekannt: abgegebene Stimmen 559. Mit Ja haben gestimmt 438, mit Nein haben gestimmt 107, Enthaltungen 14.18 Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 561; davon ja: 439 nein: 108 enthalten: 14 Ja CDU/CSU Stephan Albani Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Carola Stauche Dr. Frank Steffel Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Birgit Kömpel Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Susanne Mittag Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Kerstin Tack Claudia Tausend Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Fraktionslos Erika Steinbach Nein CDU/CSU Roderich Kiesewetter SPD Marco Bülow Dr. Bärbel Kofler Rüdiger Veit DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Enthalten CDU/CSU Dr. Egon Jüttner SPD Klaus Barthel Willi Brase Bernhard Daldrup Michaela Engelmeier Dirk Heidenblut Ralf Kapschack Hilde Mattheis Bettina Müller René Röspel Susann Rüthrich Ewald Schurer Christoph Strässer Michael Thews Zweite namentliche Abstimmung. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Sofortiger Abschiebstopp nach Afghanistan“ bekannt: abgebebene Stimmen 562. Mit Ja haben gestimmt 53, mit Nein haben gestimmt 453, Enthaltungen 56.19 Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 561; davon ja: 52 nein: 453 enthalten: 56 Ja SPD Johannes Kahrs DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Volker Beck (Köln) Nein CDU/CSU Stephan Albani Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Carola Stauche Dr. Frank Steffel Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten SPD Marco Bülow Birgit Kömpel Susann Rüthrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dritte namentliche Abstimmung. Ich teile Ihnen jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Neue Lagebeurteilung für Afghanistan“ mit: abgegebene Stimmen 561. Mit Ja haben gestimmt 445, mit Nein haben gestimmt 109, Enthaltungen 7.20 Der Antrag ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 562; davon ja: 446 nein: 109 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Stephan Albani Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Carola Stauche Dr. Frank Steffel Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Dr. h. c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Marco Bülow Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Sabine Poschmann Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Nein CDU/CSU Alexander Hoffmann SPD Dr. Daniela De Ridder Frank Junge Johannes Kahrs DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Fraktionslos Erika Steinbach Enthalten CDU/CSU Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Jan-Marco Luczak Tankred Schipanski Armin Schuster (Weil am Rhein) Arnold Vaatz Kai Wegner SPD Susann Rüthrich Wir setzen die Aussprache fort. – Als Nächstes hat die Kollegin Hiltrud Lotze von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hiltrud Lotze (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne an 1989, an das Jahr der politischen Umwälzungen in den europäischen Ostblockstaaten, erinnern. Die Menschen wollten sich nicht länger unterdrücken lassen und protestierten. Solidarnosc, Glasnost, Perestroika, Gorbatschow: Daran knüpften sich Hoffnung und Mut. Auch in der DDR, wo die Staatssicherheit die Bürger bespitzelte und überwachte, wo ein Grenzzaun und der Schießbefehl die Menschen daran hinderten, die Grenze zu überwinden, wo im Laufe der Jahre mehr als 800 Bürgerinnen und Bürger bei der Flucht ihr Leben ließen, wo rund 250 000 Menschen politisch inhaftiert waren und wo es keine freien Wahlen gab, zeigten immer mehr friedlich demonstrierende Menschen ihre Unzufriedenheit mit dem SED-Regime. Sie waren zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr bereit, sich der staatlichen Repression zu beugen. Als die Demonstranten immer mehr werden und der politische Druck immer größer wird, lässt die SED-Führung am 9. November 1989 schließlich die Grenzöffnung an der Berliner Mauer zu. Diese Grenzöffnung verdanken wir den Menschen in Ostdeutschland, ihrem Mut und ihrer Ausdauer. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Durch den Willen und die Sehnsucht nach Freiheit und nach Demokratie wurde die Diktatur friedlich überwunden. Erinnern Sie sich einmal an Ihre Gefühle am 9. November 1989 und an den Tagen danach. Erinnern Sie sich daran, was Sie empfunden haben, als Sie gesehen haben, dass Menschen friedlich eine Diktatur überwinden können? Die Menschen haben mit ihrem Handeln die Mauer von innen eingedrückt, und genau daran soll das Freiheits- und Einheitsdenkmal erinnern. (Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr gut!) Der preisgekrönte Denkmalentwurf stellt eine riesige Waage dar. Die Menschen können sie betreten, sich zusammentun und die Waage gemeinsam bewegen. Gemeinsam können sie etwas bewegen: Das ist genau die Botschaft des Denkmals. Der Schlossplatz, der geplante Standort des Denkmals, ist ein wichtiger Schauplatz deutscher Demokratiegeschichte. Auch die Protestzüge der DDR-Bürgerinnen und -Bürger sind hier vorbeigezogen. Ein Freiheits- und Einheitsdenkmal wird an dieser Stelle deswegen genau richtig stehen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr gut!) Auch Leipzig hat bei der friedlichen Revolution eine tragende Rolle gespielt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Danke schön!) Der Bund unterstützt daher die Planungen der Leipziger, dort vor Ort einen Gedenkort zu schaffen. Wir setzen mit unserer Entscheidung heute Abend auch ein Signal für Leipzig. Wie ich weiß, hat der Oberbürgermeister eine Initiative gestartet. Ich selbst bin vor kurzem dort gewesen und habe unter anderem mit Vertretern des Bürgerarchivs geredet, die sich genau dafür einsetzen. Die Entscheidung für das Freiheits- und Einheitsdenkmal geht auf Bundestagsbeschlüsse von 2007 und 2008 zurück. Weil mit Kostensteigerungen zu rechnen war, wurde das Projekt vorläufig gestoppt. Das war richtig und wichtig; denn die Debatte, die sich daran angeschlossen hat und die zum Teil heftig und polemisch geführt wurde, hat gezeigt, worum es hierbei eigentlich geht. Es geht darum – ich sage es noch einmal –, die Leistungen der Ostdeutschen zu würdigen. Es geht darum, an einen der herausragenden und – das sage ich – wunderbarsten Momente unserer Demokratiegeschichte zu erinnern (Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) und diesen Moment lebendig zu erhalten. Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie ist ein Schatz. Wir müssen sie pflegen. Wir müssen sie jederzeit verteidigen. Demokratie braucht mündige Bürger. Sie braucht Bewegung. Sie braucht aktive Demokratinnen und Demokraten. Genau dafür steht das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Es ist genau das richtige Zeichen. Es ist genau das richtige Denkmal am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Deswegen bitte ich sehr um Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat das Wort Dr. Harald Terpe von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abweichend von meinem Redemanuskript werde ich zu Anfang meiner Kollegin Lotze ausrichten, dass sie für mich eine Freundin im Geiste ist. Genau das, was sie in ihrem Schlusssatz ausgedrückt hat, ist auch mein Gefühl. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Für uns in Deutschland hat das Streben nach Einheit und Freiheit eine lange und wechselvolle Geschichte. Dafür wurde gestritten, gekämpft und vielfach mit dem Leben bezahlt. Nicht immer waren die Protagonisten der Einheit auch Protagonisten der Freiheit. Das gilt auch umgekehrt. Es stellt sich die Frage, ob es genau daran liegt, dass um das Freiheits- und Einheitsdenkmal bis heute gerungen wird, oder ob es vielleicht sogar viel profanere Gründe sind. Der Beitrag der Kollegin der Linken, die die Diskussion zu unserem Freiheits- und Einheitsdenkmal mit einer Rentendiskussion vermengt hat, ist ein deutliches Zeichen für die Profanität mancher Diskutanten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Aufgewachsen im geteilten Deutschland und in der Diktatur bin ich immer wieder dankbar, dass uns die Freiheit und Einheit friedlich gelungen ist, weil wir sie uns gemeinsam geschenkt haben. Die Bürgerinnen und Bürger in Leipzig, in Berlin und anderswo in Ostdeutschland – das soll man nicht vergessen – haben sich bewegt, haben etwas riskiert und ihr Schicksal in die Hand genommen. Sie haben gemeinsam die Gunst der Stunde genutzt. Ich bin davon überzeugt, dass schon das Grund genug ist, ein Denkmal zu setzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Aber ich glaube, es geht um mehr. Es geht um ein sichtbares und erfahrbares Symbol der Freiheit und der Einheit, das zum Denken und Gedenken einlädt und uns daran erinnert, dass Einheit ohne Freiheit nicht gelingen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Ich glaube, das gilt auch in Zukunft, ist nicht nur auf Deutschland beschränkt und garantiert uns auch unsere Vielfalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Standort für das Denkmal auf der Berliner Schlossfreiheit anstelle des Kaiser-Wilhelm-Denkmals genau der richtige ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Der handstreichartige Versuch im Haushaltsausschuss, sowohl den Standort zu torpedieren als auch die Finanzierungsmittel umzuleiten, bestärkt mich darin sogar noch. (Michael Brand [CDU/CSU]: Stimmt!) Auch der Siegerentwurf überzeugt mich; denn wo Bürgerinnen und Bürger sich bewegen und friedlich das Gleichgewicht austarieren, kann Freiheit und Einheit in Verantwortung gedeihen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Meine Fraktion und ich unterstützen deshalb den Antrag der Koalitionsfraktionen, verbunden mit der Erwartung, dass der Haushaltausschuss des Bundestages die Finanzierung jetzt würdig begleitet und das Freiheits- und Einheitsdenkmal zum 30. Jahrestag des Mauerfalls eingeweiht werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich schließt sich heute der Kreis des bürgerbewegten Oppositionellen aus dem Norden im Osten, der 1989 auf der Straße für Freiheit und Demokratie demonstrierte, der 25 Jahre lang in seiner Heimatstadt Rostock als kommunaler Abgeordneter die kommunale Selbstverwaltung mit aufgebaut und belebt hat und in den zwölf Jahren im Bundestag die Entscheidungen zum Freiheits- und Einheitsdenkmal miterleben durfte. Ich stehe hier auch für meinen Vater, der, solange ich mich erinnern kann, die Einheit Deutschlands ersehnt hat und als Minister der de-Maizière-Regierung in Ostdeutschland zu den Architekten der Einheit in Freiheit werden konnte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte mich – es ist meine letzte Rede im Bundestag – bei den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und den vielen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen für die kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken und hoffe, dass ich das Vertrauen gerechtfertigt habe. Der Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Büros der Fraktionen, des Parlaments und auch in den Ministerien, wo ich viele konstruktive Gespräche führen konnte. Ich bin eigentlich Gesundheitspolitiker und Drogen- und Suchtpolitiker. Ich habe seit 2005 auch fast jedes bioethische Gesetz mitbegleitet, entweder mit einem eigenen Gesetzentwurf oder in Initiativgruppen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Wie das immer so ist: Es fällt schwer, sich zu verabschieden. (Michael Brand [CDU/CSU]: Du wirst uns fehlen!) Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre weitere politische Tätigkeit, und ich hoffe, dass ich nicht so unpolitisch werde oder werden muss, dass ich nicht die politische Arbeit in Deutschland auch für die Freiheit und Demokratie begleiten kann. (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herzlichen Dank, Herr Kollege. Sie sehen an der Reaktion aller Kollegen: Sie haben durch Ihr Engagement immer überzeugt. Herzlichen Dank und alles Gute! (Beifall) Als nächster Redner spricht Marco Wanderwitz von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Harald, ich will die Huldigung ungern unterbrechen, möchte mich aber den Dankeswünschen anschließen. Wir haben die eine oder andere Berichterstattung miteinander geteilt. Es hat immer Freude gemacht. Auf dich war Verlass, und du hast viel Sachverstand und vor allen Dingen gesunden Menschenverstand mit eingebracht. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vor ziemlich genau zehn Jahren, am 14. Juni 2007, liebe Sigrid Hupach, wurde auf einer der vielen öffentlichen Veranstaltungen, die es zum Freiheits- und Einheitsdenkmal gab, von Dorothee Wilms, der ehemaligen Bundesministerin für innerdeutsche Angelegenheiten, Folgendes gefragt: Wer von uns aus der Zeitzeugengeneration könnte jemals die bewegenden Ereignisse und Szenen vergessen, als im Herbst 1989 eine wachsende Zahl mutiger Menschen in Ost-Berlin und in vielen Städten der DDR gegen die Allgewalt eines totalitären Staates friedlich demonstrierte? … Aber wie ist es heute bei den jungen Menschen? Wissen sie noch um die Menschenrechtsverletzungen in der DDR und um die Vorgänge in der Zeit der friedlichen Revolution? … Oder müssen wir, die Älteren, verstärkt tätig werden, damit diese Ereignisse um den Prozess der Vereinigung Deutschlands in Freiheit im kollektiven Gedächtnis der kommenden Generationen lebendig bleiben? Kann da ein Denkmal zu Freiheit und Einheit hilfreich sein? Ich meine, die Antwort lautet damals wie heute: Ja. Dieses Ja haben wir auch hier im Deutschen Bundestag schon mehrmals ausgesprochen. Am 9. November 2007 hat die große Mehrheit des damaligen Bundestages den Antrag zur Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals beschlossen. Ein Jahr später, am 4. Dezember 2008, haben wir den Standort des Freiheits- und Einheitsdenkmals auf der Berliner Schlossfreiheit beschlossen. Seit April 2011 gibt es nun den Siegerentwurf für dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal. Die Waage mit dem Titel „Bürger in Bewegung“ von Milla & Partner ging aus einem Wettbewerb mit über 900 Entwürfen als Jurysieger hervor. Und anders als öffentlich ab und zu gerne behauptet, ist das Projekt TÜV-geprüft und baureif und wird barrierefrei und ganztägig wie ganzjährig öffentlich zugänglich sein. Ich persönlich meine im Übrigen auch, dass es vom Künstlerischen her ein gelungener Entwurf ist. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist aber schon gesagt worden: Das kann man sicherlich – wie bei allen künstlerischen Denkmalen – so oder so sehen. Seit Oktober 2015 gibt es eine mühsam erkämpfte Baugenehmigung. Der Vorwurf einer angeblich mangelnden öffentlichen Diskussion zum Freiheits- und Einheitsdenkmal geht, meine ich, ins Leere. Seit 1998 gibt es die Initiative für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal. Es gab zahlreiche bundesweite Veranstaltungen der Deutschen Gesellschaft, zwei Wettbewerbe, öffentliche Ausstellungen der Entwürfe, viele Sitzungen des Kulturausschusses und fünf Debatten hier im Plenum. Da kann man wirklich nicht davon sprechen, dass es eine mangelnde öffentliche Debatte gegeben hat. Es gab leider viele Zeitverzögerungen – vor allem durch einen erheblichen Abstimmungsbedarf mit dem Land Berlin, insbesondere zu Fragen des Denkmalschutzes. Diese Verzögerungen hätte es so nicht geben müssen, wenn das Freiheits- und Einheitsdenkmal im Land Berlin zu so etwas wie einer Chefsache gemacht worden wäre, was es offensichtlich nicht war. Ja, es gab Kostensteigerungen von 10 Millionen Euro auf 14,2 Millionen Euro. Das ist aber eben auch nicht die Kostenexplosion, von der hier und da einmal gesprochen wird. Vor allen Dingen sind es keine entwurfsbedingten Mehrkosten, sondern solche, die vor allen Dingen durch die Auflagen des Landes Berlin entstanden sind. Die Ursachen reichen von der Wiederentdeckung der wilhelminischen Mosaike bis hin zu den berühmten Fledermäusen im Sockel. Die Mehrkosten kamen auch nicht plötzlich; bereits im November 2014 hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters uns diese im Kulturausschuss das erste Mal dem Grunde nach angekündigt. Diese Kostensteigerungen haben dann die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss – ich würde es so sagen – pflichtgemäß moniert. Für uns als Kulturpolitiker war dies Gebot und Anlass, erneut über das weitere Verfahren zu beraten. Das haben wir im Ausschuss für Kultur und Medien intensiv getan. Wir haben das auch in den Fraktionen gemacht, und das Ergebnis ist der heutige Antrag. Der Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals darf und wird nicht an der Finanzierung scheitern. Wir wollen bauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, für die allermeisten von uns ist und bleibt die Erinnerung an die friedliche Revolution, an die deutsche Einheit und an alle Freiheitsbestrebungen unserer Nation eine tiefe innere Verpflichtung. Das ist beispielsweise gerade auch wegen des 17. Juni 1953 so, der in Berlin seinen Ausgang nahm. Wir hatten ja vorhin gerade die Debatte darüber, wo so ein Freiheits- und Einheitsdenkmal richtigerweise stehen sollte. Diese erste große Freiheitsbewegung gegen die kommunistische Diktatur wurde seinerzeit von sowjetischen Panzern niedergewalzt. Der 17. Juni 1953 gehört zu unserer Freiheitsgeschichte wie die Ereignisse von 1989. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich wünsche mir, dass unsere Kinder und Enkel – nachdem wir möglichst bald gebaut und eingeweiht haben – regelmäßig und vor allen Dingen zu den Jubiläen die Feierlichkeiten miterleben können. Ich wünsche mir, dass sie sich im Rahmen einer öffentlichen Gedenkstunde am Freiheits- und Einheitsdenkmal mit Gästen aus aller Welt an die glücklichen Stunden der Freiheits- und Einheitsbewegungen erinnern können, vor allen Dingen aber auch an das, was eben die Unfreiheit ausmachte. Es ist Kennzeichen von Diktaturen, geschichtliche Erinnerungen auszulöschen oder zu verfälschen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Lieber Kollege, achten Sie auf die Zeit. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Ich bin bei meinem letzten Satz. – Deshalb ist es der Auftrag von Demokratien, die geschichtlichen Erinnerungen wachzuhalten. Deshalb bauen wir dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Wanderwitz. – Als Nächster hat Matthias Schmidt für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Dr. Terpe, unsere Wege haben sich noch nicht oft gekreuzt. Aber es freut mich, die Kollegialität und insbesondere die parteiübergreifende Anerkennung, die Ihnen entgegengebracht werden, zu sehen. Alles Gute für Ihren weiteren Weg! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ohne den Fall der Berliner Mauer, ohne den Einsatz von zunächst Einzelnen, später Hunderten, Tausenden, dann Zehntausenden und gar Hunderttausenden, die sich mit einer Kerze oder Hand in Hand der Staatsgewalt entgegengestellt haben, wären wir heute nicht hier. Weder wären wir in diesem Gebäude, noch wären wir in dieser Zusammensetzung hier. Nun, siebenundzwanzigeinhalb Jahre nach dem Mauerfall, ist es höchste Zeit, dass wir diesen Männern und diesen Frauen, den Menschen in Ostdeutschland, ein Denkmal setzen. Im Westen erscheint die Einheit manchmal als wunderbares Geschenk der Geschichte. Aber im Osten weiß man, dass es Mut, Ausdauer, Engagement und Eifer bedurfte, um zum Ziel zu kommen. Heute genauso wie in Zukunft brauchen wir Menschen, die bereit sind, sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen. Genau diesen Gedanken greifen Milla & Partner mit dem Entwurf „Bürger in Bewegung“ auf. Es ist ein schönes Bild der Bürger, die sich bewegen, die miteinander kommunizieren, die nach Mehrheiten suchen, die dann langsam Bewegung schaffen und durch die Bewegung zu neuen Sichten, zu neuen Einsichten kommen. Ich finde diesen Entwurf deshalb überzeugend. Aber es kommt auf meine Meinung genauso wenig an wie auf die eines jeden anderen Bundestagsabgeordneten. Der Bundestag hat eine Jury beauftragt, die aus über 900 Entwürfen einen zu küren hatte. Sie hat das getan. Nach diesem Prozess, der Jahre der Diskussion in Anspruch nahm, kam es in meinem Wahlkreis überhaupt nicht gut an, dass der Bundestag sein eigenes Projekt infrage gestellt und im letzten Jahr sogar gestoppt hat. In meine Bürgersprechstunde, Frau Hupach, kamen mehrere Bürgerinnen und Bürger, die sich darüber beklagt haben, dass ausgerechnet dieses Projekt gestoppt werden sollte. Da habe ich gemerkt: Das geht an die Seele der Ostdeutschen. Wir müssen hier sehr vorsichtig sein. – Ich bin daher ganz sicher: Wir brauchen jetzt eine konsequente Umsetzung dieses Denkmals an diesem Ort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zum Abschluss wage ich eine Prognose: Nach der Fertigstellung 2019 wird das Denkmal „Bürger in Bewegung“ auf der Berliner Schlossfreiheit sehr schnell zum Publikumsmagnet. Ich freue mich schon darauf. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12550 mit dem Titel „Beschlüsse zum Freiheits- und Einheitsdenkmal konsequent umsetzen“. Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung – zu dem von den Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Familiennachzug für subsidiär Geschützte) – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Frank Tempel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen uneingeschränkt gewährleisten Drucksachen 18/10044, 18/10243, 18/12399 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das Wort an die Kollegin Katja Dörner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Erneut wurden die Beratungen und die Abstimmungen über unseren grünen Gesetzentwurf und den Antrag der Linken zum Familiennachzug mit der Mehrheit von Union und SPD verhindert. Hierfür gibt es keinen sachlichen Grund, noch nicht einmal ein Argument. Was es gibt, ist ein peinliches Wegducken der Regierungsfraktionen davor, Verantwortung in einer so wichtigen Frage wie dem Familiennachzug zu übernehmen und endlich zu entscheiden. Dieses Wegducken ist nicht akzeptabel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Hier weiterhin nicht zu entscheiden, ist übrigens nicht nur ein miserabler Umgang mit der Opposition; es ist ein miserabler und auch unmenschlicher Umgang mit den Geflüchteten, die bei uns leben, die subsidiären Schutz genießen, das heißt mit Menschen, die erwiesenermaßen aufgrund von Folter, Todesstrafe oder aufgrund eines innerstaatlichen Konflikts nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können und deshalb eine Aufenthaltserlaubnis haben. Wir sollten uns doch tatsächlich noch einmal vor Augen führen, über wen wir sprechen, wem die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen die Zusammenführung mit ihren Familien weiterhin verweigern wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Diese sogenannten subsidiär Geschützten werden über Jahre von ihren Familien getrennt. (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!) Es sind ja nicht „nur“ – in Anführungszeichen – die zwei Jahre, in denen sie seit dem Asylpaket II keinen Antrag auf Familiennachzug stellen dürfen. Flucht, die Dauer des Asylverfahrens, das Warten der Angehörigen auf die Termine in der deutschen Botschaft, um ein Visum zu erhalten, da kommen schnell drei bis vier Jahre – in der Vergangenheit waren es sogar fünf Jahre – zusammen. Das sind Jahre, in denen die Geflüchteten rund um die Uhr Angst um ihre Ehefrauen oder Ehemänner, um ihre Kinder haben müssen, die im Krieg in Unsicherheit zurückgeblieben sind. Einer solchen Situation sollte niemand ausgesetzt sein. Deshalb ist es überfällig, dass die Aussetzung des Familiennachzugs rückgängig gemacht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Es ist doch offenkundig: Wer Angst um seine Familie hat, der kann sich kaum integrieren. Wie soll ich mich auf meinen Deutschkurs, auf meinen Integrationskurs konzentrieren, wenn ich existenzielle Angst um meine Kinder haben muss? Deshalb ist die Aussetzung des Familiennachzugs auch Gift für die Integration, die wir doch alle gemeinsam immer für richtig erachten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Auch deshalb verstehe ich nicht, dass hier weiterhin Politik auf dem Rücken der Schwachen gemacht wird. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich bin sehr froh über die klaren Worte, die beim Evangelischen Kirchentag, aber auch beim Jahresempfang der Caritas vorgestern Abend, beispielsweise von Erzbischof Koch, pro Familiennachzug gefunden wurden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich will noch sagen: Die Union hängt Ehe und Familie immer so hoch. Aber wem die muslimische Familie weniger wert ist als die christliche und die syrische Familie weniger als die deutsche, dem kann Familie nicht so viel wert sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist doch ein ganz flacher Spruch!) Wir sagen: Eltern gehören zu ihren Kindern. Familien gehören zusammen, auch und gerade, wenn sie vor Krieg, Terror und Unsicherheit fliehen mussten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Nun wird vonseiten der Regierungsfraktionen gerne auf die Härtefallregelung verwiesen. Fakt ist: Bis heute ist noch keine einzige Person auf der Grundlage dieser Härtefallregelung in Deutschland eingereist. Das zeigt: Sie ist bürokratisch, ihre Anwendung dauert viel zu lange. Deshalb sollten wir uns damit nicht länger aufhalten, und wir sollten den Familiennachzug wieder ermöglichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Susann Rüthrich [SPD]) Vor drei Wochen hat die SPD das Fehlen von Informationen dafür ins Feld geführt, dass Beratung und Abstimmung vertagt wurden. Das ist absoluter Humbug. Schon vor zwei Monaten hat eine Anhörung im Innenausschuss zu den vorliegenden Vorschlägen stattgefunden. Gestern hat die Bundesregierung einen Bericht zur Umsetzung der Härtefallregelung vorgelegt. Ich finde es einfach nur skandalös, dass die Koalition eine Entscheidung, bei der jeder Tag weiteres Leid für die Angehörigen bedeutet, offenkundig aus wahltaktischen Gründen hinauszögert. Wir stimmen einem solchen Verfahren auf keinen Fall zu, und wir plädieren dafür, den Familiennachzug wieder möglich zu machen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste spricht die Kollegin Andrea Lindholz von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben als Koalition im Januar 2016 vereinbart, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte – und nur für diesen Personenkreis – für zwei Jahre auszusetzen. (Rüdiger Veit [SPD]: Leider!) Sie fordern jetzt, dass die Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe sofort wieder aufgehoben wird. Wir, die Unionsfraktion, können uns diesen Anträgen nicht anschließen. Warum? Über 1,2 Millionen Asylbewerber sind in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Die Versorgung, die Unterbringung und die Integration sind eine enorme Aufgabe, die unseren Kommunen, unseren Behörden und auch den ehrenamtlichen Helfern viel abverlangt. Sehr geehrte Frau Kollegin Dörner, es war sehr emotional, wie Sie heute vorgetragen haben. Sie waren bei der Anhörung am 20. März 2017 wahrscheinlich nicht dabei, (Zuruf der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) in der uns unter anderem der Städtetag berichtet hat, dass heute schon rund 200 000 Flüchtlingskinder in die Schulen integriert werden müssen, dass uns rund 60 000 Kitaplätze fehlen, dass laut Bildungsbericht bis zu 44 000 Erzieherinnen, Lehrer und Sozialarbeiter fehlen, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man aufbauen!) dass es Wohnungsknappheit gibt, dass es an Unterbringungsmöglichkeiten fehlt. Der Deutsche Städtetag hat uns ausdrücklich darum gebeten, an der Aussetzung des Familiennachzugs für die subsidiär Schutzberechtigten bis zum März nächsten Jahres festzuhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch daran erinnern, dass es bis zum August 2015 geltendes Recht war, dass bei subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich kein Anspruch auf Familiennachzug besteht. Wir haben darüber hinaus in dieser Woche im Innenausschuss vom Auswärtigen Amt einen Bericht bekommen, nach dem aktuell mit 200 000 bis 300 000 nachzugsberechtigten Personen zu rechnen ist und dass unsere Visastellen in der Türkei, in Erbil und auch in Beirut Wartezeiten von einem Monat bis zu zwölf Monaten haben. Das heißt: Wenn man jetzt, so wie Sie es fordern, diesen rund 200 000 Personen sofort gestatten würde, Anträge zu stellen, würde das bedeuten, dass für die Flüchtlinge nach der GFK, für die Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die Wartezeit noch länger würde. Das haben wir auch schon in der Anhörung am 20. März, die zu diesem Thema stattgefunden hat, mitgeteilt bekommen. Was ich damit sagen will: Wenn wir nicht in der Lage sind, den Familiennachzug vernünftig zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen, dann schaden wir auch den Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, weil sie dann wesentlich länger auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kommen einfach Ihrer humanitären Pflicht nicht nach!) Es geht uns nicht darum, dass wir keinen Familiennachzug gewähren wollen. Wir haben eine europarechtlich zulässige Wertung vorgenommen, die bis August 2015 geltendes Recht in Deutschland war, und haben gesagt: Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal auf die Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dann auf die subsidiär Schutzberechtigten. – Dafür gibt es gute sachliche Gründe. Die liegen auch in der Aufnahmekapazität, in den Aufnahmemöglichkeiten unseres Landes. Sie wollen mir ja wohl nicht allen Ernstes erzählen, dass Ihre Bürgermeister zu Hause sagen: Oh prima, das klappt bei uns alles ganz gut. Wir schaffen es völlig problemlos, die alle hier aufzunehmen. – Das mag vielleicht daran liegen, dass es Länder wie Bayern und Baden-Württemberg gibt, die mehr belastet sind als andere Länder. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) Man kann solche Argumente nicht einfach vom Tisch fegen und sagen: Uns interessiert überhaupt nicht, welche Probleme die Länder und Kommunen vor Ort tatsächlich haben. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn die Caritas dazu?) Ich finde, wir handeln damit auch verantwortungsvoll, weil subsidiär Schutzberechtigte nun mal per se einen anderen, einen geringeren Schutzanspruch haben als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die Caritas anders! – Rüdiger Veit [SPD]: Was wäre wohl, wenn die Libanesen das genauso sehen würden?) Deswegen sind wir bei unserer Beurteilung Ihrer Vorlagen auch ganz klar. Ich halte es im Übrigen für absolut unzutreffend, Frau Kollegin, wenn Sie sagen, dass es in Härtefällen nicht möglich sei, nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes nach Deutschland zu kommen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur gesagt: Es ist niemand gekommen!) Hierzu haben wir im Innenausschuss in dieser Woche – ich halte Ihnen zugute, dass Sie dort nicht vertreten sind – vom Auswärtigen Amt beispielhaft zwei Fälle geschildert bekommen, in denen nach § 22 die Möglichkeit eröffnet worden ist, hierherzukommen. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nicht richtig zugehört!) In dem einen Fall war es eine syrische Familie mit vier Kindern, deren Mutter gestorben war, und die nach Deutschland kommen konnte. In dem anderen Fall war es der Nachzug einer Familie mit einem epileptischen Kind. Das waren zwei von mehreren Beispielsfällen. Wir müssen schauen, dass wir an dieser Stelle Härtefälle abfedern. Das, was Sie wollen, nämlich zum jetzigen Zeitpunkt, vor März 2018, das für alle Flüchtlinge zu öffnen, ist für uns und für die Situation in Deutschland verantwortungslos. Und deswegen werden wir nicht zustimmen. Ich will es auch gleich schon einmal ankündigen: Wir werden uns sehr wohl überlegen müssen, wie wir ab März 2018 vorgehen, (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wir verlängern die Aussetzung!) weil ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht glaube, dass wir dann hinsichtlich der Aufnahmemöglichkeiten in unserem Land sagen können: So – von heute auf morgen funktioniert das mal so ganz einfach. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Das wird aber die nächste Koalition zu entscheiden haben. Das, was Sie wollen, ist nicht humanitär, hat mit Humanität nichts zu tun. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Sie würden die einzelnen Flüchtlinge nur noch länger auf die Bearbeitung ihres Antrags warten lassen, und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kann ich in keinster Weise vertreten. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn die Kirche dazu? Die Kirche sieht das anders! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie mal mit dem Pfarrer vor Ort besprechen! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie mal beichten!) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste spricht die Kollegin Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lindholz, es ist doch wirklich eine Frage des politischen Willens. Sie können mir doch nicht erzählen, dass ein so reiches Land wie Deutschland dazu nicht in der Lage ist. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja! Genau! – Nina Warken [CDU/CSU]: Jeden nehmen, oder was? Alle?) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube, dass Sie totalen Unfug reden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit euch werden wir noch arm! Mit Ihrer Hilfestellung werden wir sofort arm!) Wenn man es will, dann wird man nicht in erster Linie Angst und Panik verbreiten, weil hierher Menschen kommen, die mit ihren Familien zusammenleben wollen. Sie haben da auch eine ganz klare Verpflichtung. Die Kinderrechtskonvention, das Grundgesetz, all diese Dinge müssen Sie einhalten. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das Grundgesetz gilt nicht dafür!) Ich sage es noch einmal: Es gibt so viele Paten, die bereit sind, Familien aufzunehmen, ihnen zu helfen. Es gibt im Übrigen sehr viele Verwandte und Bekannte, (Nina Warken [CDU/CSU]: Die sollen auch alle kommen!) die ebenfalls bereit sind, Familien mit aufzunehmen. Das, was Sie hier machen, ist meiner Meinung nach wirklich eine menschliche Grausamkeit, die schleunigst beendet werden muss. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Einige dieser Menschen sind aufgenommen worden! Und Sie sprechen von menschlicher Grausamkeit! Das ist nicht in Ordnung, was Sie da sagen!) Überlegen Sie doch einfach mal, was Sie für ein Demokratieverständnis haben. (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Wissen Sie was, Frau Jelpke? Schauen Sie sich mal Ihr Demokratieverständnis an! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sie reden von Demokratieverständnis, wenn jemand eine andere Meinung hat, Frau Jelpke!) Es gibt hier zwei Vorlagen von der Opposition: von den Grünen und von den Linken. Sie versuchen seit Wochen, zu verhindern, dass hier eine Entscheidung zustande kommt. Sie oder auch die SPD könnten hier einfach Farbe bekennen, (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Habe ich ja gerade!) indem Sie sagen: Okay, wir stimmen dagegen. – Dann wissen wir auch, woran wir sind. Aber das, was Sie im Moment hier machen, ist einfach undemokratisch und zutiefst abzulehnen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das will ich auch ganz eindeutig den Kolleginnen und Kollegen der SPD sagen: Sie sind doch über den Tisch gezogen worden. Der Innenminister hat Ihnen damals gesagt: Es wird nur wenige Fälle geben, wo der Familiennachzug ausgesetzt wird. – Syrische Familien sollten es schon gar nicht sein. Deswegen verstehe ich nach wie vor nicht, warum Sie in diesem Fall nicht ganz eindeutig sagen: Das entspricht nicht der Wahrheit und dem, was uns vorgelegt wurde. Deshalb stimmen wir zu und sagen, dass es subsidiär Schutzbedürftigen möglich sein muss, ihre Familien nachzuholen. – Wir wissen doch alle, wie lange das Verfahren dauert, wie lange das Antragsverfahren dauert. Es geht meines Erachtens überhaupt nicht, dass Familienmitglieder zwei oder drei Jahre voneinander getrennt sind. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ganz besonders möchte ich hier noch einmal die Jugendlichen erwähnen. Wir bekommen im Moment so viele Briefe, wo wirklich schlimme Schicksale dabei sind. Ich habe hier so einen Fall: Er heißt Basar, 15 Jahre alt, hat nur subsidiären Schutz bekommen, also vorübergehend für ein Jahr, ist schwer traumatisiert, hat einen Tumor, hat schlimme Angstzustände jede Nacht. Trotzdem wird nicht erlaubt, dass seine Familie nachkommt. Ich finde, das ist einfach ein menschlicher Skandal. (Nina Warken [CDU/CSU]: Die Rechtsprechung stellt immer auf die im Land ab, die noch dort sind!) Sie bekommen hundertprozentig auch solche Briefe. Ich möchte wirklich einmal wissen, wo eigentlich Ihr Herz hingerutscht ist. Wenn ich Sie hier so reden höre, dann wird mir angst und bange, in was für einer Republik wir demnächst leben müssen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/CSU]: Sie müssen auch mal die Rechtsprechung akzeptieren!) Ja, das finde ich wirklich. Ich will Ihnen auch sagen: Gerade die Helfer und Helferinnen – von den Kirchen, von den Wohlfahrtsverbänden, von den Beratungsstellen – sind schwer frustriert. Sie wissen ganz genau – das ist übrigens auch ein Grund, warum Sie nicht bereit sind, über die Vorlagen hier abstimmen zu lassen –, (Nina Warken [CDU/CSU]: Wir stimmen gern ab! – Gegenruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen wir jetzt! Das machen Sie ja nicht! Erzählen Sie mir doch nichts!) dass wir in der Gesellschaft gerade unter den Helfern und Helferinnen eine große Mehrheit haben, die verurteilt, dass Sie permanent gegen die Kinderrechtskonvention verstoßen. Im Übrigen hat das Deutsche Institut für Menschenrechte ganz klar an Sie appelliert, den Familiennachzug stattfinden zu lassen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, achten Sie auf die Zeit. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Ja, ich komme gleich zum Ende. – Aber ich möchte gerne noch sagen: Selbst das interessiert Sie nicht. Sie sollten nicht zulassen, die Menschen hier weiter zu frustrieren, vor allen Dingen Jugendliche ohne Eltern hier zu lassen und damit eine Integration unmöglich zu machen. Das ist besonders ein Appell an die Kollegen der SPD: Stimmen Sie endlich im Innenausschuss unseren Anträgen zu, damit wir noch in dieser Legislaturperiode zu einer neuen Politik in dieser Frage kommen! Danke. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank. – Als Nächster spricht Dr. Lars Castellucci von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Lars Castellucci (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Trauergemeinde! (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Dass Sie eine Rede so beginnen!) Leider müssen wir heute Abschied nehmen (Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Von Ihnen!) vom C in der CDU. Die christlichen Kirchen haben uns zum Thema Familiennachzug angeschrieben. Ich zitiere aus dem Schreiben: Familie bietet den Raum, in dem Vertrauen wächst und in dem dauerhaft Verantwortung für den anderen übernommen wird. Für die Kirchen ist Familie ein sehr hohes Gut, welches es zu schützen gilt. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Haben wir die Familien verlassen, oder haben die anderen die Familien verlassen?) Sie geben uns dann den Rat und die Bitte – die beiden Kirchen plädieren dafür –, die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ersatzlos zu streichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie folgen dem nicht. Diese Missachtung christlicher Werte hat das C in CDU leider nicht überlebt. Es ruhe in Frieden. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Geht es eine Nummer kleiner?) Mit ihm verstarb die Familienpartei CDU. Auf der Homepage der CDU in Baden-Württemberg lese ich: Weil die CDU Familienpartei ist, solle man eintreten. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es! Das stimmt auch!) Dann steht dort weiter: Die Familie prägt Werte, bietet Sicherheit und Halt in Zeiten des Umbruchs. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Alles richtig!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das ist so: Familie prägt Werte, bietet Sicherheit und Halt in Zeiten des Umbruchs – das soll sie tun –, aber das kann sie nicht, wenn man sie auseinanderreißt. Wir sind deshalb traurig, heute Abschied nehmen zu müssen von der Familienpartei CDU. Wir werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren, und ihr Ableben ist uns Verpflichtung. In Familien lernen Menschen, dass man sich aufeinander verlassen kann. Verlässlichkeit ist ein hoher Wert. Hier möchte ich den Innenminister, der nicht anwesend ist, ansprechen, aber man kann es ihm ausrichten. 2016 ist der Innenminister zitiert worden, der Familiennachzug solle eingeschränkt werden und das gelte auch für die Syrerinnen und Syrer. Daraufhin war er bei uns in der Fraktion – das ist beschrieben worden – und hat gesagt: Nein, das soll nicht für die Syrerinnen und Syrer gelten, sondern das solle für diejenigen unter ihnen gelten, die subsidiär schutzberechtigt sind. Dann hat er darauf verwiesen, dass es sich nur um eine ganz kleine Zahl handeln würde – damals etwa 1,7 Prozent aller Fälle. Mittlerweile sind die Zahlen bei fast der Hälfte der Fälle angelangt. Deswegen sage ich: Das ist nicht Verlässlichkeit. Wenn die Geschäftsgrundlage entfällt, dann muss man den Vertrag anpassen oder von ihm zurücktreten. Stattdessen – Frau Lindholz hat es vorgetragen – kommen von Ihnen nun Forderungen, den Familiennachzug dauerhaft auszusetzen. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: So ist es!) Dann stirbt auch die Verlässlichkeit. Niemand hier im Raum wollte dauerhaft von seiner Familie getrennt sein. Ich frage Sie: Mit welchem Recht erwarten wir es von anderen? Umgekehrt: Was wir selbst für uns wollen, sollten wir auch anderen zugestehen. Familien dürfen wir nicht auseinanderreißen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Lindholz, natürlich ist die Situation nicht leicht: die Versorgung, die Unterbringung, die Integration. Aber zuerst ist die Situation von den Familien, von den Eltern und von den Kindern nicht leicht. Wir müssen zuallererst die Menschen in den Blick nehmen. Wenn wir uns entscheiden müssen, dann müssen wir uns für die Schwächsten zuerst entscheiden. Die Kinder gehören dazu. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich danke dennoch allen, die in den letzten Monaten verhandelt und gehandelt haben, mit dem Ergebnis, dass das Auswärtige Amt Personal aufgestockt hat, dass die Wartezeiten sinken, dass Härtefälle geprüft werden, dass Anträge frühzeitiger angenommen werden. Natürlich tun wir insgesamt sehr viel. Aber gestern, 1. Juni, war der Internationale Kindertag. Es wäre ein guter Anlass gewesen, um wenigstens Kinder zu ihren Eltern zu lassen. Ich will es in dieser Deutlichkeit sagen: Ich schäme mich dafür, dass wir in der Koalition nicht wenigstens das hinbekommen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes spricht Nina Warken für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Nina Warken (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier nicht zum ersten Mal über das Thema. Wir diskutieren auch nichts Neues. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen das weiter diskutieren! Es ist so nötig, das mit Ihnen zu diskutieren!) Am 10. November des letzten Jahres haben wir über das Thema schon einmal im Plenum diskutiert. Wir haben zig Sachverständige angehört und uns mit diversen Stellungnahmen befasst. Heute diskutieren wir auch über den Bericht des Innenausschusses. Es ist richtig und wichtig, dass wir diskutieren, dass wir den Dialog aufrechterhalten. Man darf es sich bei so einem Thema nicht zu einfach machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die Haltung unserer Fraktion ist eindeutig und bekannt. (Rüdiger Veit [SPD]: Aber falsch!) An unserer Haltung hat sich nichts geändert. Ich kann sie Ihnen gerne noch einmal darlegen. Ich glaube, was falsch ist, ist, an dieser Stelle einen Wettkampf um Emotionen oder darum, wer mehr Einzelschicksale kennt, zu veranstalten. Damit ist nämlich an dieser Stelle keinem gedient. (Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Empathie schadet auch nicht! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unchristlich!) Ich darf noch eine Bemerkung dazu machen, weil immer ein bisschen unterstellt wird, als ob es unsere Verantwortung wäre, (Rüdiger Veit [SPD]: Natürlich!) als ob wir die Schuld an den Schicksalen tragen würden, die hier vorgetragen werden: Der Familiennachzug ist keine zufällige Nebenerscheinung. Er ist fast immer Teil der Motivation, und als solchen müssen wir ihn wahrnehmen. Es geht nämlich nicht hauptsächlich um Familien, die zufällig auf der Flucht getrennt wurden, und auch wir haben diese Familien nicht getrennt. Das müssen wir bereden können, ohne uns gegenseitig moralische Vorwürfe zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Genau so ist es! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein Menschenbild!) Die Frage lautet: Wer hat die Folgen dieser Entscheidungen zu tragen, wer hat sie aufzufangen? Dazu sage ich Ihnen: Sicherlich haben nicht diejenigen, die Zuflucht bei uns gesucht haben, aber sicherlich auch nicht wir, also diejenigen, die Schutz gewähren, die Folgen zu tragen. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht um Schuld hier!) – Die Folgen zu tragen, nicht die Schuld. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie reden über Schuld!) Meine Damen und Herren, Sie alle kennen die Gründe für die Aussetzung des Familiennachzuges – die Kollegin hat sie vorhin noch einmal dargelegt –: Die Menschen mussten und müssen angemessen versorgt und untergebracht werden, sie müssen in der Gesellschaft aufgenommen werden können; denn – das darf man nicht vergessen – es handelt sich um einen privilegierten Nachzug. Das bedeutet, dass die Nachziehenden gerade keinen Nachweis über Wohnraum, Lebensunterhalt und die Krankenversicherung führen müssen. Das sieht in anderen Ländern ganz anders aus. Auch wenn die Erstaufnahmeeinrichtungen leerer geworden sind, wissen wir doch, dass es mit der Aufnahme in den Erstaufnahmeeinrichtungen allein nicht getan ist, schon gar nicht bei nachziehenden Familien. Die Kommunen arbeiten hart daran, die Flüchtlinge, die bei uns leben, mit Wohnraum zu versorgen. Mithilfe vieler engagierter Bürger leisten sie Herausragendes, und zwar nicht nur im Hinblick auf die elementare Versorgung, sondern auch im Hinblick auf die Integration. Nur weil der Familiennachzug legal, ungefährlich und geordnet erfolgt, ändert sich doch nichts an der Tatsache, dass die Menschen hier angemessen untergebracht und die Kinder angemessen betreut und beschult werden müssen. Die Familien müssen irgendwo wohnen, und zwar gerade nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen oder in Sammelunterkünften, sondern in angemessenen Wohnungen. Die Aufnahme der Menschen muss einfach funktionieren, und sie müssen sich integrieren können. Die Leistungsfähigkeit der Kommunen ist begrenzt, und an der Belastung hat sich – so sehen wir das jedenfalls – nichts geändert. Es wird auch immer viel über rechtliche Rahmenbedingungen und rechtliche Voraussetzungen geredet. Aber auch da hat sich nichts geändert. Es gibt kein generelles Recht auf Familiennachzug, weder laut Grundgesetz noch laut UN-Menschenrechtskonvention, auch nicht laut UN-Kinderrechtskonvention. Es kann mir auch von Ihnen, glaube ich, keiner darlegen, woraus sich ein Anspruch oder ein generelles Recht auf Familiennachzug ergibt. Das Wie und das Wann des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte müssen und dürfen wir als Zufluchtsort gestalten. Es ist selbstverständlich, dass wir dabei Unterschiede machen und die Interessen abwägen, und zwar die Interessen des Staates und unserer Bevölkerung gegen die des wartenden Flüchtlings. Das ist völlig legitim. Das tun andere Staaten auch. Dass die Abwägung sorgfältig vorgenommen werden muss, ist auch klar; denn wir tragen nicht nur Verantwortung für diejenigen, die es zu uns geschafft haben, sondern wir tragen auch die Verantwortung für unsere Bevölkerung. Da finden wir uns dann auch beim C wieder, das Sie, lieber Herr Kollege, so vermisst haben. Die rechtlichen Maßstäbe dafür, wer die Flüchtlingseigenschaft hat, wer subsidiären Schutz bekommt und wer ausreisepflichtig ist, sind gleich geblieben. Die Rechtsmittel gegen diese Entscheidungen bestehen unverändert, und die Rechtsmittel werden auch ausgeschöpft. Das zeigen die vielen Klagen gegen die Zuerkennung lediglich des subsidiären Schutzes. Es wird hier immer der Vorwurf erhoben, dass man damals von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist. Dazu darf ich Ihnen sagen: Es stimmt zwar, dass im letzten Jahr mehr Menschen lediglich subsidiären Schutz erhalten haben, als bei der Aussetzung des Familiennachzugs zu erwarten war, aber das ist doch gerade kein Argument für eine vorzeitige Beendigung der Aussetzung. Es verändert ja die Abwägungsfaktoren nicht. Es sagt lediglich etwas über die eigentliche Zusammensetzung des Flüchtlingsstroms und die Unterscheidung zwischen dem klassischen Bürgerkriegsflüchtling und dem Verfolgten im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aus. Das ist ja gerade Bestandteil unserer Abwägung. Davon, dass wir prüfen, wird man wohl auch angesichts der Vorkommnisse in den letzten Wochen nicht Abstand nehmen wollen. (Dr. Lars Castellucci [SPD]: Mit den Bundeswehrsoldaten, oder was?) Schon gar nicht kann eine rechtlich unzutreffende, der Vergangenheit angehörende Behördenpraxis die Faktoren einer Interessenabwägung beeinflussen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind nicht geringer geworden, nicht für die Kommunen, die die Bereitstellung des Wohnraums und die Integration bewerkstelligen müssen, nicht für unsere Bevölkerung, aber auch nicht für die Botschaften in Beirut, Erbil und anderen Orten, die regelrecht Fließbandarbeit leisten, um Familiennachzüge zu anerkannten Flüchtlingen zu ermöglichen. Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, achten Sie auf die Zeit. Nina Warken (CDU/CSU): Wenn wir die Aufnahmefähigkeit unserer Kommunen, unserer Gesellschaft weiter überschreiten, dann wird das massive Folgen haben. Die Bürger erwarten von uns eine sachliche Abwägung, in die alle Interessen einfließen, auch ihre. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Warken. – Als letzter Redner in dieser Aussprache spricht Rüdiger Veit für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rüdiger Veit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine kurze Bemerkung zur Geschäftsordnung: Für mich ist es nicht zweifelsfrei, ob es zulässig ist, einen Oppositionsantrag ad infinitum zu schieben. Ich persönlich bin der Auffassung, dass man, wenn der Antragsteller das will, nach einer Höchstfrist von vielleicht sechs Monaten im Plenum über den Antrag befinden sollte. Vielleicht kann der nächste Deutsche Bundestag einmal über diese wünschenswerte Änderung der Geschäftsordnung nachdenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lassen wir ja gerade vom Verfassungsgericht klären! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Stimmen wir doch ab!) – Ja, wir können sehr gerne abstimmen. Ich habe schon einmal vergeblich versucht, Ihnen mein Abstimmungsverhalten zu erklären. Wie die Mehrheit der SPD-Fraktion nach einer sehr lebhaften Debatte über diese Frage abstimmen würde, davon habe ich auch eine Vorstellung. Unser Problem ist – jetzt bringe ich es einmal politisch auf den Punkt –, dass, wenn wir dem Antrag der Opposition zustimmen würden, Sie sagen könnten, möglicherweise sei die Koalition gebrochen, weil wir nicht koalitionstreu sind. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Nicht nur möglicherweise! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Dann sind Sie halt schon früher in der Opposition!) Wissen Sie, was meine persönliche Meinung ist? Meine persönliche Meinung ist: Sie haben die Koalition bereits gebrochen, indem Sie den Anspruch auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung abgelehnt haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Ach!) Jetzt zurück zu den syrischen Flüchtlingen. Die CDU/CSU hat ganz offensichtlich Angst vor ungefähr 50 000 Frauen und Kindern; das ist die Wahrheit. Dahinter verbirgt sich im Grunde das Motiv, mit dem Sie uns gegenübergetreten sind. Ich will einmal auf Folgendes hinweisen: Als wir darüber geredet haben, dass man die Aussetzung des Familiennachzuges rückgängig machen sollte, haben wir einerseits von Ihrem Minister gehört, er habe nicht geglaubt, dass es so viele werden würden, die subsidiären Schutz bekämen. Wenn das richtig wäre, wäre das ein typischer Wegfall der Geschäftsgrundlage, und man müsste neu verhandeln und das neu regeln. Andererseits haben einige Vertreter aus Ihren Reihen gesagt: Nein, wir sind sehr zufrieden damit, dass es so viele sind; das haben wir uns so gewünscht. – Frau Lindholz hat eben bekräftigt, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten, würden Sie versuchen, das Gesetz noch weiter zu verschärfen und den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten auf Dauer auszuschließen. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Nicht verschärfen! Verlängern! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Die Rechtslage von vor 2015 fortschreiben!) – Und warum haben Sie dann die Rechtslage sinnvollerweise im Lichte des europäischen Rechts und der Koalitionsvereinbarung und mit voller Überzeugung Ihres eigenen Innenministers so geändert? Das müssten Sie dann einmal der erstaunten Bevölkerung erklären. Wenn ich dann noch höre, dass in Deutschland die Kapazitäten bei den Schulen – bei den Lehrern, bei den Räumlichkeiten – (Max Straubinger [CDU/CSU]: Besonders in Nordrhein-Westfalen!) und bei den Wohnungen in den Städten nicht ausreichen, um bis zu 50 000 Kinder und Frauen hier bei uns aufzunehmen, dann möchte ich einmal wissen: Mit welchem Zynismus diskutieren Sie hier eigentlich? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Libanon oder die Türkei könnten sagen: Wir haben zu wenig Leute, wir haben zu wenig Platz, wir haben zu wenig Arbeit, wir haben zu wenig Geld. Aber wo sollen die Flüchtlinge dann hin? Wenn unser Land die Aufnahme von Flüchtlingen gerade angesichts seiner demografischen Probleme nicht bewältigt, kann ich nur sagen: Ich bin abgestoßen von der Haltung, die hier offenbar wird. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Nach Ihrer Logik müssen wir die ganze Welt aufnehmen!) Sie haben Angst vor bis zu 50 000 Frauen und Kindern. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sie wissen ganz genau, dass es deutlich mehr werden!) Das müssen Sie der Bevölkerung und den Kirchen einmal erklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Uns können Sie es nicht erklären. Mir ist wichtig, der Opposition ganz klar und deutlich zu sagen: An uns liegt es nicht. Ich habe darauf hingewiesen: Entweder sind wir über den Tisch gezogen und getäuscht worden, – Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit. Rüdiger Veit (SPD): – oder aber die entsprechenden Kollegen haben selber geglaubt, dass es nicht so viele betreffen würde. Dann müssten Sie erst recht bereit sein, das gemeinsam mit uns wieder zu ändern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Ihre Geduld. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Ich schließe die Aussprache. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie Drucksachen 18/11495, 18/11929, 18/12181 Nr. 1.9 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 18/12568 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kontogebühren – Transparenz und Verbraucherschutz erhöhen Drucksachen 18/12367, 18/12568 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.21 Tagesordnungspunkt 20 a. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12568, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11495 und 18/11929 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der Fraktion Die Grünen bei Enthaltung der Linken und Frau Steinbach angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmverhalten angenommen. Tagesordnungspunkt 20 b. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12568, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12367 abzulehnen. – Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Kollegin Steinbach stimmt mit der CDU/CSU. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE Weltfriedenstag als europäischer Feiertag Drucksache 18/9587 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.22 Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9587. Wer stimmt für den Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Grünen und der Kollegin Steinbach abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten (§ 1 Absatz 2 GO-BT) sowie weitere Änderungen in den §§ 93, 93a und 93b GO-BT Drucksache 18/12376 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege Bernhard Kaster für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Bernhard Kaster (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Änderung der Geschäftsordnung“ heißt der jetzige Tagesordnungspunkt. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist Ausdruck der in Artikel 40 unserer Verfassung garantierten Parlamentsautonomie, ja, sie beinhaltet letztlich die Spielregeln der Demokratie hier in unserem Parlament. Sie muss daher der Diskontinuität unterliegen. Jeder neu gewählte Bundestag muss sie neu beschließen und wie in fast jeder Legislaturperiode klug weiterentwickeln. Genau das machen wir heute. Die Konstituierung eines Parlamentes nach einer Wahl gehört unbestritten zu den ganz besonderen Momenten einer Demokratie. Manch einer denkt vielleicht an die Bilder von der Parlamentseröffnung durch die Queen in London. So feierlich geht es bei uns nicht zu; aber das zeigt die Bedeutung. (Bärbel Bas [SPD]: Aber fast! – Dr. Eva Högl [SPD]: Wir haben doch Riesenhuber!) Wir, der Deutsche Bundestag – das ist durchaus eine Besonderheit und Ausdruck der Stärke unseres Parlamentes –, brauchen zur Eröffnung weder einen Monarchen noch einen Bundespräsidenten wie zum Beispiel in Österreich noch einen Staatsbeamten wie zum Beispiel in den Vereinigten Staaten. Der Bundestag konstituiert sich schlichtweg selbst. Weil es aber zum Zeitpunkt der Konstituierung, also zu Beginn, noch keine Geschäftsordnung geben kann, hat sich ein parlamentarisches Gewohnheitsrecht entwickelt, das besagt, dass bestimmte Regelungen aus der vorangegangenen Wahlperiode übernommen werden, um den neuen Bundestag überhaupt konstituieren zu können. Deswegen ist die Konstituierung in § 1 der Geschäftsordnung ganz konkret festgehalten. Nur wegen dieses Paragrafen kann beispielsweise der bisherige Bundestagspräsident den neuen Bundestag einladen, selbst dann, wie es in diesem Jahr der Fall sein wird, wenn er dem neuen Bundestag gar nicht mehr angehört. Ich denke, Letzteres finden wir alle schade, auch deshalb, weil gerade unser jetziger Bundestagspräsident so manche kluge Anregung und Initiative gegeben hat – das sage ich bewusst auch in dieser Debatte –, die vor allem und oft den Rechten des einzelnen Abgeordneten, den kleinen Fraktionen, der Minderheit und ganz besonders dem Ansehen des Parlamentes gegolten haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es entspricht langjähriger Parlamentstradition, dass das an Lebensjahren älteste Mitglied des Hauses die erste Sitzung zu Beginn leitet. Aber auch Parlamentstraditionen sind abänderbar und weiterzuentwickeln. Auf Initiative des Ältestenrates wollen wir die bisherige Regelung letztlich in Sinn und Kern präzisieren. Lebensalter in § 1 der Geschäftsordnung meint Erfahrung. Ob Paul Löbe, Konrad Adenauer, Willy Brandt oder jetzt Heinz Riesenhuber, hier ging Lebensalter mit parlamentarischer Erfahrung oft Hand in Hand. Genau das wollen wir weiterhin gewährleisten. Wir wollen das nicht dem Zufall überlassen. Deshalb soll künftig nicht mehr der älteste Abgeordnete, sondern der Abgeordnete mit der größten Parlamentserfahrung die konstituierende Sitzung des Bundestages eröffnen. (Beifall bei der CDU/CSU) In der Öffentlichkeit und auch im Geschäftsordnungsausschuss hat es Diskussionen darüber gegeben, ob der Zeitpunkt richtig gewählt ist. Zu Beginn dieser Legislaturperiode in 2013 haben wir umfangreiche Änderungen für die Arbeit in der Legislaturperiode, insbesondere hinsichtlich der Oppositionsrechte, zeitnah gemeinsam beschlossen. Jetzt nehmen wir die Konstituierung des 19. Deutschen Bundestages im Herbst in den Blick und wollen deshalb zeitnah eine, wie ich gesagt habe, Verfeinerung, Präzisierung des § 1 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung beschließen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem neuen Deutschen Bundestag werde ich selbst nicht mehr angehören. Deswegen lassen Sie mich abschließend sagen: Ich wünsche ganz persönlich für den Herbst einen guten Start mit einem erfahrenen Alterspräsidenten. Viel mehr – das ist noch wichtiger; das ist der Kern – wünsche ich eine erfolgreiche Legislaturperiode für unser Land, für unsere Verantwortung in Europa und einen Bundestag, das wichtigste Verfassungsorgan – dieses Selbstbewusstsein müssen wir haben –, der von der ersten bis zur letzten Rede unserer lebendigen Demokratie – ein wirkliches Arbeitsparlament – und damit dem Ansehen und dem Wohl unseres Landes dient. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Lieber Bernhard Kaster, ich wünsche dir aus langer Verbundenheit alles Gute. Wir werden deine Anregung entsprechend befolgen. (Beifall im ganzen Hause) Als Nächstes spricht jetzt Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundeswahlgesetz ermöglicht grundsätzlich Parteien, sofern sie die Fünfprozenthürde überspringen, in Länderparlamente und in den Bundestag einzuziehen. Unsere Demokratie bietet dabei auch Parteien politischen Handlungsspielraum, die das Bundesverfassungsgericht zwar nicht verboten, aber immerhin als verfassungswidrig bezeichnet hat. Eine starke Demokratie muss auch politische Positionen von Parteien ertragen, die sich gegen sie selbst richten. Insofern gebe ich all jenen recht, die sagen, dass diese Auseinandersetzung politisch geführt werden muss und Geschäftsordnungen dafür nicht herhalten sollten. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Demokratie konnte und kann das aushalten, aber sie muss es nicht. Nicht alles muss sie aushalten, bestimmte Positionen ausdrücklich nicht. Im Gegenteil, diese fallen unter Verbotsgesetze. So ist Holocaustleugnung in zahlreichen europäischen Staaten illegal, darunter allen deutschsprachigen. Viele Staaten haben erweiterte Gesetze, die Holocaustleugnung als Verleumdung, als Rassismus oder zusammen mit der Leugnung von weiteren Völkermorden verbieten. Es gibt nun aber Politiker, die bewusst immer wieder die furchtbaren Verbrechen der faschistischen Diktatur an Millionen Menschen, insbesondere die industriemäßig organisierte Vernichtung von Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, Homosexuellen und Menschen aus dem Widerstand, in Zweifel ziehen. Wer also von Holocaust als „Mythos“ und als „wirksames Instrument zur Kriminalisierung der Deutschen und ihrer Geschichte“ bezeichnet, dem müssen wir allein seines erreichten Alters wegen nicht das Podium bieten, die konstituierende Sitzung des obersten Verfassungsorgans dieses Landes zu eröffnen, (Beifall bei der LINKEN und des Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]) mithin genau des Landes, welches aus seiner Geschichte gelernt hat und mit Blick auf nachwachsende Generationen weiter lernen muss. Die Eröffnungsrede eines solchen Politikers muss in seinem biografischen und politischen Kontext gesehen werden. Ich will ausdrücklich sagen, dass es dabei völlig zweitrangig ist, aus welcher Partei ein solcher Politiker kommt. Meine Großeltern haben als Sozialdemokraten Widerstand gegen den Naziterror geleistet. Mein Opa war inhaftiert, und meine Oma hat sich mit zwei Töchtern durch diese schlimmen Zeiten mit Anstand und Würde gebracht. Ich könnte beiden nicht erklären, warum wir nicht verhindert haben, dass ein Politiker mit solchen Positionen Alterspräsident wird. Dieser Mann ist nur alt geworden, aber nicht weise; denn er will aus der deutschen Geschichte nichts lernen. Ich sehe uns in der Verantwortung gegenüber Überlebenden und ihren Nachfahren. Ich glaube auch, dass der Bundestag in anderen Ländern Unverständnis und Fragen auslösen würde. Für mich gehört daher zu dieser politischen Auseinandersetzung, dass wir aktiv etwas dagegen tun. Zu unseren Möglichkeiten gehört eben auch, die Geschäftsordnung zu ändern. Nun hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gesagt, es handele sich um einen guten Vorschlag zur falschen Zeit. Ich finde, jetzt ist sehr wohl der richtige Zeitpunkt, auch wenn dabei Abgeordnete jüngerer Parteien benachteiligt werden. Mithin sind diese schon einmal eine Legislatur nicht im Bundestag gewesen und können somit auch keine dienstältesten Abgeordneten haben. In Abwägung all dieser Fragen haben wir uns in unserer Fraktion für eine Enthaltung entschieden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste spricht die Kollegin Sonja Steffen für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten und beschließen heute die Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. § 1 der Geschäftsordnung soll dergestalt geändert werden, dass zukünftig nicht mehr das lebensälteste Mitglied des Bundestages als Alterspräsident vorgesehen ist und damit die Eröffnungsrede in dem neu gewählten Bundestag hält, sondern das am längsten dem Bundestag angehörende Mitglied, das hierzu bereit ist. Warum nun empfiehlt der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung diese Änderung? Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Vorbereitung dieser Rede habe ich einen Blick in die Geschichte des Amtes des Alterspräsidenten geworfen. Erlauben Sie mir, dass ich Sie zu dieser späten Stunde zu einer kleinen Geschichtsstunde einlade. Seinen Ursprung hat das Amt des Alterspräsidenten in der Französischen Revolution. Der Kollege Kaster hat vorhin auf die Briten hingewiesen, die den Monarchen oder die Monarchin dazu in Anspruch nehmen. Genau das wollte man in der Französischen Revolution vermeiden. Deshalb hat man damals beschlossen, dass es ein Parlamentarier sein muss, der mit möglichst viel Autorität und Würde die Eröffnungsrede hält. In deutschen Versammlungen und Parlamenten haben wir die sogenannte Lebensaltersregelung schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Nun hat es aber in der Geschichte des Alterspräsidenten seit der Weimarer Republik einige erstaunliche Fälle gegeben. 1932 war die Alterspräsidentin Clara Zetkin. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie war damals schon hochbetagt, und sie war sehr krank. Sie musste eigens aus Moskau anreisen, um die Eröffnungsrede zu halten. Sie hat damals eine sehr erstaunliche Rede gehalten; das hat der NSDAP überhaupt nicht gefallen. Ein paar Monate später, im November des Jahres 1932, war das Parlament aufgelöst. Als ein neues Parlament gewählt wurde, hat die NSDAP Folgendes gemacht: Sie hat ein 82-jähriges Parteimitglied in den Reichstag wählen lassen, damit die Eröffnungsrede nicht mehr von Clara Zetkin gehalten werden konnte. Dieser hat die Rede gehalten und ist nach neun Tagen zurückgetreten. Aber auch die jüngere Vergangenheit zeigt Beispiele, die belegen, wie das Amt durch die Regelung nach dem Lebensalter zum Spielball werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich kann auch Ihnen eine kleine Geschichte nicht ersparen. 1983 gab es den Kandidaten Werner Vogel, der ebenfalls relativ betagt war. Er hat in Kandidatenbriefen dafür geworben, dass er in seiner ersten Rede eine grüne Rede halten werde. Nicht nur, aber auch mit dieser Argumentation hat er es tatsächlich in NRW auf Listenplatz 1 geschafft. Er musste aber noch vor Antritt des Amtes zurücktreten, weil ihm eine NS-Vergangenheit nachgewiesen werden konnte. Einen weiteren bemerkenswerten Höhepunkt fand das Amt des Alterspräsidenten schließlich bei der Wahl 1994, als Stefan Heym, über die Liste der PDS in den Bundestag eingezogen, zum lebensältesten Parlamentarier bestimmt wurde. Schon im Vorfeld ist diese Personalie öffentlich und zum Teil recht unschön diskutiert worden. Den traurigen Höhepunkt fand die Diskussion schließlich in dem sich später als unbegründet erwiesenen Vorwurf – übrigens einen Tag vor der Eröffnungsrede –, dass Stefan Heym für die Stasi gearbeitet habe. Es war übrigens unser ehrenwerter ehemaliger Kollege Wiefelspütz, der den GO-Ausschuss leitete und der sich, soweit meine Recherchen zurückgehen, schon damals dafür ausgesprochen hat, über diese Regelung nachzudenken. Zu welchem Ergebnis führt uns denn nun der Blick in die Geschichte? Er zeigt, dass das Amt des Alterspräsidenten in der öffentlichen Wahrnehmung sehr bedeutend ist; denn er hat eine herausragende Position. Der Alterspräsident vertritt den Bundestagspräsidenten, und der Bundestagspräsident steht in der protokollarischen Rangfolge direkt unter dem Bundespräsidenten. Das heißt also, für diese kurze Zeit ist der Alterspräsident der zweitwichtigste Mann bzw. – hoffentlich werden wir auch das einmal erleben – die zweitwichtigste Frau in der Republik. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Er leitet die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages und ebnet damit den Weg in eine neue Legislaturperiode. Wahltaktische Spielereien und breite Diskussionen über Personen im Vorfeld sollte es nicht geben. Deshalb haben wir uns jetzt darauf verständigt, dem Abgeordneten oder der Abgeordneten, der oder die am längsten dem Bundestag angehört, den Vorsitz zu übertragen. Dies ermöglicht, dass ein erfahrener Parlamentarier oder eine erfahrene Parlamentarierin die konstituierende Sitzung leitet, jemand, der die parlamentarischen Gepflogenheiten kennt, mit den Abläufen vertraut und in der Lage ist, seine Erfahrungen in das Amt mit einzubringen; denn wir wollen an dieser Stelle nichts dem Zufall überlassen. Es ist völlig richtig, dass eben nicht zufällig der älteste Abgeordnete diesen feierlichen Moment der Plenumseröffnung prägen sollte, sondern einer, der lange Erfahrung hat und weiß, worauf es im Parlamentsbetrieb ankommt. Nun könnte man allenfalls noch über den Zeitpunkt streiten: Ist die vorgesehene Änderung der Geschäftsordnung zwar eine gute Idee, aber der Zeitpunkt nicht der richtige? Dazu hat mein Kollege Kaster vorhin schon ausgeführt: Der Blick geht in die Zukunft, in die nächste Wahlperiode. Ich möchte das Ende meiner Rede dazu nutzen, aus der Eröffnungsrede von Willy Brandt zu zitieren, der übrigens 1983 Alterspräsident wurde. Willy Brandt hat damals gesagt: Gemeinsam wollen wir darüber wachen, daß sich die Schrecken der Vergangenheit, in welcher Form auch immer, nicht wiederholen. Dann hat er angemahnt: Das Parlament in seiner Gesamtheit – und jeder Abgeordnete für sich – ist dazu berufen, darüber zu wachen, daß die auf Zeit vergebene demokratisch-politische Macht zum Wohle aller gebraucht wird. Ich möchte Folgendes hinzufügen: Wir sollten daran denken, dass wir eine streitbare Demokratie sind, die sich gegen ihre Feinde zur Wehr setzt. Dabei sollten wir alle demokratischen Mittel nutzen, um die Würde dieses Hauses zu verteidigen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Steffen. – Als nächste Rednerin spricht Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD wollen heute die Geschäftsordnung ändern und festlegen, dass in Zukunft derjenige Abgeordnete oder diejenige Abgeordnete Alterspräsident wird, der oder die dem Bundestag am längsten angehört. Frau Steffen, es tut mir echt leid, aber an dieser Stelle muss ich sagen: Was denken Sie eigentlich, wer so naiv ist, zu glauben, dass uns das einfach so im luftleeren Raum einen Monat vor dem Ende der Legislatur einfällt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jeder Mensch, der sich mit Politik beschäftigt – Petra Sitte hat das gerade angesprochen –, weiß, dass Sie zum Ende der Legislatur auf diese Idee gekommen sind, und zwar mit Blick auf die Bundestagswahl und mögliche Konstellationen, die sich daraus ergeben. Das ist das Falsche an Ihrem Vorschlag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Natürlich kann man im Deutschen Bundestag darüber reden, ob der oder die Älteste, der oder die am längsten dem Parlament Angehörige diese Sitzung eröffnen sollte. Ich finde es auch verrückt, diese Funktion so zu überhöhen. Bitte, es geht um die Eröffnung der konstituierenden Sitzung; da hält der oder die Älteste hier eine Rede. Dann wählen wir den Bundestagspräsidenten, und dann stimmen wir über die Geschäftsordnung ab, nicht mehr und nicht weniger. Von daher bitte ich darum, dass wir diese Situation und diese Rede nicht überhöhen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Natürlich kann man das so entscheiden. Weil Ihnen das mit den Frauen so wichtig war: Wir könnten auch entscheiden, dass demnächst die älteste oder die dem Parlament am längsten angehörende Frau die Sitzung eröffnet, weil das über Generationen hinweg Männer gemacht haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb hat unsere Fraktion gesagt: Natürlich kann man das machen, wie das auch Petra Sitte gesagt hat, aber der Zeitpunkt ist eindeutig falsch. Wir alle wissen doch, Bernhard Kaster, dass wir die Geschäftsordnung hier nicht präzisieren. Das ist jetzt also auch ein bisschen unterkomplex. Wir ändern die Geschäftsordnung, wir präzisieren sie nicht. Man darf nach außen doch nicht so einen Eindruck erwecken. Man muss dann sagen, was man will, und dazu auch stehen. Darum bitte ich einfach. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deshalb können wir dieser Änderung der Geschäftsordnung heute auch nicht zustimmen. Sie reden nicht mit offenem Visier darüber, was Sie damit eigentlich bezwecken. Es ist ja auch noch zweifelhaft, ob Ihnen das, was Sie möchten, überhaupt gelingen wird; denn wenn der nächste Bundestag zusammentritt, ist überhaupt gar keine Geschäftsordnung in Kraft. Wir werden dann möglicherweise darüber streiten müssen, was jetzt Gewohnheitsrecht ist und was nicht. Ich finde, wir sollten uns diese Situation ersparen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe sehr viel Zutrauen in dieses Parlament und empfinde dieses Parlament als so selbstbewusst und souverän, dass ich glaube, dass wir mit jeder Situation fertig werden, und zwar in der großen Breite, also aufseiten der CDU/CSU, der SPD, der Linken und der Grünen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir gemeinsam so souverän und selbstbewusst sind, dass wir mit jeder Situation im neuen Parlament umgehen können. Das sollten wir doch auch ausstrahlen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und wir sollten zum Ende der Legislatur jetzt nicht noch so eine „verschwiemelte“ Regelung treffen. (Christian Petry [SPD]: Das ist aber eine schräge Meinung! – Gegenruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eine ganz richtige!) Ich will gar keinen Zweifel aufkommen lassen: Natürlich empfände ich es auch als Zumutung, wenn ein Rechtspopulist hier eine Sitzung eröffnen würde. Ich glaube aber, wir sind souverän und selbstbewusst genug, in der Situation dann zu entscheiden, wie wir als Parlament damit umgehen: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ich will auch nicht, dass wir in irgendeiner Art und Weise für Legendenbildung oder Märtyrerrollen verantwortlich sind. Lassen Sie uns selbstbewusst, offen und ganz souverän für unsere wirklich lebendige Demokratie und unser gutes und starkes Parlament eintreten. Das würde ich mir wünschen. Deshalb können wir Ihrem Vorschlag heute nicht folgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Erika Steinbach. Erika Steinbach (fraktionslos): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag kann selbstverständlich seine Geschäftsordnung ändern und neuen Gegebenheiten anpassen, keine Frage. Ich teile aber die Aussagen, die eben hier zu hören waren. Ist es politisch und moralisch vertretbar, eine solche Änderung (Christian Petry [SPD]: Hört, hört!) weniger als vier Monate vor der Bundestagswahl im bereits angelaufenen Wahlkampf durchzuführen, und zwar nur deshalb, weil seitens der Regierungskoalition der Einzug einer neuen, ihr missliebigen Partei befürchtet wird, deren Protagonisten möglicherweise – man weiß es ja nicht – den Alterspräsidenten stellen könnten? Ich sage: Nein. Es beschädigt doch das Vertrauen in unseren Parlamentarismus und in unsere wehrhafte Demokratie, die wir seit Jahrzehnten haben, wenn man sich nicht mehr in der Lage sieht, ein breites Parteien- und vor allem auch Meinungsspektrum auszuhalten, wie schwer das manchmal auch sein mag. Das auch in den Medien als Begründung vorab schon vorgetragene Argument der politischen Unerfahrenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich ein sehr durchsichtiger Vorwand. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Warum?) Ich muss in Richtung meiner früheren Fraktion sagen: Besonders peinlich an dieser Aktion ist natürlich, dass beide eventuell infrage kommenden Männer in der kommenden Legislatur, die als Alterspräsidenten unter Umständen fungieren könnten, jahrzehntelang Mitglieder der CDU gewesen sind, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ist das peinlich?) und zwar in politischen Funktionen mit Erfahrung. Jetzt wird ihnen seitens ihrer ehemaligen Partei alles Mögliche unterstellt und geradezu eine demokratische Gesinnung abgesprochen. Wenn seitens der CDU so dramatische Demokratiedefizite bei diesen Männern erkannt werden, dass sie hier nicht einmal mehr als Alterspräsidenten fungieren können: Warum wurde dann nicht reagiert, als sie noch Mitglieder der CDU gewesen sind? Das wäre doch das Normalste von der Welt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere parlamentarische Demokratie bedarf immer der Achtung der Meinung anderer. Ja, sie lebt geradezu davon, andere Meinungen auszuhalten und darüber zu diskutieren. (René Röspel [SPD]: Freiheit ist immer die Freiheit des anderen!) Sie hat in der Vergangenheit immer wieder sogar extreme politische Positionen ertragen. Während der Weimarer Republik wurden die Redebeiträge der Kommunistin Clara Zetkin als Alterspräsidentin ebenso gut überstanden (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: War aber keine Extremistin!) wie in den letzten Jahren die Reden der Alterspräsidenten Stefan Heym von der PDS oder Fred Gebhardt, auch PDS, ehemals SPD, im Deutschen Bundestag. Genau darin, finde ich, hat sich doch immer wieder die Reife unserer parlamentarischen Demokratie gezeigt. Das, was heute mit der Änderung der Geschäftsordnung auf den Weg gebracht wird, halte ich für ein beunruhigendes Zeichen der Schwäche und des Kleingeistes. Ich glaube, dieser Antrag schadet dem Vertrauen in unsere parlamentarische Demokratie. Ich bedaure, dass dieser Antrag gestellt wurde. Ich hätte mir gewünscht, es wäre nicht geschehen. Danke schön. Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da sage noch jemand, Geschäftsordnungsdebatten wären langweilig, staubtrocken oder würden nur rein juristisch geführt. Sie sind hochpolitisch. Das hat dieses Parlament in dieser Legislaturperiode auf eindrucksvolle Art und Weise gezeigt. Wir haben – darauf ist hingewiesen worden – zu Beginn der Legislaturperiode in wirklich vorbildlicher Art und Weise dafür gesorgt, dass die in der Opposition befindlichen Abgeordneten ihre Rechte wirksam wahrnehmen können. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Bundesverfassungsgericht hat uns dafür ausdrücklich gelobt. Deswegen war das ein guter Start. Ich glaube, wir machen jetzt einen guten Abschluss in der Geschäftsordnungskultur und -debatte unseres Hauses, wenn wir diese Korrektur vornehmen. Ich will mich bei dem ersten Punkt nicht lange aufhalten. Es ist aber nicht von vornherein so, dass die lebensälteste Person – das kann auch gerne eine Dame sein, Frau Kollegin Haßelmann – die geeignetste ist, um ein völlig neues Parlament zu eröffnen. Das mag in früheren Jahren der Fall gewesen sein. Aber wenn Sie sich – wir haben ja schon geschichtliche Fragen beleuchtet – die Diskussion von 1848 angeschaut haben, haben Sie festgestellt, dass es an dieser Regelung schon damals starke Kritik gab. Es spricht sehr viel dafür, dass die erste Sitzung des Deutschen Bundestages, in der wichtige Entscheidungen zu treffen sind, von einer Person mit Parlamentserfahrung geführt wird. Das ist per se erst einmal ein Argument. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Nun komme ich zum zweiten Punkt, der uns hier beschäftigt. Ich glaube nicht, dass wir diesem Thema in irgendeiner Art und Weise ausweichen müssen. Ich habe auch nicht festgestellt, dass die Kollegin Steffen dem ausgewichen ist. Da ist in der Tat die Frage, ob es in der jetzigen Situation falsch ist, das zu machen. Meine Auffassung ist die, die übrigens auch Auffassung der Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein war, als die DVU, die Deutsche Volksunion, dort eingezogen ist. Damals waren auch die Grünen massiv dafür, sofort die Geschäftsordnung zu ändern und dafür zu sorgen, dass nicht jemand von der DVU das Parlament in Schleswig-Holstein eröffnet. Ich denke, von den schleswig-holsteinischen Grünen können die Bündnisgrünen sowieso ein bisschen lernen, und vielleicht auch in dieser Frage. (Lachen bei der SPD) Einen Punkt möchte ich noch einmal aufgreifen. Der Herr Bundestagspräsident ist auch gestern in einem Zeitungsinterview darauf eingegangen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es geht doch überhaupt nicht um die Frage, ob wir das, was wir von der sogenannten Alternative für Deutschland zu erwarten haben, verkraften können oder ob wir dem argumentativ gewachsen sind. Natürlich können wir das verkraften. Natürlich hält dieses Parlament das aus. Natürlich werden wir diesen Unsinn widerlegen können, und wir werden sicherlich auch die eine oder andere empörte Debatte führen. Wir reden hier nicht über Kleinigkeiten, sondern es geht immerhin um eine der zentralen Fragen des deutschen historischen Selbstverständnisses, nämlich die Relativierung dessen, was Nationalsozialisten in Deutschland an Verbrechen begangen haben. (Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Natürlich werden wir dem in Debatten begegnen können. Aber die entscheidende Frage ist: Muss es sich dieses Parlament bieten lassen, gerade durch eine solche Person die erste Parlamentssitzung eröffnen zu lassen, (Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) von der wir viel erwarten? Denn – das sieht unsere Verfassung so vor – die gewählten Abgeordneten im deutschen Parlament sind die ersten, die vom Volke die demokratische Macht verliehen bekommen. Deswegen erwarten wir auch, dass alle Menschen hierherschauen, und sie schauen auch alle her. Aus Deutschland und aus vielen Ländern der Welt wird der Fokus auf diese Eröffnungssitzung des Parlaments gerichtet sein. Natürlich kann man die Frage stellen, ob möglicherweise dieser Herr derjenige sein wird, der gewählt worden ist. Dabei ist nicht die Frage, ob er früher einmal in der CDU gewesen ist. Es ist manch einer in der CDU gewesen, bei dem ich im Nachhinein froh bin, dass er oder sie nicht mehr in der CDU ist. Aber das ist eine andere Frage. Die müssen wir nicht an dieser Stelle erörtern. Die zentrale Frage ist, ob wir das Risiko eingehen, einer Person, die nichts weniger getan hat – und daran festhält –, als die nationalsozialistischen Verbrechen an den europäischen Juden, insbesondere die Judenvernichtung, zu relativieren, diese Bühne bei der Eröffnung des Parlamentes geben. Da komme ich – darüber können wir ganz offen reden – eindeutig zu der Entscheidung: Das sollten wir nicht machen. Es wird andere Debatten geben, aber bei der Eröffnung des Parlamentes sollten wir das nicht machen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Ich möchte mich als jemand, der an diesem Thema und der Debatte nicht gänzlich unschuldig ist, herzlich bei all den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die sich in den letzten Wochen und auch in der heutigen Debatte erkennbar redlich darum bemüht haben, die nicht ganz einfache Abwägung zwischen jeweils relevanten Gesichtspunkten zu treffen. Und so, wie es bei Grundgesetzänderungen, die wir gerade gestern gleich 13-mal vorgenommen haben, gelegentlich nicht zu vermeiden ist, zwischen diesen und jenen Gesichtspunkten am Ende eine Abwägung zu treffen, gilt das bei der Selbstorganisation eines Parlamentes über die Geschäftsordnung auch. Ich finde insofern auch passend und beinahe beruhigend, dass das offenkundig auch im Abstimmungsverhalten deutlich wird. Dann stimmen wir jetzt in der gebotenen Gelassenheit über die Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ab, die Sie auf der Drucksache 18/12376 alle sicher schon seit Tagen mit sich herumtragen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir auswendig gelernt!) Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke und einer Gegenstimme von Frau Steinbach angenommen. Es liegen dazu zwei persönliche Erklärungen zur Abstimmung vor, die wie immer dem Protokoll selbstverständlich beigefügt werden.23 Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 18. Legislaturperiode) Drucksache 18/12511 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Widerspruch dagegen sehe ich nicht.24 Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 18/12511 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Auch das sieht so aus. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters Drucksachen 18/12051, 18/12497 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/12583 Auch hier werden die Reden zu Protokoll gegeben.25 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12583, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/12051 und 18/12497 in der Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Nicht alle haben dazu eine Meinung. Hinreichend klar war aber, dass damit der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen wurde. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Das erleichtert ja in der Zwischenzeit die Vervollständigung der Urteilsbildung. Wer dafür ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten Drucksachen 18/10938, 18/11187, 18/11225 Nr. 9 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) Drucksache 18/12604 Die Reden werden zu Protokoll gegeben.26 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12604, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/10938 und 18/11187 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte von den Plätzen erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen der Gesetzentwurf angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes Drucksachen 18/11493, 18/11927, 18/12181 Nr. 1.7 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 18/12580 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12616 Die Reden werden zu Protokoll gegeben.27 Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12580, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/11493 und 18/11927 in der Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die dieser Fassung zustimmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dafür ist, bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. – Wer dagegen ist, hat das jetzt gegebenenfalls deutlich zu machen. – Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen Drucksache 18/12086 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen Drucksache 18/12377 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12607 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Aussprache 25 Minuten dauern. Auch das findet offenkundig jubelnde Zustimmung. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Johannes Fechner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Johannes Fechner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe beide Zuhörer auf den Tribünen! (Heiterkeit) Immerhin! Präsident Dr. Norbert Lammert: Also, Herr Kollege, das gibt mir Gelegenheit, doch einmal geradezustellen, dass ich hier auch schon Debatten erlebt habe, wo auf der Tribüne mehr Leute anwesend waren als im Plenum. Dass wir um diese Zeit hier eine so eindrucksvolle Relation vorführen können, gehört beinahe zu den Sternstunden dieser Legislaturperiode. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Johannes Fechner (SPD): Das war auch der Sinn meines Grußes an die beiden Herren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir behandeln heute ein ernstes Thema. Wenn ein Kind heutzutage heiratet oder, besser gesagt, verheiratet wird, dann kann das ganz erheblichen negativen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Das Kindeswohl kann hier massiv beeinträchtigt werden. Je jünger ein Kind ist, das verheiratet wird, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen auf das Kind. Wenn nach heutiger Rechtslage eine 14-Jährige einen 22-Jährigen heiraten kann – das sehen wir an dem Urteil des Oberlandesgerichts, das die ganze Diskussion ausgelöst hat –, dann ist der Gesetzgeber gefragt. Deswegen legen wir heute mit diesem Gesetz das Ehemündigkeitsalter in Deutschland ausnahmslos auf 18 Jahre fest. Damit schaffen wir die Kinderehen in Deutschland ab. Wir machen ganz klar: Wir wollen bei uns keine Kinderehen. Mädchen gehören nicht in die Ehe, sondern in die Schule. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Einem Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte zufolge wird mittlerweile jede zweite Ehe in Flüchtlingslagern mit einem minderjährigen Partner – in der Regel sind das Mädchen – geschlossen. Das hat in den seltensten Fällen etwas mit einem konservativen Islam zu tun, sondern damit, dass Eltern vermeintlich glauben, dem Kind etwas Gutes zu tun und es in ein gesichertes Leben zu führen. Die Antwort eines modernen Sozialstaates muss sein, dass wir solchen Mädchen Schutz bieten, aber nicht in Form einer Ehe mit einem älteren Mann. Vielmehr müssen wir solchen Mädchen Ausbildungsperspektiven und eine gute Betreuung bieten. Es kann nicht sein, dass wir als Antwort solchen schutzbedürftigen Mädchen die Ehe mit älteren Männern ermöglichen. Erstens. Mit diesem Gesetz werden wir grundsätzlich das Ehemündigkeitsalter auf 18 Jahre anheben. Wir werden zweitens dafür sorgen, dass Ehen von 16- bis 18-Jährigen nur im Ausnahmefall weiterhin bestehen. Es wird eine Härtefallklausel geben, wonach die Bedingungen, unter denen eine solche Ehe in Deutschland Bestand haben kann, sehr streng sind. Damit stellen wir sicher, dass künftig ausnahmslos alle Kinderehen gerichtlich überprüft und regelmäßig aufgehoben werden. (Beifall bei der SPD) Drittens. Weil auch von religiösen Trauungen eine erhebliche Bindungswirkung ausgehen kann, führen wir das sogenannte Voraustrauungsverbot wieder ein. Das bedeutet, dass einer Person ein Bußgeld von bis zu 5 000 Euro auferlegt werden kann, wenn diese Person eine religiöse Verbindung zwischen einem Minderjährigen und einem Erwachsenen oder zwischen zwei Minderjährigen schafft, ohne dass zuvor eine standesamtliche Trauung stattgefunden hat. Auch das ist eine wichtige Maßnahme, weil eine religiöse Trauung erhebliche Bindungswirkung entfalten und Druck auf junge Mädchen ausüben kann. (Beifall bei der SPD) Schließlich will ich auf den Entschließungsantrag verweisen, über den wir im Anschluss an die Abstimmung über den Gesetzentwurf entscheiden werden. Wir setzen uns hier dafür ein, dass weltweit Kinderehen verboten werden und dass weltweit das Ehemündigkeitsalter auf 18 Jahre heraufgesetzt wird. Das ist ein wichtiger Appell. Damit positionieren wir uns entsprechend. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Frank Tempel für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Fast 1 500 Fälle von minderjährig Verheirateten sind ohne Zweifel eine Aufforderung an die Politik und die zuständigen Behörden, aktiv zu werden. Es geht nicht darum, unsere Rechts- und Moralvorstellungen durchzusetzen, sondern ganz konkret um die Rechte, um das Wohl der betroffenen Menschen, also der minderjährig Verheirateten. (Beifall bei der LINKEN und der SPD) Bei Ehen von Minderjährigen handelt es sich häufig um Zwangsehen – das haben wir bereits gesetzlich geregelt –, aber auch – das hat Herr Fechner beschrieben – um Zweckehen, die oft durch die Umstände in Krisensituationen in den Herkunftsländern und auf der Flucht entstanden sind. Auch da liegt zumindest eine Zwangslage vor, also kein freies selbstbestimmtes Handeln, zumal die Reife für eine solche Entscheidung bei Minderjährigen nicht gegeben ist. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern, wie wir als Staat darauf reagieren müssen. Welche Wege schlagen also die Regierungsfraktionen zur sogenannten Bekämpfung der Kinderehe vor? Ehen, bei deren Schließung ein Ehegatte minderjährig, aber mindestens 16 Jahre alt war, sollen grundsätzlich für aufhebbar erklärt werden. Zur Erläuterung für Nichtjuristen: Das ist in etwa wie bei einer Scheidung, nur dass keiner der Ehegatten einen entsprechenden Antrag stellt. Vielmehr wird die Ehe vom Staat aufgelöst, aber die Ansprüche der Ehepartner bleiben – ähnlich wie bei einer Scheidung – erhalten. Das ist natürlich wichtig; denn sonst verliert zum Beispiel die 17-Jährige, die das betreffen könnte, mögliche Unterhaltsansprüche an den Ehepartner, Ausgleichsansprüche der Altersversorgung usw. Auch die Rechte möglicher Kinder wären unklar. Es ist also wichtig, dass es so geregelt ist. Neu wäre, dass diese Aufhebung dann nicht mehr eine Kannbestimmung sein soll, sondern zum Regelfall wird. Zunächst komme ich aber noch zu den Ehen, bei denen einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 16 Jahre alt war. Diese Ehen wollen Sie nicht aufheben, sondern Sie wollen sie für nichtig erklären. Was heißt das übersetzt? Die Ehe hat dann praktisch nie bestanden. Es gibt also auch keine aus der Ehe erworbenen Ansprüche. Die Minderjährige steht dann ohne soziale Absicherung da. Eine solche Ehe pauschal per Gesetz für nichtig zu erklären, ist für den Staat ganz sicher der einfachste und schnellste Weg. Für die betroffene Minderjährige bringt er aber zusätzliche Risiken und Nachteile. Die Linke plädiert daher dafür, auch in diesen Fällen eine Aufhebung der Ehe zu prüfen – wie bei den mit 16 oder 17 Jahren geschlossenen Ehen –; denn das Wohl der zu schützenden Minderjährigen muss deutlichen Vorrang haben gegenüber dem einfachen Vollzug staatlichen Willens. Das heißt, sie darf nicht sozialer Ansprüche und Absicherungen beraubt werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage übrigens auch ganz bewusst „eine Aufhebung prüfen“, so wie das jetzt bereits rechtlich möglich ist. Pauschale Regelungen sind einfacher und billiger, aber nie besser und gerechter. Wie wir aus der Sachverständigenanhörung wissen, wurde dies auch so von der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten. Diese verlangt in jedem Fall eine individuelle Prüfung, ob die Auflösung tatsächlich dem Kindeswohl diene. Auch die von Ihnen, Herr Kollege Fechner, vorgesehene Härtefallklausel für die mit 16 oder 17 Jahren geschlossenen Ehen ist zu eng gefasst, um wirklich Entscheidungsspielräume für Gerichte zu belassen; zumindest fassen wir das so auf. In Ihrem Gesetzentwurf ignorieren Sie, liebe Kollegen von Union und SPD, die UN-Kinderrechtskonvention. Natürlich haben Sie dafür auch Motive. Einzelfallprüfungen brauchen kompetentes und geschultes Personal in der sozialen Betreuung, bei den Jugendämtern und auch bei den Gerichten – und das fehlt oft. Dann wären gründliche, sachgerechte Einzelfallprüfungen möglich. Mit ausreichendem, entsprechend geschultem Personal ist es ebenso möglich, betroffene Minderjährige zu betreuen, zu beraten und ihnen Hilfestellung zu geben. Stattdessen wollen Sie personelle Unterbesetzung in allen notwendigen Bereichen nun durch eine Pauschallösung mit erheblichen Risiken für die eigentlich zu schützenden Minderjährigen kaschieren. Es ist wie ein roter Faden in der Politik dieser Bundesregierung: Statt Vollzugsdefizite, die tatsächlich da sind, zu beseitigen, wird das Recht verschärft. Abschließend möchte ich auch sagen: Ihnen ist hoffentlich klar, dass mit Ihrem Vorschlag sogar die Gefahr erhöht wird, dass Ehen mit Minderjährigen künftig häufiger geheim und unentdeckt bleiben. Die Statistik sieht dann zwar offiziell besser aus, doch den eigentlich Betroffenen wird noch schlechter Hilfe zuteilwerden können. (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Unsinn!) Deswegen ist das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderehen als untaugliches Mittel leider abzulehnen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Alexander Hoffmann das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen: Bisweilen hat allein schon die Bezeichnung an mancher Stelle Kritik erzeugt. Ich finde die Bezeichnung eigentlich eher unproblematisch. Wir reden über eine Situation, in der der Rechtsstaat gefragt ist. Die Zahlen sprechen Bände: Im September 2015 waren 1 475 verheiratete Minderjährige im Ausländerzentralregister registriert, davon sage und schreibe 361 unter 14. Im Jahr 2016, Stand 31. Juli 2016, waren es immer noch circa 1 500 Minderjährige. Aber – hören Sie genau hin! – 631 Personen waren unter 14. Ich glaube, wir brauchen ein ganz klares Signal in unserem Rechtsstaat. Dieses Signal muss lauten: Wir dulden in unserem Land keine Kinderehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich glaube im Übrigen auch, dass dieses Signal durchaus in der Bezeichnung zum Ausdruck kommen kann. Dann wird gesagt: Ja, das vorliegende Gesetz schützt gerade die schutzbedürftigen Minderjährigen nicht, weil es ihnen Unterhaltsansprüche und erbrechtliche Ansprüche nimmt; das haben wir gerade gehört. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: In den Fällen, die wir vor Augen haben – da wird eine 12-Jährige mit einem 35-Jährigen im Flüchtlingslager verheiratet –, stellt sich diese Frage doch gar nicht. Es ist ein rein theoretischer Fall. Dort ist keinerlei Vermögen vorhanden, und wir alle wissen, dass auch die unterhaltsrechtliche Fragestellung in den nächsten Jahren hier in Deutschland oder auch in jedem Asylverfahren völlig anders abgebildet wird. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Gefangener Ihrer Klischees!) Dann heißt es: Sie verstoßen mit Ihrem Entwurf gegen die UN-Kinderrechtskonvention und gegen die Menschenrechtskonvention. – Dazu muss ich Ihnen sagen: Wir haben in der Anhörung – das ist übrigens nicht so eindeutig gewesen, wie gerade geschildert worden ist – von zwei Sachverständigen gehört: Wenn Sie effektiven Kinderschutz haben wollen, wenn Sie effektiven Frauenschutz haben wollen, dann werden Sie den nur über die Nichtigkeitslösung sicherstellen können. – Warum? Weil dort auf das Verfahren zur Aufhebung verwiesen wird. Dazu sagen uns Experten: Das Verfahren dauert leicht drei bis sechs Monate. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Ja, wegen fehlendem Personal!) In dieser Zeit gilt die Ehe unter Fortbestand aller Rechte und Pflichten fort. Die Kollegin Keul sagte im Ausschuss, da gäbe es doch die Möglichkeit der vorübergehenden Inobhutnahme. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Das ist richtig, Kollegin Keul, bedeutet aber, dass man das in jedem der 631 Fälle, die ich vorhin genannt habe, im Einzelfall prüfen muss. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Das heißt, man braucht eine Befragung. Ich will in dem Fall gar nicht davon reden, dass Sie tatsächlich glauben, dabei von einem 12-, 13-, 14-jährigen Mädchen, das eingeschüchtert ist, (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!) das Angst hat und dem eine Konvention mit auf den Weg gegeben worden ist, eine objektive und ehrliche Schilderung der Situation zu bekommen. Deswegen glauben wir: Der Weg, den wir Ihnen heute vorschlagen, ist genau der richtige. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Deutsche Kinder werden sogar mit drei Jahren vor Gericht gehört!) Dann kam in der Anhörung: Das ist ein Verstoß gegen die EU-Freizügigkeit. Jemand, der sich in Deutschland niederlassen will und früher eine Kinderehe eingegangen ist, wird abgeschreckt, weil die Ehe sofort nichtig ist. – Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich halte auch das für ein erfundenes Argument. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass jemand sagt: Früher wäre meine Ehe vielleicht nichtig gewesen, aber jetzt muss ich in Deutschland ein Aufhebungsverfahren durchlaufen. Das ist für mich weitaus attraktiver, und deswegen komme ich jetzt nach Deutschland. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein dummes Zeug?) Es geht heute – das wissen Sie ganz genau – um den Schutz erheblicher Rechtsgüter. Das sind am Ende des Tages Abwägungsentscheidungen. Wir reden über das Kindeswohl. Deswegen glaube ich, dass eine solche Entscheidung am Ende des Tages gerechtfertigt ist. Ich will gegen Ende noch etwas ganz Wichtiges ausräumen. Da ist in der Debatte in meinen Augen etwas immer wieder falsch skizziert worden. In der Debatte ist immer wieder der Eindruck erweckt worden, dass dieser Gesetzentwurf auch Ehen erfasst, die seit 10, 20, 30 Jahren bestehen, und die Bundesregierung die Nichtigkeit dieser Ehen will. Ich empfehle Ihnen da einen Blick in die Überleitungsvorschriften. Die Überleitungsvorschriften im Entwurf sehen vor, dass die Nichtigkeit dann geheilt wird, wenn der minderjährige Ehegatte am Tag des Inkrafttretens unseres Gesetzes 18 Jahre alt ist (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Ihren eigenen Ansatz nicht begriffen!) bzw. wenn die Ehe bis zum 18. Lebensjahr des minderjährigen Ehegatten im Ausland fortbestanden hat. Ich persönlich glaube: Das Signal der Nichtigkeit wirkt. Ich habe wahrgenommen, dass die Anhörung lange nicht so eindeutig war, wie Sie immer glauben machen wollen. Zur Anhörung noch ein Wort. In der Anhörung saß ein Sachverständiger, der im Zusammenhang mit Kinderehen – liebe Kolleginnen und Kollegen, man mag es kaum glauben – tatsächlich von „Romeo und Julia“ gesprochen hat. Ich sage es immer wieder: Das war der Tiefpunkt meines rechtspolitischen Daseins. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden von Fällen, in denen eine 12- oder 13-Jährige mit einem 30- oder 40-Jährigen verheiratet wird. Das ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht „Romeo und Julia“, und deswegen bitte ich um Zustimmung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Katja Keul hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es erschüttert mich auch nach acht Jahren in diesem Bundestag immer noch, wenn sehenden Auges derart schlechte Gesetze eine Mehrheit finden, und so ist es auch in diesem Fall. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) In der ersten Lesung hatten wir noch überwiegend sachlich festgestellt, dass die Nichtigkeit gegenüber der Aufhebung einer Ehe der falsche Weg ist und die Betroffenen benachteiligt, statt ihnen zu helfen. Diese Erkenntnis hatten neben der Opposition auch Teile von SPD und CDU. Ich habe Sie am Ende meiner Rede gebeten: Lassen Sie uns im Sinne der Frauen und Kinder eine große Koalition der Vernunft bilden! – Lassen Sie sich nicht schon wieder von den Hardlinern der CSU vorführen, die, wie wir gerade gehört haben, gar nicht begriffen haben, worum es eigentlich geht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Und was ist seitdem passiert? Wir hatten am 17. Mai 2017 eine Expertenanhörung, die an Deutlichkeit nicht zu überbieten war. Sowohl Herr Bär vom Deutschen Institut für Menschenrechte als auch Frau Riebau von Save the Children sahen in der rückwirkenden Nichtigkeit einen Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention. (Beifall der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Nichtigkeit ist eine Schlechterstellung der besonders jung Verheirateten gegenüber den über 16-Jährigen, weil sie nicht mehr die Möglichkeit der gerichtlichen Aufhebung haben und dabei ihrer Rechte verlustig gehen. Frau Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnenbund erläuterte uns, warum man sich 1998 zum Schutze der Betroffenen bewusst für die Aufhebung entschieden hatte. Bei einer Aufhebung gelten nämlich die gleichen Rechtsfolgen wie bei der Ehescheidung, und diese Rechtsfolgen schützen letztlich den wirtschaftlich schwächeren Partner vor Benachteiligung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das gilt doch nicht für unter 16-Jährige, für 14-, 13-, 12-Jährige!) – Sie hätten vielleicht in der Anhörung besser aufpassen sollen. Nach Professor Thomas Pfeiffer von der Uni Heidelberg verstößt Ihr Gesetz sowohl gegen die Genfer Flüchtlingskonvention als auch gegen die EU-Niederlassungsfreiheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Auch Blödsinn! Das ist falsch!) Herr Schwackenberg vom DAV sah zudem noch einen Verstoß gegen Artikel 8 der EU-Menschenrechtskonvention und gegen Artikel 6 des Grundgesetzes. Auch der Sachverständige Professor Weller hat die Nichtigkeit klar abgelehnt. Lediglich eine Einzelanwältin aus Bayern war bereit, die Position der Nichtigkeit zu vertreten. (Michael Frieser [CDU/CSU]: Und die Vertreterin von Terre des Femmes?) Die Vertreterin von Terre des Femmes schilderte noch einmal die traumatisierende Wirkung von Kinderehen, die außer Frage steht, aber ohne Ausführungen zu unterschiedlichen Wirkungen von Aufhebbarkeit und Nichtigkeit zu machen, weil sie, wie sie sagte, ja auch gar keine Juristin sei. All diese Erkenntnisse halten Sie trotzdem nicht davon ab, heute wider besseres Wissen ein Gesetz zu beschließen, das die Rechte der Menschen beschneidet, denen doch angeblich geholfen werden soll. Wer unter 16 geheiratet hat und vor dem 18. Geburtstag nach Deutschland eingereist ist, wird künftig nicht einmal mehr angehört. Die Nichtigkeit der Ehe wird durch keinerlei amtliches Verfahren mehr festgestellt. Sie bleibt quasi unsichtbar. Das schafft Rechtsunsicherheit auf allen Seiten, vor allem wenn dieses Paar seinen Aufenthalt noch mehrfach wechselt und die sogenannte hinkende Ehe in dem einen Land wirksam ist und in dem anderen nicht. Das Gesetz ignoriert zudem den Willen der erwachsenen Frau, die künftig weder die Möglichkeit hat, ihre Ehe bestätigen noch sich scheiden zu lassen. (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist doch falsch! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Jetzt lies mal das Gesetz!) Da die Wirksamkeit der Ehe von dem Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes abhängt, der wiederum vom subjektiven Bleibewillen abhängt, ergeben sich geradezu abstruse Konstellationen. So schilderte ein Experte einen Fall, in dem der jüngere Ehegatte bei der Beantragung von Asyl in Deutschland noch nicht 18 Jahre alt war und das Paar nach dem Dublin-Abkommen nach Griechenland oder Italien zurückgehen musste. Da sie bei Antragstellung hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, ist ihre Ehe damit für alle Zeit nach deutschem Recht nichtig, (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es!) auch dann, wenn sie Jahrzehnte später innerhalb der EU aus Griechenland nach Deutschland übersiedeln, egal ob sie dann 60 oder 80 Jahre alt sind. (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist falsch! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Da ist Quatsch! – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Unsinn!) Ja, so ist die Wirkung Ihres Gesetzes. Sie verlieren nicht nur ihren Unterhalt, sondern auch ihre Erbansprüche, von den Kindern und Enkelkindern einmal ganz zu schweigen. Das Schlimmste aber ist doch, dass die Fachleute und die Experten das alles längst wissen und verstanden haben. Der einzige Grund, warum Sie den Betroffenen trotzdem gleich per Gesetz ihre Rechte nehmen, ist angeblich, weil man sich mit der CSU nicht anders hat einigen können. Ich möchte wirklich einmal wissen, wer das in Ihrer Führungsebene so entschieden hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, so ist das!) Es kann jedenfalls niemand sein, der etwas vom Fach versteht, und niemand, der in der Expertenanhörung war. (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wir waren in der Expertenanhörung!) Was haben Sie aber eigentlich von der CSU dafür bekommen? Das möchte ich einmal wissen. Liebe SPD, ich kann nicht erkennen, was Sie überhaupt jemals von der CSU bekommen hätten: kein Recht auf Ehe für alle, kein Einwanderungsgesetz, keine sachgrundlose Befristung, kein Rückkehrrecht in Teilzeit. (Beifall der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Maut!) Sie sind doch die großen Volksparteien in dieser Republik, und diese Republik braucht keine CSU. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aber Sie alle tragen jetzt die Verantwortung, wenn Sie mit diesem Gesetz die betroffenen Frauen im Stich lassen. Wir Grüne wollen diesen Frauen einen Zugang zu einem gerichtlichen Aufhebungsverfahren ermöglichen und werden dieses Gesetz aus Überzeugung ablehnen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Mit Gottes Segen sind Sie bei 5 Prozent!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Fritz Felgentreu für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bisher war es so, dass in Deutschland Jugendliche mit 16 Jahren heiraten durften, wenn das Familiengericht dafür eine Ausnahmegenehmigung erteilte. Wir hätten diese veraltete Regel längst abschaffen sollen. Aber es gab dafür keinen politischen Druck; (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reagieren Sie nur auf Druck? Sie können auch auf Verstand reagieren!) denn sie wurde im Jahr nur noch etwa 100-mal angewandt. Zum Vergleich, liebe Frau Künast: In der Türkei, die ein ähnliches Recht hat, heirateten nach offiziellen Angaben 2016 knapp 30 000 Jugendliche. Das sind 5 Prozent der standesamtlichen Trauungen. Mit anderen Worten: Deutschland war dabei, auch die letzten Reste der Ehe von Minderjährigen schlicht durch gesellschaftlichen Fortschritt zu überwinden. Das ist natürlich der beste Weg. (Beifall bei der SPD) Aber er ist nicht unumkehrbar, und er ist nicht gegen Rückschläge gefeit. Wir wollen, dass nur erwachsene Menschen heiraten; denn wir sind überzeugt, dass Jugendliche die Jugendjahre brauchen, um sich zu freien, selbstbestimmten Menschen entwickeln zu können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber wir erleben auch, dass durch Einwanderung viele Bevölkerungsgruppen dazugekommen sind, die von anderen Werten geprägt sind. Wer die Familienehre und die Jungfräulichkeit der unverheirateten Mädchen für wichtiger hält als den Jugendschutz und die sexuelle Selbstbestimmung, für den ist eine möglichst frühe Ehe oft die beste Lösung. Deshalb gibt es heute wieder Nachbarschaften auch in unserem Land, auch in unserer Stadt hier in Berlin, in denen es schon für 14-jährige Mädchen nichts Ungewöhnliches ist, dass sie durch ein religiöses Ritual die Ehe eingehen. Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, schieben wir dieser Praxis einen Riegel vor. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir schützen also nicht nur die minderjährigen Einwanderer von heute, von denen bisher immer die Rede war, vor den Folgen einer zu frühen Verheiratung, wir stellen zugleich für alle Menschen in Deutschland unmissverständlich klar, dass nur erwachsene Menschen verheiratet sein können und dass eine Ehe von Kindern und Jugendlichen Unrecht ist. Dadurch schützen wir vor allem das Recht junger Mädchen und Frauen auf eine ungestörte Entwicklung. Einen Kulturrabatt auf den Jugendschutz und die Rechte von Mädchen und Frauen können und dürfen wir nicht gewähren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die bloße Gesetzgebung alleine noch nicht viel ändern. Der Anspruch, den das Gesetz formuliert, muss auch gelebt werden. Damit neue Bevölkerungsgruppen die Entwicklung der Gesamtgesellschaft nachvollziehen können, sind Aufklärung, Bildung und sozialer Aufstieg viel stärkere Triebkräfte als Reglementierung und Repression. Aber wo beides nötig ist, um Klarheit zu schaffen und Orientierung zu geben, darf die freiheitliche Demokratie nicht zögern, auch diese Instrumente zur Anwendung zu bringen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Michael Frieser ist der letzte Redner für die CDU/CSU-Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Frieser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Zahlen schon gehört, die uns in eine Position gebracht haben, die wir uns so vielleicht gar nicht ausgesucht hätten. Es ist nicht der Normalfall, dass ein Staat wie der unsere über eine Frage, die wir bisher als entschieden angesehen hätten, entscheiden muss. Aber die Hunderte von Fällen – im Regelfall geht es um Mädchen – zwingen uns, unsere Haltung zu dem, was wir nach dem Grundgesetz als schützenswertes Gut ansehen, zu überdenken. Insofern ist die eine Folge, das Mindestalter zur Eheschließung anzuheben, ein unstrittiges Thema. Aber der viel wesentlichere Punkt ist natürlich die entscheidende Botschaft: Halten wir es als Gesellschaft aus, ein Mädchen in einem Alter in einer Ehe zu belassen, bei dem unsere anderen Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetzbuch, einen ganz besonderen Schutz ausbreiten? Sind wir aus zumeist religiös motivierter Natur heraus bereit, diese Rechtsetzung, dieses Beispiel, diese Vorgabe hintanzustellen? Wir kommen zu dem Ergebnis: In dieser Frage kommt es ganz besonders darauf an, dass diesen Mädchen unter 16 Jahren ein besonderer Schutz zuteilwird. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nehmen ihnen ja den Schutz!) Deshalb ist die Regelung die – auch wenn man versucht, sich die Welt zurechtzubiegen –, dass wir diesen Mädchen durch die Nichtigkeitslösung am effektivsten, am direktesten und vor allem am schnellsten wirklich helfen können. Worum geht es? Die entscheidende Botschaft ist: Egal mit welcher Lösung Sie hantieren, es geht immer um dasselbe Problem: Die Ehe müsste nach unserer Vorstellung freiwillig eingegangen werden – eine Ehe kann nur selbstbestimmt freiwillig eingegangen werden –; dem widerspricht aber die Tatsache, dass das Kind noch in einem Entwicklungsstadium ist. Daher darf die Ehe nicht einfach als Bestand angesehen werden. Das tun Sie aber, wenn Sie der Auffassung sind, dass die Aufhebung die einzige Lösung ist. Dabei nehmen Sie billigend und real in Kauf, dass das Kind monatelang in einem Zustand verbleibt, den wir eigentlich ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD]) Das ist das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Das ist das Gegenteil von Schutz. Gehen Sie die ganzen praktischen Fragen doch bitte einmal mit uns durch: Wie wollen Sie denn eine unter 16-Jährige bei einem solchen Vorgang laden? Glauben Sie, dass Sie in irgendeiner Art und Weise an dieses Kind herankommen, ohne über den Ehemann zu gehen? Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie – der Kollege Hoffmann hat es gesagt – eine freiwillige, selbstbestimmte Einlassung zu diesen Themen bei der Befragung bekommen? (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau! Genau so ist es nämlich!) Das ist doch irreal. Das kann doch unter keinen Umständen funktionieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Das machen wir mit deutschen Kindern auch! Mit drei Jahren machen wir das!) Selbstverständlich sind wir uns der Tatsache bewusst – glauben Sie uns, wir haben es uns wahrlich nicht einfach gemacht –, dass es zu Abgrenzungsproblemen kommt. Wir wissen genau, dass wir auch verfassungsrechtlich sehr gründlich argumentieren müssen. Wir wissen, dass wir bei der Frage nach dem Ehestandsrecht im Ausland und bei der Frage nach den Folgen dieser Eheschließungen aufpassen müssen. Im Normalfall passiert dem 16-jährigen Mädchen eigentlich nichts, weil es im Grunde in den Status eines unbegleiteten Minderjährigen zurückkehrt. (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es!) Vor allen Dingen: Glauben Sie allen Ernstes, dass eine 12-, 13- oder 14-Jährige auf dem Weg nach Deutschland Versorgungsausgleichsansprüche erwirbt? Viel wichtiger sind doch die Hunderte von Fällen, in denen die Mädchen auf der Flucht einem älteren Mann anverkauft werden, weil derjenige sich dadurch bessere Chancen ausrechnet. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist die Realität. Um diesen Umstand geht es und nicht um eine herbeigeredete Verfassungsdiskussion; die können wir tatsächlich nicht führen. Wenn Sie wollen, dass wir das Gebot des Schutzes der Ehe wirklich ernst nehmen, dann nehmen Sie auch die Folgen unseres Rechtsstaates ernst. Bei all den Abgrenzungsschwierigkeiten brauchen wir eine klare Linie. Das bedeutet: Wir müssen den Menschen ein deutliches Zeichen geben, was die Ehe in unserem Land bedeutet. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen den Menschen Selbstbestimmung geben! Darum geht es doch!) Es heißt immer, das könnte man auch durch einen Richterspruch im Zuge der Aufhebung machen. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder Psychologe, jeder Soziologe, jeder Historiker sagt uns, dass bei einer Aufhebung durch einen Richter immer gesagt wird: Der hat etwas gegen mich; das sind rassistische Erwägungen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) In diesem Land ist Gesetz Gesetz. Wenn unsere Rechtsordnung sagt: „Dieses Recht der Ehe gilt für uns unumstößlich“, dann kann eine Ehe mit Minderjährigen unter 16 tatsächlich nur nichtig sein. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben solche Schranken im Kopf!) Daher sind wir der Auffassung: Diese jungen Mädchen gehören nicht in die Ehe, sondern auf die Schulbank. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht ein Mädchen weniger verheiratet auf der Welt durch die Nichtigkeit! Nicht eines! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir vor 20 Jahren bei der Debatte über Vergewaltigung in der Ehe auch immer gehört von Ihnen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Kinderehen. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12607, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksache 18/12086 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dieser Empfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Ich sehe keine. Dann ist das so beschlossen. Mir liegt eine persönliche Erklärung zur Abstimmung vor, die dem Protokoll beigefügt wird.28 Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12607 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Parallelgesetzentwurf der Bundesregierung. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung, diesen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Das sieht nach Einmütigkeit aus. Ist jemand dagegen oder enthält sich? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten Drucksachen 18/11243, 18/11616 – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Frank Tempel, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte Drucksache 18/8272 – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB) Drucksache 18/8123 – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – Drucksache 18/10980 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12602 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Dagegen sehe ich keinen Widerspruch.29 Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12602, den Gesetzentwurf der Bundesregierung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Dann ist das in zweiter Beratung einmütig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte – ab. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung – wieder auf der gleichen Drucksache –, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Das sind ein paar mehr. Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir stimmen über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen ab. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung, auch diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Mit den Stimmen der Koalition ist der Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Opposition in zweiter Beratung abgelehnt und damit das Verfahren beendet. Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Auch hier empfiehlt der zuständige Fachausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung – immer noch auf der gleichen Drucksache –, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Wiederum mit der Mehrheit der Koalition gegen die Stimmen der Opposition in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität Drucksache 18/11275 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12608 Die Reden werden zu Protokoll gegeben.30 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12608, diesen Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte erheben. – Wer dagegen ist, möge es jetzt tun. – Wer sich enthalten möchte, hat jetzt die Möglichkeit. – Damit ist bei gleichen Mehrheitsverhältnissen der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften Drucksache 18/10822 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12600 Hierzu gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Reden werden zu Protokoll gegeben.31 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12600, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit Mehrheit angenommen. Auch hierzu liegt eine Reihe von persönlichen Erklärungen zur Abstimmung vor.32 Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen möchte, möge sich bitte erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die der Opposition angenommen. Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12619 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wird nicht reichen. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt. (Zuruf von der LINKEN: Hammelsprung!) – Provoziert mich nicht! (Heiterkeit – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Zeit!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV) Drucksachen 18/12221, 18/12443 Nr. 2.2, 18/12581 Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden. – Auch hier kann ich keinen Widerspruch erkennen.33 Wir kommen zur Abstimmung. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12581, der Verordnung auf Drucksache 18/12221 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Koalition angenommen. Ichrufe Tagesordnungspunkt 33 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes Drucksachen 18/12202, 18/12496 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.34 Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf den Drucksachen 18/12202 und 18/12496 an die in der Tageordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Hat jemand andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 34 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften Drucksachen 18/12041, 18/12481 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) Drucksache 18/12611 Die Reden werden wieder zu Protokoll gegeben.35 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12611, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer dieser Empfehlung folgt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit Mehrheit angenommen. Bevor wir zur Schlussabstimmung kommen, weise ich auch hier auf zwei persönliche Erklärungen zur Abstimmung hin, die dem Protokoll beigefügt werden.36 Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Koalition angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 35 a und 35 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften Drucksachen 18/11488, 18/11930, 18/12181 Nr. 1.10 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) Drucksache 18/12587 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen Drucksachen 18/3551, 18/12606 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Offenkundig sind damit alle einverstanden.37 Tagesordnungspunkt 35 a. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften. Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass die Bundesregierung für sicher hält, dass das Parlament den Gesetzentwurf verabschiedet, auch ohne Anwesenheit derselben. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt jedenfalls in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12587, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ist jemand dagegen? – Wer enthält sich? – Wieder die Fraktion Die Linke. Dann ist das so beschlossen. Tagesordnungspunkt 35 b. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12606, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes Drucksache 18/12509 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Die Reden werden zu Protokoll gegeben.38 Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 18/12509 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Anderweitige Vorschläge gibt es nicht. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD 25 Jahre Ostseerat – Das Modell für eine gelungene Integration von Ost und West weiterentwickeln Drucksache 18/12541 (neu) Dazu gibt es viele kluge Bemerkungen, die wir im Protokoll nachlesen können.39 Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12541 (neu). Wer stimmt für diesen Antrag? – Irgendjemand dagegen? – Das ist nicht der Fall, und das, obwohl wir die Reden gar nicht gehört haben. Es ist erstaunlich, wie so etwas funktioniert. – Enthaltungen gibt es auch keine. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind vorbereitet! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können das noch machen!) – Ja, eben. Das wollten wir für das Protokoll festgehalten haben. – Damit ist jedenfalls auch dieser Antrag angenommen. Tagesordnungspunkt 38: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht Drucksache 18/12050 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/12402 Auch hier werden die Reden zu Protokoll genommen.40 Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12402, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Drucksache 18/12050 anzunehmen. Diejenigen, die dieser Empfehlung folgen wollen, bitte ich um das Handzeichen. – Diejenigen, die dagegen sind, können das jetzt auch deutlich machen. – Wer sich enthalten möchte, hat jetzt die Gelegenheit. – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mehrheitlich angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. – Das reicht. Wer ist dagegen? – Möchte sich jemand der Stimme enthalten? – Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Was machen wir jetzt mit der verbleibenden Zeit? Die Tagesordnung ist erschöpft und der eine oder andere vielleicht auch. Würden wir jetzt mit der Tagesordnung von morgen früh beginnen, wären wir sehr viel früher mittags durch. (Heiterkeit und Beifall) Ich sehe aber schon, dass keiner diesen Vorschlag ernsthaft aufgreift. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages für gleich, Beginn 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Machen Sie noch etwas aus dem Rest der Nacht. (Schluss: 2.01 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 01.06.2017 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 01.06.2017 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 01.06.2017 Färber, Hermann CDU/CSU 01.06.2017 Gabriel, Sigmar SPD 01.06.2017 Groth, Annette DIE LINKE 01.06.2017 Hornhues, Bettina CDU/CSU 01.06.2017 Jung, Andreas CDU/CSU 01.06.2017 Kolbe, Daniela SPD 01.06.2017 Notz, Dr. Konstantin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 01.06.2017 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 01.06.2017 Vries, Kees de CDU/CSU 01.06.2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 01.06.2017 Weinberg, Harald DIE LINKE 01.06.2017 Wicklein, Andrea SPD 01.06.2017 Wiese, Dirk SPD 01.06.2017 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 01.06.2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. h. c. Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulrich Hampel, Ralf Kapschack, Dr. Matthias Miersch, Bettina Müller, Bernd Rützel, Dr. Hans-Joachim Schabedoth und Kerstin Tack (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halten wir für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffen wir aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Wir empfinden es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Deshalb stimmen wir dem Gesetzespaket zu. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werben wir für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Petra Crone, Elvira Drobinski-Weiß, Dagmar Freitag, Birgit Kömpel, Anette Kramme, Petra Rode-Bosse und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee immer befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Der Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und ob in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden kann. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft entsprechend gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hendrik Hoppenstedt und Dr. Sabine Sütterlin-Waack (beide CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) In unserer bundesstaatlichen Kompetenzverteilung gab es seit 1949 stete Veränderungen. Die Verfassungsgeber haben 1949 noch eine relativ klare Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern gezogen. Grundsätzlich sind die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Ländersache, vergleiche Artikel 30, 70 Absatz 1, 83 GG. In den folgenden Jahrzehnten gab es – bedingt durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und ab 1969 durch verschiedene Änderungen des Grundgesetzes – eine Verschiebung hin zu einem kooperativen Föderalismus, der das Kompetenzgefüge zugunsten des Bundes und zulasten der Länder verschob. Im Gegenzug erhielten die Bundesländer bei der Gesetzgebung größere Mitwirkungsrechte in Bundesangelegenheiten über den Bundesrat. Im Ergebnis führte dies zu Intransparenz und Unklarheiten bei der Verantwortlichkeit, die es Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich ein Urteil über die politischen Akteure der jeweiligen Entscheidungsebenen zu bilden und anschließend auf dieser Grundlage ihre demokratischen Teilhaberechte in Wahlen und Abstimmungen auszuüben. Unser demokratisches Gemeinwesen war stets dann besonders stark, wenn Bürgerinnen und Bürger in einem überschaubaren Rahmen Entscheidungen treffen können. Ein lebendiger Föderalismus garantiert dies. Umso wichtiger war 2006 daher die Föderalismusreform I, die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte versucht hat zu korrigieren, um wieder eine deutlichere Trennung der Verantwortlichkeiten zu schaffen. Mit den heute zur namentlichen Abstimmung gestellten insgesamt 13 Änderungen des Grundgesetzes werden die mit der Föderalismusreform I verbundenen Reformbemühungen teilweise konterkariert. Mit der Neufassung des Länderfinanzausgleiches werden die Bundesländer noch stärker zu Kostgängern des Bundes. Gleichzeitig steigt die finanzielle Belastung des Bundes signifikant. Mit der Überführung von Bundesautobahnen in die bundesunmittelbare Verwaltung wird den Ländern eine erhebliche Kompetenz im Verwaltungsvollzug genommen. Schließlich verlieren die Länder über die Änderungen im Rahmen des Artikel 104c GG ihre ausschließliche Zuständigkeit für das Schulwesen, indem der Bund Finanzhilfen für besonders sanierungsbedürftige Schulen leistet. All diese Veränderungen halte ich in der Summe für ablehnungswürdig. Ich muss allerdings zur Kenntnis nehmen, dass alle 16 Bundesländer diese grundgesetzlichen Veränderungen nicht nur akzeptiert, sondern zum Teil erbeten haben. Es ist zu konstatieren, dass nicht alle Länder mehr willens und in der Lage sind, ihrer Verantwortung vollumfänglich nachzukommen. Das manifestiert sich darin, dass kaum noch leistungsfähige Landesverwaltungen für die Planung und den Unterhalt für Bundesautobahnen bestehen. Auch dass der kommunale Finanzausgleich nicht so gestaltet wird, dass besonders finanzschwache Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Schulgebäude zu unterhalten, unterstreicht dies. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages stehe ich daher vor der Frage, entweder aus verfassungspolitischen Gründen die Änderung abzulehnen und die entstandenen Missstände, die zu einem immer größeren Gefälle zwischen unseren Bundesländern führten, zu akzeptieren. Die Alternative ist, den grundgesetzlichen Änderungen zuzustimmen und damit hinzunehmen, dass unsere bundesstaatliche Ordnung sich wieder in eine Richtung entwickelt, die ich für schädlich halte. Als besonders schwerwiegend empfinde ich den Eingriff des Artikel 104c GG, mit dem der Bund in die Finanzierung von Schulen hineinwirkt. Um die erheblichen Folgen des Reformstaus bei den Bundesländern abzuwenden, entscheide ich mich schweren Herzens dafür, zuzustimmen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass wir im Dialog zwischen Bund und Ländern zukünftig wieder einen Konsens finden, um eine weitere Aushöhlung unseres föderalen Systems zu verhindern. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Florian Post und Claudia Tausend (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g ) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) Nach den Erfahrungen mit der Privatisierung unter anderem der Post, der Telekom und der Bahn lehnen wir eine private Rechtsform der Verwaltung der Bundesautobahnen ab und stimmen daher gegen die entsprechenden geplanten Änderungen des Grundgesetzes. Auch wenn es gelungen ist, eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der geplanten Infrastrukturgesellschaft und möglicher Tochtergesellschaften im Grundgesetz auszuschließen, kann zu einem späteren Zeitpunkt eine Umwandlung der geplanten GmbH in eine Aktiengesellschaft durch einfachgesetzliche Regelung erfolgen. ÖPP-Modelle haben nach Berichten des Bundesrechnungshofes in der Vergangenheit immer zu einem erheblichen Mehraufwand für den Bund und damit den Steuerzahler geführt. Auch mit der neuen Formulierung in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes, die den auslegungsfähigen Begriff „wesentliche Teile“ verwendet, werden ÖPP möglich bleiben. Wir kritisieren, dass die nähere Begrenzung wiederum nur einfachgesetzlich geregelt wird. Wir sehen die Gefahr, dass ÖPP künftig bei Autobahnprojekten Standard werden. Ebenfalls nur einfachgesetzlich wird die Kreditfähigkeit der neuen Infrastrukturgesellschaft und möglicher Tochtergesellschaften geregelt; sie kann von anderen Mehrheiten jederzeit geändert werden. Somit bleibt aus unserer Sicht eine grundgesetzlich verankerte Privatisierung der Rechtsform der Bundesautobahnen mit einer nicht auszuschließenden späteren Kapitalprivatisierung der Bundesfernstraßen, der wir nicht zustimmen können. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ursula Schulte und Gülistan Yüksel (beide SPD) zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g ) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) Der Bundestag stimmt heute ab über den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften“. Dabei handelt es sich um ein Gesetzespaket, das verschiedene politische Vorhaben miteinander verknüpft: – die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen, – die Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, – die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende und – Bildungsinvestitionen des Bundes zur Schulsanierung in finanzschwachen Kommunen. In dem Gesetzespaket wurden also Themen miteinander verknüpft, die inhaltlich in keinem Zusammenhang stehen. So gut und wichtig vor allem Bildungsinvestitionen auch seitens des Bundes und eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses sind, so kritisch stehe ich der Gefahr einer Autobahnprivatisierung gegenüber. Diese wird durch den Gesetzentwurf nicht gänzlich ausgeschlossen. Deswegen werde ich dem Regierungsentwurf – trotz zahlreicher Verbesserungen durch die SPD-Fraktion im parlamentarischen Verfahren – nicht zustimmen. Ich erkenne ausdrücklich an, dass unsere Fraktion im Ringen um einen Kompromiss viele entscheidende Änderungen erreichen konnte. Der ursprüngliche Gesetzentwurf von Wolfgang Schäuble (CDU) sah eine staatsferne Autobahngesellschaft vor, der es möglich sein sollte, Schulden neben dem Staatshaushalt aufzunehmen. Auf diese Weise hätten die vom Volk gewählten Parlamentarier keinen Einfluss mehr auf die Schuldenaufnahme gehabt. Außerdem wäre der unbegrenzte Einbezug privater Investoren möglich gewesen. Dazu wird es dank der kritischen Öffentlichkeit und des vehementen Einsatzes der SPD-Fraktion nun nicht kommen. So wird im Grundgesetz ausdrücklich festgeschrieben, dass der Bund hundertprozentiger Eigentümer sowohl der Bundesfernstraßen als auch der Infrastrukturgesellschaft bleibt. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung privater Investoren an der Infrastrukturgesellschaft oder möglichen Tochtergesellschaften ist grundgesetzlich ebenfalls ausgeschlossen. Trotz dieser Verbesserungen werde ich dem Entwurf nicht zustimmen. Denn: Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, etwa durch öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP), wird im Grundgesetz nur teilweise ausgeschlossen. Wörtlich soll im Grundgesetz Folgendes festgeschrieben werden: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Unklar bleibt, was unter der Formulierung „wesentliche Teile“ gemeint ist. Genaueres hierzu ist nur einfachgesetzlich geregelt – könnte also auch durch eine etwaige schwarz-gelbe Regierung geändert werden. Vorerst würden ÖPPs nach der Gesetzesänderung nur auf nicht miteinander verbundenen Teilstrecken von maximal 100 Kilometer möglich gemacht. Dieser möglichen Form der Teilprivatisierung – geschweige denn der Ermöglichung der zukünftigen Ausweitung im Umfang – kann ich nicht zustimmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Alleinerziehenden in unserem Land besser unterstützen und unsere Schulen sanieren müssen. Ich plädiere dafür, schnellstmöglich ein solches umfangreiches Konjunkturprogramm zur Sanierung unserer Schulen umzusetzen. Dies wäre möglich, ohne im Gegenzug weitreichende Grundgesetzänderungen zu beschließen. Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über a) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) b) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften die Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu c) dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen und die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen zu d) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsherausforderungen gemeinsam verantworten – Kooperationsverbot in der Bildung endlich aufheben dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN In die Zukunft investieren – Ein Wissenschaftswunder initiieren (Tagesordnungspunkt 9) Ingrid Arndt-Brauer (SPD): In den letzten Monaten und Wochen wurde intensiv über eine Reform der Auftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen diskutiert. Darüber hinaus wurde um ein Modell gerungen, mit dem zusätzliches privates Kapital für öffentliche Investitionen in die Bundesfernstraßen mobilisiert werden kann. Dabei war für die SPD die Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes eine Option, um die beiden Ziele zu erreichen. Im Kontext dieser Debatte haben wir als SPD immer betont, dass es eine Privatisierung der Bundesfernstraßen nicht geben wird. Investitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur sind für uns Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. ÖPP (öffentlich-private Partnerschaft) – also die Beteiligung privaten Kapitals – ist nur (noch) auf Teilabschnitten (maximal 100 Kilometer Länge) möglich, die nur unwesentliche Teile des Autobahnnetzes betreffen dürfen. Ungeachtet dessen habe ich mich aus nachfolgend aufgeführten Gründen entschlossen, bei den heutigen Abstimmungen mit Nein zu stimmen: Die Errichtung der Bundesfernstraßengesellschaft stellt kein isoliertes Gesetzesvorhaben dar, sondern ist mit der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 verknüpft. An den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern war der Bundestag, das heißt auch ich als Parlamentarierin, zu keiner Phase beteiligt. Ich darf also nur noch über ein fertiges Gesetzespaket abstimmen. Der mit 16 : 0 Länderstimmen erreichte Kompromiss beinhaltet eine grundlegende Änderung des Länderfinanzausgleichs. Den Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft übernimmt zukünftig der Bund, indem er die Mehrkosten trägt. Dieses widerspricht meines Erachtens dem Grundgedanken der Solidarität der Länder untereinander, bei dem die Stärkeren die Schwächeren unterstützen. Ein stärkerer Geist der Solidarität würde unserer Gesellschaft insgesamt guttun; der jetzige Beschluss wirkt diesbezüglich „mental“ kontraproduktiv. Die Sachverständigen in der Anhörung haben deutlich gemacht, dass das neue Finanzausgleichssystem keinen Beitrag dazu liefern wird, die gewünschte Konvergenz der unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu befördern. Die Errichtung der Bundesverkehrsstraßengesellschaft wird in vielen Einzelheiten im Grundgesetz festgeschrieben. Damit entsteht für kommende Parlamente eine Bindungswirkung, die sehr schwer aufzulösen sein wird (Zweidrittelmehrheit in Bundestag/Bundesrat nötig). Dadurch geht einem zukünftigen Bundestag als Gesetzgeber Handlungsspielraum verloren, was den Parlamentarismus und den Demokratiegedanken per se schwächt: nämlich, dass wechselnde parlamentarische Mehrheiten ihre politischen Vorstellungen realisieren können. Die Bürgerinnen und Bürgern sollten an der Wahlurne entscheiden können, ob und wie weit eine private Finanzierung von Autobahnen/Bundesstraßen gewünscht ist oder nicht. Eine einfachgesetzliche – das heißt leichter änderbare – Regelung hätte dieses besser ermöglicht. Die jetzige Zementierung im Grundgesetz halte ich daher für einen Fehler. Sie ist zudem praxisfern: Was geschieht eigentlich, wenn ein ÖPP-Teilabschnitt doch einmal etwas länger als 100 Kilometer sein muss? Kurze Anmerkung am Rande: ÖPPs stellen keine „Privatisierung“ dar und sind nicht a priori schlecht. Es gab in der Vergangenheit sogar rein private Finanzierungen. Niemand kann verlässlich vorhersagen, ob wir als Staat auch zukünftig genügend Investitionsmittel werden bereitstellen können, um notwendige Straßenbaumaßnahmen umzusetzen. Niedrigzinsen und gute konjunkturelle Bedingungen können (und werden) sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwann auch wieder ändern. Das vorliegende Gesetzespaket wurde mit „artfremden Gesetzen“ verknüpft, namentlich mit der Verlängerung des Unterhaltsvorschusses und Hilfen für finanzschwache Kommunen bei der Schulinfrastruktur in Höhe von 3,5 Milliarden Euro (teilweise Aufhebung Kooperationsverbot!). Für diese beiden Gesetzesänderungen hatte sich die SPD sehr stark und erfolgreich engagiert. Ich lehne eine solche Verknüpfung aber aus Prinzip entschieden ab. Als Abgeordnete gerate ich so unvermeidbar in einen Konflikt, dass ich bei Ablehnung des gesamten Gesetzespaketes auch sinnvolle und von mir ausdrücklich gewünschte Vorhaben negiere/verhindere. Bärbel Bas (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast eine Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird auch in Duisburg dazu führen, dass Alleinerziehende die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigen können. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Diese Investitionen werden auch Duisburgs Schulen zugute kommen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investorinnen und Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Ich stimme dem Gesetzespaket zu. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Ich stimme aufgrund der Verhandlungserfolge zu. Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus den vorliegenden Grundgesetzänderungen nicht zustimmen und werde mich der Stimme enthalten. Natürlich müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen infolge Auslaufen des Solidarpaktes neu geregelt werden. Die inhaltlichen Vorgaben dazu und zu den anderen vorgeschlagenen Regelungen (Unterhaltsvorschuss, Infrastruktur, Bildung usw.) sind auch akzeptabel und in sich schlüssig, was das Verhältnis „Mehr Geld des Bundes an die Länder“ gegen „Mehr Kontrollrechte des Bundes“ angeht. Aber dass mit dieser Reform das Grundgesetz an insgesamt 14 Stellen geändert werden soll, ist eben nicht akzeptabel. Ähnlich weitreichende Eingriffe in das Grundgesetz gab es zuletzt bei den Föderalismusreformen nach umfangreichen und tiefgreifenden Debatten einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Föderalismuskommission. Seinerzeit ist es darum gegangen, die Eigenständigkeit und Selbstverantwortung der Länder zu stärken. Nun wird diese erst vor einigen wenigen Jahren justierte bundesstaatliche Grundordnung konterkariert, indem der Bund immer mehr Finanzverantwortung für Aufgaben der Länder übernimmt, die diese aus den verschiedensten politischen Gründen nur allzu gerne abgeben. Das sind unter dem Deckmäntelchen eines vermeintlichen Föderalismus daherkommende erste Schritte in einen Zentralstaat. Dabei ist die Neuordnung der Finanzbeziehungen, die eigentlich Ziel der Reform war, zunehmend aus dem Blick geraten. Das Grundgesetz soll Regelungen enthalten, die für „möglichst immer“ gelten, das heißt, eine sogenannte Ewigkeitsgarantie besitzen. Diese bestimmt auch, dass Regeln des politischen Tagesgeschäfts – und seien sie noch so hochkomplex und numerische Aufzählungen – nichts im Grundgesetz zu suchen haben. Stattdessen werden jetzt Milliardenzuschüsse von 3,5 Milliarden Euro für Schulen in finanzschwachen Kommunen ausgegeben (– damit werden jahrelange Versäumnisse bzw. das Unvermögen bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur durch SPD-regierte Bundesländer ausgeglichen –) und die Ausgestaltung einer Autobahngesellschaft geregelt. Hier wie bei den weiteren Neuerungen wären einzelgesetzliche Regelungen vollkommen ausreichend gewesen. Dann könnte es jederzeit Evaluationen und nachfolgend, falls notwendig, auch Korrekturen geben. Wir blieben politisch relativ handlungsfähig, da die im Ergebnis umstrittenen Neuregelungen durch Änderungen des Grundgesetzes praktisch nicht irreversibel gemacht würden. Stattdessen wird durch ein Sammelsurium von Regelungen das Grundgesetz inflationiert und quasi entwertet. Stattdessen werden Forderungen, die ohne Frage Verfassungsrang haben, wie die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz, trotz einer breiten Unterstützung der Öffentlichkeit (vom Deutschen Kulturrat über den Verein Deutsche Sprache e. V. bis hin zu CDU-Parteitagsbeschlüssen und sogar entsprechenden Unterstützungszusagen der Bundeskanzlerin in mehreren Veranstaltungen) regelmäßig von Grundgesetzänderungen ausgenommen. Marco Bülow (SPD): Heute beschließt der Deutsche Bundestag den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich, der auch die Regelungen zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft enthält. Nach reiflicher Abwägung habe ich mich dazu entschieden, gegen dieses Paket zu stimmen. Dieses Gesetzespaket enthält umfassende Änderungen des Grundgesetzes sowie einfachgesetzliche Änderungen. Es geht zurück auf eine Einigung zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom Dezember 2016 als Ersatz für die derzeitigen Regelungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich, die 2019 auslaufen. Der Hauptgrund für mich, dem Gesetzespaket meine Zustimmung zu verweigern, ist die darin enthaltene Einführung einer Infrastrukturgesellschaft zur Sicherstellung der Finanzierung und Effizienz bei Bau und Verwaltung der Bundesautobahnen. Die Schaffung einer Gesellschaft privaten Rechts widerspricht meinem Grundsatz, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, in die öffentliche Hand gehört. Einer Infrastrukturgesellschaft könnte ich nur zustimmen, wenn diese die Form einer Gesellschaft öffentlichen Rechts hat. Das ist in dem vorliegenden Kompromiss nicht der Fall. CDU/CSU haben dies vehement abgelehnt. Ich halte das für einen großen Fehler. Eine spätere Privatisierung von Teilen des Autobahnnetzes bleibt nicht ausgeschlossen. Da für eine erneute Änderung eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, wird diese Entscheidung so gut wie nicht mehr umkehrbar sein. Damit haben erneut einzelne Lobbyinteressen den Vorzug vor dem Allgemeinwohl erhalten. Zudem wird der Bundestag ein weiteres Mal entmachtet. Dies setzt den schon länger bestehenden Prozess der schleichenden Entmachtung der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter fort, bei dem immer mehr Befugnisse auf andere Ebenen übertragen werden. Deshalb werde ich mich weiterhin gegen die Entmachtung des Parlamentes und gegen den Ausverkauf von originären Staatsaufgaben zugunsten von Einzelinteressen zur Wehr setzen. Meine Fraktionskollegen und -kolleginnen haben lange und hart verhandelt, um möglichst viele Privatisierungsschranken einzubauen. So wurden auch Änderungen bereits im Grundgesetz hineinverhandelt, durch die die mittelbare und unmittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausgeschlossen wird. Außerdem ist ausgeschlossen, dass sich Private im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder wesentliche Teile davon betreffen, beteiligen. Insbesondere Bundesverkehrsminister Dobrindt wollte ursprünglich sogar bis zu 49 Prozent der Gesellschaft an private Investoren veräußern. Dies ist unglaublich. Trotz der Veränderungen im aktuellen Gesetz besteht aber immer noch die Möglichkeit, ÖPP in höherem Maße durchzuführen. Zudem ist der Begriff „wesentliche Teile“ zu unkonkret, als dass damit ein wirklicher Ausschluss Privater garantiert ist. Darüber hinaus wird erstmals geradezu dazu aufgerufen, dass die Sanierung und der Bau von Schulen durch ÖPP-Vorhaben umgesetzt werden. Diesem widerspreche ich mit aller Entschiedenheit. Die Bereitstellung von Bildungsinfrastruktur ist elementare Aufgabe des Staates. Des Weiteren ist ein möglicher Wechsel der Rechtsform, zum Beispiel der GmbH in eine AG, lediglich einfachgesetzlich geregelt. Das bedeutet, eine andere Bundesregierung kann diese Umwandlung ohne eine Änderung des Grundgesetzes mit einfacher Mehrheit vollziehen. Gleiches gilt für die Kreditfähigkeit der Gesellschaft. Es ist zwar nicht erlaubt, dass diese selbst Kredite aufnimmt, aber dieser Punkt ist ebenfalls nur einfachgesetzlich geregelt. Gleiches gilt für den vorgesehenen Parlamentsvorbehalt, der damit ebenso durch eine andere politische Mehrheit jederzeit verändert werden kann. Auch die Übernahme des Angestellten ist nur einfachgesetzlich abgesichert, so dass die Gefahr besteht, dass eine andere politische Mehrheit den Abbau von bislang gesicherten Arbeitsplätzen mit Tariflöhnen und guter Mitbestimmung organisiert. Ich halte es ebenso unter demokratischen Gesichtspunkten für höchst problematisch, weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit nicht weniger als 13 Grundgesetzänderungen in einer Abstimmung im Paket zu beschließen. Hier geht es nicht nur um die Bund-Länder-Finanzierung, sondern eben auch um die Autobahnprivatisierung oder den Unterhaltsvorschuss. Alles wichtige Gesetze, für die man sich die Zeit nehmen sollte, sie einzeln zu diskutieren. Der Unterhaltsvorschuss beispielsweise wird ausgeweitet und zukünftig bis zum 18. Lebensjahr gezahlt. Die Begrenzung auf sechs Jahre soll entfallen. Es ist eine wichtige Regelung, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht oder nicht regelmäßig zahlt. Bund und Länder haben das gemeinsam vereinbart. Wir müssen aber auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Mehrkosten bei den Kommunen zukünftig aufgefangen werden. Ein wichtiger Fortschritt, der aber nicht gemeinsam mit den anderen Punkten in einem Paket beschlossen werden darf. Für mich ist klar: Die Union wollte von Anfang an eine echte Privatisierung der Autobahnen und wird das auch weiterhin vorantreiben. Der vorliegende Kompromiss schließt dies nicht vollumfänglich aus, und daher kann ich ihm nicht zustimmen. Den weiteren Regelungen, die sich beispielsweise auf die Neuordnung des Finanzausgleichs oder das Aufheben des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich beziehen, werde ich zustimmen. Zu den einzelnen namentlichen Abstimmungen: 1.: Änderungsantrag der Linken zu Artikel 90 GG – Autobahngesellschaft: Votum: Enthaltung 2.: Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen: Votum: Enthaltung 3.: Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen zu den Artikeln 90 und 143e GG – Autobahngesellschaft: Votum: Enthaltung 4.: Änderung des Artikel 90 GG – Autobahngesellschaft: Votum: Nein 5.: Änderung des Artikel 107 GG –Steuern: Votum: Ja 6.: Änderung des Artikel 125c GG – Verlängerung Gemeindeverkehrsfinanzierung und Hilfen für Bremen und Saarland: Votum: Ja 7.: Änderung des Artikel 143e GG –Verbleib der Bundesautobahnen in Länderverwaltung: Votum: Enthaltung 8.: Gesamtgesetz – Änderung von insgesamt 13 Artikeln des GG: Votum: Nein Dr. Daniela De Ridder (SPD): Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee immer befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und ob in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden können. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft entsprechend gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. Schließlich wollen wir es im Rahmen unserer Verantwortung in der Bildungspolitik nicht hinnehmen, dass finanzschwache Kommunen nicht mithalten können: Lebenschancen werden auch durch den Zugang zu Bildungsangeboten bestimmt, und diese dürfen nicht vom Portemonnaie der Eltern oder der Finanzkraft der Kommune abhängen. Daher sehe ich den Bund hier in der Verantwortung, ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem und die damit verbundenen Chancen allen Menschen gleichberechtigt zur Verfügung zu stellen. Auch wenn ich mich für eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbotes einsetze, sehe ich in der nun realisierten Aufweichung einen wichtigen Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen, gerechten und modernen Schullandschaft. Als Bildungspolitikerin sehe ich mich aber auch nach der heutigen Entscheidung verpflichtet, an der Aufhebung des Kooperationsverbotes mit aller Kraft weiterzuarbeiten. Auch die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses ist für mich ein besonders wichtiges Anliegen, da wir durch die Verlängerung des Bezugsrechts für Eltern von Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren die Alleinerziehenden spürbar entlasten. Das ist dringend notwendig, weil unter den Alleinerziehenden zumeist Frauen in der Verantwortung stehen und folglich eine größere finanzielle Last tragen. Alleinerziehende Mütter sind doppelt belastet: Sie verdienen im Durchschnitt immer noch weniger als Männer pro Arbeitsstunde, was wir alljährlich beim „Equal Pay Day“ beklagen müssen. Darüber hinaus sind Alleinerziehende auch häufig aufgrund ihrer familiären Situation lediglich in Teilzeit beschäftigt. Das hat auch bittere Konsequenzen für die individuelle Rente; so sind besonders Frauen von der Altersarmut bedroht. Als Bundespolitikerin werde ich mich in der Gleichstellungspolitik auch weiterhin einsetzen. Die Reform des Unterhaltsvorschusses ist da ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den ich ausdrücklich unterstütze. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Dr. Karamba Diaby (SPD): Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee immer befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Den Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und ob in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden kann. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft entsprechend gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind gerade auch für mich als Bildungspolitiker die Einschränkung des Kooperationsverbots und die damit verbundene Zurverfügungstellung von 3,5 Milliarden Euro zur Sanierung von Schulen und Turnhallen für finanzschwache Kommunen sowie der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Ich werde heute den beiden von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfen nach reiflicher Überlegung meine Zustimmung erteilen. Dies geschieht unter Zurückstellung folgender schwerwiegender Bedenken: Erstens. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz in insgesamt 52 Fällen geändert. Die allermeisten dieser Änderungen waren rechtstechnisch überschaubar, auch wenn die politische Bedeutung eine andere gewesen sein mag. Im vorliegenden Fall ist dies anders. Ich betrachte diese Verfassungsänderung als eine der umfangreichsten seit der Verabschiedung des Grundgesetzes. Die wesentlichen Eckpunkte hierzu wurden in einem Beratungsformat erarbeitet, dem die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder, Vertreter der Bundesregierung sowie einige wenige Abgeordnete des Deutschen Bundestages angehörten. Die Funktion des Deutschen Bundestages als Legislativorgan ist für mich nicht in ausreichender Weise abgebildet. Demokratietheoretisch und verfassungsrechtlich halte ich ein solches Prozedere für in hohem Maße problematisch. Zweitens. Der bisher bestehende sogenannte horizontale Länderfinanzausgleich hatte erwiesenermaßen deutliche Schwächen, weil er finanzstarke Bundesländer auf Dauer zu Gebern und finanzschwächere Bundesländer auf Dauer zu Nehmern machte und keinerlei Anreize setzte, diese Ungleichbehandlung mittel- und langfristig zu beheben. Diese Tatsache führte bekanntermaßen zu mehreren Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Anstatt das prinzipiell vernünftige System des horizontalen Länderfinanzausgleichs so angemessen zu reformieren, dass sich die unterschiedlichen Interessen von bisherigen Nehmer- und Geberländern darin wiederfinden, beseitigt der Gesetzgeber nun den horizontalen Länderfinanzausgleich in seiner bisherigen Form und ersetzt ihn durch eine deutliche Stärkung bisher schon vorhandener vertikaler Systeme zwischen dem Bund und den Ländern. Diese setzen aber keinerlei Anreiz zur Haushaltskonsolidierung bei den Ländern und laufen mittelfristig auf eine deutliche Mehrbelastung des Bundeshaushalts hinaus. Das ist ordnungspolitisch falsch. Drittens. Die Verfassungsrealität der Bundesrepublik Deutschland versteht die Kommunen als Teil der Bundesländer. Daraus folgt erstens, dass originär die Bundesländer für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig sind, und zweitens, dass der Bund gegenüber den Kommunen grundsätzlich keine direkten, eigenen Finanzbeziehungen unterhält. Durch die vorliegenden Gesetzentwürfe wird das Gegenteil dessen ermöglicht. Dies ist nach meiner Einschätzung verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Viertens. Bundesrat und Bundestag haben in den zurückliegenden Jahren in zwei Föderalismuskommissionen aus meiner Sicht erfolgreich den Versuch unternommen, die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern zu entflechten, auch wenn der Status quo noch nicht als optimal bezeichnet werden kann. Die vorliegenden Gesetzentwürfe bedeuten faktisch die Rückabwicklung dessen, was durch die Arbeit der Föderalismuskommissionen erreicht worden ist. Fünftens. Politisch gesehen bereitet der Gesetzgeber den Weg weg vom föderalen Staatsaufbau hin zur Zentraladministration. Dies haben die Eltern des Grundgesetzes nach meiner Meinung aus guten Gründen nicht gewollt. Die Bundesländer werden in ihrer Entscheidungshoheit geschwächt und finden sich finanziell gesehen stattdessen am „goldenen Zügel“ des Bundes wieder. Ob dies den Interessen der Bundesländer strukturell dient, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, auch wenn der temporäre finanzielle Nutzen für sie eindeutig ist. Wenn ich den vorgelegten Gesetzentwürfen trotz der vorgetragenen Bedenken heute zustimme, dann geschieht dies aus folgenden Überlegungen: Die Praxis in Planung und Bau von Bundesautobahnen hat sich im System der Auftragsverwaltung durch die Länder schon seit geraumer Zeit sowohl in finanzieller als auch in organisationstechnischer und zeitlicher Hinsicht als ineffizient erwiesen. Der Ansatz, die Kompetenzen für Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb von Bundesautobahnen auf der Bundesebene zu bündeln, ist also grundsätzlich richtig. Ebenso ist es meines Erachtens richtig, den Vollzug dieser Punkte in einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes vorzusehen und damit dem Vorbild Österreichs (ASFINAG) zu folgen. Dabei ist sicherzustellen, dass der Bund bei der Realisierung von Bundesautobahnen personell in den Regionen angemessen präsent bleibt. Die Berücksichtigung möglicher regionaler Besonderheiten und die Sicherstellung der Akzeptanz der Bevölkerung sind in einem Verfahren, das bundesweit von Berlin aus gesteuert werden soll, nicht möglich. Es hätte aber aus ordnungspolitischen Gründen noch mehr Sinn gemacht, auch die Bundesstraßen unter diesem Dach zusammenzufassen. Künftig werden so das bisherige System der Auftragsverwaltung für Bundesstraßen und die Infrastrukturgesellschaft für Bundesautobahnen nebeneinander bestehen. Michaela Engelmeier (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Gesetzentwurf zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems ab. Ich finde es bedauerlich, dass diese Beratung und Abstimmung nur im Paket erfolgt, weil dadurch in der Öffentlichkeit keine Differenzierung und Akzentuierung der unterschiedlichen Themenbereiche Autobahnregelungen, Veränderung des Kooperationsverbotes in der Bildung und Unterhaltsregelungen möglich sind. Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erfordern, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden. Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn der eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: Künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal sechs Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett. Weil mein Votum klar für die Regelungen in den Bildungsbereichen und zur Unterhaltsregelung steht, stimme ich deshalb trotz persönlicher Bedenken den Autobahnregelungen zu. Daher mache ich in dieser Erklärung deutlich, dass ich mich persönlich und auch die SPD Fraktion sich immer gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchgesetzt hat. Schon innerhalb der Bundesregierung ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, hundertprozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetzänderungen durchgesetzt. Erstens. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: Die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, 0 Prozent privat. Zweitens. Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, zum Beispiel durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen. Mit diesen Grundgesetzänderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker und manche Kampagne haben absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetzänderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen. Dies bestätigt uns auch der Bundesrechnungshof (BRH), der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. Im Ergebnis haben wir als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs – Bund ist hundertprozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft – mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt. Neben den beiden Grundgesetzänderungen verweise ich auf folgende Punkte, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder auftauchen und oft falsch dargestellt werden: – Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen – zinslose Darlehen – aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch. – Eine Übertragung von sogenannten Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen. – Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von Nießbrauchrechten und anderen Rechten werden ausgeschlossen. – Mautgläubiger der Lkw-Maut und der Pkw-Maut bleibt der Bund. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wird gestrichen. – Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert. – Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen (weswegen beispielsweise die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt macht, obwohl sie könnte). Drittens und aus meiner Sicht am Wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetzänderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekt an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden. Uns Sozialdemokraten war aber nicht nur der Ausschluss von Privatisierungsoptionen wichtig, sondern auch die Zukunft der Beschäftigten, die gegenwärtig in den Straßenbauverwaltungen der Länder beschäftigt sind und künftig zum Bund wechseln sollen. In der Summe ergibt sich damit ein Gesetz, dem ich mit guten Gewissens zustimmen kann. Die im Regierungsentwurf angelegte Reform und teilweise Beendigung der Auftragsverwaltung für die Autobahnen ist sinnvoll. Die bundeseigene Verwaltung verspricht zügigere Baumaßnahmen und einen effizienteren Mitteleinsatz. Der Bund ist künftig durch die zentrale Steuerung weniger abhängig von der Kooperationsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit von Landesstraßenbauverwaltungen, um seine Prioritätensetzungen bei den Verkehrsinvestitionen umzusetzen. Ferner wird der Lebenszyklus einer Bundesautobahn in den Fokus gerückt. Entscheidend sind aber die Verbesserungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben. Erstens. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz. Zweitens. Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt und schaffen eine leistungsfähige neue Organisation, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. Drittens. Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt. Thorsten Frei (CDU/CSU): Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist ein elementar wichtiges Vorhaben der laufenden Wahlperiode. Dabei ist es richtig und wichtig, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Wahlperiode abzuschließen, damit alle Beteiligten mit ausreichendem Vorlauf Planungssicherheit haben. Das großzügige finanzielle Engagement des Bundes ist für viele Kommunen eine große Hilfe, auch wenn Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen zu keiner Klärung von Verantwortung führen, oft als „goldener Zügel“ wirken und die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung eher einschränken. Auch wenn ich den Entwürfen insgesamt zustimmen werde, möchte ich Folgendes anmerken: Die Einfügung des Artikel 104c GG setzt ein schwieriges Signal und falsche Anreize. Statt Bundeshilfen für finanzschwache Kommunen im Grundgesetz zu normieren, sollten die finanziell zuständigen Länder alles daransetzen, die Finanzschwäche von Kommunen zu beheben. Das eigentliche Ziel müsste es sein, dass es keine finanzschwachen Kommunen gibt. Stattdessen werden finanzschwache Kommunen jetzt sogar in der Verfassung verankert. Ziel der Föderalismusreform 2006 ist gewesen, klare Strukturen und Verantwortlichkeiten in der Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder zu schaffen. Dieses Ziel war richtig und ist weiterhin richtig. Mit Artikel 104c GG wird dieses Ziel ein Stück aus den Augen verloren. Am Grundsatz, dass für eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen die jeweiligen Bundesländer verantwortlich und zuständig sind, ist festzuhalten. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Bildungsinfrastruktur, sondern insgesamt für alle von den Kommunen auszuführenden Aufgaben. Aus dieser Sicht besteht durch die Einfügung des Artikel 104c GG die Gefahr, dass ein dauerhafter Fehlanreiz gesetzt wird, dass Länder künftig Kommunen bei Investitionsbedarf an den Bund verweisen und somit aus der Erweiterung der Mitfinanzierungsmöglichkeit eine Mitfinanzierungszuständigkeit wird. Wir werden dies kritisch beobachten. Gut ist auch, dass der Bundesrechnungshof im Rahmen von Mischfinanzierungen künftig stärkere Prüfungsrechte hat. Wir müssen in Zukunft auch aufpassen, dass aus dem ersten Schritt des Artikel 104c GG mit der Mitfinanzierungsmöglichkeit für den Bund in der Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen keine Allgemeinzuständigkeit des Bundes für alle Probleme vor Ort wird. Das Argument, die Menschen würden es nicht verstehen, dass der Bund nicht für marode Schulen zuständig sei, ließe sich genauso auf marode Straßen und Brücken, andere öffentliche Einrichtungen oder geschlossene Schwimmbäder ausdehnen. Der Bund wird aber nicht in der Lage sein, alle Missstände vor Ort zu lösen – erst recht nicht, wenn Länder die Hilfen des Bundes unterlaufen und den Kommunen immer größere Lasten aufbürden, um den eigenen Landeshaushalt zu schonen. Die SPD-Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben vorgemacht, wie dieses schlechte Spiel zulasten der Kommunen funktioniert. Mit dem neuen Artikel 104c GG ist auch die Aufstockung des Kommunalinvestitionsförderprogramms von 3,5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro verbunden. Das ist immerhin einmal mehr ein Zeichen, dass wir als CDU/CSU-geführte Regierung bereit sind, den Kommunen zu helfen – wie wir dies in dieser Wahlperiode bereits vielfältig getan haben. Bei aller strukturellen Kritik ergeben sich aus kommunaler Sicht aber auch Chancen aus der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Die stärkere Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft bei der Zuteilung der Finanzmittel auf die Länder in Artikel 107 GG ist ein wichtiger Schritt zur Behebung struktureller kommunaler Finanzschwäche. Dabei ist zwingend darauf zu achten, dass höhere Zuweisungen an die Länder tatsächlich dazu genutzt werden, die Steuerkraftunterschiede auf Gemeindeebene auszugleichen. Keinesfalls darf aus Artikel 107 GG ein Anreiz entstehen, die Steuerkraft der Kommunen zu senken, um höhere Beträge aus der Verteilung der Finanzmittel auf die Länder zu erhalten, um diese Finanzmittel dann im Landeshaushalt zu verbuchen. Wichtig ist, dass die vom Bund für die Kommunen bereitgestellten Finanzmittel von den Ländern an die Kommunen weitergeleitet werden und dann auch ungekürzt und zusätzlich vor Ort ankommen. Kommunalfinanzen sind kein Beitrag zur Konsolidierung von Landeshaushalten. Eine gekürzte Weiterleitung der Bundesmittel oder eine Verrechnung im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs sind ebenso inakzeptabel wie der Ersatz von Landesmitteln durch Bundeshilfen beispielsweise bei Investitionszuschüssen. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel müssen seitens der Länder ungekürzt und zusätzlich den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, um – in Umsetzung der Bundesintention – deren Finanzkraft zu stärken. Auch eine Verrechnung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs ist unzulässig und mit der Absicht, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, unvereinbar. Entsprechende Regelungen in Finanzausgleichsgesetzen der Länder sind zu korrigieren. Auch der in der Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes fortgeschriebene Verteilungsschlüssel zur Zuteilung der zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft vorgesehenen 3,5 Milliarden Euro auf die Länder ist alles andere als unumstritten. Eine Einbeziehung der kommunalen Kassenkredite in den Verteilungsschlüssel greift in der vorgenommenen Form für eine dauerhafte Lösung zu kurz und setzt falsche Anreize. Es ist Aufgabe der Länder, für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen und deren Liquidität zu sichern, sodass die Aufnahme von Kassenkrediten und ein Ausweichen auf Anleihen und Wertpapierverschuldung erst gar nicht erforderlich werden. Haushalterische Disziplin darf nicht bestraft werden – ebenso wenig Ansätze der Länder, ihre Kommunen zu entschulden und vor struktureller Finanzschwäche zu bewahren. Es wäre schön gewesen, einen besseren Verteilungsschlüssel zu finden; letztlich ist dies angesichts der vielschichtigen Interessenslage dieses Mal aber nicht gelungen. Zur Verantwortung und Zuständigkeit der Länder für eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen gehört auch, Mehrbelastungen aus Aufgabenübertragungen im Rahmen der Konnexität auszugleichen. Dies gilt insbesondere für die Mehrbelastung aus der Umsetzung des Unterhaltsvorschussgesetzes. Wenn die Länder im Bundesrat einer Regelung zustimmen, die zu Mehrausgaben bei den Kommunen führen, können sie anschließend nicht auf den Bund verweisen, sondern müssen diese Mehrausgaben selber ausgleichen. Der Bund hat seinen Beitrag durch eine Erhöhung des Bundesanteils an den Leistungsausgaben des Unterhaltsvorschussgesetzes auf 40 Prozent geleistet. Dies allein wird jedoch nicht reichen, die Ausgabensteigerungen bei den Kommunen, bei denen zu den reinen Auszahlungen noch Kosten für Personal und Sachmittel hinzukommen, auszugleichen. Hier sind die Länder gefordert, die Beteiligung der Kommunen an den vom Land zu tragenden 60 Prozent so zu gestalten, dass es nicht zu kommunalen Ausgabensteigerungen kommt. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen mit der mit 80 Prozent höchsten Beteiligungsquote der Kommunen am Unterhaltsvorschussgesetz. Im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen werden die bislang vom Bund bereitgestellten Entflechtungsmittel – ehemals unter anderem GVFG, sozialer Wohnungsbau – ab dem Jahr 2020 nicht mehr als eigenes Bundesprogramm, sondern über einen höheren Umsatzsteueranteil der Länder bereitgestellt. Das bedeutet, dass nicht nur die investive Zweckbindung entfällt, sondern dass die Gefahr droht, dass diese Mittel auch im allgemeinen Haushaltsaufkommen der Länder zunächst untergehen. Die Länder müssen die bislang in den Entflechtungsmitteln enthaltenen Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden künftig den Kommunen über entsprechende Landesprogramme zur Verfügung stellen. Die Auflösung der Entflechtungsmittel zugunsten eines höheren Länderanteils an der Umsatzsteuer darf auf keinen Fall dazu führen, dass die bislang bereitstehenden Mittel künftig nicht mehr zur Verfügung stehen und in Landeshaushalten versickern. Josef Göppel (CDU/CSU): Das Abstimmungspaket widerspricht in zwei zentralen Punkten den ordnungspolitischen Grundvorstellungen der Unionsparteien. Erstens. Subsidiarität und Finanzbeziehungen: Wenn einzelne Länder ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen können und ein horizontaler Finanzausgleich nicht mehr gewollt wird, wäre die nächste Stufe der Subsidiarität eine Länderreform zur Herstellung annähernd gleich starker Einheiten. Der Durchgriff des Bundes auf die Kommunen mit dem goldenen Zügel ist für die Länder ein vergiftetes Geschenk. Es ist der Weg in den Zentralstaat. Zweitens. Privatisierung der Autobahnverwaltung: Mit der Errichtung einer Gesellschaft privaten Rechts für die Autobahnverwaltung überträgt der Bund den Wachstumszwang des privaten Kapitals auf einen wesentlichen Teil der staatlichen Infrastruktur. Öffentliche Einrichtungen sollen auf ein raumordnerisches Optimum hin ausgebaut werden, doch der fortlaufende Ertragsanspruch privater Gläubiger verlangt unaufhörlich weitere Straßenbauinvestitionen zur Verbreiterung der gewinnbringenden Kapitalbasis. Das widerspricht elementar dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Gleichzeitig nimmt die demokratische Kontrollierbarkeit durch gewählte Volksvertreter ab. Das ist auch deswegen von Nachteil, weil unternehmerisches Kalkül immer auf die rentierlichsten Investitionen zielt. Vertreter peripherer Räume mit wenig Mauteinnahmen werden es noch schwerer haben, ihre Anliegen durchzusetzen. Mit der Maut bezahlt die Gesamtheit der Bürger letztendlich doch die Zinserträge privater Investitionen. Die Schaffung von Anlagemöglichkeiten für privates Kapital in öffentliche Güter ist jedoch kein Gemeinwohlziel. Aus diesen Gründen lehne ich die beantragten Grundgesetzänderungen und das Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems einschließlich der Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft ab. Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes werde ich in der Ausschussfassung zustimmen. Entscheidend ist dabei für mich, dass den finanzschwachen Städten und Gemeinden – und damit den Bürgern vor Ort – künftig leichter von Bundesseite aus geholfen werden kann. Ich bedauere es, dass diese Grundgesetzänderung nötig geworden ist. Jedoch muss ich feststellen, dass einige Bundesländer in der Vergangenheit ihrer Verantwortung, für eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, nicht in erforderlichem Umfang nachgekommen sind. Der Bund springt nunmehr hier ein und stellt den Ländern ab 2020 jährlich mindestens 9,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Meine Zustimmung zu diesem Gesetz verbinde ich mit der Aufforderung an die Landesregierungen, explizit den Kommunen zugewiesene Bundesmittel diesen auch ungekürzt zukommen zu lassen. Mit der Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes leiten wir heute zudem einen Paradigmenwechsel in der Verwaltung der bundeseigenen Straßen ein. Durch die Gesetzesänderung alleine wird jedoch noch keine einzige Straße in Rheinland-Pfalz schneller gebaut oder die Schiersteiner Brücke zügiger saniert. Hier kommt es nach wie vor auch auf den politischen Willen der jeweiligen Landesregierung an. Insbesondere an dieser Stelle hätte ich mir klarere Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten gewünscht. Nach intensiven Beratungen stellen wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern heute auf eine neue Grundlage und schließen damit eines der wichtigsten Reformvorhaben dieser Koalition ab. Im Vordergrund dieser Reform steht für mich die gesamtstaatliche Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Daher stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Gabriele Groneberg (SPD): Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, halte ich eine Reform grundsätzlich für notwendig. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben die Mitglieder der SPD-Fraktion bei den Beratungen im Bundestag aus meiner Sicht wichtige wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Der Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und ob in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden kann. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen kann. Dies ist in einer Hinsicht selbstverständlich positiv; dennoch können durch einfachgesetzliche Änderungen unsere heutigen Intentionen konterkariert werden. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Durch die Übernahme weiterer finanzieller Verpflichtungen durch den Bund sehe ich allerdings dessen Handlungsspielräume für die Zukunft drastisch eingeschränkt, vor allem wenn sich die Finanzlage sehr verschlechtert. Die Einschränkung des Kooperationsverbots betrachte ich als positiven Beginn einer neuen Zusammenarbeit. Hierbei sehe ich es als unzureichend an, dass dies nur für Kommunen in besonderen Haushaltslagen gelten wird. Das Investitionsprogramm für Kommunen, vor allem die neue Regelung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende, sind für mich persönlich positive Aspekte dieses Paketes – wichtige Zukunftsprojekte, welche das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. Dennoch stimme ich dem Gesetzespaket, vor allem wegen der Mängel bei der geplanten Infrastrukturgesellschaft Verkehr, nicht zu. Michael Groß (SPD): Heute hat der Deutsche Bundestag den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich beschlossen, der auch die Regelungen zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft enthält. Nach reiflicher Abwägung habe ich mich dazu entschieden, gegen dieses Paket zu stimmen. Dieses Gesetzespaket enthält umfassende Änderungen des Grundgesetzes sowie einfachgesetzliche Änderungen. Es geht zurück auf eine Einigung zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom Dezember 2016 als Ersatz für das Auslaufen der Regelungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich 2019. Der Grund für mich, dem Gesetzpaket meine Zustimmung zu verweigern, ist die darin enthaltene Einführung einer Infrastrukturgesellschaft zur Sicherstellung der Finanzierung und Effizienz bei Bau und Verwaltung der Bundesautobahnen. Die Schaffung einer Gesellschaft privaten Rechts widerspricht meinem Grundsatz, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, in die öffentliche Hand gehört. Einer Infrastrukturgesellschaft könnte ich nur zustimmen, wenn diese die Form einer Gesellschaft öffentlichen Rechts hat. Das ist in dem vorliegenden Kompromiss nicht der Fall. CDU/CSU haben dies vehement abgelehnt. Meine Fraktionskollegen und -kolleginnen haben lange und hart verhandelt, um möglichst viele Privatisierungsschranken einzubauen. So wurden auch Änderungen bereits im Grundgesetz hineinverhandelt, dass die mittelbare und unmittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausgeschlossen wird. Außerdem ist ausgeschlossen, dass sich Private im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder wesentliche Teile davon betreffen, beteiligen. Wenn man bedenkt, dass insbesondere Bundesverkehrsminister Dobrindt ursprünglich bis zu 49 Prozent der Gesellschaft an private Investoren veräußern wollte, ist das ein erstaunliches Verhandlungsergebnis. Mir persönlich geht das aber nicht weit genug. Denn das bedeutet auch, dass auf der anderen Seite die Möglichkeit besteht, ÖPP in höherem Maße durchzuführen. Zudem ist der Begriff „wesentliche Teile“ zu unkonkret, als dass damit ein wirklicher Ausschluss von Privatisierung garantiert ist. Darüber hinaus wird erstmals geradezu dazu aufgerufen, dass die Sanierung und der Bau von Schulen durch ÖPP-Vorhaben umgesetzt werden. Diesem widerspreche ich mit aller Entschiedenheit. Die Bereitstellung von Bildungsinfrastruktur ist elementare Aufgabe des Staates. Des Weiteren ist ein möglicher Wechsel der Rechtsform, zum Beispiel der GmbH in eine AG, lediglich einfachgesetzlich geregelt. Das heißt, eine andere Bundesregierung kann diese Umwandlung ohne eine Änderung des Grundgesetzes mit einfacher Mehrheit vollziehen. Gleiches gilt für die Kreditfähigkeit der Gesellschaft. Es ist zwar nicht erlaubt, dass diese selbst Kredite aufnimmt, aber dieser Punkt ist ebenfalls nur einfachgesetzlich geregelt. Auch der vorgesehene Parlamentsvorbehalt ist lediglich einfachgesetzlich geregelt und kann durch eine andere politische Mehrheit jederzeit verändert werden. Auch die Übernahme des Angestellten ist nur einfachgesetzlich abgesichert. Auch hier besteht die Gefahr, dass eine andere politische Mehrheit den Abbau von bislang gesicherten Arbeitsplätzen mit Tariflöhnen und guter Mitbestimmung organisiert. Für mich ist klar: Die Union wollte von Anfang an eine echte Privatisierung der Autobahnen und wird das auch weiterhin vorantreiben. Der vorliegende Kompromiss schließt dies nicht vollumfänglich aus, und daher habe ich ihm nicht zugestimmt. Den weiteren Regelungen, die sich beispielsweise auf die Neuordnung des neuen Finanzausgleichs oder das Aufheben des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich beziehen, werde ich zustimmen. Sebastian Hartmann (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Der Bundestag entscheidet über ein Regelungspaket, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Der Argumentation, man könne sich dem heute zu entscheidenden „Gesamtpaket“ an Verfassungsänderungen nicht verschließen, da es auch sehr viele gute Punkte enthalte, entziehe ich mich nicht, sondern nehme sie zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen und Argumentation. Deswegen stimme ich ausdrücklich beispielsweise den Veränderungen im Bereich der Verbesserungen in der Bildungskooperation sowie zum Unterhaltsvorschuss zu. Dennoch bleibt das gewählte Verfahren selbst problematisch, eine so umfangreiche Verfassungsänderung den Abgeordneten nur im Gesamtpaket vorzulegen. Es widerspricht meinem Verständnis parlamentarischer Arbeit hinsichtlich so weitreichender Veränderungen der bundesstaatlichen (Finanz-)beziehungen bis hin zu fachpolitischen Einzelfragen und ihrer Regelung in der Verfassung. Aber ich bin eben nicht der Auffassung, dass es „keine Alternative“ gebe. Auch andere Verfassungsänderungen wurden schlussendlich noch einmal geöffnet oder „Paketlösungen“ vermieden. Für zukünftige Verfassungsänderungen böte sich daher erst recht an, diese in Teilabschnitten abzustimmen beziehungsweise auch in solchen Blöcken vorzubereiten. Es böte sich ebenso an, die Zeit einer gesamten Legislaturperiode für die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten der Länder(parlamente) und des Bundestages in anderen Strukturen zu nutzen, um dies vorzuberaten und Fragen des bundesstaatlichen Zusammenwirkens zu debattieren. Es kann ja nicht sein, dass nur der Zusammenschluss zweier sehr großer Fraktionen aufgrund ihrer Mehrheit wie in dieser Legislaturperiode überhaupt eine Verfassungsänderung ermöglicht. Dem stehen schon mutmaßlich andere Mehrheitsverhältnissen in den Landtagen und damit im Bundesrat argumentativ entgegen. Im Gegenteil ist dies doch dem Gedanken der Verfassung selbst geschuldet und der notwendigen breiten verfassungsändernden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Dort muss es letztendlich zum Zusammenwirken vieler politischer Fraktionen in Ländern und im Bund kommen – nicht getrennt in Opposition und regierungstragende Mehrheiten, sondern entlang der Sache der verfassungsrechtlich zu regelnden Fragen. Zweitens. Jenseits der Würdigungen des Verfahrens der Verfassungsänderung sind die Veränderungen herauszustellen, die nun zur Abstimmung stehen. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast eine Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen das unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten in hundertprozentigem Bundeseigentum bedienen kann. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Es ist gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. ÖPP für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile werden in der Verfassung explizit ausgeschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Meine Ablehnung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr fußt auf drei Kernpunkten: Erstens halte ich die nun verabredete und gefundene Struktur für nicht effizient und leistungsfähig. So wurde die Übergangsphase entgegen dem Rat des Bundesrechnungshofes und von Experten um ein weiteres Jahr verkürzt. Damit droht ein lähmender und nicht die Funktionsfähigkeiten erhaltender Übergangsprozess. Der zweite Punkt ist in der mangelnden Absicherung der späteren Finanzierungsstruktur zu sehen. Zwar wird die Möglichkeit der Beschaffungsvariante ÖPP deutlich eingeschränkt und auch erstmalig im Verfassungsrang geklärt. Dennoch ist keine Staatsgarantie für die Gesellschaft in die Verfassung aufgenommen worden und das Kreditaufnahmeverbot nur einfachgesetzlich geregelt. Ein späterer Gesetzgeber kann dies verändern. Man mag argumentieren, dass ein Gesetzgeber alle einfachen Bundesgesetze ändern kann. In diesem konkreten Fall wird aber durch eine Verfassungsänderung der Auftragsverwaltung eine neue Möglichkeit eröffnet. Ohne eine Staatsgarantie sind jedoch Kredite der Gesellschaft teurer als die reine staatliche Finanzierung durch den Bundeshaushalt. Das dritte Argument fasst die beiden Problemkreise zusammen. In Kombination mit einer nicht leistungsfähigen Gesellschaft und einer nicht ausreichenden Kreditabsicherung droht nach dem möglichen Willen eines späteren Gesetzgebers eine zu teure Beschaffung der Infrastruktur. Die verkehrspolitischen Bedenken bezüglich zukünftig zugeordneter Netzstrukturen – aus Bundesautobahnen und willkürlich gewählten Bundesstraßen – bis hin zu einer begrenzten Zahl regionaler Strukturen mit Tochtergesellschaften – die in dieser Form nicht sinnvoll sind – bedrohen auch die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Umgekehrt wird dadurch die Beschaffungsvariante in Form öffentlich-privater Partnerschaften leider attraktiver. Denn in der Bundesrepublik sind Einzel-ÖPP-Projekte nach wie vor als Hauptkonkurrenz zu konventionellen Beschaffungen des Staates zu betrachten – auch wenn sie zu teuer sind. Zusammengefasst ist festzuhalten: Im Gesetzgebungsverfahren wurden wesentliche Verbesserungen erreicht und im aktuellen Entwurf Privatisierungsmöglichkeiten so weit wie nie zuvor ausgeschlossen. Gleichwohl überzeugt mich die Gesamtkonstruktion nicht. Eine geteilte Aufgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern für die öffentliche Infrastruktur wäre nach Vorschlägen der Bodewig-II-Kommission jedenfalls in anderer Form möglich gewesen. Es ist mir wichtig, abschließend deutlich herauszustellen, dass die öffentlich geführte Debatte um eine angebliche „Privatisierung durch die Hintertür“ am Kern der Fragestellung vorbeigeht. Diese Kampagne kann für die Entscheidungsfindung nicht ausschlaggebend sein. In der Abwägung aller vorgenannten Argumente haben mich konkrete Verhandlungsergebnisse, aber vor allem das verbundene Verfahren zur Grundgesetzänderung dieses Umfangs zweifeln lassen. Die Sorge um die gewählte Konstruktion und die leistungsfähige Infrastrukturgesellschaft waren der Schlusspunkt meiner Entscheidung. Gustav Herzog (SPD): Nach zweijährigen Verhandlungen hat sich die Bundeskanzlerin am 14.10.2016 mit den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder auf ein „Reformpaket“ geeinigt. An diesen Beratungen war der Deutsche Bundestag nicht beteiligt. Das Gesetzespaket beinhaltet neben der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen auch die finanzielle Unterstützung für finanzschwache Kommunen, die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende und die Übertragung der Bundesautobahnen von der Auftragsverwaltung der Länder auf den Bund. Die Führungsspitzen der Koalitionsfraktionen haben sich der Vorgabe der „16+1-Runde“ angeschlossen, das Reformprojekt nur als Paket abzustimmen. Bis auf die Umstrukturierung der Autobahnverwaltung finden die Gesetzesänderungen meine volle Unterstützung: Erstens. Wir sichern die finanzielle Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen nach Auslaufen des Solidarpakts. Zweitens. Wir brechen das Kooperationsverbot auf und versetzen den Bund in die Lage, 3,5 Milliarden Euro in Bildungsinfrastruktur von finanzschwachen Kommunen zu investieren. Drittens. Wir weiten den Unterhaltsvorschuss aus und unterstützen damit berufstätige Alleinerziehende und ihre Kinder. Die Neuorganisation von Planung, Bau, Unterhaltung und Betrieb der Bundesautobahnen ist nach meiner persönlichen Auffassung aber der falsche Weg, um die bestehenden Infrastrukturprobleme zu beheben und den dringend notwendigen Investitionshochlauf voranzubringen. Ich befürchte, dass die Jahre der Neuorganisation für einen Stillstand statt für einen Mobilitätsschub sorgen werden. Seit vielen Jahren engagiere ich mich in meiner parlamentarischen Arbeit für mehr Effizienz in der Verkehrspolitik und kann deshalb der geplanten Bundesverwaltung und damit dem Gesamtpaket nicht zustimmen. An dieser Stelle möchte ich mich aber ausdrücklich bei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die im parlamentarischen Verfahren erhebliche Verbesserungen des Gesetzentwurfs erarbeiten konnten. Erstens. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz. Zweitens. Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt. Drittens. Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt und wird meines Erachtens gegenüber heute sogar verbessert. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Leider sträuben sich CDU und CSU vehement dagegen. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Diese Partnerschaften gibt es bereits bei Autobahnprojekten – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich im parlamentarischen Verfahren dafür eingesetzt, dass der Einfluss von ÖPP mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt wird: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. ÖPP sind zudem immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen (weswegen beispielsweise die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt macht, obwohl sie könnte). ÖPP bleibt mit der Neuregelung auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetzänderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekt an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben würden. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Gemeinsam mit der SPD-Bundestagsfraktion hätte ich mir dennoch eine weitergehende Eindämmung von ÖPP gewünscht. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen jedoch selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition mit CDU und CSU leider nicht realisierbar. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat noch mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie wir es als SPD fordern. Den Gesetzentwürfen stimme ich in der Gesamtabwägung der Erfolge und Fortschritte, die die SPD damit erreicht hat, zu. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems ab dem Jahre 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften stimme ich zu. Nach eingehender Prüfung überwiegen für mich die politischen Vorteile des Gesetzes gegenüber den weiterhin bestehenden verfahrenstechnischen, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Bedenken. 1. Verfahrenstechnische Bedenken Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden massive Änderungen an der gelebten Verfassungswirklichkeit vorgenommen. Insbesondere die (weitere) Abkehr von dem Kooperationsverbot und die faktische Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleichs greifen deutlich in die bisherige Organisation unseres Staates ein. Wie bereits bei den letzten beiden Föderalismusreformen der letzten Dekade wäre hier eine frühere Beteiligung sowohl des Deutschen Bundestages als auch der Länderparlamente aufgrund der hohen Bedeutung der Entscheidung angebracht gewesen. Dies gilt umso mehr, als die zu regelnden Finanzbeziehungen auf unabsehbar lange Zeit festgelegt werden. 2. Verfassungsrechtliche Bedenken Durch die getroffenen Regeln wird massiv in die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland eingegriffen, die mit den Föderalismuskommissionen I und II auf verlässliche und klare Säulen gestellt wurden. Die klare Trennung zwischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern wird wieder zurückgenommen und in Teilen sogar aufgegeben. So erlaubt Artikel 104b Absatz 2-neu nun dem Bund, Bestimmungen über die Ausgestaltung der jeweiligen Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen vorzusehen und greift damit massiv in die Verwaltungshoheit der Länder ein. Durch die Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleiches zugunsten einer vertikalen Verteilung werden die Länder faktisch zu Untereinheiten des Bundes, von dessen Finanzausstattung sie abhängen; Anreize für eine Solidarität unter den Bundesländern gehen damit verloren. Auch die Finanzausstattung von finanzschwachen Kommunen im Bereich der Bildung begegnet massiven Bedenken, handelt es sich doch bei Bildung neben der Inneren Sicherheit um die Kernkompetenz der Bundesländer, die ausgehöhlt wird. In gleicher Weise wird mit der Übertragung der Bundesfernstraßenverwaltung von den Ländern auf den Bund den jeweiligen Ländern eine für jeden Bürger sichtbare Differenzierungsmöglichkeit – und damit auch ein Teil ihrer Staatlichkeit – genommen. Eine verfassungsrechtlich sauberere Ausgestaltung zur Steigerung der Qualität wäre hierbei eine bessere Finanzausstattung der Länder in Form von höheren Anteilen an Bundessteuern bzw. die Übertragung (weiterer) eigener, auch anpassbarer Steuern gewesen. Ausdrücklich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen bei der nun auch ausdrücklich möglichen Teilprivatisierung der Autobahnverwaltung. 3. Inhaltliche Bedenken Durch das (erneute) Vermischen von Landes- und Bundesaufgaben wird die politische Landschaft sowohl für Bürger als auch für Mandatsträger deutlich komplexer und schwerer zu durchschauen. Unter weiterer Berücksichtigung möglicher EU-Förderungen sind nun zum Beispiel im Schulbereich vier Ebenen mit der Finanzierung der Infrastruktur betraut (Kommune/Landkreis als Schulträger, Land, Bund, Europäische Union). Nachdem dies jedoch gewollt zu sein scheint, sollte in Zukunft etwaige Kritik an der Aufgaben- und Finanzierungsübernahme durch die Europäische Union wohlbedacht sein. Die Ausstattung finanzschwacher Kommunen mit Bundesmitteln im Bereich der Bildung setzt deutliche Fehlanreize: Zum einen werden Kommunen, die sauber wirtschaften, faktisch benachteiligt, da sie gerade nicht von Bundeszuschüssen profitieren können. Zum anderen ist davon auszugehen, dass sich bei einer verstetigten Bundesförderung die Kommunen faktisch aus der Schulausstattung zurückziehen und eigentlich dafür vorgesehene Gelder anderweitig verplant werden. Die Übertragung der Kompetenz für die Bundesfernstraßenverwaltung auf den Bund wird nicht notwendigerweise zu einer grundsätzlichen Verbesserung der Planungs- und Unterhaltungssituation führen. Vielmehr ist – nach dem Beispiel der Bundeswasserstraßenverwaltung – zu befürchten, dass sich das Niveau auf einem zwar bundeseinheitlichen, aber für viele Bundesländer deutlich niedrigeren Niveau einpendeln wird; aufgrund höherer Tarife im Bereich des Bundes ist zudem von deutlich höheren Personalkosten auszugehen, die letztlich zulasten des Netzes gehen werden. Auch die Möglichkeit, in beschränkten Teilnetzen öffentlich-private Partnerschaften zur Finanzierung des Baus und der Unterhaltung einzugehen, überzeugen nicht. Vielmehr hätte man in diesem Bereich einen mutigen Schritt weiter zur völligen Öffnung für privates Investment gehen müssen. Dabei geht es gerade nicht darum, Verdienstchancen für Private zu steigern, sondern die erweiterten Möglichkeiten der Privatwirtschaft, aber auch deren Haftung in Anspruch zu nehmen. Dagegen sprechen auch nicht bisherige Beispiele für missglückte und überteuerte privat(vor-)finanzierte Projekte. Auch rein öffentlich strukturierte Projekte wie der Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 können völlig aus dem finanziellen Ruder laufen. Darum hätte eine vollständige Öffnung für öffentlich-private Partnerschaften mit einer deutlichen Steigerung der Kontrolldichte einhergehen müssen, um sicherzustellen, dass die Leistung eines Privaten billiger und besser als eine staatliche Leistung wäre. Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist eines der wichtigsten Reformvorhaben dieser Koalition. Deshalb stimme ich den damit verbundenen Grundgesetzänderungen auch zu. Allerdings möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich einige nicht unerhebliche Bedenken habe – gerade was die Bundeshilfen für finanzschwache Kommunen durch den neuen Artikel 104c GG angeht. So richtig die Absicht ist, die kommunale Bildungsinfrastruktur zu verbessern, eine faktische teilweise Aufhebung des Kooperationsverbots ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Die Tatsache, dass für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen das jeweilige Bundesland zuständig ist, könnte somit in der Wahrnehmung eher noch ab- als zunehmen. Ich habe die Sorge, dass die politischen Zuständigkeiten verwässert und dadurch unübersichtlicher werden. Künftig werden finanzschwache bzw. schlecht regierte Bundesländer einfach mit dem Finger auf den Bund zeigen, wenn Kommunen um Mittel für Sanierungen an Schulen bitten – und somit von der eigenen Verantwortung ablenken. Ziel der Föderalismusreform im Jahr 2006 war die Entflechtung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, also die Schaffung klarer Strukturen und Verantwortlichkeiten in der Aufgabenwahrnehmung. Mit Artikel 104c GG setzen wir ein widersprüchliches Signal – und falsche Anreize. Wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, dass nicht nur der Bund sondern auch die Länder sowie die Kommunen in den zurückliegenden Jahren von der hervorragenden wirtschaftlichen Lage und von stets steigenden Steuermehreinnahmen kräftig profitiert haben und weiter enorm profitieren. Zudem hat der Bund in dieser sowie bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode die Länder und Kommunen durch eine ganze Reihe von Beschlüssen – etwa die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit – in nie dagewesener Form finanziell entlastet. Ulrich Kelber (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die durch die SPD erreichten Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, sofort ein erstes Programm in Höhe von 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die ersten Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Heute aber liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof ihre Bedenken aufgrund dieser Änderungen als ausgeräumt betrachten. Darüber hinaus wurden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits, sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehendere Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Ein Nein zum Gesetzesentwurf würde aber auf alle Eingrenzungen von ÖPP verzichten. Daher stimme ich den Grundgesetzänderungen heute zu. Helga Kühn-Mengel (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Ich stimme dem Gesetz zu. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften mit den damit verbundenen GG-Änderungen stimme ich nicht zu. An den zweifellos schwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern waren – anders als bei den beiden Föderalismuskommissionen – Parlamente auf beiden Seiten nicht beteiligt. Umso wichtiger und zwingend notwendig ist aber, dass das Resultat dieser Verhandlungen in angemessener Weise parlamentarisch bewertet wird, zumal es die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern auf unabsehbar lange Zeit festlegt. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf die im Gesamtpaket dieses Regelwerkes vorgesehenen Verfassungsänderungen, die mit mehr als einem Dutzend vorgesehener Ergänzungen und Änderungen des Grundgesetzes im Umfang, Regelungsehrgeiz und Zeitplan in fast jeder Beziehung aus dem Rahmen fallen. Erstens. Der von den Regierungen des Bundes und der Länder am Ende gefundene Konsens ist im finanziellen wie vor allem im politischen Sinne viel zu teuer und verändert die Architektur unserer föderalen Verfassungsordnung nachhaltig. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der – bei allen Schwächen im Grundsatz bewährte – horizontale Länderfinanzausgleich zugunsten einer neuen, vertikalen Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern abgeschafft wird. Solidarverpflichtungen mit Ausgleichsansprüchen zwischen den Ländern wird es künftig nicht mehr geben. Die Länder werden mehr denn je zu Kostgängern des Bundes. Sie bezahlen diese Ansprüche, die sie gegen den Bund erwerben, einmal mehr mit der Abtretung eigener Kompetenzen an den Bund und geben erneut Gestaltungsrechte auf, die sie in den sogenannten „Föderalismusreformen“ erst vor wenigen Jahren mit Nachdruck eingefordert hatten. Zweitens. Trotz der weitreichenden finanziellen Verpflichtungen verweigern die Länder dem Bund weiterhin die seit langem überfällige bundeseinheitliche Steuerverwaltung. Dagegen wird ohne zwingenden Grund und systemwidrig eine Finanzierungsverpflichtung des Bundes gegenüber „finanzschwachen Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur“ begründet, für die er weder fachlich noch bundesstaatlich eine originäre Verantwortung hat; sie wird zu einer dauerhaften Alimentierung kommunaler Finanzierungsschwächen führen ohne wirksamen Einfluss und Aussicht auf ihre Überwindung. Drittens. Der mühsam gefundene Kompromiss zwischen Bund und Ländern zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems trägt gegenüber dem bestehenden System zu keiner wesentlichen Verbesserung mit Blick auf Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, Transparenz oder Leistungsgerechtigkeit bei. Im Gegenteil: Die Abhängigkeit der Länder vom Bund wird noch stärker. Dies ist verfassungsrechtlich wie auch finanziell hochgradig riskant. Gerade erst überwundene Verflechtungen von Entscheidungsstrukturen werden in anderer Form wieder eingeführt. Als Folge drohen Entscheidungsblockaden und Ineffizienz. Die gerade deshalb unverzichtbare Möglichkeit einer Korrektur ungewollter Wirkungen wird mit über einem Dutzend in der Form indiskutabler und in der Sache teilweise höchst zweifelhafter GG-Änderungen verfassungsrechtlich betoniert und damit faktisch irreversibel. Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes nur mit großen Bedenken zu. Durch die verschiedenen Änderungen unseres Grundgesetzes im Rahmen der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs wird der Föderalismus in Deutschland merklich geschwächt. Eine wesentliche Säule des Föderalismus, die gegenseitige Solidarität der Bundesländer, wird aus rein finanziellen Interessen der Bundesländer aufgegeben. Hinzu kommt, dass die Mischfinanzierung staatlicher Aufgaben durch den Bund und die Bundesländer weiter ausgeweitet wird. Das wird dazu führen, dass die im Grundgesetz definierten Verantwortlichkeiten für die unterschiedlichen Aufgaben von Bund und Bundesländern in Zukunft noch weniger erkennbar sein werden. Die Bundesländer haben bisher die alleinige Verantwortung für ihre Kommunen. Dieses Prinzip der Verantwortlichkeit der Bundesländer für ihre Kommunen wird mit den Änderungen des Grundgesetzes nun durchbrochen. Weitergehende Informations- und Prüfungsrechte des Bundes können dies nicht ausgleichen. Meine Zustimmung zu dieser Änderung des Grundgesetzes kann ich nur geben, weil die Bundesländer durch ihr Modell zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs im Jahr 2015, auf dem diese Änderung des Grundgesetzes basiert, selbst diese Schwächung des Föderalismus herbeigeführt haben. Zudem kann es durchaus auch aus Gründen der bundesstaatlichen Solidarität zweckmäßig sein, finanzschwache Kommunen, die von ihrem jeweiligen Bundesland finanziell nicht ausreichend ausgestattet werden, bei der Erfüllung notwendiger Aufgaben zu unterstützen. Es wäre aber besser gewesen, die Gelegenheit zu ergreifen, die Finanzverfassung insgesamt neu zu ordnen und dabei die öffentlichen Körperschaften zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben entsprechend finanziell auszustatten. Antje Lezius (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetzentwurf zu, gebe aber hiermit meine Bedenken zur Kenntnis. Ich halte das System des Föderalismus für richtig und wichtig. Kommunen und Landesregierungen sollten so aufgestellt werden und sein, dass sie selbstverantwortlich für die ihnen ureigenen Aufgaben im Sinne der Bürgerinnen und Bürger handeln können. Ich stimme der Aussage unseres Bundestagspräsidenten Lammert zu, der in einem Interview im Handelsblatt Folgendes geäußert hat: „Mit dieser Regelung werden finanzschwache Kommunen in Zukunft versuchen, möglichst lange finanzschwach zu gelten, um sich Hilfen des Bundes zu sichern.“ Schon immer klagten die Bundesländer über zu wenig Geld vom Bund. Mit vielen Projekten haben wir in der Vergangenheit schon an den Ländern vorbei versucht, den Kommunen finanziell zu helfen, zum Beispiel die Schulen mit modernsten Computern auszustatten. Wir sehen sehr wohl die Notwendigkeit, dass wir, wenn wir weiterhin eine führende Rolle nach außen beanspruchen und das Bestmögliche für unsere Bürger und Bürgerinnen in unserem Land wollen, eingreifen müssen. Schon deshalb, weil wir im Moment in der einer guten konjunkturellen Lage sind, können wir dies auch tun. Mein heutiges Stimmverhalten ist eine Ausnahme. Dies kann und sollte nicht die Regel sein. Mir ist für die Zustimmung wichtig, dass wir in Zukunft mehr Kompetenzen sowie Steuerungs- und Kontrollrechte gegenüber den Ländern haben, darüber hinaus als Ergänzung ein Kündigungsrecht für den Bundestag. Verkehrsinfrastruktur muss effizienter und effektiver werden. Aber eine Privatisierung lehne ich ab. Die Bildungsinfrastruktur gerade auch in meiner Heimat muss unterstützt werden. Auch die Digitalisierung muss vorangebracht werden. Hierfür müssen ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhandlungen waren angesichts des komplexen Interessengeflechts nicht einfach. Wenn ich das Ergebnis aber gesamtstaatlich sehe, ist es notwendig, hier begrenzt einzugreifen. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist ein elementar wichtiges Vorhaben der laufenden Wahlperiode. Dabei ist es richtig und wichtig, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Wahlperiode abzuschließen, damit alle Beteiligten mit ausreichendem Vorlauf Planungssicherheit haben. Das großzügige finanzielle Engagement des Bundes ist für viele Kommunen eine große Hilfe, auch wenn Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen zu keiner Klärung von Verantwortung führen, oft als „goldener Zügel“ wirken und die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung eher einschränken. In der Gesamtschau ist das vorliegende Gesetzespaket wichtig und verdient deshalb Zustimmung. Dennoch: Teile wecken auch Skepsis. Die Einfügung des Artikels 104c GG setzt ein schwieriges Signal und falsche Anreize. Statt Bundeshilfen für finanzschwache Kommunen im Grundgesetz zu normieren, sollten die finanziell zuständigen Länder alles daransetzen, die Finanzschwäche von Kommunen zu beheben. Das eigentliche Ziel müsste es sein, dass es keine finanzschwachen Kommunen gibt. Stattdessen werden finanzschwache Kommunen jetzt sogar in der Verfassung verankert. Ziel der Föderalismusreform 2006 ist gewesen, klare Strukturen und Verantwortlichkeiten in der Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder zu schaffen. Dieses Ziel war richtig und ist weiterhin richtig. Mit Artikel 104c GG wird dieses Ziel ein Stück aus den Augen verloren. Am Grundsatz, dass für eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen die jeweiligen Bundesländer verantwortlich und zuständig sind, ist festzuhalten. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Bildungsinfrastruktur, sondern insgesamt für alle von den Kommunen auszuführenden Aufgaben. Aus dieser Sicht besteht durch die Einfügung des Artikel 104c GG die Gefahr, dass ein dauerhafter Fehlanreiz gesetzt wird, dass Länder künftig Kommunen bei Investitionsbedarf an den Bund verweisen und somit aus der Erweiterung der Mitfinanzierungsmöglichkeit eine Mitfinanzierungszuständigkeit wird. Wir werden dies kritisch beobachten. Gut ist auch, dass der Bundesrechnungshof im Rahmen von Mischfinanzierungen künftig stärkere Prüfungsrechte hat. Wir müssen in Zukunft auch aufpassen, dass aus dem ersten Schritt des Artikel 104c GG mit der Mitfinanzierungsmöglichkeit für den Bund in der Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen keine Allgemeinzuständigkeit des Bundes für alle Probleme vor Ort wird. Das Argument, die Menschen würden es nicht verstehen, dass der Bund nicht für marode Schulen zuständig sei, ließe sich genauso auf marode Straßen und Brücken, andere öffentliche Einrichtungen oder geschlossene Schwimmbäder ausdehnen. Der Bund wird aber nicht in der Lage sein, alle Missstände vor Ort zu lösen – erst recht nicht, wenn Länder die Hilfen des Bundes unterlaufen und den Kommunen immer größere Lasten aufbürden, um den eigenen Landeshaushalt zu schonen. Die SPD-Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben vorgemacht, wie dieses schlechte Spiel zulasten der Kommunen funktioniert. Mit dem neuen Artikel 104c GG ist auch die Aufstockung des Kommunalinvestitionsförderprogramms von 3,5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro verbunden. Das ist immerhin einmal mehr ein Zeichen, dass wir als CDU/CSU-geführte Regierungskoalition bereit sind, den Kommunen zu helfen – wie wir dies in dieser Wahlperiode bereits vielfältig getan haben. Bei aller strukturellen Kritik ergeben sich aus kommunaler Sicht aber auch Chancen aus der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Die stärkere Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft bei der Zuteilung der Finanzmittel auf die Länder in Artikel 107 GG ist ein wichtiger Schritt zur Behebung struktureller kommunaler Finanzschwäche. Dabei ist zwingend darauf zu achten, dass höhere Zuweisungen an die Länder tatsächlich dazu genutzt werden, die Steuerkraftunterschiede auf Gemeindeebene auszugleichen. Keinesfalls darf aus Artikel 107 GG ein Anreiz entstehen, die Steuerkraft der Kommunen zu senken, um höhere Beträge aus der Verteilung der Finanzmittel auf die Länder zu erhalten, um diese Finanzmittel dann im Landeshaushalt zu verbuchen. Wichtig ist, dass die vom Bund für die Kommunen bereitgestellten Finanzmittel von den Ländern an die Kommunen weitergeleitet werden und dann auch ungekürzt und zusätzlich vor Ort ankommen. Kommunalfinanzen sind kein Beitrag zur Konsolidierung von Landeshaushalten. Eine gekürzte Weiterleitung der Bundesmittel oder eine Verrechnung im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs sind ebenso inakzeptabel wie der Ersatz von Landesmitteln durch Bundeshilfen beispielsweise bei Investitionszuschüssen. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel müssen seitens der Länder ungekürzt und zusätzlich den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, um – in Umsetzung der Bundesintention – deren Finanzkraft zu stärken. Auch eine Verrechnung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs ist unzulässig und mit der Absicht, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, unvereinbar. Entsprechende Regelungen in Finanzausgleichsgesetzen der Länder sind zu korrigieren. Auch der in der Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes fortgeschriebene Verteilungsschlüssel zur Zuteilung der zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft vorgesehenen 3,5 Milliarden Euro auf die Länder ist alles andere als unumstritten. Eine Einbeziehung der kommunalen Kassenkredite in den Verteilungsschlüssel greift in der vorgenommenen Form für eine dauerhafte Lösung zu kurz und setzt falsche Anreize. Es ist Aufgabe der Länder, für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen und deren Liquidität zu sichern, sodass die Aufnahme von Kassenkrediten und ein Ausweichen auf Anleihen und Wertpapierverschuldung erst gar nicht erforderlich werden. Haushalterische Disziplin darf nicht bestraft werden – ebenso wenig Ansätze der Länder, ihre Kommunen zu entschulden und vor struktureller Finanzschwäche zu bewahren. Es wäre schön gewesen, einen besseren Verteilungsschlüssel zu finden; letztlich ist dies angesichts der vielschichtigen Interessenslage dieses Mal aber nicht gelungen. Zur Verantwortung und Zuständigkeit der Länder für eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen gehört auch, Mehrbelastungen aus Aufgabenübertragungen im Rahmen der Konnexität auszugleichen. Dies gilt insbesondere für die Mehrbelastung aus der Umsetzung des Unterhaltsvorschussgesetzes. Wenn die Länder im Bundesrat einer Regelung zustimmen, die zu Mehrausgaben bei den Kommunen führen, können sie anschließend nicht auf den Bund verweisen, sondern müssen diese Mehrausgaben selber ausgleichen. Der Bund hat seinen Beitrag durch eine Erhöhung des Bundesanteils an den Leistungsausgaben des Unterhaltsvorschussgesetzes auf 40 Prozent geleistet. Dies allein wird jedoch nicht reichen, die Ausgabensteigerungen bei den Kommunen, bei denen zu den reinen Auszahlungen noch Kosten für Personal und Sachmittel hinzukommen, auszugleichen. Hier sind die Länder gefordert, die Beteiligung der Kommunen an den vom Land zu tragenden 60 Prozent so zu gestalten, dass es nicht zu kommunalen Ausgabensteigerungen kommt. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen mit der mit 80 Prozent höchsten Beteiligungsquote der Kommunen am Unterhaltsvorschussgesetz. Im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen werden die bislang vom Bund bereitgestellten Entflechtungsmittel – ehemals unter anderem GVFG, sozialer Wohnungsbau – ab dem Jahr 2020 nicht mehr als eigenes Bundesprogramm, sondern über einen höheren Umsatzsteueranteil der Länder bereitgestellt. Das bedeutet, dass nicht nur die investive Zweckbindung entfällt, sondern dass die Gefahr droht, dass diese Mittel auch im allgemeinen Haushaltsaufkommen der Länder zunächst untergehen. Die Länder müssen die bislang in den Entflechtungsmitteln enthaltenen Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden künftig den Kommunen über entsprechende Landesprogramme zur Verfügung stellen. Die Auflösung der Entflechtungsmittel zugunsten eines höheren Länderanteils an der Umsatzsteuer darf auf keinen Fall dazu führen, dass die bislang bereitstehenden Mittel künftig nicht mehr zur Verfügung stehen und in Landeshaushalten versickern. Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU): Nach eingehender Prüfung überwiegen für mich die politischen Vorteile des Gesetzes gegenüber den weiterhin bestehenden verfahrenstechnischen, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Bedenken. Ich stimme dem Gesetz deshalb trotz großer Vorbehalte zu. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden massive Änderungen an der gelebten Verfassungswirklichkeit vorgenommen. Insbesondere die (weitere) Abkehr vom Kooperationsverbot und die faktische Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleichs zugunsten einer neuen vertikalen Finanzbeziehung greifen deutlich in die bisherige Organisation des Staates ein. Hier wäre eine stärkere Beteiligung von Anfang an sowohl des Deutschen Bundestages als auch der einzelnen Länderparlamente aufgrund der hohen Bedeutung der Entscheidung angebracht gewesen. Die vorgesehenen Grundgesetzänderungen beeinträchtigen in erheblichem Umfang die föderale Struktur unseres Landes und heben die gesetzlichen Regelungen in der Folge der Arbeit der Föderalismuskommissionen I und II mit dem Ziel, die Regelungsverantwortung für bis dahin gemeinschaftlich wahrgenommenen Aufgaben zu trennen, teilweise wieder auf. Die klare Trennung zwischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern wird wieder zurückgenommen und in Teilen sogar aufgegeben. Die jetzt zu beschließende Inanspruchnahme des Bundes bei der Finanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur in sogenannten finanzschwachen Kommunen ohne Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes auf die Rahmenbedingungen in den geförderten Kommunen führt zu einer Verschlechterung der Position des Bundes, der lediglich zahlen soll. Zum anderen wird die Bildungspolitik als Kernkompetenz der Bundesländer ausgehöhlt. Die Länder geben erneut Gestaltungsrechte auf. Den Ländern wird mit diesem Regelungspaket zugestanden, dass sie ihre Verantwortung für ureigene Länderangelegenheiten gegen Geldzahlungen des Bundes abgeben. Die Abhängigkeit der Länder vom Bund wird noch stärker. Der richtige Weg wäre gewesen, die Finanzausstattung der Länder so zu verbessern, dass sie ihren ureigenen Aufgaben gegenüber finanzschwachen Kommunen besser nachkommen könnten. Dass Länder Zuwendungen des Bundes mit dem Zweck, Kommunen zu unterstützen, vielfach nur teilweise weitergegeben haben und teilweise anderweitig verwendet haben, wäre mit anderen Mitteln zu unterbinden. Auf der anderen Seite ist es unstreitig, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland eine politisch zentrale Aufgabe ist, bei der sich auch der Bund nicht einfach aus der Verantwortung ziehen kann. Durch erhebliche Unterschiede bei der Bildungsausstattung wäre diese Gleichwertigkeit auch langfristig massiv beeinträchtigt. Diesen gesamtstaatlichen Auftrag anders als durch die hier zu entscheidenden gesetzlichen Regelungen wahrzunehmen, ist gegenwärtig leider nicht möglich. Erst recht als Bildungspolitikerin könnte ich es gegenüber den Schulen zum Beispiel in meinem Wahlkreis nicht verantworten, ihnen durch eine Ablehnung heute mögliche Verbesserungen des Lernumfelds vorzuenthalten, für die es sonst kaum eine Chance gäbe. Kirsten Lühmann (SPD): Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen, und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee immer befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es, die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Den Einfluss von öffentlich-privaten-Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig, auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird auch nicht als Mautgläubigerin auftreten. Auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden können. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechend im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Matern von Marschall (CDU/CSU): Dem Gesetzespaket stimme ich zu, allerdings nur unter größten Bedenken. Insbesondere der Aushöhlung des Subsidiaritätsprinzips und einer damit einhergehenden Schwächung des Föderalismus wird dadurch der Weg bereitet, der Weg in den Zentralstaat. Gerade die Unterstützung sogenannter finanzschwacher Kommunen durch den Bund, statt wie bisher durch die Länder, Artikel 104c, ist hier ein Einfallstor für künftig immer neue Forderungen nach mehr Übertragung von Pflichten und Kompetenzen an den Bund. Die – finanzschwachen – Länder werden in Zukunft abhängig sein von der Zahlungskraft und dem Willen des Bundes. Diese Schwächung der Länder entspricht allerdings ihrem eigenen Wunsch. Auch das erscheint mir falsch und kurzsichtig. Zudem gerät das Prinzip der Solidarität der Länder untereinander in Gefahr. Da weiterhin das Land für die Mitteleinsetzung zuständig bleibt, verschiebt sich nun die Kompetenz der Mittelzuweisung auf Bundesebene. Die Länder sind weiterhin verantwortlich dafür, welche Gemeinden und Gemeindeverbände förderfähig sind. In der Überzeugung, dass unsere Bundesländer bewusst mit dieser Kompetenz umgehen werden, kann ich meine Zustimmung erteilen. Wir müssen aber an die Länder appellieren, diese Neustrukturierung nicht als Anreiz zu nehmen, fahrlässig Schulden anzuhäufen. Weiterhin muss gelten, dass keine Kommune auf der Strecke bleiben darf. Ich bin gegen die vollständige Aufgabe des Föderalismus in Deutschland und nur dort für eine zentralistische Regelung, wo sie nötig oder sinnvoll erscheint. Susanne Mittag (SPD): Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau bei unseren Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern häufig, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es vielerorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Das ist auf nahezu allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist deshalb dringend geboten. Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. Da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und ich das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur für notwendig erachte, habe ich diese Idee befürwortet. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen, zum anderen gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten aufgewiesen. Er war daher nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Der häufigste Vorwurf gegen den vorliegenden Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft ist der, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es gibt aber genug Praxisbeispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Hierfür galt es, die notwendigen Schranken dauerhaft zu setzen. Die von der SPD verhandelten Begrenzungen für die Privatisierung sind daher für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Den Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und ob in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden kann. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft entsprechend gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. Damit kann der Bund endlich auch in gute Schulen mit moderner IT-Ausstattung und moderne Klassenräume investieren. Die Finanzmittel in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 helfen den Ländern und Kommunen, den massiven Sanierungsstau an deutschen Schulen abzubauen. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Karsten Möring (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz trotz erheblicher Vorbehalte zu. Meine Gründe erläutere ich nachfolgend. Die Grundgesetzänderungen beeinträchtigen in erheblichem Umfang die föderalistische Struktur unseres Landes. Der zukünftige Länderfinanzausgleich bekommt statt der horizontalen Struktur eine vertikale, indem der Bund in erheblichem Umfang die Länder alimentiert und der bisherige Solidarausgleich zwischen den Bundesländern dahinter zurücktritt. Die gesetzlichen Regelungen in der Folge der Arbeit der Föderalismuskommissionen I und II mit dem Ziel, die Regelungsverantwortung für bis dahin gemeinschaftlich wahrgenommene Aufgaben zu trennen, werden teilweise aufgehoben. Die jetzt zu beschließende Inanspruchnahme des Bundes bei der Finanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur in sogenannten finanzschwachen Kommunen ohne Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes auf die Rahmenbedingungen in den geförderten Kommunen führt zudem zu einer Verschlechterung der Position des Bundes, der lediglich zahlen soll. Den Ländern wird mit diesem Regelungspaket zugestanden, dass sie ihre Verantwortung für ureigene Länderangelegenheiten gegen Geldzahlungen des Bundes abgeben. Es wäre besser gewesen, die Finanzausstattung der Länder so zu verbessern, dass sie ihren ureigenen Aufgaben gegenüber finanzschwachen Kommunen besser nachkommen könnten. Dass Länder Zuwendungen des Bundes mit dem Zweck, Kommunen zu unterstützen, vielfach nur teilweise weitergegeben haben und teilweise anderweitig verwendet haben, wäre mit anderen Mitteln zu unterbinden. Auf der anderen Seite ist es unstreitig, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland durch erhebliche Unterschiede bei der Bildungsausstattung auch langfristig massiv beeinträchtigt wäre. Diesen gesamtstaatlichen Auftrag anders als durch die hier zu entscheidenden gesetzlichen Regelungen wahrzunehmen, ist gegenwärtig leider nicht möglich. Erst recht als ehemaliger Schulleiter könnte ich es den Schulen in meinem Wahlkreis gegenüber nicht verantworten, ihnen durch eine Ablehnung heute mögliche Verbesserungen des Lernumfelds vorzuenthalten, für die es sonst kaum eine Chance gäbe. Ulli Nissen (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Zweitens. Die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses begrüße ich ausdrücklich. Sie war längst überfällig. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Berufstätige Alleinerziehende werden so zum 1. Juli mehr Geld in der Tasche haben. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Das ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigen abzuschließen. Dennoch gehen mir die Regelungen zur Eingrenzung der Privatisierung bei den Bundesstraßen nicht weit genug. Wesentliche Regelungen zur Eingrenzung werden in Artikelgesetzen geregelt, diese können bei anderen Mehrheiten im Parlament geändert werden. Auch gehen mir die Regelungen zu den sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) nicht weit genug. Deshalb werde ich bei den Grundgesetzänderungen in Artikel 90 und 143e mit Nein stimmen. Dem Gesamtpaket jedoch habe ich zugestimmt. Für mich überwiegt das Interesse an der Reform des Unterhaltsvorschusses, das Interesse an erheblichen Bildungsinvestitionen und das Interesse an der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen gegenüber der Einführung einer Infrastrukturgesellschaft, die die Auftragsverwaltung für Bundesstraßen übernehmen soll. Eckhard Pols (CDU/CSU): Im Rahmen der heutigen namentlichen Abstimmung stimme ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drucksache 18/11131, zu. Meine Zustimmung zum neuen Artikel 104c Grundgesetz resultiert dabei aus meiner tiefen Überzeugung, dass alle Menschen das Recht auf gute Bildung haben, was eine gute Bildungsinfrastruktur voraussetzt. Dies sollte grundsätzlich nicht am Geld scheitern. Der Bund ist sich seiner Verantwortung bewusst und verdoppelt in Verbindung mit der Einführung des Artikels 104c Grundgesetz seinen Kommunalinvestitionsförderungsfonds zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen auf 7 Milliarden Euro. Das ist sehr gut, und das unterstütze ich. Kritisch sehe ich dagegen, dass Artikel 104c Länder dazu animieren könnte, sich aus der Finanzierung der Kommunen weiter zurückzuziehen, wozu ihnen die Mischzuständigkeit und Mischfinanzierung im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur eine Gelegenheit bietet. Vor allem hinsichtlich der von SPD und den Grünen regierten Länder habe ich diese Sorge, wenn ich einen Blick in die Vergangenheit werfe. Ich habe die ernsthafte Befürchtung, dass Länder bei Investitionsbedarf regelmäßig an den Bund verweisen und sich die Erweiterung der Mitfinanzierungsmöglichkeit zu einer faktischen Mitfinanzierungspflicht entwickelt, obwohl die Kommunen ausdrücklich Gliederungen der Länder sind, nicht des Bundes. Die Föderalismusreform von 2006 hatte das Ziel, solche für die Bürgerinnen und Bürger verwirrenden Situationen durch klare Verhältnisse zwischen Bund und Ländern zu vermeiden. Von dieser Maxime kehrt man nun aber leider ein Stück weit ab. Ebenso werden die Mischzuständigkeit und Mischfinanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur wie „goldene Zügel“ wirken, die die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung unterhöhlen. Als engagierter Kommunalpolitiker sehe ich diese Entwicklung mit Skepsis und stimme dem Gesetzentwurf daher auch nur unter dem beschriebenen Vorbehalt zu. Mechthild Rawert (SPD): Im Deutschen Bundestag wird am 1. Juni 2017 über ein komplexes Gesetzespaket abgestimmt, welches aus vier keineswegs miteinander in Verbindung stehenden Regelungsbereichen besteht. Das ist durchaus ein Problem für mich, und erforderte harte Abwägungsprozesse. Insgesamt gibt es neun Abstimmungen. In der dritten Lesung werde ich dem Gesamtpaket zustimmen – vor allem auch, weil damit wichtige Änderungen in Kraft treten, von denen wir in Berlin stark profitieren werden. Tempelhof-Schöneberg und Berlin sind nicht nur mein politisches und privates Zuhause. Für das Wohlergehen der Tempelhof-Schöneberger und -Schönebergerinnen und Berliner und Berlinerinnen trage ich eine besondere Verantwortung. Das Gesetzespaket ist das Ergebnis langjähriger Verhandlungen und der Einigung zwischen allen Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen und dem Bund. Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020. Zusätzlich werden ab 2020 den Ländern und Kommunen insgesamt 9,7 Milliarden Euro vom Bund zur Verfügung gestellt, an die allerdings an strukturelle Veränderungen geknüpft sind. Die finanziellen Mittel dienen nicht nur der Sanierung von Schulen, sondern auch der Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung. Mit der von uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen hart erkämpften Auflockerung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich werden Gelder für die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung gestellt, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. Dafür stehen weitere 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird. Die Neuregelung bringt für Berlin Rechts- und Planungssicherheit für den Zeitraum von 2020 bis 2030. Ohne die Neuregelung würden Berlin circa 495 Millionen Euro pro Jahr fehlen. Der Wegfall der Solidarpaktmittel, Entflechtungsmittel und Konsolidierungshilfen würde zu schweren Risiken im Landeshaushalt führen und wichtige Investitionen verhindern. Für uns Berliner und Berlinerinnen bedeutet die Neuregelung im Klartext, dass wir die Finanzierung unseres 5Milliarden-Schulsanierungsprogramms in den nächsten zehn Jahren sichergestellt haben. Ein weiterer Punkt ist die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende. Viele haben ein Riesenproblem, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt. Mit der Neuregelung wird der Unterhalt demnächst über das 12. Lebensjahr hinaus bis zum 18. Lebensjahr des Kindes sichergestellt. Dies ist eine immense Hilfe für viele alleinerziehende Eltern, die einem großen Armutsrisiko ausgesetzt sind. Von dieser Verbesserung werden bundesweit über 260 000 Kinder profitieren. Ich freue mich darüber, dass diese von uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen erkämpften Investitionen direkt bei den Familien ankommen. Der sicherlich umstrittenste und schwierigste Teil des Gesetzespaketes ist die Infrastrukturgesellschaft Verkehr. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte hier die Tür für massive Privatisierungen geöffnet, die bei uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen und vielen anderen Vereinen, Verbänden und Organisationen auf massiven Widerstand gestoßen sind. Als SPD-Bundestagsfraktion konnten wir bei den parlamentarischen Beratungen nun aber Regelungen durchsetzen, die die Privatisierung des Bundesautobahn- und Bundesfernstraßennetzes verhindern. Ich habe mich für eine Infrastrukturgesellschaft Verkehr als Anstalt des öffentlichen Rechts und nicht in einer privaten Rechtsform eingesetzt. Deswegen habe ich in der zweiten Lesung gegen diese Änderung des Grundgesetzes gestimmt. Im Laufe der Verhandlungen über die Verwaltung und den Bau von Autobahnen und Bundesfernstraßen konnte die SPD-Fraktion eine doppelte Privatisierungsschranke im Grundgesetz verankern, die mögliche Privatisierungsrisiken unterbindet. Dadurch werden nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen und hundertprozentigen Eigentum des Bundes bleiben, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft oder deren Tochtergesellschaften wird ebenfalls ausgeschlossen. Außerdem wird auch die funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, zum Beispiel durch sogenannte Teilnetz-ÖPPs verhindert. Ein vollständiger Ausschluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) war gegen den Widerstand von CDU/CSU nicht durchsetzbar. Die erreichte Begrenzung auf Teilstücke ist aber ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem bestehenden Rechtsrahmen. ÖPP werden im Grundgesetz nun zum ersten Mal überhaupt eingeschränkt. Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesfernstraßen bleibt beim Bund, dieser ist Mautgläubiger der Lkw-Maut und der Pkw-Maut. Die neue bundeseigene Infrastrukturgesellschaft wird vollständig staatlich über den Bundeshaushalt finanziert und darf keine Kredite von Dritten aufnehmen. Die demokratische Kontrolle ist auch gesichert: Mitglieder des Deutschen Bundestages werden im Aufsichtsrat der Infrastrukturgesellschaft vertreten sein, und der Bundesrechnungshof kontrolliert die Gesellschaft. Mit diesen Änderungen können wir sicherstellen, dass die theoretisch möglichen Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Als Sozialdemokratin liegt mir die Zukunft der circa 11 000 Beschäftigten, die von den Straßenbauverwaltungen der Länder künftig zum Bund wechseln sollen, sehr am Herzen. Wir konnten die Kernforderungen der Gewerkschaften nach Überleitungstarifverträgen durchsetzen und die Interessen der Beschäftigten unter Wahrung ihrer Besitzstände schützen. Wir haben viel erreicht: Das wurde uns von Verdi auf der SPD-Fraktionssitzung am 30.05.2017 auch bestätigt. Auch der Bundesrechnungshof und andere Sachverständige, die den ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung zu Recht scharf kritisierten, haben uns ihre positive Bewertung durch die Änderungen des Gesetzentwurfes bestätigt. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte kann ich sagen, dass im Ergebnis ein Gesetzespaket zustande kam, dem ich als Berliner SPD-Abgeordnete zustimmen kann. Erreicht wird vor allem ein großer Erfolg für Berlin, von dem unsere Schulen, unsere Verwaltung und die Berliner Familien in hohem Maße profitieren werden. Andreas Rimkus (SPD): Heute stimmen wir über das Gesetzespaket zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab. Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erfordern, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden. Kernpunkt des Pakets ist die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird. Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn der eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: Künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal sechs Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett. Ein weiteres Element des Paketes sind die Gesetzentwürfe, mit denen Verwaltung und Bau von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland neu geordnet werden. Schon mit dem Kabinettsbeschluss ist es der SPD gelungen, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, hundertprozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir schon verhindert, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat. Ich habe viele Zuschriften zu diesem Thema erhalten. Viele Bürgerinnen und Bürger haben mich gebeten, einer Autobahnprivatisierung nicht zuzustimmen. Für die SPD-Fraktion war dies wichtiger Rückenwind in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion, die bereit gewesen wäre, einen wesentlichen Teil dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Dies hat die SPD erfolgreich verhindert und zusätzlich harte Schranken für Privatisierungsvorhaben geschaffen. Auch die wichtige Aufweichung des Kooperationsverbotes, die es uns endlich ermöglicht, in Schulinfrastruktur zu investieren und somit in die Zukunft unserer Kinder, sowie die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses, die eine echte Entlastung für viele Alleinerziehende in diesem Land ist, wiegen so schwer, dass ich diesem Paket zustimmen werde. Als Sozialdemokrat kann ich die Schülerinnen und Schüler sowie alleinerziehende Väter und Mütter an dieser Stelle nicht im Stich lassen. Am Ende ist das verkehrspolitische Ziel der SPD, die neue Gesellschaft so zu gestalten, dass sie als gemeinwohlorientierte Einrichtung für ein effizientes Autobahnnetz in Deutschland sorgt, das allen Menschen in unserem Land zugute kommt. Ein Ausverkauf unserer Verkehrsinfrastruktur wird es mit einer Regierungsbeteiligung der SPD auch in Zukunft nicht geben. Die SPD hat sich im Laufe des gesamten Verfahrens gegen eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gestellt und diese Position auch im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchgesetzt. In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun zwei weitere Grundgesetzänderungen durchgesetzt, obwohl die Union dies vorher ausdrücklich ausgeschlossen hat. Dies ist ein besonderer Erfolg der SPD! Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: Die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat. Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, zum Beispiel durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen. Mit diesen Grundgesetzänderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker und manche Kampagne haben absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetzänderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen! Dies bestätigt uns auch der Bundesrechnungshof (BRH), der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. In seinem jüngsten Bericht vom 24. Mai 2017 gleicht der BRH die Empfehlungen aus seinen Berichten mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen ab und kommt zusammenfassend unter anderem zu folgenden Ergebnissen: Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. Die Gründung von regionalen Tochtergesellschaften ist nicht mehr zwingend vorgegeben, sondern steht nunmehr im Ermessen der Infrastrukturgesellschaft. Der Änderungsantrag enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. So soll auch künftig der Bundesautobahnbau über den Bundeshaushalt finanziert werden. Dazu sollen der Infrastrukturgesellschaft Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt werden. Überdies soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden. Im Ergebnis haben wir als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist hundertprozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt. Neben den beiden Grundgesetzänderungen verweise ich auf folgende Punkte, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder auftauchen und oft falsch dargestellt werden: Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch. Eine Übertragung von sogenannten Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen. Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht auf die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von Nießbrauchrechten und anderen Rechten werden ausgeschlossen. Mautgläubiger der Lkw-Maut und der Pkw-Maut bleibt der Bund. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wird gestrichen. Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert. Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens. Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das Gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen (weswegen beispielsweise die österreichische Autobahngesellschaft ASFINAG kein einziges ÖPP-Projekt macht, obwohl sie könnte). Drittens und aus meiner Sicht am wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetzänderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekt an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden. Uns Sozialdemokraten war aber nicht nur der Ausschluss von Privatisierungsoptionen wichtig, sondern auch die Zukunft der Beschäftigten, die gegenwärtig in den Straßenbauverwaltungen der Länder beschäftigt sind und künftig zum Bund wechseln sollen. Wir haben Kernforderungen der Gewerkschaften durchgesetzt, um die berechtigten Interessen der Beschäftigten zu schützen und eine leistungsfähige neue Organisation zu schaffen, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. So wird der Bund alle wechselbereiten Beschäftigten (Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende) unter Wahrung ihrer Besitzstände übernehmen (keine „Rosinenpickerei“). Nicht wechselbereite Beschäftigte bei Ländern und Kommunen werden weiterbeschäftigt, deren Personalkosten werden voll erstattet. Für die Beschäftigten bei der Gesellschaft sind Tarifverträge abzuschließen. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Beides wird gesetzlich geregelt. Die Personalvertretungen werden an der Arbeit des begleitenden Bund-Länder-Gremiums beteiligt, sofern Belange der Beschäftigten berührt sind. Zu guter Letzt war uns wichtig, dass die Reform nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme führt, sondern dass die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages gewahrt bleiben. So bedürfen zum Beispiel der Gesellschaftsvertrag der GmbH und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Mitglieder des Deutschen Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden. Aus der ursprünglich geplanten staatsfernen Gesellschaft ist somit eine staatliche Gesellschaft geworden, die demokratischer Kontrolle unterliegt. Entscheidend sind am Ende die Verbesserungen, die die SPD-Fraktion im parlamentarischen Verfahren erreicht hat: Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, wo es vorher keine gab, auch im Grundgesetz. Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt und schaffen eine leistungsfähige neue Organisation, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt. Annette Sawade (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Öffentlich-private Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Der Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen. Es werden Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt. Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden durch die Reform neue Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die dieser auch im Sinne des Interesses der Bürgerinnen und Bürger nutzen wird. Bereits vor dieser Reform hat die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern, sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit. Wichtig für mich ist auch, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig, auch die Übertragung von Nießbrauchrechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird auch nicht als Mautgläubigerin auftreten. Auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist nicht möglich. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir zudem die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. So gibt es zum Beispiel ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang, und die besondere Situation des beamteten Personals wird berücksichtigt. Auch das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für meine Zustimmung. Bedenken habe ich allerdings, ob ein Wechsel des Systems ohne größere Friktionen möglich ist und in absehbarer Zeit die gewünschte größere Effizienz und Effektivität tatsächlich erreicht werden können. Vielmehr sind durch die Umstellung deutliche Verzögerungen und Effizienzverluste möglich. Wichtig ist nun, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechend im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft gestaltet wird. Durch unsere Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Obwohl ich weiterhin nicht sicher bin, dass die erhofften Verbesserungen mit der vorliegenden Reform der Straßenbauverwaltung tatsächlich erreicht werden können, habe ich bei meiner Entscheidung auch die anderen Aspekte dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die umfassende Reform der Bund-Länder-Beziehungen ist ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung der Länder. Zusätzlich sind die Einschränkung des Kooperationsverbots, das Investitionsprogramm für Kommunen und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende wichtige Zukunftsprojekte, die das Leben vieler Menschen spürbar verbessern werden. In Abwägung dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Dr. Nina Scheer (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Entwürfe der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes und zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 ab. Erstens. Nach mehr als zwei Jahren Verhandlungen hatten sich Länder und Bundesregierung – ohne Beteiligung des Parlaments – im Dezember 2016 auf eine Neuordnung der Finanzbeziehungen für die Zeit nach 2019 verständigt. Danach übernimmt der Bund im Ergebnis künftig eine deutlich stärkere Rolle beim Ausgleich der Finanzkraft zwischen den Bundesländern. Finanzstarke Länder sollen dabei entlastet werden. Diesen Ansatz sehe ich kritisch; ich halte es für nicht sachgerecht, dass ein solch wesentlich die Ausgeglichenheit von Lebensverhältnissen und Entwicklungsperspektiven innerhalb Deutschlands mitbestimmendes Regelwerk ohne inhaltliche Beteiligung des Deutschen Bundestages erfolgt. Zugleich drängt die Zeit und Notwendigkeit einer Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs, da die bisherige Solidarsystematik ausläuft. So verbleibt bis heute nur die Möglichkeit, die bereits zwischen den Ländern und der Bundesregierung geeinigte Neuregelung seitens des Bundestages zu beschließen. Zweitens. Ferner enthalten ist die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft des Bundes, die den Bau, die Planung und Verwaltung der Autobahnen und weiterer Bundesstraßen neu organisieren soll. Auf Druck der SPD wurden die Pläne von CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt, private Unternehmen umfangreich an den Autobahnen in Deutschland beteiligen zu können, entscheidend entschärft. Die Position der SPD hat sich im parlamentarischen Verfahren nicht geändert: Von Beginn an haben wir uns klar gegen eine Privatisierung der Verkehrsinfrastruktur ausgesprochen und entsprechende Änderungen an den Gesetzentwürfen eingefordert. In mehreren Verhandlungsrunden mit dem Koalitionspartner konnten wir somit umfangreiche Änderungen durchsetzen und Privatisierungsschranken einziehen. Zusammengefasst konnten wir diesbezüglich Folgendes durchsetzen: 1. „Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften ist ausgeschlossen.“ Dies wird verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich geregelt. 2. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, zum Beispiel durch Teilnetz-ÖPP, wird ausgeschlossen. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ 3. Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen. 4. Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften und „atmen“ zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen – zinslose Darlehen – aus dem Bundeshaushalt erhalten – wie andere Bundesgesellschaften auch. 5. Das wirtschaftliche Eigentum an den Fernstraßen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von (Nießbrauch-)Rechten werden ausgeschlossen. 6. Mautgläubiger bleibt der Bund – für Lkw-Maut und Pkw-Maut. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, ist gestrichen. Die zweckgebundenen Einnahmen – Lkw-Maut, Pkw-Maut – fließen der Gesellschaft wie bisher über den Bundeshaushalt zu. 7. Das Verkehrsministerium kann Befugnisse und Aufgaben der Gesellschaft und des Fernstraßen-Bundesamtes nur dann auf andere vom Bund gegründete Gesellschaften übertragen, wenn diese im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehen. 8. Spartengesellschaften sind ausgeschlossen. Zur Herstellung der Präsenz in der Fläche kann die Gesellschaft aber bedarfsgerecht bis zu zehn regionale Tochtergesellschaften gründen, die denselben Restriktionen unterliegen wie die Muttergesellschaft. 9. Die Gesellschaft wird als GmbH errichtet. Die Evaluationsklausel, die eine einfache Umwandlung zur AG ermöglicht hätte, wird gestrichen. 10. Der Gesellschaftsvertrag (= Satzung) der GmbH und wesentliche Änderungen bedürfen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. 11. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden. 12. Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf Verkehrsinvestitionen bleiben vollumfänglich erhalten. 13. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan für Verkehrsinvestitionen der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages – während dieser Fünfjahresplan nach heutigem Recht den Ausschüssen vom Verkehrsministerium nur „zur Kenntnis“ und damit ohne Zustimmungsvorbehalt vorgelegt wird. Für die circa 11 000 Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder, die in den nächsten Jahren vermutlich überwiegend zum Bund wechseln werden, konnten wir folgende Verbesserungen erreichen: 1. Zum Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder werden – abweichend vom Regierungsentwurf – die Mitbestimmung der Beschäftigten gestärkt, die Freiwilligkeit zum Prinzip erhoben und die vorgesehenen Eingriffe in die Tarifautonomie korrigiert – Kernforderungen der Gewerkschaften werden damit umgesetzt. 2. Der Bund wird alle wechselbereiten Beschäftigten – bis zu 11 000 Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende – übernehmen. Nicht wechselbereite Beschäftigte bei Ländern und Kommunen werden weiterbeschäftigt, deren Personalkosten werden den Ländern voll erstattet. 3. Das Widerspruchsrecht wird unmissverständlich verankert: Die Vorschriften des § 613a BGB über den Betriebsübergang finden analog Anwendung. Die Weiterverwendung erfolgt grundsätzlich am bisherigen Arbeitsplatz und Arbeitsort. 4. Für die Beschäftigten bei der Gesellschaft sind Tarifverträge abzuschließen. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Beides wird gesetzlich geregelt. 5. Die Personalvertretungen werden an der Arbeit des begleitenden Bund-Länder-Gremiums beteiligt, sofern Belange der Beschäftigten berührt sind. 6. Der Übergang erfolgt zügig, die neue Struktur soll schnell leistungsfähig sein. Die Gesellschaft soll deutlich früher den Betrieb aufnehmen als zum 1. Januar 2021, wie im Regierungsentwurf vorgesehen. Sie wird 2018 gegründet. Ferner wird die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) zum 1. Januar 2019 auf die neue Gesellschaft verschmolzen, anstatt ihre Aufgaben scheibchenweise zu übertragen und die VIFG dann aufzulösen. 7. Die Auftragsverwaltung kann schon vor dem 31. Dezember 2020 beendet werden. Die Gesellschaft kann ab dem 1. Januar 2020 im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land die Planung und den Bau von Bundesautobahnen wahrnehmen. 8. Sobald ein Land sein auf die Gesellschaft zu übertragendes Personal und die Sachmittel vollständig übertragen hat, übernimmt der Bund auch vor 2021 die Kosten für die vom Bund veranlassten Planungen. Damit wird Fehlanreizen für die Länder bei ihren Planungsleistungen entgegengesteuert. Drittens. Mit einem weiteren Baustein des Gesetzespakets werden 3,5 Milliarden Euro für die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung gestellt. Dadurch kann der teils massive Sanierungsstau an deutschen Schulen – zumindest teilweise – beseitigt werden. Ermöglicht wird dies durch den Aufbruch des im Grundgesetz verankerten Kooperationsverbots. Dies hat die SPD durchgesetzt. Viertens. Im Gesamtpaket findet sich eine wesentliche Erleichterung für alle Alleinerziehenden und ihre Kinder: Der Unterhaltsvorschuss wird deutlich ausgebaut. Zum einen wird die Altersgrenze angehoben von jetzt 12 auf 18 Jahre. Zum anderen wird die bisherige zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren Bezugsdauer abgeschafft. Der Bund beteiligt sich nach der Ausweitung deutlich mehr an den Kosten des Unterhaltsvorschusses. Da es für Alleinerziehende besonders schwer ist, Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren, ist diese Reform ein großes Stück mehr Gerechtigkeit in unserem Land. Insgesamt stimme ich dem Gesetzespaket in einer Abwägung, wonach die Verbesserungen gegenüber eventuell eintretenden Verschlechterungen überwiegen, zu. Zwar war ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz mit dem Koalitionspartner nicht zu realisieren. Mit den ergänzenden einfachgesetzlichen Schranken wird aber eine Eingrenzung von ÖPP vorgenommen, die es mit der bisherigen Rechtslage nicht gab. ÖPP wird somit nun weitgehend ausgeschlossen. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass unter einer zukünftigen schwarz-gelben Koalition im Deutschen Bundestag die gesetzlichen Restriktionen, die wir von der SPD eingebracht haben und heute für die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft des Bundes beschließen, ausgehebelt werden könnten. Mit dem vorliegenden Gesetzespaket konnten wir leider nicht so weitgehende Privatisierungsschranken grundgesetzlich sichern, dass nicht mit anderen Mehrheitsverhältnissen und einfachgesetzlichen Änderungen einige jetzt eingezogenen Schranken wieder aufgebrochen werden können. Die Unionsfraktion hat leider alle noch weitergehenden Schranken verweigert. Eben dieser Aspekt, wie auch die Frage, ob die zu gründende Infrastrukturgesellschaft zu zeitlichen Verzögerungen in der Umsetzung von anstehenden Bauvorhaben führen kann, wirken als politische Aufgabe fort und sollten als Appell verstanden werden, mit der anstehenden Bundestageswahl kein Mehrheitsverhältnis zu ermöglichen, das für Privatisierung spräche. Udo Schiefner (SPD): Deutschland braucht eine leistungsfähige und flächendeckende Verkehrsinfrastruktur. Dieser Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Es braucht jedoch nicht nur Geld, sondern das Geld muss auch effizient eingesetzt werden. Planung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen in der jetzigen Auftragsverwaltung der Länder funktionieren aber nicht optimal. Das ist auf allen politischen Ebenen erkannt und benannt worden. Eine Reform dieser Strukturen ist dringend geboten. Deshalb ist eine veränderte Auftragsverwaltung nun Teil eines umfangreichen Pakets zur Änderung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, das zwischen Bund und allen Bundesländern einstimmig verabredet wurde. Neben der Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch. Ein entsprechendes Konzept, wie es die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt hatten, fand und findet meine volle Unterstützung. Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hatte unseren verkehrspolitischen Anforderungen allerdings zum einen nicht ausreichend Rechnung getragen; zum anderen wies er gravierende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten auf. Er war nicht zustimmungsfähig. Deshalb haben wir in langen Verhandlungen aus meiner Sicht wesentliche Änderungen durchgesetzt. Es wird behauptet, die Bundesfernstraßengesellschaft schaffe Hintertüren zur Privatisierung. Dies tue sie vor allem, weil sie eine GmbH, also eine juristische Person des privaten Rechts, sein werde. Eine GmbH in öffentlichem Besitz ist jedoch nicht per se gewinnorientiert. Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft oder die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zum Beispiel oder auch kommunale Unternehmen, wie Stadtwerke, sind dies ebenfalls nicht. Die dafür notwendigen Schranken haben wir durchgesetzt. Die Behauptung, es bestünden weiterhin Hintertüren zur Privatisierung, ist unzutreffend. Die von uns durchgesetzten Änderungen an den Grundgesetzartikeln und den dazugehörigen Begleitgesetzen verhindern ebendies dauerhaft. Auch der Einfluss von öffentlich-privaten Partnerschaften wird mit der vorliegenden Reform weiter beschränkt. Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, die bislang noch bestehen, werden ausgeschlossen. Hier stellt der jetzt vorliegende Gesetzentwurf einen echten Fortschritt dar. Dem Deutschen Bundestag, dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss, werden durch die Reform weitreichende neue Kontroll- und Mitwirkungsmöglichkeiten eingeräumt. Das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen bleibt zudem unveräußerlich beim Bund. Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig. Auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist nicht möglich. Die SPD-Bundestagsfraktion musste und konnte sich in zentralen Punkten gegenüber ihren Koalitionspartnern durchsetzen. Im Ergebnis führt die Reform nun nicht mehr zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme, sondern die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages werden gestärkt. Der Bundesrechnungshof unterstreicht die Verhandlungserfolge der SPD-Bundestagsfraktion: „Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen.“ Die bundeseigene Verwaltung verspricht zügigere Baumaßnahmen, und ich erwarte eine neue Gesellschaft, die gemeinwohlorientiert für ein effizienteres Autobahnnetz in Deutschland sorgen kann. So kann ich den Gesetzesänderungen heute zustimmen. Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Ich stimme dem Gesetzespaket dennoch zu. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Ich werde der erzielten Einigung über die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern zustimmen. Auf der Basis dieser Vereinbarungen steht ein Gesetzespaket mit vier Regelungskomplexen zur Abstimmung. In allen vier Komplexen hat sich die SPD-Bundestagsfraktion in wesentlichen Fragen mit ihren Positionen durchsetzen können. Hinzu kommt, dass gerade für Berlinerinnen und Berliner erhebliche Vorteile erreicht wurden. Allerdings sehe ich auch schwierige Bestandteile des Gesetzespaketes. Das ist bei einem Kompromiss nicht nur innerhalb einer Koalition, sondern auch zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern nicht anders zu erwarten. In der Gesamtbetrachtung überwiegen jedoch die positiven Elemente. Im Einzelnen: Die finanzielle Handlungsfähigkeit von Ländern und Kommunen wird nach dem Auslaufen des Solidarpaktes im Jahr 2019 gesichert. Das ist ein zentrales Anliegen der SPD-Bundestagsfraktion. Für Berlin ist diese Einigung nachgerade finanziell überlebenswichtig. Die Neuregelung bedeutet jährliche Mehreinnahmen von etwa 500 Millionen Euro gegenüber einer Nichteinigung. Wir haben erreicht, dass das bisher im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung dauerhaft aufgebrochen wird. Darüber hinaus werden ganz konkret 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung gestellt, um Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. Das hat die SPD nach langen und intensiven Diskussionen gegen viele Widerstände durchgesetzt. Ich bin sicher, dass die Bildungskooperation eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft unseres Landes ist. Im Gesetzespaket enthalten ist außerdem die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Kinder über das 12. Lebensjahr hinaus bis zur Volljährigkeit. Der SPD-Bundestagsfraktion war wichtig, auf diesem Weg Alleinerziehende und ihre Kinder besser zu unterstützen. Von der Verbesserung werden über 260 000 Kinder profitieren. Der sicherlich umstrittenste und aus meiner Sicht auch schwierigste Teil des Gesetzespaketes ist die Infrastrukturgesellschaft Verkehr. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte hier die Tür für massive Privatisierungen geöffnet. Hier haben wir bei den parlamentarischen Beratungen nun Regelungen durchgesetzt, die die Privatisierung des Bundesautobahn- und Bundesfernstraßennetzes verhindern. Im Grundgesetz selbst wird deswegen geregelt, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, hundertprozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. An ihr können sich Private weder mittel- noch unmittelbar beteiligen. Auch Privatisierungen von Teilnetzen sind durch die Änderung des Grundgesetzes künftig ausgeschlossen. Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesfernstraßen bleibt beim Bund. Die neue bundeseigene Infrastrukturgesellschaft wird vollständig staatlich über den Bundeshaushalt finanziert und darf keine Kredite von Dritten aufnehmen. Die Kontrolle der Gesellschaft wird künftig durch den Bundesrechnungshof ebenso wie die Beteiligung des Deutschen Bundestages sichergestellt. Der SPD-Bundestagsfraktion ist die Zukunft der rund 11 000 Beschäftigten, die von den Straßenbauverwaltungen der Länder künftig zum Bund wechseln, sehr wichtig. Wir konnten die Kernforderungen der Gewerkschaften nach Überleitungstarifverträgen durchsetzen und die Interessen der Beschäftigten unter Wahrung ihrer Besitzstände schützen. In der unter dem Strich positiven Bewertung der Änderungen des Gesetzentwurfes werde ich übrigens vom Bundesrechnungshof, von Verdi sowie von weiteren Sachverständigen, die den ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung scharf kritisiert hatten, bestätigt. Persönlich hätte ich mir noch mehr vorstellen können, nämlich den vollständigen Ausschluss von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Dafür fehlt jedoch die nötige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes. Die erreichte Begrenzung auf Teilstücke ist aber ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem bestehenden Rechtsrahmen, denn nun werden ÖPP zum ersten Mal eingeschränkt. Wir schließen Türen für Privatisierungen, die bislang offen standen. Ewald Schurer (SPD): Mit der heutigen Sitzung des Deutschen Bundestags wird die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschlossen. Diese immens umfangreichen Gesetzesänderungen beinhalten unter anderem 13 Grundgesetzänderungen sowie zahlreiche weitere einfachgesetzliche Regelungen. Das nun vorliegende Gesetzespaket geht zurück auf eine Einigung zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom Dezember 2016 als Ersatz für die auslaufenden Regelungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich 2019. Nach reiflicher Abwägung habe ich mich dazu entschieden, gegen dieses Paket zu stimmen. Der Grund für mich, dem Gesetzpaket meine Zustimmung zu verweigern, ist die darin enthaltene Einführung einer Infrastrukturgesellschaft zur Sicherstellung der Finanzierung der Bundesautobahnen. Bereits letztes Jahr habe ich mich zu diesem Thema klar positioniert: Einer Infrastrukturgesellschaft kann ich nur zustimmen, wenn diese die Form einer Gesellschaft öffentlichen Rechts hat und eine Privatisierung der Bundesautobahnen rechtssicher und unwiderruflich ausgeschlossen wird. Das ist in dem vorliegenden Kompromiss jedoch leider nicht der Fall. Zunächst möchte ich betonen, dass die SPD-Bundestagsfraktion sich in den Verhandlungen während der vergangenen Monate mit allem Nachdruck und unter zähem Ringen mit den Koalitionspartnern von CDU und CSU in zahlreichen wichtigen Punkten durchgesetzt und den ursprünglichen Inhalt des Regierungsentwurfs um nahezu 180 Grad zugunsten des Allgemeinwohls und der parlamentarischen Mitbestimmung gedreht hat. In dem Paket enthalten ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. 3,5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es investiert wird. Des Weiteren wird im Rahmen des Pakets der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn der eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt: Künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. Geburtstag, und während bislang maximal sechs Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett. Ein sehr wichtiger Meilenstein zur Stärkung alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder! Ein weiteres Element des Paketes sind die Gesetzentwürfe, mit denen Verwaltung und Bau von Autobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen in Deutschland neu geordnet werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat lange und hart verhandelt, um möglichst viele Privatisierungsschranken einzubauen. So wurden auch Grundgesetzänderungen hineinverhandelt, mithilfe derer die mittelbare und unmittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausgeschlossen wird. Außerdem ist ausgeschlossen, dass sich Private im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder wesentliche Teile davon betreffen, beteiligen. Wenn man bedenkt, dass insbesondere Bundesverkehrsminister Dobrindt ursprünglich bis zu 49 Prozent der Gesellschaft an private Investoren veräußern wollte, ist das ein erstaunliches Verhandlungsergebnis. Mir persönlich geht das aber nicht weit genug. Denn das bedeutet auch, dass auf der anderen Seite die Möglichkeit besteht, ÖPP auf Strecken von einer Länge von maximal 100 Kilometern umzusetzen. Zudem ist der Begriff „wesentliche Teile“ zu unkonkret, als dass damit ein wirklicher Ausschluss Privater garantiert ist. Ich lehne ÖPP unter anderem deshalb grundsätzlich ab, da für mich die Daseinsfürsorge – und dazu zählen auch von Steuergeld finanzierte Autobahnen – in staatliche und nicht in private Hand gehört. Des Weiteren ist der Ausschluss eines möglichen Wechsels der Rechtsform, zum Beispiel der nun zu gründenden privatrechtlichen GmbH in eine Aktiengesellschaft, lediglich einfachgesetzlich geregelt. Das heißt, eine andere Bundesregierung könnte diese Umwandlung ohne eine Änderung des Grundgesetzes – und der damit verbundenen erforderlichen Zweidrittelmehrheit – mit einfacher Mehrheit vollziehen. Gleiches gilt für die Kreditfähigkeit der Gesellschaft. Es ist zwar nicht erlaubt, dass diese selbst Kredite aufnimmt, aber dieser Punkt ist ebenfalls nur einfachgesetzlich geregelt. Für mich ist deshalb klar: Die Union wollte von Anfang an eine echte Privatisierung der Autobahnen und wird das auch weiterhin vorantreiben. Der vorliegende Kompromiss schließt dies nicht zu 100 Prozent aus, auch wenn sich die SPD-Bundestagsfraktion in wichtigen Aspekten durchsetzen und eine wie von der Union gewollte Privatisierung im großen Stil verhindern konnte. Aufgrund dieser Bedenken kann ich daher den Gesetzesänderungen in dieser Form nicht zustimmen. Reinhold Sendker (CDU/CSU): Die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist ein elementar wichtiges Vorhaben der laufenden Wahlperiode. Es ist richtig und wichtig, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Wahlperiode abzuschließen, damit alle Beteiligten mit ausreichendem Vorlauf Planungssicherheit haben. Ich begrüße außerordentlich, dass mit der erzielten Einigung auch die Schaffung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft beschlossen wurde. Damit werden wir bestehende Planungsengpässe in den Ländern beseitigen. Unser Land braucht eine gesunde Verkehrsinfrastruktur, denn diese wird zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr, Wachstum und Wohlstand führen. Deshalb habe ich dem Gesetzentwurf trotz meiner im Folgenden aufgeführten Bedenken zugestimmt. Das großzügige finanzielle Engagement des Bundes ist für viele Kommunen eine große Hilfe. Gleichzeitig führen Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen zu keiner Klärung von Verantwortung, wirken oft als „goldener Zügel“ und schränken die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung ein. Die Einfügung des Artikel 104c GG setzt zudem ein schwieriges Signal. Das eigentliche Ziel müsste sein, bundesweit keine finanzschwachen Kommunen mehr zu finden. Stattdessen werden finanzschwache Kommunen jetzt sogar in der Verfassung verankert. Statt Bundeshilfen für finanzschwache Kommunen im Grundgesetz zu normieren, sollten die finanziell zuständigen Länder alles daransetzen, die Finanzschwäche von Kommunen zu beheben. Der Bund kann nicht alle Missstände vor Ort zu lösen – erst recht nicht, wenn Länder die Hilfen des Bundes unterlaufen, Mittel des Bundes nicht an die Kommunen weiterleiten und diesen dann auch noch immer größere Lasten aufbürden, um den eigenen Landeshaushalt zu schonen. Aus dem ersten Schritt des Artikel 104c GG mit der Mitfinanzierungsmöglichkeit für den Bund in der Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen darf keine Allgemeinzuständigkeit des Bundes für alle Probleme vor Ort werden. Letzten Endes würde eine Verstetigung dieser Praxis dazu führen, das föderale System der Bundesrepublik und somit einen grundlegenden Teil des politischen Systems der Bundesrepublik obsolet zu machen. Ziel der Föderalismusreform 2006 war, klare Strukturen und Verantwortlichkeiten in der Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder zu schaffen. Mit Artikel 104c GG wird dieses Ziel ein Stück aus den Augen verloren. Am Grundsatz, dass für eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen die jeweiligen Bundesländer verantwortlich und zuständig sind, ist festzuhalten. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Bildungsinfrastruktur, sondern insgesamt für alle von den Kommunen auszuführenden Aufgaben. Aus dieser Sicht besteht durch die Einfügung des Artikel 104c GG die Gefahr, dass ein dauerhafter Fehlanreiz gesetzt wird, dass Länder künftig Kommunen bei Investitionsbedarf an den Bund verweisen und somit aus der Erweiterung der Mitfinanzierungsmöglichkeit eine Mitfinanzierungszuständigkeit wird. Dies werde ich in Zukunft kritisch beobachten. Norbert Spinrath (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Zweitens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Drittens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Viertens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Deshalb stimme ich dem Gesetzesvorhaben zu. Svenja Stadler (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Zunächst ist zu beachten, dass der Bundestag über ein Regelungspaket zu entscheiden hat, das im Vorfeld bereits zwischen allen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung abgestimmt worden ist. Da die Länder in den Finanzbeziehungen Erleichterungen durch den Bund erfahren haben, haben sie im Gegenzug zugestanden, ein Stück ihrer Kompetenz im Bildungsbereich wieder an den Bund zu geben und in diesem Zusammenhang auch Bau, Planung und Verwaltung von Bundesstraßen bzw. Autobahnen dem Bund zu übertragen. Diese Verhandlung auf einer von der Verfassung nicht vorgesehenen Ebene zwischen Länderregierungen und Bundesregierung halte ich für äußerst kritikwürdig. Die Beratungen des Bundestages wurden deutlich dadurch erschwert, dass die Ministerpräsidenten gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesamtpaket völlig unterschiedlicher Regelungsbereiche verabschiedeten, die im Parlament faktisch nicht mehr entkoppelt werden können. Umso beachtlicher sind die Veränderungen, die nun zur Abstimmung stehen. Unabhängig davon hoffe ich aber, dass alle Parteien aus dieser Situation zukünftig lernen. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Christoph Strässer (SPD): Heute hat der Deutsche Bundestag den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich beschlossen, der innerhalb eines umfangreichen Pakets auch die Regelungen zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft enthält. Nach reiflicher Abwägung habe ich mich dafür entschieden, gegen dieses Paket zu stimmen. Dieses Gesetzespaket enthält umfassende Änderungen des Grundgesetzes sowie einfachgesetzliche Änderungen. Es geht zurück auf eine Einigung zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom Dezember 2016 als Ersatz für das Auslaufen der Regelungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich 2019. Der Grund für mich, dem Gesetzpaket meine Zustimmung zu verweigern, ist die darin enthaltene Einführung einer Infrastrukturgesellschaft zur Sicherstellung der Finanzierung und Effizienz bei Bau und Verwaltung der Bundesautobahnen. Die Schaffung einer Gesellschaft privaten Rechts widerspricht dem Grundsatz, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, in die öffentliche Hand gehört. Dieses Prinzip ist eine wesentliche Errungenschaft sozialdemokratischer Politik und ein hohes verfassungsrechtliches Gut. Der Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft könnte ich daher nur zustimmen, wenn diese die Form einer Gesellschaft öffentlichen Rechts hätte. Das ist in dem vorliegenden Kompromiss nicht der Fall. CDU/CSU haben dies vehement abgelehnt. Meine Fraktionskollegen und -kolleginnen haben lange, gut und hart verhandelt, um möglichst viele Privatisierungsschranken einzubauen. So wurden auch Änderungen in das Grundgesetz hineinverhandelt, die die mittelbare und unmittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausschließen. Außerdem ist ausgeschlossen, dass sich Private im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder wesentliche Teile davon betreffen, beteiligen. Wenn man bedenkt, dass insbesondere Bundesverkehrsminister Dobrindt ursprünglich bis zu 49 Prozent der Gesellschaft an private Investoren veräußern wollte, ist das ein erstaunliches Verhandlungsergebnis, für das unseren Verhandlungsführern Dank und Respekt gebührt. Mir persönlich geht das aber nicht weit genug. Denn das bedeutet auch, dass auf der anderen Seite die Möglichkeit besteht, ÖPP in höherem Maße durchzuführen. Zudem ist der Begriff „wesentliche Teile“ zu unkonkret, als dass damit ein wirklicher Ausschluss Privater garantiert ist. Darüber hinaus wird erstmals geradezu dazu aufgerufen, dass die Sanierung und der Bau von Schulen durch ÖPP-Vorhaben umgesetzt werden. Diesem widerspreche ich mit aller Entschiedenheit. Die Bereitstellung von Bildungsinfrastruktur ist elementare Aufgabe des Staates. Auch ist ein möglicher Wechsel der Rechtsform, zum Beispiel der GmbH in eine AG, lediglich einfachgesetzlich geregelt. Das heißt, eine andere Bundesregierung kann diese Umwandlung ohne eine Änderung des Grundgesetzes mit einfacher Mehrheit vollziehen. Gleiches gilt für die Kreditfähigkeit der Gesellschaft. Es ist zwar nicht erlaubt, dass diese selbst Kredite aufnimmt, aber dieser Punkt ist ebenfalls nur einfachgesetzlich geregelt. Der vorgesehene Parlamentsvorbehalt ist lediglich einfachgesetzlich geregelt und kann durch eine andere politische Mehrheit jederzeit verändert werden. Das gilt auch für die Übernahme der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auch hier besteht die Gefahr, dass eine andere politische Mehrheit den Abbau von bislang gesicherten Arbeitsplätzen mit Tariflöhnen und guter Mitbestimmung organisiert. Für mich ist klar: Die Union wollte von Anfang an eine echte Privatisierung der Autobahnen und wird das auch weiterhin vorantreiben. Der vorliegende Kompromiss schließt dies nicht vollumfänglich aus, und daher habe ich ihm nicht zugestimmt. Den weiteren Regelungen, die sich beispielsweise auf die Neuordnung des Finanzausgleichs oder das Aufheben des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich beziehen, stimme ich selbstverständlich zu. Ich bedaure es deshalb sehr, dass in einer Schlussabstimmung über alle Grundgesetzänderungen im Paket abgestimmt wird, nachdem bereits über die dargestellten Einzelbereiche auch jeweils namentlich votiert worden ist. Wegen der überragenden Bedeutung der Veränderung des Artikel 90 GG ist mir eine Zustimmung zum Gesamtpaket aus den vorstehenden Gründen nicht möglich. Dr. Karin Thissen (SPD): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen am ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf durchzusetzen: Erstens. Aus SPD-Sicht war in dem Regelungspaket von Anfang an die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses zu begrüßen. Für fast 1 Million alleinerziehende Eltern und ihre Kinder stellt es einen wichtigen Fortschritt dar, dass berufstätige Alleinerziehende, bei denen der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Erweiterung des Anspruches auf staatliche Unterstützung erfahren. Die Altersgrenze wird von jetzt 12 Jahre auf 18 Jahre angehoben und die zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren abgeschafft. Dieses wird dazu führen, dass die Doppelbelastung von Job und Kinderbetreuung besser bewältigt werden kann. Zweitens. Ein großer Erfolg ist auch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Der Bund wird in die Lage versetzt, 3,5 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen. Eine vollständige Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich bleibt ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik. Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies ist aber zwischen den Koalitionspartnern umstritten. Drittens. In der Fassung des Regelungspaketes, die in erster Lesung im Parlament beraten wurde, haben sich die Länder in Artikel 90 des Grundgesetzes verpflichtet, unter anderem die Verwaltung der Bundesautobahnen an den Bund zu geben. Ferner war vorgesehen, dass der Bund sich dafür einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen könne. Bereits in dieser Fassung war geregelt, dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen und Bundesstraßen unveräußerlich ist. Allerdings befürchteten viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Zusammenhang, dass private Investoren über eine Beteiligung an der Gesellschaft zumindest mittelbar eine Privatisierung durch die Hintertür erreichen könnten. Die Verlautbarungen aus Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium verstärkten diesen Verdacht. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und der Bundesrechnungshof kritisierten das Vorhaben scharf. Die Gewerkschaft Verdi problematisierte insbesondere Fragen beim Personalübergang. Nach wochenlangen Verhandlungen liegt nun eine Ergänzung des Verfassungstextes vor, der eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater an der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften ausdrücklich ausschließt. Dem Engagement der SPD-Bundestagsfraktion ist es zu verdanken, dass somit alle Hintertüren für eine mögliche Privatisierung in der Verfassung selbst geschlossen worden sind. Zudem ist es gelungen, dass alle wechselbereiten Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vom Bund übernommen und grundsätzlich dort eingesetzt werden, wo sie bisher arbeiten. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist verpflichtet, Tarifverträge für alle Beschäftigten abzuschließen. Ich empfinde es als Bestätigung dieser Position, dass auch die Gewerkschaft Verdi sowie der Bundesrechnungshof die Erfolge des parlamentarischen Verfahrens ausdrücklich anerkennen. Darüber hinaus werden in der Debatte sogenannte öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) problematisiert. Die Partnerschaften gibt es bereits – sie werden nicht erst durch das hier vorliegende Regelungspaket ermöglicht. Doch selbst in diesem Bereich konnte nun durch das parlamentarische Verfahren eine Verbesserung erreicht werden: Erstmalig werden in der Verfassung öffentlich-private Partnerschaften für ganze Streckennetze oder wesentliche Teile explizit ausgeschlossen. Damit wird im Grundgesetz selbst ein klares Zeichen gegen die Ausweitung von ÖPP gesetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich eine noch weitergehende Regelung gewünscht. Dies war jedoch mit der CDU/CSU-Fraktion nicht möglich. Demokratie und das Ringen im parlamentarischen Verfahren bringen selten Ergebnisse, die zu 100 Prozent den Forderungen einer einzelnen Fraktion entsprechen. Wer künftig ÖPP vollständig verhindern will, muss dafür eintreten, dass der Staat mehr Mittel in die Infrastruktur investiert, wie es die SPD fordert. Ein völliger Ausschluss von ÖPP im Grundgesetz, der einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf, war in der bestehenden Koalition nicht realisierbar. Deshalb werbe ich für die Anerkennung der Verhandlungserfolge im parlamentarischen Verfahren und die Erhöhung des Drucks auf all die politischen Kräfte, die eine schwarze Null im Bundeshaushalt über politische Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Michael Vietz (CDU/CSU): Dieses umfangreiche Paket an Änderungen des Grundgesetzes birgt unter dem Strich ein wenig mehr Licht denn Schatten, sodass ich letzten Endes trotz größerer grundsätzlicher Bedenken diesem zustimme. Die gesamtstaatliche Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland muss zweifellos zu jeder Zeit und auf jeder staatlichen Ebene gegeben sein. Ebenso die klare Definition von Zuständigkeit und letztendlicher Verantwortung für Entscheidungsprozesse. Entscheidend hierfür ist die finanzielle Planungssicherheit von Bund und Ländern. Dieser Gesetzentwurf ist die gelebte finanzielle Solidarität des Bundes mit den Ländern. Ungeachtet der Tatsache, dass ein Gutteil der Steuereinnahmen in Deutschland bereits den Ländern zu ihrer Aufgabenerfüllung zufließt. Die Länder werden von manchen Aufgaben, so zum Beispiel der Bundesauftragsverwaltung für die Bundesautobahnen, entlastet. Dies gibt die Hoffnung, dass sich Unterhaltung und Ausbau des Autobahnnetzes durch die einheitliche Führung durch den Bund signifikant verbessern werden. Eine von vielen Bürgerinnen und Bürgern befürchtete Privatisierung der Bundesautobahnen sehe ich hier nicht, diese bleiben unveräußerliches Bundeseigentum. Allerdings komme ich nicht umhin, festzustellen, dass in den Ländern mit einer guten funktionierenden Auftragsverwaltung wie Niedersachsen zukünftig Synergieeffekte für effektive Straßenverwaltung und Straßenbau wegfallen werden. Durch die Einführung eines Ausnahmetatbestands zu Artikel 104b GG kann der Bund für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen im Bereich der Bildungsinfrastruktur Finanzhilfen gewähren. Damit wird die grundsätzlich gegebene ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder aufgrund des grundsätzlich bundesweit festzustellenden, je nach Bundesland und Kommune aber doch erheblich variierenden Sanierungs- und Modernisierungsbedarfs im Interesse einer angemessenen und zeitgemäßen Bildung unserer Kinder durchbrochen. Diejenigen, die in der Vergangenheit hier, aus welchen Gründen auch immer, nachlässig waren, können zukünftig Hilfe vom Bund erhalten – mit allen nachvollziehbaren Irritationen bei denjenigen, die ihrer Verantwortung bislang aus eigener Kraft nachgekommen sind. Ebenso mit dem Risiko, dass teilweises leichtsinniges Unterlassen bei der eigenen Aufgabenerfüllung zukünftig vom Bund mit Förderung belohnt wird. Aus der Sicht des Bundes ist dabei sicherlich zu begrüßen, dass die Kriterien für die Bestimmung der förderberechtigten finanzschwachen Kommunen durch Bundesgesetz oder in den abzuschließenden Verwaltungsvereinbarungen festgelegt werden sollen. Dies gilt auch für die Ergänzung des Artikel 104b GG, die dem Bund nun die Möglichkeit eröffnet, über die bei der Gewährung von Finanzhilfen vorgesehene Festlegung der Investitionsbereiche und der Art der zu fördernden Investitionen hinaus auch die Grundzüge der Ausgestaltung der Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen festzulegen. Ein weiterer aus der Sicht des Bundes begrüßenswerter Aspekt ist die Ermächtigung des Bundesrechnungshofs in Artikel 114 GG, im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes hinsichtlich der zweckentsprechenden Verwendung von Bundesmitteln im Bereich von Mischfinanzierungstatbeständen auch Erhebungen bei den mit der Mittelbewirtschaftung beauftragten Dienststellen der Landesverwaltung durchzuführen. Dies ist ein begrüßenswerter Schritt zur Verbesserung der Transparenz der Verwendung der vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten Mittel. Diese aus der Vielzahl der Maßnahmen zur Gewährleistung der gesamtstaatlichen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit herausgegriffenen Aspekte illustrieren deutlich die immer weiter zunehmende – und in Anbetracht des Zustimmungsbedürfnisses durch den Bundesrat faktisch irreversible – Bereitschaft der Länder, Teile ihrer Souveränität gegen finanzielle Vorteile aufzugeben. Sie lassen sich damit in einem immer größeren Maße vom Bund an dem berühmten „goldenen Zügel“ führen und gefährden damit langfristig den föderalen Staatsaufbau unseres Landes. Des Weiteren ist zu befürchten, dass dieser Akt der Solidarität des Bundes als Belohnung verantwortungslosen Handelns aufgefasst wird. Ich bin der Auffassung, dass derjenige, der aufgrund falscher Prioritäten die Funktionsunfähigkeit wichtiger Lebensbereiche herbeiführt, nicht automatisch auf die Hilfe des Bundes setzen kann und darf. Alles andere wäre ein falscher Anreiz. Diese zukünftig grundgesetzlich festgelegten Maßnahmen sind faktisch irreversibel. Eine Evaluierung und gegebenenfalls erforderliche Korrektur bzw. Rücknahme ist zwar nicht aus rechtlichen, aber doch aus tatsächlichen Gründen wenig wahrscheinlich. Bewährt sich eine dieser Regelungen nicht, so wird der Bund sie nur mit noch größeren Zugeständnissen an die Länder korrigieren können. Damit ist ein derzeit noch nicht abschätzbares Erpressungspotenzial gegeben. Vor diesem Hintergrund hätte ich eine abstrakt-generelle Regelung im Grundgesetz mit einer einfachgesetzlichen Konkretisierung deutlich bevorzugt. Trotz dieser Bedenken und Sorgen stimme ich letztendlich dieser umfassenden Änderung des Grundgesetzes zu. Ich hege die Hoffnung, dass die Vielzahl der Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen der Bundesländer – und ihrer Kommunen – auf Sicht greifen werden. Die Vorteile und Chancen der in diesem Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen übertreffen die Nachteile und Risiken in meiner Einschätzung um einen winzigen Hauch. Barbara Woltmann (CDU/CSU): Ich möchte mit dieser persönlichen Erklärung zum Ausdruck bringen, dass ich zwar dem Gesetz zustimmen werde, dennoch betreffend einzelner Aspekte der Gesetzesentwürfe erhebliche Zweifel habe. So habe ich unter anderem Sorge, dass sich mit der Änderungen des Artikel 104c GG mit der Mitfinanzierungsmöglichkeit für den Bund in der Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen eine Allgemeinzuständigkeit des Bundes für alle Probleme vor Ort entwickeln wird. Es besteht die Gefahr eines ersten Schrittes in Richtung Zentralisierung. Änderungen des Grundgesetzes sollen eigentlich nur dann erfolgen, wenn es sich um dauerhafte Änderungen handelt. Die Festschreibung des Begriffs „finanzschwache Kommunen“ im Grundgesetz steht im Widerspruch zum einst verfassungsrechtlich beschlossenen „Kooperationsverbot“ in der Bildungspolitik. Statt Bundeshilfen für „finanzschwache Kommunen“ im Grundgesetz festzuschreiben, sollten die finanziell zuständigen Länder alles daransetzen, die Finanzschwäche von Kommunen zu beheben. Weiter darf es kein erstrebenswerter Zustand sein, möglichst lange als „finanzschwache Kommune“ zu gelten, um sich hohe Beträge an Fördergeldern des Bundes zu sichern. Das eigentliche Ziel muss es sein, dass es keine finanzschwachen Kommunen gibt. Stattdessen werden finanzschwache Kommunen nun sogar im Grundgesetz verankert. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Stefan Liebich (DIE LINKE) zu der sechsten namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 125c) (Tagesordnungspunkt 9) Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt. Mein Votum lautet Enthaltung. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der achten namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) (Tagesordnungspunkt 9) Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt. Mein Votum lautet Enthaltung. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgit Wöllert, Kerstin Kassner und Kersten Steinke (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 443 zu Petitionen (Beschlussempfehlung 1, laufende Nummer 1–11, Leitakte 2-18-15-2124-005471, Frau Skott u. a.) (Hebammen) (Tagesordnungspunkt 47 u) Die genannte Petition fordert, einen entsprechenden bundesrechtlichen Rahmen zu schaffen, durch den jeder Frau die freie Wahl des Geburtsortes sowie die Geburtsbegleitung durch eine Hebamme ihres Vertrauens gewährleistet und die Neuordnung des Vergütungssystems in der Geburtshilfe erreicht wird. Die Beschlussempfehlung, die Petition dem Bundesministerium für Gesundheit lediglich zu überweisen, soweit darin die Verbesserung der Datenlage hinsichtlich der bundesweiten Versorgung mit Hebammenhilfe begehrt wird und dann abzuschließen, reicht bei weitem nicht aus. Die Darstellung in der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses, das Anliegen der Petentin und der 41 397 Mitzeichnerinnen und Mitzeichner sei teilweise erfüllt, stimmt in der Realität weder mit dem Arbeitsalltag der Hebammen noch mit der Erfahrung vieler werdender Mütter überein. Einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur „personellen Ausstattung ... in stationären Geburtshilfeeinrichtungen“ zufolge ergab eine „Untersuchung von 23 Studien aus 16 Ländern“, dass eine „Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt eine Absenkung von Interventionsraten zur Folge hat“ (https://www.bundestag.de/blob/498952/e6d987867d45ea04396edc12a38aa6d3/wd-9-079-16-pdf-data.pdf; S. 6). Jedoch muss in Deutschland „fast die Hälfte der Hebammen … drei Frauen gleichzeitig während der Geburt“ betreuen (ebenda). Infolge der mangelhaften Arbeits- und Entlohnungsbedingungen hat laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) „fast jedes zweite Krankenhaus mit einer Geburtshilfeabteilung Schwierigkeiten …, offene Hebammenstellen zu besetzen“ (ebenda). Von der Begleitung durch eine Hebamme während der Geburt (regelhafte 1 : 1-Betreuung) ist Deutschland weit entfernt. Die freie Wahl des Geburtsortes kann nicht mehr gewährleistet werden. Insgesamt ist ein ganzer Berufsstand qualifizierter und hochmotivierter Hebammen und Entbindungspfleger existenziell gefährdet. Auch eine nachhaltige Lösung für die Haftpflichtproblematik der Hebammen ist seitens der Bundesregierung bis heute nicht erzielt worden. Eine grundlegende Maßnahme würde in der Einführung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds für alle Gesundheitsberufe bestehen (siehe Drucksache 18/1483). Zudem ist eine zeitgemäße Ausgestaltung von Hebammenleistungen dringend erforderlich, in der die Hebammen als erste Ansprechpartnerinnen für Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft benannt und weitergehende Leistungen unter Berücksichtigung gesundheitsfördernder und psychosozialer Aspekte ermöglicht werden. Dieses Verständnis eines neuen Berufsbildes sollte sich auch in der Vergütung niederschlagen. Die Versorgung mit Hebammenleistungen gehört zur Grundversorgung der Bevölkerung – wie die Versorgung mit Hausärztinnen und Hausärzten. Sie muss wohnortnah erfolgen, zum Beispiel über integrierte Lösungen (Versorgungszentren, Hebammenstützpunkte, Kooperationen). Eine wissenschaftlich fundierte, kleinräumige und konsequent an der gesundheitlichen Versorgung ausgerichtete Bedarfsplanung für alle Gesundheitsberufe ist zwingend erforderlich. Aus den vorgenannten Gründen stimmen wir gegen die in der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses empfohlene einfache Überweisung und den Abschluss des Petitionsverfahrens. Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Katja Keul und Beate Müller-Gemmeke (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) (Tagesordnungspunkt 12 a) Es ist schier unglaublich, was selbst im 21. Jahrhundert in Deutschland möglich ist. Im Jahr 2017 gibt es in Deutschland Krankenschwestern, die von ihrer Schwesternschaft beim Deutschen Roten Kreuz an Krankenhäuser entliehen werden. Sie sind Leiharbeitnehmerinnen. Das hat selbst der Europäische Gerichtshof festgestellt. Doch sie werden nicht als solche behandelt. Die Rotkreuzschwestern pflegen Menschen, versorgen Wunden und legen Verbände an, sie sprechen kranken Menschen Mut zu und kümmern sich professionell um alles, was eine Krankenschwester eben tut. Doch diese Frauen sind rechtlich gesehen keine Arbeitnehmerinnen. Denn sie tun ihren Dienst angeblich völlig selbstlos und bescheiden. So sah es zumindest die Vereinssatzung des Deutschen Roten Kreuzes in den 50er-Jahren. Und so sieht es seither das Bundesarbeitsgericht. Denn auch das BAG meint, DRK-Schwestern sind keine Arbeitnehmerinnen. Das heißt, im 21. Jahrhundert gibt es in Deutschland Beschäftigte, die keinerlei Rechte haben. Diese Krankenschwestern dürfen nicht streiken, sie haben keinen Kündigungsschutz, sie können keinen Betriebsrat wählen, und sie können kein Arbeitsgericht anrufen, wenn ihnen gekündigt wird. Tritt eine Schwester aus der DRK-Schwesternschaft aus, so darf sie zwei Jahre lang in keinem DRK-Krankenhaus mehr arbeiten. Dieser Tatbestand ist völlig inakzeptabel. Wie kann eine Gesellschaft wie die unsere solch ein recht- und schutzloses Arbeitsverhältnis einfach hinnehmen? Immerhin haben sich die DRK-Schwestern in Essen gewehrt. Dort wandte sich der Betriebsrat gegen die unbefristete Entleihung einer Rotkreuzschwester, mit dem Verweis, das sei Leiharbeit und die sei nur vorübergehend gestattet. Der Fall ging bis vor den Europäischen Gerichtshof. Und der gab dem Essener Betriebsrat Recht. Der Sonderstatus der Rotkreuzschwestern sei nicht mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie vereinbar, urteilte er. Das Bundesarbeitsgericht schloss sich dieser Rechtsauffassung an. Theoretisch müsste das von Nahles durchgesetzte neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das am 1. April in Kraft getreten ist, damit auch für die Rotkreuzschwestern gelten. Dieses Gesetz kritisiere ich noch immer. Aber im Falle der DRK-Schwestern könnte die neue Höchstüberlassungsdauer nach 18 Monaten dazu führen, dass die Schwestern von den Gestellungspartnern übernommen werden; denn in dieser Branche werden ja immerhin händeringend Fachkräfte gesucht. Damit hätten die Schwestern endlich einen regulären Arbeitsvertrag und damit auch alle Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte, wie alle anderen Beschäftigten auch. Doch dazu wird es nicht kommen. Denn das Deutsche Rote Kreuz pochte auf seinen Sonderstatus – und fand bei Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und den Regierungsfraktionen Gehör. Flugs wurde ein Änderungsantrag geschrieben, mit dem das DRK-Gesetz geändert wird, und zwar in einem einzigen Punkt: Die 18-monatige Höchstüberlassungsdauer gilt künftig nur für Rotkreuzschwestern nicht. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde diese Gesetzesänderung jetzt versteckt in einem Gesetz zur Rentenüberleitung (Omnibusverfahren) in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Diese Gesetzesänderung lehne ich strikt ab. Denn die DRK-Schwestern müssen endlich als normale Arbeitnehmerinnen anerkannt werden, mit allen Rechten und Pflichten. Mit dieser Gesetzesänderung passiert aber genau das Gegenteil. Das ist nicht zeitgemäß und auch nicht europarechtskonform. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschiebung nach Afghanistan aussetzen (Tagesordnungspunkt 47 n) Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt. Mein Votum lautet Ja. Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke: Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan (Zusatztagesordnungspunkt 10) Ich habe versehentlich mit Ja gestimmt. Mein Votum lautet Nein. Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Neue Lagebeurteilung für Afghanistan (Zusatztagesordnungspunkt 11) Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt. Mein Votum lautet Ja. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kontogebühren – Transparenz und Verbraucherschutz erhöhen (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Matthias Hauer (CDU/CSU): Nach den umfangreichen Beratungen der letzten Wochen bringen wir heute die Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie zum Abschluss. Wir wollen damit erreichen, dass derjenige, der elektronisch bargeldlos zahlt, dies in Zukunft noch bequemer und sicherer tun kann. Mit dem Gesetz passen wir den Rechtsrahmen an den technologischen Fortschritt an und fördern Innovationen im Bereich der elektronischen und mobilen Zahlungen. Gleichzeitig stärken wir den Verbraucherschutz und erhöhen die Sicherheit von Zahlungen. Mit dem Gesetz gehen wir zudem einige Themen außerhalb des Zahlungsverkehrs an. Beispielsweise sorgen wir dafür, dass bei Anschlussfinanzierungen und Umschuldungen für Wohnimmobilienkredite künftig grundsätzlich keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung mehr notwendig sein wird. Vor allem geht es bei dem Gesetz aber um das Thema Zahlungsverkehr: Wir beschließen heute wesentliche Verbesserungen für elektronische Zahlungen. Auf drei wesentliche Themen möchte ich näher eingehen: Erstens. Wir ermöglichen der BaFin, auch neuartige Finanzdienstleister zu beaufsichtigen. Zweitens. Wir machen elektronische Zahlungen sicherer. Drittens. Wir verbieten Preisaufschläge für den Einsatz gängiger Zahlungsmittel. Zu Punkt 1, der erweiterten Aufsicht: Wer seine Bankgeschäfte auf dem Smartphone erledigt, der nutzt dafür vielleicht schon heute eine App, die ihm einen Überblick über seine Konten bei verschiedenen Banken ermöglicht. Solche Kontoinformationsdienste verschaffen schnell einen Überblick über die eigenen Finanzen. Aber nicht nur der Blick auf die eigenen Konten, sondern auch der Geldtransfer von diesen eigenen Konten erfolgt immer häufiger elektronisch. Wenn ein Kunde zum Beispiel seinen Onlineeinkauf per Sofortüberweisung bezahlen möchte, prüft der Dienst erst, ob der Kunde genug Geld auf dem Konto hat, und veranlasst dann die Zahlung. Solche Zahlungsauslösedienste machen das Bezahlen im Internet einfacher. Mit diesem technologischen Fortschritt gehen aber auch Gefahren einher, vor allem wenn es um sensible Kontodaten geht. Früher war das eine Sache zwischen dem Kontoinhaber auf der einen Seite und seiner Bank auf der anderen Seite. Wenn heute ein Dienst dazwischentritt, dann muss klar sein, dass Kontoinformationen nur über sichere Kanäle übertragen werden, Informationen nur im benötigten Maße abgefragt und gespeichert werden und dass genau nachverfolgt werden kann, wer wann auf das Konto zugegriffen hat. Hohe Sicherheitsanforderungen und strenger Datenschutz müssen hier selbstverständlich sein und können mit dem heutigen Gesetz endlich auch durch die Aufsicht der BaFin sichergestellt werden. Damit stärken wir nachhaltig den Verbraucherschutz. Wir erhöhen die Sicherheit aber auch bei elektronischen Zahlungen, bei denen kein Zahlungsauslösedienst zwischengeschaltet ist. Damit komme ich zu Punkt 2, der vor allem normale Onlineüberweisungen betrifft. Hierbei wird die Identität des Kontoinhabers künftig durch zwei Merkmale überprüft. Das kann etwa das PIN/TAN-Verfahren sein – als ein klassisches Beispiel einer starken Kundenauthentifizierung. Mit diesen Maßnahmen wollen wir die Anzahl missbräuchlich ausgelöster elektronischer Zahlungen weiter reduzieren. Die Details zur starken Kundenauthentifizierung werden gerade auf europäischer Ebene ausgearbeitet. Wichtig ist uns als CDU/CSU hierbei besonders, dass Komfort und Sicherheit im Einklang miteinander stehen. Sollte es doch einmal dazu kommen, dass eine nicht autorisierte Zahlung ausgelöst wird, so kann sich der Verbraucher auch hier darauf verlassen, dass ihn die neuen Regelungen schützen. Wir verbessern dazu die Haftungsverteilung, vor allem bei Kreditkartenmissbrauch. Der Verbraucher haftet anstatt gegenwärtig mit 150 Euro in Zukunft maximal mit 50 Euro. Auch das ist ein weiterer Schritt zu mehr Verbraucherschutz im Zahlungsverkehr. Abschließend – damit komme ich zu Punkt 3 – gehen wir das Problem der Zahlungsmittelentgelte an. Bis heute kommt es oft bei Zahlungen im Internet zu bösen Überraschungen: Wer zum Beispiel online ein Bahnticket oder eine Flugreise bucht, der wird bei der Zahlung etwa per Kreditkarte häufig mit Zusatzkosten zur Kasse gebeten. Wir schieben mit dem Gesetz solchen Preisaufschlägen für Überweisungen, Lastschriften und die Nutzung gängiger Zahlungskarten einen Riegel vor. Anbieter nicht gängiger Zahlungsmittel fordern wir auf, ihre Preis- und Vertragsstruktur so anzupassen, dass die Händler in die Lage versetzt werden, auch diese in Zukunft entgeltfrei anzubieten. Mit dem Gesetz schaffen wir zahlreiche Verbesserungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir vergrößern das Angebot an regulierten Zahlungsmethoden und erhöhen somit gleichzeitig Sicherheit und Komfort für die Kunden. Wir passen die Rechtslage an neue Technologien an und halten mit Innovationen Schritt. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz. Dr. Frank Steffel (CDU/CSU): Mein Kollege Hauer hat bereits seine Ausführungen zur Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie gemacht, ich beschränke mich daher auf das Thema „Kleinanlegerschutzgesetz“. Im Jahr 2015 haben wir ein Gesetz zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, hier im Besonderen der Kleinanleger, verabschiedet, das gut war, gut ist und deshalb auch in die richtige Richtung weist. Kurz: Das Gesetz wirkt! Es ist gut, weil wir vor zwei Jahren ein Gesetz beschlossen haben, bei dem wir auf praktisch alle Eingaben – ob von Verbänden, Organisationen, Kirchen, Bürgerinitiativen, Sportvereinen, Kulturprojekten oder freien Schulen – eingegangen sind und diese weitestgehend berücksichtigt haben. Es ist gut, weil wir Kleinanlegern damit die Chance gewahrt haben, individuell und gut informiert Produkte am Kapitalmarkt auszuwählen. Es ist gut, weil wir Warnhinweise verschärft, aber gleichzeitig seriöse Werbung in den Medien nicht eingeschränkt haben. Es ist gut, weil wir die Grenze für die Prospektpflicht von 1 auf 2,5 Millionen Euro erhöht haben, was Bürokratie und Kosten gerade für soziale Projekte reduziert. Es ist gut, weil wir unzählige Sportvereine, zahlreiche Kulturprojekte und auch viele freie Schulen mit einer Sonderregelung für gemeinnützige Organisationen vor größeren bürokratischen Aufgaben bewahrt haben. Ehrenamtliche sollen ihr Engagement entfalten, nicht Schriftsätze und Fragebögen falten! Und es ist auch gut, weil Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, mit Ihrer Enthaltung, der höchsten Form der Zustimmung, die in einer parlamentarischen Demokratie üblich ist, das Gesetz unterstützt haben! Wir senden ein klares Signal an die Start-up-Unternehmen und potenzielle Gründer: Wir ermöglichen auch innovative Finanzierungen. Aber – lassen Sie mich auch das sagen –: Das Gute ist des Besseren Feind! Wir sind nach eingehender Bewertung der Überzeugung, dass der Anwendungszeitraum der betreffenden Vorschriften zu kurz gewesen sein könnte, um eine abschließende Beurteilung aller Aspekte und Auswirkungen zu ermöglichen. Deshalb haben wir beschlossen, dieses Gesetz weiter zu evaluieren, also regelmäßig zu verbessern. Zusammenfassend stelle ich fest: Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt und damit den grauen Kapitalmarkt weiter reguliert! Wir haben mit Augenmaß den Schutz der Kleinanleger gestärkt, das heißt, dass beispielsweise Regelungen für soziale und gemeinnützige Projekte sowie Religionsgemeinschaften beibehalten werden. Das Widerrufsrecht bleibt vollständig erhalten. Die Werbung in sozialen Medien bleibt ohne Änderung, und das Vermögensinformationsbeiblatt wird optimiert. Wir haben mit dem Kleinanlegerschutzgesetz die Grundlage für innovative Finanzanlagen gelegt. Geben wir dem Markt die Möglichkeit, sich zu entfalten. Geben wir den Anlegern die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Geben wir uns die Zeit, erneut zu evaluieren. Sarah Ryglewski (SPD): Aller Wahrscheinlichkeit nach zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode befassen wir uns heute auch mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Denn wir nehmen das vorliegende Gesetz zum Anlass, um einen letzten offenen Punkt zu klären. Worum geht es? Bereits Anfang 2016 beschlossen wir Regeln, um Verbraucherinnen und Verbraucher wirksamer vor Überschuldung zu schützen. Nachdem das Gesetz mit der neuen Kreditwürdigkeitsprüfung in Kraft war, erhielt so mancher durchaus solvente Verbraucher plötzlich keinen Kredit mehr zur Immobilienfinanzierung. Schuld waren Unsicherheiten aufseiten der Banken. Deshalb legten wir im März dieses Jahres nach und stellten einige Regelungen des Gesetzes klar. Einen offenen Punkt konnten wir im März jedoch nicht klären, da wir zunächst den europarechtlichen Spielraum klären wollten. Es geht darum, ob auch bei Anschlussfinanzierungen und Umschuldungen eine Kreditwürdigkeitsprüfung notwendig ist. Die Sorge dahinter ist Folgende: Wer bereits einen Darlehensvertrag abgeschlossen hat, würde durch eine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung nicht geschützt, sondern es bestünde im Gegenteil die Gefahr, durch einen negativen Bescheid erst in Existenznöte zu geraten. Deshalb stellen wir heute klar, dass in diesen Fällen keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung notwendig ist, sofern der Vertrag mit demselben Kreditinstitut abgeschlossen wird. Von dieser Regel machen wir im Sinne der Verbraucher nur zwei Ausnahmen: Eine Prüfung ist auch dann weiterhin notwendig, wenn der Nettodarlehensbetrag deutlich erhöht wird oder aber wenn die Bank weiß, dass der Darlehensnehmer die neue Finanzierung nicht dauerhaft tragen können würde. Die SPD trägt damit den Interessen der Verbraucher Rechnung und erfüllt den Zweck der europäischen Vorgaben: Das Risiko, dass Verbraucher wegen einer zu strengen Interpretation der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung ihre Immobilie vorzeitig veräußern müssen, entfällt. Den Schutz der Verbraucher vor Überschuldung halten wir aufrecht. Denn natürlich gelten auch in diesem Fall die Sanktionen bei fehlerhafter Kreditwürdigkeitsprüfung, damit die Banken einen Anreiz haben, sich an die Regeln zu halten. Christian Petry (SPD): Mit der Umsetzung des Kleinanlegerschutzgesetzes hat die Große Koalition im Sommer 2015 den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern am Kapitalmarkt verbessert. Wir haben damals unter anderem festgelegt, dass bei Abschluss einer Anlageinvestition Anlegern ein sogenanntes Vermögensinformationsblatt (VIB) vorgelegt werden muss. Dieses Infoblatt muss alle wesentlichen Inhalte der Vermögensanlage umfassen und abbilden. Darüber hinaus haben wir den kollektiven Verbraucherschutz als Aufsichtsziel der BaFin fest verankert – eine wegweisende Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes! Bei allen Regelungen war es uns aber immer wichtig, dass wir bürgerschaftliches Engagement nicht erschweren. Deshalb haben wir Ausnahmetatbestände geschaffen, die der Vielfalt sozialer und gemeinnütziger Projekte Rechnung tragen. Anbieter von Crowdinvestments im Internet haben wir von diversen Anforderungen befreit. Diese Plattformen unterstützen gezielt kleinere und mittlere Unternehmen sowie Start-ups. Die Bundesregierung hat nun diese Ausnahmetatbestände evaluiert. Die Praxistauglichkeit der Regelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes haben wir deshalb diskutiert und Änderungen beschlossen: Das Widerrufsrecht hat sich bewährt. Zukünftig darf der Emittent eines Anlageprodukts nicht gleichzeitig auch Betreiber der Crowdfunding-Plattform im Internet sein, auf der das Produkt beworben wird. Damit wird verhindert, dass Internetplattformen nicht objektiv über Vermögensanlagen informieren. Die Qualität des Vermögensinformationsblatts haben wir darüber hinaus verbessert: Zukünftig muss eine feste Reihenfolge an Mindestangaben bei der Erstellung des Infoblatts befolgt werden. Dadurch wird die Vergleichbarkeit der Vermögensinformationsblätter für Anleger gewährleistet. Eine weitere wichtige Änderung betrifft das Wertpapierprospektgesetz. Bislang besteht bei der Genehmigung eines solchen Prospektes bei der BaFin die Pflicht, den Prospekt auch in Papierform einzureichen. Diese Pflicht haben wir für Wertpapieremittenten abgeschafft. Gerade mit Blick auf den Brexit soll sich die Attraktivität des Standorts Deutschland für Wertpapieremittenten dadurch erhöhen. Aufgrund der kurzen Praxiserfahrung mit dem Kleinanlegerschutzgesetz haben wir uns darauf verständigt, Anfang 2019 die genannten Ausnahmevorschriften erneut unter die Lupe zu nehmen. Mögliche Änderungen werden wir hiernach konstruktiv diskutieren. Schlussendlich bleibt zu sagen, dass das Kleinanlegerschutzgesetz den Verbraucherschutz am Kapitalmarkt nachhaltig verbessert und die Märkte allgemein stabiler gemacht hat. Dr. Jens Zimmermann (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir als nationaler Gesetzgeber die Zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie um. Es ist ein wichtiges Gesetzgebungsvorhaben, weil so gut wie alle Bürgerinnen und Bürger von den enthaltenen Maßnahmen betroffen sind; denn es werden neue Regeln für das elektronische Bezahlen eingeführt. Es ist ein gutes Gesetz, weil wir nicht nur die Sicherheit bei Zahlungen erhöhen, sondern auch den Verbraucherschutz im Zahlungsdienstemarkt erhöhen. Die Rechte der Kundinnen und Kunden bei Zahlungsvorgängen werden an vielen Stellen gestärkt. So wird europaweit ein bedingungsloses Erstattungsrecht bei Lastschriften eingeführt. Außerdem wird Kundenhaftung bei Kartenmissbrauch von derzeit 150 Euro auf zukünftig 50 Euro begrenzt. Zudem wird es ein Verbot von Preisaufschlägen durch Händler für Überweisungen, Lastschriften und die gängigsten Zahlungskarten geben. Damit gibt es keine bösen Überraschungen mehr, wenn man am Ende eines Buchungsvorganges mit einer bestimmten Karte bezahlen möchte. Bisher gab es bei bestimmten Händlern bei Onlinezahlungen und Buchungen eine sehr intransparente Preisstruktur. Häufig wurde erst am Ende eines Buchungs- oder Bezahlungsvorganges ersichtlich, dass für bestimmte Zahlungsmittel ein Zusatzentgelt fällig wird. Hat man in diesem Moment dann keine Möglichkeit, eines der kostenlosen Zahlungsmittel zu wählen, ist man zur Zahlung von Zusatzgebühren gezwungen. In bestimmten Branchen, beispielsweise beim Fliegen, konnten das durchaus erhebliche Summen sein. Wir als SPD-Fraktion begrüßen es deshalb sehr, dass solche Zusatzentgelte zukünftig verboten sein werden; denn damit schaffen wir Transparenz bei den Preisen für Bahn-, Zug- oder Konzerttickets. Das kommt den Kunden zugute. Ausgenommen von dem Verbot für Zusatzentgelte sind in Zukunft lediglich noch sogenannte Dreiparteiensysteme. In den parlamentarischen Beratungen haben wir mit unserem Koalitionspartner intensiv darüber diskutiert, ob das Verbot auf diese Systeme ausgedehnt werden soll. Aufgrund der geringen Marktanteile dieser Kartenart in Deutschland und weil hier eine vertragliche Lösung zwischen Händlern und den Kartenunternehmen rechtlich möglich ist, die die Zusatzentgelte vermeidet, haben wir uns dafür entschieden, in diesem Punkt die Richtlinie eins zu eins umzusetzen. Neben den eben dargestellten zivilrechtlichen Änderungen werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auch viele aufsichtsrechtliche Vorschriften an den technologischen Fortschritt angepasst. Finanz- und Bankgeschäfte werden längst nicht mehr nur über die traditionelle Filiale oder das Onlinebanking großer Kreditinstitute erledigt. Stattdessen bieten immer mehr Unternehmen Dienste rund um das Girokonto an, die beispielsweise über Kontostände informieren oder Zahlungen ermöglichen, ohne dass von diesen Unternehmen auch das jeweilige Konto angeboten wird. Diese sogenannten dritten Zahlungsdienstleister werden nun der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstellt und unterliegen zukünftig einer Erlaubnispflicht. Damit geben wir als Gesetzgeber klare Regeln und Anforderungen für diese Dienste vor. Hiermit schaffen wir ein höheres Maß an Rechtssicherheit und eröffnen mit klaren Vorgaben auch neue Geschäftsfelder für Banken und innovative Unternehmen. In den parlamentarischen Beratungen haben wir neben einigen redaktionellen Änderungen auch einige Empfehlungen aus der Sachverständigenanhörung berücksichtigt. Unter anderem haben wir eine Klarstellung bei Zweckgutscheinen vorgenommen, die sowohl den Unternehmen als auch den Steuerbehörden hier eine bessere Orientierung bei der steuerlichen Bewertung dieser Gutscheine geben soll. Außerdem haben wir im Ausschussbericht eine Präzisierung festgehalten für bestimmte Leistungen, die Telekommunikationsunternehmen für die Anbieter bestimmter Dienste durchführen. Insgesamt werden die Maßnahmen im Gesetzentwurf die Regeln für den Zahlungsdienstemarkt zukunftsfest machen und viele Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher bewirken. Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Den Antrag der Grünen zu TOP 20 b lehnen wir ab. Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Zahlungsdienste: Das klingt erst einmal sehr technisch. Doch sie spielen eine wichtige Rolle im Alltag der Verbraucher. Pro Jahr gibt es im Einzelhandel fast 10 Milliarden unbare Transaktionen. Durch den Gesetzentwurf sollen rund 133 Millionen Zahlungsdienstrahmenverträge, also zum Beispiel Girokonten, reguliert werden. Da muss man schon ganz genau hinsehen, dass Verbraucher nicht übers Ohr gehauen werden; denn wir kennen alle Fälle aus den Medien – vielleicht sind wir aber sogar selbst schon Opfer davon geworden –, bei denen sich Unbefugte mit immer wieder neuen Tricks Zugang zu Konten verschafft haben. Das wird dann als Phishing, Hacking, Skimming usw. bezeichnet. Mit der Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie sollen Internetzahlungen weiter vereinfacht, neue innovative Bezahlverfahren gefördert, die Sicherheit von Zahlungen verbessert und die Rechte der Kunden von Zahlungsdienstleistern gestärkt werden. Dies gelingt zum Teil, auch wenn es gewiss noch einige Lücken und vor allem Unklarheiten gibt. Eine bedeutende Rolle in der Debatte spielte der Datenzugang für Drittanbieter. Geldanbieter sollen ab 2018 sogenannten Fintechs sowie anderen Zahlungsdienstleistern sämtliche Konteninformationen zugänglich machen und dann entsprechend die Zahlungsaufträge weiterleiten. Was wir hier immer wieder hören: Es bestehen bis heute genau an der Schnittstelle zu den Kundenkonten zu wenig sichere, einheitliche Standards, bzw. es sind noch keine festgesetzt worden. Dies ist ein erhebliches Risiko für die Konteninhaber, für den Verbraucher. Hier sollte die Bundesregierung noch einmal nacharbeiten. Des Weiteren müssen wir aufpassen, dass Kontoinformationsdienstleister nur auf Informationen, die der Nutzer tatsächlich gegeben hat, und auf in diesem Zusammenhang stehende Zahlungsvorgänge zugreifen können. Dies ist im Gesetzentwurf eigentlich unmissverständlich dargestellt und darf auf keinen Fall verwässert werden: Eine ganz enge Zweckbindung und starker Datenschutz müssen bestehen bleiben, damit dem Missbrauch vorgebeugt werden kann. Positiv ist für Verbraucher, dass Zahlungsdienstleiser und Banken in der Regel keine gesonderten Gebühren verlangen dürfen, wenn der Kunde ein Zahlungssystem nutzt. Zugleich wird die Kundenhaftung bei Schäden aus nicht autorisierten Kartenzahlungen künftig von 150 Euro auf 50 Euro reduziert – vorausgesetzt, der Kunde hat nicht grob fahrlässig gehandelt. Und genau hier gibt es eine Lücke und Schwachstelle; denn in der Praxis wird sich hierdurch vermutlich nichts ändern. Wenn eine Bank nicht erstatten will, wird sie es einfach nicht tun. Sie wird sagen, der Kontoinhaber habe seine Daten grob fahrlässig Dritten zugänglich gemacht (zum Beispiel die PIN neben der Karte aufbewahrt) und lässt es einfach auf eine Klage ankommen. Auf eigene Kosten eine gerichtliche Klärung zu suchen, werden demgegenüber die meisten Kunden scheuen. Das ist schlicht zu teuer. Hier gilt es also dringend nachzubessern! Wir Linke hätten uns gewünscht, dass der Gesetzentwurf klipp und klar regelt, dass künftig Banken ihren Kunden nicht mehr grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz unterstellen können, sondern dass die Banken ebendiese ausdrücklich beweisen müssen. In der Gesamtschau kann man den Gesetzentwurf etwas provokativ so zusammenfassen: Wir haben es hier mit einem „Fintech-Stärkungsgesetz“ zu tun. Diese neuen Anbieter auf dem Markt werden zwar nun reguliert, aber dabei auch deutlich gestärkt. Die Regelungen sind insofern erfrischend, als dass sich hier nicht in erster Linie am Bedarf der Banken orientiert wurde. Im Gegenteil: Banken haben die Schnittstellen und die Sicherheitsarchitektur zu stellen, und sie treten für die Fehler der Fintechs in Haftung, obwohl sie Regressansprüche geltend machen können, weil die neuen Anbieter haftpflichtversichert sein müssen. Der Aufschrei der Bankenlobby wäre sicher vehementer gewesen, wenn sie nicht die Hoffnung hätte, auf lange Sicht selbst von den Regelungen zu profitieren, weil sie die neuen Geschäftsmodelle auch selbst gewinnbringend nutzen bzw. Arbeitsabläufe zeitgemäß vereinfachen kann. Alles in allem unterstützt die Linke bei der Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie notwendige und sinnvolle Innovationen, solange der Verbraucherschutz sowie die Sicherheit von Zahlungen und damit von Geld, das Verbrauchern gehört, sichergestellt ist. Noch kurz ein Wort zur Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes. Diese wurde auch in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf mitberaten. Speziell wurden die Befreiungsvorschriften in §§ 2a bis 2c des Vermögensanlagegesetzes evaluiert, es geht also unter anderem um Ausnahmen von der Prospektpflicht für Schwarmfinanzierungen/Crowdinvesting. Der Abschlussbericht ist wirklich interessant, und in vielem kann die Linke auch mitgehen. Fest steht zu diesem Zeitpunkt aber auch: Die Befreiungsvorschriften für Schwarmfinanzierungen werden nicht auf sämtliche Vermögensanlagen ausgedehnt. Ob man dies will oder nicht – hier besteht noch Diskussionsbedarf, ebenso bei der Frage, ob man bestimmte Immobilienprojekte ganz herausnehmen sollte, weil sie für Schwarmfinanzierungen ungeeignet sind und ihre Betreiber nicht zur avisierten Zielgruppe gehören. Wir müssen also weiter die Augen offen halten, inwieweit die Ausnahmevorschriften für eine Umgehung genutzt werden. Grundsätzlich bedauern wir, dass auf absehbare Zeit keine weiteren Verbesserungen beim Anlegerschutz vorgesehen sind. Die Bundesregierung verweist einfach nur auf die nächste Evaluierung. Doch Verbraucherschutz – zum Beispiel durch striktere Selbstauskunftsverfahren von Crowdinvestingplattformen – darf wahrlich nicht auf die lange Bank geschoben werden. Sowohl bei den Zahlungsdienstleistern, die verstärkt auf den Markt dringen, als auch bei den Nachrangdarlehen, die manche Start-ups über die Crowdanbieter ausgeben, um Geld zu sammeln: Eine präventive Prüfung – wie bei Kinderschlitten und Atomkraftwerken – tut not, bevor Finanzmarktakteure und Finanzprodukte für den Gang auf den Markt zugelassen werden. Man spart auch einiges an Bürokratie, wenn man nicht mehr im Nachhinein mittels Hase-und-Igel-Wettlauf immer wieder prüfen, kontrollieren und eventuell Produkte oder Emittenten aus dem Verkehr ziehen muss. Genau dazu hatten wir jüngst im Finanzausschuss des Bundestages eine sehr gute Anhörung; denn wir als Linke fordern die Einführung einer europäischen verpflichtenden Zulassungsprüfung für Finanzprodukte. Wir fordern einen Finanz-TÜV. Triftige Argumente gegen einen solchen TÜV jenseits von Ängsten vor zu viel Bürokratie waren nicht zu vernehmen. Mit einem Finanz-TÜV würde man den Verbraucherschutz, aber ebenso Finanzmarktstabilität und Sicherheit großschreiben – und etwas anderes will die Zweite Zahlungsdiensterichtlinie im Grunde auch nicht bezwecken. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Zahlungsverkehrsbereich ist derzeit viel in Bewegung. Fintechs stoßen immer weiter in den Bereich des Bankgeschäfts vor und bieten innovative Dienstleistungen an. Neue Zahlungsdienste formieren sich und erleichtern die Bezahlung im Internet. Kontoinformationsdienste machen die Verwaltung unserer Finanzen einfacher. Die EU schafft in der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie nun erstmals einen umfassenderen Rechtsrahmen und Aufsichts- und Regulierungsstandards für diese neuen Dienste. Das ist gut aus Verbraucherschutzsicht; denn die Haftungsfrage wird geklärt und die Haftung des Kunden beschränkt. Auch aus wettbewerblicher Sicht ist das zu begrüßen, weil die alteingesessenen Banken sich nicht mehr durch die Schaffung bürokratischer Hürden aus ihrer Vormachtstellung heraus der Konkurrenz durch die neuen Dienstleister entziehen können. Eine versteckte Hürde für einen fairen Wettbewerb, die im Entwurf des Umsetzungsgesetz der Bundesregierung noch enthalten war, nämlich dass die Zahlungsdienste benötigte Garantien nur bei ihren Wettbewerbern, den Banken, einholen dürfen, wurde auf unsere Initiative hin gestrichen. Die Zahlungsdiensterichtlinie enthält noch eine Reihe weiterer Verbesserungen für den Verbraucher, zum Beispiel die Abschaffung von Aufpreisen bei Onlinezahlungen für die meisten gängigen Zahlungsmittel, eine Beweislastumkehr bei missbräuchlichen Zahlungen zugunsten des Kunden und eine Senkung der Haftung des Verbrauchers in solchen Fällen. Die EU hat hier eine gute Vorlage geliefert, und bei der Umsetzung der Richtlinie hat sich die Koalition keine groben Schnitzer geleistet. Doch das Gesetz enthält nicht nur die Umsetzung der EU-Richtlinie, sondern Sie haben in Ihren 13 Änderungsanträgen noch einiges Sachfremdes an das Gesetz gehängt, unter anderem Regelungen zu Wohnimmobilienfinanzierungen, zum Crowdinvesting, zu Abschlussprüfern bei Aktiengesellschaften, zu Dividendenzahlungen und Wertpapierprospekten. In der kurzen Redezeit kann ich nicht auf all diese Themen eingehen. Deshalb nur kurz zum Thema Crowdinvesting: Hier werden bei den Befreiungsvorschriften für Crowdfunding nach § 2a bis 2c des Vermögensanlagegesetzes ein paar wichtige Stellschrauben nachgezogen. Insbesondere die höhere Transparenz beim Vermögensinformationsblatt ist positiv. Auch werden einige weitere Umgehungsmöglichkeiten geschlossen. Leider wurden hier aber insgesamt die falschen Prioritäten gesetzt. Bei einigen Punkten, die bei der Evaluation festgestellt wurden, hat die Bundesregierung gesagt: Da gibt es ein Problem. Das müssen wir uns aber nochmal genauer anschauen. Da lassen wir uns etwas mehr Zeit. Gleichzeitig wagt sie aber bei der Regulierung der Plattformen einen Schnellschuss. Bei einigen Projekten, bei denen es eine Verbindung zwischen Emittent und Plattform gab, gab es laut Bundesregierung Missbrauchsfälle, aber nur im Immobilienbereich. Diese Missbrauchsmöglichkeit soll nun ausgeschlossen werden. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings ist es problematisch, dass mit Ihrer Lösung funktionierende Geschäftsmodelle, insbesondere im Erneuerbare-Energien-Sektor, die bisher auch laut Aussage der Bundesregierung nicht von Missbrauchsfällen betroffen waren, kaputtgemacht werden. Auch hier hätte man sich etwas mehr Zeit nehmen können und sicherlich mit etwas Umsicht und Mühe Wege finden können, die sowohl dem Missbrauch Einhalt gebieten als auch die Besonderheiten dieses Sektors würdigen, insbesondere da sie selbst sagen – jetzt zitiere ich aus dem Ausschussbericht – „dass der Anwendungszeitraum der betreffenden Vorschriften zu kurz gewesen sein könnte, um eine abschließende Beurteilung aller Aspekte und Auswirkungen zu ermöglichen.“ Wenn Sie schon so viele Themen im Rahmen dieses Gesetzes angehen, könnten Sie auch das Thema Kontogebühren, bei dem Sie unsere Problemanalyse teilen, gleich mitregeln, vor allem weil es thematisch deutlich besser in den Rahmen dieses Gesetzes gepasst hätte als viele der anderen Anhänge. Verbraucherinnen und Verbraucher werden nach wie vor mit überhöhten Gebühren für Kontoleistungen – beim Abheben am Geldautomaten, bei den Dispozinsen oder beim Basiskonto – allein gelassen. Natürlich ist klar, dass Banken und Sparkassen für die Dienstleistung „Kontoführung“ eine Gegenleistung verlangen. Klar ist auch, dass sie sich für Risiken, zum Beispiel beim Einräumen eines Disporahmens, bezahlen lassen. Aber ein Konto ist eine zentrale Voraussetzung, um am Wirtschaftsleben teilhaben zu können. Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, dass die Gebühren für Kontoleistungen nachvollziehbar und transparent sind sowie in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand und Risiko der Geldinstitute stehen. Die Dispozinsen müssen endlich auf ein verträgliches Maß reduziert werden. Noch immer sind Dispo- und Überziehungszinsen von über 10 Prozent keine Seltenheit. Das steht in keinem Verhältnis zu den Zinsen, zu denen sich Banken und Sparkassen Geld leihen. Das Basiskonto, auf das jede/r Verbraucher/in ein Anrecht hat, muss endlich halten, was es verspricht. Niemand darf durch zu hohe Gebühren vom Basiskonto ausgeschlossen werden. Hier muss endlich Rechtsklarheit her! Doch all diese Punkte ignorieren Sie weiterhin beharrlich. Die Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie hätte ein voller Erfolg werden können. Aber Sie sind wieder einmal auf halber Strecke stehen geblieben. Bei der Umsetzung der EU-Vorlage haben Sie nicht viel falsch gemacht, weshalb wir dem Gesetz zustimmen können, aber Ihre Bekenntnisse zum Verbraucherschutz scheinen vor allem Lippenbekenntnisse zu sein. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE: Weltfriedenstag als europäischer Feiertag (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Die Worte Konrad Adenauers beschreiben treffend die Genese des europäischen Friedensprojektes. Die jüngere europäische Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte. Seit über 60 Jahren steht das Friedensprojekt Europa auf soliden Füßen. Sukzessive arbeiten alle Mitgliedstaaten an diesem Projekt weiter. Begonnen hat das europäische Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg am 9. Mai 1950, als der damalige französische Außenminister und große Europäer Robert Schuman in seiner berühmten Pariser Rede vorschlug, eine europäische Produktionsgemeinschaft zu schaffen. Die sogenannte „Schuman-Erklärung“ mündete in der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, auch Montanunion genannt. Der Anfang der Europäischen Union war gemacht. Der 9. Mai ist schließlich bei einem Gipfeltreffen der damaligen EG-Staats- und Regierungschefs im Jahr 1985 in Mailand zum Europatag der Europäischen Gemeinschaft, später der Europäischen Union, bestimmt worden. Seitdem finden an diesem Tag überall in Europa zahlreiche Veranstaltungen und Festlichkeiten statt. Zweifelsohne befinden wir uns in einer der schwersten Krisen, die die europäische Idee seit langer Zeit durchlebt. Der bevorstehende Brexit ist als vorläufiger Höhepunkt dieser Krise anzusehen. Es ist an uns allen, die EU durch zielgerichtete Reformen wieder attraktiver zu machen. Allerdings glaube ich nicht, dass die Einführung eines Feiertages, wie die Fraktion Die Linke ihn in ihrem Antrag fordert, das Vertrauen der Bürger in die europäische Idee steigern lässt. Ich bin der Auffassung, dass wir mit dem Europatag bereits einen geeigneten europäischen Feiertag begehen. Da braucht es keinen weiteren europäischen Feiertag. Unabhängig von unserer grundsätzlichen Ablehnung begegnet auch der vorgeschlagene Tag Bedenken: Der 1. September wird deshalb vorgeschlagen, da am 1. September 1939 bekanntlich der Zweite Weltkrieg mit dem Angriff der Wehrmacht auf Polen begann. Sollte man für einen „Friedenstag“ nicht eher den Tag des Kriegsendes wählen? Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass es bereits einen weltweiten Friedenstag gibt, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1981 in einer Resolution beschlossen hat. Die Resolution besagt: „Dieser Tag soll offiziell benannt und gefeiert werden als Weltfriedenstag (International Day of Peace) und soll genützt werden, um die Idee des Friedens sowohl innerhalb der Länder und Völker als auch zwischen ihnen zu beobachten und zu stärken.“ Seit dem Jahr 2002 wird der 21. September offiziell weltweit als der „Internationale Tag des Friedens“ gefeiert. Wir sollten daher unsere Anstrengungen darauf ausrichten, diesen Tag stärker zu fördern, anstatt einen europäischen Alleingang zu tätigen. Es sprechen außerdem weitere Argumente dafür, Ihren Antrag abzulehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken. Lassen Sie mich zwei konkret benennen: Erstens. Die politische Initiative für die Einführung eines europäischen Feiertages müsste von der Europäischen Union ausgehen und nicht vom Deutschen Bundestag. Mein Vorschlag: Bringen Sie doch über Ihre Kollegen in Brüssel einen Antrag in das Europäische Parlament ein. Das scheint mir der richtige Ort zu sein, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Zweitens ist es für mich schwer nachvollziehbar, wenn Sie behaupten, dass sich die europäischen Bürger speziell an diesem Tag aufmachen, um ihre Nachbarn kennenzulernen. Heutzutage gibt es zum Glück einen überaus regen Austausch zwischen den europäischen Staaten, ob nun staatlich oder privat organisiert. Diesen gilt es über das gesamte Jahr hindurch zu fördern. Barbara Woltmann (CDU/CSU): Wer wäre nicht für den Frieden! Denn weltweit werden ganze Länder durch Kriege ins Chaos gestürzt und Familien zerrissen. So wurde international schon 1981 von der UN-Hauptversammlung der 21. September als Weltfriedenstag ausgewählt. An diesem Tag sind nicht nur jede Regierung, sondern auch alle Organisationen und Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, alle Waffen bedingungslos ruhen zu lassen und darüber nachzudenken, wie Frieden in der Welt erreicht werden kann. Alle sehnen sich nach Frieden überall auf der Welt. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Das wissen wir in Deutschland ganz besonders aus unserer Geschichte, aus dem Ersten Weltkrieg und aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem Hitler mit seinen Schergen Europa in Schutt und Asche gelegt hat und mit dem Holocaust ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Juden, Sinti und Roma und vielen anderen Menschen verübt hat, indem er ganze Völkergruppen ausrotten wollte. Seit Beginn der 1950er-Jahre wurde in der DDR der 1. September als „Tag des Friedens“ bzw. als „Weltfriedenstag“ bezeichnet – in Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939. Verbunden war der Tag auch immer mit einem Fahnenappell. Dieser 1. September ist daher eher ein Antikriegstag. Nicht der Beginn dieses Krieges sollte hervorgehoben werden, also der Anfang von Gewalt, Tod, Vertreibung und Grauen, vielmehr sollte sein Ende, nämlich das Ende des Tötens und Schreckens – dazu gehört auch die Befreiung von der Diktatur des Nationalsozialismus – betont werden. Insbesondere die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte unseres Landes bleibt dauerhaft unsere Aufgabe. Dazu wollen wir das bewährte Gedenkstättenkonzept des Bundes weiterentwickeln und auch die Zeitzeugenarbeit, die politische Bildung und die Wirkung authentischer Orte stärker in den Blick nehmen. Unser Bewusstsein für Freiheit, Recht und Demokratie ist unter anderem geprägt durch die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft und den sich anschließenden Stalinismus und die SED-Diktatur. Dem systematischen Völkermord an den europäischen Juden sowie an anderen Völkern und Gruppen lassen wir in der deutschen Erinnerungskultur eine außerordentliche Bedeutung zukommen. Auch deshalb ist es zuvorderst an uns, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und den Widerstand gegen das NS-Regime aufrechtzuerhalten und auch deren Aufarbeitung in den Ministerien und Bundesbehörden voranzutreiben. „Frieden in Freiheit“ ist ein Kernthema der Union – und für Frieden in Freiheit bedarf es der Stärkung der Rechte und Freiheit des Einzelnen. Deshalb lassen Sie mich noch deutlicher werden: Wir brauchen keine weitere, nur auf Außenwirkung bedachte Aktion für Funktionäre. Was wir brauchen, ist die Stärkung des individuellen Interesses am Austausch über Grenzen hinweg, damit die Menschen miteinander ins Gespräch kommen und sich besser verstehen lernen. Es gibt schon eine Vielzahl von Begegnungs- und Austauschprogrammen deutschlandweit, europaweit, ja auch weltweit. Ich denke da an die Erasmus- und Schüleraustauschprogramme wie auch an die Angebote der Kriegsgräberfürsorge, an denen sich Jugendliche europaweit beteiligen. Hier sollte man mit neuen Ideen ansetzen und diese weiterentwickeln, um bei den Menschen das Interesse zu stärken, in andere Länder zu reisen, darunter auch in europäische Länder, und fremde Menschen kennenzulernen. Dazu könnte beispielsweise ein kostenloses Interrailticket für alle 18jährigen Europäer beitragen. Ein Weltfriedenstag am 1. September als europäischer Feier- oder Gedenktag wird nicht für mehr Frieden sorgen: Erstens. Wir haben eine Vielfalt im Erinnern und Gedenken an Krieg und Frieden, je nach Ort und Begebenheit, die dringend erhalten bleiben, ja eher noch betont werden sollte. Ich erinnere daran, dass wir allein in dieser Wahlperiode unter anderem das Gedenken an 70 Jahre Befreiung der Konzentrationslager, das Ende des Zweiten Weltkrieges und 80 Jahre „Nürnberger Gesetze“ angemessen begangen haben. Jedes Mal ging es ortsbezogen, objektbezogen und sachorientiert um Einzelaspekte dieser für Deutschland dunklen und furchtbaren Zeit. Niemand ist daran gehindert – und das geschieht auch so – Gäste aus dem Ausland, auch dem europäischen Ausland, dazu einzuladen. Zweitens. Krieg und Frieden sind heute global zu denken, ihre Auswirkungen sind nicht mehr auf Kontinente begrenzt. Die Globalisierung ist eine große Herausforderung und wird dies zukünftig für uns alle bleiben. Deutschland ist Teil von Europa, ist Teil in globalem Zusammenhang. Denken Sie daran, wie nah uns die Auswirkungen der Kriege im Nahen Osten auch in Deutschland schon jetzt erreichen. Wir haben mit dem Weltfriedenstag der UN am 21. September bereits einen Weltfriedenstag. Den müssten wir stärker ins Bewusstsein rücken. Eines europäischen Weltfriedenstages am 1. September bedarf es daher nicht. Sebastian Hartmann (SPD): Die Linke scheint ein recht gutes Modell gegen die EU-Skepsis bei gleichzeitigem Einsatz für den Frieden gefunden zu haben: einen weiteren Feiertag. Über eine zunehmende EU-Skepsis in der Bevölkerung ist bereits allenthalben gesprochen und geschrieben worden. Dabei ist jedoch aktuell ein Gegentrend zu sehen. In der letzten Umfrage des Eurobarometers gaben 37 Prozent der Deutschen an, die EU habe für sie ein gutes Image. Das sind 8 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Eurobarometerumfrage. Allerdings ist das auch immer noch eine klare Minderheit. Dabei ist die EU grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Noch nie hat es eine längere Friedensperiode im EU-Raum gegeben, noch nie haben sich so viele Personen nationenübergreifend verständigen können, und noch nie war der europäische Wirtschaftsraum stärker als heute. Ich möchte allerdings die aktuelle Krise der EU nicht verschweigen. Mit Großbritannien tritt erstmals ein Land aus der EU aus, in Südeuropa ist die Jugendarbeitslosigkeit weiterhin zu hoch, und Griechenlands Schuldenlast kann die zaghaften Reformen und Aufbruchssignale schnell zunichtemachen. Vielleicht ist ein EU-weiter Feiertag in der Tat eine gute Gelegenheit, einmal innezuhalten, sich auf die positiven Aspekte der EU zu konzentrieren und sich an der europäischen Erfolgsgeschichte zu erfreuen. Allerdings gibt es bereits jedes Jahr am 9. Mai den sogenannten Europatag. Basierend auf der historischen Ansprache des damaligen französischen Außenministers Robert Schuman am 9. Mai 1950 in Paris zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), wird dieser Tag offiziell als Geburtstag der Europäischen Union gefeiert. Schuman erklärte damals unter anderem, Europa lasse sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es werde aber durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Daher schlug Schuman vor, die französische und die deutsche Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offenstehe – als erste Etappe der europäischen Föderation. 1985 wurde in Mailand beim Treffen des Europäischen Rates offiziell beschlossen, diesen Tag zu feiern. Es gibt daher für mich keinen ersichtlichen Grund, den 1. September als einen europäischen Feiertag zu begehen. In ihrem Antrag schreiben die Linken zudem, dass sie mit diesem Feiertag aktiv die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der EU verbessern möchten. Dabei spricht die Linke immer wieder selbst von der EU als „undemokratisch, unsozial und in einer tiefen Krise“. Das Verhältnis der Linken zur EU ist innerhalb der eigenen Partei sehr gespalten; daher verwundert der vorliegende Antrag. Es wäre wünschenswert, wenn die Linke mehr im politischen Tagesgeschäft an einem positiven EU-Bild arbeiten würde und weniger in solchen Anträgen. Daher ist der vorliegende Antrag abzulehnen. Ein Vorschlag: Die Linke überdenkt ihre Sowohl-als-auch-Haltung zu Europa, nimmt von ihren antieuropäischen Attitüden Abstand, und wir verzichten auf den Feiertag. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Wir beraten heute abschließend vier Gesetzentwürfe zur Reform bzw. Änderung des Strafgesetzbuches bezüglich von Straftaten gegen ausländische Staaten. Alle vier treffen sich in einer zentralen Forderung: der § 103 des Strafgesetzbuches muss weg. Und auch, wenn wir am Ende nur einen der vier Gesetzentwürfe annehmen werden, ist dieser `kleinste gemeinsame Nenner´ tragfähig genug, damit – zumindest war das bisher im federführenden Rechtsausschuss der Fall – alle Fraktionen dem ihre Zustimmung geben werden. Die Strafvorschrift des § 103 des Strafgesetzbuches (StGB) (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) bezweckt den Schutz der Ehre von ausländischen Staatsoberhäuptern, ausländischen Regierungsmitgliedern sowie beglaubigten Leitern einer ausländischen diplomatischen Vertretung. Der Strafrahmen beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Für den Ehrenschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten erscheinen die Straftatbestände des Vierzehnten Abschnitts (Beleidigung), §§ 185 ff. Strafgesetzbuch, ausreichend. Insbesondere bedarf es zum Schutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nicht des gegenüber den §§ 185 ff. StGB erhöhten Strafrahmens. Auch das Völkerrecht verpflichtet die Staaten nicht dazu, Sonderstrafnormen zugunsten Repräsentanten ausländischer Staaten aufzustellen, wie sie § 103 StGB derzeit vorsieht. Die Vorstellung, die Repräsentanten ausländischer Staaten benötigten einen über die §§ 185 ff. StGB hinausgehenden Schutz der Ehre, erscheint nicht mehr zeitgemäß. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Schutzzweck des § 103 in der Wahrung des Interesses der Bundesrepublik an einem Mindestbestand funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten besteht, so wird dieses Anliegen bereits ausreichend durch die Beleidigungsparagrafen 185, 186 und 187 StGB sichergestellt. Dies hat auch der Deutsche Anwaltsverein in seiner Stellungnahme vom Januar 2017 festgestellt. § 103 StGB ist daher entbehrlich und kann aufgehoben werden. Allerdings geht uns die Abschaffung des § 103 StGB nicht weit genug. In unserem eigenen Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 18/8272) fordern wir neben der Abschaffung der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (§ 103 StGB) die Abschaffung weiterer sogenannter Sonderbeleidigungsdelikte. Dabei handelt es sich um die Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) sowie die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB). Diesen Gesetzentwurf werden Sie heute leider mit den Stimmen der Großen Koalition bedauerlicherweise ablehnen – und damit werden wieder einmal die Grenzen der Gemeinsamkeiten deutlich, die aufzeigen, dass die Große Koalition immer nur so viel macht, wie sich nicht vermeiden lässt. Politisches Gestalten sieht aber anders aus. Nur: dazu fehlt Ihnen offensichtlich sowohl der Mut als auch der Wille. Auch die Gesetzentwürfe der Grünen und des Bundesrates konzentrieren sich auf eine Streichung des § 103 StGB. Darüber hinaus fordern sie die sofortige Inkraftsetzung des Gesetzes am Tag seiner Verkündung, und nicht erst zum 1. Januar 2018. Da wir beides ebenfalls fordern, stimmen wir auch beiden Gesetzentwürfen zu. Zu den Auswirkungen des späten Inkrafttretens des Gesetzes hat sich bereits der Deutsche Anwaltsverein sehr kritisch geäußert: Es sei kein Grund ersichtlich, warum gegenwärtig für vergleichbare Fälle anfänglich noch eine Strafverfolgung nach § 103 StGB statthaft sein darf. Das Gesetz sollte daher am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Diesem Standpunkt schließen wir uns vollumfänglich an. Vor diesem Hintergrund erhält allerdings die Empfehlung der Mehrheit im Rechtsausschuss, diese beiden Gesetzentwürfe abzulehnen, einen sehr schalen Beigeschmack. Wozu dieser Umgang absoluter Arroganz der Macht der Regierungsfraktionen mit der parlamentarischen Opposition und der Länderkammer, dem Bundesrat? Eine Antwort wird uns die Große Koalition wahrscheinlich schuldig bleiben. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Idee, den Weltfriedenstag zu einem europäischen Feiertag zu machen, ist nicht falsch. Selbstverständlich könnten sich Menschen an einem solchen Feiertag innerhalb der Europäischen Union grenzüberschreitend, spontan und vielfältig begegnen; sich kennenlernen. Natürlich kann das dazu beitragen, dass Vorurteile abgebaut werden, sich die Zivilgesellschaft stärker vernetzt und austauscht. In Zeiten wie diesen ist das wichtig! Die Rechtspopulisten säen Hass und Missgunst. Sie versuchen, die Europäische Union auseinanderzudividieren; denn sie verstehen nicht, dass die Probleme des 21. Jahrhunderts nicht im nationalen Alleingang gelöst werden können. Nun gibt es verschiedene Weltfriedenstage: In der ehemaligen DDR wurde seit den 50-iger Jahren und in der BRD seit den 60-iger Jahren am 1. September des Friedens gedacht. Die Katholische Kirche feiert seit 1968 ihren Weltfriedenstag am 1. Januar. Seit 1981 gibt es am 21. September den „Internationalen Tag des Friedens“ von den Vereinten Nationen. Angesichts der vielen Krisen und Kriege in dieser Welt kann es eigentlich nicht genügend Tage im Jahr geben, innezuhalten und des Friedens zu gedenken. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie schlagen nun vor, den 1. September als europäischen Feiertag in ganz Europa zu begehen. Ich möchte Sie fragen: Was soll Europa mit einem deutschen Feiertag? Wir brauchen einen deutschen Feiertag für Europa genauso wenig wie die überhebliche Ansage von Volker Kauder vor einigen Jahren: „Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen.“ Europa braucht keine Deutschtümelei. Europa braucht Respekt, Verlässlichkeit und den unumstößlichen Willen zur Kooperation. Deshalb wäre es klüger gewesen, von der Bundesregierung zu verlangen, sich für einen europäischen Weltfriedens-Feiertag am 21. September 2017 einzusetzen und damit ganz klar zum Ausdruck zu bringen: Deutschland und die EU stehen zu den Vereinten Nationen; denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam lösen. Es geht nur miteinander – sowohl in der EU als auch auf der internationalen Bühne. Die Europäische Union und die Vereinten Nationen sind die Antwort auf die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkrieges. Der Kontinent wurde von Nazi-Deutschland in Schutt und Asche gelegt. Über 60 Millionen Menschen starben. Juden wurden ermordet, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, politisch Andersdenkende und Homosexuelle wurden verfolgt und umgebracht. Danach war klar: Es geht nicht alleine und jeder für sich. Nationale Egoismen, diplomatische Zerwürfnisse, schlechte und unfaire Handelsbeziehungen sowie ein permanentes Aufrüsten führen zu Misstrauen, Hass und Krieg. Der 21. September sollte uns daran jedes Jahr erinnern. Frieden und Eintracht kommen nicht mit nationalen Reflexen. Die Vereinten Nationen brauchen die EU, und die EU braucht die Vereinten Nationen, und deshalb spricht auch nichts dagegen, einen Gedenktag der Vereinten Nationen als europäischen Feiertag zu übernehmen. Anlage 17 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten (§ 1 Absatz 2 GO-BT) sowie weitere Änderungen in den §§ 93, 93a und 93b GO-BT (Tagesordnungspunkt 22) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Im Rahmen der Abstimmungen am 1. Juni 2017 werde ich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und der damit verbundenen Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten sowie weiterer Änderungen der GO-BT nicht zustimmen. Lassen Sie mich kurz darlegen, warum ich der Beschlussempfehlung nicht zustimmen kann: In zwei Jahren schaut die Bundesrepublik Deutschland auf 70 Jahre Demokratie zurück. In diesem Staat wird soziale und politische Teilhabe für breiteste Schichten des Volkes gewährleistet. Weltweit sieht man auf Deutschland und schaut mit Bewunderung auf ein wirtschaftlich erfolgreiches Land, das durch den Einbau eines verfassungsrechtlichen Kontrollnetzes bereit und fähig ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung notfalls auch wehrhaft gegen Feinde von innen und außen zu verteidigen. Seien wir stolz auf dieses Staatswesen! Persönlich sind wir als Politiker der sogenannten etablierten Parteien dazu aufgerufen, unsere Politik an den Maßstäben von Menschlichkeit, Wahrheit, Klarheit und Transparenz zu orientieren. Wenn die Menschen wieder das Gefühl haben, dass wir unsere politischen Maßstäbe selber leben und authentisch und sympathisch als Vorbild dem Volk dienen, werden wir keine Probleme mit populistischen Ein-Themen-Parteien haben. Wir sollten also lieber ein attraktives und maßvolles Politikangebot unterbreiten, als mit Taschenspielertricks die demokratischen Traditionen und Gepflogenheiten unserer Demokratie zu ändern und damit einen demokratisch gewählten Mitbewerber von Teilen der demokratischen Teilhabe auszuschließen, die wir für uns in aller Selbstverständlichkeit einfordern. Bei allen Fehlern, die auch aufgetreten sind, haben Verfassungsschutz, Nachrichtendienste, Polizei, Staatsanwaltschaften und Richter in den letzten Jahrzehnten den Nachweis gebracht, dass sie echten Verfassungsfeinden von links und rechts vehement und zugleich mit dem nötigen Augenmaß entgegentreten. Nach meiner eigenen Erfahrung mit einem totalitären Herrschaftssystem bekenne ich mich eigenen zu Voltaires Aussage: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst“. Nach meinem Empfinden schwächt die Große Koalition mit dieser Geschäftsordnungsänderung unsere demokratische Kultur und bietet dem politischen Mitbewerber die Möglichkeit, sich als Opfer der etablierten Parteien zu gerieren. An einer Änderung der Geschäftsordnung, mit der sich die etablierten Parteien keinen Gefallen tun und ein Zeichen setzen, dass sie dem Urteilvermögen der eigenen Bevölkerung nicht ausreichend vertrauen, will und werde ich mich nicht beteiligen. Katrin Werner (DIE LINKE): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages ab. Künftig soll nicht mehr das in Jahren älteste Mitglied des Deutschen Bundestages das Amt des Alterspräsidenten übernehmen, sondern das am längsten dem Parlament angehörende Mitglied, das hierzu bereit ist. Mit dieser Änderung möchte die Große Koalition verhindern, dass Wilhelm von Gottberg (AfD) nach der Bundestagswahl möglicherweise das Amt des Alterspräsidenten des Deutschen Bundestages übernimmt. Auch wenn es unerträglich und ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des Nationalsozialismus ist, dass von Gottberg, der den Holocaust als „Mythos“ bezeichnete, Alterspräsident wird, ist die Änderung der Geschäftsordnung der falsche Umgang. Denn damit kann dem erstarkenden Rechtspopulismus nicht begegnet werden. Das demokratische System darf sich nicht vor einem drohenden Einzug der AfD beugen. Es bedarf vielmehr einer argumentativen Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD und einem deutlichen sowie lautem Bekenntnis zu einer solidarischen, demokratischen und offenen Gesellschaft. Ich stimme daher gegen den Antrag der Großen Koalition zur Änderung der Geschäftsordnung. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: – Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 18. Legislaturperiode) (Tagesordnungspunkt 24) Josef Göppel (CDU/CSU): Müssen die Menschen in 100 Jahren die Erde verlassen? Mit dieser Botschaft erschreckte Stephen Hawking vor einigen Wochen für einen Moment die Mediengesellschaft. Wirklich ernst nimmt das niemand. Dabei sind objektive Zeichen einer Überstrapazierung der Erde nicht zu übersehen: der Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre von 270 auf 400 ppm, die ansteigende Versauerung der Meere, der Schwund fruchtbarer Erde. Doch es gibt Gegenkräfte: jede Pflanze, die mit Sonnenlicht Biomasse aufbaut, und der kontinuierliche Wärmefluss aus dem Innern der Erde, der den globalen Stoffkreislauf antreibt. Alexander von Humboldt hat diese Zusammenhänge nach der Besteigung des Chimborazo als einer der Ersten geahnt. 1845 schrieb er in seinem Kosmos: Die Natur ist lebendig, „wie von einem Hauche beseelt von Pol zu Pol nur ein Leben ausgegossen ist in Steinen, Pflanzen, Tieren und in des Menschen schwellender Brust“. Der Mensch bleibt trotz aller Technik auf die produktive Oberfläche der Erde angewiesen auf ackerfähige Böden, auf Weideflächen, auf Fischgründe, auf Wälder. Er braucht sie zur Erzeugung seiner Lebensmittel im umfassenden Sinn und zur Aufarbeitung seiner Abfälle. Das ist das Anliegen dieser Rede: werben für die Achtung vor dem Land, den offenen, atmenden Boden, die fruchtbare Erde. Wie gleichgültig nehmen wir es hin, wenn wieder ein Stück frisches Land überbaut wird. Der Industriebau zum Beispiel muss wegkommen von der landfressenden Erdgeschossigkeit, und der Bau von Personenautos mit 400 PS ist mit einer nachhaltigen Wirtschaftsethik nicht mehr vereinbar! Ein Kollege sagte in diesem Zusammenhang vor kurzem: „Unsere Kernkompetenz ist aber doch Wirtschaft!“ Gestatten Sie dazu einen Vergleich aus dem Alltagsleben. Ein kleiner Junge sitzt auf dem Arm seines Großvaters. Er streckt die Hände hoch und ruft: „Ich bin größer als du!“ So wie ihm ist uns oft nicht bewusst, was uns trägt. An dieser Stelle ein Appell. Wenn es dem Bundestag ernst ist mit der Nachhaltigkeit, dann muss der Beirat dafür endlich mit klaren Befugnissen in der Geschäftsordnung verankert werden. Der dem Markt innewohnende Wachstumszwang hin zum Oligopol schien mit der sozialen Marktwirtschaft gebändigt. Die regelfreie Globalisierung seit den 90er-Jahren erinnert dagegen an wild dahinbrausende Rösser eines antiken Wagenrennens. Irgendwann tragen sie den führungslosen Wagen aus der Kurve. Wir brauchen keinen Rückzug, sondern einen Siegeszug der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Ernst Ulrich von Weizsäcker oder Franz Josef Radermacher haben die Schritte dahin konkret benannt. Eigentlich muss das schon aus ökonomischer Sicht gelingen, denn Rohstoffe und Energie werden global gehandelt. Mit den Kosten dafür stehen Städte und Länder in direkter globaler Konkurrenz. Wer haushälterischer damit umgeht, wird wirtschaftlich stärker. Für das alltägliche Handeln gibt es eine klare Richtschnur: Immer dann, wenn Sie sich mit einer Maßnahme den Kreisläufen der Natur nähern, liegen Sie richtig. Nehmen wir die Mühe auf uns, dafür immer wieder Anstöße zu geben und andere immer wieder auf dieses Ziel hin anzusprechen! Am Schluss des Aufrufes an die „Handelnden“ in der Umweltenzyklika sagt Papst Franziskus: Allen, die am Schutz unseres gemeinsamen Hauses arbeiten, möchte ich „meine Anerkennung, meine Ermutigung und meinen Dank aussprechen“. Dr. Lars Castellucci (SPD): Vor wenigen Stunden hat Donald Trump den Klimavertrag von Paris aufgekündigt. Worüber wir gestern noch gejubelt haben, das ist heute gefährdet. Es steht unglaublich viel auf dem Spiel. Gleichzeitig: Es ist nun leicht, sich über den amerikanischen Präsidenten zu erzürnen; doch Nachhaltigkeit wird nur umgesetzt werden, wenn alle in ihrem Bereich das Mögliche tun und vielleicht noch etwas mehr. Deshalb: Konzentrieren wir uns auf unseren eigenen Einflussbereich und zeigen nicht auf die anderen. Wir debattieren Nachhaltigkeit heute im Nachtprogramm; eigentlich gehört es aber in die Hauptsendezeit. Was ist also der Stellenwert von Nachhaltigkeit bei uns in Deutschland und im deutschen Parlament? Wir müssen deutlich mehr tun. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und die vielen Institutionen und Ehrenamtlichen im Bereich der Nachhaltigkeit machen uns international sicherlich zu einem beispielgebenden Land. Gleichzeitig: Bereits am 24. April hatten wir auch in diesem Jahr wieder die uns zustehenden Ressourcen verbraucht. Wenn alle so wirtschaften und leben würden, wie wir, bräuchten wir zwei weitere Erdbälle im Kofferraum. Haben wir aber nicht. Deshalb: Wir müssen deutlich mehr tun. Die Menschen kaufen sich Autos, die weniger Sprit verbrauchen, und fahren dafür viel mehr Kilometer. Heraus kommt der sogenannte Rebound-Effekt. Wir werden nicht nachhaltiger über technologische Lösungen allein. Wir müssen die Köpfe und Herzen der Menschen erreichen. Nachhaltigkeit muss Freude machen. Wir müssen also deutlich mehr tun. Es braucht einen Aufbruch wie zu Zeiten der Agenda 21 und eine ineinandergreifende Zusammenarbeit von Kommunen, Ländern, Bund, der Wirtschaft, Wissenschaft und zivilgesellschaftlicher Akteure. Der Parlamentarische Beirat hat in der zurückliegenden Wahlperiode für die Aufnahme der Nachhaltigkeit als Staatsziel ins Grundgesetz geworben. Die CDU hat dann einen Rückzieher gemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Wir müssen deutlich mehr tun. Und dafür brauchen wir die Staatszielbestimmung, die uns in unserem Handeln leitet und verpflichtet. Ich werbe noch für einen weiteren Punkt: Kein Haushälter hier im Parlament würde es dulden, wenn die Regierung beschlösse, dass der Haushalt künftig eine Strategie der Regierung darstellt und die Abgeordneten diese nur zur Kenntnis nehmen. Die wichtigen Dinge gehören ins Parlament. Wir müssen deutlich mehr tun: Die Nachhaltigkeitsstrategie muss demokratisiert, hier im Parlament diskutiert und verabschiedet und durch den Parlamentarischen Beirat – mit materiellen Rechten ausgestattet – wirkungsvoll begleitet werden. Ein Pfarrer wurde gefragt, wie viel Geld denn in den Opferstock gelegt werden solle, damit der liebe Gott zufrieden sei. Dieser antwortete: Wenn du doppelt so viel gibst, wie du eigentlich wolltest, hast du die Hälfte von dem gegeben, was der liebe Gott von dir erwartet. So ist es mit der Nachhaltigkeit: Wir müssen deutlich mehr tun. Carsten Träger (SPD): Was ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit? Das Gegenteil von Nachhaltigkeit denkt nicht von heute bis morgen früh. Das Gegenteil von Nachhaltigkeit trifft politische Entscheidungen beim Frühstücksfernsehen und leugnet Realitäten wie den Klimawandel. Gerade hat Donald Trump verkündet, die USA werden aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Das sind schlechte Nachrichten für das Klima, aber auf jeden Fall schlechte Nachrichten für die USA. Denn dieser Schritt ist nicht nur dumm und rückwärts gewandt, er ist auch wirtschaftlich unsinnig. Fossile Energie statt erneuerbare, Nationalismus statt offener Gesellschaft, Konfrontation statt Vertrauen: verlorene Jahre für die USA, solange er Präsident ist. Umso wichtiger für den Rest der Welt, zusammenzustehen und noch mehr für Klimaschutz zu tun! Umso stolzer bin ich auf die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, die ein progressives Dokument ist. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie bekennt sich die Bundesregierung zur Einhaltung der planetaren Grenzen, der Belastungsgrenzen unserer Erde. Daraus resultiert – hier zitiere ich die Strategie – „ein Transformationsauftrag: Es geht darum, umfassende, beschleunigte Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten und voranzutreiben: in unserer Art zu leben, zu arbeiten, zu konsumieren, in Technologien, Institutionen und Praktiken.“ Das ist ein politisches Bekenntnis mit Weitblick unter Anerkennung der Realitäten. Es ist ein konkretes Programm: Wir haben bewährte und neue Indikatoren in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in der Strategie. Als Sozialdemokrat ist mir die soziale Dimension der Nachhaltigkeit besonders wichtig. Wir haben hier erstmals einen Armutsindikator und einen Indikator für soziale Ungleichheit. Bei den ökologischen Indikatoren sind Indikatoren zum Meeresschutz hinzugekommen. Deutschland ist mit seiner Architektur der Nachhaltigkeit weltweit beispielgebend. Wir können stolz darauf sein, dass wir seit 2002 eine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie haben, dass wir einen Rat für Nachhaltigkeit haben, dass wir einen Parlamentarischen Beirat haben – wir können stolz auf diese Institutionen und ihre Arbeit sein; aber wir müssen sie auch weiterentwickeln. Im täglichen Politikbetrieb fällt die Nachhaltigkeit gerade in Ressorts, die das Prinzip nicht ohnehin schon immer mitdenken, leider oft hinten runter. Dieses Denken wollen wir aufbrechen. Wie das gelingen kann, dass die Ministerien über ihren Tellerrand schauen und zusammenarbeiten, um nachhaltige Ziele zu erreichen, das hat die Umweltministerin im „Integrierten Umweltprogramm“ vorgestellt. Da hat Barbara Hendricks einmal bei den Schlüsselthemen Energie, Mobilität, Landwirtschaft und Konsum angesetzt und beschrieben, wie die Ministerien zusammenarbeiten können. Ein toller Aufschlag und ein Vorbild für andere Ressorts. Nun sind wir dran. Die Regierung hat ordentlich vorgelegt. Nun muss das Parlament, nun müssen wir nachlegen. Ziele und Indikatoren sind das eine; aber die Ziele müssen natürlich durch gute Politik erreicht werden. Das ist unser Job. Es braucht engagierte, progressive Politik, um engagierte, progressive Ziele zu erreichen. Hier stehen jetzt alle, die bisher Nachhaltigkeit für sich proklamiert haben, in der Verpflichtung Auch deshalb wollen wir Nachhaltigkeit im Grundgesetz verankern. Der Parlamentarische Beirat und der Rat für nachhaltige Entwicklung haben hier gemeinsam Vorarbeit geleistet. Große Köpfe wie Gesine Schwan, Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Klaus Töpfer und Hans-Jürgen Papier sind mit uns der Auffassung: Nachhaltigkeit gehört ins Grundgesetz. Mit einem Staatsziel Nachhaltigkeit könnte das Ziel der Nachhaltigkeit noch viel stärker in die gesellschaftliche Debatte eingebracht werden. Das Staatsziel wäre immer eine Ermahnung, auch an längerfristige Wirkungen zu denken. Wir alle führen Nachhaltigkeit in den Sonntagsreden im Mund. Es ist an der Zeit zu liefern. Wenn wir das Grundgesetz für die Verwaltung der Autobahnen ändern können, dann sollten wir es für die Sicherung unserer Zukunft auch können. Alles andere wäre zu kurz gedacht – wie ein Tweet beim Frühstücksfernsehen. Birgit Menz (DIE LINKE): Auch ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung für die engagierte, konstruktive und freundliche Zusammenarbeit danken. Der PBnE hat in seinem Kerngeschäft zuverlässige Arbeit geleistet. Wir haben akribisch das Vorhandensein von Aussagen über Nachhaltigkeitswirkungen in Gesetzesvorhaben kontrolliert und so dazu beigetragen, dass solche Aussagen kaum noch vergessen werden. Eine inhaltliche Verbesserung dieser Aussagen haben wir nicht erreicht. Wir haben die Übersetzung der Agenda 2030 in eine nationale Strategie mit viel Engagement begleitet. Wir haben uns beständig über die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie informieren lassen. Wir haben Gespräche dazu geführt, und wir haben die deutsche Nachhaltigkeitspolitik regelmäßig im Parlament zur Debatte gestellt. Doch nach wie vor bestehen Defizite nicht nur bei der Umsetzung wichtiger Maßnahmen, sondern schon bei ihrer Entstehung. Die vielzitierten Interessenkonflikte werden nach wie vor zu selten thematisiert. Und noch seltener werden sie anders aufgelöst als zugunsten der ökonomischen Dimension. Das muss sich ändern. Ja, Nachhaltigkeit denkt soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen zusammen. Aber es ist ein Irrtum, zu glauben, ihr Verhältnis zueinander wäre beliebig. Unsere Umwelt gibt einen Rahmen vor, der nicht überschritten werden kann. Das Wirtschaften muss sich in diesen Rahmen einfügen und sich innerhalb der planetaren Grenzen am Menschen orientieren – nicht am Profit. Deshalb müssen wir den Bruch mit dem Weiter-so, den sich die Bundesregierung mit der Nachhaltigkeitsstrategie zur Aufgabe macht, stärker einfordern. Nach all den Auseinandersetzungen um geeignete Indikatoren und Ziele ist es an der Zeit, die entscheidende Frage zu beantworten, wie wir diese Ziele eigentlich erreichen wollen. Ich betrachte es als Aufgabe des Beirats, diese Frage in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte zu stellen. Wir müssen aus dem Parlament heraus Ideen entwickeln, wie eine deutsche Nachhaltigkeitspolitik aussehen soll. Und wir müssen erreichen, dass die politikfeldübergreifende Zusammenarbeit, die wir von den Ministerien fordern, auch im Parlament stattfindet. Wir müssen zeigen, wie konstruktiv über Zielkonflikte gestritten werden kann und wie sich daraus – auch fraktionsübergreifend – konkrete Alternativen entwickeln. Ein Weg dahin könnte sein, dass wir uns auf einige wenige, aber zentrale Einstiegsprojekte in die Transformation verständigen: Kernprojekte, die die soziale, ökologische und wirtschaftliche Dimension der Nachhaltigkeit verbinden, die die deutsche Politik unter dem Gesichtspunkt globaler Verantwortung betrachten und die die soziale Gerechtigkeit heute mit der Gerechtigkeit gegenüber den kommenden Generationen verbinden. Ein solches Einstiegsprojekt könnte der Kohleausstieg sein, für den man einen klaren Zeitplan und sozial gerechte Übergänge skizziert. Es könnte um die Zukunft der Arbeit gehen oder auch darum, wie die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger für eine nachhaltige Gesellschaft mit entsprechenden demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten verbunden werden kann. Denn wenn wir von den Bürgerinnen und Bürgern fordern, Verantwortung für einen nachhaltigen Konsum zu übernehmen, dann müssen wir auch zulassen, dass ihre Verantwortung schon vorher beginnt, nämlich mit der Möglichkeit, darüber mitzuentscheiden, was wir wie produzieren. Der PBnE hat es geschafft, sowohl seitens der Bundesregierung als auch in der Gesellschaft in seinem Kerngeschäft als wichtiger Akteur wahrgenommen zu werden. Das zeigen auch die vielen Forderungen nach einer Stärkung dieses Gremiums, die von Verbänden in ihren Kommentaren zur Nachhaltigkeitsstrategie erhoben wurden. Diese Unterstützung, die wir aus der Gesellschaft heraus erhalten haben, sollten wir als Auftrag verstehen, unsere Arbeit, aber auch unser Selbstverständnis weiterzuentwickeln, nicht nur zu bellen, wie der Beirat es im Netz ankündigt, sondern, wo nötig, eben auch kräftig zuzubeißen. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute debattieren wir den Arbeitsbericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Mit dem zweiten von mir mitverantworteten Arbeitsbericht neigt sich meine aktive Zeit im Nachhaltigkeitsbeirat dem Ende zu. Deshalb möchte ich heute zwei Dinge tun: Zurückschauen – und einen Blick in die Zukunft werfen. Manches haben wir im Beirat erreicht. Ich möchte hier drei Beispiele nennen: Den Beschluss zu Hermes-Bürgschaften in der letzten Wahlperiode. Die Forderung nach einer Elektroquote im Bundestagfuhrpark, die jetzt umgesetzt ist. In jedem Bundesressort gibt es jetzt eine Nachhaltigkeitsbeauftragte oder einen Nachhaltigkeitsbeauftragten. Das ist eine Forderung des Beirats, die von der Bundesregierung in der neuen Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt wurde. Die Begleitung der nationalen, seit der Neuauflage im Januar deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist eine der Hauptaufgaben des Nachhaltigkeitsbeirats. Hier hat sich einiges getan. Die Strategie hat sich deutlich fortentwickelt. Ich hoffe, dass sie in Zukunft auch ambitionierter als bisher umgesetzt wird. Da ist nämlich noch deutlich Luft nach oben. Zum Beispiel hat auch eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie nicht verhindert, dass der Bundesverkehrswegeplan weiterhin zu viele fragwürdige Straßenneubauprojekte beinhaltet. Hier müssen wir ran. Das bringt mich zur Zukunftsbetrachtung. – Ich zitiere: Aus der Agenda 2030 resultiert auch für Deutschland ein Transformationsauftrag: Es geht darum, umfassende, beschleunigte Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben: in unserer Art zu leben, zu arbeiten, zu konsumieren, in Technologien, Institutionen und Praktiken. Das Zitat ist übrigens nicht aus dem grünen Wahlprogramm, sondern aus der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Um diese Transformation zu erreichen, könnten wir hier im Hohen Haus und im Nachhaltigkeitsbeirat zwei Dinge in Angriff nehmen: Erstens. Nicht nachhaltige Politik muss weh tun, und das geht am besten über den Haushalt. Die Verteilung von Haushaltsmitteln ist ein äußerst wirksamer Hebel. Das kann man sich auch für die Nachhaltigkeit zunutze machen. Zweitens. Weiterkommen müssen wir auch bei der Weiterentwicklung der Prüfung der Gesetzesfolgenabschätzung. Der Beirat prüft bereits seit 2009 jeden Gesetzentwurf formal daraufhin, ob eine Nachhaltigkeitsprüfung stattgefunden hat. Das ist wichtig, denn oft genug fehlt in den Entwürfen selbst das. Auf Dauer reicht das aber nicht. Denn letztlich sagt die formale Prüfung überhaupt nichts darüber aus, ob ein Gesetzentwurf oder eine Verordnung der Nachhaltigkeit dient oder ihr sogar schadet. Dafür brauchen wir eine inhaltliche Prüfung. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Das Wettbewerbsregister ergänzt die umfassende und äußerst komplexe Vergaberechtsnovelle aus dem letzten Jahr, mit der wir die Grundlage für einen fairen, unbürokratischen und transparenten Wettbewerb um Aufträge der öffentlichen Hand geschaffen haben. Das Wettbewerbsregister ist das letzte Puzzlestück der Novellierung und wird die Firmen von Vergaben ausschließen, die in Deutschland gegen geltendes Recht verstoßen haben. Es kann schließlich nicht sein, dass wir beispielsweise eine Firma zum Bau eines öffentlichen Gebäudes beauftragen, die wegen Schwarzarbeit oder Nichteinhaltung des Mindestlohns in Deutschland rechtskräftig verurteilt worden ist. Wer Geld aus öffentlichen Kassen für seine Arbeit erhält, muss sich an die in Deutschland geltenden Gesetze halten. Das Wettbewerbsregister schafft somit vor allem auch Chancengleichheit für alle Bewerber. Wir haben bei diesem Gesetz mit äußerster Sorgfalt gearbeitet. Denn uns ist es durchaus bewusst, welche Folgen eine fälschliche Eintragung in ein solches Vergabeausschlussregister für ein Unternehmen haben könnte. Es war uns wichtig, dass es für dieses Instrument eine eindeutige und klare rechtliche Grundlage gibt, die sich auf für Vergaben relevante Aspekte beschränkt. Dazu gehört auch, dass wir Schwellenwerte bestimmt haben, die verhältnismäßig sind. In Deutschland gibt es bereits Vergabeausschlusslisten. Diese sind jedoch nicht einheitlich und manche folgen auch nicht der von mir gerade beschriebenen Maßgabe. Man hat durchaus teilweise das Gefühl, dass Eintragungen ein wenig nach Gutdünken erfolgen. In der Folge gibt es in manchen Bundesländern weniger als zehn Eintragungen auf der sogenannten schwarzen Liste, während andere Länder jede Lappalie in ihr Wettbewerbsregister eintragen. Darüber hinaus gibt es keine klaren Bestimmungen zur Selbstreinigung. Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Uns war daher in den Beratungen, die in der Koalition zu jeder Zeit sachlich und sehr einvernehmlich geführt worden sind, wichtig, festzulegen: In das beim Bundeskartellamt neu einzurichtende Wettbewerbsregister können nur rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle sowie bestandskräftige Bußgeldentscheidungen zu einer Eintragung führen. Diesen Punkt stelle ich noch einmal klar, da es dazu immer wieder falsche Meldungen – auf gut Neudeutsch: Fake News – gegeben hatte. Und selbstverständlich muss es einer Firma auch möglich sein, nach entsprechenden Maßnahmen schnellstmöglich wieder aus dem Register gelöscht zu werden. Um für diesen Prozess einen fairen und nachvollziehbaren Ablauf gewährleisten zu können, haben wir festgehalten, dass die registerführende Behörde Leitlinien für die sogenannte Selbstreinigung erlassen muss. Außerdem haben wir angeregt, den Gebührenrahmen für ein solches Verfahren in einer Höhe festzulegen, den auch kleine und mittelständische Unternehmen schultern können. Oberste Priorität bei dieser Gesetzgebung hat für uns, dass das Wettbewerbsregister für alle Vergabestellen – sei es auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene – gelten muss. Sonst macht es keinen Sinn. Unternehmen agieren oft bundes-, europa- oder sogar weltweit. Daher müssen mit dem Wettbewerbsregister des Bundes alle ähnlichen Register entfallen, die derzeit in den Bundesländern geführt werden. Das heute zu verabschiedende Gesetz fällt in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Das heißt, dass alle Länderlisten gelöscht werden müssen, sobald das Gesetz den Bundesrat passiert hat und das Wettbewerbsregister einsatzfähig ist. Die bisherigen Listen werden nicht übernommen, da diese, wie soeben beschrieben, zum Teil nicht unseren Anforderungen und Ansprüchen gerecht werden. Wie ich eingangs feststellte, findet mit dem Wettbewerbsregister eine umfassende Novellierung des Vergaberechts ihren Abschluss, die die betroffenen Unternehmen in erheblichem Umfang von bisher angefallenen Bürokratiekosten entlastet, indem es handhabbarer und überschaubarer geworden ist. Ich möchte daher an dieser Stelle erneut an die Bundesländer appellieren, ihre Vergabegesetze am neuen Bundesrecht auszurichten bzw. das Bundesrecht ganz einfach zu übernehmen, zumal die Länder ja umfassend in die Erarbeitung des neuen Vergaberechts einbezogen waren und ihm im Bundesrat auch ohne Änderungen zugestimmt haben. Barbara Lanzinger (CDU/CSU): wir beraten heute abschließend den Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters, den letzten Baustein der Modernisierung des Vergaberechts. Schon vor einem Jahr haben wir das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz und die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung im Deutschen Bundestag verabschiedet und damit den Wettbewerb um öffentliche Aufträge gestärkt. Ein erklärtes Ziel der Reform war, die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu verbessern. Bund, Länder und Kommunen vergeben jährlich Aufträge im Wert von über 300 Milliarden Euro an private Unternehmen. Das ist eine Riesensumme, und das ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Außerdem ist es das Geld der Steuerzahler, mit dem die öffentliche Hand achtsam umgehen soll. Wer sich wegen Wirtschaftsdelikten strafbar gemacht hat, soll deshalb nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Das Wettbewerbsregister, das wir nun einführen, sorgt für mehr Transparenz und einen fairen Wettbewerb: Es erleichtert den Auftraggebern, nachzuprüfen, ob Unternehmen erhebliche Rechtsverstöße begangen haben, und sie gegebenenfalls von der Auftragsvergabe auszuschließen. Das kommt allen Unternehmen zugute, die sich an Recht und Gesetz halten. Dabei gehen wir mit Augenmaß vor: Ab einem Auftragswert von 30 000 Euro müssen öffentliche Auftraggeber beim Register nachfragen, ob das Unternehmen, das den Auftrag erhalten soll, eingetragen ist, und zwar bevor sie den Zuschlag erteilen. Bei öffentlichen Aufträgen unterhalb von 30 000 Euro erhalten Auftraggeber eine Abfragemöglichkeit. Nach drei bzw. fünf Jahren, je nach Schwere der Tat, muss die Eintragung gelöscht werden. Das Gesetz regelt abschließend alle Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die zu einer Eintragung führen, zum Beispiel Bestechung, Geldwäsche, Betrug, und anderes. So sorgen wir für Rechtssicherheit. Der Katalog enthält Straftaten, die zwingende Ausschlussgründe nach dem Vergaberecht darstellen, und fakultative Ausschlussgründe, die die Vergabestellen bisher im Gewerbezentralregister abfragen mussten. Die Unternehmen werden vor der Eintragung informiert und können Einwände erheben. Sie haben zudem die Möglichkeit, eine Selbstreinigung vorzunehmen und dann die vorzeitige Löschung aus dem Register zu beantragen. Für die vorzeitige Löschung sollen dem Unternehmen aber nur die zur Deckung des Verwaltungsaufwands unbedingt notwendigen Kosten auferlegt werden; wir wollen keine Sanktionierung durch die Hintertür. Die bisher auf Länderebene geführten Register entfallen, sodass es keine unterschiedlichen Eintragungsvoraussetzungen mehr geben wird. Für Auftraggeber und betroffene Unternehmen schaffen wir dadurch mehr Transparenz und Rechtssicherheit. Das Bundekartellamt wird als Registerbehörde benannt. Bei ihm liegt schon die Zuständigkeit für die Vergabekammern; deshalb ist sichergestellt, dass die Führung des Wettbewerbsregisters in kompetenten Händen liegt. Wichtig ist uns auch: Kein automatischer Ausschluss der Unternehmen von öffentlichen Aufträgen. Die Auftraggeber entscheiden eigenverantwortlich nach Maßgabe des Vergaberechts, ob sie ein eingetragenes Unternehmen von der Vergabe ausschließen. Vertraulichkeit der Daten: Die Eintragung ins Wettbewerbsregister ist eine sensible Angelegenheit. Wir stellen sicher, dass nur öffentliche Auftraggeber Einsicht nehmen können, außerdem Stellen, die ein Präqualifizierungsverzeichnis führen, wenn das Unternehmen einwilligt. So schützen wir das Recht der Unternehmen auf informationelle Selbstbestimmung. Ich fasse zusammen: Mit diesem wichtigen letzten Baustein vervollständigen wir das neue Vergaberecht und sorgen für mehr Transparenz und fairen Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Schwarze Schafe werden es künftig schwerer haben, an öffentliche Aufträge zu kommen, für Auftraggeber wird es einfacher, Informationen über Ausschlussgründe einzuholen. Das stärkt die Unternehmen, die sich rechtskonform und fair verhalten. Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Gesetz. Marcus Held (SPD): Ich habe schon ein paar Gesetzentwürfe in dieser Legislaturperiode mitverhandelt; keiner ging so schnell wieder dieser – und das, obwohl es ein jahrelanges Herzensanliegen meiner SPD-Fraktion war. Hut ab, liebe Union! Da dürfen dann auch mal die Grünen gerne klatschen; denn meine Fraktion kämpft bereits seit einigen Jahren für die Einführung dieses längst überfälligen Gesetzes. Mein allerherzlichster Dank gilt insbesondere meinen beiden Mitstreiterinnen von der Union, Frau Dr. Gundelach und Frau Lanzinger. Zusammen haben wir auch schon das Vergaberecht auf fruchtbaren Boden geführt. Das wiederholen wir nun mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf, welchen wir heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden wollen. Es geht konkret um das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters, ein, wie ich bereits erwähnte, Herzensanliegen der SPD-Bundestagsfraktion. Deutschland wird damit Vorreiter in Sachen Korruptionsprävention im öffentlichen Auftragswesen. Schwarzen Schafen legen wir damit das Handwerk. Bisher existieren in einigen Bundesländern sogenannte „schwarze Listen“. Diese sollen nun aber in einem noch zu erarbeitenden Bundesregister aufgehen. Und das ist auch gut so! Wenn die Bundesländer dann auch noch über ihre insgesamt 14 Landesvergabegesetze nachdenken, dann freuen sich die Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich mit dem Thema Bürokratieentlastung zu tun haben. Das Register wird vom Bundeskartellamt geführt werden. Das ist eine Behörde mit exzellentem Ruf, die gute Arbeit macht und bei der das Register auch bestens aufgehoben sein wird. Getreu der Losung des Evangelischen Kirchentages in der letzten Woche in Berlin und Wittenberg „Du siehst mich“ wird für öffentliche Auftraggeber bei Vergaben sofort ersichtlich werden, welche Unternehmen davon ausgeschlossen werden können. Was werden zukünftig Ausschlussgründe für kriminelle Unternehmen bei öffentlichen Auftragsvergaben sein? Ich zähle auf: Bestechung, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Betrug zulasten öffentlicher Haushalte und zulasten des Haushalts der EU, Steuerhinterziehung, Kartellrechtsverstöße, Schwarzarbeit und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Es ist also eine breite Palette, die in das Register aufgenommen werden wird, wenn es dazu rechtskräftige Verurteilungen von Unternehmen gab oder gegen ein Unternehmen Bußgeldbescheide verhängt wurden. Bei einer jährlichen Auftragsvergabe von 300 Milliarden Euro durch Bund, Länder und Kommunen stärken wir insbesondere diejenigen Unternehmen, die sich bisher nichts haben zuschulden kommen lassen. Stichwort: Fairer Wettbewerb. Für eine soziale Marktwirtschaft ist dies unabdingbar. Betonen möchte ich allerdings an dieser Stelle das Thema Selbstreinigung. Eingetragene Straftaten können nach Ablauf von fünf Jahren, eingetragene Bußgeldentscheidungen spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag der Rechts- oder Bestandskraft der Entscheidung gelöscht werden. In § 8 wird eine vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbewerbsregister geregelt. Das Gesetz hätte man an einigen Punkten auch noch weiter fassen können. So wird unter anderen moniert, dass die Bagatellgrenze bei Bußgeldentscheidungen bei 50 000 Euro liege und deswegen ein Großteil der Bußgeldentscheidungen der Kartellbehörden im Geltungsbereich des Gesetzes nicht erfasst werde. Die Forderung von uns war, diese auf 5 000 Euro zu senken. Ich bin dafür, dieses Gesetz so, wie es ist, jetzt erst einmal in Kraft treten zu lassen und dann in der nächsten Legislaturperiode zu schauen, ob gegebenenfalls weitere Verbesserungen vorgenommen werden sollten. Ein gutes und wichtiges Gesetz wird heute in diesem Hohen Hause verabschiedet. Darauf können wir auch alle stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Michael Schlecht (DIE LINKE): Generell begrüßen wir die Einführung eines Wettbewerbsregisters. Es ist längst überfällig und wurde auch von uns bereits in der letzten Legislaturperiode unter dem Begriff „Korruptionsregister“ gefordert. Schließlich dürfen mit öffentlichen Aufträgen und letztlich Steuergeldern nicht auch noch solche Unternehmen belohnt werden, die gegen Recht und Gesetz verstoßen. Allerdings ist das vorliegende Gesetz recht zahnlos und lässt viele Lücken. Eine effektive soziale, ökologische und rechtsstaatliche Förderung unternehmerischen Verhaltens über den Hebel der öffentlichen Auftragsvergabe wird nach wie vor kaum möglich, was auch die Gewerkschaften bemängeln. Vieles bleibt leider offen: Erstens. Es ist unklar, inwiefern das Bundesgesetz die in einigen Bundesländern vorhandenen weitergehenden Regelungen oder bereits existierende Systeme der Prüfung der Qualifikation bei der Zulassung zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen berühren wird. Es muss weiterhin klar für die Bundesländer die Möglichkeit geben, über das Bundesrecht hinausgehende Regelungen bei der Auftragsvergabe in ihren Landesregistern aufzunehmen. Zweitens. Im Wettbewerbsregister ist allein ein Eintrag von Verstößen mit Rechtskraft vorgesehen, um den Ausschluss von der Auftragsvergabe zu rechtfertigen. Voraussetzung für den Eintrag ist somit die rechtskräftige Verurteilung eines Mitarbeiters unter anderem für Vergehen wie Bestechung, Betrug, Geldwäsche, die Bildung einer kriminellen Vereinigung oder Terrorismusfinanzierung. Da es nun aber kein Unternehmensstrafrecht in Deutschland gibt, entscheiden Gerichte oder Behörden subjektiv bzw. von Fall zu Fall darüber, inwieweit der Rechtsverstoß als Tat eines Einzelnen gewertet wird oder dem Unternehmen zuzurechnen ist. Nur Letzteres würde aber zum Eintrag ins Wettbewerbsregister führen. Das ist unzureichend. Darüber hinaus wird der zeitnahe Eintrag erschwert durch den langjährigen Instanzen- und Behördenweg. Es wäre sinnvoll, zumindest die entsprechenden Informationen zu anhängigen Verfahren wie Straf- und Bußgeldverfahren im Wettbewerbsregister aufzunehmen, zumal dies keine Strafe bzw. Vorverurteilung darstellt, sondern im Rahmen des Vergaberechts der Sorgfaltspflicht des öffentlichen Mitteleinsatzes entspricht. So, wie jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen, wird während der langjährigen Feststellung möglicher Verstöße mit Rechtsbestandskraft die öffentliche Hand blind agieren. Drittens. Aufnahmegründe in das Wettbewerbsregister sind vor allem Verstöße und Betrügereien, die sich primär gegen öffentliche Haushalte richten. Es ist aber mehr als angebracht, hier auch die Fälle zu erfassen und einen Registereintrag zu begründen, in denen die Betrugstat zulasten der Kassen der gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien geht. Darüber hinaus sollte der Ursachenkatalog über die genannten Verstöße hinaus offen gehalten werden und nicht in Form einer abschließenden Aufzählung der Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten formuliert werden. Viertens. Laut Wettbewerbsregister beginnt die Abfragepflicht der Vergabebörden erst bei einem Auftragswert von 30 000 Euro. Es gibt zwar im Gesetzentwurf eine fakultative Abfragemöglichkeit unterhalb von 30 000 Euro. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass Vergabebehörden von solchen fakultativen Regelungen seltener Gebrauch machen. Eine Abfragepflicht unterhalb der 30 000-Euro-Grenze ist notwendig, um frühzeitig und lückenlos die Zuverlässigkeit der Unternehmen bei der Teilnahme am Vergabeverfahren zu prüfen. Ins Wettbewerbsregister aufgenommen wird nur, was an Verstößen entdeckt und geahndet wird. Grundvoraussetzung dafür ist wiederum eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung der entsprechenden Ermittlungsbehörden und der Justiz. Hier gibt es unzählige Schwachstellen, die durch die Ausdünnung des öffentlichen Dienstes – Stichworte Zoll, Steuerverwaltung, Justiz, Polizei – in den letzten Jahren massiv vergrößert worden sind, sodass der Gesetzesvollzug nicht hinreichend gesichert ist, was nicht allein Wettbewerbsregister und Vergabegesetz betrifft. Die finanziellen und personellen Ressourcen müssen dringend erhöht werden, um den effektiven Einsatz von Steuermitteln und die Gewährleistung rechtsstaatlichen Verhaltens von Unternehmen in der Breite zu sichern. Nur dann lassen sich unfaire Praktiken, Betrug und Korruption verringern. Zusammenfassend: Im Grundsatz begrüßen wir das Wettbewerbsregister. Die Umsetzung ist allerdings ungenügend. Daher können wir uns hier nur enthalten. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Endlich ist es so weit: Der Bundestag kann nun endlich über ein Wettbewerbsregister abstimmen! Dabei muss ich sagen: Von der Idee her finde ich, finden wir Grünen das Register gut. Kein Wunder, wir fordern ein solches Register auch schon seit 2002. Das hat nur leider die Union bisher immer verhindert. Vier Anläufe haben wir gemacht, die alle an der Uneinsichtigkeit der Union gescheitert sind. Ich würde jetzt „Schwamm drüber“ sagen, hätten Sie ein gutes Gesetz vorgelegt. Aber leider hat der Gesetzentwurf Schwächen, über die wir nicht hinwegsehen können; denn wir wollen Grundlagen für fairen Wettbewerb schaffen. Fairen Wettbewerb kann es aber nur geben, wenn sich alle Wettbewerber an die gleichen Regeln halten und wenn diejenigen, die das nicht tun, für ihr Fehlverhalten auch bestraft werden. Bleibt eine solche Bestrafung aus, schafft das Anreize für Fehlverhalten, für Betrug und Korruption. Um nichts anderes geht es bei der Schaffung von Wettbewerbsregistern. Wir wollen die öffentliche Hand in die Lage versetzen, gegen solche Straftäter konsequent vorzugehen und öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich an die Spielregeln halten. Also: Wir wollen ein Korruptionsregister. Aber Ihre Umsetzung ist schlicht nicht gut genug. Sie haben die Bußgeldhöhe, ab der ein Unternehmen in das Register aufgenommen wird, mit 50 000 Euro viel zu hoch angesetzt. Damit fallen viel zu viele Unternehmen aus der Regelung heraus. Aus unserer Sicht – auch der Bundesrat sieht das so – muss eine effektive Schwelle bei 5 000 Euro liegen. Ihr Starrsinn wird nun dazu führen, dass über 90 Prozent der Bußgeldentscheidungen nicht erfasst werden. Das ist gerade auch deswegen bedenklich, da das bundesweite Register die Landesregister ersetzen soll. Durch die Höhe von 50 000 Euro werden die meisten Entscheide der Landesbehörden überhaupt nicht mehr berücksichtigt. Flächendeckende Korruptionsbekämpfung sieht anders aus. Dass mit der Ersetzung der Landesregister durch das bundesweite Register auch noch eine Generalamnestie einhergeht, weil Sie bestehende Eintragungen nicht übernehmen wollen, ist ein weiterer kritischer Punkt. Hinzu kommt: Sie wollen nur solche Unternehmen eintragen, die rechtskräftig verurteilt worden sind. Doch das ist zu wenig. Strafverfahren wegen Korruptionsdelikten dauern regelmäßig vier bis fünf Jahre. Hier bleibt Nachbesserungsbedarf. Auch dass nur Verstöße eingetragen werden, die in Deutschland oder der EU geschehen, ist mangelhaft. Wir fordern daher, dass auch Unternehmen, die an anderer Stelle, etwa in der Lieferkette, gegen internationale Bestimmungen verstoßen, in das Register aufgenommen werden können. Ich komme deshalb leider zu dem Ergebnis, dass dieses Gesetz nicht den Ansprüchen genügt. Es genügt nicht unseren grünen Ansprüchen, aber es genügt vor allem nicht dem Anspruch, Korruption wirksam zu bekämpfen und keine staatlichen Aufträge mehr an korrupte Unternehmer zu vergeben. Das ist traurig, und das ist keine verantwortungsvolle Politik gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und gegenüber allen Unternehmen in diesem Land, die fair spielen. Deshalb: Obwohl wir einem Korruptionsregister gerne zustimmen würden, müssen wir uns enthalten. Das liegt an Ihrer notdürftigen Umsetzung. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten (Tagesordnungspunkt 26) Rudolf Henke (CDU/CSU): Infektionskrankheiten gehören nach wie vor zu den größten Gefahren für die menschliche Gesundheit und sind eine ernstzunehmende Herausforderung staatlichen Handelns. Die mediale Aufmerksamkeit ist immer dann besonders groß, wenn es zu internationalen Ausnahmezuständen wie bei der Ebolaepidemie oder der Ausbreitung des Zika-Virus kommt, da ihre verheerenden Auswirkungen mitsamt einer raschen überregionalen bis globalen Verbreitung uns mit einer gewissen Sorge erfüllen, verbunden mit der Hoffnung, die Infektionskrankheit möge ihren Weg nicht bis zu uns finden. Doch auch bei uns bleibt die Bekämpfung von Infektionskrankheiten eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, die – so wage ich zu behaupten – nicht den Stellenwert in der Gesellschaft genießt, der eigentlich unser Anspruch sein sollte. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir heute durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten auch in diesem Bereich den Weg in die Digitalisierung gehen und ein datenschutzkonformes Melde- und Informationssystem von übertragbaren Krankheiten etablieren, zu dem alle an der Versorgung und der Forschung beteiligten Akteure Anschluss haben sollen. Auf die Schaffung dieses digitalen Meldesystems, seine Kompatibilität und seine Nutzung wird meine Kollegin Katja Leikert in ihrer Rede näher eingehen. Meinen Appell zur besseren personellen wie strukturellen Ausstattung des öffentlichen Gesundheitsdienstes möchte ich an dieser Stelle zum Ende der Legislaturperiode noch einmal wiederholen: Dieses Gesetz folgt einer vielversprechenden Strategie, die Infektionsausbrüche früh erkennen und deren überregionale Verbreitung eindämmen soll. Dazu sind wir auf die aktive und verlässliche Mitwirkung der zuständigen Gesundheitsämter angewiesen. Die angespannte Personalsituation in den Gesundheitsämtern vor Ort wird von den Betroffenen seit langer Zeit moniert. Diese Sorgen sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn wir wirklich einen effektiven Schutz vor Infektionskrankheiten sicherstellen wollen, muss der Gesundheitsdienst mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, damit er seinen Aufgaben pflichtbewusst nachkommen kann. Lassen Sie mich – bevor ich auf die fachfremde Änderung zu den Personaluntergrenzen eingehe – noch auf eine Regelung zu sprechen kommen, die aufgrund ihrer Aktualität eine gewisse mediale Wirksamkeit entfaltet hat. Mit der Verabschiedung des Präventionsgesetzes haben wir bereits gesetzlich geregelt, dass bei der Erstaufnahme in eine Kindertageseinrichtung die Sorgeberechtigten einen schriftlichen Nachweis darüber zu erbringen haben, dass zeitnah vor der Aufnahme eine ärztliche Beratung in Bezug auf einen vollständigen, nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ausreichenden Impfschutz des Kindes erfolgt ist. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann das Gesundheitsamt die Sorgeberechtigten zu einer Beratung laden. So ist es geltendes Recht seit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes Ende Juli 2015. Auch ist es nach dem Infektionsschutzgesetz seit diesem Zeitpunkt geltendes Recht, dass der- oder diejenige, der diesen Nachweis nicht oder nicht rechtzeitig erbringt – sei es vorsätzlich oder fahrlässig –, ordnungswidrig handelt und dafür mit einer Geldbuße bis zu 2 500 Euro belangt werden kann. In der Gesetzesbegründung des Präventionsgesetzes heißt es dazu ergänzend: „Für Fälle, in denen Personenberechtigte den erforderlichen Nachweis auch auf wiederholte Aufforderung hin nicht erbringen, wird das Gesundheitsamt ermächtigt, die Personenberechtigten zu einer Beratung zu laden. Die Kindertageseinrichtung darf dazu das Gesundheitsamt entsprechend informieren.“ Was wir mit dem Präventionsgesetz beabsichtigt haben, konkretisieren wir jetzt durch eine gesetzlich verpflichtende Informationspflicht seitens der Leitung von Kindertageseinrichtungen an das Gesundheitsamt, wenn Sorgeberechtigte den Nachweis eines Informationsgesprächs nicht erbringen. Das ist ein weiterer von vielen notwendigen Schritten auf dem Weg zu einer ausreichend hohen Impfquote. Bei den Masern liegt die Quote der ersten Impfung bei über 90 Prozent, das heißt, für diese mehr als 90 Prozent kann der Vorwurf einer prinzipiellen ideologischen Gegnerschaft zur Impfung nicht gelten. Trotzdem erreichen wir bei der zweiten Impfung, die nach der Empfehlung der Ständigen Impfkommission bis zum Ende des zweiten Lebensjahres durchgeführt werden soll, nicht einmal drei von vier Kindern. Diejenigen, die diese Impfung schlicht vergessen haben oder die sonst von einer Art Phlegma befallen sind, können wir mit der Initiative der Kindertagesstätten und der von dort ausgelösten Beratung im Gesundheitsamt besser erreichen. Daneben müssen Impfungen für alle in der Bevölkerung leichter zugänglich und verfügbarer werden, etwa auch dadurch, dass auch Betriebs- und Werkärzte Impfungen im Sinne des Präventionsgesetzes durchführen. Ich persönlich halte dazu auch Konzepte für möglich, die auf gezielte Anreize setzen, um das Bewusstsein und die Motivation für das Impfen zu erhöhen, etwa durch steuerliche Vorteile. Abschließend komme ich auf den viel beachteten fachfremden Änderungsantrag, der den gesetzlichen Auftrag vergibt, sogenannte pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern zu identifizieren und für diese Bereiche Personaluntergrenzen zu definieren. Diese Entscheidung ist ein wichtiger Schritt, das Personal in wesentlichen Versorgungsbereichen in Krankenhäusern zu entlasten und damit eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Des Weiteren beauftragen wir die Selbstverwaltungspartner, ein Nachweisverfahren zu vereinbaren, das Personalverlagerungen unterbindet. Krankenhäuser, die sich nicht an diese Vorgaben halten, müssen mit Sanktionen rechnen. Es ist wohl Aufgabe der Opposition, die Regelung zu den Pflegeuntergrenzen als halbstumpfes Schwert zu bezeichnen, da sie zu spät komme und in ihrer Auswirkung viel zu gering bemessen sei. Bisher konnte jedoch niemand eine weiterreichende Regelung entwickeln und vorlegen. Das Gesetz schafft für die Umsetzung und Ausgestaltung des gesetzlichen Auftrags die Möglichkeit, weitere Expertise einzuholen. Wir werden die Umsetzung dieser Regelung mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Wir sind optimistisch, dass die betroffenen Bereiche von deren Wirksamkeit profitieren können. Es ist unser politischer Auftrag, die zu Recht eingeforderte Qualität in der gesundheitlichen Versorgung mit Personalstrukturen zu verbinden, die dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die tagtäglich für diese Qualität sorgen, nicht über Gebühr belastet werden – im Sinne der Patientinnen und Patienten und aller Menschen, die im Gesundheitswesen einen außerordentlich guten Job machen. Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten stärken wir den Kampf gegen Infektionskrankheiten. In den vorausgegangenen Beratungen ist eines schon deutlich geworden: Wir sind uns alle vom Grundsatz her einig, dass es beim Thema Infektionsschutz Verbesserungsbedarf gibt; die Verbesserungen können mit dem nun vorliegenden Maßnahmenpaket wirksam auf den Weg gebracht werden. Die Schritte, die wir mit diesem Gesetz einleiten, sind zum einen zeitgemäß und zum anderen notwendig. Sie sind zeitgemäß, weil sie die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung auch im Hinblick auf den Infektionsschutz erschließen, und sie sind notwendig, weil neue Erkenntnisse und Erfahrungen, die man im Bund und in den Ländern im Zusammenhang mit der Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes gesammelt hat, Verbesserungen erforderlich machen. Hinzu kommen veränderte internationale und europäische Rahmenbedingungen, die ebenfalls gesetzliche Anpassungen erfordern. Im Kern sieht das Gesetz die Einführung eines elektronischen Melde- und Informationssystems für übertragbare Krankheiten vor. Damit entwickeln wir das existierende Meldesystem nach dem Infektionsschutzgesetz weiter und schaffen ein Instrument zur besseren Bekämpfung und Verhütung von Infektionskrankheiten. Mit der Einrichtung dieses elektronischen Meldewesens beauftragen wir das Robert-Koch-Institut. Spätestens 2021 soll das Deutsche Elektronische Meldesystem für Infektionsschutz in Betrieb gehen. Wir sorgen damit für eine zentrale Zusammenführung der Daten. Das heißt, in Zukunft wird für die meldenden Ärztinnen und Ärzte und für die Labore genauso wie für die Gesundheitsämter und das Robert-Koch-Institut eine durchgängige elektronische Informationsverarbeitung zur Verfügung stehen. Dadurch verringern wir den bürokratischen Aufwand aufseiten der Meldepflichtigen und schaffen eine höhere Datenqualität. Wir erleichtern den Datenaustausch und sorgen gleichzeitig für eine bessere Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden. Das ist für eine funktionierende Früherkennung essenziell. Im Ernstfall kann so in Zukunft schneller reagiert werden und die Einleitung entsprechender Maßnahmen erfolgen. Was für die digitale Vernetzung im Gesundheitssystem generell gilt, trifft natürlich auch hier zu: Datenschutz und -sicherheit haben höchste Priorität. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf weitere Verbesserungen im Infektionsschutzgesetz vor. Darunter fällt beispielsweise der Kampf gegen Krankenhausinfektionen. Um für eine effektivere Aufklärung der Übertragungswege zu sorgen, erweitern wir deshalb die Meldepflichten von Krankenhäusern. Hinzu kommt die Umsetzung der Globalen Polioeradikationsstrategie (GPEI) der Weltgesundheitsorganisation, für die wir nun die gesetzlichen Grundlagen festlegen. So soll unter anderem erfasst werden, wo Poliowildviren, Polioimpfviren und Materialien, die Polioviren enthalten können, gelagert werden, um diese langfristig zu vernichten. An dieser Stelle auch noch einmal einen herzlichen Dank an Bundesgesundheitsminister Gröhe für sein großes Engagement auf internationaler Ebene! Darüber hinaus möchte ich noch einmal auf das Thema Impfen zu sprechen kommen; denn wir sehen leider, dass die Impflücken noch immer viel zu groß sind. So ist es beispielsweise einfach nicht hinnehmbar, dass in diesem Jahr schon innerhalb der ersten drei Monate mehr Masernerkrankungen als im gesamten Vorjahr registriert wurden: 410 Fälle bis einschließlich März im Vergleich zu 325 Fällen in 2016. Allen muss bewusst sein, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind. Heute weiß man, dass diese Erkrankung auch zum Tod führen kann. Wir brauchen eine stabile Impfquote von über 95 Prozent für die zweifache MMR-Routineimpfung bei Kindern. Erst wenn wir innerhalb der Bevölkerung eine Immunität gegen Masern von mindestens 95 Prozent haben, können wir das Ziel, diese gefährliche Krankheit auszurotten, erreichen. Deshalb ist es eben auch so wichtig, dass Erwachsene, die als Kind nicht die Masern hatten, ihren Impfstatus überprüfen. Hier müssen wir mehr tun, und deshalb halte ich es für absolut richtig und notwendig, dass wir die Regelungen, die wir schon im Präventionsgesetz verabschiedet haben, nun noch einmal so nachgearbeitet haben, dass ihre Umsetzung auch tatsächlich gewährleistet ist; denn was bringt uns eine gesetzliche Regelung, an die sich niemand hält, weil er keine Konsequenzen zu befürchten hat? Vor diesem Hintergrund verschärfen wir jetzt die Auflagen, die bei einer Verweigerung der Impfberatung durch die Eltern vor dem Eintritt ihres Kindes in die Kindertageseinrichtung entstehen. Es ist richtig und gut, dass die Leitung einer Kindertagesstätte nun zur Meldung an das zuständige Gesundheitsamt verpflichtet wird, sofern Eltern eine Impfberatung verweigern. Das gibt den Gesundheitsämtern eine Handhabe zur Umsetzung ihrer Aufgaben; denn sie können die Eltern nun zu einer Beratung einladen und gegebenenfalls auch das Bußgeld von 2 500 Euro durchsetzen, das bereits im Infektionsschutzgesetz vorgesehen ist. Hier werden wir auch weiter überprüfen müssen, ob die Maßnahmen greifen. Wir können und sollten uns nicht damit abfinden, dass die Impfmüdigkeit oder der laxe Umgang einiger Eltern mit Impfungen gegen schwere, zum Teil lebensbedrohliche Krankheiten die Gesundheit der eigenen Kinder und anderer aufs Spiel setzen. Insgesamt bringt der Gesetzentwurf die notwendigen Anpassungen und Verbesserungen für einen modernen Infektionsschutz in Deutschland voran. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem wichtigen Maßnahmenbündel. Sabine Dittmar (SPD): Heute Abend beraten wir abschließend den Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung. Die jüngste Meldung über einen erneuten Masern-Todesfall führt uns nochmals vor Augen, dass wir leider weit davon entfernt sind, vermeidbare übertragbare Krankheiten auch tatsächlich auszurotten. Als Medizinerin kann und will ich nicht verstehen, warum einige die von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen nicht ernst nehmen und sich einem gesundheitlichen Risiko aussetzen. Ich appelliere daher an alle: Lassen Sie Ihren Impfstatus überprüfen und sich beraten, frischen Sie die Impfungen bei Bedarf auf und lassen Sie diese ergänzen. Der zentrale fachliche Bestandteil des Gesetzes ist die Erweiterung der Meldepflichten und die Verbesserung der Meldekette und des Informationsaustausches. Mit dem Deutschen Elektronischen Meldesystem für Infektionsschutz wird der Datentransfer künftig effektiver und schneller. Entscheidend ist aus meiner Sicht allerdings, dass die auf Bundes- und Landesebene beteiligten Stellen und insbesondere der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) personell und organisatorisch in die Lage versetzt werden, ihren stetig wachsenden Aufgaben gerecht zu werden. Leider wurde in der Vergangenheit gerade bei dem so wichtigen ÖGD gespart. Ich möchte daher nochmals an den Beschluss „Perspektiven zur Stärkung des ÖGD“ der 89. Gesundheitsministerkonferenz erinnern. Diesem müssen auf Länderebene endlich Taten folgen. Der Gesetzentwurf fungiert als Omnibus für die wichtige und aus sozialdemokratischer Sicht längst überfällige Einführung von Personaluntergrenzen in Krankenhäusern. Wir setzen damit Mindeststandards fest, die für die Patientensicherheit zentral sind. Durch das Gesetz werden mit Wirkung zum 1. Januar 2019 verbindliche Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern definiert. Darüber hinaus ist es uns gelungen, klarzustellen, dass die Vorgaben auch für solche Betten gelten, die Krankenhausbereichen zugeordnet sind, die nicht per se als pflegesensitiv eingestuft sind, der Patient jedoch eine umfassende intensivpflegerische Versorgung benötigt. Damit verbessern wir die Versorgung der Patientinnen und Patienten, wir verbessern aber gleichzeitig auch die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte, da in Zukunft eindeutig und nachvollziehbar definiert wird, wie viel Personal tatsächlich mindestens vorzuhalten ist. Diese Untergrenzen sind ein wichtiger Schritt, um die Qualität der Betreuung sicherzustellen. Für meine Fraktion ist allerdings klar, dass Untergrenzen wirklich nur der Mindeststandard ist, den es nach oben zu einer adäquaten und wissenschaftlich fundierten Personalbemessung auszubauen bzw. weiterzuentwickeln gilt. Ich bin dennoch sehr froh, dass es uns so kurz vor Ende dieser Legislaturperiode noch gelungen ist, die Empfehlungen der Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ gesetzgeberisch aufzugreifen. Damit schlagen wir einen weiteren Pflock ein für gute Pflege und gute Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern. Krankenhäuser, die die Personalvorgaben nicht einhalten, werden mit einem Vergütungsabschlag bestraft. Da uns bewusst ist, dass einige Betreiber – sagen wir mal – kreative Lösungen suchen könnten, um die Vorgaben zu umgehen, sind Maßnahmen vorgesehen, damit es nicht zu Personalverlagerungseffekten kommt. Die Einhaltung der Mindeststandards muss daher von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt werden. Die Vorgaben sind im Verhältnis Patient pro examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger bzw. pro examinierter Gesundheits- und Krankenpflegerin mit mindestens drei Jahren Berufsausbildung darzustellen. Ich denke, es sollte klar sein, dass Mindestvorgaben in pflegesensitiven Bereichen nicht zulasten der Personalausstattung in anderen Bereichen gehen dürfen. Besonders zu begrüßen ist zudem die Regelung, dass sich, sollten sich die Selbstverwaltungspartner innerhalb der vorgegebenen Frist wieder einmal nicht einigen können, die Bundeschiedsstelle automatisch damit befassen wird und die ausstehenden Entscheidungen trifft. Eine Verschleppung oder Verhinderung von verbindlichen Personaluntergrenzen ist damit ausgeschlossen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und den zahlreichen dazugehörigen fachlichen und fachfremden Änderungsanträgen verbessern wir den Gesundheitsschutz und die Pflege in Krankenhäusern. All dies sind gute Gründe, um dem vorliegenden Entwurf zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger, der Patienten und Pflegekräfte zuzustimmen. Hilde Mattheis (SPD): Das Gesetz mit dem schwierigen Titel „Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“ enthält neben dem eigentlichen Regelungsinhalt weitere Änderungen im Bereich Pflegepersonal im Krankenhaus. Ich werde daher im Folgenden auf diese Änderungen eingehen, die für uns als SPD-Fraktion ein zentraler Baustein für eine Verbesserung der Versorgungsqualität in Krankenhäusern sind. Die Koalition hat im November 2015 das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) verabschiedet, mit dem wir wichtige Reformen zur Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft und zur Finanzierung der Krankenhäuser beschlossen haben. Ein großes Problemfeld bei den Beratungen war und ist die Situation der Pflegekräfte in Krankenhäusern. Viele Kolleginnen und Kollegen sind womöglich bei Besuchen in Kliniken oder durch Zuschriften der Betroffenen bereits mit dem Problem konfrontiert worden: Pflegekräfte arbeiten viel und hart. Sie klagen über zu viel Stress und ständigen Arbeitsdruck, sodass nicht ausreichend Zeit für eine qualitativ hochwertige Pflege für die Patientinnen und Patienten bleibt. Ganz offensichtlich fehlen in verschiedenen Bereichen im Krankenhaus Pflegekräfte, womit die Arbeit besser auf mehr Schultern verteilt werden könnte und der Arbeitsdruck insgesamt sinkt. Die SPD-Fraktion hat sich daher bemüht, dieses Problem an verschiedenen Stellen anzugehen. Wir haben im Krankenhausstrukturgesetz eine bessere Finanzierung der Krankenhäuser für Pflegekräfte vereinbart, einerseits über ein Pflegestellenförderprogramm, mit dem jährlich 330 Millionen Euro an die Krankenhäuser für Pflege am Bett fließen. Außerdem haben wir damals den umstrittenen Versorgungszuschlag in einen Pflegezuschlag umgewandelt. Wir haben also 500 Millionen Euro zusätzlich an die Krankenhäuser gezahlt, die keine Pflegestellen abgebaut haben bzw. neue Pflegestellen aufbauen und diese anständig bezahlen. Diese Maßnahmen stellten quasi eine kurzfristige monetäre Unterstützung für bessere Pflege im Krankenhaus dar. Allerdings war uns auch klar, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist und das Problem natürlich nicht vollständig löst. Die grundsätzliche Frage, nämlich wie Pflegeleistungen besser in der Krankenhausvergütung, den sogenannten DRGs, dargestellt werden können, und ob es nicht verbindliche Personalstandards im Krankenhaus braucht, wurde damit nicht gelöst. Dafür haben wir auf die Einrichtung einer Expertenkommission gedrängt, die mit dem KHSG beschlossen wurde. Diese Kommission wurde vom Bundesgesundheitsminister eingesetzt und tagte im vergangenen Jahr unter Beteiligung der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Gewerkschaften, der Politik und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Nach intensiver Arbeit konnte die Kommission Anfang dieses Jahres ihre Ergebnisse vorlegen. Nun setzen wir in diesem Gesetz eine erste gesetzgeberische Maßnahme um, nämlich die Einrichtung von Personaluntergrenzen im Krankenhaus. Wir beauftragen nun den GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Benehmen mit der PKV die Bereiche im Krankenhaus zu definieren, die einen erhöhten Pflegeaufwand haben, also sogenannte pflegesensitive Bereiche sind. Auf Grundlage dieser Definition müssen die Verhandlungspartner GKV und DKG bis zum 30. Juni 2018 Personaluntergrenzen definieren. Diese Vorgaben gelten dann ab dem 1. Januar 2019. Ab diesem Zeitpunkt gelten also bundesweit Mindestvorgaben für das Pflegepersonal in allen vorher definierten Bereichen. Um sicherzugehen, dass dieser Zeitplan auch eingehalten wird, werden die Verhandlungspartner bis zum August dieses Jahres einen Zeitplan vorlegen und zu Beginn 2018 einen Zwischenbericht vorlegen. Sollte die Selbstverwaltung es nicht schaffen, sich bis 2019 auf die Untergrenzen zu einigen, wird das Bundesgesundheitsministerium diese Vorgaben festlegen. Wir setzen hier auch ein klares Signal an die Selbstverwaltung: Die Institutionen haben die Möglichkeit und den Auftrag, sich auf klare Vorgaben zu einigen. Aber da es in der Vergangenheit hier leider immer wieder Probleme mit Fristeinhaltungen gegeben hat, wird die Politik im Zweifel selbst regeln. Klar ist: Die Untergrenzen kommen 2019, davon dürfen wir nicht abweichen. Wir haben uns in den Verhandlungen dafür eingesetzt, die Definition von pflegesensitiven Bereichen nicht zu restriktiv zu gestalten. Es müssen hier bei der Festlegung der Untergrenzen der Nachtdienst und die dazugehörigen Intensiveinheiten berücksichtigt werden. Wir haben erreicht, dass, wenn es notwendig ist, auch in anderen Bereichen für den Nachtdienst und die Intensivversorgung diese Untergrenzen gelten. Ein ganz wichtiger Punkt ist außerdem der Ausschluss von Personalverlagerungen innerhalb des Krankenhauses. Sinn der Untergrenzen ist ja, dass im Zweifel neues Personal eingestellt werden muss, um die Betreuungsqualität zu garantieren und das Personal zu entlasten. Das dürfen die Krankenhäuser nicht dadurch unterlaufen, dass sie Personal von einer Station abziehen und in eine andere transferieren. Um das auszuschließen, haben wir konkrete Nachweispflichten vereinbart. Die Krankenhäuser müssen jährlich nachweisen, dass sie die Personalmindeststandards einhalten und dass es nicht zu Verlagerungseffekten kommt. Selbstverständlich bleibt es nicht bei freundlichen Appellen zur Einhaltung der Personalvorgaben. Diese sind verbindlich für die Häuser. Wenn diese nicht eingehalten werden, wird den Krankenhäusern die Vergütung gekürzt. Ich hoffe, dass dies nicht nötig sein wird, aber es ist richtig, hier auch Druck auf die Häuser auszuüben, um die Personalsituation nachhaltig zu verbessern. Zur Frage der Finanzierung von Pflegepersonal werden wir die von mir eingangs erwähnten Mittel des Pflegestellenförderprogramms dauerhaft in den Pflegezuschlag überführen. Den Kliniken stehen also nun jährlich bis zu 830 Millionen Euro für die Einstellung und Bezahlung von Pflegepersonal zur Verfügung. Diese Mittelvergabe durch den Bund verbinde ich mit einem nochmaligen Appell an die Länder, das Ihrige zu tun, um die Finanzmittel für die Krankenhäuser zu erhöhen, so wie es gesetzlich ihre Aufgabe ist! Nur wenn die Krankenhäuser auch ausreichend Gelder bekommen, können sie Personal einstellen. Das ist die Grundvoraussetzung für gute Pflege im Krankenhaus. Schließlich haben wir vereinbart, dass das Bundesgesundheitsministerium bis 2022 dem Bundestag eine wissenschaftlich fundierte Evaluation zur Wirksamkeit der Personaluntergrenzen vorlegen wird. Dies ist unbedingt notwendig, um die Wirksamkeit des Instruments bewerten und Verbesserungen vorzunehmen zu können. Ich bin sehr froh, dass wir diesen wichtigen Einstieg in ein Personalbemessungssystem in deutschen Krankenhäusern mit diesem Gesetz geschafft haben. Es ist ein wichtiger Einstieg, für den die SPD lange gekämpft hat. Die Personaluntergrenzen sind ein ganz wichtiger Schritt, um die Versorgungsqualität in deutschen Krankenhäusern nachhaltig zu verbessern. Davon profitieren alle Patientinnen und Patienten und natürlich auch die Pflegekräfte, die dringend eine Entlastung bei ihrer Arbeit brauchen. Ich will abschließend aber auch deutlich sagen, dass wir mit diesem Schritt nicht am Ende des Weges sind. Die SPD will ein umfassendes Personalbemessungssystem für das gesamte Krankenhaus, nicht nur in pflegesensitiven Bereichen. Dies war in dieser Wahlperiode nicht mehr zu schaffen. Wir werden daran aber festhalten und dies hoffentlich in der kommenden Wahlperiode angehen. Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich blicke jetzt auf immerhin zwei Wahlperioden zurück und damit auf einen ebenso langen Versuch, Sie hier von der Notwendigkeit einer Personalbemessung zur Beseitigung des Pflegenotstands in den Krankenhäusern zu überzeugen. Für dieses Thema, das in diesem Omnibusgesetz enthalten ist, will ich meine knappe Redezeit verwenden. Unter den FDP-Gesundheitsministern Rösler und Bahr gab es eher so etwas wie eine offensive Leugnung des Pflegenotstands. Das sei allenfalls ein Managementproblem, und da dürfe man den Krankenhausmanagern keineswegs in die Parade fahren. Dann aber, im Zuge des aufkommenden Protestes der Pflegekräfte, entstand auch in der Politik die Erkenntnis, dass da tatsächlich ein größeres Problem in der Pflege existiert. Einige sogenannte Hygieneskandale und Medienberichte unterstützten wohl den Erkenntnisprozess. Aber die Reaktionen unter der Großen Koalition waren eher Scheinlösungen: Der bislang gewährte „Versorgungszuschlag“ wurde in einen „Pflegezuschlag“ umbenannt, wobei das den Krankenhäusern gewährte Geld nicht zweckgebunden ist, also für anderes als Pflege ausgegeben werden kann. Ein „Pflegeförderprogramm“, das zu gering dimensioniert und an Bedingungen geknüpft ist, die kleine und mittlere Krankenhäuser nicht erfüllen können oder wollen, wurde aufgelegt. Und jetzt, als Ergebnis der „Expertenkommission“, die von Herrn Gröhe eingesetzt worden ist, gibt es die „Pflegeuntergrenzen“ für „pflegeintensive Bereiche“ – Ta-Ta! Es ist schwer zu sagen, ob es sich dabei um einen Lösungsansatz oder doch eher um eine Beruhigungspille zum Bundestagswahlkampf handelt. Einerseits erkennen Sie endlich, dass der Personaleinsatz im Krankenhaus nicht dem Markt bzw. dem Management überlassen werden darf, sondern staatliche Vorgaben gemacht werden müssen. Die konkrete Umsetzung könnte allerdings kaum schlechter sein. Der Versuch, „pflegesensitive“ Bereiche auszumachen, ist pflegewissenschaftlich und pflegepolitisch unterirdisch und wird in der Praxis zu mannigfaltigen Problemen führen. Aber auf jeden Fall ist die Tatsache, dass sich die Regierung hier bewegen musste, ein toller Erfolg der Proteste, Aktionen und auch der tariflichen Kämpfe der vergangenen Jahre. Hierzu kann man den Aktiven nur gratulieren und sie ermuntern, nicht nachzulassen. Ansonsten gilt für die vorgesehenen Personaluntergrenzen: zu spät, zu langsam, zu wenig! Es ist in etwa so, als würde ein großes Haus lichterloh brennen. Aber statt jetzt alles Verfügbare zu tun, werden nun der Verband der Hausbesitzer und der Verband der Feuerversicherung gebeten, in Verhandlungen eine Einigung darüber zu erzielen, wie viele Feuerwehrleute denn mindestens in den besonders brandgefährdeten Bereichen eingesetzt werden müssen. Eine absurde Vorstellung? Ja, das ist wahr! Dann wird immer das Hohelied der Selbstverwaltung angestimmt. Ja, auch wir stehen zur Selbstverwaltung. Aber es gibt Situationen, da muss erst einmal gehandelt werden. Man wird den Eindruck nicht los, als solle hier ein Thema elegant verschoben werden – mithilfe der Selbstverwaltung. Hinzu kommt, dass mittels der „Expertise“ von Professor Schreyögg „Leitplanken“ eingezogen wurden für die Verhandlung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen. Es wird zum Beispiel nicht näher begründet, warum die Anhebung des untersten Dezil oder Quartil auf das Niveau des nächsthöheren Dezil oder Quartil der Maßstab sein soll. Aber es ist schon bemerkenswert, dass Professor Schreyögg bei der Frage des zusätzlichen Personalbedarfs in seiner besten Variante in dem Rahmen bleibt, den die Regierung durch das Pflegeförderprogramm abgesteckt hat – nicht einmal 10 000 zusätzliche Stellen. Das erweckt eher den Eindruck eines bezahlten Gefälligkeitsgutachtens denn einer profunden Bedarfsanalyse. Noch einmal: Wir gehen anhand der Berechnungen von Professor Simon davon aus, dass 100 000 Pflegestellen in den Krankenhäusern fehlen. Es muss dringend gehandelt, nicht verhandelt werden! Was also tun? Hier bleiben wir bei unserer Linie: Es ist anzuerkennen, dass Lösungen in der richtigen Richtung gesucht werden. Die angewendeten Verfahren und die Limitierungen halten wir für nicht zielführend. Und vor allem ist der Umfang deutlich zu gering! Wir brauchen eine angemessene Personalbemessung in allen Stationen und Bereichen der Krankenhäuser, und zwar zügig; denn es brennt! Wir hatten Sofortmaßnahmen in einem Antrag vorgeschlagen, den Sie in der letzten Sitzungswoche sang- und klanglos abgelehnt haben. So schofel gehen wir mit Ihrem Antrag nicht um. Wir werden uns enthalten. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Als Änderungsantrag zu diesem Gesetz werden die Personaluntergrenzen im Krankenhaus verabschiedet. Nach vielen Jahren Personalabbau und zunehmendem Personalmangel gibt es nun eine Minimallösung. Untergrenzen, das bedeutet Mindestmaß, und dieses Mindestmaß gilt auch nur für bestimmte Bereiche im Krankenhaus, sogenannte pflegesensitive Bereiche. Das sind Bereiche, in denen mehr Personal zu weniger unerwünschten Zwischenfällen bei den Patientinnen und Patienten führt, wie zum Beispiel Infektionen. Daran ist zweierlei bemerkenswert. Weniger unerwünschte Zwischenfälle sind ein erster Schritt. Doch zu einer guten Pflege gehört noch viel mehr, zum Beispiel Kommunikation und verständliche Information, oder anders ausgedrückt: sich Zeit nehmen, zuhören, erklären, bisweilen auch trösten. Pflegekräfte fehlen nicht nur in pflegesensitiven Bereichen. Auf jeder Station verbessert sich die Qualität in der Pflege, wenn es mehr Personal gibt. Daran ist erkennbar, wie willkürlich hier Kriterien aufgestellt werden. Was wir eigentlich brauchen, ist ein wissenschaftlich basiertes Personalbemessungsinstrument, mit dem die notwendigen Fachkräfte für die jeweiligen Bereiche ermittelt werden können. Es muss flexibel genug sein, um die organisatorischen und baulichen Gegebenheiten der Krankenhäuser, das Qualifikationsprofil der entsprechenden Fachkräfte und natürlich den Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten berücksichtigen zu können. Was wir stattdessen haben, ist eine an sich schon schwache Vorgabe, die noch nicht einmal verbindlich ist; denn die Personaluntergrenzen werden am Ende nicht wissenschaftlich ermittelt, sondern von den Kassen und den Krankenhäusern festgelegt, also von denjenigen, die handfeste finanzielle Interessen verfolgen und nicht so ohne Weiteres geneigt sein dürften, mehr Geld für Personal auszugeben. Es gibt auch nach wie vor keine Regelung, die sicher dafür sorgt, dass das für Pflege vorgesehene Geld auch tatsächlich beim Pflegepersonal ankommt. Es herrscht wenig Transparenz über die Verwendung der Mittel. Solange hier keine Klarheit geschaffen wird, bleibt die Pflege das Element in der Krankenhausfinanzierung, an dem immer noch gespart werden kann. Auch die Regelungen, die eigentlich dazu dienen sollten, Personalverlagerungen zu vermeiden, sind nicht eindeutig genug. Personalverlagerung bedeutet, dass Personal in einem Krankenhaus von einem Bereich in einen anderen versetzt wird, damit dort die vorgegebenen Personaluntergrenzen eingehalten werden. Zwar müssen die Krankenhäuser künftig die Einhaltung der Personaluntergrenzen nachweisen und nach Personalgruppen differenziert in den Qualitätsberichten darstellen, doch es wird nicht definiert, ab wann von Personalverlagerung die Rede ist. Zudem sollen Übergangsregelungen und Ausnahmetatbestände definiert werden, bei denen die Untergrenzen nicht eingehalten werden müssen. Das ist nachvollziehbar, soweit es so etwas wie Wetter- oder Umweltkatastrophen oder Epidemien betrifft. Doch auch der Fachkräftemangel wird als Grund für Übergangsregelungen genannt. All das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Die Ergebnisse der Pflegekommission, die jetzt noch schnell umgesetzt werden sollen, damit die Koalition sich mit Ergebnissen schmücken kann, sind nur eine Pseudoverbesserung. Sie werden die Qualität der Versorgung nicht wesentlich verbessern und die Pflegekräfte im Krankenhaus nicht entlasten. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes (Tagesordnungspunkt 27) Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Energie- und des Stromsteuergesetzes bringt der Bundestag heute einen Gesetzentwurf mit einer langen Vorgeschichte zu einem erfolgreichen Abschluss. Nahezu ein Jahr dauerten die Beratungen innerhalb der Bundesregierung, bis aus dem Referentenentwurf ein vom Kabinett beschlossener Regierungsentwurf geworden war. Wir im Bundestag haben diesen dann endlich guten Entwurf in nur fünf Sitzungswochen noch weiter verbessern können. Die mit dem Gesetzentwurf vorgenommene Überarbeitung der energie- und stromsteuerrechtlichen Regelungen ist nötig geworden, um die darin enthaltenen Begünstigungen dem im Jahr 2014 novellierten EU-Beihilferecht und der EU-Energiesteuerrichtlinie anzupassen. Außerdem müssen auch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in die Regelungen des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes eingearbeitet werden. Zu diesem Aspekt möchte ich gern einige grundsätzliche Überlegungen äußern: Ich finde es richtig und wichtig, die Steuergesetzgebung auch im Lichte des EU-Beihilferechts zu betrachten, Anpassungsbedarf regelmäßig zu prüfen und, falls notwendig, auch umzusetzen. Dies dient insbesondere der Rechtssicherheit der Unternehmen, die von steuerlichen Vergünstigungen profitieren. Allerdings habe ich den Eindruck, dass Deutschland in vorauseilendem Gehorsam zuweilen übereifrig und übervorsichtig agiert und es an Pragmatismus bei der Bewertung der Beihilfekonformität von nationalen Regelungen mangeln lässt. Zu beobachten war dies am ursprünglich vorgelegten Referentenentwurf. Dieser enthielt noch ein allgemeines Kumulierungsverbot von Steuerbegünstigungen mit anderen Beihilfen. Zudem sollte die Steuerbefreiung für Strom aus erneuerbaren Energieträgern und aus sogenannten Kleinanlagen durch eine komplette Neufassung des § 9 StromStG gestrichen werden. Von beiden Regelungen hatte die Bundesregierung dann im Regierungsentwurf richtigerweise wieder Abstand genommen. Statt einer Streichung in vorauseilendem Gehorsam wurde die Steuerbefreiung nach § 8 StromStG der Europäischen Kommission zur beihilferechtlichen Prüfung vorgelegt. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Neben den Anpassungen an das Beihilferecht wird mit dem Gesetz ein Auftrag des Deutschen Bundestages aus dem Sommer 2015 umgesetzt. Seinerzeit haben wir uns dafür ausgesprochen, die Steuerbegünstigungen für gasförmige Kraftstoffe – Erdgas und Autogas –, die Ende des Jahres 2018 auslaufen, zu überprüfen, mit dem Ziel, diese zu verlängern. Der Regierungsentwurf erfüllte nur einen Teil dieses Auftrags, indem er lediglich eine Verlängerung der Steuerbegünstigung für als Kraftstoff verwendetes Erdgas bis Ende 2026 – abschmelzend ab 2024 – vorsah. Dies war vor allem aufgrund der Unterstützung von Bundesminister Dobrindt möglich, der mit seinem Ressort die hieraus resultierenden Steuerausfälle übernimmt. Die Erfüllung des zweiten Teils des Antrags, die Verlängerung der Steuerbegünstigung für Autogas (LPG), haben die Koalitionsfraktionen selbst in die Hand nehmen müssen und nun erfolgreich umgesetzt: Die Energiesteuerermäßigung für Autogas (LPG) wird bis zum 31. Dezember 2022 verlängert, sodass es im Sinne der betroffenen 500 000 LPG-Autobesitzer sowie der Unternehmen, wie Umrüstbetriebe und Tankstellenpächter, keinen abrupten Ausstieg aus der Förderung gibt. Damit erfüllen wir auch ein politisches Versprechen. Die Verlängerung erfolgt in der Weise, dass die Energiesteuerermäßigung pro Jahr um 20 Prozent abgeschmolzen wird. Das schnellere Abschmelzen im Vergleich zur Begünstigung für Erdgas ist angesichts der bereits seit vielen Jahren bestehenden steuerlichen Förderung und des daher schon gut ausgebauten Tankstellennetzes gerechtfertigt. Zudem ist der Einsatz von Autogas bereits bei dem schon jetzt im Gesetz vorgesehenen Normalsteuersatz ohne Steuerermäßigung gegenüber anderen Energieträgern im Kraftfahrzeugbereich günstiger. Eine weitere gute Nachricht aus den parlamentarischen Beratungen ist, dass wir die im Regierungsentwurf vorgenommene Streichung des § 60 EnergStG wieder zurückgenommen haben. Auch diese Streichung war aus meiner Sicht einer übervorsichtigen Interpretation des EU-Beihilferechts geschuldet. Die Regelung ermöglicht, dass zum Beispiel Mineralöllieferanten bei Lieferungen an Kunden, in der Regel mittelständische Tankstellenbetreiber, bei eventuellen Zahlungsausfällen eine Steuerentlastung für die im Verkaufspreis enthaltene Energiesteuer beantragen können. Abschließend möchte ich als Landwirt noch meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass auch dank des Einsatzes unseres Bundesministers Schmidt die Steuerermäßigung für Biodiesel zur Verwendung in der Landwirtschaft bestehen bleibt. Dies ist eine gute Nachricht für die Landwirtschaft, da sowohl als Hersteller als auch als Verbraucher davon profitiert. Norbert Schindler (CDU/CSU): Heute halte ich meine vermutlich letzte Rede hier im Hohen Haus der deutschen Demokratie. Fast 23 Jahre lang durfte ich dem Deutschen Bundestag angehören, als Abgeordneter der Regierungsfraktion und als Oppositionspolitiker. Und ich muss sagen: Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht! Ob Sie an meinen Reden und deren Themen Spaß hatten, vermag ich natürlich nicht zu beurteilen. Ein Schwerpunktthema, das mich all die Jahre beschäftigt hat, ist die Energiebesteuerung und die Besteuerung der Biokraftstoffe. Auch heute nehme ich dieses Thema mit der abschließenden Lesung des Entwurfs der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes wieder auf. Wie in der Einbringung in den Bundestag schon angedeutet, ist dieses Gesetz zwingend notwendig, um Vorgaben des Rechts der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen. Neben diesen notwendigen Anpassungen müssen mit dem Gesetz auch Entscheidungen der EU-Kommission und des EuGH in die Regelungen des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes eingearbeitet werden, was dem Bundesfinanzministerium mit entsprechendem Fingerspitzengefühl hervorragend gelungen ist. Dafür und für die immer gute Zusammenarbeit danke ich den Beamtinnen und Beamten auch im Namen des gesamten Finanzausschusses! Neben der jetzt geschaffenen generellen Rechts- und Planungssicherheit im nationalen Energiesteuerrecht konnten im Finanzausschuss weitere Anpassungen und Glättungen vorgenommen werden, die in erster Linie der erleichterten Anwendung und der Entbürokratisierung dienen. Darüber hinaus werden technologische Fortschritte in der Automobilindustrie und in der Speichertechnologie nachvollzogen und die Grundlage für eine elektronische Kommunikation zwischen den Wirtschaftsbeteiligten und der Verwaltung geschaffen. Für uns – da spreche ich auch für den Koalitionspartner – dient das Gesetz jedoch auch der Umsetzung des Koalitionsvertrages, der vorgibt, die Steuerbegünstigungen für gasförmige Kraftstoffe (Erdgas und Autogas), die am 31. Dezember 2018 enden sollen, zu verlängern. Das sah der Gesetzentwurf für als Kraftstoff verwendetes Erdgas (CNG/LNG) schon bis Ende 2026 – abschmelzend ab 2024 – vor. Diese Regelung, deren Ziel es ist, die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voranzubringen, wurde mit den Stimmen aller Fraktionen im Finanzausschuss bestätigt. Damit schaffen wir die Voraussetzungen, damit Erdgas als Zukunftstechnologie in Verbrennungsmotoren die notwendigen Impulse erhält, um sich dauerhaft und mit großer Verbreitung am Markt durchsetzen zu können Nach hartem Ringen konnte zudem noch eine abschmelzende Verlängerung der Steuerbegünstigung für Autogas (LPG) bis Ende 2022 aufgenommen werden, sodass es im Sinne der Betroffenen und der Unternehmen keinen harten Ausstieg aus der Förderung gibt. Bürgerinnen und Bürger erhalten damit Planungssicherheit bei Ihren Investitionsentscheidungen. Die Begünstigung für Flüssiggas, das als Kraftstoff verwendet wird (LPG), wird über die Jahre 2019 bis 2022 um jeweils 20 Prozent reduziert und läuft somit über weitere fünf Jahre aus. Auch diese Maßnahme, die dem Fiskus erhebliche Steuerausfälle beschert, wird von den Politikern der Koalitionsfraktionen und der Linken getragen, um LPG-Autobesitzer, Umrüstbetriebe und Tankstellenpächter in der Übergangszeit nicht zu überfordern. Nach 2022 wird es aber definitiv keine Steuererleichterungen für Autogas mehr geben! Denn auch bei dem dann geltenden Normalsteuersatz bleibt der Einsatz von Autogas gegenüber anderen Energieträgern im Kraftfahrzeugbereich weiter vorteilhaft! Im Bericht des Finanzausschusses wird zudem die Bundesregierung aufgefordert, dass für Unternehmen in Schwierigkeiten die nationalen Rechtsvorschriften mit Augenmaß angewendet und Einschränkungen von Steuerbegünstigungen auf das erforderliche Maß begrenzt werden. Der Befürchtung der Verbände, dass Anträge auf Steuerbegünstigungen von Unternehmen in Schwierigkeiten erst gar nicht zur Prüfung zugelassen werden könnten, wird mit der Formulierung „Anträge auf Gewährung einer Steuerbegünstigung können nicht verwehrt werden“ begegnet. Nach Kritik an der geplanten Streichung des § 60 EnergieStG vonseiten der mittelständischen Wirtschaft und des Bundesrates habe ich federführend für die CDU/CSU-Fraktion dafür gekämpft, diese wieder rückgängig zu machen. Auch hier hatte ich die volle Unterstützung des gesamten Finanzausschusses. Damit bleibt es dabei, dass vor allem mittelständische Tankstellenpächter bei Lieferung an Kunden, hinsichtlich des Energiesteueranteils bei eventuellen Zahlungsausfällen dieser, von der Haftung des Energiesteueranteils befreit sind. Somit kann die Versicherungssumme für den Zahlungsausfall auf den Warenwert (ohne Energiesteuer) begrenzt bleiben. Dies sichert gerade diesen Unternehmen in einem sehr anspruchsvollen Marktumfeld die notwendige Liquidität, indem sie die Energiesteuer nicht zusätzlich absichern lassen müssen. Leider ist es uns bei den Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium nicht gelungen, weitere berechtigte Forderungen, wie die Gleichstellung der Industriegaseproduktion mit anderem produzierenden Gewerbe, in Gesetzesform zu gießen. Hier scheint die Bundesregierung nicht bereit zu sein, sich auf sicherlich schwierige und langwierige Verhandlungen mit der EU-Kommission einzulassen. Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf, den wir hier abschließend beraten, ein sehr guter, der hoffentlich für ein paar Jahre Rechtssicherheit und Klarheit im Verwaltungshandeln garantieren wird. Mit den generellen Regelungen in Abstimmung mit der EU-Kommission entfällt eine Vielzahl von Einzelgenehmigungsanträgen in Brüssel, auch wenn dadurch nicht mehr jeder Einzelfall bis ins letzte Detail gerecht abgewickelt werden kann. In diesem Zusammenhang danke ich der Bundesregierung, dass sie zum Beispiel für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft die Praxis der teilweisen Steuererstattung für „Agrardiesel“ und „Bioagrardiesel“ bis zum Auslaufen der Freistellungsanzeige bei der EU-Kommission auf neuer nationaler Rechtsgrundlage weiterführt. Die bisher dauernd notwendigen Notifizierungen bei der EU-Kommission können somit entfallen. Meine Mahnung aus der Rede zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs muss ich heute aus gegebenem Anlass wiederholen: Bürokratieabbau im Verhältnis zur EU darf aber nicht zu weiterem Bürokratieaufbau bei den Bürgern führen! Wenn im Vorgriff auf dieses Gesetz nun für die Beantragung der Steuerrückerstattung für Agrardiesel zu den schon bestehenden und schwer zu verstehenden Antragsformularen drei neue eingeführt werden, so widerspricht dies dem Sinn des Gesetzes! Deshalb, liebes BMF, liebe Generalzolldirektion: Geht in euch und schafft auch im Verhältnis zu den Antragstellern den schlanken Staat! Zum Abschluss danke ich allen Beteiligten, in der Spitze der Ministerien BM Schäuble, BM Dobrindt und BM Schmidt, den Kolleginnen und Kollegen der AG Finanzen meiner Fraktion und deren Mitarbeitern, unserem Koalitionspartner und nicht zuletzt den Mitarbeitern meines Büros für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht nur bei diesem Gesetz. Ich verabschiede mich aus dem Parlament und sage vielen Dank und auf Wiedersehen an anderer Stelle! Christian Petry (SPD): Heute beraten wir in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes. Ziel des vorliegenden Gesetzes war es, die Steuerermäßigung für Erdgas und Flüssiggas zu verlängern, zwingende Vorgaben des Rechts der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen sowie technologische Fortschritte in der Automobilindustrie im Stromsteuergesetz angemessen abzubilden. Dabei liegt ein Schwerpunkt des Gesetzes auf der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben. Im Kern geht es dabei um die neugefasste Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO). Aufgrund dieser Neufassung regelte der Entwurf bereits die europarechtskonforme Umsetzung des Herstellerprivilegs oder etwa die Steuerentlastung für Biokraftstoffe. Weiterhin gab es eine Vielzahl von Urteilen des EuGH, die in nationales Recht umgesetzt werden mussten. All dies war im Gesetzesentwurf bereits enthalten. Wir haben aber auch zentrale Änderungen vorgenommen. Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die Steuerermäßigung für Erdgas und Flüssiggas eingehen. Hier hatte die Kabinettvorlage von Wolfgang Schäuble eine einseitige Verlängerung der Steuerermäßigung für Erdgas vorgesehen. Ich bin dabei überzeugt, dass Erdgas ein wichtiger alternativer Kraftstoff ist, der durch seine regernative Komponente dringend weiter gefördert werden muss. Allerdings haben SPD und CDU/CSU im Koalitionsvertrag vereinbart, dass beide Kraftstoffe über 2018 hinaus steuerlich begünstigt werden. Der Entwurf von Wolfang Schäuble beinhaltete damit einen klaren Bruch des Koalitionsvertrags. Lassen Sie mich an dieser Stelle festhalten: Diesen Bruch hat die SPD-Fraktion nicht mitgemacht! Ich habe mich daher im parlamentarischen Verfahren gemeinsam mit meinem CDU-Kollegen Norbert Schindler für eine Weiterführung der Steuerbegünstigung starkgemacht. Es war ein harter Kampf, an dessen Ende ein gutes Ergebnis steht. Wir werden Flüssiggas bis 2022 weiterfördern, Erdgas bis 2016. An dieser Stelle möchte ich Norbert Schindler für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit ausdrücklich danken. Neben der Steuerermäßigung für Flüssiggas haben wir im parlamentarischen Verfahren noch weitere, wesentliche Änderungen am Gesetz vorgenommen. Exemplarisch möchte ich etwa die Beibehaltung der Ausnahmetatbestände des § 60 Energiesteuergesetz nennen. Hierbei handelt es sich um eine Sonderregelung im Energiesteuerrecht, die Verkäufern von bestimmten Kraftstoffen bei Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers eine Steuerentlastung für die im Verkaufspreis enthaltende Energiesteuer ermöglicht. Diese Regelung sollte zunächst abgeschafft werden. Die Sachverständigen in der Anhörung des Finanzausschusses konnten uns fundiert darlegen, dass die Beibehaltung von § 60 Energiesteuergesetz für viele Tankstellenbetreiber essenziell ist. Wir haben diese Bedenken ernst genommen und uns schlussendlich für eine Beibehaltung des Ausnahmetatbestands entschieden. Darüber hinaus haben wir uns im parlamentarischen Verfahren mit einer Fülle weiterer energiesteuer-und stromsteuerrechtlicher Themen beschäftigt. Ich denke da beispielsweise an die Gewährung von Steuerentlastungen beim Verheizen von Gasöl in Standheizungen von Fahrzeugen des ÖPNV. Hier haben wir das Bundesfinanzministerium aufgefordert, von der im geltenden Gesetz vorgesehenen Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen und eine solche Steuerentlastung zu gewähren. Weiterhin haben wir mit der Einführung von § 9c Stromsteuergesetz die im ÖPNV vermehrt eingesetzten Elektrobusse mit dem bereits steuerlich geförderten Schienenverkehr gleichgestellt. Damit haben wir entscheidend der technologischen Entwicklung im Verkehrssektor Rechnung getragen und eine zusätzliche Entlastung der Stromsteuer in das Gesetz aufgenommen. Insgesamt liegt nun ein stimmiges Gesetz vor, das an entscheidender Stelle vom Parlament nachgebessert wurde. Dabei möchte ich ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Opposition loben. Wir haben aus Ihren Reihen breite Unterstützung bei der Weiterförderung des Flüssiggases erhalten. Andreas Rimkus (SPD): Zur Energiewende und unseren Zielen sowie den Vorhaben, um diese Ziele zu erreichen, habe ich im Plenum des Deutschen Bundestages schon viel gesagt. So stehen wir vor der Herausforderung, ein Gesamtkonzept der Energiewende aufzubauen, das unseren Ansprüchen an Nachhaltigkeit gerecht wird. So sollte dieses Konzept uns helfen, unsere ökologischen Ziele zu erreichen und den Wandel in der Arbeitswelt sozialverträglich zu gestalten, und jedem in dieser Gesellschaft die Chance geben, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Lassen sie mich den letzten Punkt noch einmal deutlicher sagen. Es kann nicht sein, dass die Energiewende nur eine Sache des dicken Geldbeutels ist! Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und ich bin froh, dass wir in Deutschland – auch im weltweiten Vergleich – sehr weit damit sind, den Umbruch zu meistern, und zwar so zu meistern, dass jeder seinen Beitrag leistet, aber eben auch leisten kann, wie beispielsweise durch die EEG-Umlage. Daher ist es auch weiterhin wichtig, denjenigen die Tür aufzuhalten, die sich aufgrund der hohen Anschaffungskosten kein Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeug oder eben auch Erdgasfahrzeug leisten können. So war es für uns Sozialdemokraten ein besonderes Anliegen, nicht nur die Steuerbegünstigung auf Erdgas, sondern auch auf Autogas zu verlängern. Wir können doch nicht hinnehmen, dass es keine bezahlbare Form der emissionsreduzierten Mobilität gibt. Die Einwände zur Ökobilanz dieser Fahrzeuge mögen stimmen, der Erdgasantrieb ist emissionsärmer und ermöglicht die Integration erneuerbarer Energien, und sicherlich würde auch ich mir wünschen, dass schon alle mit batterieelektrischen oder Brennstoffzellenfahrzeugen auf unseren Straßen unterwegs wären. Doch die Kritiker von Autogas mögen mir doch bitte erklären, ob es ihnen dann lieber wäre – im Lichte unserer Erkenntnisse – lieber auf Diesel umzusteigen als auf Propangas. Aus diesem Grund haben wir die Verlängerung der Steuerbegünstigung von Flüssiggas auch bereits im Koalitionsvertrag verankert. Darüber hinaus haben wir einen Koalitionsantrag aus dem Parlament heraus verabschiedet, der dieses Ziel noch einmal bekräftigt. Umso erstaunter war ich, zu sehen, wie Finanzminister Schäuble diese klare Positionierung ignorierte und in seinem Entwurf eine Verlängerung für Erdgas vorsah, jedoch einer Verlängerung für Autogas eine Absage erteilte. Ich muss gestehen: Unter einer zuverlässigen Vertragspartnerschaft verstehe ich etwas anderes! Dies war ein Bruch mit dem Koalitionsvertrag und irreführend für die, die sich auf unser Versprechen verlassen haben. Erst hinhalten und dann Versprechen brechen, das ist keine zuverlässige Kooperation und ziemlich schlechter Stil, Herr Schäuble. Deshalb haben wir als Sozialdemokraten, wie ich auch in meiner letzten Rede bereits deutlich gemacht habe, uns von Anfang an klar positioniert und sind dafür eingestanden, dass die Steuerbegünstigung auch für Autogas verlängert wird. So steht am Ende eine Verlängerung, die, wie es auch sachgerecht ist, kürzer und geringer ausfällt, nämlich bis 2022 läuft und ab 2019 jedes Jahr um 20 Prozentpunkte mehr abschmilzt. So haben wir im Zuge des parlamentarischen Verfahrens eine ökologisch vernünftige, sozial verträgliche und politisch verlässliche Lösung gefunden. Herbert Behrens (DIE LINKE): Der vorliegende Gesetzentwurf hat gezeigt, dass aus einer krummen Regierungsvorlage, der meine Fraktion nicht hätte zustimmen können, noch etwas Gerades werden kann. Diese Erfahrung habe ich als Verkehrspolitiker leider noch nicht machen können – man denke nur an die Pkw-Maut, die blinde Einführung automatisierten Fahrens und vor allem die heute Morgen von SPD und Unionsfraktion beschlossene Privatisierung der Autobahnen, die trotz erbittertem Widerstand der Opposition ohne Rücksicht auf Verluste durchgedrückt wurde. Von daher bin ich sehr froh, dass ich nach acht Jahren im Bundestag im federführenden Finanzausschuss Zeuge werden konnte, dass es auch anders geht. Nach einer sehr aufschlussreichen öffentlichen Anhörung und intensiven Gesprächen mit Mitgliedern aller Fraktionen liegt jetzt eine Beschlussempfehlung vor, die den Entwurf der Bundesregierung in für mich zentralen Punkten ändert und der ich ohne Weiteres zustimmen kann. Wie ich bereits in der ersten Lesung betont habe, ist mit der Linksfraktion die im Gesetzentwurf der Bundesregierung verankerte abrupte Beendigung der Steuerbegünstigung von Autogas nicht zu machen. Zum einen würde dadurch der Vertrauensschutz von mehreren Hunderttausend Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughaltern verletzt, die sich in den letzten Jahren ein Autogasfahrzeug angeschafft oder ihr Auto auf LPG umgestellt haben. Diesen Menschen zu sagen, dass die vor Jahren in Aussicht gestellte Verlängerung der steuerlichen Förderung ihres umweltfreundlichen Fahrzeuges lediglich ein Aprilscherz ist, war völlig inakzeptabel. Zum anderen – das sage ich jetzt als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Abgasskandal – hat sich das von der Bundesregierung als Begründung herangezogene ifeu-Gutachten längst überholt. Ich teile durchaus die Einschätzung der Gutachter, dass Erdgas einen größeren Klimanutzen entfalten kann als Autogas. Aber wenn die Bundesregierung eine Studie aus 2013 als Begründung für die Beendigung der LPG-Förderung anführt, blendet sie schlicht und ergreifend aus, dass der Automobilindustrie inzwischen massenhafter Betrug bei den Stickstoffdioxidemissionen nachgewiesen wurde. Diese vom Autoverkehr verursachten Schadstoffbelastungen sind dafür verantwortlich, dass sich die Menschen in diesem Land massiven gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt sehen, und dieser Zustand ist untragbar. Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf den Beitrag völlig verkannt, den mit Autogas betriebene Fahrzeuge für die Reduktion von Luftschadstoffen vor allem in innerstädtischen Bereichen leisten können. Im Vergleich zu dem immer noch hochsubventionierten Dieselkraftstoff fallen bei der Verbrennung von Autogas nämlich kaum Rußpartikel und Stickoxide an, die zur Vermeidung von Fahrverboten am besten heute noch drastisch reduziert werden müssen. Deshalb hat die Linksfraktion einen Änderungsantrag in die öffentliche Anhörung eingebracht, in welchem die Verlängerung der Steuerbegünstigung für LPG festgeschrieben und wie folgt begründet wird: „Um die notwendige Reduktion der (Auto)Verkehrsemissionen zu befördern, sollte die steuerliche Begünstigung von LPG befristet verlängert werden, um den finanziellen Anreiz für die Anschaffung von mit Flüssiggas betriebener Fahrzeuge bzw. eine Umrüstung konventioneller Verbrennungsmotoren auf Flüssiggas zu erhalten. Dies gilt vor allem in Hinblick auf den Öffentlichen Personennahverkehr (Busse, Taxis), in dem auf Grund der hohen Verkehrsleistung der dort eingesetzten Fahrzeuge großes Potenzial für Emissionsreduktionen besteht.“ Diese Einschätzung und auch unsere Forderungen haben sich die Koalitionsfraktionen zu eigen gemacht und in einen eigenen Änderungsantrag gegossen, dem wir uns uneingeschränkt anschließen. Da Links offensichtlich gewirkt hat und wir sowohl der Koalition als auch dem Gesetz ein Stück weit ökologische Vernunft einimpfen konnten, ziehen wir gerne unseren eigenen Antrag zurück und stimmen dem geänderten Gesetzentwurf zu. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Energiebesteuerung berücksichtigt kaum, welchen Schaden die einzelnen Energieträger verursachen. Ein paar Beispiele: Diesel wird mit Milliarden subventioniert, obwohl Dieselabgase die Luft in unseren Städten verdrecken. Auf Erdgas zum Heizen fallen umgerechnet pro Tonne CO2 mehr Steuern an als auf das klimaschädlichere Heizöl. Auf sauberen Ökostrom muss ich als Verbraucherin genauso viel Steuern bezahlen wie auf schmutzigen Kohlestrom. Der Bundesrat weist zu Recht daraufhin, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat Sie aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen, wie zukünftig die Energiebesteuerung zu einem wirksamen Klimaschutzinstrument weiterentwickelt werden kann, und zwar indem verursachungsgerecht alle Energieträger mit einem einheitlichen CO2-Preis belegt werden. Nun frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD: Wann kommt endlich Ihr Vorschlag? Es ist ja nun wirklich nicht das erste Mal, dass wir über ökologisch faire Preise sprechen. Die Experten, die Sie von der Bundesregierung mit dem Monitoring der Energiewende beauftragt haben, haben Ihnen genau das bereits letztes Jahr in Ihren Bericht geschrieben: Ein angemessener Preis auf CO2 ist notwendig, damit die Klimaschutzziele überhaupt noch erreichbar sind. Im April hat sich die Initiative für eine nachhaltige Finanzreform gegründet. Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel wirbt dafür. Erst vor drei Tagen hat eine hochrangige Gruppe von Wissenschaftlern um Nicholas Stern und Joseph Stiglitz die G 20 aufgefordert, CO2 einen Preis zu geben. Auch die OECD empfiehlt Deutschland, Steuervergünstigungen für umweltschädliche Aktivitäten abzuschaffen und Mehreinnahmen durch wirkungsvollere Umweltsteuern zu erzielen. Das zeigt doch ganz deutlich: Die Zeit ist mehr als reif, dass wir hier in Deutschland die Energiebesteuerung endlich konsequent am Klimaschutz ausrichten! Was wir brauchen, ist also mehr als nur Kleinklein. Doch Sie von der Bundesregierung doktern nur an einzelnen Regelungen des Energie- und Stromsteuergesetzes herum. Dabei schielen Sie anscheinend eher auf die schwarze Null als auf die ökologischen Folgen Ihrer Entscheidungen. Man muss schon froh sein, dass Sie die unsinnige Idee, den Eigenverbrauch von erneuerbarem Strom zusätzlich zur EEG-Umlage nun auch noch mit der Stromsteuer zu belasten, wieder begraben haben. Der Eiertanz, den Sie bei der Verlängerung der Steuerbefreiung für Flüssiggas aufgeführt haben, spricht für sich. Ich finde Ihre Plan- und Ambitionslosigkeit mehr als bedauerlich. Sie verpassen hier nicht nur zum wiederholten Male eine Chance für mehr Klimaschutz. Sie versäumen auch die Gelegenheit, den unübersichtlichen Förderdschungel wenigstens ein bisschen zu lichten; denn das haben wir in der Anhörung auch bestätigt bekommen: Wenn wir die Energiebesteuerung an CO2 ausrichten, brauchen wir ganz viele Ausnahmeregelungen gar nicht mehr. Wir brauchen keine weitere Subventionierung von Verzögerungstechnologien, sondern einen Aufbruch für ambitionierten Klimaschutz, der Investitionen in Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien belohnt. Nur, Ihnen fehlen der Mut, der Wille und die Ideen für einen großen Wurf. Darum können wir dem, was Sie hier heute zur Abstimmung stellen, nicht zustimmen. Anlage 22 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CDU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (Tagesordnungspunkt 28) Mit der großen Zahl von Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns nach Deutschland geflüchtet sind, leben bei uns zunehmend mehr Ehepaare, bei denen die Ehefrau noch Kind bzw. minderjährig ist. Dieses Phänomen stellt sowohl unsere Gesellschaft, aber auch unsere Rechtsordnung vor große Herausforderungen. Kinderehen verletzen Grundrechte der Kinder und Jugendlichen, vor allem das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf sexuelle Selbstbestimmung und auf Bildung. Sie sind mit unserem Verständnis von Ehe, die auf einer freien Willensentscheidung und gleichberechtigten Partnerschaft von Mann und Frau beruht, nicht zu vereinbaren. Auch der zur Rechtfertigung von Kinderehen angeführte Schutz der Mädchen auf ihrer Flucht darf nicht den Blick dafür verstellen, dass diese Ehen aus purer Not, aber nicht aus freiem Willen eingegangen werden. Wir haben eine Verantwortung für alle in Deutschland lebenden Mädchen und Frauen. Daher brauchen wir ein Verbot von Kinderehen. Aus diesem Grund stimme ich dem Gesetzentwurf zu, weil er Ehen Minderjähriger verbietet und den minderjährigen Ehepartnern einen verbesserten Schutz ermöglicht. Allerdings halte ich die Regelung, dass Ehen generell nichtig sind, bei denen einer der Ehegatten bei der Eheschließung jünger als 16 Jahre alt ist, für bedenklich. Auch diese Ehen sollten – wie die Ehen von Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren – durch einen richterlichen Hoheitsakt aufgehoben werden müssen. Bei einem individuellen Aufhebungsverfahren können alle flankierenden Rechtsfragen geklärt werden, wie Unterhalts- und Erbrechtsfragen sowie Sorgerechtsregelungen für gemeinsame Kinder. Anders als die Nichtigkeitslösung bietet das Aufhebungsverfahren Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die Betroffenen. Ich hätte mir die Aufhebungsregelung für alle Ehen mit Minderjährigen gewünscht. Dem Gesetz stimme ich deshalb zu, weil es die derzeitige Rechtslage verbessert. Der weit überwiegende Teil der Ehen wird von der Aufhebungslösung erfasst sein. Für eine Änderung der Regelung für die unter 16-Jährigen werde ich mich weiter einsetzen. Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten – des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Frank Tempel, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte – des von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB) – des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des § 103 des Strafgesetzbuches – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – (Tagesordnungspunkt 29) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Angefangen hat bekanntermaßen alles am 31. März 2016 mit der Ausstrahlung eines als „Schmähkritik“ bezeichneten Gedichts des Unterhaltungskünstlers Jan Böhmermann über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Daran schloss sich eine nationale und internationale Kontroverse an, die im Wesentlichen zwei Schwerpunkte hat: zum einen die strafrechtliche Frage, ob Böhmermanns Schmähgedicht im Kontext seiner Sendung als Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten zu bewerten sei, und zum anderen die politische Frage, ob ein ausländischer Politiker mit Ermächtigung der Bundesregierung die Strafverfolgung wegen Beleidigung bewirken können soll. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung soll der hierfür relevante § 103 StGB aufgehoben werden, da es für diese strafrechtliche Sondernorm kein Bedürfnis mehr gibt. Zunächst ist es wichtig, über den Sinn der Strafvorschrift nachzudenken, vor allem über den mit ihr verfolgten Regelungszweck und die Eigenart der von ihr erfassten Fälle, bevor man darüber urteilt, ob eine Strafvorschrift richtig oder falsch ist und ob sie stehen bleiben oder gestrichen werden soll. Nicht nur in der Strafrechtswissenschaft gilt als wesentlicher Prüfstein für die Legitimität des Strafrechts das Rechtsgut. Auch die Kriminalpolitik beruft sich auf die Erforderlichkeit der Abwehr von Angriffen auf ein Rechtsgut, wenn bestehende Straftatbestände erweitert, Strafdrohungen verschärft oder neue Strafvorschriften eingeführt werden sollen. Für § 103 StGB kommen zwei Rechtsgüter in Betracht: § 103 StGB schafft zunächst einen besonderen Ehrenschutz für Repräsentanten ausländischer Staaten, und zwar für ausländische Staatsoberhäupter, ausländische Regierungsmitglieder sowie beglaubigte Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung. Dies ist jedoch nicht der einzige Schutzzweck der Vorschrift, sondern ein weiterer Schutzzweck „Störungsfreie Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik“ tritt hinzu. Man spricht insoweit von einer kumulativen Rechtsgutverdoppelung. Der Schwerpunkt der Regelung findet sich jedoch in § 104a StGB. Denn § 103 StGB ist anders als die §§ 185 ff. StGB kein Antrags- und auch kein Privatklagedelikt. Es müssen vielmehr zwei objektive Bedingungen der Strafbarkeit erfüllt sein: Zum einen muss die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat, dessen Organ oder Vertreter beleidigt wurde, diplomatische Beziehungen unterhalten, und die Gegenseitigkeit muss verbürgt sein sowie zur Zeit der Tat verbürgt gewesen sein. Das heißt, dass die Bundesrepublik Deutschland in dem betreffenden Auslandsstaat einen entsprechenden Rechtsschutz genossen hat oder noch genießen muss. Zudem müssen zwei Prozessvoraussetzungen erfüllt sein: Es muss ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegen, und die Bundesregierung muss die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt haben. Der Sinn der Vorschrift ist demnach folgender: Die mitunter hochpolitische Entscheidung über das „Ob“ einer Strafverfolgung soll nicht ohne den Filter der Prüfung durch die Bundesregierung getroffen werden. Eine rein materiell-rechtliche Prüfung anhand der „Tatumstände“ könnte sonst dazu führen, dass Strafverfahren stattfinden, die den auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland mehr schaden als nützen, gerade wenn es in einem öffentlichen Verfahren darum geht, für Tatsachenbehauptungen den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Weder die völkervertraglichen Übereinkommen, Diplomatenschutzkonvention und das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen noch das Völkergewohnheitsrecht verpflichten die Staaten, separate Tatbestände zur Sanktionierung von Angriffen auf Repräsentanten eines ausländischen Staates zu schaffen. Die generellen Tatbestände bezüglich der Strafbarkeit von Beleidigungen reichen aus. Ein besonderer Ehrenschutz für ausländische Repräsentanten ist völkerrechtlich nicht erforderlich. Völkerrechtlich soll zwar jeder Staat die auf seinem Gebiet begangenen Angriffe von Privatpersonen auf bestimmte Repräsentanten eines ausländischen Staates bestrafen oder den Täter ausliefern. Diese völkergewohnheitsrechtliche Strafpflicht ist völkervertraglich im Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten verankert. Danach gehören zu den völkerrechtlich geschützten Personen neben Diplomaten auch Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister, wenn sie sich in einem fremden Staat aufhalten. Für Beleidigungen ausländischer Repräsentanten schreibt die Diplomatenschutzkonvention jedoch keine besondere Strafpflicht vor. Die völkervertraglichen Regelungen zum Schutz von Repräsentanten auswärtiger Staaten knüpften regelmäßig an deren Tätigkeit im Inland an. Gemäß Artikel 29 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen behandelt der Empfangsstaat den Diplomaten mit gebührender Achtung und trifft alle geeigneten Maßnahmen, um jeden Angriff auf seine Person, seine Freiheit oder seine Würde zu verhindern. Zwar wird man Artikel 29 der Wiener Diplomatenkonvention über den Wortlaut hinaus auch auf das Amt eines Staatsoberhaupts anwenden können, doch dient die Norm in erster Linie dem Schutz der Arbeitsfähigkeit eines akkreditierten Diplomaten im Gastland und bezieht sich nicht auf Beeinträchtigungen von Repräsentanten fremder Staaten, die sich in ihrem Heimatland aufhalten. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dennoch zur Aufnahme solcher Tatbestände in den §§ 102 ff. StGB entschlossen. Von der Abschaffung der Tatbestände § 102 StGB „Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten“ und § 104 StGB „Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten“ ist im Entwurf keine Rede. Das bedeutet, dass Angriffe auf ausländische Staatsoberhäupter auch nach einer Streichung des § 103 StGB weiterhin in eigenen Tatbeständen unter Strafe stehen. § 102 StGB wurde als sogenanntes unechtes Unternehmensdelikt ausgestaltet, das heißt der Angriff auf Repräsentanten eines ausländischen Staates muss lediglich auf dessen Verletzung abzielen, die Verletzung braucht aber nicht tatsächlich einzutreten. Durch den besonderen Tatbestand steht allein der Versuch, den Repräsentanten eines ausländischen Staates leicht zu verletzen, unter Strafe. Mit anderen Worten: Für den Schutz von Ehrverletzungen des Repräsentanten gelten die gleichen Vorschriften wie diejenigen für deutsche Bürger. Für eine Sonderregelung des § 103 StGB besteht in heutiger Zeit keine Notwendigkeit mehr. Wichtig ist aber, dass die §§ 102 StGB, 104 StGB und 104a StGB erhalten bleiben. Sie sind für den Schutz der internationalen Beziehungen essenziell. Darüber hinaus wird die Beleidigung in Hinblick auf die §§ 185 ff. StGB auch weiterhin verfolgt – auch wenn sie sich gegen einen ausländischen Politiker richtet, egal welche Funktion dieser hat. In der Praxis haben wir gesehen, dass die Justiz hier hinreichend tätig wird und ihre Ermittlungen auch sorgsam durchführt. Der Gesetzesentwurf entscheidet sich, nach einer differenzierten Abwägung, zu Recht für die zeitgemäße Abschaffung des § 103 StGB. Sicherlich lassen sich auch andere Meinungen gut vertreten, was die Diskussion in der Wissenschaft gezeigt hat. Einen weitreichenden Anwendungsbereich gibt es aber für § 103 StGB ohnehin nicht, sodass ich hoffe, dass dieser Gesetzentwurf auch die Zustimmung vieler Kollegen in diesem Haus finden wird. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Am heutigen Tag werden wir das Gesetzgebungsverfahren zur Abschaffung von § 103 StGB abschließen. Die Strafvorschrift stellt bislang die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe. Entgegen der Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen handelt es sich bei § 103 StGB nicht um den „Majestätsbeleidigungsparagrafen“. Die Strafvorschrift schützt ausländische Staaten mit ihren Organen und Einrichtungen vor Beeinträchtigungen. Auf die Staatsform kommt es aber nicht an, sodass demokratisch gewählte Regierungsvertreter gleichermaßen geschützt werden. Die Grünen haben sich zu sehr vom konkreten Einzelfall mit dem Staatspräsidenten Erdogan leiten lassen. Es war deshalb richtig, dass die Union besonnen reagiert hat. Die Gesetzentwürfe der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wollten eine schnellstmögliche Abschaffung erreichen. Dies sollte das leicht erkennbare Ziel verfolgen, den auf einer Welle der Sympathie reitenden Jan Böhmermann vor Strafverfolgung zu schützen. Ein Strafverfahren wäre mangels Rechtsgrundlage sofort einzustellen gewesen. Durch die Weigerung der Union konnte die Staatsanwaltschaft Mainz den Fall in Ruhe prüfen und kam letztendlich zu einer Verfahrenseinstellung, da kein strafbares Verhalten vorliege. Ich habe bereits in der ersten Lesung am 12. Mai 2016 gemahnt, dass wir kein Einzelfallgesetz „Böhmermann“ beschließen sollten. Der Respekt vor einer unabhängigen Justiz verbietet es uns als Gesetzgeber, in laufende Verfahren einzugreifen. Die Gewaltenteilung ist für uns ein hohes Gut, weshalb wir uns mit den richtigen Gründen einem kurzfristigen und unbesonnenen Handeln versperrt haben. Mit dieser Debatte möchten wir als Union auch nochmals klarstellen, dass die funktionierenden außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten mit der heutigen Abschaffung von § 103 StGB nicht beeinträchtigt werden. Für uns ist der Schutz der diplomatischen Beziehungen ein hohes Gut. Das Miteinander mit anderen Staaten hängt jedoch nicht vom Bestehen strafrechtlicher Schutzvorschriften ab. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in der Europäischen Union und in anderen Ländern der Welt großes Vertrauen erarbeitet. Deutschland wird auch in der Zukunft ein verlässlicher Partner sein. Die Abschaffung von § 103 StGB wird daran nichts ändern und soll auch nicht als ein solches Signal verstanden werden. Es ist richtig, dass es keine völkerrechtliche Verpflichtung gibt, die Strafvorschrift beizubehalten. Eine völkerrechtliche Verbotsnorm besteht jedoch auch nicht. Es liegt deshalb im weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers, über die Erhaltung oder Abschaffung der Strafvorschrift zu entscheiden. Der Schutz der persönlichen Ehre ist ein hohes Gut und hat auch Niederschlag in den Strafvorschriften zu finden. Trotz Wegfall von § 103 StGB wird weiterhin die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern unter Strafe stehen. Der Beleidigungstatbestand in § 185 Strafgesetzbuch schützt die Ehre eines jeden Menschen ohne Bezug zu einer Funktion. Auch die Strafverfolgungsermächtigungen ähneln sich. Korrespondierend zum Strafverlangen bei § 103 StGB ist bei der Beleidigung ein Strafantrag notwendig. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Schutzniveau für die persönliche Ehre erhalten bleibt, werde ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen können. Dr. Matthias Bartke (SPD): Die Legislatur neigt sich dem Ende zu, und die Nummern der aktuellen Drucksachen verraten uns, mit wie vielen Anträgen und Gesetzentwürfen wir uns in den vergangenen vier Jahren beschäftigt haben. Nach dieser großen Anzahl von parlamentarischen Beratungen fällt beim Gesetzentwurf zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten eine Sache in jedem Fall ganz besonders auf: die Kürze. Der Gesetzentwurf regelt, dass der § 103 StGB ersatzlos aufgehoben wird. Das ist schon alles. Doch auch wenn diese Regelung besonders kurz ist, so fehlt es ihr nicht an Bedeutung. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nicht mehr unter besonderer Strafe steht. Ich hatte bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs deutlich gemacht, dass die Vorschrift ursprünglich die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten besonders schützen sollte. Der Fall Böhmermann hat uns deutlich gezeigt, dass § 103 StGB dafür in keiner Weise geeignet ist. Im Gegenteil: Die Bundesregierung musste zur Strafverfolgung ermächtigen. Damit hat sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, Erdogans willfähriger Vollstrecker zu sein. Hätte sie sich aber gegen eine Ermächtigung entschieden, so hätte die Türkei sich beklagt, dass die Bundesregierung das türkische Staatsoberhaupt nicht vor Verunglimpfungen schützen würde. Bei der jetzigen Rechtslage gilt also: Wenn die Bundesregierung nicht ermächtigt, so droht außenpolitischer Schaden in den Beziehungen zum betroffenen Land. Wenn sie aber ermächtigt, so droht innenpolitscher Schaden, weil sie als Büttel des jeweiligen Staatschefs angesehen wird. Also: Wie sie es macht, macht sie es falsch. Es soll daher allein Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte in Deutschland sein, über die Strafwürdigkeit des Verhaltens zu urteilen. § 103 StGB war in weiten Teilen seiner Existenz geradezu bedeutungslos. Wenn er dann aber, wie im letzten Jahr, doch einmal einschlägig ist, dann überhöht er die Äußerung einer Privatperson geradezu unmäßig. Die Streichung des § 103 StGB ist deswegen nur konsequent. Meine Kolleginnen und Kollegen von der Union haben bei der Einbringung des Gesetzes, aber auch bei der Anhörung der Sachverständigen Bedenken geäußert. Sie stellen in Frage, ob die Konsequenz eine andere gewesen wäre, hätte ein Unsympath ein Staatsoberhaupt mit hohem internationalem Ansehen beleidigt. Ich sage: Das spielt keine Rolle. Vielleicht hätte uns diese Situation nicht so deutlich vor Augen geführt, dass der § 103 StGB keine Daseinsberechtigung mehr hat, so wie er uns in all den Jahren davor eben auch nicht aufgefallen ist. Das allein ist aber noch keine Begründung für die Beibehaltung. Wegen der Streichung des § 103 StGB müssen wir uns im Übrigen auch sonst keine Sorgen machen; denn es entsteht keine Strafbarkeitslücke. Die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern ist und bleibt strafbar. Es wird im Strafmaß nur eben keinen Unterschied mehr machen, ob man ausländische Politiker oder den Nachbarn von gegenüber beleidigt hat. Auf die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten drohen bisher bis zu drei Jahre Haft, bei „gewöhnlichen“ Beleidigungen nur bis zu einem Jahr. Diese Unterscheidung wird es mit der Streichung der „Majestätsbeleidigung“, wie wir den Paragrafen oft irreführend betiteln, nicht mehr geben. Wir hätten uns ein früheres Inkrafttreten gewünscht, können aber auch mit dem späteren Termin leben. Gut Ding will manchmal eben Weile haben. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Wir beraten heute abschließend vier Gesetzentwürfe zur Reform bzw. Änderung des Strafgesetzbuches bezüglich von Straftaten gegen ausländische Staaten. Alle vier treffen sich in einer zentralen Forderung: Der § 103 des Strafgesetzbuches muss weg. Auch wenn wir am Ende nur einen der vier Gesetzentwürfe annehmen werden, ist dieser „kleinste gemeinsame Nenner“ tragfähig genug, damit – zumindest war das bisher im federführenden Rechtsausschuss der Fall – alle Fraktionen dem ihre Zustimmung geben werden. Die Strafvorschrift des § 103 des Strafgesetzbuches (StGB) – Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten – bezweckt den Schutz der Ehre von ausländischen Staatsoberhäuptern, ausländischen Regierungsmitgliedern sowie beglaubigten Leitern einer ausländischen diplomatischen Vertretung. Der Strafrahmen beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Für den Ehrenschutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten erscheinen die Straftatbestände des Vierzehnten Abschnitts (Beleidigung), §§ 185 ff. Strafgesetzbuch, ausreichend. Insbesondere bedarf es zum Schutz von Organen und Vertretern ausländischer Staaten nicht des gegenüber den §§ 185 ff. StGB erhöhten Strafrahmens. Auch das Völkerrecht verpflichtet die Staaten nicht dazu, Sonderstrafnormen zugunsten von Repräsentanten ausländischer Staaten aufzustellen, wie sie § 103 StGB derzeit vorsieht. Die Vorstellung, die Repräsentanten ausländischer Staaten benötigten einen über die §§ 185 ff. StGB hinausgehenden Schutz der Ehre, erscheint nicht mehr zeitgemäß. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Schutzzweck des § 103 in der Wahrung des Interesses der Bundesrepublik an einem Mindestbestand funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten besteht, so wird dieses Anliegen bereits ausreichend durch die Beleidigungsparagrafen 185, 186 und 187 StGB sichergestellt. Dies hat auch der Deutsche Anwaltverein in seiner Stellungnahme vom Januar 2017 festgestellt. § 103 StGB ist daher entbehrlich und kann aufgehoben werden. Allerdings geht uns die Abschaffung des § 103 StGB nicht weit genug. In unserem eigenen Gesetzentwurf, Bundestagsdrucksache 18/8272, fordern wir neben der Abschaffung der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (§ 103 StGB) die Abschaffung weiterer sogenannter Sonderbeleidigungsdelikte. Dabei handelt es sich um die Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) sowie die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB). Diesen Gesetzentwurf werden Sie heute leider mit den Stimmen der Großen Koalition bedauerlicherweise ablehnen – und damit werden wieder einmal die Grenzen der Gemeinsamkeiten deutlich, die aufzeigen, dass die Große Koalition immer nur so viel macht, wie sich nicht vermeiden lässt. Politisches Gestalten sieht aber anders aus. Nur, dazu fehlt Ihnen offensichtlich sowohl der Mut als auch der Wille. Auch die Gesetzentwürfe der Grünen und des Bundesrates konzentrieren sich auf eine Streichung des § 103 StGB. Darüber hinaus fordern sie die sofortige Inkraftsetzung des Gesetzes am Tag seiner Verkündung, und nicht erst zum 1. Januar 2018. Da wir beides ebenfalls fordern, stimmen wir auch beiden Gesetzentwürfen zu. Zu den Auswirkungen des späten Inkrafttretens des Gesetzes hat sich bereits der Deutsche Anwaltverein sehr kritisch geäußert: Es sei kein Grund ersichtlich, warum gegenwärtig für vergleichbare Fälle anfänglich noch eine Strafverfolgung nach § 103 StGB statthaft sein darf. Das Gesetz sollte daher am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Diesem Standpunkt schließen wir uns vollumfänglich an. Vor diesem Hintergrund erhält allerdings die Empfehlung der Mehrheit im Rechtsausschuss, diese beiden Gesetzentwürfe abzulehnen, einen sehr schalen Beigeschmack. Wozu dieser Umgang absoluter Arroganz der Macht der Regierungsfraktionen mit der parlamentarischen Opposition und der Länderkammer, dem Bundesrat? Eine Antwort wird uns die Große Koalition wahrscheinlich schuldig bleiben. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): § 103 StGB ist ein Relikt aus der Zeit, als es noch einen deutschen Kaiser gab. Die Vorschrift geht zurück auf den Tatbestand der „Majestätsbeleidigung“. Gegenüber der Strafbestimmung für Beleidigung in § 185 StGB soll die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes oder eines Regierungsmitgliedes härter bestraft werden. Erforderlich sind allerdings das Strafverlangen der ausländischen Regierung und eine Strafverfolgungsermächtigung durch die Bundesregierung. Damit wird die Strafverfolgung zu einem Politikum. Darf die Bundesregierung einen Unterschied mach zwischen einem guten und einem bösen Präsidenten oder Minister und für den einen die Ermächtigung verweigern und für den anderen nicht? Und sind Erdogan oder Kim Jong Un nun böse und Trump oder May nicht? Jedenfalls sind vor dem Gesetz sind nicht mehr alle gleich. Die Anwendung von § 103 StGB, der die diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern schützen soll, hat immer wieder zu diplomatischen Krisen geführt. Bereits in den 60er-Jahren sorgte der § 103 StGB als „Schah-Paragraf“ für Ärger, weil sich der Schah von Persien für sich und seine Gattin Soraya darauf berief. Er fühlte sich von deutschen Studenten beleidigt. Die damalige Bundesregierung war derart unter Druck geraten, dass der Bundesinnenminister nach Teheran reisen musste, um den Schah dazu zu bringen, von dem Strafverlangen abzusehen. Zu welchen erheblichen Problemen der Tatbestand insgesamt führen kann, zeigte jüngst wieder der Fall Böhmermann/Erdogan: Die Kanzlerin setzte die Strafverfolgungsermächtigung gegen die Ablehnung der SPD-Regierungsmitglieder durch. Sie dürfte sich kaum gewundert haben, dass diese Entscheidung angesichts des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals und ihrer voreiligen Bewertung des Böhmermann-Schmähgedichts als Einknicken vor den Befindlichkeiten Erdogans erschien. Politische Überlegungen, wie die „Herumeierei“ der Kanzlerin vor der Stimmungslage dieser „Majestät“, dürfen grundsätzlich kein Maßstab der Strafverfolgung sein. Die Grünen hatten deshalb die sofortige Aufhebung dieses Paragrafen gefordert. Das Völkerrecht steht seiner Streichung nicht entgegen, und es gibt keinen guten Grund, warum die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter schwerwiegender sein soll als die von anderen Bürgerinnen und Bürgern. Unser damaliger Gesetzesantrag steht heute auch zur Abstimmung. Offensichtlich genervt hatte die Kanzlerin damals versucht, sich anschließend an die Spitze der Bewegung zu setzen, und auch die Abschaffung gefordert. Das haben wir sofort begrüßt. Allerdings hatte der Kanzlerinvorschlag einen Schönheitsfehler. Inkrafttreten sollte die Abschaffung nicht sofort mit der Gesetzesänderung, sondern erst viel später, am 1. Januar 2018. Offensichtlich wollte sie Erdogan nicht noch verärgern und den von diesem angestrengten Prozess erst noch weiterlaufen lassen. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt. Also viel Getöse für nichts. Nun stellt die Bundesregierung ihren damals hastig nachgeschobenen Gesetzentwurf mit dem Datum des Inkrafttretens zum 1. Januar 2018 zur Abstimmung. Sie hätte auch einfach für unseren früheren Entwurf stimmen können. Aber das tut man nicht im Deutschen Bundestag, als hätten Oppositionsanträge einen schlechten Geruch. Das von der Bundesregierung gewollte Inkrafttreten zum 1. Januar 2018 ist unsinnig und nicht praktikabel. Das betont auch der Bundesrat in seiner einzeiligen Stellungnahme, in der nur steht, es bestehe kein sachlicher Grund, den Wegfall der Norm hinauszuzögern. Die Große Koalition hält aber weiter am 1. Januar 2018 fest. Das ist dumm und uneinsichtig. Was sollte denn ein Staatsanwalt oder ein Gericht noch tun, wenn jetzt noch eine Anzeige mit Strafverlangen von Herrn Erdogan oder einem anderen ausländischen Staatsoberhaupt eingehen? Das Verfahren müsste am 1. Januar 2018 – sicher vor der Rechtskraft – eingestellt werden, weil das Gesetz nicht mehr da ist. Alle, Staatsanwälte, Gerichte und auch die Bundesregierung, die über die Ermächtigung entscheiden müsste, hätten viel Arbeit und Lärm für nichts. Also, lassen Sie den Unsinn. Stimmen Sie ganz einfach für unseren Gesetzentwurf, dann wird alles gut. Ausländische Staatsoberhäupter können sich, wenn sie sich hier beleidigt fühlen, einreihen in die Schlange aller anderen Rechtssuchenden in Deutschland. Dann wird das Gericht entscheiden. So soll es sein, wenn alle vor dem Strafgesetz gleich sind. Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Tagesordnungspunkt 30) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches überführen wir die europarechtlichen Vorgaben aus dem Rahmenbeschluss 2008/841/JI in das nationale Recht. In den Bereichen, in denen durch die europäischen Vorgaben Anpassungsbedarf bestand, wurden die notwendigen Veränderungen vorgenommen. Der Rahmenbeschluss ist im Wesentlichen bereits schon durch den bestehenden § 129 StGB umgesetzt. Allerdings ist der Begriff der Vereinigung nach § 129 StGB in der Ausformung, die er durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfahren hat, enger als die Definition der Vereinigung in Artikel 1 des Rahmenbeschlusses. Deswegen wird eine Angleichung der Definitionen als auch der Straftaten vorgenommen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung begangen werden. Hierdurch wird die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen sowie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit erleichtert. Der Entwurf sieht insoweit vor, den Begriff der Vereinigung in § 129 Absatz 2 StGB-E legal zu definieren als einen auf längere Dauer angelegten, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängigen organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses. Der Begriff ist folglich durch ein personelles, zeitliches, organisatorisches sowie voluntatives Element charakterisiert. Durch diese ausdrückliche gesetzliche Festlegung, wonach es also weder einer förmlichen Festlegung von Rollen für ihre Mitglieder noch der Kontinuität ihrer Mitgliedschaft noch einer bestimmten Ausprägung ihrer Struktur bedarf, unterscheidet sich die Vereinigung im Sinne des § 129 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 StGB-E von der Vereinigung in der Auslegung durch die derzeitige Rechtsprechung. Diese versteht unter einer Vereinigung einen auf gewisse Dauer angelegten organisatorischen Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen. Dies erfordert ein Mindestmaß an fester Organisation mit gegenseitiger Verpflichtung der Mitglieder sowie eine verbindlichen Gemeinschaftswillen, der unter Einbindung der einzelnen Mitglieder nach verbindlichen Regeln entstanden sein muss. Dies lässt deutlich erkennen, dass der Begriff der Vereinigung nach § 129 StGB in der Ausformung, die er durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfahren hat, enger ist. Diese restriktive Definition schließt hierarchische Zusammenschlüsse mit bloßer Durchsetzung eines autoritären Anführerwillens mangels Gruppenidentität aus dem Tatbestand des § 129 StGB aus. Doch gerade bei mafiaähnlichen Strukturen, die intensiv die Abschottung nach innen und außen betreiben, besteht ein Problem, den von der Rechtsprechung geforderten gemeinsamen Täterwillen zur Begehung konkreter Straftaten nachzuweisen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die bloße lose Übereinkunft von mindestens zwei Personen genügt. Es ist ausreichend, wenn der Zusammenschluss ein Mindestmaß längerfristiger instrumenteller Vorausplanung und Koordinierung sowie eine irgendwie geartete regelhafte Willensbildung aufweist. Dies stimmt auch mit dem Rahmenbeschluss überein, welcher Zusammenschlüsse aus dem Tatbestand ausscheidet, die sich zufällig zur unmittelbaren Begehung einer Straftat bilden. Auch eine Abgrenzung zum Begriff der Bande wird hierbei gewährleistet, indem eine möglicherweise nur rudimentäre Organisationsstruktur und die Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses zu fordern sind. Im Bereich politisch motivierter Kriminalität liegt dieses übergeordnete gemeinsame Interesse in der von den Mitgliedern der Vereinigung geteilten politischen Überzeugung und der Verfolgung politischer Ziele, denen die Begehung der einzelnen Straftaten dient. Zur Vermeidung einer zu weit gehenden Vorfeldstrafbarkeit sieht der Entwurf vor, als Bezugstaten nur Straftaten einzubeziehen, die im Höchstmaß mindestens mit Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht sind. Damit wird von der vom Rahmenbeschluss eröffneten Möglichkeit der Einschränkung nach der Schwere der in Aussicht genommenen Straftaten Gebrauch gemacht. Aus dem Schutzzweck der Norm, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Bedeutung von § 129 StGB als Katalogtat für bestimmte strafprozessuale Möglichkeiten folgt darüber hinaus, dass die von der Vereinigung geplanten oder begangenen Straftaten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Gesichtspunkt von einigem Gewicht sein müssen. Weiterhin wird bei den Strafandrohungen des § 129 Absatz 1 StGB-E zwischen Gründung und Mitgliedschaft einerseits und der Werbung und der Unterstützung andererseits differenziert. Die Erweiterung des Vereinigungsbegriffs wirkt sich auch auf § 129a StGB aus. Nach § 129 Absatz 1 Satz 2 StGB-E werden Personen, die für eine kriminelle Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer werben oder sie unterstützen, entsprechend dem Gewicht ihres Tatbeitrages mit geringerer Strafe – das heißt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe – bedroht werden als Personen, die eine kriminelle Vereinigung gründen oder ihr als Mitglied angehören. In § 129 Absatz 1 Satz 1 StGB-E wird die Gründung einer kriminellen Vereinigung und die Mitgliedschaft in einer solchen wie bisher mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität sind vielgestaltig. Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen finden sich auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander. Organisierte Kriminalität zeigt sich nicht nur im Bereich des internationalen Rauschgifthandels und des Rauschgiftschmuggels, sondern in zahlreichen Kriminalitätsbereichen wie Waffenhandel, Falschgeldverbreitung, Glücksspiel, Prostitution und Menschenhandel. Darüber hinaus gewinnen die Deliktfelder Cybercrime und Schleusenkriminalität immer weiter an Bedeutung. Ursache hierfür ist die zunehmende Bedeutung des Internets und der digitalen Welt. Insbesondere im sogenannten Darknet werden kriminelle Marktplätze betrieben, in denen illegale Waren und Dienstleistungen gekauft oder verkauft werden können. Es existiert ein funktionierender internationaler Markt, auf dem Angriffswerkzeuge, Erkenntnisse über Schwachstellen in Betriebssystemen oder Schadsoftware eingekauft oder als Dienstleistung in Auftrag gegeben werden können. Derartige Kriminalität stellt nicht nur eine Bedrohung für den jeweils betroffenen Bürger oder des jeweils betroffenen Rechtsguts der Allgemeinheit dar, sondern es besteht darüber hinaus die wachsende Gefahr der Unterwanderung und Korrumpierung staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen. Folglich ist rechtspolitisches Ziel die Schaffung einer gesetzlichen Maßnahme, welche die organisierte Kriminalität besser bekämpfen kann – auch in der digitalen Welt. Dieser Gesetzesentwurf stellt folglich ein probates Mittel dar, die Auslegung des § 129 StGB an dem wirklichkeitsnahen Bild hierarchisch strukturierter Organisationen zu orientieren. Der Rahmenbeschluss wird folglich effektiv in das nationale Recht umgesetzt. Dabei wird ein guter Ausgleich zwischen den europäischen Verpflichtungen einerseits und nationalen Anforderungen des Strafrechts andererseits geschaffen. Für uns als Union ist die innere Sicherheit von überragender Bedeutung, weswegen wir bis zum letzten Tag der Legislaturperiode alles tun, um unsere Bürgerinnen und Bürger noch besser zu schützen. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Mit der heutigen Debatte bringen wir das Gesetzesvorhaben zur Strafbarkeit der Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen zum Abschluss. Mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union werden die europarechtlichen Vorgaben im nationalen Recht nachvollzogen und eine Verbesserung bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eintreten. Die Bildung einer kriminellen Vereinigung ist nach dem deutschen Strafrecht strafbar, für terroristische Vereinigungen im In- und Ausland werden Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr angedroht. Das Strafbedürfnis erfolgt bereits aus der Tatsache, dass kriminelle Organisationsformen schon selbstständig eine Bedrohung für die kollektiven Rechtsgüter unserer Gemeinschaft darstellen, auch wenn durch solche Vereinigungen Individualrechtsgüter noch nicht direkt betroffen sind. In jedem Falle bedrohen kriminelle und terroristische Organisationsformen sowohl die öffentliche Sicherheit als auch die staatliche Ordnung. Das Strafrecht gibt hierauf eine Antwort und sieht Maßnahmen vor, insbesondere vor dem Hintergrund der latenten Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Durch den Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 24. Oktober 2008 und die dort getroffene Definition der kriminellen Vereinigung gab es allerdings noch gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Leider war es der Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht möglich, eine Auslegung des Vereinigungsbegriffs, die mit dem Europarecht konform ist, zu schaffen. Dies scheiterte nicht am Wortlaut der Strafvorschrift, sondern vielmehr am fehlenden Willen der Rechtsprechung, die neuen Rahmenbedingungen europarechtskonform auszulegen, was durchaus zu bedauern ist. Aus diesem Grund war der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen. Der vorliegende Gesetzentwurf genügt nun den europarechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Legaldefinition der kriminellen Vereinigung: Die Gruppenidentität, die bisher für den Tatbestand erforderlich war, wurde – trotz vielfacher Kritik – aufgegeben. Bisher mussten sich die Mitglieder als einheitlicher Verband definieren. Mit der Neuanpassung treten nun die Organisationsstruktur, die Vorausplanung und die Koordinierung in den Vordergrund der Strafbarkeit. Zusätzlich bringt die Neuregelung mit sich, dass Zusammenschlüsse unter einem autoritären Anführerwillen als kriminelle Vereinigungen definiert werden. Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Rechtssicherheit. Er ermöglicht eine verbindliche Auslegungsregel für die Justiz und stellt durch die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben eine Angleichung der Strafvorschriften her. Dies ist besonders wichtig, da hierdurch in jedem Staat der Europäischen Union die Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung mit den gleichen Strafen geahndet wird, was die europaweite Sicherheit erhöht und die Rechtsprechung harmonisiert. Neben den positiven Folgen, die, wie angesprochen, nicht nur der deutschen, sondern der EU-weiten Rechtsprechung dienlich sind, enthält der Gesetzentwurf einen kritischen Punkt, den die Union gerne gestrichen gesehen hätte. Künftig wird der Strafrahmen für die Werbung und Unterstützung der kriminellen Vereinigung auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe abgesenkt. Ziel des Gesetzentwurfs kann es nicht sein, Straftätern künftig einen Rabatt für die Werbung und Unterstützung von kriminellen Vereinigungen zu geben. Die Union setzt sich für eine effektive Bekämpfung der Kriminalität ein. Die Absenkung von Strafrahmen im Bereich der organisierten Kriminalität ist nicht unser Anliegen und setzt ein falsches Zeichen. Wir hätten eine Änderung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren sehr begrüßt. Insgesamt ist jedoch zu sagen, dass mit dem Gesetzesentwurf nicht nur dem Rahmenbeschluss der Europäischen Union Genüge getan wurde, sondern es konnten auch weitere wichtige Maßnahmen für die deutsche Rechtsprechung durch den Gesetzgeber getroffen werden. Das Gesetz ist somit als Erfolg im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu werten. Bettina Bähr-Losse (SPD): Wir müssen die organisierte Kriminalität mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute hier beschließen, wollen wir die Strafvorschrift des § 129 Strafgesetzbuch, den Straftatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen, an die Vorgaben des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität anpassen. § 129 StGB stellte bislang die Gründung, Mitgliedschaft, Mitgliederwerbung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung unter Strafe. Es handelt sich hier um eine Strafbarkeit im Vorfeld des Versuchs, eine sogenannte Vorfeldstrafbarkeit. Grund für die Schaffung der Strafnorm war, dass man den Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung häufig nicht die Begehung konkreter Taten beweisen kann. Der Rahmenbeschluss vom 24. Oktober 2008 des Rates zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität wurde also bereits fast vollständig durch § 129 StGB umgesetzt. Was der § 129 StGB aber in der bisherigen Form noch nicht möglich macht, ist die Verurteilung mafiaähnlicher Organisationen. Bisher unterfallen hierarchisch organisierte Gruppen, deren Mitglieder sich einem autoritären Führungswillen unterwerfen, mangels „Gruppenidentität“ nicht dem Tatbestand. Auf die Lücke in der Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses machte ein vom Bundesgerichtshof entschiedener Fall aufmerksam, den ich Ihnen kurz veranschaulichen möchte: Im März 2006 gründete sich eine rechtsnationalistische Kameradschaft. Auf einer Gründungsversammlung mit 30 bis 50 anwesenden Personen einigte man sich auf den Namen „Kameradschaft Sturm 34“. Der Vorschlag, eine förmliche Mitgliederliste anzulegen, wurde nicht umgesetzt, weil man eine solche Liste im Falle polizeilicher Ermittlungen für nachteilig hielt. Nach Gründung der „Kameradschaft Sturm 34“ kam es bei mehreren Gelegenheiten zu von Kameradschaftsmitgliedern initiierten Schlägereien, bei denen zahlreiche Personen – teilweise erheblich – verletzt wurden. Im Revisionsverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Dresden, das die Voraussetzungen für eine kriminelle „Vereinigung“ nicht gegeben sah, setzte sich der 3. Strafsenat des BGH mit der Frage auseinander, ob die „Kameradschaft Sturm 34“ als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB einzustufen und die Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung hieran zu verurteilen seien. Der 3. Strafsenat des BGH lehnte es aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ab, den Vereinigungsbegriff ohne entsprechende gesetzliche Regelung weiter als bisher zu interpretieren und forderte eine Regelung durch den Gesetzgeber. Dieser Forderung kommen wir nun nach. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht nun vor, ins Strafgesetzbuch eine Legaldefinition des Vereinigungsbegriffs aufzunehmen, die sich eng an den europäischen Vorgaben orientiert. Vorgesehen sind erstens eine Absenkung der Anforderung an Organisationsstruktur und Willensbildung, also eine Erweiterung des Vereinsbegriffes wie folgt: „ein auf … Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.“ Zweitens ist eine Anwendung nur bei Straftaten vorgesehen, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. An dieser Stelle erfolgt das Korrektiv auf der Ebene der Straftaten, weil wegen der Absenkung der Anforderung an die Organisationsstruktur mit einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs zu rechnen ist, wir aber nicht jede beliebige Straftat einbezogen sehen wollen. Drittens ist eine Unterscheidung bei der Strafandrohung vorgesehen: Im nun vorliegenden Gesetz wird bei der Strafandrohung zwischen Gründung/Mitgliedschaft und Werbung/Unterstützung unterschieden. Gründung und Mitgliedschaft werden dabei, wie bisher, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet. Werbung und Unterstützung werden hingegen nun noch mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Bisher konnte die Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre betragen. Zwischenzeitlich kam vonseiten unseres Koalitionspartners die Diskussion eines einheitlichen Strafrahmens mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren für Gründung, Mitgliedschaft, Mitgliederwerbung und Unterstützung auf. Die Begründung war, dass für einen aktiven Unterstützer der gleiche Strafrahmen gelten sollte wie für ein passives Mitglied. Die zwischenzeitlich von der Union vorgetragene Begründung trägt nach Auffassung der SPD Bundestagsfraktion nicht. Das „passive Mitglied“ gibt es strafrechtlich gar nicht. Es handelt sich bei der kriminellen Vereinigung ja nicht um einen eingetragenen Verein, dessen Mitgliedschaft man durch förmliche Beitrittserklärung erwirbt und danach in Passivität verharrt. Die Beteiligung als Mitglied setzt im Gegenteil voraus, dass der Betreffende sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Organisation entfaltet. Auszugehen ist vom typischen Gründer und typischen Unterstützer. Veranschaulicht am Beispiel einer terroristischen Vereinigung: Es war strafrechtlich anders zu bewerten, dass Andreas Baader die RAF gegründet hat, als dass jemand Andreas Baader bei sich hat übernachten lassen. Die kriminelle Energie ist bei Gründung/Mitgliedschaft höher als bei Mitgliederwerbung/Unterstützung. Die Tathandlungen sind von unterschiedlichem Unrechtsgehalt. Der aktiven Unterstützung kann der Strafrichter dadurch Rechnung tragen, dass sich der konkrete Strafausspruch am oberen Rand des Strafrahmens bewegt. Die SPD-Fraktion hat sich an dieser Stelle mit der Unterscheidung zwischen Gründung/Mitgliedschaft und Mitgliederwerbung/Unterstützung in § 129 StGB mit unterschiedlichen Strafrahmen durchgesetzt. Es ist richtig und wichtig, unsere Gesetze regelmäßig zu überdenken, zu überprüfen und, wenn nötig, auch Strafrahmenverschärfungen vorzunehmen. Der Annahme, dass durch pauschalisierende Verschärfungen unserer Gesetze ein Mehr an Sicherheit erreicht wird, wiederspreche ich jedoch ausdrücklich. Auch wenn die Änderungen an den §§ 129 ff. Strafgesetzbuch überschaubar sind, so wird insbesondere die Erweiterung des Vereinigungsbegriffs dazu führen, dass Erscheinungsformen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität zukünftig strafrechtlich besser erfasst werden können. Ich bitte daher, diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu unterstützen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll einem Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom Jahr 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität nachgekommen werden. Dafür soll der bestehende § 129 Strafgesetzbuch über die Bildung einer kriminellen Vereinigung angepasst werden. Schon der Name des § 129 ist eine Mogelpackung. Denn es handelt sich mitnichten um einen Paragrafen zur Bekämpfung krimineller Vereinigungen wie der Mafia. Vielmehr haben wir es in erster Linie mit einem Verfolgungsinstrument gegen eine radikale politische Opposition zu tun, das den Ermittlungsbehörden zahlreiche Sondervollmachten im Bereich Telekommunikationsüberwachung, Verwanzung von Wohnungen und dem Einsatz verdeckter Ermittler einräumt. Von 1871 bis 1945 richtete sich der § 129 StGB noch gegen eine „staatsfeindliche Verbindung“ – die politische Stoßrichtung wurde schon im Namen deutlich. Verfolgt wurden damit unter Bismarck die Sozialdemokratie und nach dem Ersten Weltkrieg die KPD. In den 1950er-Jahren sahen sich die erst wenige Jahre zuvor aus den KZs der Nazidiktatur freigekommenen Kommunisten in der Bundesrepublik wieder mit dem § 129 konfrontiert. Doch diesmal wurde ihnen durch die Neubenennung des Paragrafen nicht einmal mehr ein politisches Ziel zugebilligt, vielmehr wurden sie kurzerhand zu Kriminellen erklärt. Aktuelle Zahlen liegen leider keine vor. Aber für die Zeitspanne von 1990 bis 2008 hatte ich einmal eine Kleine Anfrage gestellt. Und siehe da: Kein einziges der während dieser 18 Jahre geführten insgesamt 108 Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB richtete sich gegen die organisierte Kriminalität. Dagegen wurde allein 100 Verfahren gegen die kurdische PKK geführt. Der Grund dafür ist der bislang geltende Vereinigungsbegriff, der einen Gruppenwillen, voraussetzte, dem sich die Handlungen des einzelnen Mitgliedes unterordnen. So funktionieren zwar manche politische Vereinigungen. Doch kriminelle Zusammenschlüsse sind in der Regel anders strukturiert. Sie werden von einem autoritären Boss oder Paten geführt und haben kein übergeordnetes Ziel – von der Raffgier der Beteiligten einmal abgesehen. Mit der nun zur Abstimmung stehenden Änderung des § 129 sollen Gruppierungen unabhängig von ihrer Organisationsstruktur erfasst werden. Damit ließe sich dieser Paragraf zwar tatsächlich auch gegen die meisten Vereinigungen der organisierten Kriminalität anwenden. Doch weiterhin bleibt die rechtliche Problematik bestehen, dass mit diesem Paragrafen nicht konkrete Straftaten kriminalisiert werden, sondern bereits die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung zur vermeintlichen Begehung von Straftaten. Schon der bloße Zusammenschluss ist strafbar, auch wenn noch niemand durch eine konkrete Tat geschädigt wurde. Wir haben es hier also mit einer regelrechten Gesinnungsjustiz zu tun. Und diese Vorfeldstrafbarkeit lange vor der eigentlichen Tat wird nun auch noch auf alle möglichen nicht hierarchischen Gruppierungen ausgeweitet. Eine solche Gummiverordnung öffnet der Justizwillkür bei der Verfolgung und Ausforschung unliebsamer Oppositionsmilieus – von Atomkraftgegnern bis zu Globalisierungskritikern – Tür und Tor. Dies ist umso mehr zu befürchten, als sich die Bundesregierung der vom EU-Rahmenbeschluss vorgegebenen Eingrenzung des Begriffs der kriminellen Vereinigung auf einen Zusammenschluss mit dem Ziel, „sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen Vorteil zu verschaffen“, verweigert. Denn durch eine solche Einschränkung – und das wird in der Gesetzesbegründung offen eingestanden – würden die Möglichkeiten der Wohnraumüberwachung bei anderen bislang unter den § 129 Strafgesetzbuch fallenden Straftaten weggefallen. Umgekehrt müssten bei Übernahme der Definition aus dem Rahmenbeschluss auch auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche angelegte Finanzinstitute nach § 129 angeklagt werden – oder Manager von Automobilkonzernen, die sich zu dem betrügerischen Zweck zusammengeschlossen haben, Hunderttausende fälschlich als abgasarm deklarierte Autos unter das Volk zu bringen. Im Klartext: Die Bundesregierung will einerseits die White Collar Hooligans in den Chefetagen schonen und andererseits ihren Schnüffelparagrafen mit seinen zahlreichen Sondervollmachten nicht aus der Hand geben. Die Linke würde es sehr begrüßen, wenn tatsächlich gegen die organisierte Kriminalität vorgegangen würde. Schon jetzt gibt es dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Doch allzu oft fehlt der nötige Wille, insbesondere bei der Verfolgung auch der Kriminellen in Nadelstreifen. Einer Ausweitung des § 129 und damit auch seines großen Bruders, des berüchtigten 129a gegen terroristische Vereinigungen, kann die Linke aber nicht zustimmen. Wir fordern vielmehr die Abschaffung dieser Gesinnungs- und Ausforschungsparagrafen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität entspricht bei uns heute schon der Gesetzeslage. Lediglich der Begriff der Vereinigung in § 129 StGB soll etwas weiter gefasst und eine Legaldefinition dieses Begriffs aufgenommen werden. Darüber hinaus unterscheidet der Gesetzentwurf bei den Strafandrohungen des § 129 StGB zwischen der Gründung und der Mitgliedschaft mit Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren einerseits und der Unterstützung bzw. Werbung um Unterstützer und Mitglieder andererseits bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Das bedeutet, dass nun abgestufte Strafdrohungen für die Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung einerseits und die Unterstützung und Werbung für eine solche andererseits gelten. Dieser Vorschlag ist besser als das geltende Recht. Der Bundesrat hat ebenfalls keine Einwände gegen dieses Umsetzungsgesetz. Er empfiehlt lediglich zur besseren Verständlichkeit der Legaldefinition des Begriffs „Vereinigung“ in § 129 Absatz 2 StGB-E, die Regelung in zwei Sätze aufzuteilen. Im ersten Satz sollen die grundlegenden Erfordernisse einer Vereinigung bestimmt und im zweiten Satz dann die Umstände gelistet werden, die der Annahme einer Vereinigung nicht entgegenstehen. Der Vorschlag trägt zur besseren Verständlichkeit bei. Die Vorschrift des § 129 StGB „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ist und bleibt problematisch. Es besteht die Gefahr, dass er politisch instrumentalisiert wird. So wurden Teilnehmer der Kundgebung gegen den Naziaufmarsch in Dresden im Februar 2010 aufgrund dieser Vorschrift verfolgt. Bereits im Vorfeld der Gegendemonstrationen hatte die sächsische Polizei verlangt, die Internetadresse für die bundesweiten Proteste gegen den Naziaufmarsch abzuschalten. Außerdem ließ die sächsische Polizei und Justiz Aufrufplakate der Gegendemonstranten beschlagnahmen. Mit Sitzblockaden verhinderten dann am 13. Februar 2010 Zehntausende den Aufmarsch der Neonazis. Im Frühjahr 2010 wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. § 129 StGB eröffnet den Ermittlungsbehörden eine Vielzahl von weitreichenden Ermittlungsbefugnissen, zum Beispiel Telekommunikationsüberwachung, Observationen, den Einsatz verdeckter Ermittler usw. Dafür braucht es dann keine weitere verwirklichte Straftat, der Vereinigungstatverdacht reicht aus. Schon deshalb ist Vorsicht und Zurückhaltung geboten, wenn es um Änderungen und Neuformulierung des § 129 StGB geht – der insbesondere in Sachsen in den letzten Jahren häufig als „Allzweckwaffe“ von Teilen der Justiz gegen unliebsame linke Strukturen missbraucht wurde. In den 70er-Jahren wurde die Anwendung der Strafvorschrift heftig kritisiert, weil sie immer in Ermittlungsverfahren eingesetzt wurde, um strafprozessuale Zwangsmaßnahmen durchzuführen von Durchsuchungen über Telefonüberwachung bis hin zu langjähriger Untersuchungshaft, ohne dass es dann später zu einer Anklage oder Verurteilung nach dieser Vorschrift kam. Wenn überhaupt angeklagt und verurteilt wurde, dann nach ganz anderen Strafvorschriften. Das ist nicht neu. § 129 StGB geht über das Preußische Strafgesetzbuch bis ins Reichsstrafgesetzbuch zurück und war Mittel zur Verfolgung liberaler und demokratischer Tendenzen. Er war Teil der Prozesse gegen bekannte Vertreter der Deutschen Arbeiterbewegung wie August Bebel und befeuerte die Verfolgung der Sozialdemokratie und später anderer Vereinigungen. Auch das 20. Jahrhundert überdauerte der § 129 StGB und wurde durch Änderungen immer wieder dem aktuellen politisch-gesellschaftlichen Umständen angeglichen und erweitert. Ob und wie sich die vorgelegten Änderungen in der Praxis der Rechtsprechung merklich auswirken, bleibt abzuwarten. Mehr Klarheit bringt die Legaldefinition jedenfalls. Das Grundproblem der §§ 129 f. StGB, immer wieder auch als politische Norm missbraucht zu werden, bleibt trotzdem weiter bestehen und mahnt zur Wachsamkeit. Wichtig scheint mir, dass das allgemeine Werben für eine kriminelle Vereinigung, entgegen mancher Forderung in der Öffentlichkeit, nicht in die Neuformulierung der Strafvorschrift § 129 StGB aufgenommen wurde. Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) Daniela Ludwig (CDU/CSU): Die Reisebranche in Deutschland steht – wie jede andere Branche auch – in einem harten Wettbewerb. Insbesondere neue Vertriebswege wie der Onlinehandel und eine sich stetig weiterentwickelnde Angebotspalette erfordern eine regelmäßige Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Dies gilt im deutschen Binnenmarkt ebenso wie für den grenzüberschreitenden Reisevertrieb. Die EU hat mit der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie einen Vorschlag vorgelegt, um einheitliche Mindeststandards festzulegen. Das führt, wie die Debatten in den vergangenen Monaten gezeigt haben, zu der einen oder anderen Herausforderung, der wir uns in der Umsetzung gestellt haben. Ein Problem für den deutschen Markt war ganz unbestritten die besondere Struktur, die wir im Vergleich zu anderen Ländern haben. Unser Markt ist geprägt von mittelständischen, meist familiengeführten Reisebüros. Der übrige europäische Reisemarkt kennt diese Struktur so nicht und ist mehrheitlich vom Direktvertrieb durch die Reiseveranstalter geprägt. An der in Europa vorherrschenden Struktur hat sich die Richtlinie orientiert. Den Unmut, den dies in Deutschland mit sich gebracht hat, kann ich durchaus nachvollziehen, er war größtenteils auch berechtigt. In der Umsetzung haben wir uns bemüht, deutsche Besonderheiten zu berücksichtigen und die Richtlinie für die Praxis anwendbar zu gestalten. Unter anderem war es erforderlich, die Definition der Pauschalreise klarer zu formulieren und zu verdeutlichen, dass beispielsweise nicht jede beliebige Kombination von Leistungen auch gleich eine Pauschalreise darstellt und damit die umfangreichen Beratungs- und Haftungsregeln gelten. Darüber hinaus wurde bei den unselbstständigen Reiseleistungen klargestellt, dass die Kombination einer Reiseleistung mit einer anderen Reiseleistung dann keine Pauschalreise darstellt, wenn eine der beiden Leistungen „wesensmäßig Bestandteil“ der anderen ist. Diese Änderungen reduzieren bereits den Anwendungsbereich der Richtlinie für eine Vielzahl von Verträgen. Die Reisebüros in unserem Land leisten eine qualitativ hochwertige Arbeit. Sie sind Ansprechpartner für die Reisenden und beispielhaft für eine gute und zuverlässige Dienstleistungskultur. Diese gilt es zu erhalten und auch unter veränderten Rahmenbedingungen bekannte und bewährte Abläufe beizubehalten. Daher war ein ganz entscheidender Punkt der Bezahlvorgang im Reisebüro. Laut Richtlinienentwurf sollte bei der Vermittlung verbundener Reiseleistungen, beispielsweise der Buchung von Flug, Hotel und Mietwagen, jede einzelne Leistung separat gebucht, separat abgerechnet und separat bezahlt werden. Dieses Vorgehen wäre weder dem Kunden noch dem Reisebüro vermittelbar gewesen. Daher haben wir diese Passage im Umsetzungsgesetz geändert. Die bewährte Praxis der Gesamtabrechnung bleibt damit erhalten. Zu erheblichen Diskussionen hat die Möglichkeit der einseitigen Preisanhebung um 8 Prozent durch den Veranstalter vor Beginn der Reise geführt. Bisher war lediglich eine Preisanhebung um 5 Prozent möglich. Der Preis der Pauschalreise darf erhöht werden, wenn sich bestimmte Kosten (zum Beispiel Treibstoffpreise) erhöhen und wenn dies im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Erst wenn die Preiserhöhung 8 Prozent des Pauschalreisepreises übersteigt, kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten. Wenn sich ein Reiseveranstalter das Recht auf eine Preiserhöhung vorbehält, hat der Reisende aber auch das Recht auf eine Preissenkung, wenn die entsprechenden Kosten sich verringern. Diese Möglichkeit der Preisanhebung war in Europa sehr unterschiedlich geregelt. Die jetzt angedachten 8 Prozent gelten damit europaweit einheitlich. Nicht in den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes fallen Reiseeinzelleistungen wie die Vermietung von Ferienhäusern. Die Richtlinie sieht dies auch nicht vor. Die Einbeziehung von Reiseeinzelleistungen stünde der angestrebten Rechtsvereinheitlichung entgegen und könnte im internationalen Wettbewerb zu Nachteilen für die deutschen Unternehmer führen. Um die deutsche Reisebranche nicht zu benachteiligen, wurde entschieden, Reiseeinzelleistungen nicht in das Umsetzungsgesetz aufzunehmen. Für Reisende entsteht jedoch kein rechtsfreier Raum. Auch künftig werden bei Buchung eines Ferienhauses Verträge zwischen den jeweiligen Anbietern und den Kunden bestehen, sodass im Fall von Mängeln Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können. In der EU-Richtlinie ebenfalls nicht vorgesehen ist die Einbeziehung von Tagesreisen, aus unserer Sicht auch zu Recht. Tagesreisen haben vorwiegend einen Ausflugscharakter und sind nicht zwingend mit einer wesentlichen Ortsveränderung verbunden. Es besteht für diese daher nicht die mit einer Pauschalreise vergleichbare Schutzbedürftigkeit der Reisenden. Aus diesem Grund wurden nur Tagesreisen ab einem Wert von 500 Euro dem Schutz des Gesetzes unterstellt, weil in dieser Größenordnung auch eine Gleichwertigkeit mit anderen Reiseprodukten, die unter die Richtlinie fallen, gegeben ist. Fragen des Verbraucherschutzes haben einen breiten Raum in der Debatte eingenommen. Es gibt unbestritten gute Argumente, einen umfassenderen Verbraucherschutz festzuschreiben. Auf der anderen Seite würde dies aber auch ein Mehr an Beratungs- und Informationspflichten mit sich bringen. Unter Abwägung aller Interessen haben wir uns für den jetzt gefundenen Weg entschieden und nicht einseitig nur die Interessen der Reisebranche oder nur die Interessen der Verbraucher berücksichtigt. Auf die Reisebüros selbst kommen unbestritten neue Beratungs- und Dokumentationspflichten zu. Je nachdem welches Produkt der Reisende kauft, gelten produktbezogene Informationspflichten. Hinzu kommen Schulungskosten für Mitarbeiter. Der Umstellungsaufwand im Hinblick auf die neuen Formulare und die notwendige Anpassung von Onlineangeboten ist ebenfalls zu beachten. Allerdings hat das Reisebüro so auch die Möglichkeit, im Streitfall nachzuweisen, dass der Kunde umfassend über seine Rechte informiert worden ist. Insgesamt bedeutet dies ein Mehr an Rechtssicherheit. Bei aller berechtigten Kritik an der Richtlinie gibt es einen entscheidenden Vorteil. Es gelten innerhalb der Europäischen Union die gleichen Regeln für stationäre Anbieter wie für Onlineanbieter. Mit der jetzt erfolgten Umsetzung wird allen Betroffenen ausreichend Zeit geben, sich rechtzeitig auf die geänderten Bedingungen ab dem kommenden Jahr einzustellen, und wir werden genau beobachten, welche Veränderungen mit der neuen gesetzlichen Regelung einhergehen und diese in die dann ebenfalls anstehende Evaluierung einbringen. Kathrin Rösel (CDU/CSU): Wir Deutschen sind ein reisefreudiges Volk. Die Lust am Verreisen ist nicht nur ungebrochen, sondern steigt immer mehr. Gern buchen wir diese Reisen zunehmend im Internet. Das ist bequem, geht schnell und ist, wenn ich keinen Wert auf eine umfassende und qualifizierte Beratung lege, ein guter Weg. Dieser Markt nimmt rasant zu, und es ist richtig, wenn hier durch neue rechtliche Regelungen die Nutzer besser geschützt werden. Aber es geht eben auch anders. Gerade mein Wahlkreis in der wunderschönen Lüneburger Heide profitiert von dem neuen Trend, sich nicht in ein Flugzeug zu setzen, sondern den Urlaub hier in Deutschland zu verbringen. Daneben werden auch die Auslandsreisen zunehmend individuell geplant und aus einzelnen Bausteinen zusammengesetzt. Bei der Planung dieser Urlaubsformen wird dann nicht das Internet zurate gezogen, sondern man vertraut da gern der Kompetenz der Reisebüros oder greift auf die Dienstleistungen der Tourismusinformationsbüros zurück. Die Strukturen hier in Deutschland sind – was die Existenz von unabhängigen mittelständischen Reisebüros betrifft – anders als in den anderen Staaten der Europäischen Union. Daher sind die Verhandlungen über die Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie nicht ganz einfach gewesen. Zum einen sind unsere individuellen Gegebenheiten in der Struktur der Reiseanbieter und -vermittler nicht ausreichend berücksichtigt und zum anderen haben wir wegen der Vollharmonisierung in dieser Richtlinie keinen bzw. nur sehr begrenzten Spielraum, unsere Interessen in der Umsetzung zu verankern. Der Union waren bei der Gesetzesformulierung zwei Dinge wichtig: Zum einen wollten wir die Existenz unserer 10 000 mittelständischen Reisebüros und die damit verbundenen Arbeitsplätze nicht aufs Spiel setzen, und zum anderen war uns wichtig, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin bestmöglich geschützt sind. Darüber hinaus schätze ich als Abgeordnete eines Wahlkreises, in dem der Tourismus eine bedeutende Rolle spielt, die Arbeit der regionalen Tourismusinformationen sehr. Auch deren Existenzsicherung ist mir wichtig. An dem ursprünglichen Gesetzentwurf gab es drei wesentliche Kritikpunkte: Erstens. Wenn ein kleines Reisebüro einem Kunden eine Reise aus verschiedenen Bausteinen individuell zusammenstellt, sollte der Kunde jeden dieser Bausteine separat bezahlen, wenn der Vermittler nicht in die Gesamthaftung geraten möchte. Da muss man kein Experte sein, um die Unsinnigkeit dieser Regelung zu erkennen. Wir haben erreicht, dass wie bisher ein einheitlicher Bezahlvorgang möglich ist, wenn nachher auf der Gesamtrechnung die Bausteine einzeln aufgeführt sind. Zweitens. Ursprünglich sollte der bewährte Sicherungsschein abgeschafft werden. Er ist im vorliegenden Gesetz wieder enthalten. Drittens. Es ist nun auch klar formuliert, wo die Grenze zwischen Vermittlung und In-Kontakt-Bringen liegt. Ein Tourismusbüro kann also weiterhin einem Kunden sagen, wo noch freie Hotelkapazitäten sind, ohne gleich in eine Haftung für die Hotelleistungen zu geraten. Wie wichtig das ist, haben mir die Gespräche mit Tourismusbüros gezeigt. Über diese Punkte hinaus war es uns wichtig, dass wir die Pauschalreiserichtlinie nicht noch verschärfen. Insbesondere die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen wollten noch Regelungen in der Richtlinie verankert wissen, die die Reisebüros mit noch mehr Vorschriften belastet hätten. Lassen Sie mich dazu sagen, dass Urlauber, die ein Ferienhaus mieten oder einen Tagesausflug mit dem Bus unternehmen wollen, sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen. Auch hier gibt es verbindliche Verträge. Wozu dann bitte noch zusätzliche Regelungen? Viele Reisebüros sagen nun, dass die neuen reiserechtlichen Regelungen zu wenig die deutschen Strukturen berücksichtigen. Aber: Wir als Union haben dafür gesorgt, dass wesentliche Vorschriften entschärft wurden. Reisebüros können diese Regelungen sinnvoll anwenden, und auch Verbraucher sind weiterhin geschützt. Wir haben damit das Maximum im Rahmen der vorgeschriebenen Vollharmonisierung herausgeholt. Daher bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz. Sabine Dittmar (SPD): Bedenkt man den geringen Spielraum, den eine Vollharmonisierung einer EU-Richtlinie mit sich bringt, waren unsere Verhandlungen zur Pauschalreiserichtlinie doch umfangreich und langwierig. Bis wir nun zur heutigen zweiten und dritten Lesung gelangen konnten, haben wir diesen Spielraum ausführlich ausgelotet. Trotz einiger notwendiger Kompromisse, die eine Koalition mit sich bringt, ist es uns gelungen, die Richtlinie so umzusetzen, dass es künftig mehr Verbraucherschutz für Reisende und faire und europaweit einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Reisemarkt zwischen Onlineanbietern und Reisebüros geben wird. Erinnern wir uns an die anfängliche Verunsicherung und die Kritik der Reisebranche, als es daran ging, die Umsetzung einzuleiten. Verunsicherung und Kritik waren durchaus sehr gut nachvollziehbar, denn die gewachsene Struktur unserer deutschen Reisebürolandschaft wurde viel zu wenig berücksichtigt. Es fehlte zuallererst eine eindeutige Definition des Pauschalreisebegriffs, und kleine und mittelständische Reisebürobetreiber befürchteten zu Recht, dass sie künftig keine einzelnen Reiseleistungen mehr vermitteln könnten, ohne automatisch oder versehentlich in die Veranstalterhaftung mit allen rechtlichen Konsequenzen zu geraten. Hier konnte für Abhilfe gesorgt werden, auch wenn es einen gewissen Mehraufwand für Reisebüros bedeutet. Für Herrn Staudinger, den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht, hält sich der künftige finanzielle und bürokratische Aufwand der Reisebüros aber in Grenzen. Er sieht in den Informationspflichten und Formularen auch die Absicherung für die Reisebüros, einfach den Nachweis führen zu können, dass dem Kunden die rechtlichen Konsequenzen genau aufgezeigt wurden. Ein bürokratischer Mehraufwand für Vertrieb und Kunden, den wir hingegen auf keinen Fall so akzeptieren konnten, war die ursprünglich vorgesehene Regelung der Bezahlung. Jede einzeln gebuchte Reiseleistung hätte demnach auch einzeln bezahlt werden müssen. Andernfalls hätte man als Reisebüro eine Pauschalreise mit entsprechender Veranstalterhaftung verkauft. Hier wurde auf Betreiben der SPD-Fraktion das Ministerium nochmals in Brüssel aktiv – und zwar erfolgreich. Allein das gemeinsame Bezahlen einzeln gebuchter Reiseleistungen begründet künftig noch keine Pauschalreise. Hier eine Lösung zu finden, war uns wirklich besonders wichtig; denn natürlich schätzen und unterstützen wir als Sozialdemokraten kleine Reisebüros. Schließlich wird hier verbraucherfreundlich individuell und kompetent beraten. Mit viel Überzeugungsarbeit ist es uns gelungen, zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher durchzusetzen, dass auch Tagesreisen ab einem Wert von 500 Euro unter das Pauschalreiserecht fallen. Ich selbst hätte zwar einen niedrigeren Wert, etwa 75 oder 150 Euro, begrüßt. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Tagesreisen im ursprünglichen Kabinettsentwurf überhaupt nicht mehr enthalten waren, erscheint mir der nun erreichte Kompromiss für vertretbar. So sind Verbraucherinnen und Verbraucher zumindest bei teuren Tagesreisen bei Ausfall oder Insolvenz des Veranstalters besser abgesichert und haben Erstattungsansprüche. Leider ist es und nicht gelungen, aus bisheriger Rechtsprechung zu Reiseeinzelleistungen eine gesetzliche Regelung zu formulieren. Ich hätte es begrüßt, eine Regelung zur analogen Anwendbarkeit des Pauschalreiserechts auf veranstaltermäßig vertriebene Reiseeinzelleistungen – wie etwa Ferienhäuser – in der Richtlinie zu haben. Diese Regelung kommt leider nicht, obwohl sie eine sinnvolle Stärkung des Verbraucherschutzes dargestellt hätte. Immerhin konnten wir aber erreichen, dass die Bundesregierung gebeten wird, die Marktentwicklung betreffend veranstaltermäßig vertriebener Reiseeinzelleistungen ab Geltung der neuen Regelungen zu beobachten, um etwaige Missstände aufzudecken, sowie hierüber innerhalb des Zeitraums von zwei Jahren zu berichten. Wir bitten die Bundesregierung außerdem, gegenüber den Reiseunternehmen weiter dafür zu werben, dass diese eine brancheneigene Verbraucherschlichtungsstelle einrichten. Dies sind zwei richtige Schritte Richtung eines verbesserten Verbraucherschutzes. Erlauben Sie mir abschließend noch wenige Sätze zum vereinzelt gehörten Vorwurf, wir würden diese Richtlinie nun übereilt durchs Parlament peitschen. Wer kann so etwas nach 17 Monaten Bearbeitungs- und Verhandlungszeit guten Gewissens behaupten? Wir haben uns in Workshops, Gesprächen und Anhörungen im Verbraucherschutz- und Petitionsausschuss mit den Verbänden intensiv mit der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie befasst und haben auch innerhalb der Koalition intensiv verhandelt. Ich bleibe dabei: Nun liegt ein Gesetz vor, das im Rahmen des Harmonisierungsspielraums dieser Richtlinie sowohl für die Tourismusbranche als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher Verbesserungen mit sich bringt und dem man zustimmen kann. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Die Umsetzung der EU-Richtlinie über Pauschal- und Bausteinreisen in nationales Recht wird bis heute sehr emotional und kontrovers diskutiert. Unter dem Motto „Überführung des Pauschalreiserechts ins digitale Zeitalter“ ist die EU angetreten, das Reiserecht transparent und EU-einheitlich zu regeln. Viele Anpassungen waren tatsächlich dringend notwendig. Und ja: Es sind einige Verbesserungen für die Verbraucher in der Richtlinie vorgesehen. Ich denke da zum Beispiel an die Verlängerung des Gewährleistungszeitraums oder an die neu eingeführte Kategorie der verbundenen Reiseleistungen. Aber leider enthält die EU-Richtlinie auch wesentliche Verschlechterungen, und zwar: Der Reiseveranstalter kann die Reise bis zum Reiseantritt ändern; der Reiseveranstalter kann einseitig Preiserhöhungen bis 8 Prozent des Reisepreises vornehmen – vorher 5 Prozent –, und Preiserhöhungen können noch 20 Tage vor Reiseantritt erfolgen. Diese Regelungen senken signifikant das bestehende Verbraucherschutzniveau; aber die teilweise erhobene Forderung, die EU-Richtlinie zu ändern bzw. nicht umzusetzen, war und ist völlig unmöglich, auch wenn der Abgeordnete Christian Freiherr von Stetten und Marija Linnhoff vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros bis heute versuchen, den Eindruck zu erwecken, wir könnten die Umsetzung verhindern. Diese eben genannten tatsächlichen Verschlechterungen für Verbraucher stehen aufgrund der Vollharmonisierung nicht zur Diskussion. Tatsächlich aber hätten wir an anderen Stellen noch sehr viel mehr für die Verbraucher erreichen können. Stichworte sind: Tagesreisen, Einzelleistungen – Buchung von Ferienhäusern – oder gar die Aufnahme des Passus, dass Werbeaussagen und Prospektinformationen tatsächlich bei Buchung Vertragsbestandteil sein müssen, und, und, und. Leider gab es hier überhaupt keine Unterstützung seitens der CDU/CSU-Fraktion – nicht ansatzweise von den Abgeordneten oder gar von Frau Linnhoff und ihrem Verband, keine eigenen Anträge, Vorschläge etc., um Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Lediglich zu einer Protokollnotiz „Evaluierung in zwei Jahren“ war die CDU/CSU bereit. Wirkliches Engagement für Verbraucher sieht anders aus. Nach langen, zähen Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen konnte sich die SPD am Ende durchsetzen, wenigstens hochwertige Tagesreisen über 500 Euro doch ins Gesetz aufzunehmen. Wir wissen, dass dies ein Tropfen auf den heißen Stein ist und die meisten Tagesreisen nie in den Genuss dieses Schutzes gelangen. Hier hoffe ich nun wirklich, dass die Evaluierung in zwei Jahren zu einer Änderung führt und auch weniger wertige Reisen wieder unter Schutz gestellt werden. Ganz anders diskutiert wurde das Problem „Bezahlen von Reiseleistungen, die getrennt ausgewählt werden“, also wo sich der Kunde auch getrennt zur Zahlung jeder einzelnen Reiseleistung verpflichtet hat. Die Forderungen der Reisebranche, diese verschiedenen Leistungen am Ende mit einem Zahlungsvorgang abwickeln zu können und dennoch nicht in den Status „verbundene Reiseleistung“ oder „Pauschalreise“ zu fallen, haben wir fraktionsübergreifend geteilt. Wir sind froh, dass nach intensiven Bemühungen des Bundesministeriums für Recht und Verbraucherschutz nach mehreren Gesprächsrunden jetzt eine europarechtlich sehr wahrscheinlich tragfähige und gleichzeitig für die Reisebüros und Verbraucherinnen und Verbraucher praktikable Lösung erzielt wurde. Dass die gefundene Lösung einen etwas größeren bürokratischen Aufwand in den Reisebüros nach sich zieht und Schulungen für Mitarbeiter vielleicht nötig sind, sehe ich auch. Aber die Schulungskosten sind in der Regel gut investiert und nur einmalig; die Formulare und Informationsblätter erlauben es dem Reisebüro, in einem eventuellen Gerichtsverfahren den Nachweis zu führen, den Kunden richtig informiert zu haben. Dem vorliegenden Kompromiss stimmen wir zu. Die Aufnahme der Einzelleistungen und die Senkung der Tagesreisenpauschale werden wir in der nächsten Wahlperiode wieder einfordern. Karin Binder (DIE LINKE): Der Gesetzentwurf von Union und SPD zum Reiserecht ist eine eindeutige Absage an den Verbraucherschutz. Im Gegenteil, das Gesetz ist die Einladung zur Abzocke von Urlaubern: Reiseveranstalter haben künftig noch weitergehende Rechte, einseitig den mit Ihnen abgeschlossenen Reisevertrag noch kurz vor Reiseantritt zu ändern. Der Reiseveranstalter kann kurzfristig noch eine Preiserhöhung um bis zu 8 Prozent vornehmen. Bisher waren immerhin nur 5 Prozent Aufschlag zulässig. Und bisher waren solche Preiserhöhungen innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss untersagt. Künftig darf der Veranstalter Ihnen aber noch zwanzig Tage vor Reiseantritt diese Teuerung zumuten. Die Bundesregierung legt aber noch ein paar Scheite drauf und verschlechtert den Verbraucherschutz weiter: Einzelne Reiseleistungen, zum Beispiel die Miete von Ferienhäusern gewerblicher Anbieter, fallen nicht mehr unter den Schutz des Pauschalreiserechts, obwohl das vom Bundesgerichtshof in Urteilen sogar gefordert wurde. Tagesreisen, zum Beispiel Städtereise mit Programm, werden erst ab einem Reisepreis von 500 Euro vom Pauschalreiserecht abgedeckt. Das ist absurd; denn damit ist der überwiegende Teil aller Tagesreisen aus dem Reiserechtsschutz ausgenommen. Das ist Verbraucherschutz für Bestverdienende. Welcher Rentner, welche Rentnerin kann sich eine Tagesreise für 500 Euro leisten? Jedes Jahr werden circa 50 Millionen Tagesreisen in Deutschland gebucht, vor allem von Rentnerinnen und Rentnern. Diese werden jetzt der Abzocke von skrupellosen Geschäftemachern endgültig ausgeliefert. Die Verbraucherzentralen sprechen von einem höchst unseriösen Markt der sogenannten Kaffeefahrten. Mit diesen kostenlosen oder vermeintlich billigen Werbeverkaufsveranstaltungen werden Millionen Menschen mit kleinem Geldbeutel angelockt, und dann, wenn sie nicht genug der überteuerten Produkte im Laufe der Fahrt kaufen, wird ihnen der schöne Teil der Reiseleistung, zum Beispiel die versprochene Besichtigung oder die Bootsfahrt, verwehrt. Ein aktuelles Beispiel: Eine Tagesreise mit dem Bus zur Bundesgartenschau nach Berlin kostet 48 Euro. Wurde nicht genug Umsatz gemacht, geht’s eben ohne Besuch der Gartenschau wieder nach Hause. Die Bundesregierung macht damit die Abzocke zum gängigen Geschäftsmodell. Das Reiserecht muss unbedingt auch die Buchung einzelner Reiseleistungen schützen. Dieses Verbraucherrecht wurde auch vom Bundesgerichtshof gefordert und hat sich in der Praxis seit Jahrzehnten bewährt. Aber der Schutz der Verbraucher ist ja nicht umsatzsteigernd. Deshalb hat die EU-Kommission die Lockerung des Verbraucherschutzes auf ausdrücklichen Wunsch Deutschlands in die Richtlinie aufgenommen. Die Linke sagt: Wer die Abzocke von Rentnerinnen und Rentnern oder Geringverdienern gesetzlich fördert, sollte sich schämen. Der Gesetzentwurf weist aber noch mehr Defizite im Verbraucherschutz auf: Die Höchstgrenze der Absicherung gegen die Insolvenz eines Reiseunternehmens ist mit 110 Millionen Euro viel zu gering. Das sind Werte von vor 20 Jahren. Wenn der Veranstalter pleitegeht, werden viele Kunden ihre Anzahlung nie wiedersehen. Wir fordern außerdem mehr Ehrlichkeit. Sachliche Angaben in der Prospektwerbung oder auf Onlineportalen müssen zum Vertragsbestandteil werden. Sonst werden Tricks und Täuschungen Tür und Tor geöffnet. Und: Es bedarf einer verbraucherfreundlicheren Regelung für den Fall, dass ich meine Reise an eine andere Person übertragen möchte. Dafür dürfen höchstens die tatsächlich entstandenen Verwaltungs- und Bearbeitungsgebühren, also tatsächlich entstandene Kosten, in Rechnung gestellt werden. Die jetzige unkonkrete Regelung wird zu einem kundenunfreundlichen Umbuchungswucher führen. Es darf nicht sein, dass den Reisenden ständig mehr Geld aus der Tasche gezogen wird, während die großen Reiseveranstalter tun und lassen können, was sie wollen. Auch viele kleine Reisebüros und selbstständige Reiseunternehmen kommen nur schwer mit dem neuen Bürokratiemonster klar. Sie müssen für jeden Baustein einer Reise eigenständige Rechnungen ausstellen. Über jeden Reisebaustein muss künftig zusätzlich auch einzeln informiert werden. Gerade kleine Reisebüros und selbstständige Reiseunternehmen werden mit den künftig kurzfristig möglichen Preiserhöhungen der Reiseveranstalter zu kämpfen haben. Aus Gründen der Kundenbindung werden sie den Aufschlag nicht an ihre Kunden weitergeben. Daher belastet diese Verteuerung durch den Veranstalter die Reisebüros empfindlich und bedroht teilweise auch deren Existenz. Wichtig wäre stattdessen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche direkt beim Reiseveranstalter geltend machen können, anstatt die kleinen Reisebüros zu belasten. Mein Fazit: Die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sind der Bundesregierung völlig egal. Hauptsache, die großen Reiseveranstalter und Touristikkonzerne können ungestört Kasse machen. Die Linke lehnt den Gesetzendwurf daher ab. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziel der Novellierung der Pauschalreiserichtlinie war es ja, eine Gleichbehandlung zwischen stationären Reisebüros und Onlineportalen sowie ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Es war aber sicherlich nicht Sinn der Sache, Reisebüros und Tourismusinformationszentren unverhältnismäßig stark zu belasten; aber genau das ist passiert. Und: Im Gegensatz zum ersten Entwurf haben wir nun auch noch eine Absenkung des Verbraucherschutzniveaus, und das ohne erkennbare Not. Als vollharmonisierende Richtlinie und der damit verbundenen Eins-zu-eins-Umsetzung in nationales Recht schafft es die Pauschalreiserichtlinie nicht, auf die Besonderheiten des deutschen Marktes einzugehen. Es ist der Bundesregierung nicht gelungen, auf Regelungen hinzuwirken, die die Bedeutung der Reisebüros oder die Stellung der lokalen Tourismusinformationszentren im europäischen Gesetzestext ausreichend berücksichtigen. Auch die betroffenen Verbände haben sich anfangs leider zu zaghaft in den Prozess eingeschaltet und den Diskurs mit den politisch Verantwortlichen zu spät gesucht. Das wird zukünftig sicher besser laufen. Der vorliegende Gesetzentwurf begünstigt den konzerngebundenen Reisevertrieb. Das fördert Monopole und ist schlecht für unsere kleinen und mittelständischen Reisebüros sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine solche Entwicklung lehnen wir entschieden ab. Wie stellt sich die konkrete Situation für den deutschen Reisemarkt im Rahmen der Gesetzesnovelle dar? Reisebüros sind die Gekniffenen und treffen auf mehr Bürokratie, da bei der Buchung vor Ort nun zusätzlich – je nach Situation – sieben verschieden Informationsblätter ausgefüllt werden müssen. Auch treffen Anbieter verbundener Reiseleistungen unter Umständen Insolvenzsicherungspflichten, was bedeutet, dass sie einen nicht unwesentlichen Teil ihres Umsatzes in eine Versicherung investieren müssen. Das kann ein rentables Wirtschaften gerade für kleine Reisebüros erschweren. Da macht es natürlich einen Unterschied, ob ich ein familiengeführtes Unternehmen habe oder ob ein Konzern dahintersteht. Ein kleiner Teil der Bürokratie wurde ja doch noch mit Brüssel herausverhandelt, sodass wenigstens ein einheitlicher Bezahlvorgang bei der Buchung einzelner Reiseleistungen nun zumindest auf dem Papier möglich ist. Wir begrüßen das. Allerdings geben wir zu bedenken, dass die getroffenen Vereinbarungen nicht zu rechtsverbindlichen Vorgaben oder Auslegungshilfen vor Gericht führen und eine Entscheidung darüber letztlich nur vom Gerichtshof der Europäischen Union getroffen werden kann. Wenn man in Brüssel keine Aufhebung der Richtlinie beantragen will, muss man die genannten kritischen Punkte umsetzen. Das ist mehr als bedauerlich. Aber wir müssen laufend ein Auge auf die Auswirkungen der Gesetzesnovelle haben, um den Reisemarkt in Deutschland und besonders kleine und mittelständische Unternehmen durch rechtzeitiges Gegensteuern vor Schaden zu bewahren. Dies ist besonders wichtig, da Strukturen verloren zu gehen drohen, die, einmal abgerissen, nicht so schnell wieder aufgebaut werden können. Eine frühestmögliche Evaluierung auf nationaler und europäischer Ebene ist Pflicht. Neben Punkten, die wir als Gesetzgeber nicht ändern können, gibt es aber auch jene, auf die wir sehr wohl Einfluss haben und auf die die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und SPD ohne Not zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher Einfluss genommen haben. Wenn es nach ihnen geht, sollen die strengeren, für Verbraucherinnen und Verbraucher günstigen Haftungsregeln des Pauschalreiserechts weder für Reiseeinzelleistungen wie Ferienhäuser noch für Tagesreisen unter 500 Euro gelten. Sie senken mit ihrem Gesetzentwurf den Verbraucherschutz deutlich unter den heute geltenden gesetzlichen Standard. Das ist eine signifikante Verschlechterung, und zwar – ich sage es noch mal – ohne Not. Das wirkt ein Stück weit wie eine Placebo-Änderung, um die Betroffenen zu vertrösten bzw. milde zu stimmen. Mit unserem Antrag, der auch heute abzustimmen ist, lade ich dazu ein, diesen Fehler zu korrigieren. Die Bürgerinnen und Bürger werden es danken. Wenn es den Kolleginnen und Kollegen der SPD um die Sache geht, haben wir zusammen mit der Linken eine Mehrheit, um den Verbraucherschutz zu stärken. Das von der Bundesregierung so vorgeschlagene Gesetz lehnen wir ab. Anlage 26 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) und Olav Gutting (beide CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) Im Rahmen der Abstimmung am 1. Juni 2017 werden wir dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht nicht zustimmen. Wir befürchten, dass diese Richtlinie bei falscher Ausrichtung über kurz oder lang zum Todesurteil für in deutschsprachigen Ländern der EU verbreitete, mittelständisch geführte Reisebüros werden kann. Trotz der Warnungen aus Politik und Wirtschaft wurde auf der EU-Ebene eine Richtlinie verabschiedet, die weder dem Verbraucherschutz noch den wirtschaftlichen Interessen der mittelständischen deutschen Wirtschaft Rechnung trägt. Aufgrund der Entscheidung zur Vollharmonisierung dieser EU-Richtlinie war es auf nationaler Ebene fast unmöglich, parlamentarisch für den deutschen Verbraucher und den deutschen Mittelstand noch etwas ins Positive zu lenken. Da die Richtlinie also juristisch weitgehend ausgereizt war, argumentieren die Bundesregierung und viele Politiker, man könne diese Richtlinie nun national umsetzen. An dieser Stelle widersprechen wir in aller Form und wollen Ihnen drei Gründe nennen, warum wir nicht zustimmen können: Erstens. Schon bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wurde klar, dass die touristische Großindustrie mit eigener Direktvermarktung durch die Haftungsproblematik bei den kleinen und mittelständischen Reisemittlern auf eine deutliche Verschlankung der Vertriebslinie und damit deutliche Gewinnsteigerungen hoffen kann. In Gesprächen mit ehemaligen Spitzenvertretern der Tourismusbranche wurde uns glaubhaft versichert, dass der ehemaligen Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Viviane Reding bereits die Zusage zu einer Gesamtrücknahme der EU-Pauschalreiserichtlinie aus dem laufenden Gesetzgebungsprozess entlockt wurde. Es war der Druck von Unternehmen, die ihren Stammsitz in Großbritannien haben, die dann die Rücknahmeabsichten der Kommissarin verstummen ließen. Heute, einige Jahre später, stehen die damaligen Unternehmensleitungen an der Spitze der beiden Branchenverbände und beraten die Politik auf Bundes- und Europaebene. Auch die Tatsache, dass die Branchenverbände schon Wochen und Monate vor den Fachpolitikern über Formulierungsvorschläge aus der EU-Kommission in Brüssel und aus den Bundesministerien verfügten, legt nahe, dass das ganze Gesetz industrie- und lobbynah entstanden ist. Etwaige Parteizugehörigkeiten und enge Parteikontakte sind hier unseres Erachtens kein Zufall. Zusätzlich haben große Teile dieser Tourismusindustrie bereits einen Haupt- bzw. Verwaltungssitz in Großbritannien. Mit diesem Gesetz machen wir also hier Industriepolitik für ein Land, das die Europäische Union verlassen will. Zweitens. In den intensiv geführten Nachverhandlungen der Bundesregierung mit der EU konnte nach unserer Einschätzung trotzdem keine volle Rechtssicherheit für die deutsche Reisebürobranche bei den Fragen Veranstalterhaftung und getrennte Bezahlvorgänge erreicht werden. Die vorgelegten juristischen Formelkompromisse sind unseres Erachtens nur weiße Salbe zur Beruhigung des Mittelstands. Ob und inwieweit diese angeblichen Verbesserungen gegenüber der Richtlinie einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte standhalten werden, wurde von Rechtsexperten bereits bei der Anhörung stark in Zweifel gezogen. Damit ist die Reisebürobranche mit etwa 10 000 Büros in Teilen existenziell gefährdet. Drittens. Wir sind große Freunde der Europäischen Union, aber auf der EU-Ebene werden zunehmend Gesetze beschlossen, die vermeintlich dem Verbraucherschutz dienen, und am Ende werden die Verbraucherschutzrechte unserer Bürger durch den Zwang zur Vollharmonisierung und unsere selbstverursachten Fehler vehement beschnitten. In Zukunft werden Preisnachschläge von den Reiseveranstaltern von bis zu 8 Prozent bis 20 Tage vor Reiseantritt möglich. Mehr als 30 Jahre konnten sich deutsche Urlauber nach einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Schutz gegen Zahlungsausfälle und Reisemängel bei der Anmietung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern verlassen. Die Bundesregierung wird diesen Schutz mit diesem Gesetz abbauen. Und Tagesreisen fallen in Zukunft nur noch unter den Schutz des Reiserechts bei einem Reisepreis ab 500 Euro. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. schreibt am 11. Mai diesen Jahres auf seiner Internetseite deshalb: „Der vzbv tritt zwar nicht für eine grundsätzliche Aufhebung und Neuverhandlung der Pauschalreiserichtlinie ein. Sollte der deutsche Gesetzgeber aber weiter daran festhalten, dass Tagesreisen bis zu einem Preis von 500,00 Euro und Ferienhäuser aus dem Reiserechtsschutz fallen, sieht das anders aus. Dann bringt das neue Reiserecht den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern an dieser Stelle keinen Mehrwert und man kann in der Tat darüber nachdenken, die Richtlinie in Brüssel neu zu verhandeln“. Eine Forderung, die wir aus den oben genannten Gründen seit Sommer letzten Jahres offen vertreten haben. Zusammenfassend kann man unseres Erachtens sagen: Mit diesem Gesetz wird ein wirtschaftlich intakter Marktteilnehmer, wie das deutsche Reisebüro, existenziell gefährdet, die touristische Großindustrie gestärkt und der Verbraucherschutz signifikant herabgesetzt. Das Gesetz ist praxisfremd und wird die Zweifel der Menschen an der EU und der Politik insgesamt befeuern. An solchen Gesetzen wollen und werden wir uns nicht mehr beteiligen. Anlage 27 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm und Michael Roth (Heringen) (beide SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) Der Deutsche Bundestag stimmt heute über die Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht ab. Ich bedauere, dass dieses wichtige Gesetz angesichts der Fülle von Tagesordnungspunkten nicht zu einer öffentlichkeitswirksameren Zeit im Plenum debattiert werden kann. Die EU-Pauschalreiserichtlinie, die zwingend umzusetzen ist, verlangt eine Vollharmonisierung durch die EU-Mitgliedstaaten. Die Koalitionsfraktionen haben sich nach intensiven Beratungen mit der Branche und Verbraucherschutzverbänden gemeinsam auf den vorliegenden Gesetzentwurf in geänderter Fassung verständigt. Angesichts des geringen Spielraums für Veränderungen haben die parlamentarischen Beratungen ein ausgewogenes Gesetz erbracht, das die Interessen der Reisebranche sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigt. In den Beratungen der zuständigen Fachausschüsse wurde ein breiter Konsens – teils über die Koalitionsfraktionen hinaus – erreicht. Da mehrere Reiseleistungen nun dank der Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf gemeinsam bezahlt werden können, ist den deutschen Reisebüros deren ursprünglich durchaus berechtigte Sorge genommen, durch einen einheitlichen Zahlvorgang zum haftenden Reiseanbieter zu werden. Die Dachverbände der Tourismuswirtschaft sprechen deshalb zu Recht von einem Erfolg für die Reisebüros. Das Gesetz bringt auch für Verbraucherinnen und Verbraucher Vorteile: Künftig kann der Reiseveranstalter eine Erhöhung des Reisepreises nur bei wenigen und im Gesetz ausdrücklich benannten Kostenpositionen wie Benzinkosten oder Hafengebühren verlangen. Diese müssen ausdrücklich nachgewiesen werden. Diese Kostenpositionen sind einfach nachprüfbar. Wenn die Kosten sinken, können Reisende nun sogar eine Erstattung verlangen. Die Gewährleistungsfrist wird von einem Monat auf 24 Monate verlängert. Darüber hinaus profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher davon, dass eine völlig neue Reisekategorie der sogenannten verbundenen Reiseleistungen erstmalig geregelt wird. Wer früher eine Reise im Reisebüro oder online individuell zusammenstellte, war nicht vom Reiserecht geschützt – jetzt schon. Im ursprünglichen Gesetzentwurf standen Tagesreisen nicht mehr unter dem gleichen Insolvenzschutz wie Pauschalreisen. Wir konnten in den parlamentarischen Beratungen zumindest erreichen, dass hochwertige Tagesreisen ab 500 Euro wieder Insolvenzschutz genießen. Leider haben CDU und CSU sich der Aufnahme von Tagesreisen bereits ab einem deutlich geringeren Wert, wie von der SPD gefordert, verweigert. Auch die SPD-Forderung nach der Einbeziehung von Ferienhäusern in das Reiserecht, wie es in Deutschland seit langem praktiziert wird, hat die Union kategorisch abgelehnt. Dennoch gebe ich dem Gesetzentwurf in der Gesamtabwägung meine Zustimmung. Anlage 28 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 31) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Im Rahmen der Abstimmung am 1. Juni 2017 werde ich dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht nicht zustimmen. Persönlich habe ich schon 2015 davor gewarnt, dass diese Richtlinie bei falscher Ausrichtung über kurz oder lang zum Todesurteil für das in deutschsprachigen Ländern der EU verbreitete mittelständisch geführte Reisebüro werden kann. Trotz der Warnungen aus Politik und Wirtschaft wurde dann auf der EU-Ebene eine Richtlinie verabschiedet, die weder dem Verbraucherschutz noch den wirtschaftlichen Interessen der mittelständischen deutschen Wirtschaft Rechnung trägt. Aufgrund der Entscheidung zur Vollharmonisierung dieser EU-Richtlinie war es uns als Fachpolitikern aus den Bereichen Recht und Verbraucherschutz, Tourismus und Wirtschaft auf nationaler Ebene damit fast unmöglich, für den deutschen Verbraucher und den deutschen Mittelstand noch etwas ins Positive zu lenken. Da die Richtlinie also juristisch weitgehend ausgereizt war, argumentieren die Bundesregierung und viele Politiker, man könne diese Richtlinie nun national umsetzen. An dieser Stelle widerspreche ich in aller Form und will Ihnen drei Gründe nennen, warum ich nicht zustimmen kann: 1. Schon bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wurde klar, dass die touristische Großindustrie mit eigener Direktvermarktung durch die Haftungsproblematik bei den kleinen und mittelständischen Reisemittlern auf eine deutliche Verschlankung der Vertriebslinie und damit deutliche Gewinnsteigerungen hoffen kann. In Gesprächen mit ehemaligen Spitzenvertretern der Tourismusbranche wurde mir glaubhaft versichert, dass der ehemaligen Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Viviane Reding bereits die Zusage zu einer Gesamtrücknahme der EU-Pauschalreiserichtlinie aus dem laufenden Gesetzgebungsprozess entlockt wurde. Es war der Druck von Unternehmen, die ihren Stammsitz in Großbritannien haben, die dann die Rücknahmeabsichten der Kommissarin verstummen ließen. Heute, einige Jahre später, stehen die damaligen Unternehmensleitungen an der Spitze der beiden Branchenverbände und beraten die Politik auf Bundes- und Europaebene. Auch die Tatsache, dass die Branchenverbände schon Wochen und Monate vor den Fachpolitikern über Formulierungsvorschläge aus der EU-Kommission in Brüssel und aus den Bundesministerien verfügten, legt nahe, dass das ganze Gesetz industrie- und lobbynah entstanden ist. Etwaige Parteizugehörigkeiten und enge Parteikontakte sind hier meines Erachtens kein Zufall. Zusätzlich haben große Teile dieser Tourismusindustrie bereits einen Haupt- bzw. Verwaltungssitz in Großbritannien. Mit diesem Gesetz machen wir also hier Industriepolitik für ein Land, das die Europäische Union verlassen will. 2. In den intensiv geführten Nachverhandlungen der Bundesregierung mit der EU konnte nach meiner Einschätzung trotzdem keine volle Rechtssicherheit für die deutsche Reisebürobranche bei den Fragen Veranstalterhaftung und getrennte Bezahlvorgänge erreicht werden. Die vorgelegten juristischen Formelkompromisse sind meines Erachtens nur weiße Salbe zur Beruhigung des Mittelstands. Ob und inwieweit diese angeblichen Verbesserungen gegenüber der Richtlinie einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte standhalten werden, wurde von Rechtsexperten bereits bei der Anhörung stark in Zweifel gezogen. Damit ist die Reisebürobranche mit etwa 10 000 Büros in Teilen existenziell gefährdet. 3. Ich bin ein großer Freund der Europäischen Union, aber auf der EU-Ebene werden zunehmend Gesetze beschlossen, die vermeintlich dem Verbraucherschutz dienen, und am Ende werden die Verbraucherschutzrechte unserer Bürger durch den Zwang zur Vollharmonisierung und unsere selbstverursachten Fehler vehement beschnitten. In Zukunft werden Preisnachschläge von den Reiseveranstaltern von bis zu 8 Prozent bis 20 Tage vor Reiseantritt möglich. Mehr als 30 Jahre konnten sich deutsche Urlauber nach einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Schutz gegen Zahlungsausfälle und Reisemängel bei der Anmietung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern verlassen. Die Bundesregierung wird diesen Schutz mit diesem Gesetz abbauen. Und Tagesreisen fallen in Zukunft nur noch unter den Schutz des Reiserechts bei einem Reisepreis ab 500 Euro. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. schreibt am 11. Mai dieses Jahres auf seiner Internetseite deshalb: Der vzbv tritt zwar nicht für eine grundsätzliche Aufhebung und Neuverhandlung der Pauschalreiserichtlinie ein. Sollte der deutsche Gesetzgeber aber weiter daran festhalten, dass Tagesreisen bis zu einem Preis von 500,00 Euro und Ferienhäuser aus dem Reiserechtsschutz fallen, sieht das anders aus. Dann bringt das neue Reiserecht den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern an dieser Stelle keinen Mehrwert und man kann in der Tat darüber nachdenken, die Richtlinie in Brüssel neu zu verhandeln. Eine Forderung, die ich aus den oben genannten Gründen seit Sommer letzten Jahres offen vertreten habe. Zusammenfassend kann man meines Erachtens sagen: Mit diesem Gesetz wird ein wirtschaftlich intakter Marktteilnehmer, wie das deutsche Reisebüro, existenziell gefährdet, die touristische Großindustrie gestärkt und der Verbraucherschutz signifikant herabgesetzt. Das Gesetz ist praxisfremd und wird die Zweifel der Menschen an der EU und der Politik insgesamt befeuern. An solchen Gesetzen will und werde ich mich nicht mehr beteiligen. Ronja Kemmer (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag stimmt heute über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften ab. Die Verabschiedung dieses Gesetzes erfolgt, da Deutschland zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie verpflichtet ist. Ich halte die EU-Pauschalreiserichtlinie für nicht sachdienlich, da sie weder dem Verbraucherschutz noch den wirtschaftlichen Interessen der mittelständischen deutschen Reisewirtschaft Rechnung trägt. Begünstigt werden durch diese Richtlinie große Reisekonzerne, von denen viele bereits über einen Haupt- bzw. Verwaltungssitz in Großbritannien verfügen, einem Land, das die Europäische Union gerade verlassen will. Nach meiner Auffassung hat das SPD-geführte Justizministerium bei den Verhandlungen in Brüssel hier die Interessen der deutschen Reiseunternehmen nicht hinreichend vertreten. Einen Beigeschmack hat für mich hierbei, dass der SPD mit dem SPD-ReiseService (Einer Marke der FFR Ferien-, Freizeit- und ReiseService GmbH, eine 100-Prozent-Tochter der SPD-Holding DDVG-mbH) ein Reiseveranstalter mit Direktvertrieb gehört. Reiseveranstalter mit eigenem Direktvertreib sind aber die prognostizierten Profiteure der Richtlinie. Ich habe mich daher zusammen mit anderen Kollegen aus dem Parlamentskreis „Mittelstand“ dafür eingesetzt, den Entwurf zugunsten der deutschen Reiseindustrie zu verbessern. Dabei konnten wir weitergehende Zugeständnisse und Änderungen erreichen, als dies in anderen EU-Ländern der Fall war. Das macht das Gesetz aus meiner Sicht nicht sachdienlich, es stellt aber eine bessere Umsetzung der EU-Richtlinie dar. Eine Verschiebung des Gesetzes, für die sich einige Kollegen ausgesprochen hatten, wurde von der SPD abgelehnt. Gemeinsam mit anderen Kollegen setze ich mich dafür ein, dass eine Überarbeitung der EU-Reiserichtlinie ins Wahlprogramm der CDU aufgenommen wird, als festes Ziel und Auftrag für die nächste Legislaturperiode. Wir brauchen eine bessere und fairere EU-Reiserichtlinie. Daran führt kein Weg vorbei. Heute stimme ich trotz entsprechender Bedenken dem vorliegenden Gesetzentwurf zu und werde mich gleichzeitig dafür einsetzen, dass die aus meiner Sicht für die deutsche Reiseindustrie schlechten Punkte durch eine Änderung der EU-Reiserichtlinie verbessert werden. Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Im Rahmen der Abstimmung am 1. Juni 2017 werde ich dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht nicht zustimmen. Diese Richtlinie wird bei falscher Ausrichtung über kurz oder lang zum Todesurteil für in deutschsprachigen Ländern der EU verbreitete, mittelständisch geführte Reisebüros werden. Trotz der Warnungen aus Politik und Wirtschaft wurde auf der EU-Ebene eine Richtlinie verabschiedet, die weder dem Verbraucherschutz noch den wirtschaftlichen Interessen der mittelständischen deutschen Wirtschaft Rechnung trägt. Aufgrund der Entscheidung zur Vollharmonisierung dieser EU-Richtlinie war es auf nationaler Ebene fast unmöglich, parlamentarisch für den deutschen Verbraucher und den deutschen Mittelstand noch etwas ins Positive zu lenken. Da die Richtlinie also juristisch weitgehend ausgereizt war. argumentieren die Bundesregierung und viele Politiker, man könne diese Richtlinie nun national umsetzen. An dieser Stelle widerspreche ich in aller Form und will Ihnen drei Gründe nennen, warum ich nicht zustimmen kann: Erstens. Schon bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz wurde klar, dass die touristische Großindustrie mit eigener Direktvermarktung durch die Haftungsproblematik bei den kleinen und mittelständischen Reisemittlern auf eine deutliche Verschlankung der Vertriebslinie und damit deutliche Gewinnsteigerungen hoffen kann. In Gesprächen mit ehemaligen Spitzenvertretern der Tourismusbranche wurde mir glaubhaft versichert, dass der ehemaligen Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Viviane Reding bereits die Zusage zu einer Gesamtrücknahme der EU-Pauschalreiserichtlinie aus dem laufenden Gesetzgebungsprozess entlockt wurde. Es war der Druck von Unternehmen. die ihren Stammsitz in Großbritannien haben, die dann die Rücknahmeabsichten der Kommissarin verstummen ließen. Heute, einige Jahre später, stehen die damaligen Unternehmensleitungen an der Spitze der beiden Branchenverbände und beraten die Politik auf Bundes- und Europaebene. Auch die Tatsache, dass die Branchenverbände schon Wochen und Monate vor den Fachpolitikern über Formulierungsvorschläge aus der EUKommission in Brüssel und aus den Bundesministerien verfügten, legt nahe, dass das ganze Gesetz industrie- und lobbynah entstanden ist. Etwaige Parteizugehörigkeiten und enge Parteikontakte sind hier meines Erachtens kein Zufall. Zusätzlich haben große Teile dieser Tourismusindustrie bereits einen Haupt- bzw. Verwaltungssitz in Großbritannien. Mit diesem Gesetz machen wir also hier Industriepolitik für ein Land, das die Europäische Union verlassen will. Zweitens. In den intensiv geführten Nachverhandlungen der Bundesregierung mit der EU konnte nach meiner Einschätzung trotzdem keine volle Rechtssicherheit für die deutsche Reisebürobranche bei den Fragen Veranstalterhaftung und getrennte Bezahlvorgänge erreicht werden. Die vorgelegten juristischen Formelkompromisse sind meines Erachtens nur weiße Salbe zur Beruhigung des Mittelstands. Ob und inwieweit diese angeblichen Verbesserungen gegenüber der Richtlinie einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte standhalten werden, wurde von Rechtsexperten bereits bei der Anhörung stark in Zweifel gezogen. Damit ist die Reisebürobranche mit etwa 10 000 Büros in Teilen existenziell gefährdet. Drittens. Ich bin ein großer Freund der Europäischen Union, aber auf der EU-Ebene werden zunehmend Gesetze beschlossen, die vermeintlich dem Verbraucherschutz dienen, und am Ende werden die Verbraucherschutzrechte unserer Bürger durch den Zwang zur Vollharmonisierung und unsere selbstverursachten Fehler vehement beschnitten. In Zukunft werden Preisnachschlage von den Reiseveranstaltern von bis zu 8 Prozent bis 20 Tage vor Reiseantritt möglich. Mehr als 30 Jahre konnten sich deutsche Urlauber nach einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Schutz gegen Zahlungsausfälle und Reisemängel bei der Anmietung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern verlassen. Die Bundesregierung wird diesen Schutz mit diesem Gesetz abbauen. Und Tagesreisen fallen in Zukunft nur noch unter den Schutz des Reiserechts bei einem Reisepreis ab 500 Euro. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. schreibt am 11. Mai dieses Jahres auf seiner Internetseite deshalb: „Der vzbv tritt zwar nicht für eine grundsätzliche Aufhebung und Neuverhandlung der Pauschalreiserichtlinie ein. Sollte der deutsche Gesetzgeber aber weiter daran festhalten, dass Tagesreisen bis zu einem Preis von 500,00 Euro und Ferienhäuser aus dem Reiserechtsschutz fallen, sieht das anders aus. Dann bringt das neue Reiserecht den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern an dieser Stelle keinen Mehrwert und man kann in der Tat darüber nachdenken, die Richtlinie in Brüssel neu zu verhandeln“. Eine Forderung, die ich aus den oben genannten Gründen seit Sommer letzten Jahres offen vertreten habe. Zusammenfassend kann ich sagen: Mit diesem Gesetz wird ein wirtschaftlich intakter Marktteilnehmer, wie das deutsche Reisebüro, existenziell gefährdet, die touristische Großindustrie gestärkt und der Verbraucherschutz signifikant herabgesetzt. Das Gesetz ist praxisfremd und wird die Zweifel der Menschen an der EU und der Politik insgesamt befeuern. An einem Zustandekommen eines solchen Gesetzes werde ich mich nicht beteiligen. Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen: Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV) (Tagesordnungspunkt 32) Uwe Feiler (CDU/CSU): Es ist nicht alltäglich, dass sich der Deutsche Bundestag die Zustimmung zu einer Verordnung vorbehält. Im Falle der näheren Ausgestaltung der technischen Anforderungen an elektronische Kassensysteme haben wir bei der Kassensicherungsverordnung aus guten Gründen davon Gebrauch gemacht. Mit unserer Grundsatzentscheidung vom 22. Dezember letzten Jahres haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, Umsatzsteuerbetrug wirksam zu bekämpfen und Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen zu unterbinden. Es muss ausgeschlossen sein, dass technisch findige Nutzer von elektronischen Registrierkassen zulasten des Fiskus Daten unerkannt löschen oder verändern können. Die heutige Zustimmung zu dieser Verordnung schaltet das Gesetz scharf, weil wir die Anforderungen des § 146a der Abgabenordnung präzisieren und den Finanzbehörden die Instrumente an die Hand geben, um das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit der Entwicklung der technischen Standards zu beauftragen. Dankbar bin ich dem Bundesfinanzministerium, dass es durch eine Protokollerklärung noch einmal deutlich gemacht hat, dass einerseits Pfandautomaten nicht zum Anwendungsbereich der Verordnung gehören, da es sich bei diesen nicht um Kassensysteme handelt, die auf den Verkauf von Waren und Dienstleistungen gerichtet sind. Andererseits hat uns das Bundesfinanzministerium zugesagt, bis Mitte des kommenden Jahres einen Vorschlag zu unterbreiten in welcher Art und Weise auch andere betrugsanfällige kassenähnliche Systeme in den Anwendungsbereich der Verordnung mit aufgenommen werden können. Damit trägt das BMF sowohl dem Wunsch der Landesfinanzbehörden Rechnung als auch der Forderung von Verbänden, die für ihre Branchen die Aufnahme in die Verordnung anstreben. Im Fokus der Verordnung stehen jedoch zunächst elektronische oder computergestützte Kassensysteme, die künftig über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen müssen. Ebenso stellen wir klar, dass zum Beispiel Fahrscheinautomaten und drucker, Geldautomaten, Geld- und Warenspielsysteme, aber auch Taxameter und Wegstreckenzähler nicht unter die Verordnung fallen. Damit erfassen wir Millionen von Geräten; und die Landesfinanzbehörden müssen Millionen von Datensätzen auswerten. Von daher ist es richtig mit den Kassen zu beginnen, Erfahrungen zu sammeln und gegebenenfalls nachzusteuern. Um Lücken zu schließen bzw. diese bei einer Prüfung sofort sichtbar werden zu lassen, muss zukünftig ab dem ersten Tastendruck jeder aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfall unmittelbar erfasst und in einer einheitlichen Transaktion zusammengeführt werden, die den Zeitpunkt des Vorgangsbeginns, eine fortlaufende Transaktionsnummer, die Art des Vorgangs, die Daten des Vorgangs, den Zeitpunkt der Vorgangsbeendigung und einen Prüfwert enthält. Diese Datensätze erleichtern den Prüfern die Arbeiten zukünftig enorm, da mithilfe des Zeitstempels und der fortlaufenden Transaktionsnummer Geschäftsvorfälle eindeutig identifiziert werden können. Bei der Festlegung der Zeitquelle ließ sich das Bundesfinanzministerium wiederum von dem für meine Fraktion wichtigen Grundsatz der technologieoffenen Lösung leiten. Damit können verschiedene technische Ansätze mitberücksichtigt werden. Darüber hinaus regelt die Verordnung insbesondere die Anforderungen an die einheitliche digitale Schnittstelle, die Speichermedien, die technische Sicherheitseinrichtung, den Beleg und den Zertifizierungsprozess. Dadurch wird Rechtssicherheit sowohl für die Nutzer von Kassensystemen als auch die mit der Kassennachschau oder der Außenprüfung betrauten Mitarbeiter der Finanzverwaltung geschaffen. Wichtig ist mir zu betonen, dass die Verordnung lediglich vorgibt wie die Datensätze aufgebaut sein müssen und wie die technischen Richtlinien und Schutzprofile auszugestalten sind. Der Nutzer hat es folglich selbst in der Hand, von welchem Anbieter er sein System bezieht, solange es diese Standards erfüllt. Mit dieser Verordnung schließen wir in dieser Wahlperiode einen langen Diskussionsprozess über technische Vorkehrungen ab, um Steuerbetrug mittels Kassensystemen zu begegnen. Gleichwohl bin ich mir sicher, dass wir uns auch nach den Wahlen weiter mit diesem Thema befassen werden. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen für die guten Beratungen und beim Bundesfinanzministerium für die stets gute Zusammenarbeit und Unterstützung. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Der Kassenbetrug in Deutschland richtet Jahr für Jahr einen großen finanziellen Schaden an, insbesondere für den Fiskus, also die Gemeinschaft, den Staat. Nach konservativen Schätzungen des Bundesrechnungshofs (BRH) gehen dem Staat auf diese Weise 10 Milliarden Euro pro Jahr verloren. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und auch einige Länderfinanzministerien halten auch weit höhere Ausfälle in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro für realistisch. Da bis zum Dezember 2016 keine gesetzliche Regelung vorlag, welche die Korrektheit und Vollständigkeit von Kassendaten sichergestellt hat, war es notwendig, ein entsprechendes Gesetz zu schaffen. Das wollten CDU und CSU zunächst nicht. Erst als die Finanzminister der SPD-geführten Länder, vor allem Norbert Walter-Borjans aus NRW, die Dimension des Kassenbetrugs in die Öffentlichkeit trugen und somit öffentlichen Druck auf das Bundesfinanzministerium (BMF) aufbauten, entstand ein Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf enthielt eine Reihe von Schlupflöchern, die auch weiterhin Kassenbetrug zugelassen hätten. Einige davon konnten wir in den Verhandlungen schließen. Aber die brettharte Blockadehaltung der CDU/CSU und des Bundesfinanzministeriums hat dafür gesorgt, dass noch immer einige Schlupflöcher verblieben sind. Das Gesetz weist einen leeren Anwendungsbereich auf, weil die Geräte, auf welche die Regelungen Anwendung finden sollen, erst später in der jetzt vorgelegten Verordnung festgelegt werden und mit INSIKA die einzige schon heute verfügbare technische Lösung für Kassensysteme verhindert wurde. Auch eine Registrierkassenpflicht war mit der Union nicht zu machen. Wer nun weiterhin betrügen möchte, trägt seine Kasse auf den Schrottplatz. Dennoch haben wir diesem Gesetz zugestimmt, weil nur so sichergestellt ist, dass überhaupt eine gesetzliche Regelung existiert. Diese muss nun zwar unbedingt verbessert, aber immerhin nicht neu geschaffen werden. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass dem Gesetz im Nachgang eine Verordnung folgen soll, welche das Gesetz mit Leben füllt und die technischen Anforderungen an Kassensysteme regelt. Über diese Verordnung stimmen wir nun im Bundestag ab. Leider hält die Verordnung nicht, was das Bundesfinanzministerium versprochen hat. Die technischen Anforderungen werden auch jetzt nicht klar geregelt. Diese Aufgabe wird nun an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) übertragen. In den Gesetzesberatungen hat das BMF stets betont, eine technologieoffene Lösung schaffen zu wollen. Wir hatten damals schon ernste Zweifel an dieser Absicht, vor allem weil die gegenwärtig einzig einsetzbare Software INSIKA verhindert wurde. Nun sieht die Verordnung vor, dass die Kassensysteme eine Zeitquelle zur Protokollierung des Vorgangs aufweisen müssen. Diese Anforderung zementiert den Ausschluss der bestehenden Technologie INSIKA. Damit ist die Verordnung gerade nicht technologieoffen; denn sie schließt eine bestehende und erprobte Technologie gezielt aus. Die Verordnung schließt ebenfalls die Aufnahme von Taxametern in den Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Dabei handelt es sich hier um eine Branche, in der Kassenbetrug vielfach passiert. Im Rahmen der Anhörung der Sachverständigen haben die Taxiverbände explizit darum gebeten, die Taxameter mit in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes einzubeziehen und dem Kassenbetrug zu begegnen. Denn dieser Steuerbetrug schadet nicht nur dem Staat, sondern auch einem funktionierenden und fairen Wettbewerb. Die guten Erfahrungen der Länder mit einer Regulierung der Taxameter werden dabei schlicht ignoriert. Das macht die Entscheidung erst Recht unverständlich. Des Weiteren hat das BMF auf die hohen Kosten und den technischen Aufwand für die Taxibetreiber verwiesen, wenn diese sich erst einen Drucker für ihr Taxi besorgen müssten. Ein solches Gerät ist bereits für unter 200 Euro auf dem Markt erhältlich. Auch dieses Argument überzeugt nicht. Das BMF hatte in den Gesetzesberatungen in Aussicht gestellt, mit der Verordnung „klarstellend“ die Aufnahme von kassenähnlichen Systemen in den Anwendungsbereich des Gesetzes zu regeln. Die Verordnung schließt diese Systeme nun ausdrücklich aus. Das ist umso unverständlicher, als eine Mehrzahl der Länder, deren Steuerverwaltungen mit ihren Prüfern und Steuerfahndern Tag für Tag mit Kassenbetrug konfrontiert sind, im Vorfeld massive Bedenken gegen den Verordnungsentwurf vorgebracht haben. Die Länder haben insbesondere den Anwendungsbereich kritisiert. Das BMF hat das ignoriert. Warum stimmt eigentlich die SPD-Fraktion einem solch schlechten, jedenfalls für den Fiskus schlechten Gesetz zu? Weil schon mit wenigen Änderungen und Streichungen sowohl der Anwendungsbereich definiert werden kann als auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens – eine Aufgabe für neue Mehrheiten in der neuen Legislaturperiode. Diese Verordnung ist trotz allem ein erster Schritt, die Grundvoraussetzung zu schaffen, um die Regelungen des Kassengesetzes mit Leben zu füllen. Es ist jedoch erforderlich, dass in einem zweiten Schritt der Anwendungsbereich ausgedehnt wird und zumindest Taxameter Bestandteil der Regelungen werden. Daher stimmen wir widerwillig dieser Verordnung zu, fordern das BMF aber zugleich auf, sofort mit den Vorbereitungen für eine Überarbeitung der Verordnung zu beginnen. Der zweite Schritt hin zu einer echten technologieoffenen Lösung soll zeitnah gemacht werden. Das BMF muss dabei auf die Experten aus den Ländern hören. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich, dass das BMF eine Protokollerklärung abgegeben hat, mit der es sich zur Nachbesserung bis Mitte nächsten Jahres verpflichtet – in enger Abstimmung mit den Ländern. Es ist nicht übertrieben, zu sagen: Unser Druck war dabei sehr hilfreich. – Ich hoffe, das BMF überwindet die Verharmlosung von Betrug und nimmt seine Selbstverpflichtung ernst. Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen werden wir jedenfalls das Kassengesetz und die Kassensicherungsverordnung möglichst bald auf Wirksamkeit umstellen. Andreas Schwarz (SPD): Wir beschließen heute zu später Stunde die Kassensicherungsverordnung. Damit präzisieren wir die Details des Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassensysteme, das wir erst kürzlich nach langem und intensivem Ringen beschlossen haben. Der Schaden durch Steuerhinterziehung durch manipulierte Kassensysteme beträgt jährlich mindestens 10 Milliarden Euro. Manche Experten schätzen sogar deutlich mehr. Es ist dem Hohen Hause bekannt, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion schon das eigentliche Gesetz kritisch sehen. Und auch heute geraten wir nicht in die Euphorie, die manch anderer über diese Verordnung glaubt haben zu müssen. Nein, sie hat Mängel. Sie ist nicht sonderlich konkret. Sie ist nicht sonderlich effektiv. Sie lässt viele technologische Möglichkeiten vollkommen ungenutzt, die bereits am Markt existieren, und sie ignoriert vorhandene Projekte, die funktionieren. Immerhin konnten wir Sozialdemokraten erreichen, dass sich das Bundesfinanzministerium mit einer Protokollerklärung zur zeitnahen Nachbesserung verpflichtet. Gemeinsam mit den Ländern werden wir nun noch im ersten Halbjahr 2018 Verbesserungen erreichen. Diesen Nachbesserungsbedarf sehen wir insbesondere beim Taxigewerbe. Der Verordnungsentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble enttäuscht hier auf ganzer Linie und verfehlt sein Ziel. Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, die Länder und sogar die beiden großen Taxiverbände haben bereits bei der Ressortabstimmung vom Bundesfinanzministerium gefordert, dass der Anwendungsbereich wenigstens auf Taxameter ausgedehnt wird. Obwohl Hamburg Steuerbetrug im Taxigewerbe erfolgreich unterbindet, verhindert das Bundesfinanzministerium weiterhin, dieses Modell bundesweit wirksam einzusetzen. Nicht zuletzt verhindert die Verordnung auch eine bereits am Markt vorhandene Lösung: INSIKA. Diese funktioniert nicht nur sofort, sondern ist zudem auch noch kostengünstig. Falls durch dieses offenkundig bewusste Verhindern nun Lösungen am Markt entwickelt werden, die vermutlich deutlich teurer sein werden als INSIKA, dann trägt allein Bundesfinanzminister Schäuble dafür die Verantwortung. Ich bin gespannt, wie die Kolleginnen und Kollegen von der Union den Händlern erklären wollen, dass sie gegen den Willen der SPD eine teurere und bürokratischere Lösung durchgesetzt haben. Experten aus den Steuerverwaltungen der Länder haben außerdem auf zahlreiche technische Mängel hingewiesen. Diese Bedenken wurden vom BMF ignoriert. Hier wird die Evaluation schnell zeigen, wo es zu Problemen kommen wird. Diese müssen dann umgehend behoben werden. Wir stimmen mit großen Bauchschmerzen der Verordnung zu. Trotz der benannten Mängel bietet sie die Möglichkeit, unter anderen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag und in der Hausführung des BMF aus ihr und dem Gesetz tatsächlich ein wirkungsvolles Instrument gegen Steuerbetrug zu machen, so wie es sich Minister Schäuble zumindest in seinen Presseerklärungen immer wünscht. Wir werden den Ankündigungen des Kollegen Dr. Schäuble unsere Taten folgen lassen. Richard Pitterle (DIE LINKE): Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Verordnung ist nicht nur kein großer Wurf, sondern ein schlechter Witz; denn der Regelungsgehalt der Verordnung geht gegen null. Die große Koalition legt damit wieder einmal den Schluss nahe, dass ihr der Kampf gegen Steuerbetrug nicht sonderlich wichtig ist. Noch einmal zum Hintergrund der Verordnung: 10 Milliarden Euro jährlich gehen dem Fiskus nach Schätzungen aufgrund von Steuerbetrug durch Kassenmanipulation verloren. Diese Kassenmanipulation geschieht alltäglich, zum Beispiel in der Gastronomie. Man zahlt das Essen, der Kellner kassiert, auf der Abrechnung des Lokals für das Finanzamt taucht die Flasche Wein dann aber plötzlich nicht mehr auf. Das ist ganz einfach, es gibt sogar extra Software, die die in die Registrierkasse eingegebenen Umsätze frisiert und nach unten schraubt. Wer gar keine Registrierkasse hat, kann letztlich sowieso angeben, was er will. Vor einem halben Jahr hat der Bundestag deswegen das sogenannte Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen beschlossen. Auf Betreiben der großen Koalition war das Gesetz leider kein großer Wurf. Gute Ansätze waren zwar vorhanden. Wir Linke haben da aber bereits die Schlupflöcher im Gesetz bemängelt; denn leider fehlt eine grundsätzliche Registrierkassenpflicht, und auch die Belegausgabepflicht kann umgangen werden. Auch hat die große Koalition damals darauf verzichtet, das INSIKA-Verfahren in das Gesetz zu übernehmen. Mit INSIKA hätte aber eigentlich ein fertiges, bewährtes technisches Konzept zur Umsetzung des Schutzes vor Kassenmanipulationen bestanden. Stattdessen wurde das Gesetz laut großer Koalition technologieoffen gestaltet. „Technologiefern“ hätte es besser getroffen. Die jetzige Verordnung sollte diese Lücke eigentlich schließen und die Anforderungen an die technische Umsetzung des Schutzes vor Kassenmanipulation festlegen. Weil diese Frage der technischen Umsetzung von großer Bedeutung ist, wurde im vorausgegangenen Gesetz auch extra geregelt, dass die jetzige Verordnung der Zustimmung des Bundestages bedarf. Es wurde sogar explizit in den § 146a der Abgabenordnung geschrieben, dass die Verordnung unter anderem die Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle enthalten soll. Schaut man nun in die Verordnung, fällt sogleich auf, dass sie sehr dünn geraten ist. Der eigentliche Regelungstext umfasst gerade einmal drei Seiten. Noch dazu wurde vieles einfach aus dem vorausgegangenen Gesetz kopiert und wiederholt. Wenn man nun die eben erwähnten Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle sucht, so findet sich in § 5 der Verordnung Folgendes: Die Festlegung dieser Anforderungen ist einfach an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und das Bundesfinanzministerium weitergegeben worden. Damit wird die Verordnung wirklich ad absurdum geführt. Wenn wir als Bundestag vorher festlegen, was diese Verordnung zu enthalten hat, dann muss sich das Bundesfinanzministerium auch danach richten, ob es Herrn Schäuble passt oder nicht. Wenn wir uns als Bundestag ernst nehmen, dann können wir dieser Verordnung schlicht nicht zustimmen. Mit dieser Verordnung wird nichts geregelt. Man könnte das gar als eine Verhöhnung des Parlamentes bezeichnen, das nur kurz abnicken soll, dass die eigentlich wichtigen Entscheidungen woanders getroffen werden. Die Linke wird dabei nicht mitmachen. Wir lehnen dieses Nullum von einer Verordnung daher ab. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachdem der Deutsche Bundestag im Dezember 2016 ein Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an Registrierkassen verabschiedet hat, liegt uns heute die technische Durchführungsverordnung zur Beschlussfassung vor. Bereits vor 13 Jahren stellte der Bundesrechnungshof fest, dass durch manipulierte Registrierkassen massiv Steuerbetrug und Schwarzgelderwirtschaftung betrieben wird. In Registrierkassen gespeicherte Daten können in vielen Systemen beliebig, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen, verändert werden. Durch den Betrug mit manipulierten Kassen entgehen den Haushalten von Bund und Ländern Jahr für Jahr schätzungsweise 10 Milliarden Euro. Problemverschärfend ist, dass steuerloyale Unternehmen zunehmend unter den Wettbewerbsnachteilen gegenüber steuerunehrlichen Konkurrenten leiden. Das Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems, der freie und faire Wettbewerb, ist in bestimmten Wirtschaftszweigen stark gefährdet. Die Bundesregierung hat sich mit der Lösung dieses Problems viel zu lange Zeit gelassen, anstatt entschlossen zu handeln. Ein solcher Zeitbedarf bis zum Vorliegen einer ersten Regelung ist in einem sich stürmisch entwickelnden digitalen Bereich deutlich zu groß. Dies gilt auch für die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs auf digitalen Handelsplattformen. Dabei ist dieses Problem bereits seit Monaten bekannt, und der damit verbundene Schaden beläuft sich nach einer Schätzung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft auf mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr. Auch bei diesem Problem sind die Lösungsmöglichkeiten allen Verantwortlichen bekannt, aber die Bundesregierung verschiebt die Entscheidung auch in dieser Frage in die Zukunft. In der heute vorliegenden Kassensicherungsverordnung werden unter anderem die elektronischen Aufzeichnungssysteme festgelegt, die zukünftig über eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung im Sinne des § 146 AO verfügen müssen. Demnach werden die Regelungen zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen lediglich auf elektronische oder computergestützte Kassensysteme Anwendung finden. Explizit ausgenommen werden Fahrscheinautomaten, Fahrscheindrucker, elektronische Buchhaltungsprogramme, Waren- und Dienstleistungsautomaten, Geldautomaten, Taxameter und Wegstreckenzähler sowie Geld- und Warenspielgeräte. Diese Auswahlentscheidung ist in dieser Form nicht nachvollziehbar. Eine Ausweitung auf weitere Geräte, zum Beispiel Taxameter, Geld- und Warenspielgeräte, wäre zudem zukünftig nur durch eine Änderung der Verordnung möglich. Grundlage für die Entscheidung über die Aufnahme von elektronischen Aufzeichnungsgeräten in die Definition des § 1 KassenSichV hätte eine sorgfältige, transparente und nachvollziehbare Abwägung zwischen dem Manipulationsrisiko und dem erforderlichen Aufwand für den Steuerpflichtigen sein müssen. Wäre die Bundesregierung so vorgegangen, wäre die Ausnahmeregelung für Taxameter und Wegstreckenzähler sowie Geld- und Warenspielgeräte nicht zu rechtfertigen gewesen. Denn die Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Sicherungssysteme im Bereich der Taxiunternehmen in Hamburg sowie zuletzt in Berlin belegen eindrucksvoll, in welchem Umfang in dieser Branche durch unehrliche Marktteilnehmer Steuern und Abgaben hinterzogen werden. Laut einem im Auftrag der Stadt Berlin erstellten Gutachten hat eine Plausibilitätsprüfung ergeben, dass 80 Prozent der Berliner Taxibetriebe jenseits der betriebswirtschaftlichen Plausibilität arbeiten. Mit dieser Wettbewerbsverzerrung scheint die Bundesregierung kein Problem zu haben, sonst hätte sie Taxameter und Wegstreckenzähler ja nicht von der Liste der aufzeichnungspflichtigen Geräte ausgenommen. Übrigens müssen aktuelle Taxameter laut EU-Richtlinie 2004/22/EG bzw. EU-Richtlinie 2014/32/EG bereits heute Einzelaufzeichnungen führen. Die Taxameter könnten über eine ebenfalls bereits heute vorgeschriebene Datenschnittstelle unproblematisch mit einer technischen Sicherheitseinrichtung verbunden werden, um Manipulationen zu verhindern. Weiterhin kritisch zu bewerten sind die Sicherheitsanforderungen bezüglich der Protokollierung von digitalen Grundaufzeichnungen in der Verordnung. Sicherheitssysteme, die diese Anforderungen erfüllen, sind noch nicht auf dem Markt, sondern müssen in den kommenden Jahren entwickelt, getestet und vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert werden. Wann diese Verfahren überhaupt praxistauglich einsatzfähig sind, ist völlig ungewiss. Diese Situation wäre aber vermeidbar gewesen, wenn auf das einzig bekannte Verfahren zum Schutz vor Manipulationen an Kassen zurückgegriffen worden wäre. Das bislang einzig nutzbare System zur Verhinderung von Manipulationen an Kassensystemen, das sogenannte INSIKA-System, wird durch die Verordnung praktisch unbrauchbar, da es in der jetzigen Form die Voraussetzungen, die in der Verordnung an eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung gestellt werden, nicht erfüllen kann. Vor dem Hintergrund, dass erstens das INSIKA-Verfahren über Jahre von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der PTB entwickelt und vom BMWi gefördert wurde, dass zweitens das INSIKA-Verfahren in Hamburg erfolgreich in der Praxis funktioniert hat, ist der faktische Ausschluss des INSIKA-Verfahrens nicht nachvollziehbar. Die von der Bundesregierung vorgebrachten Argumente gegen das INSIKA-Verfahren überzeugen nicht. Im Gegenteil, das von der Bundesregierung präferierte System einer zertifizierten Sicherheitseinrichtung weckt nicht nur bei uns, sondern auch auf Fachebene bei den Steuerprüfern und den Kassenherstellern erhebliche Zweifel hinsichtlich Wirksamkeit, Umsetzbarkeit und Prüfaufwand. In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal auf unsere kritischen Fragen zu den Kosten der Zertifizierungslösung hinweisen. Im Raum stehen Beträge von 75 000 Euro für die Kassenhersteller. Es ist völlig klar, dass die Kassenhersteller diese Kosten auf Kassenkäufer abwälzen werden. Nicht nur nach unserer Einschätzung, sondern auch nach Meinung aller Experten wäre die INSIKA-Lösung deutlich preiswerter für die Wirtschaft gewesen. Da die vorgelegte Verordnung weder den Stand der Technik widerspiegelt noch die Problematik inhaltlich aufgreift, werden wir sie ablehnen müssen. Ich gehe davon aus, dass der Finanzausschuss sich mit diesem Thema zukünftig noch intensiv beschäftigen wird. Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (Tagesordnungspunkt 33) Hansjörg Durz (CDU/CSU): Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart: Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. ... Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Im vergangenen Sommer haben wir deshalb das Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes verabschiedet und darin einen Gleichklang sowie eine Gleichbehandlung von WLAN-Anbietern und Zugangsprovidern festgelegt. Damit wurde der politische Wille, wie er im Koalitionsvertrag zum Ausdruck kam, umgesetzt. Nachdem die Änderung des Telemediengesetzes im Deutschen Bundestag beschlossen war, hat der EuGH im Fall „McFadden“ entschieden und ist dabei nicht – wie von vielen erwartet – dem Generalanwalt gefolgt. Aufgrund dieses Urteils ist nun die Bundesregierung zu der Auffassung gekommen, dass das geänderte Gesetz nochmals verändert werden müsse. Das Bundeswirtschaftsministerium hat daraufhin den heute zu beratenden Entwurf vorgelegt. Der Gesetzentwurf wird sehr kontrovers diskutiert, insbesondere werden die darin enthaltenen Sperren stark kritisiert. Nach ersten intensiven Beratungen innerhalb der Arbeitsgruppen, mit Juristen und Experten aus den verschiedenen Branchen, mit Verbänden und Unternehmen, lässt sich festhalten, dass aktuell drei Optionen auf dem Tisch liegen: Erstens. Erhalt des Status-Quo/Passwort-Verschlüsselung: Bei der ersten Option erfolgt die Sicherung eines offenen WLAN durch Passwortverschlüsselung. Die Verschlüsselung muss vom Betreiber aber erst dann eingerichtet werden, nachdem er hierzu nach erster (richterlicher) Anordnung infolge einer Rechtsverletzung durch Dritte aufgefordert wurde. Erfolgt keine Rechtsverletzung, muss der Betreiber auch keine Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Zudem fallen bei der ersten Aufforderung für den WLAN-Betreiber keinerlei Kosten, etwa Prozesskosten etc., an. Bei dieser Option bleibt also der Satus quo aus dem Zweiten TMG-Änderungsgesetz erhalten. Sie folgt gleichsam den sich aus dem EuGH-Urteil „McFadden“ ergebenden Anforderungen zur Sicherung eines offenen WLAN-Anschlusses. Zweitens. Abschaffung der Störerhaftung in Verbindung mit Seitensperrungen: Diese Option entspricht dem vorliegenden, neuen Gesetzentwurf: die Abschaffung jeglicher Haftungsrisiken für die Betreiber von offenem WLAN. Gleichzeitig räumt der Gesetzentwurf den Rechteinhabern jedoch einen Rechtsanspruch gegenüber den WLAN-Anbietern ein, bestimmte Seiten zu sperren. In der Konsequenz sind die Betreiber bei dieser Option von der Haftung befreit. Auf der anderen Seite kann es aber zu einer Art „Löschung auf Zuruf“, also zu unverhältnismäßigen Sperrungen von Webseiten und Portsperrungen am Router oder auch zu Datenmengenbegrenzungen, kommen. Drittens. Komplette Abschaffung der Störerhaftung ohne weitere Auflagen: Die dritte und letzte Option wird aus Sicht bestimmter Anbieter und von Teilen der Netzgemeinde favorisiert: eine komplette Abschaffung der Störerhaftung ohne jegliche verpflichtende Auflagen für die WLAN-Betreiber. Diese dritte, vermeintlich einfachste Variante, nämlich die Abschaffung der Störerhaftung ohne Auflagen, ist schlicht nicht umsetzbar, da sie den Schutz der Rechteinhaber vollkommen unberücksichtigt lässt und gegen Europarecht verstößt. Diese Lösung – das müssen wir klipp und klar sagen – ist nicht europarechtskonform und verstößt gegen die bestehende EU-Urheberrechtsrichtlinie. Dieser Ansatz der kompletten Abschaffung der Störerhaftung ohne jegliche Haftungsregelungen und damit ohne jegliche Möglichkeit der Durchsetzung von Rechten bei Rechtsverletzungen durch Dritte ist nicht umzusetzen. Es wäre nicht mit geltendem EU-Recht konform. Zudem haben wir auch in der Vergangenheit immer betont, dass gegenüber dem berechtigten politischen Anliegen einer schnellen Verbreitung von offenem WLAN die Rechte von Urhebern nicht zur Disposition stehen. Und sicherheitspolitische Aspekte gäbe es bei dieser Lösung auch noch zu diskutieren. Wir müssen uns daher intensiv mit den Möglichkeiten der beiden ersten Optionen, nämlich der Beibehaltung des Status qua oder aber der Abschaffung der Störerhaftung in Verbindung mit Sperren, befassen. Unser Ziel war immer: mehr offenes WLAN bei gleichzeitiger Rechtssicherheit für Nutzer, Betreiber und Rechteinhaber. Mit welchem der beiden Varianten erreichen wir dieses Ziel besser? Im Zuge der Gespräche mit Fachleuten und Sachverständigen zu dem neuerlichen Gesetzentwurf hat sich keine eindeutige Einschätzung herauskristallisiert. Es gibt die eine Seite, die für die Beibehaltung des Status quo plädiert, und die andere, die für die vorgeschlagene dritte Änderung des Telemediengesetzes argumentiert. Diese beiden Sichtweisen gilt es im nun folgenden parlamentarischen Verfahren abzuwägen. Trotz des Willens, möglichst schnell zu einer Lösung zu kommen, müssen wir doch sehr sorgfältig abwägen, welche Vorgehensweise tatsächlich mehr Rechtssicherheit schafft. Axel Knoerig (CDU/CSU): Mit der Änderung des Telemediengesetzes im letzten Sommer haben wir die Ausweitung freier WLAN-Netze hierzulande vorangetrieben. Auch in meinem Wahlkreis wird zunehmend kostenloses Internet angeboten: Immer mehr Kommunen stellen an zentralen Plätzen oder in öffentlichen Einrichtungen einen WLAN-Zugang bereit, zum Beispiel in Freibädern, Jugendzentren und Mehrgenerationenhäusern. Das kommt dem Ausbau einer modernen Infrastruktur und dem Tourismus bei uns im ländlichen Raum zugute. Mit dem Gesetz wurden auch viele innovative Projekte angestoßen: So wurden im Rahmen des Luther-Jahres in der Stadt Wittenberg insgesamt 20 Hotspots eingerichtet. Und bei Hannover gibt es bereits die ersten Parkbänke mit WLAN-Anschluss. Ganz aktuell in diesem Zusammenhang plant die EU ein neues Förderprogramm: Mit 120 Millionen Euro sollen bis zu 8 000 Kommunen gefördert werden, um öffentliche Internetzugänge bereitzustellen. Trotz dieser erfolgreichen Entwicklung sieht das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin Nachbesserungsbedarf: Mit dem vorliegenden Entwurf des 3. Telemedienänderungsgesetzes soll noch mehr Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter geschaffen werden. Dabei müssen sie bereits seit der letzten Gesetzesänderung keine teuren Abmahngebühren mehr fürchten, sofern ein Rechtsverstoß erstmals erfolgt. Diese Novelle, die noch dazu in kürzester Zeit verabschiedet werden soll, bringt viele Nachteile mit sich: Besonders kritisch ist der Punkt, dass künftig nicht nur WLAN-Anbieter von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen befreit werden. Vielmehr sollen alle Zugangsanbieter davon entbunden werden, also auch die großen Telekommunikationsfirmen. Das würde klar zulasten von Rechteinhabern wie Künstlern oder Verlagen gehen. Diese wiederum sollen durch eine andere Neuregelung gestärkt werden: So will man WLAN-Betreiber unter anderem dazu verpflichten, den Zugang zu bestimmten Webseiten zu sperren. Dabei ist aber Folgendes zu beachten: Erstens. Eine völlige Befreiung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen verstößt gegen europäisches Recht. Zweitens. Netzsperren sind erfahrungsgemäß wenig wirksam. Sie bedeuten zugleich einen hohen Aufwand für WLAN-Betreiber, da Sperrungen immer aktualisiert werden müssen. Die Folge sind neue Rechtsunsicherheiten und Einschränkungen der Informationsfreiheit. Wir haben also in der Koalition noch einiges zu diskutieren. Das Thema WLAN ist mit dem Thema Breitbandausbau eng verknüpft. Daher möchte ich auch hierzu etwas sagen: Mit unserem Bundesprogramm fördern wir den Breitbandausbau in ländlichen Region. Wir investieren 4 Milliarden Euro bis 2018 für flächendeckendes schnelles Internet. Auch der Landkreis Diepholz profitiert von einer Förderung in Höhe von 15 Millionen Euro. Im Zuge der Planungen in den verschiedenen Regionen wird inzwischen eine Tendenz deutlich, die unsere Aufmerksamkeit erfordert: Und zwar zeigen einzelne Netzbetreiber nach Zusage der Fördermittel doch Interesse daran, zuvor als „weiße Flecken“ definierte Gebiete auszubauen. Dadurch werden viele bereits geplante Betreibermodelle nachträglich unwirtschaftlich. Mit dieser Art von unfairer Vorteilsnahme wird der Breitbandausbau in ganzen ländlichen Regionen gefährdet. Hier besteht ein Problem auf den Glasfasermärkten, das wir dringend angehen müssen. Nur so können wir schnelles Internet und WLAN in ganz Deutschland bekommen. Marcus Held (SPD): Wir behandeln heute in erster Lesung den Entwurf eines mittlerweile Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes. Es ist noch nicht so lange her, dass wir den Zweiten Entwurf in ein Gesetz gegossen hatten. Jedoch hatte am 15. September 2016 dann der Europäische Gerichtshof so entschieden, dass es für WLAN-Betreiber erneut keine Rechtssicherheit mehr gab. Das wollen wir mit vorliegendem Gesetzentwurf nun endgültig ändern. WLAN-Betreiberinnen und betreiber benötigen Rechtssicherheit, wenn diese ihren WLAN-Zugang für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Und wir brauchen mehr öffentliches WLAN in Deutschland. Immer noch gibt es die WLAN-Wüste Deutschland. Der Zugang zum Internet gehört meiner Meinung nach mittlerweile zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Schulen, Bibliotheken, Cafés, aber auch Unternehmen profitieren in hohem Maße davon. Insofern plädiere ich dafür, schnellstmöglich diese Rechtssicherheit zu schaffen. Auch wenn es zeitlich ziemlich knapp ist, sollte das in dieser Legislaturperiode noch möglich sein. Dazu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen sehr guten Vorschlag gemacht, auf dessen Grundlage wir in der Koalition im Juni nun beraten können. Mir ist bewusst, dass es aufseiten der Innen- und Kulturexperten Bedenken gegen das Gesetz gibt, weil eben Urheberrechtsverletzungen oder auch Sicherheitsrisiken gesehen werden, wenn es vermehrt offene WLAN-Netze gibt. Auch mit diesen Bedenken wollen wir uns während des Gesetzgebungsprozesses auseinandersetzen, um diese auszuräumen. Hierzu besteht zumindest schon einmal das Instrumentarium der Evaluation des Gesetzes nach einer bestimmten Jahresfrist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Gäste aus anderen europäischen Ländern, die ich oft hier in Berlin oder auch im Wahlkreis begrüßen darf, über das WLAN-unfreundliche Deutschland wundern. Besonders die ausländische Tourismusbranche schüttelt hier den Kopf, wie ich es alljährlich auf der Tourismusmesse ITB vernehmen kann. Als jemand, der aus einer touristisch aufstrebenden Region, nämlich Rheinhessen, kommt, ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir hier zu einem guten Ergebnis kommen, wo wir es am Ende schaffen, es gesetzlich so rechtssicher zu machen, dass es zu keiner weiteren Änderung des Telemediengesetzes mehr kommen muss. Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen mit meinen Fraktions- und Unionskollegen und danke dem Bundeswirtschaftsministerium schon einmal herzlich für seinen guten Gesetzentwurf. Lars Klingbeil (SPD): Der heute in erster Lesung zu beratende Entwurf für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (3. TMGÄndG) ist notwendig geworden, nachdem eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15. September 2016 erneut Fragen hinsichtlich der Rechtssicherheit für WLAN-Hotspots aufgeworfen hat. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eine gute Grundlage, um das mit dem 2. Telemedienänderungsgesetz verfolgte Ziel auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu erreichen. Mit dem 2. Telemedienänderungsgesetz hat der Deutsche Bundestag klargestellt, dass auch WLAN-Anbieter die volle Haftungsprivilegierung als Internetzugangsanbieter (Access-Provider) genießen. Durch die Gleichstellung von WLAN-Anbietern mit Access-Providern ist eine Haftung eines WLAN-Anbieters für Rechtsverletzungen Dritter ausgeschlossen. Ein Internetzugangsanbieter kann damit weder zur Zahlung von Schadenersatz noch zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen oder außergerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten begangenen Rechtsverletzung verpflichtet werden. Die Privilegierung der WLAN-Betreiber schließt auch eine Inanspruchnahme auf Beseitigung und Unterlassung aus. Nicht ausgeschlossen hat auch das 2. Telemedienänderungsgesetz die Möglichkeit einer gerichtlichen Anordnung, wie sie das europäische Recht vorgibt. Diese Anordnung darf aber nicht eine Verschlüsselungs- und/oder Registrierungspflicht zur Folge haben. Zwar hat der EuGH dies im Grundsatz bestätigt. Zugleich hat er aber festgestellt, dass ein Gericht oder eine nationale Behörde gegen einen WLAN-Betreiber eine Anordnung erlassen kann, um der Wiederholung einer Rechtsverletzung vorzubeugen. Dies könne beispielsweise eine Anordnung zur Verpflichtung zur Verschlüsselung des Netzes und zur Registrierung der Nutzerinnen und Nutzer erreicht werden, wobei zahlreiche andere – weniger weitreichende – Möglichkeiten in dem Urteil nicht erwähnt werden. Unklarheit besteht darüber, wer die Kosten für eine solche gerichtliche Anordnung tragen muss. Das Urteil hat damit erneut Rechtsunsicherheit hervorgerufen, da Anbieter nun fürchten, ihren WLAN-Hotspot verschlüsseln zu müssen und abgemahnt zu werden. Dies könnte beispielsweise dazu führen, dass Kommunen Investitionen in offene WLAN-Hotspots zurückstellen, weil sie befürchten müssen, dass ein Gericht ihnen diese Auflagen anordnet und sie sie schlichtweg nicht erfüllen können. Diese Rechtsunsicherheit soll durch die erneute Anpassung des Telemediengesetzes beseitigt werden. Ich danke der Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries, dass sie die Initiative ergriffen und diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat, um das wichtige Ziel der Koalitionsvereinbarung und der Digitalen Agenda der Bundesregierung, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen, erreichen zu können. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Umfang der Haftungsbeschränkung für Internetzugangsanbieter klar geregelt. Darüber hinaus werden diese weitgehend von der Kostentragungspflicht, insbesondere bei Abmahnungen, befreit. Schließlich sieht der Gesetzentwurf eine Klarstellung vor, dass WLAN-Betreiber nicht von einer Behörde verpflichtet werden dürfen, Nutzer zu registrieren, ihr WLAN nicht mehr anzubieten oder die Eingabe eines Passworts zu verlangen. Da die europarechtlichen Vorgaben der Urheberrechts- und der Durchsetzungsrichtlinie explizit gerichtliche Anordnungen gegen Diensteanbieter vorschreiben, sieht der Gesetzentwurf zugleich vor, dass Rechteinhaber von den Diensteanbietern die „Sperrung der Nutzung der Information verlangen können, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern“. Hierfür soll mit dem Entwurf eine „Anspruchsgrundlage für gerichtliche Anordnungen“ gegen Access-Provider geschaffen werden. Ich sehe zwei Punkte, über die im parlamentarischen Verfahren noch geredet werden müsste: Der eine betrifft die Anspruchsgrundlage für gerichtliche Anordnungen. Eine solche Anordnung bedarf einer Grundrechtsabwägung, weswegen ihr zwingend eine konstitutive gerichtliche Anordnung vorausgehen muss. Damit einher geht die Frage der Kostentragung. Der zweite Punkt betrifft die notwendige Klarstellung, dass auch Gerichte WLAN-Anbieter nicht dazu verpflichten dürfen, die Gewährung des Zugangs von a) der Registrierung der Nutzer, b) der Verschlüsselung des WLAN-Netzes abhängig zu machen oder c) die Einstellung des WLAN-Angebots zu fordern. Diese Änderungen, die in ähnlicher Form auch seitens des Bundesrates gefordert werden, entsprechen dem, worauf sich die Koalitionsfraktionen bereits mit dem 2. Telemedienänderungsgesetz verständigt haben. Von daher spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, den Entwurf mit diesen Änderungen schnell zu beschließen und so wieder Rechtssicherheit für WLAN-Hotspots zu schaffen. Wir haben einen knappen Zeitplan, um das Gesetz noch bis zur Sommerpause zu verabschieden und um ein zentrales Vorhaben der Digitalen Agenda umzusetzen. Es ist gut, dass es der Bundeswirtschaftsministerin gelungen ist, diesen Kompromiss zu erreichen und diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Weg zu bringen. Nun liegt es an unserem Koalitionspartner, dieses wichtige Vorhaben nicht zu gefährden. Offenbar gibt es aber Überlegungen in der Unionsfraktion, diesen in der Bundesregierung gefundenen Kompromiss grundsätzlich infrage zu stellen. Aus Sicht der SPD-Fraktion kann ich daher nur feststellen, dass die rote Linie für uns der bereits mit dem 2. Telemedienänderungsgesetz gefundene Kompromiss darstellt, den der Gesetzentwurf nochmals klarstellt. Auf dieser Grundlage können wir uns im Parlament sehr schnell auf eine weitere Novellierung des Telemediengesetzes verständigen, um auch nach dem Urteil des EuGH Rechtssicherheit für öffentliche WLAN-Hotspots sicherzustellen. Eine Verschlechterung der jetzigen Rechtslage darf es auf keinen Fall geben. Dies widerspräche auch diametral dem Koalitionsvertrag und der Digitalen Agenda. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Störerhaftung für WLAN-Betreiber ist ein Paradebeispiel dafür, wie man es sich als Gesetzgeber mit einem sehr einfachen Problem sehr lange sehr schwer machen kann. Das Problem: Wer in Deutschland ein für die Öffentlichkeit zugängliches WLAN betreibt, setzt sich der Gefahr aus, für Rechtsverstöße geradestehen zu müssen, die andere unter Benutzung dieser Internetverbindung begehen. Die Folge: Offene WLAN-Netze sind in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Mangelware, obwohl sie einen wichtigen Baustein für den Zugang zu digitaler Infrastruktur darstellen. Spätestens seit einem Urteil des BGH von 2010 ist auch klar, dass der Gesetzgeber gefordert ist, sich dieses Problems anzunehmen. So einfach wie das Problem ist, so simpel wäre auch die Lösung: Es braucht nichts anderes als eine gesetzliche Klarstellung, dass WLAN-Betreiber in dieser Hinsicht genauso zu behandeln sind wie alle anderen Zugangsanbieter. Das Problem schien dann irgendwann auch erkannt gewesen zu sein: Jedenfalls kündigt der Koalitionsvertrag von 2013 an, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen und sie bei der Haftung analog zu anderen Zugangsanbietern zu behandeln. Passiert ist dann erst einmal nichts. 2014 kam die Digitale Agenda; da haben Sie das noch einmal bekräftigt und einen Gesetzentwurf „in Kürze“ angekündigt. Kurz danach haben wir selbst einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Problem vollumfänglich gelöst hätte. Den haben Sie natürlich abgelehnt. Erst 2016 kam dann Ihr Gesetzentwurf. Nur ist der an das Gesetz so halbgar herangegangen, dass das eigentliche Problem immer noch nicht gelöst wurde, selbst nachdem einiger, noch größerer Unfug daraus entfernt wurde. Damals habe ich im Plenum dazu gesprochen und Ihnen angekündigt, dass mit Ihrem Entwurf weitere Rechtsstreitigkeiten folgen werden, weil Sie immer noch keine Haftungsfeststellung für Unterlassungsansprüche vorsehen. Damals haben die Kollegen von CDU und SPD dazwischengerufen – ich habe noch einmal ins Protokoll gesehen –, das würde alles gar nicht stimmen und wäre ein völlig falsches Rechtsverständnis. Jetzt – ein Jahr später – legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, in dem sie feststellt, dass weitere Rechtsstreitigkeiten gefolgt sind und dass es jetzt notwendig wäre, eine Haftungsfreistellung für Unterlassungsansprüche vorzusehen. Welche Überraschung! Gerne würde ich mich darüber freuen, dass nun endlich das erreicht ist, was schon vor Jahren sehr leicht zu haben gewesen wäre. Aber Sie haben es zustande gebracht, auch in diesen Entwurf schon wieder einen Fallstrick einzuflechten: Die Anbieter von WLAN-Zugängen sollen nun ausgerechnet zur Einrichtung von Netzsperren verpflichtet werden können. Und da fallen wir nach dem großen Bogen von 2010 zu heute auf einmal auf den Diskussionsstand von 2009 zurück und müssen wohl ernsthaft wieder über Löschen statt Sperren reden. Meine Damen und Herren: Wir müssen uns vielleicht Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen. Aber bitte nicht als vorbildlichen Netzpolitiker. Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass die digitale Infrastruktur in diesem Land längst noch nicht da ist, wo wir sie alle gerne sehen würden, hat einen Grund: Und zwar diese Bundesregierung. Ausnahmsweise möchten wir in diesem Zusammenhang nicht Herrn Dobrindt in die Pflicht nehmen, sondern was das bis heute andauernde Versagen der Bundesregierung betrifft, endlich Rechtssicherheit für Betreiber von öffentlichem WLAN herzustellen, so heißen die verantwortlichen Ministerinnen und Minister Zypries, Gabriel, Rösler und Brüderle. Die verschiedenen Namen zeigen schon einmal die zeitliche Dimension des Problems; zu den inhaltlichen Dimensionen komme ich später: Das Versprechen der Bundesregierung von Frau Merkel, die sogenannte Störerhaftung zu beseitigen und endlich eine rechtssichere Bereitstellung von öffentlichem WLAN zu ermöglichen, ist über den Zeitraum von mittlerweile beinahe zwei Legislaturperioden immer wieder erneuert worden. Weil es immer noch nicht eingelöst wurde und leider auch der vorliegende Gesetzentwurf einmal mehr am Ziel vorbeischießt, wird dieses Versprechen durchaus zu Recht schon als Running Gag der Digitalpolitik dieser Bundesregierung bezeichnet. Das Spiel war und ist dasselbe: Grundsätzlich unterstützenswerte Vorhaben werden im Zuge der digitalpolitischen Gehversuche dieser Bundesregierung in gesetzliche Regelungen übersetzt, die diesen Vorhaben ganz und gar nicht gerecht werden oder aber an den entscheidenden Stellen so unpräzise sind, dass sie auf die Auslegung von Gerichten angewiesen sind. Auf die offensichtlichen Fehler der Vergangenheit wird dann eine Form von regulativem Pflaster geklebt, im selben Zuge dann aber wiederum völlig ohne Not ein bisher noch ungesehenes regulatives Gespenst in die Debatte gezerrt, das abermals zu Verwirrung und Rechtsunsicherheiten führt. Auch im vorliegenden Gesetzentwurf ist das grundsätzlich formulierte Vorhaben der Bundesregierung nicht nur begrüßenswert, sondern das, worauf wir seit Jahren warten: Dass eine längst überfällige Befreiung der Diensteanbieter von Haftung und Abmahnkosten im Zusammenhang mit Rechtsverstößen Dritter bereits das Ziel der letzten Änderungen am Telemediengesetz durch die Bundesregierung im vergangenen Jahr war, sagt die Bundesregierung an dieser Stelle selbst. Neben der wichtigen Klarstellung, dass die Haftungsbefreiung auch für die Kosten für gerichtliche Unterlassungsanordnungen gilt, sollen WLAN-Betreiber zudem nicht von Behörden verpflichtet werden können, Nutzer zu registrieren oder eine Passworteingabe zu verlangen. Bedauerlicherweise sind entsprechende Anordnungen durch Gerichte aber nach wie vor möglich. Hier hat die Bundesregierung auch eine entsprechende Anregung des Bundesrates abgelehnt. Wiederum völlig ohne Not bringt sie im vorliegenden Entwurf gleich zwei neue Gespenster in die parlamentarische und öffentliche Debatte ein: Erstens sollen WLAN-Betreiber durch Anordnungen einer Behörde nun zur temporären Einstellung ihrer Dienste verpflichtet werden können. Die vagen Verweise auf die Abwehr von Gefahren und entsprechende Rechtsgrundlagen erwecken nicht den Eindruck, als ob hierbei zukünftig kritische Interpretationsspielräume ausgeschlossen seien. Zweitens schafft die Bundesregierung einen Anspruch von Rechteinhabern gegenüber Zugangsanbietern, die Sperrung der Nutzung von Informationen zu verlangen, und bringt in diesem Zusammenhang von sich aus Netzsperren von bestimmten Ports und Seitenzugriffen ins Spiel. Davon abgesehen, dass Netzsperren nicht umsonst höchst umstritten sind: Entgegen der eigentlichen Zielvorgabe dieses Gesetzentwurfs müssten WLAN-Betreiber die Kosten eines verlorenen Widerspruchs tragen, wenn sie sich sozusagen dem „Zuruf“ eines Rechteinhabers und dessen Forderung eine Netzsperre entziehen und der Rechteinhaber vor Gericht gewinnen sollte. Wohin das führt, haben Verbraucherschützer, Bürgerrechtlerinnen und Wirtschaftsverbände in ihrer doch sehr deutlichen Kritik dargelegt: Große Diensteanbieter befürchten, bevorzugtes Ziel von Sperranforderungen zu werden; kleine und private WLAN-Betreiber fürchten, aufgrund des mit Sperranforderungen einhergehenden technischen und bürokratischen Aufwands sowie aufgrund des finanziellen Risikos kein offenes WLAN anbieten zu können. Ich befürchte, beide haben Recht. In jedem Fall führt diese Regelung zu Wettbewerbsverzerrungen. Zusätzlich zum Risiko eines Overblocking, von dem zumal auch einige vielfach genutzte legale Angebote betroffen sein dürften, besteht durch die möglicherweise drohenden Gerichtskosten genau eines nicht: Rechtssicherheit. Da hilft es auch nicht, dass sich die Bundesregierung in ihrem Legislaturbericht Digitale Agenda, zu dem wir ja auch morgen noch diskutieren werden, bereits ausführlich dafür lobt, einen sicheren Rechtsrahmen für WLAN geschafft zu haben – noch vor dem aktuell hier laufenden parlamentarischen Verfahren. Was hier auf Hochglanzpapier gedruckt wurde, ist nicht mehr als das, was es seit nunmehr bald sieben Jahren ist: ein uneingelöstes Versprechen. Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 34) Jutta Eckenbach (CDU/CSU): Der Staat hat die Aufgabe, den Opfern unter unseren Soldaten, Wehrdienstleistenden oder Opfern von Gewalttaten mit staatlichen Leistungen zu helfen. Unter anderem ist diese Aufgabe im Bundesversorgungsgesetz geregelt. Die Hilfen können vielfältiger Art sein, und es ist ein besonders wichtiger Aspekt, dass es beim zusätzlichen Bezug von Sozialleistungen auch einen entsprechenden angemessenen, nicht anrechenbaren Vermögensfreibetrag gibt. Den Freibetrag im Sozialgesetzbuch XII haben wir bereits im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes angehoben, um auch dem Personenkreis im Sozialgesetzbuch XII eine Verbesserung zu verschaffen, welche wir der Gruppe von relativ gut verdienenden Arbeitnehmern mit Behinderungen durch höhere Einkommensfreigrenzen in der Eingliederungshilfe auch gegeben hatten. Nun stellen wir auch bei den Leistungsempfängern nach dem Bundesversorgungsgesetz und den Gesetzen, die eine Anwendung des BVG vorsehen, also unter anderem dem Opferentschädigungsgesetz, sicher, dass der Vermögensschonbetrag angehoben wird. Diesen Gesetzentwurf nutzen wir zugleich, um eine ganze Reihe von Änderungsanträgen anzuhängen, welche eine enorme Bandbreite widerspiegeln. Wir ändern das Opferentschädigungsgesetz, um deutschen Opfern von Gewalttaten im Ausland – die hoffentlich nicht stattfinden werden – eine höhere Leistung zukommen zu lassen. Diese Beträge sind seit 2009 nicht verändert worden, und wir halten diese Erhöhung für notwendig und angemessen. Weitere Änderungen im OEG besprechen und diskutieren wir seit langem, und wir sind auf einem guten Weg, diese intensiven Vorbereitungen abzuschließen. Dann können wir in der kommenden Wahlperiode dieses wichtige Projekt auf Grundlage dieser langwierigen Vorarbeit angehen. Eine andere wichtige Änderung betrifft das Asylrecht. Bereits 2015 gab es Hinweise von Leistungsbehörden, zum Beispiel Jobcentern, die bei unklarer Identität des Antragstellers gerne eine Überprüfung der Fingerabdrücke durchführen wollten. Das gab die Rechtslage aber nicht her. Nun wird es möglich sein, dass bei Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und bei Zweifeln über die Identität ein Fingerabdruckscan vorgenommen werden kann. Damit werden Leistungsmissbrauch und – was genauso wichtig ist – Mehrfachidentitäten verhindert. Der Mindestlohn begleitet uns durch die gesamte Wahlperiode, und wir werden nun eine ganz besondere Lücke schließen. Viele freie Träger zum Beispiel in der Jugendhilfe beteiligen sich an Ausschreibungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und III bei der Bundesagentur für Arbeit und gerieten immer wieder ins Hintertreffen, wenn sie mit bestimmten anderen Anbietern konkurrieren mussten. Es gab immer wieder Anbieter – die BA spricht von circa 16 Prozent –, die den in der Weiterbildungsbranche geregelten tariflichen Mindestlohn nicht zahlen müssen und somit auch nicht in das Angebot einfließen ließen, wenn sie die ausgeschriebene Dienstleistung nicht überwiegend, also zu mindestens 50 Prozent, angeboten hatten. Dieses Überwiegensprinzip verursachte also eine Lücke in der Kalkulation zulasten der Träger, die den tariflichen Mindestlohn zahlen. Diese Lücke schließen wir nun, indem bei öffentlichen Aufträgen alle zur Zahlung des tariflichen Mindestlohns verpflichtet werden können. Das ist im Interesse der bisher benachteiligten Träger, aber auch insgesamt aller Beschäftigten bei allen Trägern. Die öffentliche Anhörung hat ergeben, dass auch von einer Qualitätssteigerung auszugehen ist, da mithilfe dieser Neuregelung die Fachkräftegewinnung leichter wird. Außerdem passen wir das Steuerverfahrensrecht an die EU-Datenschutz-Grundverordnung an, die zum 25. Mai 2018 in Kraft treten wird. Im Bereich der Sozialdaten gab es in der öffentlichen Anhörung keine Zweifel, dass unser hohes Datenschutzniveau erhalten bleibt. Eine große Baustelle sind die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft. Da die Selbstverpflichtung der Industrie nicht wirklich viel gebracht hat, werden wir heute eine eigens für die Fleischindustrie geschaffene gesetzliche Regelung verabschieden. Hier wird es Änderungen geben, die die Rechte der Beschäftigten stärken. So soll vermieden werden, dass die Beschäftigten beispielsweise Arbeitsschutzkleidung selbst bezahlen sollen. Auch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen soll sichergestellt werden durch die Einführung einer Beitragshaftung. Wichtig ist auch die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten. Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Die Verbesserungen, die wir mit dem Bundesteilhabegesetz bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen erreichen konnten, waren immens. Es profitieren nun vor allem diejenigen, die Eingliederungshilfe beziehen und auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sind. Uns war es aber ebenfalls immer ein großes Anliegen, dass auch die von der Reform profitieren, die nicht selbst für sich sorgen können – oft sind das geistig und psychisch behinderte Menschen in Werkstätten. Deshalb wurde der Vermögensschonbetrag für Grundsicherungsempfänger des SGB XII angehoben. Per Verordnung wurde der Sparerfreibetrag zum 1. April dieses Jahres von 2 600 Euro auf 5 000 Euro fast verdoppelt. Das ist eine gute Sache für die Betroffenen! Wie so oft bei Änderungen in Sozialgesetzbüchern bedingt das eine jedoch auch anderes. An den Vermögensschonbeträgen in der Sozialhilfe orientieren sich zum Beispiel auch die Schonbeträge im Bundesversorgungsgesetz und der Kriegsopferfürsorge. Dort sind sie allerdings grundsätzlich etwas großzügiger gestaltet, um dem Aufopferungsgedanken angemessen Rechnung zu tragen. Durch die Erhöhung der Beträge im SGB XII wäre dieser Personenkreis nun schlechtergestellt worden. Daher wird auch das Schonvermögen im Bundesversorgungsgesetz und in der Kriegsopferfürsorge-Verordnung angehoben. Das ist nicht nur eine logische Anschlussänderung, sondern eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit den Betroffenen. Das vorliegende Gesetz beinhaltet jedoch noch einen großen Anhang an weiteren Gesetzesänderungen. Neben vielen redaktionellen Ausbesserungen stehen dabei vor allem folgende Änderungen im Mittelpunkt: Erstens. Es wird eine Mindestlohnlücke geschlossen. Träger von Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II oder SGB III können nun bei der Ausführung öffentlicher Aufträge zur Zahlung des Mindestlohns verpflichtet werden. Gerade an dieser sensiblen Stelle können nun also gerechte Löhne garantiert werden. Darüber hinaus werden explizit die Rechte der Beschäftigten in der Fleischindustrie gestärkt. Das ist nötig, weil die Fleischindustrie nicht ohne Grund öfter für ihre Arbeitsbedingungen kritisiert wird. Zweitens. Im nächsten Jahr wird die EU-Datenschutz-Grundverordnung unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das gesamte deutsche Datenschutzrecht muss deshalb auf seine Vereinbarkeit mit der Verordnung überprüft werden. Änderungsbedarf wurde bereits im Steuerverfahrensrecht und beim Sozialdatenschutz erkannt. Besagte Gesetze werden deshalb im Sinne der Datenschutzverordnung angepasst. Drittens. Behörden erhalten nun die Möglichkeit, bei Zweifeln über die Identität eines Asylbewerbers per Fingerabdruckscanner seine Identität prüfen zu lassen. Ziel ist es, einen Leistungsmissbrauch durch Identitätstäuschung zu vermeiden. Alle Sozialbehörden sollen mit einem solchen Scanner ausgestattet werden. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Geschehnisse ist eine solche Möglichkeit wichtig. Der Sozialstaat darf sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Der Leistungsberechtigte hat dabei eine Mitwirkungspflicht. Ihm drohen also Kürzung oder Entzug der Leistungen, wenn er seinen Fingerabdruck nicht zur Verfügung stellt. Alles in allem werden mit dem zu beschließenden Gesetz also keine Paradigmenwechsel eingeleitet. Es werden aber sinnvolle und notwendige Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, weil Gutes immer noch besser gemacht werden kann! Dr. Matthias Bartke (SPD): Es ist jetzt genau ein halbes Jahr her, dass wir im Deutschen Bundestag das Bundesteilhabegesetz beschlossen haben. Dieses Gesetz ist aus den verschiedensten Gründen ein ganz besonderes. Dazu zählt vor allem, dass wir schon beim Entstehungsprozess dem Motto gefolgt sind: „Nichts über uns ohne uns“. Das Bundesteilhabegesetz ist aber auch ein besonders eindrucksvolles Beispiel für das Struck’sche Gesetz: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.“ Zu den zahlreichen Verbesserungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben, gehört auch die Anhebung des Vermögensschonbetrags in der Sozialhilfe. Statt wie bisher 2 600 Euro gelten nun 5 000 Euro als kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte. Von Vermögen in dieser Höhe darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden. Damit haben wir den finanziellen Freiraum für Bezieher von Sozialhilfe deutlich erhöht. Das gilt vor allem für Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, wenn sie auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Sie können nun auch auf eine größere Anschaffung sparen – ganz nach eigenem Gutdünken. Vermögensschonbeträge sind aber nicht nur für die Sozialhilfe geregelt. Sie findet man auch im Bundesversorgungsgesetz und in der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge. Diese Regelungen sind aber schon seit Jahrzehnten günstiger ausgestaltet als die Regelungen zur Sozialhilfe. Und das nicht ohne Grund: Das Bundesversorgungsgesetz regelt die staatlichen Leistungen für Personen, die durch Krieg, militärischen oder militärähnlichen Dienst einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben. Es regelt auch die Leistungen für ihre Hinterbliebenen. Die höheren Schonbeträge sollen dem Gedanken des Sonderopfers Rechnung tragen. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben. Wir heben daher auch die Vermögensschonbeträge in der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge an. Damit werden wir weiterhin der besonderen Lebenslage der Betroffenen und dem Charakter des sozialen Entschädigungsrechts gerecht. Dem Gesetzentwurf geben wir außerdem eine ganze Reihe von Änderungen mit auf den Weg. Dazu zählen unter anderem gleich mehrere redaktionelle Änderungen, vor allem im Bundesteilhabegesetz. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und manchmal fliegen die Späne eben auch in die falsche Richtung. Es ist deswegen gut, dass wir sie hier wieder einsammeln und entsprechende redaktionelle Anpassungen vornehmen. Der Änderungsantrag gibt aber nicht nur Raum für die Berichtigung von Redaktionsversehen. Wir setzen damit noch verschiedenste Vorhaben um, die uns zum Teil schon eine ganze Weile durch die Legislatur begleiten. Dazu gehört der vergabespezifische Mindestlohn für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts haben wir schon Ende 2015 beschlossen. Durch diese Reform haben wir soziale Aspekte bei der Beschaffung umfassend gestärkt. In Bezug auf die Arbeitsmarktdienstleistungen konnten wir außerdem konkrete Qualitätskriterien durchsetzen. Damit haben wir einen großen Schritt gemacht für mehr Qualität bei Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen. Das war für uns in der SPD von höchster Priorität. An einem Punkt haben wir uns aber doch noch gerieben: Den Zuschlag bekommt nach wie vor das wirtschaftlichste Angebot, was sich eben nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt. Damit bleibt beim Vergabeverfahren im Zweifelsfall derjenige zurück, der nach besserem Tariflohn zahlt und daher einen höheren Preis verlangt. Zwar gibt es einen Mindestlohn für die Aus- und Weiterbildungsbranche. Das sogenannte Überwiegensprinzip ist aber der Grund, weshalb nicht alle Träger diesen Tariflohn zahlen müssen. Die Arbeitgeber sind zur Entlohnung nach Tarifvertrag nämlich nur dann verpflichtet, wenn mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit in ihrem Betrieb auf die vom Tarifvertrag erfassten Tätigkeiten entfallen. Viele Weiterbildungseinrichtungen bieten ihre Leistungen aber auch für private Unternehmen oder im Rahmen von europäischen Förderprogrammen an. Wenn sie ihre Angebotspalette auf diese Weise vergrößern, fällt der Anteil ihrer Dienstleistungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung nach dem SGB II und SGB III schnell unter die 50 Prozent. Sie müssen dann also nicht den Mindestlohn der Aus- und Weiterbildungsbranche bezahlen und haben damit einen Kostenvorteil bei der Vergabe. Das Resultat ist ein Preiswettbewerb, der auf Kosten der Qualität und des Personals geht. Es ist klar, dass uns das in der SPD ein Dorn im Auge blieb. Im Zuge der Vergaberechtsmodernisierung konnten wir dieses Problem leider noch nicht lösen. Ein Problem, das außerdem mit europarechtlichen Bedenken behaftet war. Ich bin froh, dass wir diese – auch durch unsere große Beharrlichkeit – endlich aus dem Weg geräumt und eine Lösung gefunden haben. Durch den nun vorgesehenen Vergabemindestlohn werden auch die Träger zur Entlohnung nach Tarifvertrag verpflichtet, die nicht dem Tariflohn der Aus- und Weiterbildungsbranche unterliegen. Damit sichern wir die faire Entlohnung des Personals. Wir erhoffen uns, dass die bessere Bezahlung die Motivation der Beschäftigten steigert und es zu weniger Personalfluktuation kommt. Mit dem Vergabemindestlohn verhindern wir außerdem ungerechtfertigte Preisvorteile. Das schafft mehr Chancengleichheit zwischen den Trägern. Am Ende gewinnt die Qualität. Davon profitieren in jedem Jahr Tausende von Menschen, deren Aus- und Weiterbildung über ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, ihre Jobsicherheit und Aufstiegschancen entscheidet. Ich habe an dieser Stelle nur eine der zahlreichen Änderungen vorgestellt. Ich will Ihnen aber versichern, dass jede einzelne wohl bedacht ist. Ich freue mich, dass sie nicht der wenig verbliebenen Zeit bis zum Ende der Legislatur zum Opfer fielen, sondern in gemeinsamer Anstrengung heute zur Abstimmung gebracht wurden. Frank Junge (SPD): Im vergangenen Jahr hat der Deutsche Bundestag mit dem Steuermodernisierungsgesetz die rechtlichen Voraussetzungen für den umfassenden Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung im Besteuerungsverfahren geschaffen. Dadurch wird künftig die Abgabe der Steuererklärung vereinfacht und die Arbeit der Finanzämter effizienter gemacht. Einen entscheidenden Teil haben wir im damaligen Gesetz jedoch bewusst ausgeklammert: das Thema Datenschutz. Grund war damals, dass wir die Implementierung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung abwarten wollten, um anschließend die spezifischen datenschutzrechtlichen Regelungen für das Besteuerungsverfahren optimal anpassen zu können. Diese Datenschutz-Grundverordnung tritt nun am 25. Mai 2018 in Kraft. Da sich das zunächst geplante Anpassungsgesetz unter der Federführung des Bundesministeriums des Inneren verzögert, nehmen wir die das Besteuerungsverfahren betreffenden Änderungen nun im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vor. Ich sage ganz offen: Ich bin mit dieser Vorgehensweise nicht glücklich. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten uns ausführlicher mit dem Thema und den notwendigen gesetzlichen Änderungen auseinandersetzen können. Es gibt aber auch einen guten Grund, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Auf diese Weise schaffen wir Klarheit über die datenschutzrechtlichen Regelungen, auf die sich die Finanzverwaltung und die Steuerpflichtigen einstellen müssen. Ich bin der Auffassung, dass die vorliegenden Anpassungen im Bereich des Datenschutzes sinnvoll und vertretbar sind. Wir treffen mit dem Gesetz wesentliche Regelungen zu den Informationspflichten der Finanzbehörden und den Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrechten der Betroffenen. Die Steuerpflichtigen haben ein umfassendes Auskunftsrecht über ihre Daten gegenüber der Finanzbehörde. Bei der Auskunftserteilung müssen allerdings die Belange des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen einer wirkungsvollen Bekämpfung der Steuerhinterziehung abgewogen werden. Ich halte es deshalb für richtig, dass die Auskunftserteilung dann verweigert werden kann, wenn die Informationen den Steuerpflichtigen in die Lage versetzen könnten, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern oder Spuren zu verwischen. Die Finanzbehörden müssen die Ablehnung der Auskunftserteilung begründen. Zudem kann der Betroffene Widerspruch beim Bundesdatenschutzbeauftragten einreichen. Auf Drängen der SPD-Fraktion konnten zwei entscheidende Erfolge in den Beratungen mit dem Koalitionspartner und im Finanzausschuss erzielt werden: Zum einen haben wir dafür gesorgt, dass die Behörde des Bundesdatenschutzbeauftragten, die künftig die Zuständigkeit über die Aufsicht der Finanzbehörden hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten inne hat, auch mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden soll. Hierzu heißt es im Bericht des federführenden Ausschusses für Arbeit und Soziales: „Die Bundesbeauftragte wird für die sachgerechte Ausübung ihrer neuen Kompetenzen allerdings zusätzliches Personal und zusätzliche Sachmitteln benötigen. Hierfür ist hinreichende Haushaltsvorsorge zu treffen.“ Ich erwarte deshalb, dass die Behörde mit ausreichend Personal und Sachmitteln ausgestattet wird. Des Weiteren ist es uns gelungen, die Rechte der Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde noch einmal zu stärken. Wir haben etwa im Bericht des federführenden Ausschusses Beispiele für die „geeigneten Maßnahmen“ aufgenommen, die die Finanzbehörden zum Schutz der betroffenen Personen ergreifen sollen, wenn eine Auskunft durch die Behörde unterbleibt. Dies ist zum einen die Bereitstellung allgemeiner Informationen für die Öffentlichkeit, zum Beispiel in Form einer Informationsbroschüre oder einer Veröffentlichung auf der Website der Finanzverwaltung. Zum Zweiten muss die Informationsausgabe der Finanzbehörden umgehend erfolgen, sobald der Hinderungsgrund der Nichtausgabe der Information entfallen ist. Auch wenn man über das Verfahren streiten kann, so bin ich überzeugt, dass wir an dieser Stelle eine sachgerechte Anpassung der Datenschutzregelungen im Bereich des Steuerrechts erzielt haben. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Gesetz. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Wir Linke haben die Behandlung der Dutzenden von vorliegenden Änderungen an dem Bundesversorgungsgesetz als Omnibus-Änderungsantrag schon mehrfach kritisiert. Es kann nicht sein, dass wir Änderungen unter anderem am Handelsgesetzbuch, am Genossenschaftsgesetz, am Patentgesetz, an den Sozialgesetzbüchern I, II, III, VII, IX, X sowie XII – es sind noch viele andere mehr – zu unterschiedlichen Zwecken in einem Tagesordnungspunkt behandeln, und dann noch nicht mal eine Debatte im Bundestag dazu führen. Omnibusverfahren wie diese erschweren es uns Abgeordnete, die zur Abstimmung vorgelegten Gesetzesinitiativen ordnungsgemäß und gewissenhaft im Interesse der Allgemeinheit zu prüfen. Und sie erleichtern es Lobbyisten, Änderungen zugunsten von Partikularinteressen unbemerkt durchzudrücken. Wenn Demokratie funktionieren soll, wenn vor allem auch die Politik für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein soll, muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Den Gesetzentwurf sowie den Änderungsantrag der Koalition müssen wir ablehnen, denn es ist zu viel Fragliches dabei. Ich kann hier aber nur auf einzelne Punkte eingehen. Zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz: Sie sind schlicht überflüssig. Der mehrfache Leistungsbezug infolge ungeklärter Identitäten war ein Übergangsphänomen der Jahre 2015 und 2016, als die Behörden mit der korrekten Erfassung vieler Asylsuchender nicht nachgekommen sind. Nach Angaben der Bundesregierung ist aber mittlerweile die Identifizierung aller Asylsuchenden sichergestellt, Mehrfachmeldungen unter unterschiedlichen Identitäten würden bereits bei Antragstellung aufgedeckt. Die wenigen Missbrauchsfälle, die überhaupt noch denkbar sind, rechtfertigen die geschätzten Kosten von 4 Millionen Euro bei weitem nicht. Zudem drohen diese sinnlosen Regelungen einen Pauschalverdacht gegen Geflüchtete zu legitimieren. Damit sind sie Wasser auf die Mühlen der Rechten, genauso wie die skandalösen Asylrechtsverschärfungen des letzten Jahres. Die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und SPD sollten aufhören, rechte Stammtischparolen in Gesetzesform zu gießen. Das vorgeschlagene Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ist dementgegen zu begrüßen. Als Abgeordnete aus Niedersachsen weiß ich genau, dass die Ausbeutung in der Fleischindustrie schon lange besonders verheerend ist. Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnbereich lag 2014 in der Branche bei 41 Prozent – fast doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft bei 22 Prozent. Gerade in der Fleischindustrie, wo das Arbeitsvolumen sinkt, die Produktion aber steigt, gilt: Der Profit einiger weniger wird auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet. Die deutschen Fleischbarone sind dabei, den europäischen Markt zu erobern – auf dem Rücken der Beschäftigten. Die Massentierhaltung und die Dumpinglöhne in der Fleischindustrie ermöglichen, dass 40 Prozent des in Deutschland produzierten Fleisches, über 3 Millionen Tonnen pro Jahr, exportiert werden. Der Durchschnittslohn der Kernerwerbstätigen liegt in der Branche bei 1 977 Euro – ein Lohn, der bei weitem nicht ausreicht, um nach 45 Jahren eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen. Es ist dem langen Atem der Gewerkschaft NGG und den Betriebsräten zu verdanken, dass flächendeckender Missbrauch von Werkverträgen und unwürdige Arbeitsbedingungen nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden konnten. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion wissen wir, dass 2015 bundesweit 171 Ordnungswidrigkeitsverfahren und 256 Strafverfahren eingeleitet wurden, unter anderem wegen Verstößen gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht von Arbeitszeiten oder, weil vorgeschriebene Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag missachtet werden. Die Verfahren bilden aber nur die Spitze des Eisberges; denn aufgrund fehlender Beweismaterialien werden die meisten Fälle nie verfolgt. Eine verpflichtende Zeiterfassung morgens bei Arbeitsbeginn, wie vom Gesetz vorgesehen, würde es den Behörden erleichtern, gegen Verstöße von Arbeitgeberseite zu ermitteln. Dies ist ein erster Schritt und ist längst überfällig. Es muss aber noch viel mehr getan werden, damit alle Beschäftigten, auch in der Fleischindustrie, ein würdiges Leben führen können. Es ist Zeit für ein neues Normalarbeitsverhältnis: Unbefristete sozialversicherungspflichtige Jobs, die unter Tarifverträge fallen und angemessen bezahlt werden, dürfen nicht länger die Ausnahme sein, sondern müssen wieder zur selbstverständlichen Regel werden. Deswegen fordert die Linke umfassende gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit sowie ein umfassendes Mitbestimmungsrecht für Betriebs- und Personalräte. Auch bedarf es dringend eines Mindestlohns von 12 Euro. Nur so können wir sicherstellen, dass alle ihrer Arbeit in Würde nachgehen können. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Große Koalition mutet dem Bundestag mit dem Gesetzentwurf, den wir hier heute diskutieren, enorm viel zu; denn eigentlich ist es auch nicht ein Gesetzentwurf, sondern ein sogenannter Omnibus, das heißt, es handelt sich um einen Gesetzentwurf, an den weitere Gesetzentwürfe angehängt wurden – in diesem Fall viele Gesetzentwürfe. Das Verfahren ist eines, das ich in der Zeit, die ich im Bundestag bin, noch nicht erlebt habe. Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt zehn Seiten. Dabei ging es um einfache Anpassungen wie die Anhebung der Schonvermögen im Bundesversorgungsgesetz und der Kriegsopferfürsorge, die wir als grüne Bundestagsfraktion begrüßen und mittragen. Doch dann legte man kurz vor der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales einen ersten Änderungsantrag vor, der nicht weniger als 75 Seiten umfasste. Dazu gehörten hochkomplexe und grundlegende Veränderungen des Sozial- und Finanzdatenschutzes insbesondere im SGB I sowie in der Abgabenordnung. Hinzu kam noch die umfangreiche zweite Tranche der Umsetzung der DGSVO, der Datenschutz-Grundverordnung. Der eigentlich für Datenschutz zuständige Innenausschuss wusste davon nichts. Hinzu kam eine äußerst ungewöhnliche Sachverständigenanhörung. So gab es zu manchen Teilen, wie den Änderungen zum Asylbewerberleistungsgesetz, nur einen einzigen Sachverständigen, der sich dazu geäußert hat. Die Bundesdatenschutzbeauftragte und der Hamburger Datenschutzbeauftragte betonten in ihren schriftlichen Stellungnahmen, dass sie wegen der Kürze der Zeit nur zu ausgewählten Fragen und nur kursorisch Stellung nehmen konnten. Hinzu kam, dass die große Koalition weniger als 24 Stunden vor der Ausschussberatung einen weiteren, 90-seitigen Änderungsantrag vorlegte. Alles zusammen genommen ist das ein Verfahren, das formal noch korrekt ist, aber eigentlich ist es unmöglich, die Gesetzestexte bei einem solchen Verfahren noch ausreichend zu prüfen. Ich schiebe das vorweg und betone das, weil es einen Teil unserer Ablehnung heute erklärt, obwohl es einige Aspekte in dem Gesetzentwurf gibt, die wir richtig finden und ausdrücklich unterstützen. Dass wir den ursprünglichen Gesetzentwurf unterstützt hätten, hatte ich schon gesagt. Positiv an den Änderungsanträgen ist außerdem die Einführung eines vergabespezifischen Mindestentgeltes für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen im SGB II und III zu bewerten. Vor allem begrüßen wir als grüne Bundestagsfraktion das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft. Gerade die Fleischwirtschaftsbranche ist mit ihrer hohen Dichte an mafiösen Strukturen und den oftmals katastrophalen Arbeits- und Lohnbedingungen seit Jahren ein Problem. Eigentlich gelobte die Fleischbranche Besserung. Doch sind die Zustände in der Fleischindustrie noch immer verheerend. Noch immer gibt es zahlreiche Klagen von Beschäftigten über ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Die Wohn- und Lebenssituationen sind höchst prekär. Es geht um Steuer- und Sozialversicherungsbetrug. In diesem Industriezweig wird ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen, und zwar ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten. Der Branchenmindestlohn reicht da nicht aus, und deshalb fordern wir Grünen schon lange weitergehende Regelungen. Der Gesetzentwurf greift unsere jahrelange Kritik endlich auf. Deshalb begrüßen wir, dass jetzt ein Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte innerhalb der Fleischwirtschaft geschaffen wird. Die vorgelegten Vorschläge wurden auch von den Sachverständigen in der Anhörung unterstützt. Wir hoffen sehr, dass das Gesetz auch tatsächlich Wirkung zeigt. Wir haben deshalb im Ausschuss in getrennter Abstimmung auch dafür gestimmt. Zweifel haben wir an den Vorschlägen beim Asylbewerberleistungsgesetz. Hier geht es um verbesserte Möglichkeiten von Behörden, Fingerabdrücke von Asylbewerber*innen zu nehmen, um deren Identität zu überprüfen. Hintergrund der Änderungen sind die Mehrfachidentitäten von Anis Amri. Es geht also um das Schließen von Sicherheitslücken – und nicht, wie in der Begründung steht, um Sozialmissbrauch. Das scheint einerseits sinnvoll, andererseits bleiben datenschutzrechtliche Zweifel, der Hauch eines Generalverdachtes gegenüber Geflüchteten sowie fehlende Lösungsansätze, was die praktische Umsetzung des Gesetzes bezüglich Sachmittel und Personalausstattung betrifft. Wir haben uns deswegen im Ausschuss dazu enthalten. Neben dem beschriebenen Verfahren sind es vor allem die Datenschutzbedenken, die auch durch die beiden Datenschutzbeauftragten in der Anhörung betont wurden, die für uns zu einer Gesamtablehnung führen. Der Gesetzentwurf drängt die Datenschutzrechte Betroffener, die in der Datenschutz-Grundverordnung durch unmittelbar geltendes EU-Recht geschaffen wurden, deutlich zurück. Die Beschränkungen der Rechte auf Auskunft und Information, der Ausschluss des Rechts auf Widerspruch, die Einschränkung des Rechts auf Löschung – all das geht weit über das von der DSGVO erlaubte Maß hinaus. Wir lehnen dieses Omnibus-Gesetz ab und sollten – egal in welcher Konstellation – in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen, dass es solche Omnibusgesetzverfahren, wie wir es hier erlebt haben, nicht mehr gibt. Anlage 32 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke und Katja Keul (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 34) Das Bundesversorgungsgesetz muss für viel herhalten. Insgesamt 30 weitere Artikel beinhaltet das Gesetz, allesamt Gesetzesänderungen, die ganz andere Dinge betreffen, als im Bundesversorgungsgesetz geregelt sind. Omnibusverfahren nennen wir das im Bundestag. Auf die Schnelle versucht die Große Koalition, auf diese Weise möglichst viele Gesetzesänderungen noch eben kurz vor dem Ende der Legislaturperiode durch den Bundestag zu jagen und abzuschließen. So finden sich im Bundesversorgungsgesetz, das heute beschlossen wurde, unter anderem höchst umstrittene Datenschutzregelungen, denen wir als grüne Bundestagsfraktion auf keinen Fall zustimmen können. Daher haben wir als Fraktion beschlossen, dass wir dem gesamten Gesetzespaket mit all seinen 30 Artikeln nicht zustimmen können. Für uns ist das an einer Stelle fatal. Denn mit Artikel 30 innerhalb des Bundesversorgungsgesetzes wird ein Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte innerhalb der Fleischwirtschaft geschaffen. Und diesem Gesetz können wir aus ganzem Herzen zustimmen; denn hier werden wirklich gute Regelungen für die Beschäftigten in der Fleischwirtschaft getroffen. Leider stimmen wir im Bundestag aber nicht über einzelne Artikel innerhalb eines Gesetzes ab, sondern nur über das ganze Gesetz. Deshalb konnten wir diesem Artikel zwar im Ausschuss zustimmen, aber im Plenum nicht. Die Zustimmung ist uns aber wichtig. Deshalb möchten wir die Zustimmung in dieser persönlichen Erklärung auch dokumentieren. Die verheerenden Zustände in der Fleischindustrie sind bekannt. Die Medien sprechen längst schon von Sklavenhaltermethoden. Das System des Anwerbens und Unterbringens ausländischer Beschäftigter, von Steuer- und Sozialversicherungsbetrug ist viel zu gut eingespielt. In diesem Industriezweig wird ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen – und zwar ausschließlich auf dem Rücken der Beschäftigten. Dem soll mit dem Gesetz jetzt ein Riegel vorgeschoben werden. Künftig haften danach auftraggebende Unternehmen für die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Subunternehmer. Eine solche Regelung existiert bisher nur im Baugewerbe, und hier bewirkt sie einiges. Außerdem müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten künftig alle nötigen Arbeitsmittel unentgeltlich zur Verfügung stellen und sie instand halten. Hierzu zählen zum Beispiel Sägen, Messer, Wetzstahl, Kettenhandschuhe oder Kettenschürzen. Bisher müssen Beschäftigte in der Fleischwirtschaft ihre Arbeitsmittel häufig selbst bezahlen. Doch natürlich besteht auch in der Fleischindustrie eine Fürsorgepflicht der Arbeitgeber. Da Arbeitszeiten in der Fleischwirtschaft oft nicht eingehalten werden, werden mit dem Gesetz die Dokumentationspflichten zur Arbeitszeit verschärft. Diese Regelungen sind wichtig, um gegen die drastischen Missstände in der Fleischwirtschaft endlich wirksam vorzugehen. Deshalb bedanken wir uns auch bei den Initiatoren dieser Gesetzesinitiative. Anlage 33 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen (Tagesordnungspunkt 35 a und b) Rudolf Henke (CDU/CSU): Zu später Stunde werden wir heute mit dem Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften eines der letzten und aufgrund der zusätzlichen zahlreichen fachfremden Änderungen ein sehr vielseitiges Vorhaben der Koalitionsfraktionen verabschieden. Mit dem ursprünglichen Regierungsentwurf werden die Rahmenbedingungen für die Zubereitung von Blut- und Gewebeprodukten fachlich und rechtlich angepasst. Auch im Bereich der Nutzung von Arzneimitteln für neuartige Therapien werden wir die Erfahrungen der Länder und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) aufgreifen und Genehmigungs- und Herstellungsverfahren klarer regeln. Das parlamentarische Verfahren zu diesem Vorhaben wurde ohne große inhaltliche Auseinandersetzungen in der Sache durchgeführt, was insgesamt dafür spricht, dass wir fraktionsübergreifend alle das Interesse verfolgen, die gesundheitliche Versorgung, ihre Erforschung und Weiterentwicklung samt Genehmigungsverfahren den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Das ist in der Sache eine erfreuliche Bestandsaufnahme. Neben diesen Entscheidungen haben wir das parlamentarische Verfahren dazu genutzt, zahlreiche fachfremde Änderungen aufzunehmen, um auf Entwicklungen und Missstände zu reagieren, die sich im Laufe der letzten Monate bemerkbar gemacht haben. Mit der notwendigen Sorgfalt haben wir in wichtigen Punkten Einigungen erzielen können, sodass die entsprechenden Regelungen vor dem Ende der Legislaturperiode noch in Kraft treten können. Diese Regelungen, auf die mein Kollege Dietrich Monstadt in seiner Rede noch näher eingehen wird, betreffen etwa die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren im Krankenhaussektor. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir die Vorgabe machen, dass die Maßstäbe und Kriterien der Qualitätsindikatoren eine Bewertung der Qualität von Krankenhäusern insbesondere im Hinblick darauf ermöglichen müssen, ob eine in einem erheblichen Maße unzureichende Qualität vorliegt. Die Länder, das ist im Kontext sich verändernder Kompetenzteilung zwischen Bund und Ländern vielleicht nicht unwichtig zu betonen, bleiben weiterhin planungskompetent im Krankenhauswesen, da sie bei Bedarf von diesen Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses abweichen können. Des Weiteren zählen zu diesem Themenkomplex auch die Ausnahme vom Darlehensaufnahmeverbot für bestandsgeschützte Eigeneinrichtungen der Krankenkassen und die Vergütungskürzung bei Personalunterdeckung und bei der Nichteinhaltung tariflicher Löhne in der stationären Pflege. Hier wurde eine Lösung ähnlich der bereits geltenden Regelungen im Altenpflegebereich gefunden. Besonders hervorheben möchte ich ein Paket von Änderungsanträgen in Bezug auf eine Reform der Stiftung Humanitäre Hilfen für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen. Die Betroffenen des Blutprodukteskandals vor mehr als 30 Jahren sollen sich darauf verlassen können, dass sie lebenslang finanzielle Hilfen erhalten. Für sie ist es eine wichtige Botschaft, dass wir uns innerhalb der Koalitionsfraktionen auf eine Änderung des HIV-Hilfegesetzes verständigt haben, wodurch ab dem Jahr 2019 der Bund die Finanzierung der HIV-Stiftung allein übernehmen wird. Bisher waren neben dem Bund und den Ländern dafür auch pharmazeutische Unternehmen und das Deutsche Rote Kreuz verantwortlich, die Zusagen wurden jedoch immer nur für die Dauer gewährt, für die die Mittel ausreichten. Die Leistungen werden über die nicht mehr begrenzte Dauer hinaus entsprechend der Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen sind die finanziellen Hilfen der Betroffenen nach dem bisherigen Finanzierungssystem gesichert. Da die Leistungen künftig entsprechend den Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert werden, stellt der Bund in den nächsten Jahren 8 bis 10 Millionen Euro für die Entschädigungen zur Verfügung. Damit schaffen wir endlich die lange erhoffte Sicherheit für die Betroffenen und deren unterhaltsberechtigte Angehörige. Offen gestanden erfüllt mich das auch als Mitglied des Kuratoriums der Aidshilfe NRW mit großer Freude. Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Heute beraten wir abschließend das Gesetz für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP) wie Gen- oder Zelltherapeutika. Basierend auf den gesammelten Erfahrungen der Länder und des Paul-Ehrlich-Instituts werden die bestehenden Vorschriften im Bereich Blut- und Gewebezubereitungen und ATMP an die aktuellen wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst. Gleichzeitig vereinfachen wir die Genehmigungsverfahren, erhöhen die Sicherheit dieser besonderen Arzneimittel und straffen die gesetzlichen Regelungen zur Marktüberwachung. Diese Änderungen schaffen mehr Transparenz und verbessern weiter die sehr hohen Sicherheitsstandards für Blut- und Gewebezubereitungen sowie für Arzneimittel für neuartige Therapien. Darauf wurde bereits ausführlich von meinen Kollegen eingegangen. Im Rahmen dieses Gesetzes haben wir auch einige sachfremde Änderungseinträge eingebracht, auf die ich an dieser Stelle zum Teil eingehen möchte. § 188 Absatz 4 SGB V wird um eine Sonderregelung für Saisonarbeitnehmer ergänzt, die vorübergehend für eine auf bis zu acht Monate befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Deutschland gekommen sind. Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass es hier zu Fehlanreizen innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen kommen kann. Krankenkassen konnten in diesen Fällen Versicherungszeiten für den Risikostrukturausgleich melden und Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, ohne dass den Zuweisungen mögliche Leistungsausgaben gegenüberstanden. Dies soll mit dieser Regelung abgestellt werden. Ab dem 1. Januar 2018 werden Saisonarbeitnehmer nach dem Ende ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 188 Absatz 4 SGB V nur noch dann als freiwillige Mitglieder weiter versichert, wenn sie nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung innerhalb von drei Monaten eine ausdrückliche Beitrittserklärung abgeben und ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Deutschland nachweisen. Wir beseitigen damit weitere Fehlanreize im Risikostrukturausgleich. Mit dem vorliegenden Gesetz erweitern wir die Maßstäbe und Kriterien für eine Bewertung der Qualitätsergebnisse von Krankenhäusern nach dem Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) vom 10. Dezember 2015. Qualität und Transparenz müssen in der Gesundheitsversorgung stets oberste Priorität haben. Im Rahmen des KHSG haben wir planungsrelevante Qualitätsindikatoren des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Länder auf den Weg gebracht. Im Sinne eines „lernenden“ Systems bzw. Gesetzes hat sich gezeigt, dass diese konkretisiert werden müssen. Die planungsrelevanten Qualitätsindikatoren müssen nun so gestaltet werden, dass unzureichende Qualitätsergebnisse „in erheblichem Maß“ feststellbar sind. Die Planungshoheit liegt und bleibt damit weiterhin bei den Ländern. Diese erhalten durch die neue Regelung eine fundierte fachliche Grundlage, auf die sie die Planungsentscheidungen nach § 8 Absatz 1a und 1b KHG stützen können. Die Länder müssen hier ihrer Verantwortung nachkommen. Sie sind ganz klar aufgefordert, die notwendigen Qualitätsanforderungen – im Sinne einer hochwertigen medizinischen Versorgung aller Patientinnen und Patienten – zum Gegenstand der Krankenhausplanung zu machen. Wir ergänzen mit diesem Gesetz auch die bestehenden Regelungen im Hinblick auf etwaige Vergütungskürzungen bei Personalunterdeckung in stationärer Pflege sowie bei Nichteinhaltung tariflicher Bezahlung. Eine qualitativ hochwertige Versorgung gelingt nur, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht. Aufgrund des demografischen Wandels stehen wir gerade im Bereich der Pflege vor großen Herausforderungen. Die Träger der stationären Pflegeeinrichtungen sind jederzeit zur Sicherstellung der Versorgung der Pflegebedürftigen mit der vereinbarten personellen Ausstattung – unabhängig von Personalengpässen oder ausfällen – verpflichtet. Um dies auch nachhaltig sicherzustellen, ergänzen wir die bestehende gesetzliche Regelung in § 115 SGB XI mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 12. September 2012: Bei einer Unterschreitung der vereinbarten Personalausstattung um mindestens 8 Prozent über mehrere Monate hinweg oder bei vorsätzlicher Unterschreitung der vereinbarten Personalausstattung seitens des Einrichtungsträgers kann eine rückwirkende Kürzung der Pflegevergütung bis hin zur Kündigung des Versorgungsvertrages nach § 115 Absatz 2 und 3 SGB XI erfolgen. Mit der gleichzeitig vereinbarten Tarifbindung stellen wir sicher, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Bereich die gleiche Bezahlung erhalten, unabhängig davon, ob sie in einer Stadt oder ländlichen Region tätig sind. Die Konkurrenz um Pflegepersonal – zwischen urbanen und ländlichen Regionen, zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Regionen – wird auch dadurch ein Stück weit abgebaut. Das Gesetz für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften führt zu einer besseren Versorgung, zum Beispiel durch den Einsatz neuer Therapien. Darüber hinaus werden Fehlanreize weiter abgebaut. Dies führt insgesamt zu einer noch besseren Versorgungssicherheit im Sinne der Patientinnen und Patienten. Deshalb werbe ich um Ihre Zustimmung. Hilde Mattheis (SPD): Wir beraten heute abschließend das Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften. Ich möchte im Folgenden vor allem auf die vielen fachfremden Änderungen eingehen, die wir an dieses Gesetz im Laufe der Beratung angehängt haben und die mit dem eigentlichen Regelungsinhalt, der Änderung des Gewebegesetzes, nur mittelbar etwas zu tun haben. Den Inhalt des eigentlichen Gesetzes, nämlich Verfahrensvereinfachung für Arzneimittel für neuartige Therapien, sogenannte ATMP, sowie neue Maßnahmen zur besseren Behandlung von Hämophiliepatientinnen und patienten haben wir nur in einzelnen Punkten geändert, zum Beispiel eine genauere Definition des Begriffes „pharmazeutischer Unternehmer“ vorgenommen. Das Ministerium hat hier aber schon gute Vorarbeit geleistet, was unsere Arbeit erleichtert hat. Vielen Dank dafür. Aus der Palette der sogenannten fachfremden Änderungen möchte ich zunächst eine für meine Fraktion sehr wichtige gesetzliche Klarstellung im Bereich der Personalausstattung in stationären Pflegeeinrichtungen anführen. Die Träger solcher Pflegeheime sind verpflichtet, die Sicherstellung der Versorgung der Pflegebedürftigen durch entsprechendes Personal zu gewährleisten. Das heißt, es muss genug und ausreichend geschultes Personal jederzeit in der Einrichtung arbeiten, um die Qualität der Betreuung fortlaufend zu sichern. Der Träger muss natürlich etwaigen Ausfall des Personal, zum Beispiel aufgrund Krankheit oder Urlaub, mit einkalkulieren. Tut er das nicht oder spart er aus welchen Gründen auch immer am Personal, spart er gleichzeitig an der Pflegequalität und gefährdet damit das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten. Das Bundessozialgericht hatte 2012 festgestellt, dass in einem solchen Fall rückwirkende Kürzungen der Pflegevergütung vorgenommen werden können. Dies werden wir nun auch gesetzlich festhalten. Das Signal ist hier klar und sollte auch deutlich verstanden werden: Wir werden mutwillige oder gar betrügerische Verstöße gegen die Personalverbeinbarungen nicht tolerieren. Ein permanenter Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen ist eine Gefahr für die Menschen: einerseits für die Pflegebedürftigen, die eine menschenwürdige Pflege zu Recht erwarten, und andererseits für das Personal, das mit Überstunden und Mehraufwand versucht, den Personalmangel auszugleichen und daran womöglich krank wird. Wer als Träger so handelt, wird bestraft, indem die Vergütung für Pflegeleistungen gekürzt wird. Gleiches gilt bei Nichteinhaltung der tariflich vereinbarten Vergütung oder von Vereinbarungen nach kirchlichem Arbeitsrecht. Wir alle wissen aus zahlreichen Gesprächen, Besuchen und Briefen, wie stressig der Arbeitsalltag als Pflegekraft sein kann. Diese Menschen verdienen eine ordentliche Bezahlung. Wenn der Arbeitgeber seine Angestellten um ihr hart verdientes Geld prellt, ist das kein Bagatelldelikt, sondern eine klare Missachtung ihrer Leistungen für die pflegebedürftigen Menschen in diesem Land. Das können und dürfen wir nicht tolerieren; daher muss auch hier der Arbeitgeber spürbar bestraft werden. Das setzen wir nun um. Diese Regelungen fördern gute Arbeit in der Pflege. Ich gehe davon, dass wir uns dazu alle hier im Haus bekennen. Wir haben mit den Pflegestärkungsgesetzen hier bereits einige Bausteine eingesetzt, zum Beispiel, indem wir sichergestellt haben, dass tatsächlich gezahlte Tarifentgelte in den Vergütungsverhandlungen für die ambulante und stationäre Pflege nicht als unwirtschaftlich bewertet dürfen. Auch für die Vergütungsverhandlungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege wird es zukünftig Pflichten zum Nachweis tatsächlich gezahlter Tariflöhne oder Arbeitsentgelte geben. Die Krankenhäuser erhalten einen Ausgleich für den Fall, dass Tarifabschlüsse die Obergrenze für die Preiszuwächse der Krankenhäuser übersteigen. Wer Tariflohn zahlt, darf dafür nicht bestraft werden. Wer sich dem aber verweigert, wird mit Strafe rechnen müssen. Wir erwarten, dass sich Tarifvergütungen in der Pflege in Zukunft verbreiten, und unterstützen die Gewerkschaften ausdrücklich in deren Bestreben, Tarifverträge abzuschließen. Eine ordentliche Bezahlung und eine Absicherung durch starke Gewerkschaften machen den Pflegeberuf attraktiver für junge Menschen. Sie können sich so sicherer sein, dass ihre Arbeit als wertvoll anerkannt wird. Und das schlägt sich auch konkret in der Bezahlung nieder. Dieses Gesetz ist daher ein klares Signal für gute Arbeit in der Pflege. Wir werden mit dem Gesetz außerdem eine Änderung des Versicherungsschutzes für Saisonarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer vornehmen. Nach der Definition des Gesetzes sind dies Arbeitnehmer, die aus dem Ausland nur für wenige Monate zur Arbeit nach Deutschland kommen, beispielsweise Erntehelfer. Da diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr häufig nicht planen, länger in Deutschland zu bleiben, und wieder in ihr Heimatland zurückkehren, ist ein dauerhafter Versicherungsschutz bei den Krankenkassen nicht nötig. Die Kassen hatten aber in der Vergangenheit das Problem, dass diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihnen als Versicherte registriert sind und sich nach Ausreise aus Deutschland nicht wieder abgemeldet hatten und somit quasi als Versicherte bei den Krankenkassen verbleiben und sich Beitragsschulden anhäufen. Daher werden wir nun das Regel-Ausnahme-Verhältnis umdrehen. Saisonarbeitnehmer werden automatisch nach Beendigung ihrer Beschäftigung bei der Krankenkasse abgemeldet, es sei denn, sie melden sich spätestens drei Monate nach Ende der Versicherungspflicht als freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung an oder weisen nach, dass ihr ständiger Wohnsitz in Deutschland ist. Selbstverständlich müssen die Krankenkassen den Arbeitnehmer zu Beginn seiner Beschäftigung in Deutschland unverzüglich über diese Konditionen aufklären, und auch bei einer verspäteten Anmeldung kann eine nachträgliche Pflichtversicherung begründet werden, um einen lückenlosen Versicherungsschutz innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Wir gehen davon aus, dass diese Neuregelung eine Vereinfachung für die Krankenkassen einerseits, aber auch die Saisonarbeitnehmer andererseits darstellt, die sich um eine Abmeldung nicht mehr kümmern müssen. Ich habe bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes das Thema der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen angesprochen, das die SPD-Fraktion sehr intensiv betreut hat. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, hier für die Betroffenen ganz substanzielle Verbesserungen zu erreichen und ihnen mit diesem Gesetz eine Sicherheit über ihr finanzielles Einkommen zu geben – eine Sicherheit, die den Betroffenen jahrelang fehlte. Worum geht es? Die Stiftung Humanitäre Hilfe wurde infolge des sogenannten Blutspendeskandals eingerichtet. Während der 1980er-Jahre infizierten sich weltweit mehrere Tausend Menschen aufgrund kontaminierter Blutprodukte mit HIV. In Deutschland waren es mehr als 1 500 Menschen. 1993 hat der Bundestag das HIV-Hilfegesetz verabschiedet und die erwähnte Stiftung Humanitäre Hilfe gegründet. Sie soll den Personen, die durch Blutprodukte unmittelbar oder mittelbar an HIV oder infolge dessen an Aids erkrankt sind, und deren unterhaltsberechtigten Angehörigen finanzielle Hilfe bzw. soziale Leistungen gewähren. Allerdings wurde damals festgelegt, dass die Stiftung aufgehoben wird, wenn der Stiftungszweck erfüllt oder die finanziellen Mittel erschöpft sind. Diese ungünstige Formulierung führte dazu, dass die rund 1 500 Opfer des Blutspendeskandals jährlich darauf hoffen mussten, dass die Mittel durch den Bundestag weiter gewährt werden, damit sie ihre finanzielle Unterstützung weiter erhalten. Diese unwürdige Situation werden wir nun endlich beenden und sagen ganz klar: Die Opfer dieses Skandals werden finanzielle und soziale Leistungen bis zu ihrem Lebensende erhalten. Aufgrund des medizinischen Fortschritts ist das hoffentlich noch lang. Die Betroffenen haben inzwischen eine annähernd gleiche Lebenserwartung wie ein gesunder Mensch. Nichtsdestotrotz müssen sie mit der Belastung HIV bzw. AIDS leben, und es ist hier ganz klar Aufgabe der Politik, sie zu unterstützen. Wir haben nun festgelegt, dass der Bund alleiniger Stifter der Stiftung Humanitäre Hilfe wird und die Zahlungen an die Erkrankten lebenslang gewährt werden. Die bisher widersprüchlichen Regelungen des HIV-Hilfegesetzes entfallen vollständig. Wir haben außerdem in den Beratungen ein weiteres wichtiges Anliegen der Betroffenen aufgenommen: Die Leistungen der Stiftung werden nicht wie bisher auf gleichbleibendem Niveau gewährt, sondern dynamisiert, das heißt, sie passen sich der Inflation an und steigend damit jährlich. Die bisherigen Zahlungen führten effektiv aufgrund von Teuerung und Inflation zu sinkenden Leistungen. Wir werden nun mit Wirkung von 2019 die Zahlungen an das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung koppeln und den aktuellen Rentenwert als Maßstab für die Leistungen der Opfer des Blutspendeskandals nehmen. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, dies zu vereinbaren und den Menschen das Signal zu geben, dass die Politik sie nicht vergessen hat. Ich bedanke mich gleichzeitig bei den Patientinnen und Patienten bzw. ihren Angehörigen für deren Geduld und Beharrlichkeit, uns als Bundestag immer wieder zu mahnen, hier eine Änderung vorzunehmen. Es ist schön, zu sehen, dass dies gelungen ist. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive und zielorientierte Arbeit an diesem Gesetz. Wir haben damit bewiesen, dass wir bis zum Schluss der Wahlperiode gute Arbeit leisten und für viele Versicherte, für Patientinnen und Patienten sowie Beschäftigte in der Pflege wichtige und gute Neuerungen erzielen können. Mechthild Rawert (SPD): Zur großen Pflegereform dieser Legislatur gehört noch eines: die Vollendung der Pflegeberufereform. Die SPD kämpft weiterhin hart für die generalistische Ausbildung in der Pflege. Mit dem Omnibusgesetz zu Blut- und Gewebezubereitungen verabschieden wir auch Neuregelungen im Zusammenhang mit den Pflegestärkungsgesetzen und dem HIV-Hilfegesetz. Da wir gesetzgeberische Sorgfalt ernst nehmen, nehmen wir im Pflegebereich noch einige Anpassungen eher technischer Art zu den umfangreichen Pflegestärkungsgesetzen vor, so zum Beispiel bei den Modellvorhaben zur kommunalen Pflegeberatung aus dem Dritten Pflegestärkungsgesetz. Es ist jetzt möglich, dass Pflegekassen und Kommunen ergänzende Vereinbarungen treffen und in der Pflegeberatung kooperieren, wobei die Kommunen nur koordinierende Aufgaben übernehmen. Dies bedeutet noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten legen großen Wert auf gute und verlässliche Pflegequalität. Deswegen haben wir mit dem Pflegestärkungsgesetz II die Qualitätsmessung, die Qualitätsberichterstattung und die Qualitätsdarstellung reformiert. Die Qualität einer Einrichtung muss für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zuverlässig überprüfbar sein und transparent dargestellt werden. Zuverlässige Indikatoren für Qualität und ihre Kontrolle helfen Pflegeempfängerinnen und empfängern, eine für sie passende Einrichtung auszusuchen. Sie dienen auch der Aufdeckung von Missständen. Wir entbürokratisieren die Dokumentation durch Pflegekräfte und helfen ihnen so, ihre Arbeit besser zu bewältigen. Zugleich profitieren die Pflegeempfängerinnen und empfänger von einer bedarfsgerechteren Dokumentation. Im Gesetz zu Blut- und Gewebezubereitungen nehmen wir abermals eine wichtige Regelung zur Verbesserung der Pflegequalität vor – in Bezug auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. September 2012. Es besagt, dass bei Qualitätsmängeln in Einrichtungen eine rückwirkende Kürzung der Pflegevergütung der Kassen vorgenommen werden kann. Eine konkrete Feststellung der Mängel sei dabei entbehrlich, wenn ein planmäßiges und zielgerichtetes, das heißt vorsätzliches Unterschreiten der vereinbarten Personalausstattung vorliege. Diese Rechtsprechung nehmen wir ausdrücklich in das Gesetz auf. Wir sehen in einem solchen Fall nicht nur eine Vergütungskürzung, sondern die Möglichkeit der Kündigung des Versorgungsvertrags vor. Ein Verstoß liegt auch bei einer nicht nur vorübergehenden Unterschreitung der Personalausstattung vor. Wird festgestellt, dass der Einrichtungsträger seine Beschäftigten nicht in der Höhe bezahlt, die der Vereinbarung der Pflegevergütung an die Einrichtung zugrunde liegt, erfolgt ebenfalls eine Kürzung der Vergütung. Wir wollen, dass das Geld der Versicherten dort ankommt, wo es hingehört: bei den Pflegeempfängerinnen und empfängern sowie den Beschäftigten. Last, but not least hat die SPD-Bundestagsfraktion eine für viele Menschen bedeutsame Änderung des HIV-Hilfegesetzes durchgesetzt: Es ist Schluss mit dem Bangen der Betroffenen um die weitere finanzielle Unterstützung durch die Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen, die im Anschluss an den Blutprodukteskandal, der vor 30 Jahren das Land erschütterte, gegründet wurde. Geregelt ist nun, dass sie diese Unterstützung lebenslang erhalten werden und diese auch an die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst ist. Über diesen Erfolg freue ich mich zusammen mit den Betroffenen sehr. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung noch kurz vor Toresschluss gleich eine Reihe unterschiedlicher Sachverhalte regeln. Das macht es natürlich schwierig, in vier Minuten die ganze Bandbreite anzusprechen. Aber man merkt schon, dass im Ministerium gerade unter Zeitdruck gearbeitet wird: Auf die Schnelle sind der Bundesregierung einige Schnitzer passiert, die im Beratungsverlauf noch korrigiert werden müssten. An mehreren Stellen finden sich unzulängliche Begriffsbestimmungen, fehlende Differenzierung, uneinheitliche Sprachregelungen und zum Teil inkonsistente Regelungen zu Genehmigungsverfahren. Auch wundert es mich, warum die Bundesregierung Blutstammzellen in Deutschland anders als in der EU unterschiedlichen Qualitätsanforderungen unterwerfen will, je nachdem, ob sie aus dem Knochenmark oder der Nabelschnur stammen. Kann mir da mal jemand den Sinn erklären? Eine wissenschaftliche Auswertung der zur Verfügung stehenden Daten für angeborene Blutungskrankheiten ist sinnvoll und wird von uns unterstützt. Aber es bringt für die Betroffenen keinerlei Nutzen, wenn das bereits existierende Hämophilieregister künftig allein beim Paul-Ehrlich-Institut liegt und die Betroffenenorganisationen nicht mehr beteiligt sind. Stattdessen sollte die Bundesregierung ein schlüssiges Konzept für die Datengewinnung und vor allem für die Auswertung der im DHR gesammelten Daten vorlegen. Aber das leistet ihr Entwurf nicht. Insbesondere bereitet in der Praxis große Sorge, dass die Regelungen zu Blut- und Gewebezubereitungen über das Transplantationsgesetz, das Transfusionsgesetz und das Arzneimittelgesetz verteilt sind. Dass dies insbesondere bei Keimzellen zu einer großen Unübersichtlichkeit führt, beklagen Praktiker und Juristen. Sie sehen da große Probleme und rechtlichen Klärungsbedarf. Zudem gibt es gerade bei der Reproduktionsmedizin jede Menge offener Fragen. Bei Keimzellspenden und nicht zuletzt Embryonenspenden im Ausland kommt es auch für Kinder, die in Deutschland aufwachsen oder geboren werden, zu vielen ungeklärten familienrechtlichen Fragen. Einer Klärung geht die Bundesregierung wie beim Samenspenderegister auch mit diesem Gesetz wieder aus dem Weg – abermals eine vertane Chance. Kommen wir zu den Änderungen bei der Pflegeberatung: Im Gesetzentwurf erklärt die Bundesregierung, es sollen „technische Anpassungen sowie Änderungen der Regelungen zu den Modellvorhaben zur kommunalen Beratung im SGB XI vorgenommen“ werden. Das klingt harmlos und irgendwie unspektakulär. Was Sie aber genau vorhaben, betrachten wir durchaus kritisch. Sie wollen die Möglichkeit schaffen, dass Kommunen, die Modellprojekte zur Pflegeberatung durchführen, besser auf lange gewachsene Strukturen und die Kompetenz der Pflegekassen zurückgreifen können. So sollen Kommunen künftig darauf verzichten können, die Pflegeberatung in eigenen Beratungsstellen durchzuführen, wozu sie diese Bundesregierung erst im letzten Jahr mit dem Pflegestärkungsgesetz III verpflichtet hatte – und zwar unabhängig vom Vorhandensein anderer Möglichkeiten. Das hört sich ja zunächst mal vernünftig an. Aber was gar nicht geht, ist, dass Sie die Qualitätsstandards für die Pflegeberatung aufweichen wollen und dass die Kommunen das so eingesparte Geld behalten dürfen. Denn erstens brauchen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bestmögliche Beratung und nicht irgendwelche. Und zweitens gehört dieses Geld den Pflegeversicherten, nicht der öffentlichen Hand. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie die Finger von der Beratungsqualität und sorgen Sie dafür, dass die Beiträge der Pflegeversicherten wirklich in der Pflege ankommen. Sonst werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Gesetzentwurf mit den von der Koalition eingebrachten Änderungsanträgen ist – gemeinsam mit dem heute schon debattierten Gesetz zur epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten – der große Kehraus der Gesundheitspolitik. Die Regierungskoalition versucht kurz vor Toresschluss, schnell noch ein paar offene Punkte abzuarbeiten. Das ist eigentlich löblich. Man merkt allerdings an einigen Stellen, dass Ihre Vorschläge mit heißer Nadel gestrickt sind. Viele der Gesetzesänderungen im Bereich Blut und Gewebe sind grundsätzlich sinnvoll und werden daher von uns unterstützt. Leider lassen Sie weiterhin jede Gelegenheit verstreichen, andere Mängel in der Gewebemedizin zu beheben. Der aktuelle Gewebebericht der Bundesregierung zeigt: Rund ein Fünftel der Einrichtungen kommt ihren gesetzlichen Meldepflichten nicht nach. Zudem sind viele der gemeldeten Zahlen insbesondere zu muskuloskelettalen Geweben und Hautgeweben nach eigenen Aussagen der Bundesregierung unplausibel. Es werden in Deutschland viel mehr dieser Gewebe transplantiert und exportiert als entnommen, ohne dass die Behörden wissen, wo diese Gewebe eigentlich herkommen. Hier ist das Ministerium weiterhin in der Pflicht, Transparenz herstellen. Zudem gibt es in Deutschland – ähnlich wie bei Organspenden – einen Mangel an bestimmten Geweben, sodass manche Patientinnen und Patienten nicht oder nur mit erheblicher Verspätung versorgt werden können. In erster Linie fehlen Augenhornhäute und Herzklappen. Transparenz gibt es bei der Verteilung dieser Gewebe aber weiterhin nicht. Es gibt weder öffentliche Vorgaben, nach welchen Kriterien diese sogenannten Mangelgewebe vergeben werden müssen, noch führen die meisten Einrichtungen und Kliniken Wartelisten. Sie als fachlich zuständiges Ministerium überlassen es weiterhin dem Ermessen der Akteure, wer ein Transplantat erhält, obwohl selbst die Bundesärztekammer hier mehr Transparenz fordert. Ich frage mich, warum die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen einen Bericht zur Analyse der Gewebemedizin in Deutschland erstellt, wenn sie die dort aufgezeigten Mängel stur ignoriert. Nun zu den anderen Bereichen, die Sie über die Änderungsanträge noch schnell angehen: Viele dieser Vorschläge, beispielsweise zu Saisonarbeitern oder zur Karenzzeit für Verwaltungsräte der Krankenkassen, sind sinnvoll. Ausdrücklich zu begrüßen ist die dauerhafte Finanzierung der Entschädigungszahlungen im Rahmen des HIV-Hilfegesetzes. Zwar hätten wir uns einen Inflationsausgleich auch für die vergangenen Jahre gewünscht; auch eine Einbeziehung von Hepatitis-C-Infizierten in diese Entschädigungsregelung hätten wir uns gewünscht. Dennoch begrüßen wir die Verstetigung der Hilfe für durch Blutkonserven HIV-Infizierte, weil sie für diese endlich Sicherheit schafft. Abzuwarten bleibt, was das geplante Register aller Krankenhausärztinnen und -ärzte bringen wird. Ob hier bürokratischer Aufwand und Nutzen noch in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, kann man jetzt noch nicht beurteilen. Bei den geplanten Änderungen im Bereich Pflege haben wir in einem Punkt große Bauchschmerzen: Bei der Erprobung von Personalbemessungsinstrumenten sollen zukünftig großzügige Ausnahmen von einzelnen Regelungen des SGB XI gelten, einschließlich des neuen Pflegbedürftigkeitsbegriffs. Das halten wir für fahrlässig. Hier wird eine Möglichkeit geschaffen, zulasten der zu Pflegenden von mühsam erkämpften Verbesserungen wieder abzuweichen. Diese Tür sollten wir nicht öffnen, zumal man sich fragen muss, welchen Erkenntniswert ein solches Modellvorhaben für die Regelversorgung haben soll. Trotz der in einzelnen Punkten geäußerten Bedenken hält meine Fraktion die im Gesetz vorgeschlagenen Änderungen mehrheitlich für sinnvoll und wird dem Gesetzentwurf daher zustimmen. Anlage 34 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (Tagesordnungspunkt 36) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung das Vierte Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, welches die Digitalisierung der Hörfunkübertragung zukünftig vorantreiben und regeln soll. Das Radio muss im Wandel der Zeit zukunftsfähig bleiben. Dafür hat das Bundeskabinett am 3. Mai 2017 Folgendes beschlossen: Künftig sollen höherwertige Radioempfangsgeräte nur noch gehandelt werden, wenn diese zum Empfang digitalisierter Signale geeignet sind. Die Gesetzesänderung sieht damit vor, eine Ausrüstungspflicht in Form einer Schnittstelle einzuführen. Über diese können digital codierte Inhalte empfangen und wiedergegeben werden. Das Gesetz greift das von den Bundesländern bereits im Rahmen der Stellungnahme des Bundesrates zum 3. TKG-Änderungsgesetz formulierte Anliegen auf, die Digitalisierung des Hörfunks durch die Interoperabilität von Radioempfangsgeräten zu fördern. Warum wollen wir diesen Weg nun gehen? Das Radio ist seit seiner Erfindung eines der meistgenutzten Medien in Deutschland und hat dadurch eine besondere Bedeutung in unserem Alltag. Rund 80 Prozent aller Deutschen hören täglich Radio. Aufgrund seiner eigenständigen terrestrischen Verbreitungskanäle über erdgebundene Funksender, über UKW (Ultrakurzwellen) und DAB+ (digitaler Übertragungsstandard für terrestrischen Empfang von Digitalradio) kann das Radio in Krisensituationen und Notlagen wie Katastrophen, bei Unwettern oder Unfällen als verlässliche regionale Echtzeitinformationsquelle genutzt werden. Einen besonderen Stellenwert haben aktuelle Verkehrs- und Mobilitätsinformationen durch Radios. Hier nimmt das Radio auch eine Schlüsselstellung für eine intelligente Verkehrssteuerung ein. Ein genauerer Blick auf die Nutzung zeigt zudem, dass das Radio heute noch in erster Linie ein über analoge UKW-Frequenzen verbreitetes Medium ist. Etwa 94 Prozent der über 14-Jährigen in Deutschland empfangen Radio über UKW bzw. analoge Geräte. Etwa drei Viertel der Menschen in Deutschland bevorzugt auch weiterhin das Radiohören über UKW. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Daneben hat sich eine Verbreitung über weitere Kanäle etabliert: so die Verbreitung über das Internet und das digital terrestrische Radio DAB+. Insbesondere junge Menschen hören überdurchschnittlich viel Radio über Internet und DAB+. In der Welt der Apps und Plattformen wird die Verbreitung von Radio auch immer neue Wege finden. Daher gilt es, einen hybriden Ansatz zu verfolgen, der alle für die Nutzer relevanten Verbreitungsoptionen für Radio einschließt. Der nun vorliegende Gesetzentwurf dient als Baustein, Hörerinnen und Hörern mit den zusätzlich ausgerüsteten Geräten ein quantitativ und qualitativ verbessertes Hörfunkprogramm anbieten zu können. Die Ausrüstungspflicht bezieht sich dabei nur auf höherwertige Geräte, die den Programmnamen anzeigen können. Der Eingriff in den Markt ist somit vertretbar. Mobilfunkgeräte werden zudem ausgeklammert bleiben, Autoradios hingegen erfasst werden. Lassen Sie mich aber eines noch einmal ganz klar sagen: Mir wäre eine europaweit einheitliche Regelung lieber gewesen. Bislang hat die EU-Kommission der nationalen Hörfunkübertragung leider keine Binnenmarktrelevanz zuerkannt. Das ist für mich unverständlich. Stellen Sie sich vor, Sie fahren in den Urlaub nach Österreich und empfangen aufgrund unterschiedlicher Empfangstechniken keine Verkehrswarnungen mehr. Der Grund: Ihr Autoradio besitzt nur einen UKW-Empfänger; es wird aber nur noch digital gesendet. Das kann es natürlich nicht sein. Wir müssen aus Deutschland heraus eine Entwicklung hin zu einer EU-weiten Einführung befördern. Dafür sehe ich durchaus eine Chance. Klaus Barthel (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung soll der Digitalisierung des Hörfunks der Weg bereitet werden. Die Zukunft des Radios liegt zum Beispiel aus der Sicht der ARD „in der hybriden Kombination von digitaler Terrestrik und Internet.“ Dies sei „die bestmögliche Lösung im Interesse des Mediums Radio, der Radiomacher und Radionutzer“ – so das ARD-Generalsekretariat. Damit sollen die letzten Tage des guten alten UKW-Radios eingeläutet werden. Im Rahmen eines Aktionsplans für die Transformation der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter soll sich der Markt für Digitalradios schneller entwickeln, damit, wie in Norwegen und Italien, die ersten UKW-Sender vom Netz gehen können. Beabsichtigt ist, den parallelen Betrieb des angeblich kostengünstigen DAB+ – Digital Audio Broadcasting (DAB) ist ein digitaler Übertragungsstandard für terrestrischen Empfang von Digitalradio – und des teuren UKW so kurz wie möglich zu halten. In der guten neuen digitalen Welt soll natürlich auch für das Radio alles besser werden, sagen die Befürworter: Die analoge UKW-Terrestrik sei technisch und programmlich ausgereizt, für neue Angebote und technische Innovationen sei kein Platz, der öffentlich-rechtliche Rundfunk belege aus historischen Gründen zu viele Frequenzen zulasten der kommerziellen Anbieter, so lautet die Kritik. DAB+ belebe den Wettbewerb zugunsten des Nutzers und neuer Anbieter. DAB+ sei die perfekte Ergänzung zum Internet und umgekehrt; denn anders als das Internet erlaube die terrestrische Verbreitung der Radioprogramme deren anonyme und kostenfreie Nutzung ohne Volumenbegrenzung. Mobiles Internet/LTE sei 40-mal teurer als die DAB+-Technologie. DAB+ stehe für Vielfalt, Qualität und Innovation und komme bei den Hörern an. In einigen Regionen seien bereits über 44 Programme zu empfangen, Zusatzdienste wie Programminformationen, Programmführer, Veranstaltungstipps und sehr genaue Verkehrsdaten für unterwegs könnten angeboten werden. DAB+ sei technisch stabil, rauschfrei und gewährleiste auch mobil exzellenten Empfang. DAB+ eröffne den Radiounternehmen schier unbegrenzte Möglichkeiten für programmliche Entwicklung und neue sogenannte Special-Interest-Angebote. DAB+ sei wichtig für die Gattung Radio; denn anders als das Internet, das ebenfalls eine große Vielzahl und Vielfalt an Audioangeboten bietet, seien die Hörfunkprogramme bei terrestrischer Verbreitung besser wahrnehmbar und auffindbar. Gerade für die kommerziellen Radiounternehmen sei die Aufmerksamkeit der Hörerinnen und Hörer als entscheidende Währung für Werbeeinnahmen von existenzieller Bedeutung, womit ein bewährtes Geschäftsmodell und der Erhalt einer breiten Radiolandschaft in der Bundesrepublik gesichert würden. DAB+ sei mehr als Radio und funktioniere auch im Krisenfall. Radio sei die wichtigste Informationsquelle im Auto, intelligente Verkehrssysteme der Zukunft seien digital. Die Bundesregierung setze wie andere europäische Länder bei der Umsetzung der europäischen ITS-Richtlinie („Intelligent Traffic Systems“-Richtlinie) auf DAB+. DAB+ gewährleiste im Katastrophen- und Krisenfällen verlässliche Information der Bevölkerung. DAB+ sei deutschlandweit verfügbar; denn bis Ende 2016 sei die Zahl der Senderstandorte für die Digitalradiomultiplexe weiter gewachsen. 82 Prozent der Einwohner würden inhouse und 92 Prozent mobil erreicht, die Bundesautobahnen würden mit 98 Prozent nahezu komplett versorgt. In ländlichen Gebieten sei DAB+ eine unverzichtbare mobile Quelle bei fehlendem Ausbau der Mobilfunknetze. Der Verkauf von DAB+-Geräten nehme überdurchschnittlich zu; der Trend zu Geräten, die sowohl UKW als auch DAB+-fähig sind, sei eindeutig: Der Anteil DAB+-fähiger Geräte im Verkauf sei im September bei 19 Prozent gelegen gegenüber 13 Prozent im Vorjahr; die Anzahl der Empfangsgeräte sei 2016 um 1,85 Millionen bzw. 29 Prozent auf 8,24 Millionen gestiegen. Die Marktdurchdringung könnte noch gesteigert werden, wenn, wie jetzt im TKG vorgesehen, alle neu auf den Markt kommenden Radiogeräte mit DAB+-Empfangsmöglichkeit ausgestattet würden. Europa setze auf DAB+: Die europäischen Nachbarländer seien ebenfalls auf dem Weg in die digitale Radiozukunft. Norwegen werde 2017 vollständig auf DAB+ umstellen, die Schweiz strebe das für 2020 bis 2024 an. Andere Länder folgen. Der gleichzeitige Betrieb von UKW und DAB+ müsse im Zusammenwirken aller Marktbeteiligten und zeitgleich mit den privaten Programmveranstaltern erfolgen, weshalb ein abgestimmtes Vorgehen der öffentlichen-rechtlichen Sender, des privaten Rundfunks, der Auto- und Geräteindustrie, der Regulierungsinstitutionen und des Gesetzgebers erforderlich sei. Die ARD zum Beispiel setze auf ein Stufenmodell, bestehend aus Ausbau- und Migrationsphase. Zunächst sollen die Netze zügig ausgebaut werden, um gemeinsam mit dem Deutschlandradio das angestrebte Versorgungsziel von 95 Prozent der Fläche der Bundesrepublik zwischen 2018 und 2020 zu erreichen. In der Migrationsphase solle ein konkretes Verfahren für den Ausstieg aus UKW vereinbart werden. Das müsse sich aber nicht allein in einem fixen Abschaltdatum für UKW erschöpfen. Es müsse einen öffentlich kommunizierten Zeitplan geben; denn nur da in Europa, wo dieser vorgegeben sei, entwickle sich der Markt für DAB+ schneller als in den anderen Staaten. Das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur habe durch die Gründung eines Digitalradio Boards ein erstes Signal gesetzt, in das alle Marktbeteiligten eingebunden seien. Auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) habe die Bewilligung der Mittel für DAB+ mit einem klaren Appell an die Medienpolitik verbunden, eindeutig Position zu beziehen, nicht zuletzt um den parallelen Betrieb von kostengünstigem DAB+ und teurem UKW so kurz wie möglich zu halten. Dies wird von den Bundesländern und dem Bundesrat unterstützt. Schon beim dritten Änderungsgesetz zum TKG vor wenigen Monaten hat der Bundesrat eine Verpflichtung für Gerätehersteller empfohlen, zukünftig alle neuen Radiogeräte auch mit DAB+-Empfangsmöglichkeit auszustatten. So könne ein maßgeblicher Beitrag zur Beschleunigung der Digitalisierung des Hörfunks geleistet werden. So weit, so gut, so könnte die schöne neue Welt also aussehen. Aber ganz so einfach ist es nicht, wie so oft: Nach dem bis 2012 geltenden § 63 Absatz 5 TKG sollten alle Frequenzzuteilungen für den analogen UKW-Hörfunk bereits bis Ende 2015 widerrufen werden. Die ursprünglich im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Fernsehens abgeleitete Annahme, dass Hörfunk dann ganz überwiegend digital verbreitet werde, ist aber nicht eingetreten. Deshalb wurde § 63 Absatz 4 TKG im Gesetzgebungsverfahren 2012 – abweichend vom Gesetzentwurf der Bundesregierung – erneut geändert. Danach ist eine Verlängerung mindestens bis Ende 2025 möglich. Die Entwicklung des analogen UKW-Hörfunks sollte den medienrechtlichen Überlegungen der Länder folgen, die entscheiden, ob und wann an dieser Art der Programmverbreitung teilweise oder in Gänze kein Bedarf mehr besteht, wobei Einigkeit bestand, dass dies von der Marktentwicklung digitaler Programmverbreitung bzw. rezeption abhängen sollte. Die Bundesregierung hatte 2012 zugesagt, im europäischen Rahmen für die rasche Verbreitung hybrider Endgeräte einzutreten, die sowohl Digitalradio als auch UKW empfangen können. Der nun vorliegende Entwurf zu § 48 TKG macht nun weder das eine noch das andere. Er gibt keinen neuen Termin für die Umstellung vor, versucht aber, die Verbreitung entsprechender Empfangsgeräte nicht auf europäischer, sondern lediglich auf nationaler Ebene zu befördern. Der Bundesrat hatte schon mit seiner Stellungnahme zur dritten Änderung des TKG am 23. September 2016 einen Normvorschlag für eine Verpflichtung über § 48 Absatz 4 TKG vorgelegt, wonach Endgeräteherstelle nur noch Geräte auf den Markt zu bringen dürfen, die auch digitalen Empfang ermöglichen – so wie dies auch bei der Digitalisierung des terrestrischen Fernsehmarktes erfolgt sei. Die Bundesregierung hat den Beschluss des Bundesrates damals nicht übernommen – mit Verweis auf europarechtliche Bedenken und die zu befürchtende Zeitverzögerung. Die notwendigen Anpassungen des TKG an die europäischen Vorgaben zur Netzneutralität dürften nicht weiter verzögert werden. Der Bundestag ist dem vor wenigen Wochen mehrheitlich gefolgt und hat die Änderung des § 48 Absatz 4 TKG wie vom Bundesrat vorgeschlagen abgelehnt. Nun schiebt die Bundesregierung eilig eine vierte Änderung des Telekommunikationsgesetzes hinterher, um dem Wunsch des Länder und des Bundesrates doch noch zu folgen. Allerdings: Für den Gesetzentwurf ist ein Notifizierungsverfahren bei der EU erforderlich, um zu prüfen, ob der Entwurf Hemmnisse für den freien Warenverkehr enthält. Die Notifizierungsfrist wird erst Anfang August 2017 ablaufen. Die zweite und dritte Lesung des Gesetzes in einer der letzten Sitzungswochen im Juni, also noch vor Abschluss des Notifizierungsverfahrens, halte ich für überaus problematisch. Wir sehen hier noch Klärungsbedarf. Deshalb bringen wir eine an sich inhaltlich diskussionswürdige Gesetzesänderung ein, wollen aber sowohl die europarechtlichen als auch die medienpolitischen Aspekte noch gründlich prüfen. Thomas Lutze (DIE LINKE): Deutschland hinkt bei der Digitalisierung des Hörfunks im europäischen Vergleich weit hinterher. Im Jahr 2016 lag die Quote der Radiohörer, die ihr Programm digital empfangen, lediglich bei etwas über 13 Prozent. Obwohl digitales Radio seit 2005 praktisch überall in Deutschland zu empfangen ist, läuft die Verbreitung der entsprechenden Empfangsgeräte nur sehr schleppend. Dabei hatte man im letzten Jahrzehnt noch gehofft, bis 2015 eine solch große Verbreitung des digitalen Hörfunks erreicht zu haben, dass die UKW-Sender abgeschaltet werden können und so wertvolle Frequenzen für andere Dienste frei werden. Dieses Ziel wurde deutlich verfehlt. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Maßnahme, für alle höherwertigen Empfangsgeräte die Schaffung der Möglichkeit des digitalen Empfangs vorzuschreiben, kann einen Beitrag dazu leisten, die Marktdurchdringung digitaler Radiogeräte zu verbessern. Allerdings hat die Bundesregierung durch ihre Definition dessen, was höherwertige Empfangsgeräte darstellen, ein großes Schlupfloch offen gelassen. Dies sind laut dem Gesetzentwurf alle Geräte, die den Sendernamen anzeigen können. Will sich ein Hersteller weiterhin die digitale Schnittstelle in seinem Gerät sparen, so lässt er einfach das Display am Radio weg oder unterbindet die Anzeige des Sendernamens softwareseitig. Weiterhin kritisieren wir, dass den Herstellern und Händlern mit 12 Monaten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eine mehr als großzügige Frist für den Übergang gewährt wird. Die Bundesregierung schreibt dazu selbst in ihrem Entwurf, dass diese Frist dem Abverkauf der rein analogen Geräte dienen soll. Dies bedeutet, dass der Markt, in dem wir ja eigentlich die Position der digitalen Empfangsgeräte stärken wollen, noch einmal mit im Preis reduzierten und massiv beworbenen Altgeräten geflutet wird. Und wie oft kauft man schon ein neues Radio? In der Regel ist der Kauf einer Stereoanlage eine Anschaffung für Jahrzehnte. Die Linke unterstützt das Anliegen des Gesetzentwurfes, aber ich hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen noch an der einen oder anderen Stelle ein wenig nachbesseren können. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wird ja häufig behauptet, die Opposition würde Gesetze der Regierung immer schon aus Prinzip kritisieren. Heute kann ich mal das Gegenteil beweisen: Mit dem vorliegenden Gesetz soll festgeschrieben werden, dass alle neuen Radiogeräte so ausgerüstet sein müssen, dass sie einen digitalen Empfang ermöglichen – entweder über DAB+ oder über IP. Das begrüßen wir. Umgekehrt scheint diese sachliche Debatte von den Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen nicht geführt zu werden; denn schon seit Jahren mahnen wir dies an. Viel mehr Menschen würden schon heute digital Radio hören, und DAB+ hätte wahrscheinlich eine weit größere Verbreitung, wenn man sich vor Jahren dafür entschieden hätte, diese Verpflichtung beispielsweise für Autoradios einzuführen. Aber damals haben die Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen vor der Wirtschaft gekuscht. Nun ja, sinnvolle Vorschläge setzen sich doch irgendwann durch. Hoffentlich ist es nicht zu spät; denn die Verbreitung von DAB+ ist – noch – sehr gering, und so mancher Medienpolitiker erklärt diese Technologie inzwischen für gescheitert. Dabei ist der DAB+-Empfang störungsfrei und gewährleistet eine vom Internet unabhängige Verbreitung. Nun wird mit diesem Gesetz also dem technischen Fortschritt endlich Rechnung getragen und zugleich mehr Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Das ist gut so. Besonders freut es mich, dass hier eine technikneutrale Lösung gefunden wurde. DAB+ wird nicht einseitig gegenüber IP-Technologie bevorzugt oder umgekehrt, die Anforderung ist lediglich, dass digitaler Empfang möglich sein soll – auf die eine oder andere Technologie gestützt. Wenn sich eine Bürgerin oder ein Bürger in Zukunft ein neues Radio kaufen, können sie sich also aussuchen, ob sie lieber ein Internetempfangsgerät haben wollen oder ein DAB+-Radio. In einer Situation, in der zumindest unklar ist, ob DAB+ sich als Technologie durchsetzen wird, scheint mir das eine sachgerechte Lösung. Wenn dieser parallele Ansatz weiterverfolgt wird, sollten wir allerdings im Bereich des IP-Radios in Zukunft genauer hinschauen. Sehr viele Menschen hören Radioprogramme vor allem im Auto. Das alte Autoradio wird aber in neuen Autos inzwischen durch Hightech-Medienplattformen ersetzt, die viel mehr zu bieten haben als nur das profane Radio. Mehr Auswahl ist grundsätzlich immer gut. Es stellt sich aber auch immer dringlicher die Frage, wer zu welchen Konditionen Zugang zu diesen Plattformen hat und wie leicht oder schwer die jeweiligen Angebote erreichbar sind. Es handelt sich schließlich um vergleichsweise neue Technologien, die in der Regel nicht unter den Plattformbegriff des Rundfunkstaatsvertrags fallen, bei denen der Zugang für Rundfunkanbieter nicht automatisch gegeben ist und die sich der Kontrolle durch die Landesmedienanstalten weitgehend entziehen. Trotzdem muss aus meiner Sicht so etwas wie Plattformneutralität in einem möglichst weitgehenden Sinne sichergestellt sein. So wie wir im offenen Internet auf Netzneutralität beharren, müssen wir auch bei Medienplattformen in Autos einen gleichberechtigten Zugang sicherstellen. Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen: Mich erreichen immer wieder besorgte Briefe von Bürgerinnen und Bürgern, die eine UKW-Abschaltung befürchten. Hier muss vor allem Klarheit geschaffen werden angesichts der Debatten über die UKW-Abschaltung und das Festlegen verschiedener Zeitpunkte in der Vergangenheit. Es muss vor allem langfristig und umfassend über die UKW-Abschaltung informiert werden. Die recht kurzfristige Umschaltung von DVB-T auf DVB-T2 hat gezeigt, dass vor allem die Nutzerinnen und Nutzer das Nachsehen haben. Eine Verständigung darüber muss daher mit den Ländern erfolgen, denn dieses Thema liegt nun mal im Kompetenzbereich der Bundesländer. Sie sind es auch, die die Weichen für DAB+ stellen müssen. Wir hier im Bundestag können aber zumindest dafür sorgen, dass DAB+ nicht daran scheitert, dass es keine Geräte dafür zu kaufen gibt. Anlage 35 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: 25 Jahre Ostseerat – Das Modell für eine gelungene Integration von Ost und West weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 37) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Ich bin Schleswig-Holsteiner. Zudem gehörte ich jahrelang der Ostseeparlamentarierkonferenz an. Der Ostsee fühle ich mich eng verbunden. Sie ist für mich ein Stück Heimat. Als Deutschland im Jahr 2012 die Präsidentschaft im Ostseerat führte, erklärte Bundespräsident Joachim Gauck: „Das Baltische Meer ist ein Meer der Freiheit geworden.“ Das ist großartig, denn es war nicht immer so. Der Ostseeraum war durchaus Ort beeindruckender Kooperationen wie der Gründung der Hanse in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Er war aber vor allem auch Ort wechselnder Bündnisse und Kriege um die Vorherrschaft im Norden Europas. Die Ostsee war zentraler Schauplatz des Ersten und des Zweiten Weltkrieges, aber auch des Kalten Krieges. Schätzungen gehen von mindestens 6 500 DDR-Bürgern aus, die über die Ostsee in den Westen flüchten wollten. Nur etwa 900 von ihnen kamen dort an. Das Ende des Kalten Krieges eröffnete auch für die Ostseestaaten neue Möglichkeiten. Es war die Vision eines friedlichen und vereinten Ostseeraumes, die den damaligen dänischen Außenminister Uffe Ellemann-Jensen und seinen deutschen Kollegen Hans-Dietrich Genscher bewogen, den Ostseerat ins Leben zu rufen. Sie verbanden damit das Ziel, ein politisches Dialogforum zu schaffen, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Hanse wiederbelebt werden. Insgesamt neun Staaten haben geografisch unmittelbaren Zugang zur Ostsee. In der Tat verbindet die Ostseeanrainerstaaten eine Art nordische Gelassenheit und Toleranz, die zu vergleichbaren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einstellungen führte. Selbst das russische Sankt Petersburg wurde 1703 gegründet, um an dieser Mentalität teilzuhaben. Die Außenminister des Ostseerates werden sich am 20. Juni in Reykjavik treffen, um das 25-jährige Bestehen des Ostseerates zu feiern. Ich sehe darin ebenfalls eine Erfolgsgeschichte. Die Osterweiterung der Europäischen Union um Länder wie Polen und die baltischen Staaten hat ebenso wie die Ostseestrategie der EU dazu beigetragen, die Folgen des Kalten Krieges zu überwinden. Die Region ist wieder wirtschaftlich und politisch zusammengewachsen. Der Ostseerat hat diese Arbeit als Dialogforum unterstützt. Er hat dazu beigetragen, den Austausch zwischen Menschen zu fördern. Vor allem hat er auch die schwierige Umweltsituation der Ostsee in den Blick genommen. Insgesamt schätze ich die Ergebnisse positiv ein, die Bilanz bleibt aber dennoch nüchtern. Wir müssen uns auch im Ostseeraum mit einer neuen Wirklichkeit konfrontieren. Die Freiheit des Baltischen Meeres, die Joachim Gauck so lobte, ist heute wieder gefährdet. Ostseerat und Ostseeparlamentarier sind in der Tat Formate, an denen Russland beteiligt ist. Wir sehen aber auch hier, dass eine positive Einbindung Russlands Grenzen hat. Zur Wahrheit gehört es, offen auszusprechen, dass neue Trennlinien in Europa bereits existieren. Russland hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Unterstützung separatistischer Bewegungen in der Ostukraine Vertrauen zerstört. Russlands Militärausgaben haben sich seit 2007 fast verdoppelt, wenn auch bedingt durch die Wirtschaftskrise die Ausgaben seit zwei Jahren wieder sinken. In der Ostsee hat Russland riskante Militärmanöver durchgeführt. Es wird von Zwischenfällen berichtet, russische Jets hätten Angriffe in unmittelbarer Nähe von US-Schiffen simuliert. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise beklagen Schweden, Polen und die baltischen Staaten, dass mehrfach russische Kampfflugzeuge in ihren Luftraum eingedrungen seien. Das bisher stark an Moskau gebundene Belarus möchte sich aus der russischen Umklammerung lösen. Die belarussische Staatsführung sucht den Kontakt zum Westen. Die Hauptstadt Minsk stand als neutraler Boden zur Verfügung, auf dem die Parteien des Ukraine-Konfliktes miteinander verhandeln konnten. Das alles bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Ostseeraum. Die NATO hat ihre Präsenz in der Region verschärft. In militärisch neutralen Ländern wie Schweden und Finnland werden plötzlich Diskussionen um einen NATO-Beitritt geführt. Die schwedische Armee wappnet sich für den Ernstfall. Auf der Insel Gotland stationiert Schweden seine Soldaten. Ein Offizier berichtet, es sei in Anbetracht neuer Waffentechnologien schwer, sich gegen die in Kaliningrad stationierten Iskander-Raketen zu verteidigen. Schweden hat seine Militärausgaben erhöht und ein Gastabkommen mit der NATO geschlossen. Die finnische Regierung bereitet sich mit 50 000 zusätzlichen Soldaten auf mögliche Krisenfälle vor. Berichten der finnischen Regierung zufolge habe sich die Sicherheitslage in Finnland verschlechtert. Immerhin teilt das Land fast 1 000 Kilometer Landgrenze mit Russland. Man sei beunruhigt über die russische Sicht, Sicherheit auf Einflusszonen aufzubauen. Auch Finnland schloss einen Vertrag mit den USA über militärische Zusammenarbeit ab. Alle anderen Staaten des Ostseeraumes sind Mitglieder der NATO. Die NATO hat ihre Präsenz in den baltischen Staaten und in Polen massiv erhöht. Unsere Botschaft ist klar: Wir wollen keine militärische Auseinandersetzung mit Russland. Aber wir stehen zu unserer Bündnisverpflichtung, wenn Russland einen Mitgliedstaat der Allianz angreift. Zugleich hat sich die Situation auch in den transatlantischen Beziehungen verändert. Die Botschaften des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump sind widersprüchlich, sein Verhalten bleibt unberechenbar. Mal erklärt er die NATO für obsolet, dann wieder nicht. Die EU ist in einer Phase der Neuorientierung. Großbritannien hat sich entschieden, die EU zu verlassen. In Frankreich und Österreich drohten rechtspopulistische Europakritiker die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Die Balkanstaaten möchten in die EU aufgenommen werden. Sie werden von zwischenstaatlichen, ethnischen und religiösen Konflikten destabilisiert. Offen ist auch, wie sich unser künftiges Verhältnis zur Türkei gestalten wird. Die EU muss entscheiden, wie sie mit Erweiterungen und mit der weiteren Vergemeinschaftung ihrer Politikbereiche umgehen will. Neben der Ukraine-Krise ist Europa noch mit anderen Krisen belastet, allen voran mit dem schrecklichen Bürgerkrieg in Syrien und dem internationalen Terrorismus. Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? In der Tat ist der Ostseeraum eine der politisch und wirtschaftlich stabilsten sowie sichersten Regionen der Welt. Das aggressive Verhalten Russlands hat aber auch die Ostseeanrainerstaaten verunsichert. Die NATO, die baltischen Staaten und Polen, aber auch Schweden und Finnland haben Konsequenzen gezogen und setzen auf militärische Prävention. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass „vieles, auf das wir uns bisher wie selbstverständlich verlassen haben, nicht mehr selbstverständlich ist.“ Die Konsequenz aus der Wahl Donald Trumps und dem Brexit, aus Erdogan, Syrien und dem internationalen Terrorismus muss lauten: Wir brauchen ein starkes Europa. Europa muss für sich sorgen können. Die skandinavischen Länder sind hier gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen. Eine klar proeuropäische Haltung vertritt Finnland, das auch den Euro eingeführt hat. Schweden könnte den Euro einführen, möchte es aber bisher nicht. Auch Dänemark hat den Euro nicht eingeführt und zudem eine Menge Opt-out-Regelungen bei den europäischen Verträgen. Norwegen hat zwei Volksabstimmungen zum EU-Beitritt durchgeführt. In beiden Fällen hat die Bevölkerung dagegen votiert. Es sind starke und stabile Länder, die viel zur EU beitragen können. Deutschland sollte die Möglichkeiten des Ostseerates und die Ostseeparlamentarierkonferenz nutzen, bei den skandinavischen Ländern für diesen Weg zu werben. Sicherheit und Stabilität im Ostseeraum brauchen ein klares Ja zur Europäischen Union. Der Ostseerat ist eine zwischenstaatliche Organisation, die Chancen und Möglichkeiten eröffnet, zwischen den Staaten kulturellen Austausch und regionale Zusammenarbeit zu vertiefen. Es ist gut, dass auch Russland hier mit am Tisch sitzt. Andererseits haben die Krisen der letzten Jahre auch den Ostseeraum verändert. Viele unserer Hoffnungen aus dem Jahr 1992, dem Jahr der Gründung des Ostseerates, haben sich nicht erfüllt. Die Zusammenarbeit mit Russland, so wie es heute ist, hat Grenzen. Dieses Vakuum kann der Ostseerat nicht füllen. Die Tatsache, dass seit 2014, dem Jahr der Krim-Annexion, keine gemeinsame Sitzung der Außenminister des Ostseerates mehr stattgefunden hat, belegt das. Deshalb hat der Ostseerat in der deutschen Ostpolitik auch eher an Bedeutung verloren. Die skandinavischen Länder fühlen sich ebenso wie Polen und die baltischen Staaten von Russland bedroht. Heute ist der Ostseeraum eine der sichersten Regionen der Welt. Derzeit ist dort kein akuter Krisenherd erkennbar. Wir dürfen die Region nicht vernachlässigen. Denn auch aus Vernachlässigung können Krisen erwachsen. Dem können die skandinavischen Länder entgegenwirken, indem sie erkennen: Ein starkes Europa ist die Antwort auf alle Krisen unserer Zeit. Hier sehe ich die Chance für den Ostseerat, aktiv die Zukunft zu gestalten. Franz Thönnes (SPD): In diesem Jahr begehen alle Anrainerstaaten der Ostsee das 25-jährige Bestehen des Ostseerates. Ein Jahr nach dem Silberjubiläum der Ostseeparlamentarierkonferenz folgt nun das Pendant der politischen Kooperation auf Regierungsebene und kann auf 25 Jahre aktive Politik in der Ostseeregion zurückblicken. In wenigen Tagen, am 20. Juni, findet aus diesem Anlass ein Treffen der Außenminister des Ostseerates im Rahmen der aktuellen isländischen Präsidentschaft in Reykjavik statt. Über Ostseepolitik zu sprechen heißt, über Kooperations-, Friedens- und Sicherheitspolitik zu sprechen. Das war vor 25 Jahren so. Und das ist heute auch so. Wir sprechen über eine Region mit mehr als 80 Millionen Menschen, eine Region, die eine bewegende gemeinsame Zeit aus der Geschichte der Hanse vom 12. bis 17. Jahrhundert hinter sich hat, eine Region, in der die Ostsee für die Nationen nahezu ein halbes Jahrhundert ein Meer war, das sie trennte. Dies änderte sich nach dem Wegfall des Eisernen Vorhanges 1989/90. Mit starker Kraft keimte wieder die Hoffnung auf, dass die jahrzehntelange Trennung des Ostseeraumes aus dem Kalten Krieg überwunden und er sich wieder zu einer prosperierenden und wohlhabenden Region entwickeln wird. Diese Vision wurde sowohl von den Mitgliedern der Parlamente wie auch von den damaligen Außenministern Dänemarks und Deutschlands, Uffe Ellemann-Jensen und Hans-Dietrich Genscher, wiederbelebt. Und als Abgeordneter aus Schleswig-Holstein will ich darauf verweisen, dass dieser Gedanke ebenso tatkräftig von der damaligen SPD-geführten Landesregierung mit ihrem Ministerpräsidenten Björn Engholm unterstützt wurde. Natürlich ging es damals um die Fragen, wie man gute Nachbarschaft und stabile Demokratien rund um die Ostsee entwickeln könne. Die erste Zusammenkunft der Parlamentarier 1991 im Ostseeraum war für die Abgeordneten aus unterschiedlichen politischen Systemen eine ausgezeichnete Möglichkeit zum Dialog und für einen Blick über den eigenen Tellerrand. Gemeinsame Interessen wurden deutlich. Im transparenten Dialog entstanden neue Ideen, und gemeinsames Handeln wurde verabredet. Mit der kritischen Beratung des Handelns der Regierenden, neuen Verbindungen und Kooperationen erhielt die Ostseezusammenarbeit ihre parlamentarische Dimension. Das erste Außenministertreffen des Ostseerates in Kopenhagen folgte dann ein Jahr später am 5. und 6. März 1992. Damit wurde die historische Chance wahrgenommen, ein Forum der Regierungen für den politischen Dialog und für eine konstruktive Zusammenarbeit zu schaffen. Die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Beziehungen auf der Grundlage einer gefestigten Identität der hanseatischen Geschichte wiederherzustellen, war das zentrale Ziel. Der Ostseerat sollte dabei das allgemeine Gremium sein, in dem auf Regierungsebene die Zusammenarbeit koordiniert wird. Heute ist er in Europa einzigartig. Acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zwei EFTA-Staaten, Russland und die Europäische Kommission arbeiten auf Augenhöhe in einer zwischenstaatlichen Form in einer Region eng zusammen. Natürlich standen damals neben Fragen der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kooperation die umweltpolitischen Herausforderungen der erheblich verschmutzen Ostsee im Vordergrund, doch mehr und mehr kamen auch Infrastruktur, Energie, Arbeitsmarkt, Tourismus, Gesundheit, Bildung, Wissenschaft und weiche Sicherheitspolitik auf die Agenda. Wesentliche Arbeitsinstrumente sind die Ostseestrategie der Europäischen Union und die Politik der Nördlichen Dimension. Das 1998 gegründete Sekretariat des Ostseerates in Stockholm koordiniert die Arbeit. Dazu gehören Gruppen von Sachverständigen, Netzwerke, Task Forces und verschiedene Programme. Die Mitgliedstaaten erhalten bei der Koordinierung und Umsetzung der derzeitigen drei langfristigen Prioritäten des CBSS Unterstützung. Dies sind regionale Identität sowie eine nachhaltige, prosperierende und sichere Region. Sie wurden 2010 in der Erklärung von Vilnius „Eine Vision für den Ostseeraum bis 2020“ festgelegt. Es dürfen als Mutmacher für künftige Perspektiven beispielhaft folgende Erfolge der bisherigen Kooperation genannt werden: Durch intensive Zusammenarbeit konnten mit der Helsinki-Kommission und der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) strengere Abwasser- und Abgasregeln für Passagierschiffe auf der Ostsee durchgesetzt werden. Auch gibt es inzwischen schärfere Vorschriften gegen Eutrophierung. Das Konzept „Clean Baltic Shipping“ mit dem Ziel „Null Emissionen in der Seefahrt“ führt in mehreren Häfen zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes von Schiffen. Die Hauptschifffahrtswege der Ostsee wurden sicherer. Auch die EU-Ostseestrategie hat nach 2009 als erste makro-regionale Strategie neue Formen der Zusammenarbeit und der Strategieplanung in der Region zwischen den Ostseeanrainerstaaten, zwischen Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Verwaltungen, Unternehmen und Gewerkschaften geschaffen. Bewahrung der Ostsee, Anbindung der Region sowie Förderung des Wohlstandes sind aktuell die Schwerpunkte. Aus dem Leuchtturmprojekt der EU-Ostseestrategie „Baltic Sea Labour Network“ ist das Baltic Sea Labour Forum als permanentes Gremium für den sozialen Dialog in der Ostseeregion mit über 30 Arbeitgeber- und Gewerkschaftsorganisationen sowie Partnern entstanden, das heute vom Sekretariat des Ostseerates organisatorisch begleitet wird. Im sozialen Dialog geht es um nachhaltige Arbeitsmärkte, faire Arbeitsbedingungen, Arbeitsmobilität und sozial abgesicherte Bedingungen für Grenzpendler sowie Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Derzeit wird gemeinsam das Arbeitsministertreffen der Ostseeratsmitglieder am 15. Juni 2017 in Berlin vorbereitet. Als Erfolg kann auch die im Ostseerat während der deutschen Ratspräsidentschaft für die projektorientierte Modernisierung der ostseenahen Gebiete Nordwestrusslands 2012 beschlossene Pilot-Finanzierungs-Initiative (PFI) angesehen werden. Gute Projekte können hier finanziell schnell angestoßen werden. Gerade in diesen kritischen Zeiten brauchen wir mehr statt weniger Zusammenarbeit, um die gemeinsamen Herausforderungen zu bewältigen. Schließlich bleibt auch auf gemeinsamen Druck aus der Ostseeregion das Thema Gesundheit in der EU-Ostseestrategie bei der EU-Kommission weiterhin ein förderfähiges Politikfeld. Der Ostsee-Jugenddialog – Baltic Sea Youth Dialogue (BSYD) – ist ebenso eine wichtige Investition in unsere gemeinsame Region, gerade wenn man an die Langfristpriorität der regionalen Identität denkt. Die Gründung des Baltic 2030-Netzwerks war die rasche Antwort des Ostseerates auf die in den Nachhaltigkeitszielen dargelegten globalen Herausforderungen. Hier geht es um die Entwicklung von Partnerschaften und Projekten, darum, die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung regional umzusetzen und damit auch der zweiten Langfristpriorität einer „nachhaltigen und prosperierenden Region“ gerecht zu werden. Im Rahmen der dritten langfristigen Priorität „eine sichere Region“ sind mit der Task Force des Ostseerates zur Bekämpfung des Menschenhandels, der Expertengruppe für gefährdete Kinder und der Ostsee Task Force zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gute Kooperationsstrukturen geschaffen worden. Der russisch-ukrainische Konflikt und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine haben leider auch ihre Auswirkungen auf die Ostseeregion. Angesichts des Verhaltens Russlands in der Ukraine wurden 2014 die Ministertreffen sowie das alle zwei Jahre stattfindende Treffen der Regierungsspitzen des Ostseerates von den anderen Mitgliedstaaten ausgesetzt. Die Ostseeparlamentarierkonferenz hat in ihren letztjährigen Konferenzen nicht nur zu einer vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen aufgerufen, sondern ebenso die Erwartungen an alle Ostseestaaten ausgesprochen, dass sie alles in ihren Kräften Stehende tun, um sicherzustellen, dass „sich die Ostseeregion weiterhin durch intensive Zusammenarbeit und gute, friedliche Nachbarschaft auszeichnet.“ Aus diesem Grund forderte die Ostseeparlamentarierkonferenz auch „eine Wiederaufnahme der Ministertreffen des Ostseerates, weil durch diese Treffen der Dialog gefördert und die Zusammenarbeit gestärkt werden.“ Es ist daher nur zu begrüßen, dass im Rahmen der letztjährigen polnischen Ostseeratspräsidentschaft erstmalig wieder Zusammenkünfte der Kultur-, Wissenschafts- und Vizeaußenminister auf Ostseeratsebene stattfanden und für diesen Monat Treffen der Arbeits- und Außenminister geplant sind. Die Bundesregierung hat hierbei unsere volle Unterstützung. Gleichwohl gilt es angesichts der erheblichen Zunahme russischer Militäraktivitäten in den letzten Jahren in der Ostseeregion sowie der daraufhin ausgeweiteten militärischen Präsenz der NATO in ihren Mitgliedstaaten, alle Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die militärischen Bewegungen im Ostseeraum nicht zu einem neuen Sicherheitsrisiko in Nordeuropa werden. Notwendig sind Transparenz, der Verzicht auf militärische und rhetorische Provokationen, die Nutzung technischer Sicherheitssysteme wie Transponder bei Militärfliegern und der Dialog sowie die Schaffung neuen Vertrauens, dass zur Reduzierung des militärischen Potentials in der Ostseeregion und zur Schaffung einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur führt. Aus meiner jahrzehntelangen politischen Arbeit im Ostseeraum kann ich nur bestätigen, dass der Geist des Jahres 1992 von Kopenhagen nach wie vor breit vorhanden ist. Und gerade deshalb gilt es angesichts der internationalen Herausforderungen auch, in internationaler Kooperation zu handeln und nicht in Nationalismen zu verfallen oder sich gar zu isolieren. Deshalb fordern die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag die Bundesregierung dazu auf, sich in ihrer Ostseeratspolitik in nächster Zeit auf 14 Punkte zu konzentrieren, von denen ich hier aus meiner Sicht einige zentrale Felder kurz benenne. Die Punkte 1 bis 3 der Forderungen unterstreichen das gerade Formulierte zur Schaffung von mehr Sicherheit durch Stärkung der Kooperationen für eine friedliche Entwicklung in der Region und in Europa. Dazu gehört ebenso die innere Sicherheit, wenn es, wie im Punkt 13 gefordert, darum geht, den Menschenhandel im Ostseeraum wirkungsvoll zu bekämpfen und die Schutzmechanismen für potenzielle Opfer zu verbessern. Der Aufruf zur verstärkten Wahrnehmbarkeit des Ostseerates geht nicht nur an die Bundesregierung und die anderen Mitgliedstaaten, sondern auch an uns selbst. Gute Arbeit und Erfolge vermitteln sich nicht von allein. Es gilt die Weisheit: Tue Gutes und rede darüber. Gerade die soziale Dimension durch eine Ausweitung der People-to-People-Kontakte und einer Erhöhung des Austausches von Jugendlichen, wie in den Ziffern 4 und 5 gefordert, ist eine unverzichtbare Größe, wenn es darum geht, Offenheit sowie Vertrauen zu stärken und Feindbilder zu verhindern. Notwendig ist eine engere Kooperation im Rahmen der immer schneller stattfindenden Entwicklung eines grenzüberschreitenden Arbeits- und Ausbildungsmarktes in der Region. Und zu Recht gilt es, die tripartite Zusammenarbeit wie im Baltic Sea Labour Forum von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Politik zu unterstützen. Das gemeinsame Zusammentreffen des Forums mit den Arbeitsministern in diesem Monat in Berlin ist hierzu ein wichtiges Zeichen. Wenn es darum geht die Wettbewerbsfähigkeit der Ostseeregion zu erhalten und auf die Zukunft auszurichten, so sind eine noch intensivere Kooperation im Wissenschafts- und Forschungsbereich sowie eine Digitalisierungsoffensive im Ostseeraum erforderlich. Gleiches gilt für erfolgreiche Antworten auf den Klimawandel und zur Umsetzung der Agenda 2030 ebenso wie für die Nutzung der Chancen eines nachhaltigen Tourismus, der die Attraktivität der Region erhöht und gleichzeitig ihre natürlichen Grundlagen bewahrt. Das in 25 Jahren guter Ostseekooperation Erreichte sowie die vor uns liegenden Herausforderungen sollten Mut und Ansporn sein, um mit Leidenschaft und Enthusiasmus an einer friedlichen Weiterentwicklung unseres gemeinsamen Lebensraumes Ostsee zu arbeiten. Ostseepolitik in diesem Sinne ist dann auch weiterhin Kooperations-, Sicherheits- und Friedenspolitik zugleich. Es gibt nur eine Sicherheit für uns alle. Herbert Behrens (DIE LINKE): Seit 25 Jahren gibt es mit dem Ostseerat eine Zusammenarbeit zwischen Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Russland und Schweden mit dem Ziel der Neugestaltung der Beziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges. Es waren Jahre des Ausbruchs aus dem Denken und Handeln der Blockkonfrontation und des Aufbruchs in eine Zukunft der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit an der einstigen Systemgrenze zwischen Ost und West. Es waren Jahre der Hoffnungen und Erwartungen der Menschen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, die sich jetzt nach Westen orientierten und so schnell wie möglich den ökonomischen Standard der entwickelten kapitalistischen Staaten erreichen wollten. Viele Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Früchte der Zusammenarbeit sind ungleich verteilt. Das Pro-Kopf-Einkommen in den EU-Staaten in der Ostsee-Region liegt zwischen 48 000 Euro in Dänemark und 11 000 Euro in Polen. Wenn der Lebensstandard so weit auseinanderklafft und auch die dadurch mit verursachten Probleme zunehmen, dann muss das immer wieder ins Zentrum der Arbeit gestellt werden. Ja, es ist richtig, wenn das Thema Sicherheit im nichtmilitärischen Sinne intensiv bearbeitet wird. Organisierte Kriminalität und Menschenhandel müssen bekämpft und die Arbeit der Expertengruppe für gefährdete Kinder wirksam unterstützt werden. Doch es reicht nicht, die Symptome gesellschaftlicher Fehlentwicklungen zu bekämpfen. Wer das Geschäft mit der Not der Menschen unterbinden will, der muss noch viel stärker die Not der Menschen selbst bekämpfen. Es muss also viel getan werden, um den politischen Dialog wieder zu verstärken. So steht es richtig im Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD. Es ist gut, dass unter dem Vorsitz Finnlands im Ostseerat die Ziele Umwelt, wirtschaftliche Entwicklung, Energie, Bildung und Kultur sowie zivile Sicherheit neu ausgerichtet worden sind. Jetzt muss die konkrete Zusammenarbeit auf diesen Feldern gestaltet werden – so hatten es die Mitglieder der Ostseeparlamentarierkonferenz (BSPC) vor zwei Jahren in Rostock beschlossen. Ich bin guter Dinge, dass diese Forderung in drei Wochen, am 20. Juni, beim Ministertreffen des Ostseerates in Reykjavik konkret wird; denn die Mitglieder des Ostseerates sind auch Mitglieder der BSPC. Die Linksfraktion im Bundestag unterstützt die Forderung aus dem Antrag, das gegenseitige Vertrauen und den Dialog in der Ostseeregion wiederherzustellen und künftig wieder zu regelmäßigen Fachministertreffen zu kommen. Durch Gespräche und gemeinsame Projekte wird vertrauensvolle Zusammenarbeit aufgebaut und die Gefahr von Missverständnissen und neuen Konfrontationen zwischen den Staaten abgebaut. Das halte ich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen militärischen Sicherheitspolitik für unabdingbar. Wo einst in der Ostseeregion vier Staaten des Warschauer Paktes vier Staaten der Nato gegenüberstanden, sind es nach der Auflösung des Warschauer Paktes im Jahr 1991 heute acht Ostseeanrainer, die der Nato angehören. Konservative Kräfte in Finnland spielen ebenfalls mit dem Gedanken einer Nato-Mitgliedschaft. Der Geist von Kopenhagen, wie er im Antrag zitiert wird, ist mit diesem expansiven Wirken der Nato nicht vereinbar. Der Geist von Kopenhagen muss die Triebkraft für Frieden und Wohlstand in der Ostseeregion sein und die Arbeit des Ostseerates prägen. Und er muss eben auch für die Menschen spürbar sein, wenn er nicht nur deklaratorischen Charakter haben soll. In diesem Sinne unterstützen wir den Antrag der Großen Koalition. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass bei diesem Antrag die Opposition hätte einbezogen werden können. Sicher hätten wir als Linksfraktion den Titel des Antrags verändern wollen. Jetzt lautet er „25 Jahre Ostseerat – Das Modell für eine gelungene Integration von Ost und West weiterentwickeln“. Ich habe darauf hingewiesen, dass von einer gelungenen Integration noch nicht gesprochen werden kann. Uns eint jedoch der Wille zu einer friedlichen und freundschaftlichen Zusammenarbeit in der Ostseeregion. Erlauben Sie mir eine Anmerkung zum Schluss: Die Geschichte der Zusammenarbeit der Ostseestaaten nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt nicht erst im Jahr 1992. Wenn auch unter anderen Vorzeichen gab es ein systemübergreifendes Forum seit den 50er-Jahren bis hinein in die 70er-Jahre. Die DDR, damals maßgeblich mit dem Ziel, die Anerkennung als zweiter deutscher Staat zu erreichen, veranstaltete die internationale Ostseewoche. Im Gründungsjahr 1958 gab es ein Flottentreffen der Bundesmarine im Rahmen der Kieler Woche, was den Menschen sowohl in Deutschland als auch in den skandinavischen Staaten Unbehagen bereitete, heißt es in den Archivalien des Landesarchivs Greifswald. Und so ging es damals auch um den Abbau von Konfrontation und um blockübergreifende Kooperation. „Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein“ hieß die Losung der Ostseewoche. Unabhängig von der Bewertung der damaligen Aktivitäten in beiden deutschen Staaten: Dass die Ostsee ein Meer des Friedens bleibt, gehört zu den wichtigen Zielen der internationalen Zusammenarbeit. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir beschäftigen uns heute mit einem Antrag der Koalition zum 25-jährigen Bestehen des Ostseerats. Tatsächlich ist die Geschichte der europäischen Integration in der Ostseeregion seit 1989 eine Erfolgsgeschichte – eine Erfolgsgeschichte vor allem der EU-Erweiterungspolitik, mit den für die Region bedeutsamen Erweiterungsrunden 1995 und 2004, aber auch der Integration innerhalb der Region neben und über die EU hinaus. So verbindet die Zusammenarbeit im Ostseerat heute eine Region, die seit Jahrhunderten wirtschaftlich, kulturell und mit der Ostsee offensichtlich auch ökologisch eng verknüpft ist und die über die Grenzen der heutigen EU hinausreicht. Das Besondere an der Ostseeregion ist dabei, dass diese Region Menschen und Regionen zusammenbindet, die tatsächlich über sehr große Unterschiede hinweg eine dynamische Zusammenarbeit pflegen und sich sehr bewusst über Gemeinsamkeiten sind. Die Idee der Gemeinsamkeiten in der Ostseeregion, mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl über wirtschaftliche und politische Unterschiede hinweg, kann eine Quelle für sehr viele wünschenswerte Entwicklungen sein. Woran macht sich diese Zusammenarbeit fest? Daran, dass Menschen wie ich sich schlichtweg in Kopenhagen, Tallin oder Kaliningrad eher zu Hause fühlen als in Stuttgart oder Frankfurt am Main? Ja, auch. Der bedeutendste Ausdruck ist aus meiner Sicht aber die Zusammenarbeit im zivilgesellschaftlichen Bereich, die im Antrag der Koalition gerade auch in Bezug auf die Zusammenarbeit der Parlamente, der NGOs und der Jugendarbeit gewürdigt wird. Diese einmalige Grundlage muss erhalten und gestärkt werden. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Zusammenarbeit in der Region in den letzten Jahren durch die repressive Gesetzgebung gegen Zivilgesellschaft und Bürgerrechte in Russland erheblich erschwert, ja eigentlich sogar unmöglich gemacht wurde. Die Lage der Zivilgesellschaft, aber auch die Bereitschaft der russischen Seite, entsprechende Themen anzugehen, sind sicherlich an einem Tiefpunkt angelangt. Gleichzeitig haben der russische Interventionskrieg in der Ukraine und die russische Politik, immer wieder mit militärischen Provokationen in der Region selbst eine ungeschminkt aggressive Seite an den Tag zu legen, das Vertrauen in die Zusammenarbeit in der Ostseeregion schwer erschüttert. Das schlägt sich auch auf die Zusammenarbeit im Ostseerat nieder. Es ist kaum vorstellbar, dass die Zusammenarbeit in der Region und auch im Ostseerat sich positiv weiterentwickeln lässt, solange Russland diese Politik nicht beendet. Deswegen ist es auch entscheidend, dass Deutschland seine Haltung unmissverständlich klarmacht: Die Solidarität im Ostseeraum gilt in diesen Fragen uneingeschränkt vor allem denen, die das Opfer bzw. die Adressaten der russischen Aggression sind. Und die Sanktionen der EU gegen Russland bleiben richtig und notwendig. Das, liebe Koalition, hätten Sie in ihrem Antrag so klar aufschreiben müssen. Der Ostseerat wird vor dem Hintergrund der gefährlichen russischen Außenpolitik in der Region nicht in der Lage sein, den Vertrauensverlust der Weltgemeinschaft in Russland zu kompensieren oder auch nur zu mindern, der spätestens mit der Verletzung des Budapester Memorandums entstanden ist. Aber er kann ein Gesprächsort für eine pragmatische Zusammenarbeit in der Region und auch mit Russland in wichtigen Fragen sein. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur die Zusammenarbeit im Bereich der wirtschaftlichen Modernisierung, bei der festzuhalten ist, dass die Missstände weiterhin überwiegen und es der russischen Regierung ganz offensichtlich an Interesse mangelt, tatsächlich die notwendige Rechts- und Investitionssicherheit herzustellen. Aber bei Themen wie Sicherheit oder Ökologie kann der Ostseerat gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Ausgangslage der Beziehungen zu Russland ein hilfreiches Gesprächs- und Zusammenarbeitsforum sein, an dem wir festhalten und in dem wir auch in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Deswegen werden wir dem Antrag der Koalition zustimmen. Anlage 36 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht (Tagesordnungspunkt 38) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Ein wesentliches Ziel unseres Koalitionsvertrages von 2013 ist die Entlastung der Kommunen. Hier haben wir sehr viel getan. Allein in diesem Jahr entlastet der Bund die Länder und Kommunen insgesamt mit rund 73 Milliarden Euro. Das ist die größte Entlastung aller Zeiten. In diesem kommunalpolitischen Zusammenhang ist auch der vorliegende Gesetzentwurf zu sehen. Ausgangspunkt für dieses Gesetz war die Beschwerde der kommunalen Spitzenverbände und der Länder, dass die Gebühren im Ausländerrecht nicht die Kosten decken, die in den Ausländerbehörden zum Beispiel bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln anfallen. Daher einigten sich Bund, Länder und Kommunen 2012 auf ein gemeinsames Projekt, in dem alle im Ausländerrecht geltenden Gebühren gemessen und systematisch evaluiert werden. Durchgeführt wurde diese Erhebung durch das Statistische Bundesamt, das bundesweit in repräsentativ ausgewählten Ausländerbehörden die realen Kosten für den durchschnittlichen Arbeitsaufwand ermittelte. Anschließend verglich das Amt den realen Kostenaufwand mit den erhobenen Gebühren. Die Evaluation der Daten von 2012/2013 zeigt im Ergebnis, dass den Kommunen bundesweit jährlich ein Defizit von über 12 Millionen Euro als Folge der teilweise zu niedrigen Gebühren entsteht. Seit 2012/2013 hat sich die Nettozuwanderung nach Deutschland nahezu verdoppelt. Entsprechend höher fällt heute auch das Defizit in den Ausländerbehörden aus. Es besteht also gut begründeter Handlungsbedarf. Der Beschluss von Bund, Ländern und Kommunen, hier gegenzusteuern, ist mehr als gerechtfertigt. Dabei gilt seit jeher der Grundsatz, dass einerseits die Kosten der öffentlichen Hand mittels Gebühren ausreichend zu decken sind und andererseits die Gebührenschuldner nicht übermäßig belastet werden sollen. Die Evaluierung hat aber auch gezeigt, dass manche Gebührensätze zu hoch angesetzt wurden, wie zum Beispiel die Gebühren für die Ausstellung einer Blauen Karte EU oder einer Niederlassungserlaubnis. Zu hohe Gebühren soll dieses Gesetz nach unten korrigieren. Im Wesentlichen sieht der Gesetzentwurf Änderungen der §§ 69 und 70 des Aufenthaltsgesetzes vor, in denen die Gebühren und die Verjährung geregelt werden. Mit den Änderungen schaffen wir als Parlament die gesetzlichen Voraussetzungen, damit der Verordnungsgeber bzw. die Bundesregierung die Gebühren in der Aufenthaltsverordnung entsprechend den Ergebnissen der Evaluation durch das Statistische Bundesamt anpassen kann. Damit werden die Forderungen von Ländern und Kommunen erfüllt. Konkret ändert sich durch den Gesetzentwurf Folgendes: Erstens wird das Kostendeckungsgebot für die Gebührenbemessung gesetzlich festgelegt und das bisherige Äquivalenzprinzip damit abgelöst. Das bedeutet, der Preis für ausländerrechtliche öffentliche Leistungen wird künftig als kostendeckende gesetzlich festgelegte Gebühr nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt. Der bisherige Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer Verwaltungsleistung und der dafür erhobenen Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss, tritt in den Hintergrund. Zweitens werden die Gebührenhöchstgrenzen in § 69 Aufenthaltsgesetz punktuell angepasst. In den meisten Fällen ergeben sich Anhebungen in unterschiedlicher Höhe. Beispielsweise steigt der Höchstsatz, der für die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis zu Forschungszwecken erhoben werden darf, um 20 Euro. Die Ausstellung eines Notreiseausweises sinkt hingegen von 25 auf 18 Euro. Drittens werden alle Gebührensätze in der Aufenthaltsverordnung entsprechend der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittskosten neu festgelegt. Zum Beispiel wird die Gebühr für eine Verpflichtungsermächtigung mit 4 Euro leicht angehoben. Die Erneuerung einer Duldung steigt deutlicher von 15 auf künftig 33 Euro. Allein dieser Punkt hatte 2012/2013 ein Defizit von über 3,5 Millionen Euro verursacht. Viertens werden die Gebührenhöchstätze für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sowie einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt in der EU reduziert. Die Gebühr wird jeweils um 60 Euro abgesenkt. Die Evaluierung hat gezeigt, dass die Gebühren deutlich zu hoch angesetzt waren. Fünftens erfolgt eine Harmonisierung mit dem Bundesgebührengesetz. Das bislang subsidiär geltende Verwaltungskostengesetz wird durch einschlägige Normen des Bundesgebührengesetzes abgelöst. Sechstens wird dafür gesorgt, dass Resettlement-Flüchtlinge und subsidiär Geschützte, die in Deutschland einen Reisepass beantragen, nicht mit zu hohen Gebühren überfordert werden. Sie werden in diesem Punkt rechtlich mit GFK-Flüchtlingen gleichgestellt. Auch für subsidiär Geschützte gilt künftig der Grundsatz, dass die Gebühren für einen Reisepass nicht höher als die Gebühren für die Ausstellung eines deutschen Reisepasses liegen dürfen. Das gilt, obwohl die Reisepässe für diese Gruppe erheblichen verwaltungstechnischen Mehraufwand verursachen. Ich denke aber, dass diese Regelung nicht nur den Betroffenen gegenüber fair ist, sondern auch im ureigenen migrationspolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Siebtens wird der nachvollziehbare Wunsch der Länder umgesetzt, und die Gebühren werden auf volle Eurobeträge gerundet. Das vereinfacht die Arbeit in der Praxis und die Abrechnungen. Der Gesetzentwurf war bereits im Frühjahr 2015 ressortabgestimmt. Das Kabinett hätte ihn schon früher verabschieden und in den Bundestag einbringen können. Allerdings wurde das Vorhaben aus gutem Grund zurückgestellt. Unter dem 2015 massiv ansteigenden Migrationsdruck erhielten viele andere asyl- und aufenthaltsrechtliche Reformen Vorrang. Es ging zunächst darum, unser Asylsystem insgesamt zu stabilisieren und unser Ausländerrecht an die Herausforderungen anzupassen. Die Gebührenordnung war daher erstmal nachrangig. Wir haben in den letzten zwei Jahren das deutsche Asylsystem nachhaltig stabilisiert. Die Migration nach Deutschland haben wir erfolgreich geordnet, gesteuert und begrenzt. Jetzt wollen wir auch noch dieses berechtigte Vorhaben in dieser Legislatur zu einem Abschluss bringen. Insgesamt halte ich den vorliegenden Gesetzentwurf für einen gut ausgewogenen Kompromiss, der das Kostendeckungsgebot der öffentlichen Hand einerseits und die Gebührenbelastung der Betroffenen andererseits in einen vernünftigen Ausgleich bringt. Ich bitte daher um Zustimmung. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Ausländerbehörden verzeichnen einen Arbeits- und Aufgabenzuwachs – nicht nur aufgrund steigender Migration. Sie stellen Aufenthaltsdokumente oder Notreiseausweise aus, übertragen Aufenthaltstitel oder schreiben passrechtliche Dokumente um. All diese Dienstleistungen sind umfangreich und verursachen Kosten in den Kommunen. In bestimmtem Maße werden Personen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, auch an den Kosten beteiligt. Schon lange bemängeln allerdings die Länder, dass die erhobenen Gebühren nicht mehr die tatsächlichen Kosten abdecken. Eine wissenschaftliche Analyse des Statistischen Bundesamtes hat 2013 diese Analyse bestätigt. Die Evaluation der bislang im Ausländerrecht geltenden Gebühren durch das Statistische Bundesamt hat gezeigt, dass die bundeseinheitlichen Gebühren für die kommunalen Haushalte bisher nicht ausreichend waren und jährlich für Defizite gesorgt haben. Insgesamt wurden durch das Statistische Bundesamt 53 verschiedene Gebührentatbestände untersucht – dabei haben sich einige Kosten als zu teuer und andere wiederum als zu günstig erwiesen. Daher werden nun die bislang geltenden Gebührenhöchstgrenzen punktuell angepasst und, wo notwendig, die Gebühren erhöht. Diese Anpassungen werden das ermittelte Defizit der Kommunen bei den in der Ausländerverwaltung anfallenden Kosten von rund 12 Millionen Euro pro Jahr erheblich reduzieren. Wahrscheinlich war das Defizit aufgrund der zwischenzeitlich stark gestiegenen Fallzahlen in den letzten beiden Jahren sogar erheblich größer, sodass das zusätzliche Volumen in den kommenden Jahren auch entsprechend höher ausfällt. Die Anpassung der Gebühren wird insoweit also auch zu der im Koalitionsvertrag als Ziel festgehaltenen Entlastung der Kommunen beitragen und ist damit absolut sinnvoll. Dabei nehmen wir die Anpassung so vor, dass zwar die jeweils anfallenden Kosten bestmöglich gedeckt werden, gleichzeitig die Gebührenzahler aber nicht unverhältnismäßig stark belastet werden. Bisherige Ermäßigungen oder Befreiungen von den Gebühren bleiben unverändert bestehen. Auch kann die einzelne Ausländerbehörde im Einzelfall wie gehabt mit Blick auf die Situation des Gebührenzahlers diese ermäßigen oder ganz erlassen. Damit tragen wir dafür Sorge, dass Ausländer nicht davon abgehalten werden, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Es bleibt festzuhalten: Wir haben dadurch eine ausgewogene und gelungene Regelung gefunden, die tatsächlichen Kosten besser abzubilden und gleichzeitig flexibel auf Härtefälle reagieren zu können. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung will die Gebührenordnung im Aufenthaltsrecht ändern, genauer gesagt: Sie will die Gebühren im Ergebnis massiv erhöhen, angeblich um die Kommunen zu entlasten. Das hört sich zunächst richtig und nach einem simplen Verwaltungsvorgang an. Dieser spiegelt aber zugleich Unstimmigkeiten und Probleme des Aufenthaltsrechts selbst und auch des Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland. Das vorliegende Gesetz lehnt die Fraktion Die Linke ab, weil es an den eigentlichen Problemen überhaupt nichts ändert. Es belastet insbesondere Geflüchtete, nützt aber den Kommunen kaum, die die Masse der Verwaltungsarbeit leisten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Gebühren bislang viel zu niedrig angesetzt, sodass etwa für die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer oder für Duldungen oder für die Befristung eines Einreiseverbotes weniger Gebühren erhoben werden, als die Verwaltungskosten hierfür tatsächlich betragen. Im vorigen Jahr sind die Kommunen deswegen auf 12 Millionen Euro sitzen geblieben. Im Prinzip ist der Ansatz, dass Gebühren kostendeckend sein sollen, zwar verständlich. Ich gebe aber zu bedenken: Wir reden hier nicht von Verwaltungsvorgängen, die von den betroffenen Ausländerinnen und Ausländern nach Lust und Laune veranlasst werden. Eine Familie, die zwar ausreisepflichtig ist, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen aber nicht abgeschoben werden kann, ist nicht selbst schuld daran, dass sie hier regelmäßig eine Duldung beantragen muss. Der Preis für eine Duldung soll sich nach dem Willen der Bundesregierung jetzt aber verdoppeln, so dass eine Erstduldung 58 Euro und jede Verlängerung bis zu 30 Euro kostet. Dabei muss man jedoch eines berücksichtigen: Die Duldungszeiträume werden aus politischen Gründen oftmals sehr kurz gehalten, manchmal auf einen Monat begrenzt. Durch diese staatlich veranlasste Abschreckungspolitik werden die Betroffenen dazu gezwungen, alle paar Wochen oder Monate diesen Verwaltungsakt zu beantragen. Dafür müssen die Behördenmitarbeiter natürlich Arbeitszeit aufwenden, was für die Kommunen Mehrausgaben bedeutet. Aber hier muss man zwei Sachen anmerken: Zum einen handelt es sich bei dem von der Bundesregierung gewählten Ansatz, einfach die Gebühren zu erhöhen, um die kommunalen Haushalte zu entlasten, um eine Milchmädchenrechnung; denn die Geduldeten, die hier vom Asylbewerberleistungsgesetz leben müssen, verfügen meist gar nicht über die erforderlichen Finanzmittel. Für sie springt in der Regel das Sozialamt ein – also im Ergebnis wiederum die Kommune, die ihre Ausgabeposten lediglich umschichten kann, aber am Ende doch darauf sitzen bleibt. Zum anderen zeigt sich hier die grundsätzliche Problematik, im Aufenthaltsrecht den Grundsatz der Kostendeckung einzufordern; denn ein großer Anteil der Kosten resultiert aus Umständen, für die nicht die Betroffenen, sondern „der Staat“ verantwortlich ist. Die Personalkosten bei den kommunalen Behörden werden teilweise nur dadurch in die Höhe getrieben, dass das Aufenthaltsrecht nur so von komplexen, teilweise auch unklaren Regelungen, von einer Vielzahl von Ausnahmetatbeständen usw. wimmelt. Das macht die Bearbeitung und Prüfung der jeweiligen Anträge aufwendig, langwierig und damit auch teuer. Eine klarere Gesetzgebung und vereinfachte Vorschriften würden die Bearbeitung erleichtern und damit billiger machen. Die Linke hat stets die Auffassung vertreten, dass die Kommunen von den Aufgaben der Flüchtlingsaufnahme und -versorgung effektiv entlastet werden müssen, weil der Flüchtlingsschutz in erster Linie eine staatliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland ist. Um diese Entlastung wirklich zu erreichen, braucht es aber ein anderes Instrument als das von der Bundesregierung gewählte. Hier muss grundsätzlich darüber nachgedacht werden, den Bund mehr in die Pflicht zu nehmen. Ich will abschließend noch darauf hinweisen, dass auch der Normenkontrollrat einige kritische Anmerkungen zu diesem Gesetz formuliert hat, die in eine ähnliche Richtung gehen wie unsere Kritik. So hat er formuliert: „Durch Rechts- und Verwaltungsvereinfachung könnten die Vollzugsträger auch auf der Aufwandsseite entlastet werden. Sofern dies zu spürbar weniger Vollzugsaufwand führt, könnten perspektivisch Gebühren auch wieder gesenkt werden.“ Der Kontrollrat hat weiter ausgeführt, es müsste „zum generellen Prinzip erhoben werden, vor einer Gebührenerhöhung zunächst das Vereinfachungspotential in den Verwaltungsverfahren auszuschöpfen. Anstatt Gebühren in Folge aufwändiger Verwaltungsverfahren zu erhöhen, sollten Gesetzgeber und Vollzugsträger mehr Augenmerk auf schlankere Verfahren legen.“ Dem kann ich mich nur anschließen. Das würde in der Praxis bedeuten, das Aufenthaltsrecht gründlich zu vereinfachen, und zwar im Sinne der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer. Einen konkreten Vorschlag hierfür, etwa bei der Duldungserteilung, hat die Fraktion Die Linke schon vor Jahren gemacht, nämlich langjährig Geduldeten endlich ein dauerhaftes Bleiberecht anzubieten. Wer seit Jahren hier lebt und voraussichtlich auch noch weiter geduldet werden muss – aus rechtlichen oder humanitären Gründen –, der soll endlich Sicherheit bekommen. Die beschlossene Bleiberechtsregelung ist nach allen bisherigen Praxiserfahrungen zu restriktiv und weitgehend unwirksam. Das wäre im Interesse der Flüchtlinge selbst, aber auch der Kommunen, und zwar nicht nur, weil sie auf die ewige Wiederholung der Duldungsverlängerung verzichten könnten, sondern auch weil die Flüchtlinge erst durch ein Bleiberecht eine reale Chance erhalten, sich in die Kommune, in der sie leben, erfolgreich zu integrieren und unabhängig von staatlichen Hilfsleistungen zu leben. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Die Bundesländer kritisieren seit längerem, dass die in der Aufenthaltsverordnung … für aufenthaltsrechtliche individuell zurechenbare öffentliche Leistungen festgelegten Gebühren nicht auskömmlich seien und die kommunalen Haushalte in diesem Bereich jährlich erhebliche Defizite zu verzeichnen hätten. Bund und Länder sind daher übereingekommen, belastbar zu ermitteln, ob und inwieweit die einzelnen Gebührentatbestände die tatsächlich anfallenden Kosten der Ausländerbehörden angemessen abbilden. Je nach Gebührentatbestand haben die Kommunen teilweise Überdeckungen, zum größeren Teil aber Unterdeckungen zu verzeichnen. Bezogen auf aufenthaltsrechtliche individuell zurechenbare öffentliche Leistungen entsteht den Kommunen ausweislich des Projektergebnisses insgesamt ein jährliches Defizit von ca. 12 Millionen Euro. … Um künftig die Gebühren im Ausländerrecht so festlegen zu können, dass sie einerseits die für die jeweiligen Leistungen anfallenden Kosten decken und andererseits die Gebührenschuldner nur im erforderlichen Ausmaße belasten, bedarf es Änderungen der §§ 69 und 70 des Aufenthaltsgesetzes. … Für die im Ausländerrecht geltenden Gebühren resultiert das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Festlegung insbesondere aus dem gesamtstaatlichen Interesse für gleiche Aufenthalts- und Lebensbedingungen von Ausländern im Bundesgebiet.“ So die Gesetzesbegründung. So weit, so gut, so halbwegs verständlich. Behördenhandeln kostet etwas, und es ist legitim, dafür Gebühren zu erheben. Das gilt allerdings nicht schrankenlos, und dabei ist höherrangiges Recht zu beachten. Das verkennen oder verschweigen Sie geflissentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Ich möchte mich heute nicht darüber auslassen, ob es legitim ist, etwa für die nachträgliche Aufhebung eines Einreiseverbots Gebühren in Höhe von 169 Euro zu verlangen. Das scheint mir zwar ein wenig zu viel der Abschottung zu sein; doch unsere Position zu den Einreiseverboten ist ja bekannt und kann auf Seite 8 der Drucksache 18/5425 nachgelesen werden. Nein, ich möchte Ihr Augenmerk vielmehr auf die unionsrechtlichen Vorgaben und die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik richten. In der Mai-Ausgabe des „Informationsbriefs Ausländerrecht“ widmen Dr. Tilman Reinhardt und Dr. Rolf Gutmann den unionsrechtlichen Vorgaben an die Erhebung ausländerrechtlicher Gebühren einen lesenswerten Beitrag. Ausgangspunkt für ihre Erörterungen ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. April 2010, wonach sich aus der Standstill-Klausel des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Türkei ergibt, dass von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen für die Ausstellung von Aufenthaltstiteln lediglich Gebühren verlangt werden können, die mit denjenigen von Unionsbürgern vergleichbar sind. Das ist keine Lappalie, sondern entlastet türkische Familien in der Europäischen Union in erheblichem Maße. Das wird auch weiter so sein müssen, da das Assoziationsrecht Anwendungsvorrang vor dem nationalem Recht und somit auch vor ihm entgegenstehenden gebührenrechtlichen Regelungen hat. Man fragt sich, ob die Bundesregierung das weiß. In der Gesetzesbegründung steht davon jedenfalls kein Wort. Nun kann man sagen: Es leben zwar viele türkische Staatsangehörige in Deutschland, auf die die Regelungen des Gesetzes, das heute verabschiedet werden soll, gar nicht angewandt werden können, aber es lohnt sich dennoch, das Gesetz zu verabschieden, da sich auch zahlreiche Menschen aus anderen Staaten in Deutschland aufhalten, die man zur Kasse bitten kann. Dann wäre es zwar ehrlicher, das in der Gesetzesbegründung auch zu erwähnen. Es ist allerdings so, dass auch Staatsangehörige weiterer Staaten sich möglicherweise auf völkerrechtliche Standstill-Klauseln berufen können und dann von den Gebühren gar nicht betroffen sein dürften. Laut Reinhardt und Gutmann bestehen solche Vereinbarungen – halten Sie sich fest – mit Moldawien, der Ukraine, Russland, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Algerien, Marokko, Tunesien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Andorra, San Marino sowie den 79 AKP-Staaten, die Vertragspartei des Cotonou-Abkommens sind. Das sind mehr als die Hälfte aller Drittstaaten! Vor diesem Hintergrund wirkt das Unterfangen der Koalition doch wie ein untauglicher Versuch, einen Flickenteppich notdürftig zu flicken. Rechtswidrig ist das nicht, wegen des erwähnten Anwendungsvorrangs des Assoziationsrechts – aber doch ein Stück weit unehrlich gegenüber der Öffentlichkeit, aber insbesondere gegenüber den Behörden, die das Durcheinander dann ausbaden müssen. Die Ausländerbehörden sollten jedenfalls nicht auf die Idee kommen, von den assoziationsrechtlich begünstigten Drittstaatsangehörigen die höheren Gebühren zu verlangen, sonst drohen Rückforderungen in beträchtlicher Höhe. Wir haben nichts gegen Gebühren an sich, deshalb stimmen wir nicht gegen den Gesetzentwurf. Gesetzgeberisch hätte man das aber einfacher und übersichtlicher machen müssen. Deshalb enthalten wir uns. 1)  Ergebnis Seite 24003 D 2)  Ergebnis Seite 24006 D 3)  Ergebnis Seite 24009 D 4)  Ergebnis Seite 24015 D 5)  Ergebnis Seite 24018 B 6)  Ergebnis Seite 24021 B 7)  Ergebnis Seite 24021 D 8)  Endgültiges Ergebnis und Abstimmungsliste Seite 24025 C 9)  Anlagen 2 – 8 10)  Ergebnis Seite 24028 C 11)  Anlage 8 12)  Anlage 10 13)  Anlage 11 14)  Ergebnis Seite 24093 C 15)  Ergebnis Seite 24149 C 16)  Ergebnis Seite 24152 C 17)  Ergebnis Seite 24155 C 18  Anlage 12 19  Anlage 13 20  Anlage 14 21)  Anlage 15 22)  Anlage 16 23)  Anlage 17 24)  Anlage 18 25)  Anlage 19 26)  Anlage 20 27)  Anlage 21 28)  Anlage 22 29)  Anlage 23 30)  Anlage 24 31)  Anlage 25 32)  Anlagen 26 bis 28 33)  Anlage 29 34)  Anlage 30 35)  Anlage 31 36)  Anlage 32 37)  Anlage 33 38)  Anlage 34 39)  Anlage 35 40)  Anlage 36 --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 237. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 1. Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 237. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 1. Juni 2017 III Plenarprotokoll 18/237