Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 243. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) 24875 A Begrüßung der neuen Abgeordneten Marion Marga Herdan 24875 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 24875 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 21 a, 36 ee, 36 qq, 36 zz, 36 ccc, 36 kkk, 36 mmm und 36 nnn 24878 C Begrüßung einer Delegation des irischen Parlaments unter Vorsitz des Vorsitzenden der deutsch-irischen Freundschaftsgruppe, Senator Craughwell 24883 D Tagesordnungspunkt 7: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 22. und 23. Juni 2017 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg 24878 D Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin 24879 A Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 24883 D Thomas Oppermann (SPD) 24886 A Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 24887 C Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24889 B Volker Kauder (CDU/CSU) 24891 A Bernd Westphal (SPD) 24893 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24894 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) 24895 D Norbert Spinrath (SPD) 24897 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 24898 C Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr Drucksachen 18/10145, 18/12936, 18/12964 24902 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksachen 18/12558, 18/12936, 18/12964 24902 C Kirsten Lühmann (SPD) 24902 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 24903 C Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI 24904 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24905 D Dr. Johannes Fechner (SPD) 24906 D Sebastian Steineke (CDU/CSU) 24908 A Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Alexander S. Neu, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abrüstung jetzt und hier beginnen Drucksache 18/12799 24909 D b) Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Orientierung am Zwei-Prozent-Ziel der NATO Drucksache 18/12800 24909 D c) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr. Gerhard Schick, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten Drucksache 18/12898 24909 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen Drucksachen 18/11609, 18/12419 24910 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen Drucksachen 18/6808, 18/12420 24910 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2016) Drucksache 18/11968 24910 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2015) Drucksache 18/8065 24910 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2014) Drucksache 18/4270 24910 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 24910 C Robert Hochbaum (CDU/CSU) 24911 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24913 B Michael Roth, Staatsminister AA 24915 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) 24916 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 24918 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) 24918 B Inge Höger (DIE LINKE) 24918 C Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) 24919 B Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) 24920 A Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) 24921 B Christine Buchholz (DIE LINKE) 24922 B Peter Beyer (CDU/CSU) 24922 D Tagesordnungspunkt 10: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA Drucksachen 18/12491, 18/12868 24924 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12869 24925 A Rainer Arnold (SPD) 24925 A Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 24927 A Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 24927 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 24929 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 24929 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24930 A Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) 24931 B Julia Obermeier (CDU/CSU) 24932 B Namentliche Abstimmung 24933 A Ergebnis 24936 D Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12950 24933 B Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 24933 C Petra Pau (DIE LINKE) 24935 B Uli Grötsch (SPD) 24939 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24941 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 24942 B Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24943 A Susann Rüthrich (SPD) 24943 D Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) 24945 B Clemens Binninger (CDU/CSU) 24946 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition 24948 B Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24948 C Nina Warken (CDU/CSU) 24949 B Martina Renner (DIE LINKE) 24951 A Uli Grötsch (SPD) 24952 C Bernhard Kaster (CDU/CSU) 24953 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) 24955 B Susanne Mittag (SPD) 24956 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24958 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) 24959 A Sebastian Hartmann (SPD) 24960 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 24961 C Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 24963 A Tagesordnungspunkt 12: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl Drucksachen 18/12359, 18/12933, 18/12995 24964 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl Drucksachen 18/12729, 18/12933, 18/12995 24964 C Dr. Johannes Fechner (SPD) 24964 D Frank Tempel (DIE LINKE) 24965 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 24967 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24968 C Bettina Bähr-Losse (SPD) 24971 C Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) 24972 C Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Katja Dörner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung Drucksache 18/12951 24973 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Sicherheit in die Selbständigkeit – Für eine bessere Absicherung von Selbständigen Drucksachen 18/10035, 18/12673 24973 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24973 D Thomas Stritzl (CDU/CSU) 24975 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24975 D Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24976 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 24978 C Dr. Edgar Franke (SPD) 24980 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) 24980 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24982 C Jana Schimke (CDU/CSU) 24984 A Tobias Zech (CDU/CSU) 24985 B Tagesordnungspunkt 14: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksachen 18/12355, 18/12988 24986 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksachen 18/12728, 18/12988 24986 C Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 24986 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 24987 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) 24989 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24990 D Josef Göppel (CDU/CSU) 24992 A Johann Saathoff (SPD) 24993 B Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen in Ost und West Drucksache 18/11750 24995 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen Drucksachen 18/12107, 18/12854 24995 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 24995 A HonD Albert Weiler (CDU/CSU) 24996 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 24996 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) 24998 D HonD Albert Weiler (CDU/CSU) 24999 B Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 24999 C Daniela Kolbe (SPD) 25001 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) 25002 B Bernhard Daldrup (SPD) 25004 A Tagesordnungspunkt 16: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) Drucksachen 18/12492, 18/12866 25005 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12867 25005 D Niels Annen (SPD) 25006 A Annette Groth (DIE LINKE) 25007 B Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) 25008 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25009 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 25010 C Namentliche Abstimmung 25011 C Ergebnis 25013 D Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7616, 18/12826 25011 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7617, 18/12826 25011 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umsetzung des Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7618, 18/12978 25012 A Günter Baumann (CDU/CSU) 25012 A Frank Tempel (DIE LINKE) 25016 B Wolfgang Gunkel (SPD) 25017 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25019 B Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften Drucksachen 18/12731, 18/12879 Nr. 2, 18/12921 25020 D Waldemar Westermayer (CDU/CSU) 25021 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 25021 D Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) 25022 D Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25024 B Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 25025 A Tagesordnungspunkt 35: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21 Drucksache 18/10060 25026 D b) Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dialogforum Schiene-Nord ernst nehmen – Erweiterten Lärmschutz beim Schienenausbauprojekt „Alpha-E“ vorantreiben Drucksache 18/12862 25026 D d) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umbau der Tierhaltung gestalten und finanzieren Drucksache 18/12947 25027 A Tagesordnungspunkt 21: b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen garantieren Drucksache 18/12941 25027 B Tagesordnungspunkt 36: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Achte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksachen 18/12242, 18/12443 Nr. 2.3, 18/12630 25027 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern – Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen Drucksachen 18/12094, 18/12910 25027 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung eines Bundesprogramms „Zugang zu Land – Chancen für neue Betriebe ermöglichen“ Drucksachen 18/12551, 18/11601, 18/12878 25027 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter entkriminalisieren Drucksachen 18/12364, 18/12635 25028 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tierversuche beenden Drucksachen 18/11724, 18/12981: 25028 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Offenlegung von Gutachten zur Deutschen Bahn AG Drucksachen 18/11011, 18/12528 25028 B g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen Drucksachen 18/9039, 18/9863 25028 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr für das Gemeinwohl – Steuerabzug für Managergehälter deckeln Drucksachen 18/11176, 18/12627 25028 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Managergehälter beschränken Drucksachen 18/9838, 18/11201 25028 D j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unternehmensmitbestimmung stärken – Grauzonen schließen Drucksachen 18/10253, 18/12861 25029 A k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten Drucksachen 18/10254, 18/12991 25029 A l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kettenbefristungen abschaffen Drucksachen 18/4098, 18/8457 25029 B m) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Kordula Schulz-Asche, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechtssicherheit für bürgerschaftliches Engagement – Gemeinnützigkeit braucht klare Regeln Drucksachen 18/12559, 18/12973 25029 B n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine neue Gründungskultur in Deutschland Drucksachen 18/12369, 18/13005 25029 C o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen Drucksachen 18/12794, 18/12984 25029 D p) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kosmetika und Waschmitteln beenden Drucksachen 18/10875, 18/13004 25029 D q) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pestizide reduzieren – Mensch und Umwelt schützen Drucksachen 18/7240, 18/12980 Buchstabe a 25030 A r) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wege zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft Drucksachen 18/12382, 18/12980 Buchstabe b 25030 B s) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bienengiftige Insektizide vollständig verbieten – Bestäuber, andere Tiere und Umwelt wirksam schützen Drucksachen 18/12384, 18/12980 Buchstabe c 25030 B t) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrspolitik auf Klimaschutzziele ausrichten Drucksachen 18/7887, 18/9819 25030 C u) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Britta Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fairen Wettbewerb und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen Drucksachen 18/10978, 18/12875 25030 D v) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus Drucksachen 18/10477, 18/12996 25030 D w) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Tabea Rößner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Pressefreiheit und Journalistinnen und Journalisten besser schützen Drucksachen 18/5839, 18/10036, 18/12416 25031 A x) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Stellung des Generalbundesanwaltes rechtsstaatlich reformieren Drucksachen 18/10037, 18/12637 25031 B y) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung zum besserem Rechtsschutz bei behördlich geheim gehaltenen Informationen Drucksachen 18/3921, 18/11791 25031 C z) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die notwendigen Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Schutz der Verbraucher – Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von PKW beenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequenzen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sichern Drucksachen 18/6325, 18/6070, 18/6334, 18/7533 25031 D aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antisemitismus entschlossen bekämpfen Drucksachen 18/12784, 18/12982 25032 B bb) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Irene Mihalic, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe stärken Drucksachen 18/12802, 18/12985 25032 B cc) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für den Menschenrechtsschutz in Deutschland – Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter reformieren und stärken Drucksachen 18/12544, 18/13006 25032 C dd) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Südsudan – Hungersnot abwenden, Völkermord verhindern Drucksachen 18/11732 (neu), 18/13008 25032 D ff) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken Drucksachen 18/1337, 18/4112 25032 D gg) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die digitale Welt verstehen und mitgestalten – Lernen und Lehren digitalisieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungseinrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die Zukunft machen Drucksachen 18/6203, 18/10474, 18/12926 25033 A hh) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung, die Pluralität und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und Zusammenhalt stärkt Drucksachen 18/10359, 18/12935 25033 B ii) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nationaler Bildungsbericht – Bildungsinstitutionen zukunftsfest machen – Für eine gerechte und soziale Gesellschaft Drucksachen 18/10248, 18/12927 25033 C jj) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: BAföG an die Lebenswirklichkeit anpassen – Keine weiteren Nullrunden für die Studierenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Attraktivitätsverlust stoppen – BAföG noch 2017 erhöhen Drucksachen 18/10012, 18/11178, 18/12925 25033 D kk) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Patientinnen und Patienten entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren – Heute und in Zukunft Drucksachen 18/10561, 18/12090, 18/11607, 18/12732 25034 A ll) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stärken Drucksachen 18/8221, 18/13011 25034 B mm) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit Kinder gut aufwachsen – Kinderschutz und Prävention ausbauen Drucksachen 18/9054, 18/11913 25034 C nn) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Konstantin von Notz, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln, Engagement anerkennen und attraktiver machen Drucksachen 18/12804, 18/13012 25034 D oo) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm für soziale Gerechtigkeit – Konsequenzen aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Norbert Müller (Potsdam), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktionsplan gegen Kinderarmut – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand beteiligen Drucksachen 18/11796, 18/9666, 18/12557, 18/12863 25035 A pp) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen Drucksachen 18/10629, 18/11028 25035 B rr) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen Drucksachen 18/10863, 18/11245 25035 C ss) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nationales Konversionsprogramm entwickeln – Umwandlung der Militärwirtschaft in eine Friedenswirtschaft ermöglichen Drucksachen 18/2883, 18/4115 25035 D tt) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zulassungspflicht für Finanzprodukte schaffen – Finanz-TÜV einführen Drucksachen 18/9709, 18/12823 25035 D uu) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Berufsbildungsgesetz novellieren – Ausbildung verbessern Drucksachen 18/10281, 18/12928 25036 A vv) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft wirksam bekämpfen Drucksachen 18/11597, 18/12934 25036 B ww) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Soziale Durchlässigkeit bei Zugang und Zulassung zu Hochschulen durchsetzen Drucksachen 18/11418, 18/12929 25036 B xx) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Globalabkommen mit Mexiko aussetzen Drucksachen 18/12548, 18/12986 25036 C yy) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustandes Drucksachen 18/3315, 18/10665 25036 C aaa) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in Zirkussen Drucksachen 18/12088, 18/12908 25036 D bbb) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stoppen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grenzregionen vor Atomrisiken schützen – Export von Brennelementen stoppen Drucksachen 18/11596, 18/12093, 18/12891 25037 A eee) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes zur Beschleunigung von Verfahren Drucksachen 18/12360, 18/12646 25037 B fff) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung Drucksachen 18/7359, 18/8124 25037 C ggg) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz Drucksachen 18/12097, 18/12990 25037 D hhh) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und unserer historischen Verantwortung gerecht werden Drucksachen 18/5385, 18/6378 25037 D iii) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen Drucksachen 18/12381, 18/12843 25038 A jjj) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen Drucksachen 18/12380, 18/12109, 18/12899 25038 B lll) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksachen 18/12556, 18/12963 25038 C ooo) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesellschaftliche Teilhabe und gute Bildung für alle Kinder und Jugendlichen sicherstellen Drucksachen 18/12795, 18/12997 25038 C ppp) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: Übersicht 10 – über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/12977 25038 D qqq)–uuu) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 449, 450, 451, 452 und 453 zu Petitionen Drucksachen 18/12806, 18/12807, 18/12808, 18/12809, 18/12810 25038 D Tagesordnungspunkt 35: c) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994 zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (MfS/KoKo) des Bundestages nach über zwei Jahrzehnten aufheben Drucksache 18/12821 25039 B Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung Drucksachen 18/11499, 18/12994 25039 C b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schädliche Umweltwirkungen von Geisternetzen und Dolly Ropes verhindern Drucksache 18/12944 25039 D c) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten und notwendige Assistenz ermöglichen Drucksache 18/12945 25039 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter: Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der Länderkommission Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2, 18/13007 25040 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2, 18/13003 25040 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zu Ausschreibungen für KWK-Anlagen und innovative KWK-Systeme, zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen sowie zur Änderung weiterer Verordnungen Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4, 18/12987 25040 B g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart für eine friedliche und gerechte Europäische Union Drucksachen 18/11723, 18/12919 25040 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart der Europäischen Union auf der Grundlage Sozialer Menschenrechte Drucksachen 18/12089, 18/12918 25040 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt modernisieren Drucksachen 18/12361, 18/12931 25040 D j)–q) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 454, 455, 456, 457, 458, 459, 460 und 461 zu Petitionen Drucksachen 18/12955, 18/12956, 18/12957, 18/12958, 18/12959, 18/12960, 18/12961, 18/12962 25041 A Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13026 25041 D b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13025 25041 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Drucksache 18/13002 25042 A Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan Drucksachen 18/8723, 18/12893 25042 B Tagesordnungspunkt 34: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur: und Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/10170, 18/10307 Nr. 9, 18/11384 25042 B Tagesordnungspunkt 36: ddd) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksachen 18/12546, 18/12838 25042 C Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad Drucksache 18/12943 25042 D b) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold (Havelland) und weiterer Abgeordneter: Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer Drucksache 18/11805 25042 D Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) 25043 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 25043 D Christian Flisek (SPD) 25045 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25045 D Michael Brand (CDU/CSU) 25047 A Klaus Barthel (SPD) 25048 A Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung Drucksachen 18/9125, 18/12839 25049 B Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes Drucksachen 18/11627, 18/13009 25049 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 25049 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 25050 D Marcus Held (SPD) 25051 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25052 D Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) 25054 A Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) Drucksachen 18/12330, 18/12730, 18/12879 Nr. 1.9, 18/12946, 18/12952 25055 C Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181 Nr. 1.11, 18/12998 25056 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen Drucksachen 18/11411, 18/12870 25056 B Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern Drucksachen 18/11278, 18/12938 25056 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Katja Keul, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern Drucksachen 18/9804, 18/12938 25057 A Sonja Steffen (SPD) 25057 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 25058 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 25059 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25060 B Dr. Silke Launert (CDU/CSU) 25061 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen Drucksachen 18/11936, 18/12940 25062 D Zusatztagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Drucksachen 18/11942, 18/12976 25063 A Nächste Sitzung 25063 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 25065 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung (Zusatztagesordnungspunkt 5 a) 25065 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmungen über – Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol und – Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol (Zusatztagesordnungspunkt 6 a und b) 25066 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan (Tagesordnungspunkt 19) 25067 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) 25067 A Sylvia Pantel (CDU/CSU) 25068 B Dr. Dorothee Schlegel (SPD) 25069 B Cornelia Möhring (DIE LINKE) 25070 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25071 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur und Stellungnahme der Bundesregierung (Tagesordnungspunkt 34) 25071 D Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) 25072 A Kai Wegner (CDU/CSU) 25072 D Claudia Tausend (SPD) 25073 C Michael Groß (SPD) 25074 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) 25075 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 25076 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Tagesordnungspunkt 36 ddd) 25077 A Andrea Lindholz (CDU/CSU) 25077 A Nina Warken (CDU/CSU) 25078 A Sebastian Hartmann (SPD) 25078 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) 25079 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25080 B Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad (Tagesordnungspunkt 22 a) 25080 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Tagesordnungspunkt 23) 25081 C Uwe Feiler (CDU/CSU) 25081 C Margaret Horb (CDU/CSU) 25082 C Ingrid Arndt-Brauer (SPD) 25083 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 25084 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 25085 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) (Tagesordnungspunkt 25) 25085 C Christina Schwarzer (CDU/CSU) 25085 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 25086 C Ulrike Bahr (SPD) 25089 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) 25090 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25090 C Dr. Katarina Barley, Bundesministerin BMFSFJ 25091 B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen (Tagesordnungspunkt 26 und Zusatztagesordnungspunkt 8) 25092 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) 25092 A Marco Wanderwitz (CDU/CSU) 25093 B Dr. Matthias Bartke (SPD) 25094 B Svenja Stadler (SPD) 25095 A Caren Lay (DIE LINKE) 25095 D Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25096 C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (Zusatztagesordnungspunkt 9) 25097 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 25097 D Dr. Johannes Fechner (SPD) 25099 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 25099 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25100 B Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (Zusatztagesordnungspunkt 10) 25101 A Josef Göppel (CDU/CSU) 25101 A Carsten Träger (SPD) 25102 A Birgit Menz (DIE LINKE) 25102 C Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 25103 B Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 25104 A 243. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich und möchte vor Eintritt in die Tagesordnung der Kollegin Marieluise Beck nachträglich zu ihrem 65. Geburtstag gratulieren. Herzlichen Glückwunsch und alle guten Wünsche (Beifall) für ein unter mancherlei Gesichtspunkten ganz neues Lebensjahr. Für den ausgeschiedenen Kollegen Ingbert Liebing ist die Kollegin Marion Marga Herdan als Mitglied des Deutschen Bundestages nachgerückt, die ich im Namen des ganzen Hauses herzlich begrüßen möchte. Herzlich willkommen (Beifall) und, soweit sich dazu noch Gelegenheiten ergeben, gute Zusammenarbeit. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern – das wird Sie völlig überraschen –: ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2016) Drucksache 18/11968 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2015) Drucksache 18/8065 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2014) Drucksache 18/4270 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 36) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung Drucksache 18/11499 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12994 b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Schädliche Umweltwirkungen von Geisternetzen und Dolly Ropes verhindern Drucksache 18/12944 c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten und notwendige Assistenz ermöglichen Drucksache 18/12945 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der Länderkommission Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2, 18/13007 e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2, 18/13003 f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung zu Ausschreibungen für KWK-Anlagen und innovative KWK-Systeme, zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen sowie zur Änderung weiterer Verordnungen Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4, 18/12987 g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Neustart für eine friedliche und gerechte Europäische Union Drucksachen 18/11723, 18/12919 h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Neustart der Europäischen Union auf der Grundlage Sozialer Menschenrechte Drucksachen 18/12089, 18/12918 i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt modernisieren Drucksachen 18/12361, 18/12931 j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 454 zu Petitionen Drucksache 18/12955 k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 455 zu Petitionen Drucksache 18/12956 l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 456 zu Petitionen Drucksache 18/12957 m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 457 zu Petitionen Drucksache 18/12958 n) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 458 zu Petitionen Drucksache 18/12959 o) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 459 zu Petitionen Drucksache 18/12960 p) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 460 zu Petitionen Drucksache 18/12961 q) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 461 zu Petitionen Drucksache 18/12962 ZP 6   a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13026 b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13025 ZP 7 Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Drucksache 18/13002 ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen Drucksachen 18/11411, 18/12870 ZP 9 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen Drucksache 18/11936 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12940 ZP 10 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Drucksache 18/11942 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12976 ZP 11*– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts Drucksache 18/6665 – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts Drucksache 18/8 – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare Drucksache 18/5098 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12989 * Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen über die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes. ZP 12 a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) Drucksache 18/12356 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) Drucksache 18/12727 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/13013 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen Hasskommentare, „Fake News“ und Missbrauch von „Social Bots“ Drucksachen 18/11856, 18/13013 ZP 13   a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) Drucksachen 18/12329, 18/12378 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/13014 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Verleihbarkeit digitaler Medien entsprechend analoger Werke in Öffentlichen Bibliotheken sicherstellen Drucksachen 18/5405, 18/13014 ZP 14 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) Drucksache 18/11528 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/12999 ZP 15 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes Drucksachen 18/12202, 18/12496 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/13010 Ich will jetzt gar nicht alle Änderungen der Reihe nach vortragen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch, bitte!) – Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion möchte sich gerne auf den Stand der Dinge bringen lassen. Dem will ich gerne folgen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich zeige ihm das!) Es gibt mehrere Beschlussempfehlungen im Zusammenhang mit der Abrüstungspolitik und eine Beschlussempfehlung zum Thema „Unternehmen aus bürgerschaftlichem Engagement“. Es gibt fünf Beschlussempfehlungen zu Gesetzentwürfen: zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts*1, zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, zum Netzentgeltmodernisierungsgesetz und zu Änderungen des Telemediengesetzes. Dann gibt es noch jeweils ohne Debatte eine Reihe von Anträgen und Beschlussempfehlungen zu Gesetzen; die entsprechenden Unterlagen liegen wie immer draußen an den Tischen im Foyer aus. Der Tagesordnungspunkt 21 a – hier geht es um den Gesetzentwurf zum Wahlrecht für Menschen mit Behinderung – soll abgesetzt und stattdessen der Tagesordnungspunkt 36 ddd – Gesetzentwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes – mit einer Debattenzeit von 25 Minuten abschließend beraten werden. Der Tagesordnungspunkt 21 b soll zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 35 – das sind die Überweisungen ohne Debatte – aufgerufen werden. Des Weiteren sollen die Tagesordnungspunkte 36 ee – Entschließungsantrag zum Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten –, 36 qq – Änderungsgesetz zur Zahlbarmachung von Ghettorenten –, 36 zz – Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen –, 36 ccc – Gentechnikgesetz – sowie 36 kkk und 36 mmm – Verwendung von Glyphosat – und 36 nnn – Gentechnikfreiheit – abgesetzt werden. Sie sehen alleine an den Abkürzungen, dass wir uns mit großen Schritten dem Finale einer bemerkenswerten Legislaturperiode nähern und noch einmal eine abschließende Priorisierung der verabschiedungsreifen und noch nicht ganz so weit gediehenen Gesetzentwürfe und Anträge vorgenommen haben. Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkteliste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs. Ich frage Sie, ob Sie mit all diesen Vereinbarungen so einverstanden sind? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 22. und 23. Juni 2017 in Brüssel und zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 96 Minuten vorgesehen. – Auch das findet offenkundig allgemeine Zustimmung. Dann verfahren wir so. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin Frau Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat hat in der vergangenen Woche in Brüssel ein Signal der Tatkraft und der Zuversicht abgegeben. Wir haben bei diesem Rat alle spüren können, dass Europa bei den wichtigen Fragen unserer Zeit vorankommt und wieder optimistischer in die Zukunft schaut. Das ist auch der intensiven Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich zu verdanken, aber auch dem Geist der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts, der bei allen Beteiligten zu spüren war. Wir haben uns beim letzten Europäischen Rat mit einer ganzen Reihe wichtiger Themen beschäftigt, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind alle mitentscheidend für die Frage, welche Rolle Europa zukünftig in der Welt spielen wird. Der Kampf gegen den Klimawandel, die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die Chancen von Globalisierung und Digitalisierung, die Ursachen von Flucht und Migration – keine dieser Herausforderungen macht heutzutage vor irgendwelchen Ländergrenzen halt. Deshalb gilt heute mehr als je zuvor: Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die richtigen Antworten auf die zentralen Fragen unserer Zeit zu finden. Das gilt für die G 20 genauso wie für die Europäische Union. Deshalb war es sehr wichtig, dass sich der Europäische Rat in der vergangenen Woche nicht nur mit dem erforderlichen Ehrgeiz, sondern auch mit der gebotenen Ruhe und Konzentration den bevorstehenden Aufgaben gewidmet hat. Spätestens seit dem Referendum in Großbritannien zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union vor einem Jahr spürt man einen neuen Geist des Zusammenhalts der zukünftig 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach den oft schwierigen und manchmal auch dramatischen Situationen, die wir in Europa in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist dies für mich ein klarer Ausdruck der Tatkraft unserer Union. Europa hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es immer wieder gemeinsame überzeugende Lösungen finden kann, und seien die Verhandlungen noch so zäh und noch so mühsam. Heute können wir feststellen, dass es Europa wirtschaftlich wieder deutlich besser geht. Das haben sowohl Herr Draghi von der Europäischen Zentralbank als auch Jean-Claude Juncker so eingeschätzt. Dieses Jahr können alle 28 Mitgliedstaaten wieder mit positivem Wachstum rechnen. Die Arbeitslosenquote ist in der Europäischen Union so niedrig wie seit acht Jahren nicht mehr. Nach Angaben der Europäischen Kommission wurden seit 2013 europaweit 10 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Beschäftigungsquote ist auf dem höchsten Stand aller Zeiten angelangt. Das sind Erfolge, die Europa noch vor wenigen Jahren kaum jemand zugetraut hätte. Das sind Erfolge, die darauf gründen, dass Europa immer dann, wenn es tatsächlich darauf ankommt, in der Lage ist, gemeinsam zu handeln. Es ist genau diese Fähigkeit zu gemeinsamen Lösungen, zu Kompromissen, bei denen die Vorteile die Nachteile überwiegen, die Europa ausmacht. Diese Fähigkeit zeigt, dass es um den Zusammenhalt der Europäischen Union deutlich besser bestellt ist, als es manche hitzige Debatte vermuten lässt. Im März haben wir dieses Gemeinschaftsgefühl bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge deutlich erfahren können. Genauso ist es mit den gerade begonnenen Verhandlungen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Auf diese Verhandlungen sind wir, die zukünftig 27 Mitgliedstaaten, und die europäischen Institutionen hervorragend vorbereitet. Wir stehen eng zusammen. Doch so intensiv wir die Verhandlungen mit Großbritannien auch führen werden, so sehr sind wir gemeinsam auch davon überzeugt, dass für uns Vorrang hat, die eigene Zukunft in der Europäischen Union zu gestalten – Brexit hin oder her. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gerade wir in Deutschland haben im Übrigen ein ureigenes Interesse daran, dass Europa auch in Zukunft zusammenhält. Wir wissen, dass es auch Deutschland auf Dauer nur dann gut geht, wenn es auch Europa gut geht. Parallel zu den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien müssen und werden wir nach vorne blicken und gemeinsam intensiv daran arbeiten, die Europäische Union weiter zu verbessern. Deshalb haben wir uns beim Europäischen Rat für eine Vertiefung des Binnenmarktes ausgesprochen, und zwar insbesondere in dem wichtigen Bereich der Digitalisierung. Das umfasst auch die hohe Bedeutung, die wir anspruchsvollen Freihandelsabkommen beimessen; denn der Welthandel ist für den Wohlstand in Europa von überragender Bedeutung. Mit den Freihandelsabkommen kann es gleichzeitig gelingen, uns auch künftig besser vor unfairen Handelspraktiken zu schützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Gunkel [SPD] – Zuruf von der LINKEN: Na ja!) Entscheidend für den Erfolg Europas ist und bleibt die deutsch-französische Zusammenarbeit. Wie gut die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch mit anderen europäischen Partnern funktioniert, das hat sich beim zurückliegenden Europäischen Rat auch gezeigt. Alle zukünftigen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich beispielsweise nach intensiver gemeinsamer Vorbereitung mit Frankreich unmissverständlich zum Pariser Klimaschutzabkommen bekannt. Die Europäische Union steht uneingeschränkt zu ihrer Zusage von Paris und wird das Abkommen zügig und entschlossen umsetzen. Mehr noch: Seit der Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, das Klimaabkommen von Paris zu verlassen, sind wir entschlossener denn je, es zum Erfolg zu führen. Es steht außer Zweifel: Wir alle, auch Deutschland, haben dazu selbstverständlich unsere Hausaufgaben zu machen. Und da gibt es auch bei uns noch einiges zu tun. Das weiß ich sehr wohl. Das Entscheidende aber ist doch, dass wir unsere Ziele erreichen wollen, weil wir wissen, dass wir sie erreichen müssen, weil wir davon überzeugt sind, dass der Klimawandel eine der größten Menschheitsherausforderungen ist, eine für uns alle auf der Welt existenzielle Herausforderung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man auch etwas tun!) Wir wollen und müssen diese existenzielle Herausforderung bewältigen. Und wir können und werden nicht darauf warten, bis auch der Letzte auf der Welt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf den Klimawandel überzeugt werden konnte. In einem Wort: Das Pariser Abkommen ist unumkehrbar, und es ist nicht verhandelbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen und wir werden gemeinsam unsere Erde schützen und damit zugleich die wirtschaftlichen Chancen für Wohlstand und nachhaltiges Wachstum erkennen und nutzen, die sich aus der Umsetzung dieses Abkommens ergeben. Wir werden als Europäische Union unserer Verantwortung dabei gerecht werden, vorneweg die besonders betroffenen ärmsten und verletzlichsten Länder bei der Anpassung an den Klimawandel und beim Klimaschutz zu unterstützen. Meine Damen und Herren, beim Europäischen Rat haben wir darüber hinaus auch vereinbart, dass Europa bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Verantwortung übernehmen und noch enger zusammenarbeiten muss. Auch hier arbeiten Deutschland und Frankreich sehr eng zusammen. Eine stärkere europäische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik geschieht ausdrücklich – und zwar im besten eigenen europäischen Interesse – nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung zur NATO. Unser europäischer sicherheitspolitischer Ansatz geht weit über den rein militärischen der NATO hinaus. Er umfasst, dass immer auch ziviles und entwicklungspolitisches Engagement nötig ist, um Krisen zu bewältigen, Konflikte zu befrieden und Fluchtursachen zu bekämpfen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir beim letzten Europäischen Rat auch den gegenwärtigen Stand unserer Migrations- und Flüchtlingspolitik beraten haben. Dieser Bereich gehört ohne jeden Zweifel zu denen, in denen Europa weit, weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Es sind weitere gemeinsame Schritte sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch bei der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten nötig. Darauf werde ich auch weiter drängen. Meine Damen und Herren, der französische Präsident Emmanuel Macron und ich haben darüber hinaus vereinbart, einen Fahrplan für die mittelfristige Perspektive einer Vertiefung der Europäischen Union und insbesondere auch einer Vertiefung der Euro-Zone zu entwickeln. Mir ist sehr wichtig, dass hierfür die Rahmenbedingungen stimmen. Das bedeutet: Risiken, Haftung und Entscheidungsmöglichkeiten sollten weiterhin in einer Hand bleiben. Natürlich wird es bei einer Vertiefung der Euro-Zone viele Fragen geben, die sich nicht über Nacht klären lassen. Wichtig ist aber, dass wir gemeinsam mit Frankreich daran arbeiten; denn wir sind uns beide im Klaren, dass die Interessen Deutschlands und die Interessen Frankreichs auf das Engste miteinander verbunden sind, wenn es um die Zukunft Europas geht. Vorgelebt hat das im Übrigen der große Europäer Helmut Kohl, ohne den das heutige Europa überhaupt nicht vorstellbar wäre. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Helmut Kohl wusste, dass auch Deutschland nur dann erfolgreich sein kann, wenn auch Europa erfolgreich ist. Er wusste, dass ein erfolgreiches Europa auf ein starkes Frankreich und auf eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit angewiesen ist. Helmut Kohl war ein Glücksfall für uns Deutsche, und er war ein Glücksfall für Europa. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Helmut Kohl verstand, dass die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit untrennbar mit der Einheit Europas in Frieden und Freiheit verbunden war, und er hat sich um beide Ziele wie kaum ein anderer verdient gemacht. Ich finde es deshalb eindrucksvoll und sehr berührend, dass übermorgen in Straßburg erstmals in der europäischen Geschichte ein europäischer Trauerakt im Gedenken an einen großen europäischen Staatsmann stattfindet, an den Kanzler der Einheit und Ehrenbürger Europas Helmut Kohl. Ich meine, wir sollten versuchen, die Zukunft Europas mit demselben Mut und derselben Entschlossenheit in Angriff zu nehmen, wie er dies einst getan hat. Das verstehe ich als das Vermächtnis, das er uns und nachfolgenden Generationen hinterlässt. Dieses Vermächtnis ist umso bedeutender, als wir heute in einer globalisierten Welt leben, in der wir uns immer weniger darauf verlassen können, dass andere die Probleme für uns lösen. Die Welt wartet nicht auf uns Europäer, und Europa wird nicht umhinkommen, sein Schicksal stärker in die eigene Hand zu nehmen und in Zukunft deutlich mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen als in der Vergangenheit. Wenn uns dies als Europäischer Union gelingt, dann können wir umso glaubhafter und überzeugender darauf hinwirken, dass andere sich ebenfalls engagieren. Auch deshalb freue ich mich ganz besonders über die große Unterstützung, die wir von unseren europäischen Partnern für die Agenda des G20-Gipfels erhalten haben. Wir werden heute noch ein Treffen mit all den Teilnehmern an dem G20-Gipfel aus der Europäischen Union haben, um unsere Vorhaben noch einmal zu besprechen. Meine Damen und Herren, ich freue mich, am 7. und 8. Juli 2017 erstmals die Staats- und Regierungschefs der G 20 zu einem Gipfel in Hamburg zu empfangen. Der G20-Gipfel findet in diesem Jahr unter besonders herausfordernden Bedingungen statt. Ich nenne nur die größten Herausforderungen: Terrorismus, Klimawandel, Protektionismus. All diese Themen stehen auf der Tagesordnung. Die Welt ist in Unruhe, sie ist uneiniger geworden. Die G 20 stehen für fast zwei Drittel der Weltbevölkerung, sie erwirtschaften über vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsproduktes, und sie wickeln drei Viertel des weltweiten Handels ab. Ich habe mir für den Gipfel das Ziel gesetzt, dass von ihm ein Signal der Entschlossenheit ausgeht, mit dem die Staats- und Regierungschefs der G 20 zeigen, dass sie ihre überaus große Verantwortung für die Welt verstanden haben und dass sie diese Verantwortung auch übernehmen. Zum Gipfel werden neben den G20-Staaten Spanien, Norwegen, die Niederlande und Singapur sowie die Vertreter der Regionalorganisationen kommen, konkret: Vietnam für die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft, Guinea für die Afrikanische Union und Senegal für die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung. Insgesamt wird somit ein wirklich großer Teil derer, die die Weltbevölkerung repräsentieren, am Tisch sitzen. Ich bin überzeugt: Wir brauchen die G 20 dringender denn je, weil wir nur gemeinsam etwas bewegen können, und zwar schneller und effektiver, als dies mit nationalen Alleingängen auch nur im Ansatz jemals möglich wäre. Das Erlebnis gründet sich auf die erste Sitzung der G 20 während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, als sich die G 20 zum ersten Mal auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs getroffen haben. Wir haben damals unter Beweis gestellt: Gemeinsames Handeln kann die schrecklichen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise zumindest lindern. Wir haben viele Gremien, in denen es um die richtigen Strategien geht. Das gilt nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für die Vereinten Nationen; Gremien wie die Welthandelsorganisation, die Weltgesundheitsorganisation, Weltbank, OECD, FSB, ILO oder IWF. Alle diese Organisationen sind von übergroßer Bedeutung. Sie alle unterstützen uns in der G 20. Das macht den Kern des Treffens der G 20 aus: Nur gemeinsam können wir etwas bewegen. Den Multilateralismus zu stärken, das ist der Gedanke, der sich daher wie ein roter Faden durch die Gipfelerklärung zieht, an der wir arbeiten. Genau dieser Gedanke liegt auch dem Motto unserer deutschen G20-Präsidentschaft und des Gipfels zugrunde, nämlich: Eine vernetzte Welt gestalten. Das bedeutet zweierlei: Erstens. Nachhaltiges Handeln ist vernetzt und deshalb nur miteinander möglich. Zweitens. Wir halten unsere Zukunft selbst in unseren Händen. Das heißt, wir gestalten unsere Werte und Interessen. Wir sollten und werden auch nicht getrieben sein, solange wir die Themen gemeinsam angehen, die uns alle betreffen. Also: In einer globalisierten Welt können wir nur gemeinsam etwas erreichen. Kein Land kann die Herausforderungen unserer Zeit allein bewältigen. Ich freue mich, dass die deutsche G20-Präsidentschaft durchaus auf großes Interesse stößt. Das zeigt sich an der Resonanz auf unseren breiten Dialog mit der Zivilgesellschaft. Ich war erst letzte Woche in Hamburg zu Gast bei Nichtregierungsorganisationen und habe mit ihnen die Themen Klima, Entwicklung, Nachhaltigkeit und Gesundheit diskutiert. Auch hier wurde von den Nichtregierungsorganisationen die übergroße Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit noch einmal in den Fokus gerückt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und die Kritik am Freihandel! Gegen den Freihandel, nicht dafür!) Die multilaterale Zusammenarbeit hat drei Zielen zu dienen: erstens Stabilität sicherzustellen, zweitens die Zukunftsfähigkeit zu verbessern und drittens Verantwortung zu übernehmen. Wir erreichen eine stabile Weltordnung dann, wenn wir weiterhin für eine zunehmende ökonomische Integration und einen grenzüberschreitenden Handel arbeiten; denn beides hat weltweit Wachstum und Wohlstand gebracht, Arbeitsplätze geschaffen und zur Reduzierung von Armut beigetragen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gleichzeitig erleben wir jedoch, dass Verunsicherung und Sorgen zunehmen; denn viele Menschen können an den Vorteilen der Globalisierung nicht teilhaben oder sie fühlen sich von der Entwicklung abgehängt. Dabei spielt weniger eine Ablehnung von Handelsbeziehungen als eine Verunsicherung gegenüber neuen Technologien eine Rolle. Obwohl der Wohlstand in Deutschland mit einer exportorientierten Wirtschaft auf offenen Märkten mit transparenten Regeln begründet ist, gibt es auch bei uns viele kritische Stimmen zu Handelsabkommen. Einzelne Staaten reagieren auf diese Sorgen mit verstärkten Rufen nach Abschottung und Handelsbeschränkungen. Ich bin jedoch überzeugt, dass Protektionismus keine Lösung sein kann. Er schadet allen Beteiligten, und deshalb brauchen wir offene Märkte. Mein Ziel ist es daher, dass vom G20-Gipfel ein deutliches Signal für freie Märkte und gegen Abschottung sowie ein klares Bekenntnis zum multilateralen Handelssystem ausgeht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die G 20 hat sich das Ziel gesetzt, das Wachstum ihrer Volkswirtschaften so auszurichten, dass davon alle profitieren können. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen. Durch den internationalen Druck ist es gelungen, die Zahl der als nicht kooperativ eingestuften Jurisdiktionen stark zu reduzieren. Ohne die Zusammenarbeit im Format der G 20 wäre uns dies so nicht gelungen. Wir wissen, eine stabile Wirtschaft braucht funktionierende Finanzmärkte. Deshalb setze ich mich dafür ein, die G20-Finanzmarktreformagenda weiter mit Nachdruck umzusetzen. Uns wird zum Beispiel der Finanzstabilitätsrat zum Gipfel einen Bericht zur Wirksamkeit der bisherigen Arbeiten zu Schattenbanken vorlegen, auf dessen Basis dann mögliche weitere Regulierungsvorschläge erarbeitet werden sollen. Wirtschaftliche Entwicklung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand. Deshalb ist die G 20 das richtige Format, um auch die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Wir wollen mit unseren G20-Partnern hier eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung einnehmen, und ich möchte die G20-Partner beispielsweise für die Verpflichtung gewinnen, rasch über unsere nationalen Umsetzungsstrategien zu berichten. Denn die Zeit drängt. Wir müssen unsere Weltordnung zukunftsfähig machen. Multilaterales Handeln muss dem zweiten Ziel dienen, die Zukunftsfähigkeit eben auch zu verbessern. 1995 waren lediglich 4 Prozent der Menschen weltweit mit dem Internet verbunden; heute sind es bereits 40 Prozent. Diese Entwicklung geht weiter und weiter. Sie betrifft nicht nur Menschen, sondern immer mehr auch Dinge. Wir erleben eine digitale Revolution unseres Lebens, eine digitale Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Diese digitale Transformation braucht, wie alles, was wir tun, Regeln. Mittelfristiges Ziel dazu ist zum Beispiel eine Verständigung über technische Standards. Wir wollen und wir müssen in der G 20 unsere Zusammenarbeit hierzu weiter ausbauen. Es gab in diesem Jahr unter deutscher Präsidentschaft zum ersten Mal ein Treffen der Digitalminister. Diese gesamte Zusammenarbeit steckt noch in den Anfängen; ich halte sie aber für absolut wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt wenige Themen wie die Menschheitsherausforderung des Klimaschutzes – ich sagte es zu Beginn –, bei denen so spürbar wird, wie sehr wir alle auf der Erde schicksalhaft miteinander verbunden sind und wie wichtig es ist, die Zukunftsfähigkeit zu verbessern. Nachdem die USA nun angekündigt haben, das Pariser Abkommen zu verlassen, können wir in Hamburg keine einfachen Gespräche erwarten. Der Dissens ist offenkundig, und es wäre unaufrichtig, wenn wir ihn übertünchen würden. Das werde ich jedenfalls nicht tun. Als G 20 können wir die Herausforderung, die mit dem Klimawandel für uns alle auf der Welt verbunden ist, nicht ignorieren. Wir müssen dabei auch die Hoffnungen vieler Länder, gerade auch vieler Entwicklungsländer wie zum Beispiel die kleinen Inselstaaten, im Blick haben, gerade weil in der G 20 die wirtschaftlich stärksten Länder der Welt zusammenkommen. Ich kann natürlich den Beratungen des Gipfels gerade zum Klimaschutz heute nicht vorgreifen. Aber ich bin entschlossen, sie so zu führen, dass sie dem Inhalt und Ziel des Pariser Abkommens dienen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, in Hamburg wollen wir uns darüber hinaus auch für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten einsetzen. Eng damit zusammen hängt die Stärkung der Frauen, insbesondere bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Wir wollen weiter daran arbeiten, das auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane gesetzte Ziel zu erreichen, die Lücke der Erwerbsbeteiligung von Frauen bis 2025 um 25 Prozent zu reduzieren und die Qualität der Frauenerwerbstätigkeit zu verbessern. Daneben wollen wir den Zugang von Frauen in Entwicklungsländern zu Unternehmertum und ihren Zugang zu Bildung fördern, insbesondere auch in den Bereichen Digitalisierung und Informationstechnologie. Dazu wollen wir bei der Weltbank ein Finanzierungsinstrument aufsetzen, um den Zugang von Unternehmerinnen zu Krediten zu vereinfachen. Ein neues und aus meiner Sicht äußerst wichtiges Thema der G 20 ist die globale Gesundheit. Wir brauchen dringend eine bessere Kooperation, um uns besser gegen Gesundheitsrisiken und insbesondere auch Pandemien zu wappnen. Übertragbare Krankheiten kennen keine Grenzen. Die menschlichen, aber auch die ökonomischen Auswirkungen können enorm sein. Das wurde uns etwa bei dem Ebolaausbruch sehr deutlich vor Augen geführt. Gleiches gilt auch für die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Das Thema Gesundheit gehört auf unsere Agenda. Wir brauchen eine starke Weltgesundheitsorganisation und eine bessere Zusammenarbeit gerade auch mit Afrika. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In unserer Präsidentschaft haben wir deshalb erstmals Afrika zu einem Schwerpunkt der G 20 gemacht. Ich danke allen Ministerien der Bundesregierung, die dabei mitgewirkt haben. Dabei geht es vor allem darum, wie wir es gemeinsam schaffen können, dass sich mehr private Investoren in Afrika engagieren und so zu wirtschaftlicher Entwicklung und Beschäftigung beitragen; denn wir müssen ganz klar konstatieren: Wenn in vielen afrikanischen Ländern Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit die Zugangsrate zu elektrischem Strom um die 20 Prozent liegt, also 80 Prozent der Menschen dort keinen Zugang zu elektrischem Strom haben, dann kann wirtschaftliche Entwicklung in breitem Umfang gar nicht funktionieren. Deshalb danke ich dafür, dass sich die Bundesregierung mit dem Compact with Africa und anderen Initiativen wirklich mit diesem Thema neben der Entwicklungshilfe, nicht anstelle der Entwicklungshilfe, stark beschäftigt hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Philosophie unseres Engagements ist folgende: Mit reformbereiten Ländern wollen wir Investitionspartnerschaften, eben solche Compacts, abschließen, die sich an der Nachfrage und an den Prioritäten der Länder orientieren. Ich will in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Afrikanische Union mit ihrer Agenda 2063 zum ersten Mal ein eigenes Entwicklungskonzept erarbeitet hat. An diesem Entwicklungskonzept sollten wir uns auch orientieren und nicht ständig sagen, dass wir besonders gut wüssten, was Afrika braucht. Es geht nämlich auch darum, dass die Verantwortlichkeit in Afrika für die eigenen Projekte gestärkt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das heißt nichts anderes, als dass es wichtig ist, dass wir für den Erfolg bei der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas umdenken und auch verstehen müssen, dass neben den öffentlichen Investitionen der Entwicklungshilfepolitik das Engagement des Privatsektors steht. Wir sind da schon ein ganzes Stück vorangekommen. Ich hoffe auf die Unterstützung durch weitere G20-Partner bei unserer Partnerschaft mit Afrika. Darüber hinaus ist es ein großes Anliegen, dass die G 20 in der Frage von Flucht und Migration erheblich enger zusammenrücken und zusammenarbeiten; denn es geht hier um eine globale Herausforderung von immenser Bedeutung. Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie. Wir brauchen verbesserte globale Strukturen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Diese Diskussion wird zwar seit Jahren geführt – sie ist nicht einfach –, aber auch hier gilt, dass wir ohne gemeinsame Strategie nicht zu Lösungen kommen werden, die den Menschen wirklich helfen und dienen. Fluchtursachen zu bekämpfen, das bedeutet auch, Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung und bei der Beschäftigung zu erreichen. Nur so können wir vor Ort den Menschen bessere Perspektiven verschaffen. Das wird dann auch dazu beitragen, dass weniger Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Zum Kampf gegen Fluchtursachen gehört darüber hinaus der Kampf gegen den weltweit grassierenden Terrorismus. Auch den Kampf gegen den Terrorismus können wir nur gemeinsam gewinnen. Dazu haben wir in einer Financial Action Task Force internationale Standards entwickelt, die jetzt von allen zügig umgesetzt werden müssen. Das heißt also, Prävention, das Austrocknen der Geldquellen und die engere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sind es, die wir im Kampf gegen den Terrorismus brauchen. Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur gemeinsam können wir in all diesen Fragen etwas erreichen. Gerade weil die G 20 ein informelles Format sind, ist diese Gruppe besonders geeignet, sich diesen wichtigen Fragen zu widmen. Aber ich sage auch sehr schwierige Diskussionen in Hamburg voraus; denn nur wenn sich die G 20 einig sind, kommen wir auch in den formellen Gremien, wie zum Beispiel in den Vereinten Nationen, voran. Ich bin überzeugt, wir werden diese Aufgaben dann erfolgreich bewältigen können, wenn wir alle gemeinsam Verantwortung übernehmen und auch mutig voranschreiten. Das gilt für Deutschland, für Europa, für die G 20 und für die ganze Welt. Wir werden dann erfolgreich sein, wenn unsere Arbeit auf all diesen Ebenen gut und sinnvoll ineinandergreift. Das ist das Ziel, das wir gemeinsam mit Frankreich und unseren anderen europäischen Partnern beim Europäischen Rat verfolgt haben und das wir auch in der weiteren Debatte über die Zukunft der Europäischen Union verfolgen werden. Es ist auch das Ziel, dem das Vorbereitungstreffen heute dient, und es ist das Ziel, das die Bundesregierung bei den weiteren Vorbereitungen für den G20-Gipfel in Hamburg fest im Auge behalten wird. Wir wissen – das als letzte Bemerkung –, dass für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs die Gipfeltage und auch die Tage davor eine hohe Herausforderung sind. Und wir wissen, dass die Polizisten und Sicherheitskräfte vor harten Einsätzen stehen. Wir wissen, dass es Proteste geben wird, und das ist mehr als legitim in einer Demokratie. Aber ich wünsche zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und zur Unterstützung der Sicherheitskräfte, die einen hohen Einsatz zeigen, dass diese Proteste friedlich sind. Ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor der Kollege Bartsch nun das Wort erhält, möchte ich auf der Besuchertribüne eine Delegation des irischen Parlaments begrüßen unter Vorsitz des Vorsitzenden der deutsch-irischen Freundschaftsgruppe im dortigen Parlament, Senator Craughwell. Wir begrüßen Sie herzlich hier im Deutschen Bundestag. Wir freuen uns über die enge Zusammenarbeit zwischen unseren Parlamenten, die wir nicht nur, aber gerade mit Blick auf die Themen, die heute Morgen hier beraten werden, ganz offenkundig auch in den nächsten Jahren brauchen. – Herzlich willkommen und alles Gute! (Beifall) Bitte sehr, Herr Kollege Bartsch. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war sie nun, die letzte Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Hoffnung stirbt zuletzt! – Weitere Zurufe) – Sie müssen doch nicht gleich so aufgeregt sein, vielleicht war der Satz noch gar nicht zu Ende. Aber dann beende ich ihn jetzt mal. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Bartsch, sind Sie aus dem Traum aufgewacht, oder sind Sie noch im Traum?) Es ging um G 20 und um den Europäischen Rat in der letzten Woche. Ich habe gehört, dass dort Tatkraft und Zuversicht ausgestrahlt worden sind. Ich kann nur darauf verweisen, dass der EU-Gipfel in der Substanz ergebnisfrei war. Das ist doch das, was entscheidend ist. Beim Europäischen Rat sind wieder die tiefen Risse innerhalb der EU deutlich geworden – das geht weit über das Thema Brexit hinaus –: Unsicherheit, Terror, Austerität. Mit Europa gehe es besser, haben Sie gesagt. Ich frage mich, was dazu die vielen jungen Menschen in den Südländern, die von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, sagen. (Beifall bei der LINKEN) In Griechenland beträgt sie seit über vier Jahren mehr als 50 Prozent. Europa geht es besser? Das Problem ist doch, dass die Europapolitik, die Sie und insbesondere Finanzminister Schäuble zu vertreten haben, die EU in die größte Krise und an den Rand des Scheiterns gebracht hat. Europa kann eine größere Rolle spielen, aber im Moment ist die Krise so groß, dass Europa diese Rolle eben nicht wahrnehmen kann. Und das ist das Ergebnis Ihrer Politik. (Beifall bei der LINKEN) Es stellen sich die Fragen: Ist denn die Welt in den letzten vier Jahren eine bessere geworden? Hat die Politik, Ihre Politik Europa zusammengeführt? Ist unter Ihrer Ägide die Außenpolitik zu einer Friedenspolitik geworden? Die Antwort ist ganz klar: nein. (Beifall bei der LINKEN) Zum Motto in Hamburg „Eine vernetzte Welt gestalten“ kann ich nur sagen: Das ist doch eine riesengroße Blendgranate. Leider ist es nicht die einzige um diesen Gipfel herum, die dort gezündet wird. Die G 20 stehen eben nicht für Stabilität, für Zukunftsfähigkeit und für Verantwortung. G-20-Gipfel in Hamburg, mitten in der Stadt, in Ihrer Geburtsstadt – das hat überhaupt nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern es ist leider etwas vordergründig. Sie haben zu Recht darauf verwiesen: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Es gibt über 65 Millionen Flüchtlinge, davon die Hälfte Kinder. Es gibt Kriege und Konflikte. Es gibt Hungersnöte in Somalia, im Südsudan, im Jemen, in Nigeria, in Äthiopien. Hungernde Menschen – alle 15 Sekunden, meine Damen und Herren, verhungert auf der Welt ein Kind. Laut Vereinten Nationen sind 795 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Und in dieser Situation tagten unlängst die G 7 und tagen dann auch die G 20. Vor diesem Hintergrund wird Ihre Aussage „Fluchtursachen wirksam bekämpfen“ zu einer hohlen Phrase; denn dort treffen sich auch die größten Rüstungsexporteure. (Beifall bei der LINKEN) Wer Fluchtursachen bekämpfen will, darf nicht Waffen in Krisengebiete liefern, sondern muss Hunger und Armut bekämpfen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Um den Terror, der in den letzten Jahren zugenommen hat, zu bekämpfen, muss man andere Wege gehen als den der Aufrüstung. Ich habe gestern den Haushaltsplan, den Sie im Kabinett vorgelegt haben, zur Kenntnis genommen. Im nächsten Jahr sind anderthalb Milliarden Euro mehr für den Verteidigungsetat vorgesehen. Der Verteidigungsetat ist bereits in der letzten Legislaturperiode um 17 Prozent gestiegen. Diesen weiter aufzustocken, ist ein völlig falsches Zeichen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!) Sie haben das 2-Prozent-Ziel schon zu Ihrer Maxime gemacht. Das geht so nicht. Es ist leider so, dass mit dem wachsenden Terror die Erkenntnis nicht gewachsen ist, dass Terror nicht mit Krieg zu bekämpfen ist. Vielmehr müssen wir dafür kämpfen, dass die Ursachen für den Terror beseitigt werden. (Beifall bei der LINKEN) Die G 20 sind die Staaten – Sie haben das eben gesagt, Frau Merkel –, die zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, fast 80 Prozent des Weltbruttoinlandsproduktes erwirtschaften, den größten Anteil am Welthandel aufweisen und im Übrigen auch die meisten CO2-Emissionen zu verantworten haben. Aber daraus eine legitime Repräsentation der G 20 für den gesamten Globus und alle Menschen abzuleiten, ist wirklich infam. (Beifall bei der LINKEN) Die anderen nehmen dann am Katzentisch Platz. Und Sie beklagen die Situation in Afrika? Die Verursacher der Krisen, von Flucht und Hungersnöten, die Zerstörer des weltweiten Klimas sind zum großen Teil die G 20; das ist die Realität. Die G 20 gehen auf eine Idee von Finanzminister Eichel zurück, die er in Berlin im Jahr 1999 vorgetragen hat. Dabei ging es darum, uns aus der Krise, insbesondere der Finanzkrise, zu manövrieren. Aber anstatt uns aus den Krisen wirklich herauszuführen, haben Sie uns nun in eine Dauerkrise manövriert. Ich will nur ein Beispiel nennen. Was ist denn eigentlich nach der Enthüllung der Panama-Papers passiert? Da wurde so viel angekündigt. Jetzt sagen Sie, dass eventuell ein Bericht über Schattenbanken vorgelegt wird. Damals sind Milliarden illegal versteckt worden. Das, was dort sichtbar geworden ist, ist nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Das alles liegt im Verantwortungsbereich der Finanzminister, die sich nun wieder treffen. Aber von dem Gipfel in Hamburg ist in dieser Hinsicht wieder nichts zu erwarten. Es bleibt dabei, dass die teuersten Flüchtlinge die Steuerflüchtlinge sind. Deren Milliarden sollten im Kampf gegen den Hunger eingesetzt werden. (Beifall bei der LINKEN) Angesichts der nicht mehr zu leugnenden Unsicherheit ging und geht es den G 20 im Kern um die eigenen Verwertungsmöglichkeiten, die Sicherung von Kapitalinteressen und Ressourceneffizienz. Mit Ressourceneffizienz ist gemeint, dass die G-20-Staaten am System der weltweiten Ausbeutung durch Freihandel und Klimazerstörung gar nichts verändern wollen. Sie haben über Handelsabkommen und Afrika geredet. Vielleicht sind die Freihandelsabkommen sogar eine Ursache für die Situation in Afrika. (Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Genau!) Ich will noch das nun öffentlich gewordene Freihandelsabkommen der EU mit Japan als Beispiel nennen. Hier sind wieder Schiedsgerichte wie bei TTIP und CETA vorgesehen. Das ist eine unfaire Politik. Sie machen einfach so weiter, als hätte es die öffentliche Aufregung und die Proteste gegen diese Handelsabkommen nicht gegeben. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Transparenz gleich null! (Beifall bei der LINKEN) Vor diesem Hintergrund ist die Absicht der Bundesregierung, das Thema Klimaschutz beim G-20-Treffen nach oben auf die Tagesordnung zu setzen, offensichtlich eine Fake News. Ja, Sie haben recht: Das ist eine existenzielle Herausforderung. Die G 20 sind die größten Verursacher von Treibhausemissionen. Darüber wollen Sie ausgerechnet mit Donald Trump reden, der das Klimaabkommen bekanntermaßen gerade gekündigt hat? Das ist der Mann, der glaubt, dass er nur die Tür seines Badezimmers in seinem New Yorker Penthouse zu schließen braucht, damit das Haarspray nichts mehr mit dem Klima zu tun hat. Alles, was dort passiert, ist doch absurd. (Beifall bei der LINKEN) Natürlich treffen Sie dort auch solche liberalen Regierungschefs wie Herrn Trudeau. Aber zu den G-20-Regierungschefs gehören auch solche Autokraten wie der türkische Präsident Erdogan, der einen blutigen Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden führt, der Demonstranten für Frauenrechte und demokratische Rechte mit Schlagstöcken und Wasserwerfern unterdrückt, die Pressefreiheit beschränkt, Journalistinnen und Journalisten inhaftieren lässt – darunter auch deutsche – und nun beantragt hat, während des G-20-Treffens reden zu dürfen. Das alles kann doch nicht wahr sein. So jemand kann doch kein Partner für uns sein. Da muss man ganz deutlich sagen, dass das überhaupt nicht geht und dass wir ihn am Rande des G-20-Treffens in Deutschland nicht reden lassen wollen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dann ist da auch noch Saudi-Arabien, das einen blutigen Krieg im Jemen führt. Dort ist jetzt infolge des Krieges eine Choleraepidemie ausgebrochen. Die Saudis werden mit prallen Geldkoffern im „Vier Jahreszeiten“ wohnen. Saudi-Arabien ist eine feudalistische Diktatur, die radikale Moscheen in Deutschland finanziert, die eine Ursache für den Terror sind. Die Saudis können für uns doch keine Partner sein. Im Übrigen liefern Sie denen sogar noch Waffen für diesen Krieg. Das alles ist unfassbar. Da muss endlich eine andere Politik her. (Beifall bei der LINKEN) Zur Runde derer, die zu kritisieren sind, gehören auch andere. Auch Wladimir Putin und die chinesische Regierung gehen gegen Oppositionelle vor und haben Probleme mit der Wahrung der Menschenrechte. Das Interessante ist ja, dass bis vorhin auch Herr Temer in Hamburg dabei sein sollte; mittlerweile hat er abgesagt. Das ist eine positive Meldung, auch wenn Brasilien auf diesem Gipfel nun gar nicht mehr vertreten ist. Herr Temer ist der Mann, der sich an die Staatsspitze geputscht hat gegen Dilma Rousseff. Herr Temer ist eine korrupte Marionette von global agierenden Konzernen. (Beifall bei der LINKEN) Und so ein Mann soll eine vernetzte Welt gestalten? Das ist doch ein absurder Vorgang. Das ist hochnotpeinlich. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen ist es wie die gesamte Inszenierung des Gipfels. Da spreche ich nicht nur von der Wiedereinführung von Grenzkontrollen, Versammlungsverboten, riesigen Gefangenensammelstellen sowie Gerichtsgebäuden, um dort Verurteilungen durchführen zu können. Ich sage Ihnen einmal als jemand, der aus Norddeutschland kommt, der seinen Wahlkreis in Rostock hat, ein klein wenig etwas über Schifffahrt. Im Logo dieses Gipfels ist ein Kreuzknoten. Dieser Knoten steht eigentlich für stabile und gleichzeitig auch für elastische Verbindungen. Aber wenn man sich diesen Knoten genau anschaut, dann erkennt man, dass es offensichtlich der falsche Kreuzknoten ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Der falsche Kreuzknoten wird im Übrigen auch Diebesknoten genannt. Ich finde, das ist das passende Logo für diesen Gipfel. (Beifall bei der LINKEN) Wissen Sie, warum die G 20 keine – im Sinne des Kreuzknotens – haltbare Politik machen können? Ganz einfach: weil Ihr Ansatz völlig falsch ist. Sie stricken – so haben Sie es selbst als Regierung verlauten lassen – an einer neuen Erzählung, an einem neuen Narrativ. Ihnen geht es nicht um die Beseitigung von Krisen, von Kriegen und von deren Folgen. Sie haben Unsicherheit zum Prinzip gemacht und fordern nun Resistenz, also Widerstandsfähigkeit. Das heißt, Sie fordern von den Menschen, die hungern, die in Kriegen leben müssen, deren Ernährungsgrundlagen wegen des Klimawandels verschwinden, dass sie einfach aushalten. Das ist Ihr Herangehen. Sie wollen am grundsätzlichen System eben nichts ändern, und dagegen stehen wir als Linke: Wir stehen für soziale und globale Gerechtigkeit. (Beifall bei der LINKEN) Wir finden uns nicht ab mit Hunger, mit dieser Weltwirtschaftsordnung, mit Klimaverschmutzung und mit Ressourcenverschwendung. Wir stehen dagegen wie Millionen Menschen – bunt und friedlich. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Gestatten Sie mir noch einen Nachsatz. Da ich bestimmt das letzte Mal in dieser Legislaturperiode hier rede, will ich mich auch im Namen meiner Fraktion ausdrücklich beim Bundestagspräsidenten Lammert für seine Amtsführung, für seine besondere Wahrung der Interessen, auch der der Opposition bedanken. Herr Lammert, herzlichen Dank! Alles Gute auf allen Wegen! (Beifall im ganzen Hause) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bedanke mich und erteile das Wort dem Kollegen Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der G20-Gipfel in Hamburg ist wie alle anderen G20-Gipfel bisher umstritten, in Teilen der Bevölkerung sehr umstritten. Es wird wieder Proteste geben. Es versammeln sich Staats- und Regierungschefs, die 80 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren. Aber es sind sehr unterschiedliche Leute; darauf hat Dietmar Bartsch eben aufmerksam gemacht. Es sind Demokraten, und es sind Autokraten. Aber trotzdem finde ich es richtig, dass die G 20 einmal im Jahr zusammenkommen und darüber verhandeln, wie die Regeln in einer globalisierten Welt aussehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber dieser Gipfel ist anders als die bisherigen. Es ist das erste G20-Treffen, bei dem der Westen in grundsätzlichen Fragen nicht mehr einheitlich auftritt. Donald Trump spaltet den Westen. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Er stellt die offene Gesellschaft infrage. Er versucht, internationale Verträge und Institutionen zu schwächen, und er stellt nicht das in den Vordergrund, was die Weltgemeinschaft verbindet, sondern er propagiert den Egoismus der Nationen und das Recht des Stärkeren. Aber der Höhepunkt ist die Kündigung des Pariser Klimaabkommens. Natürlich können Verträge grundsätzlich gekündigt werden; aber das ist nicht irgendeine Vertragskündigung, sondern das ist eine Zäsur für unsere Weltgemeinschaft in einer existenziellen Frage, und deshalb, meine Damen und Herren, ist es notwendig, dass wir uns eindeutig gegen Donald Trump positionieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist kein Antiamerikanismus. Aber in Hamburg muss gezeigt werden: Der amerikanische Präsident steht in der Klimaschutzfrage in dieser Welt allein. (Beifall bei der SPD) Wir haben die klare Erwartung, Frau Merkel, dass Sie eine 19 : 1-Allianz in der Klimaschutzfrage in Hamburg zustande bringen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dazu brauchen wir euch nicht!) – Wenn ihr alles allein könnt! Ich komme gleich noch darauf zurück, Volker. Meine Damen und Herren, es gibt nur eine richtige Antwort auf diese ganze Entwicklung: Wir müssen Europa wieder stärker machen. Nach der Wahl von Macron ist die Stimmung im Europäischen Rat besser geworden – das hat auch Frau Merkel gesagt –, aber in der Sache hat sich wenig bewegt. Polen und Ungarn sind die größten Nettoempfänger in der EU, aber sie nehmen weiter keine Flüchtlinge auf, um Italien oder Griechenland zu entlasten, und der Europäische Rat weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Ich finde, die klare Antwort muss sein: Solidarität ist keine Einbahnstraße. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Iris Ripsam [CDU/CSU]) Statt die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zu reformieren, verlässt man sich weiterhin auf die EZB, die mit Niedrigzinsen die Hand über Europa hält. Jeder weiß, dass das nicht auf Dauer gut geht. Aber statt der Union Führung zu geben, benimmt sich der Europäische Rat wie ein Verwaltungsrat, der die Zustände verwaltet. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Jetzt rächt sich, dass die EU in den letzten Jahren so geschwächt worden ist. Statt von Anfang an, schon 2010, in der Griechenland-Krise beherzt einzugreifen, Griechenland zu helfen, die notwendigen Strukturreformen und die notwendigen Staatsreformen durchzusetzen und die Schuldenkrise zu meistern, gab es eine jahrelange ätzende Debatte. Die Bundeskanzlerin hat zu Recht Helmut Kohl gewürdigt. Aber nach dem Motto „Kein Cent für Griechenland“, Frau Merkel, wäre Helmut Kohl niemals vorgegangen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Helmut Kohl hätte es nie zugelassen, dass die Griechenland-Krise die Europäische Union so auseinandertreibt. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ich kann es nicht glauben!) Bei aller Kritik an Helmut Kohl habe ich in europäischen Fragen immer großen Respekt für ihn empfunden. Helmut Kohl wollte kein deutsches Europa; er wollte wie Willy Brandt ein europäisches Deutschland, und deshalb, Frau Merkel, könnten Sie eigentlich ein bisschen mehr Helmut Kohl wagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir können froh sein, dass wir in Frankreich mit Emmanuel Macron einen Präsidenten haben, der entschieden für die Europäische Union eintritt. Aus Frankreich kommt die ausgestreckte Hand für Europa, und aus Deutschland kommt der erhobene Zeigefinger. Das darf so nicht weitergehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die mit der gleichen Begeisterung wie Emmanuel Macron für die Reform der Europäischen Union kämpft. Meine Damen und Herren, es gibt eine zweite Konsequenz aus der Unberechenbarkeit von Donald Trump: Europa muss sich mehr um seine eigene Sicherheit kümmern. Deshalb ist es richtig, dass Jean-Claude Juncker das Thema „Europäische Verteidigungsunion“ auf die Tagesordnung gesetzt hat. Zu einer gut aufgestellten europäischen Verteidigungsunion gehört natürlich auch eine gut ausgestattete Bundeswehr. Die Verteidigungsminister der letzten zwölf Jahre haben es zugelassen, dass die Bundeswehr als Steinbruch für haushaltspolitische Konsolidierung benutzt wurde. Sie haben die Bundeswehrreform und die Aussetzung der Wehrpflicht ohne Konzept über das Knie gebrochen. Bis heute haben unsere Streitkräfte mit Personalmangel und mit schlechter Ausstattung zu kämpfen. Wir werden dafür sorgen, dass sich das in der nächsten Wahlperiode ändert. (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nach den neuesten Umfragen nicht!) Wir wollen die Bundeswehr gezielt stärken und europäisch integrieren. Donald Trump aber fordert etwas ganz anderes. Er fordert, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Rüstung zu investieren. Ich will einmal deutlich machen, was das zur Konsequenz hätte: Bis 2024 müssten wir unsere Verteidigungsausgaben fast verdoppeln, und zwar von 37 Milliarden Euro auf 70 Milliarden Euro. Das, meine Damen und Herren, wird es mit uns nicht geben. (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Struck und Steinmeier!) Das wäre die größte Aufrüstung, die Europa seit Jahrzehnten gesehen hätte. Deutschland wäre dann nicht nur stärkste Wirtschaftsmacht, sondern auch größte militärische Macht in Europa. Damit würde Deutschland in Europa noch dominanter. Das wollen wir nicht, und das wollen auch unsere Nachbarn nicht. Deshalb sagen wir: Eine Umsetzung des 2Prozent-Ziels kann nicht richtig sein. Eine solche Aufrüstungsmechanik kann es nicht geben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sicherheit gibt es sowieso nicht, wenn ausschließlich Waffen im Vordergrund stehen. Wenn wir Konflikte und Kriege in unserer Umgebung befrieden wollen, dann brauchen wir natürlich auch Diplomatie, humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und zivile Krisenprävention. Nur so können wir nachhaltig für Sicherheit auf dieser Welt sorgen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Oppermann, darf die Kollegin Lötzsch eine Zwischenfrage stellen? Thomas Oppermann (SPD): Ja, bitte. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Kollege Oppermann. Ich habe sehr gerne gehört, dass sich die SPD gegen das 2Prozent-Ziel und gegen weitere Aufrüstung ausspricht. Nur ergibt sich für mich da aber ein kleiner irritierender Widerspruch. Gestern ist ja im Kabinett der Haushaltsplan für das Jahr 2018 beschlossen worden. Darin steht – das haben wir gestern ausführlichst im Haushaltsausschuss diskutiert –, dass auf das 2Prozent-Ziel hinzuarbeiten ist. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!) Ihre Minister haben alle zugestimmt. Nun werden Sie antworten, es habe eine Protokollerklärung der SPD-Minister gegeben, dass, wenn das eintritt, auch die Ausgaben für Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden sollen. Ich finde es ehrlich gesagt nicht redlich, das im Kabinett zu beschließen und hier eine ganz andere Politik zu erklären. Dann hätten Sie im Kabinett nicht zustimmen dürfen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Oder Sie erklären jetzt, Sie möchten diesen Kabinettsbeschluss rückgängig machen, weil Sie im September eine andere Politik mit einer besseren Regierung machen wollen. (Beifall bei der LINKEN) Thomas Oppermann (SPD): Frau Lötzsch, ich komme in meiner Rede gleich noch genau auf diese Haushaltsfrage zu sprechen. Die SPD-Mitglieder im Kabinett haben in diesem Punkt eine Protokollerklärung abgegeben (Katja Kipping [DIE LINKE]: Das hat Frau Lötzsch schon gesagt!) und haben deutlich gemacht, dass sie mit dem Missverhältnis von Verteidigungsausgaben und Ausgaben für Entwicklungshilfe nicht einverstanden sind und dass wir das ändern werden. Im Übrigen hat das mit dem 2Prozent-Ziel nichts zu tun. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das haben Sie aber beschlossen! Ich kann mich daran erinnern!) – Ich sage gleich etwas dazu. – Die beschlossenen Steigerungen im Etat der Bundeswehr erhöhen den Anteil für Verteidigungsausgaben von 1,14 Prozent auf 1,18 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Von einer Aufrüstungsspirale kann in diesem Zusammenhang also gewiss keine Rede sein. (Beifall bei der SPD) Ich will gerne Frau Merkel und Herrn Schäuble sagen: Sie haben gestern eine Finanzplanung vorgelegt, in der vorgesehen ist, dass über vier Jahre die Verteidigungsausgaben um 5 Milliarden Euro von 37 Milliarden Euro auf 42 Milliarden Euro steigen sollen. Ich muss ganz klar sagen, Frau Lötzsch: Nach Jahren, in denen die Bundeswehr kaputtgespart wurde, ist das ein richtiger Schritt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber Sie haben gleichzeitig nur 150 Millionen Euro mehr für Entwicklungshilfe eingeplant. Wenn man das ins Verhältnis setzt, dann bedeutet das: Für jeden Euro, den wir zusätzlich für die Verteidigung ausgeben, geben Sie 3 Cent mehr für Entwicklungshilfe aus. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Gegenteil dessen, was Sie eben gerade behauptet haben!) Das ist ein eklatantes Missverhältnis. (Beifall bei der SPD) Ich meine: Wir müssen für jeden Euro an Verteidigungsausgaben mindestens 1 Euro für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Das wäre der richtige Maßstab. Und wenn Sie jetzt ankündigen, dass Sie das auch in Ihr Wahlprogramm übernehmen wollen, dann frage ich mich: Warum haben Sie das nicht gleich in die mittelfristige Finanzplanung hineingeschrieben? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir haben ein Regierungsprogramm, kein Wahlprogramm!) Für die SPD-Fraktion ist jedenfalls klar: Wir fühlen uns an diese mittelfristige Planung nicht gebunden, schon gar nicht an das Missverhältnis von Rüstung und Entwicklungshilfe. Wir werden in den kommenden Jahren deutlich mehr Mittel für Entwicklungshilfe bereitstellen. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, in Hamburg soll der afrikanische Kontinent erstmals im Rahmen der G 20 in den Blick genommen werden. Dafür haben Sie, Herr Schäuble – nicht mehr da; Herr Spahn –, vorgeschlagen, dass mit den afrikanischen Staaten Investitionspartnerschaften abgeschlossen werden sollen. Ich finde, das ist ein guter Baustein für unsere Afrika-Politik. Aber es ist doch schon sehr symptomatisch, dass Afrika-Politik jetzt vom Finanzministerium gemacht wird. Sowohl die Entwicklungshilfe als auch die humanitäre Hilfe fallen dabei unter den Tisch, und von dem Compact with Africa können nur die Länder profitieren, die politisch und wirtschaftlich stabil sind. Hunger, Flucht, Gewalt, Destabilisierung gibt es aber vor allem in den Ländern, die für solche Partnerschaften nicht infrage kommen. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die Bundesregierung als Gastgeber der G 20 nicht nur die Investitionen, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe für Afrika zum Thema macht. (Beifall bei der SPD) Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt – auch der Kollege Bartsch hat schon darauf hingewiesen –: Wenn wir sofort und in den nächsten Jahren schnell auf Hungersnöte und Fluchtbewegungen reagieren wollen, dann müssen wir das Flüchtlingshilfswerk und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen finanziell auf solide Füße stellen. Dass der UN-Flüchtlingskommissar immer wieder gerade für Afrika die nötigen Gelder zusammenkratzen muss, muss der Vergangenheit angehören. Wir brauchen einen neuen Finanzierungsvertrag, der die Länder dazu verpflichtet, automatisch ihren Anteil an der Flüchtlingshilfe zu zahlen. Wenn wir UN-Blauhelmmissionen so finanzieren können, dann können wir auch die Flüchtlingshilfe so finanzieren. Frau Merkel, sprechen Sie dieses Thema auf dem G20-Gipfel an, um die finanzkräftigsten Länder der Welt auch bei der humanitären Hilfe in die Pflicht zu nehmen. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen, die Große Koalition geht jetzt parlamentarisch zu Ende. Wir haben nach dieser Woche nur noch einen Sitzungstag im September. Ich will das auch zum Anlass nehmen, mich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit zu bedanken, natürlich besonders in der Koalition, aber auch gegenüber der Opposition und auch gegenüber dem Bundestagspräsidenten. Vielen Dank! Ich bin stolz auf die Arbeit, die dieses Parlament in den letzten vier Jahren geleistet hat. Wir haben bahnbrechende Entscheidungen getroffen wie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote. Wir haben die Kommunen massiv unterstützt. Sie bekommen in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro, im nächsten Jahr 5 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund. Wir haben erstmals ein Integrationsgesetz für Flüchtlinge auf den Weg gebracht nach dem Motto „Fördern und Fordern“. Wir haben eine Durchbrechung des Kooperationsverbotes erreicht, und wir haben ausgeglichene Haushalte verabschiedet. Ich finde, das kann sich alles sehen lassen. Ganz besonders aber freut mich, dass wir an diesem Freitag noch über die Ehe für alle abstimmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für uns ist die Ehe für alle (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das globale Thema!) keine Frage der Wahlkampftaktik, (Lachen bei der CDU/CSU) sondern es ist eine Frage von Werten und Grundsatzüberzeugungen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 30 Mal haben meine Kollegen und Kolleginnen im Ausschuss dafür gestimmt, dass die Vorlagen dieses Gesetzes nicht ins Plenum kommen, und zwar mit Rücksicht auf den Koalitionsvertrag und mit Rücksicht auf den Koalitionspartner. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das gilt alles in der letzten Woche nicht mehr!) Das ist uns schwergefallen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat man nicht so sehr gemerkt!) Meine Kollegen haben mich immer wieder bedrängt, die Abstimmung freizugeben, sie zu einer Gewissensentscheidung zu erklären oder einen Gruppenantrag zuzulassen. Ich habe das aus Gründen der Koalitionsdisziplin immer wieder abgelehnt. Das ist mir schwergefallen. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Dann kam der Schulz!) Jetzt sage ich: Wenn wir jetzt alle der Meinung sind, dass diese Frage eine Gewissensfrage ist, dann muss es auch zu einer Entscheidung kommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Koalitionsdisziplin ist keine Einbahnstraße. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Ja, genau!) Eines geht gar nicht: den Anschein zu erwecken, man sei für die Ehe für alle offen, aber dann um jeden Preis eine Abstimmung zu verhindern. Das ist ein Verhalten, das man den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklären kann. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir verhindern doch nichts!) Ich wünsche uns morgen eine spannende Abstimmung und Ihnen allen gute Sommerferien. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ja, wir leben in wirklich schwierigen Zeiten: Die Klimakrise entwickelt sich schneller als selbst von Wissenschaftlern erwartet; die Weltwirtschaft ist noch immer instabil; bei den Finanzmärkten weiß man nicht, wann es die nächste Krise gibt; 60 Millionen Geflüchtete sind auf diesem Planeten unterwegs; internationaler Terrorismus, und in der Nähe von Europa gibt es eine ganze Reihe von Kriegen und Bürgerkriegen. Es ist offensichtlich, dass diese Vielzahl von Problemen nicht von einem einzelnen Land allein geregelt werden kann. Wenn die G 20 vernünftige Regelungen treffen würden, dann könnten die G-20-Staaten etwas Gutes dazu beitragen; denn die G-20-Staaten stellen zwei Drittel der Weltbevölkerung. Sie stellen vier Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung, und sie sind verantwortlich für drei Viertel, für 75 Prozent, aller Treibhausgasemissionen. Aber die G-20-Staaten haben in ihrer Geschichte schon viel versprochen, und sie haben wenig gehalten. Es steht zu befürchten, dass das Gleiche auf diesen Gipfel zutrifft. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wissen Sie, Frau Merkel, es liegt auch an dieser Bundesregierung. Es liegt auch an diesem Gastgeber. Es liegt auch mit an Ihnen. Ich gestehe Ihnen völlig zu, dass es überhaupt keine einfache Runde ist, die Sie zu Gast haben: Erdogan, Putin und Trump mit ihrer nationalistischen und antiökologischen Politik. Wissen Sie, Frau Merkel, ich erwarte überhaupt nicht von Ihnen, dass Sie die Probleme mit diesen schwierigen Herren einfach wegzaubern. Auf der anderen Seite ist natürlich auch klar, dass es neben diesen dreien ziemlich einfach ist, vernünftig zu wirken. Was ich aber von Ihnen erwarte, ist, dass Sie Verantwortung für Ihr eigenes Handeln in Ihrem direkten Zuständigkeitsbereich, nämlich für das Handeln dieser Bundesregierung, übernehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns einmal die Ergebnisse des Handelns Ihrer Bundesregierung bei den wichtigen Fragen, die auf dem Gipfel verhandelt werden und die Sie selbst angesprochen haben, an: Klimaschutz, Bekämpfung von Fluchtursachen, gerechte Gestaltung von Handel und Globalisierung, eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte. Wie schaut denn da die Bilanz unserer Bundesregierung aus? Ja, Trump hat das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und hat damit nicht nur einen Affront bezogen auf ein internationales Abkommen begangen, sondern hat auch – wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung die Klimakrise für unsere eigenen Lebensgrundlagen hat – ein Verbrechen an der Zukunft aller Menschen auf diesem Planeten begangen. Aber mit welcher Bilanz beim Klimaschutz treten Sie, tritt diese Bundesregierung denn Trump gegenüber? Sie haben auf großen Konferenzen schon viele schöne Worte verloren. Aber Sie sind jetzt seit zwölf Jahren Bundeskanzlerin, Sie führen seit zwölf Jahren die Regierung, und da kann man sich einmal die Bilanz anschauen; denn nach zwölf Jahren gibt es eine Verantwortung für das Handeln. Welches Land verbrennt am meisten Braunkohle und nutzt damit die schmutzigste, klimaschädlichste Art, Strom herzustellen? Ist es China? Ist es Indien? Sind es die USA? Nein, die Bundesrepublik Deutschland ist das Land, das weltweit am meisten Braunkohle verstromt, und Sie haben daran nichts geändert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernd Westphal [SPD]: Das ist Unsinn! Großer Unsinn!) Sie haben davon gesprochen, das Entscheidende sei, dass man den Klimaschutz will. Nein, Frau Merkel, das langt für die Beseitigung eines echten Problems nicht. Das Entscheidende beim Klimaschutz ist, dass man handelt und Erfolge erzielt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür gibt es eine ganz einfache, klare Zahl, und das ist der CO2-Ausstoß der Bundesrepublik Deutschland. Schauen wir uns diese Zahl an: Sie ist zwischen 2009 und 2016, in all diesen Jahren Ihrer Regierung, nicht gesunken. Deshalb: Sie reden vom Klimaschutz, aber Sie handeln nicht beim Klimaschutz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wissen Sie, Frau Merkel, den schmelzenden Polkappen ist es egal, ob Trump die Klimakrise leugnet und nichts dagegen tut oder ob Sie viel über die Klimakrise reden und dann auch nichts dagegen tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben davon gesprochen, dass es darauf ankommt, seine Hausaufgaben zu machen. Da frage ich mich manchmal: Ja, wann fangen Sie denn an, die Hausaufgaben zu machen? Was haben Sie denn in den letzten vier Jahren gemacht? Sie haben den Kohleausstieg nicht gemacht. Sie haben nichts bei der Agrarpolitik gemacht. Sie haben einen Verkehrsminister, der mit „unverantwortlich“ noch nett beschrieben ist, der vor allem die Dieselkrise vertuscht hat, anstatt die Verkehrswende einzuleiten. Und Sie haben den Ausbau der erneuerbaren Energien mit zehn Deckeln versehen – nicht mit einem Deckel, nicht mit zwei Deckeln, sondern mit zehn Deckeln. Ja, schaut es so aus, wenn man die Hausaufgaben beim Klimaschutz macht? Merken Sie denn nicht selbst, dass Ihr Reden und das Handeln Ihrer Bundesregierung, der Mehrheit dieses Hauses, hier diametral auseinanderfallen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ist Ihnen das nicht selbst peinlich? Und war die SPD da völlig unbeteiligt? Stellt sie in dieser Bundesregierung gar keinen Minister? Stellt sie nicht den Wirtschaftsminister? Auch Sie von der SPD müssen Ihren Teil der Verantwortung übernehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nehmen wir das Beispiel des Handels. Sie haben davon gesprochen, dass Protektionismus keine gute Alternative zum freien Handel ist. Sie haben recht: Protektionismus ist nicht gut. Aber glauben Sie wirklich, dass Geheimabkommen, private Schiedsgerichte, Privatisierung der Daseinsvorsorge, dementsprechend das Aufgeben des Vorsorgeprinzips, also all das, was wir bei CETA und TTIP gesehen haben, eine gute Alternative zum Trump’schen Protektionismus ist? Wären nicht eher Handelsregelungen, die auf ökologische und soziale Standards setzen, eine gute Alternative? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Glauben Sie wirklich, Ihr Vorgehen wäre noch vorbildhaft? Glauben Sie wirklich, dass die Menschen in Deutschland davon begeistert sind? Nein, sie werden dagegen protestieren. Man versteht überhaupt nicht, warum Sie aus den Auseinandersetzungen um TTIP und CETA nichts gelernt haben. Und wissen Sie, was mich wirklich erschüttert? Sie sprechen davon, dass Sie sich beim Klimaschutz nicht von Trump abhalten lassen, geschweige denn, dass Sie hier etwas gemacht hätten. Aber Sie hören nicht auf, dieser US-Regierung hinterherzulaufen und davon zu reden, mit uns doch bitte, bitte ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Ich erwarte von Ihnen, Frau Merkel, aus Gründen der Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz und auch aus Gründen der Würde, dass Sie aufhören, der US-Regierung hinterherzulaufen und um ein Freihandelsabkommen zu betteln, solange die nicht bedingungslos in den Vertrag von Paris zurückgekehrt sind. Das erwarte ich einfach von Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Man könnte auch noch einiges zu den Fluchtursachen und zur Finanzkrise sagen. Die Fluchtursachen haben auch etwas mit unserem eigenen Handeln zu tun, mit unseren Agrarexporten, mit der Fischereipolitik der Europäischen Union. Auch da würde ich erwarten, dass man endlich einmal vor der eigenen Haustür kehrt. Deshalb, Frau Merkel: Wer bei einem G-20-Gipfel wirklich führen will, der muss vorangehen. Ich erwarte von Ihnen und Ihrer Bundesregierung, dass Sie endlich die Hausaufgaben, von denen Sie gesprochen haben, machen und vor der eigenen Tür kehren. Ich wünsche mir, dass die Bürger das klar erkennen (Maik Beermann [CDU/CSU]: Das tun sie ja!) und sich im Herbst dieses Jahres eine andere Bundesregierung wählen. Sie hatten zwölf Jahre Zeit, und am Ende gilt: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. – An diesen Taten erkennt man Sie. Deshalb: Handeln Sie endlich! Sie haben noch wenige Wochen Zeit. Dann wird hoffentlich Bilanz gezogen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Volker Kauder ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir debattieren heute über die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu den Ergebnissen des letzten Europäischen Rates und zu dem, was beim G-20-Gipfel auf uns zukommt. Wenn man sich die Ergebnisse des Rates anschaut und wenn man sich anschaut, was auf dem G-20-Gipfel zur Debatte steht, kann man von zwei großen Themen reden. Das ist erstens das Thema „Sicherheit und Bekämpfung von Terror“ und zweitens das Thema „globale wirtschaftliche Entwicklung“. Die globale wirtschaftliche Entwicklung beinhaltet praktisch als Unterpunkte weitere wichtige Themen. Beispielsweise werden wir das Problem der Fluchtursachen nicht ohne globale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung lösen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen gehören diese Dinge zusammen. Wenn ich mir die Abschlusserklärung der letzten Sitzung des Europäischen Rates anschaue, sehe ich, dass dort außer auf das Thema „wirtschaftliche Entwicklung in Europa“ vor allem auf das Thema Sicherheit großer Wert gelegt wird, und zwar auf innere Sicherheit und auf äußere Sicherheit. Darin ist die Rede davon, dass wir die Sicherung der Außengrenzen in Europa verbessern müssen, um die Freizügigkeit in Europa erhalten zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darin ist die Rede davon, dass wir den Terror bekämpfen müssen. Wir sind uns doch in großen Teilen dieses Hauses einig, dass die Reden hier an diesem Pult oder Reden in Europa und in der Welt zur Terrorbekämpfung nicht ausreichen, sondern dass man dafür auch praktisch etwas tun muss. Das heißt, dass wir uns natürlich an gemeinsamen militärischen Aktionen und Operationen beteiligen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Absolut!) Das war im Übrigen damals eine zentrale Aussage von Peter Struck, als er erklärt hat, wo wir die Sicherheit unseres Landes verteidigen: nämlich nicht nur hier in Deutschland, sondern auch am Hindukusch. Eine solche mutige Aussage habe ich seitdem aus den Reihen der SPD nicht mehr gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn wir miteinander Soldatinnen und Soldaten in die ganze Welt schicken, damit sie in unserem Auftrag für Sicherheit sorgen, und sie dafür persönliche Risiken eingehen, dann haben wir die verdammte Verpflichtung, alles zu tun, um die höchstmögliche Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu gewährleisten. (Beifall bei der CDU/CSU) Dazu kann ich nur sagen: Was in dieser Woche auf Druck der SPD im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss geschehen ist, nämlich dass die Anschaffung einer bewaffneten Drohne nicht beschlossen wurde, ist das glatte Gegenteil von einer höchstmöglichen Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Entscheidung – ich will es einmal sehr vorsichtig formulieren – geht weit über eine militärpolitische Entscheidung hinaus. Es ist eine Frage der Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Und außerdem: Ja, es stimmt – Frau Kollegin Lötzsch hat eben danach gefragt –: Wir haben gestern im Bundeskabinett über das 2-Prozent-Ziel und auch über den Einsatz von Mitteln für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe gesprochen. Nun kann man nicht argumentieren: Wir haben eine Protokollerklärung abgegeben, damit auch die anderen Mittel erhöht werden. – Meines Wissens hat die SPD keine Protokollerklärung abgegeben, dass sie das 2-Prozent-Ziel ablehnt. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!) Das wäre der Hammer, (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das wäre besonders schlau!) und ich sage Ihnen auch, warum. Ich nehme zur Kenntnis, dass die SPD glaubt, bei der Bundestagswahl in diesem Jahr nur noch eine Chance zu haben, wenn sie sich von allem verabschiedet, was sie selber einmal ins Leben gerufen hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Da wird die Agenda 2010 rückabgewickelt, (Bernd Westphal [SPD]: Wo denn?) da wird die Rentenreform von Müntefering nicht mehr verteidigt, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!) und jetzt ist das 2-Prozent-Ziel dran. (Bernd Westphal [SPD]: Das ist doch Unsinn!) Lassen Sie mich zwei Zahlen nennen: 2002 hat der damalige Verteidigungsminister Peter Struck im Auftrag der rot-grünen Regierung Schröder das 2-Prozent-Ziel auf den Weg gebracht. 2014 hat Herr Steinmeier das Ziel noch bestätigt. Da kann man sich jetzt nicht so billig vom Acker machen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Kauder, darf der Kollege Mützenich eine Zwischenfrage stellen? Volker Kauder (CDU/CSU): Ich halte im Übrigen das 2-Prozent-Ziel – – (Zurufe von der SPD) – Wissen Sie, jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie können den Herrn Kollegen Mützenich nachher ans Rednerpult schicken. Es muss in diesem Hohen Hause auch einmal möglich sein, einen Gedanken ohne Unterbrechung zu Ende zu führen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen kann unser Koalitionspartner SPD mir die Fragen auch bilateral stellen. Wir müssen uns nicht im Plenum darüber unterhalten. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Oh!) – Sie scheinen ja sehr verunsichert zu sein. (Christine Lambrecht [SPD]: Sie trauen sich nicht! Nicht souverän!) Wir halten an dem 2-Prozent-Ziel fest, weil es auch in Europa vereinbart wurde. Man kann sich nicht hierherstellen und die Europapolitik von Helmut Kohl verteidigen und dann Vereinbarungen auf europäischer Ebene kritisieren. Das ist nicht fair, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich wende mich jetzt noch einmal den Themen zu, die beim Gipfel eine Rolle spielen und die in Europa auch bisher schon eine Rolle gespielt haben. Ein zentrales Thema ist die wirtschaftliche Entwicklung. Die wirtschaftliche Entwicklung hängt ganz entscheidend von einer entsprechenden Bildung ab. Diesbezüglich stehen wir in der ganzen Welt vor Herausforderungen. Die wirtschaftliche Entwicklung hängt aber auch davon ab, dass wir bereit sind, in neue Produkte und neue wirtschaftliche Aktivitäten zu investieren. Hier erkenne ich ausgezeichnete Signale, auch in der Zusammenarbeit mit Frankreich. Auf einem Kongress der Unionsfraktion hatten wir gestern Andreas von Bechtolsheim zu Gast. Er ist einer der großen Unternehmer und Akteure im Silicon Valley. Er hat uns aufgezeigt, dass Deutschland und Europa bei der digitalen Entwicklung – und zwar nicht nur, was die Hardware anbelangt, sondern auch bei der Entwicklung neuer digitaler Produkte – nicht dasselbe Niveau haben wie bei der Produktion. Er hat diesem nicht gerade ermutigenden Befund jedoch den Hinweis folgen lassen: Es ist aber überhaupt nicht zu spät, weil die Entwicklungen sehr schnell vorangehen. – Er sagte: Sie müssen das Thema jetzt mutig angehen. In diesen digitalen Prozessen liegen große Wachstumschancen, weil mit einem relativ geringen Aufwand sehr viele Menschen auf einmal bedient werden können. – Das war seine Aussage. Im Zusammenhang mit der Frage „Was können solche Entwicklungen sein?“ hat er darauf hingewiesen, dass wir gerade in Deutschland aufgrund unserer starken Produktion produktionsnahe Dienstleistungen schneller und besser digitalisieren können. Er hat auch darauf hingewiesen, dass in dem ganzen Thema der künstlichen Intelligenz große Chancen liegen, die man sich näher anschauen und schnell nutzen sollte. Frau Bundeskanzlerin, ich höre, dass Sie im Rahmen der Zusammenarbeit mit Frankreich auf genau dieses Thema setzen. Daraus kann vielleicht eine gemeinsame Aktion entstehen. – Das ist der Unterschied: Wir zeigen nicht mit dem Finger auf andere, sondern machen unserem Nachbarn, Partner und Freund Frankreich konkrete Angebote, um voranzukommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sind die Einzigen, die solch konkrete Projekte vorlegen. Es wird nur vorangehen, wenn wir mit Frankreich gemeinsame Projekte angehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestern haben wir auch einen Business-Dialog mit Vertretern Indiens geführt. Dabei ist noch einmal deutlich geworden, dass es in Indien hochentwickelte Regionen, zum Beispiel Bangalore, und Spezialisten gibt. Von den 1,3 Milliarden Menschen – Minimum – auf diesem großen Subkontinent sind aber nicht einmal 10 Prozent richtig ausgebildet. Doch ohne eine qualifizierte Ausbildung wird Indien das notwendige Wachstum nicht erreichen. Wir treten aber auch Indien nicht mit erhobenem Zeigefinger gegenüber, sondern sagen: Wo wir etwas Besonderes leisten können, bieten wir das auch an. – Deswegen ist die Zusammenarbeit im Bereich der Infrastruktur – Beispiel Eisenbahn –, die mit Indien beim letzten Regierungstreffen vereinbart wurde, ein zentrales Thema. Die Inder wissen, dass dieser große Subkontinent nur dann in eine wirtschaftliche Wachstumsphase eintreten kann, wenn es in diesem Land gute Verbindungen, wenn es eine gute Infrastruktur gibt. Daran sieht man: Die reale Welt und die digitale Welt gehören zusammen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, Fluchtursachen zu bekämpfen. Darum geht es bei dem Gipfel auch um Afrika. Afrika endlich nicht mehr nur als Entwicklungskontinent zu betrachten, sondern eine neue Perspektive aufzuzeigen, das ist, finde ich, unserem Minister Müller in hervorragender Weise gelungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit dem Hoffnungsbegriff „Marshallplan für Afrika“ hat er diesen Kontinent so was von elektrisiert wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Im Übrigen – jetzt muss ich einmal einen Zettel herausholen, um die richtigen Zahlen nennen zu können –: Die Steigerung der Mittel des BMZ von 2014 bis 2018 beträgt 38 Prozent. Wer da behauptet, da sei nichts passiert, der muss gleichzeitig taub und blind sein. Die Steigerungen im BMZ und im Auswärtigen Amt betragen von 2014 bis 2018  42 Prozent. Jetzt kann man natürlich sagen: Es könnte auch mehr sein. – Aber wir sollten doch stolz darauf sein, dass es in diesem Zeitraum gelungen ist, so etwas zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Fluchtursachen zu bekämpfen, hat etwas mit wirtschaftlicher Entwicklung, mit Bildung zu tun. Es hat aber auch etwas mit der Bekämpfung des Terrors zu tun. Ich denke dabei beispielsweise an die Situation in Nigeria – an das, was dort an Terror und Flucht geschieht. Heute Nachmittag haben wir einen großen Kongress zum Thema „Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe“. Da werden Jesidinnen, Frauen aus dem Irak und anderen Regionen der Welt uns darüber berichten, dass sie durch genau solche brutalen Terrortaten vertrieben wurden. Deswegen heißt Bekämpfung des Terrors: einsetzen für Religionsfreiheit und Menschenrechte. Das ist ganz zentral wichtig. Ja, Herr Kollege Bartsch, darüber müssen wir reden. Es ist aber schon eine besondere Form der politischen Wirklichkeit, wenn Sie sich hierhinstellen und über eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen sprechen, aber sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen, dass Russland in vorderer Front mit dazugehört. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein! Zuhören! Ich habe Russland genannt! Das ist einfach nicht wahr! Russland und sogar China!) Wir sollten damit insgesamt fair umgehen. Zusammenfassend sage ich: Diese Bundesregierung mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin hat in den zwölf Jahren gewaltige Schritte gemacht. Erfolg kann man aber immer nur dann haben, Herr Kollege Hofreiter, wenn die anderen auch mitmachen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die SPD Sie denn beim Klimaschutz behindert?) Mitmachen bedeutet, sie zu gewinnen. Das kann man aber nicht, wenn man hier herumredet und sagt: Das muss passieren. – Und beim Gewinnen hat die Bundeskanzlerin doch wirklich unglaubliche Erfolge erzielt. Das muss man doch auch einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Der letzte Hinweis. Auch beim Klimaschutz ist viel gelungen. Ja, Sie haben recht, dass wir beim Klimaschutz vorankommen müssen. Aber die Bundeskanzlerin kann nun wirklich nichts dafür, dass Trump das Klimaabkommen aufgekündigt hat. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich ihr auch gesagt!) Dazu muss ich sagen: Lassen Sie jetzt doch einmal die Kirche im Dorf. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was wir machen, dafür kann sie was!) Herr Hofreiter, im Übrigen gilt eines: Wir müssen natürlich wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz schon als gemeinsames Ziel, vielleicht als die beiden Seiten einer Medaille, betrachten. Wie man sich bei diesem Thema verrennen kann, das können Sie sich in dem Video von Herrn Kretschmann anschauen, in dem er darüber spricht, wie man mit Diesel, Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung umgeht. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, also: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Aber wir dürfen uns auch sagen: Wir haben in vielen Punkten richtige Akzente gesetzt. Ja, es gibt noch weitere Aufgaben. Aber ich sehe niemanden, wirklich niemanden, der diese Aufgaben so gut bewältigen könnte wie Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU) In dieser Aussage will ich mich nicht vom Frontmann der „Toten Hosen“, Campino, übertreffen lassen, der genau diesen Satz gesagt hat: „Wer kann es besser als Angela Merkel?“ (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bernd Westphal erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Bernd Westphal (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kauder, Sie haben eben, was Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angeht, die SPD genannt. Ich will Ihnen als Erstes sagen: Wir brauchen dort keine Nachhilfe von Ihnen. Die Verteidigungsminister der Sozialdemokratie hatten mehr Zustimmung in der Truppe als die jetzige Amtsinhaberin. (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann stehen Sie doch auch zu deren Beschlüssen!) Als Zweites kann ich Ihnen auch sagen: Die Herausforderungen, die Sie richtigerweise beschrieben haben – hier bin ich ja bei Ihnen –, verlangen andere Maßnahmen als bewaffnete Drohnen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 7. und 8. Juli 2017 steht Deutschland als Gastgeber des G-20-Treffens im Mittelpunkt globaler Aufmerksamkeit, und die Menschen werden sich berechtigterweise fragen: Was kommt eigentlich dabei heraus, wenn sich die Regierungschefs aus 20 wichtigen Wirtschaftsnationen treffen? Ist der Aufwand gerechtfertigt? Gibt es wirklich Fortschritte und Verbesserungen? Um es gleich vorwegzusagen: Wir halten die G 20 für eines der wichtigsten Foren, wenn nicht sogar für das global wichtigste Forum. Nur in solchen Foren kann die notwendige internationale globale Zusammenarbeit koordiniert werden. – Das sagen wir denjenigen, die dieses Forum noch immer hinterfragen. Die SPD hat sich aufgrund der Geschichte der Arbeiterbewegung und mit Personen wie Willy Brandt immer für internationale Zusammenarbeit und Kooperation eingesetzt. Wir brauchen sie. Unserer Meinung nach sollte die Zusammenarbeit aber stärker auf die Bedürfnisse der Menschen abzielen. Die internationale Zusammenarbeit muss gerechter, fairer und auch wirkungsvoller sein. Aber es gibt keine Alternative. Dieser Dialog ist wichtig, und deshalb ist das G-20-Treffen eine wichtige Plattform. Das sage ich auch an die Adresse derjenigen, die nur Protest zeigen und wenig Verständnis für die notwendige politische Abstimmung zwischen diesen Staaten haben. Nur im Dialog können wir Globalisierung gestalten. Gerade die Gegner der bisherigen Globalisierungsprozesse müssen ein Interesse daran haben, diesen Dialog zu stärken, damit auch die, die zum Beispiel in Bangladesch oder sonst wo für einen Hungerlohn arbeiten, eine Chance auf soziale Absicherung, auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, auf eine intakte Umwelt und auf Teilhabe am Wohlstand haben. Immer stärker rücken Fragestellungen in den Vordergrund der G 20, die weiter gehen als Fragen der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Der Handel bietet Lösungsansätze für diese globalen Herausforderungen. Wir sagen Ja zu dieser verbesserten Zielstellung der G 20 mit Schwerpunkten auch in den Bereichen Klimapolitik und Ernährungssicherung und beim Thema Arbeit. Das Treffen der Arbeitsminister, Labour 20, im Mai dieses Jahres hat neue Regeln für eine faire Globalisierung und für digitales Arbeiten verfasst. Die Gewerkschaftsgruppierungen übergaben diese Empfehlungen an die Bundesregierung. Wir begrüßen diesen Dialog mit der Zivilgesellschaft im Rahmen der G-20-Beteiligungsprozesse, auf die diesmal ein Schwerpunkt gelegt wurde. Diese Gruppen nennen sich die „C 20“. Dieser Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Akteure im G-20-Prozess besteht aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und gestaltet dieses Forum mit. Die G 20 hat sich in den letzten acht Jahren deutlich gewandelt. Wir begrüßen, dass arbeitsmarktpolitische Themen und Soziales, aber auch der Schutz der Umwelt, die Bekämpfung von Fluchtursachen, die globale Gesundheit und die Stärkung von Frauen und Kindern mit auf der Tagesordnung stehen. (Beifall bei der SPD) Ob es bei den G-20-Themen wirklich zu Durchbrüchen kommt, bleibt abzuwarten. Sicherlich wird vieles durch die Teilnahme von Herrn Trump und Erdogan nicht einfacher, da die G-20-Regeln vorgeben, dass Entscheidungen im Konsens zu treffen sind. Es ist jedoch wichtig, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der Agenda 2030 und das Pariser Klimaschutzabkommen mit neuen Impulsen voranzutreiben. Der Gipfel bietet Deutschland die Möglichkeit, auf die Notwendigkeit einer neuen, an soziale und ökologische Anforderungen angepassten Zukunftsvision hinzuweisen. Wir können viele Neuerungen in unserer sozialen und klimafreundlichen Wirtschaftspolitik auf dem Gipfel mit unseren Partnern diskutieren und sie auffordern, sich dieser Politik zu öffnen. Ähnliches gilt für weiter gehende Entscheidungen des Europäischen Parlaments und der EU zu Mindeststandards in den globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten. Diese menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Regeln gehören in die G-20-Gruppe, sie gehören auf den Gipfel und müssen dort diskutiert werden. Hervorheben möchte ich den Erfolg, den wir bei der G-20-Präsidentschaft in der Arbeitsgruppe „Handel und Investitionen“ erzielt haben. Auch hier wünschen wir dem G-20-Gipfel, dass er einen Beitrag dazu leistet, Handel fairer zu machen und verbindliche Verbraucher- und Umweltschutzstandards zu vereinbaren. Dazu müssen vor allen Dingen Sie, Frau Bundeskanzlerin, da Sie Gastgeberin dieses Gipfels sind, durchsetzungsstarke Verhandlungsstrategien aufnehmen. Es liegt maßgeblich an Ihnen, ob die guten vorgegebenen Ziele beim Gipfel Unterstützung bekommen oder nicht. Da hilft kein vorsichtiges Herantasten. Da müssen Führungsqualitäten gezeigt und Zukunftsvisionen formuliert werden. Die Zusammenarbeit der G-20-Länder muss in Hamburg Handlungsoptionen für morgen nicht nur aufzeigen, sie müssen durchgesetzt und vor allen Dingen umgesetzt werden. Viele Forderungen beziehen sich nicht nur auf die Handelspolitik. Uns geht es auch um einen konstruktiven Austausch mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Wir brauchen förderliche Rahmenbedingungen für Investitionen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die wirtschaftliche Entwicklung, vor allen Dingen in afrikanischen Ländern. Geeignete Maßnahmen gibt es im finanz- und wirtschaftspolitischen Bereich sicherlich viele. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat 1976 bei einer Rede formuliert: Die reichen Nationen werden nicht reich bleiben, wenn die Armenhäuser der Menschheit wachsen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir wünschen dem G-20-Gipfel viel Erfolg und eine erfolgreiche Wahrnehmung der Verantwortung für diese Aufgabe. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin! Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Wir müssen uns gegen Protektionismus und gegen Isolationismus wehren. – Für diesen Kampf hat Sie die New York Times zum „leader of the free world“ ernannt. Dagegen haben Sie sich gewehrt, vielleicht sogar zu Recht. Sie sind keine Führerin, sondern Sie sind de facto in den letzten zwölf Jahren als die Königin des organisierten Rückzugs der Konservativen aufgefallen. Immer erst, wenn etwas total aus der Zeit gefallen ist, haben Sie es einkassiert: Wehrpflicht, Atomkraft. Und jetzt soll es die Ehe für alle geben. Wenn man in einer solchen Situation über Führung spricht: Führung hat etwas mit Vorangehen zu tun. Wie glaubwürdig ist es von Ihnen, das Ausscheiden von Donald Trump aus dem Pariser Abkommen zu beklagen, wenn Sie gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen eine Koalitionsvereinbarung abschließen, die schlicht und ergreifend Trump pur ist? Keine erneuerbaren Energien, sondern es wird ausschließlich auf die Kohle gesetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist industriepolitisch fatal. Heute werden 35 Prozent der Windenergieanlagen der Welt in China installiert und 17 Prozent in den USA. In Deutschland beträgt dieser Anteil noch 10 Prozent, und in Nordrhein-Westfalen wollen Sie das auf null bringen. Wollen Sie bei den erneuerbaren Energien den gleichen Offenbarungseid schwören, (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hat sie doch gar nicht!) den Sie schon für die Automobilindustrie ablegen mussten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es war doch ein Offenbarungseid, als Sie in China darum betteln mussten, dass es nicht zu früh zu einer Quote für Elektroautos kommt, weil unsere Autoindustrie genau diese Entwicklung auf den Zukunftsmärkten verpennt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen den Handel nutzen. Wir wollen keinen Protektionismus. Wir wollen offene Handelsbeziehungen. Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie denn offene Märkte hinbekommen, wenn Sie Handelsabkommen durch die Hintertür, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, abschließen? Wie wollen Sie offene Märkte erreichen, wenn Sie die Regulierung dieser offenen Märkte geheimen, privaten Schiedsgerichten überlassen? Das ist es doch, was die Menschen am Ende dazu bringt, zu glauben, dass nur noch die Nation sie vor den Gefahren und den Verlusten durch die Globalisierung schützt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen sage ich Ihnen: So etwas wie JEFTA ist doch gerade Beförderung von Protektionismus. Die Konsequenz ist Nationalismus und das, was wir von jenseits des Atlantiks – ich sage ausdrücklich: leider – hören. Das letzte Weltwirtschaftsforum – das ist ja nicht eine Versammlung von Grünen; ich habe davon einen anderen Eindruck – hat zwei große Risiken für die Welt entdeckt: Klimawandel und Ungleichheit. Und in der Tat – ich will die Debatte gerne aufgreifen, die auch Sie, Herr Kauder, hier geführt haben –: Eine Welt, in der 8 Milliardäre so viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen, die ärmere Hälfte der Menschheit, wird keine sichere Welt sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Da hat die G 20 die Verantwortung. Was macht das Land, das jetzt die Präsidentschaft der G 20 hat? Das legt einen Haushaltsplan mit einer mittelfristigen Finanzplanung vor. Was ist darin die Antwort auf diese Herausforderungen? Lesen Sie es mal nach! Von 2018 bis 2021 sollen die Rüstungsausgaben in Deutschland um 14 Milliarden Euro steigen. Was ist mit den Ausgaben für das Auswärtige Amt, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die steigen auch!) für die humanitäre Hilfe, für das Entwicklungsministerium? Die sollen in dem gleichen Zeitraum um 1 Milliarde Euro sinken. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irre!) Das sind die falschen Antworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das gestaltet nicht die Globalisierung. Deswegen, fürchte ich, wird dieser G-20-Gipfel kein Erfolg für die Gestaltung der Globalisierung sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unbestritten: Viele der großen Herausforderungen unserer Zeit – ob das die Migrationsproblematik ist, die Bewältigung des Klimawandels, die Bekämpfung von Armut weltweit oder die Verbesserung der Situation der Menschen am Arbeitsmarkt, in der Beschäftigung wie auch die soziale Verbesserung – können nicht mehr nur national gelöst werden, sondern dafür braucht es die europäische und teilweise internationale Zusammenarbeit. Deshalb ist es auch wichtig und richtig, dass sich auf europäischer Ebene und auf der Ebene der G 20 immer wieder die Staats- und Regierungschefs treffen, diskutieren, miteinander reden und Schritt für Schritt auch die Probleme angehen. Wenn hier beklagt wurde, dass Europa vielleicht in einem nicht ganz so guten Zustand ist und manches, wie Thomas Oppermann zu Griechenland gesagt hat, noch nicht ganz in trockenen Tüchern ist oder sogar anders hätte gemacht werden sollen, dann wollen wir uns doch einmal vergewissern, meine Damen und Herren, wie die Situation wirklich ist. Wir haben heute in der Europäischen Union, sowohl im Euro-Raum als auch in der gesamten Union, die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2008/2009. Das haben wir auch durch gemeinsame europäische Bemühungen und nicht zuletzt durch unseren Stabilitätskurs im Hinblick auf die Problematik der europäischen Währung erreicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben gezeigt: Wir sind solidarisch. – Aber zur Solidarität gehört auch, dass in den einzelnen Nationalstaaten die Hausaufgaben zur Haushaltskonsolidierung und zu den Strukturreformen gemacht werden. Der Druck dazu ist dadurch entstanden, dass vonseiten der Europäischen Union unter deutscher Initiative immer wieder auf diese Hausaufgaben der einzelnen Staaten hingewiesen und unsere solidarische Hilfe auch davon abhängig gemacht wurde. Das Ergebnis haben wir heute: Wir haben eine bessere wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Situation für die Menschen in Europa. Das gilt auch für Griechenland, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich begrüße es sehr, dass mit der Entscheidung beim Europäischen Rat in der vergangenen Woche ein klares Signal für offene Märkte ausgesandt wurde. Ich begrüße es deshalb, weil nachgewiesenermaßen die freieren Märkte in den vergangenen Jahren dazu geführt haben, dass die Armut der Bevölkerung in der Welt verringert wurde. 1990 zum Beispiel waren noch 2 Milliarden Menschen weltweit von extremer Armut betroffen, heute sind es etwa 800 Millionen – auch noch zu viel. Aber an dem Beispiel merkt man: Freiere Märkte tragen auch dazu bei, die Armut in der Welt zu bekämpfen, und sie tragen dazu bei, dass es den Menschen weltweit besser geht. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerade für uns in Deutschland sind freie Märkte in besonderer Weise wichtig, weil bei uns jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängig ist. Nur freie Märkte garantieren auch langfristig sichere Arbeitsplätze, garantieren eine größere Auswahl für die Verbraucher und garantieren günstigere Preise. Deshalb unterstützen wir moderne Freihandelsabkommen wie das CETA. Ich würde mir schon wünschen, dass die Grünen nicht nur Lippenbekenntnisse zu freien und offenen Märkten abgeben, sondern dann, wenn es um die Konkretisierung geht, um Regeln für diese freien Märkte, den modernsten Freihandelsabkommen, wie CETA eines ist, zustimmen und sie nicht blockieren werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Viele Krisen, Kriege und Konflikte in der Welt haben unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf uns in Europa. Deshalb ist die Frage, wie wir die Sicherheit der Bürger in unserem Land gewährleisten, von ganz entscheidender Bedeutung. Auch das können wir nicht mit nationalen Maßnahmen alleine lösen, sondern auch da ist eine intensive Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene notwendig, beispielsweise durch einen noch intensiveren, noch besseren Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden in Europa. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Thomas de Maizière für seine Bemühungen um ein gemeinsames europäisches Einreise- und Ausreisesystem. Das ist eine schwierige Aufgabe – ich weiß das –, aber ich schließe mich den Hoffnungen des Europäischen Rats an, dass wir zum Ende dieses Jahres zu noch besseren Ergebnissen kommen. Es ist ein schwieriger Weg, aber er hat es auf den Weg gebracht, und er arbeitet mit großer Intensität an diesem System. (Beifall bei der CDU/CSU) Sicherheit der Bürger – das bedeutet auch bessere Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich. Dazu haben Volker Kauder und andere schon einiges gesagt. Auch ich will betonen, dass es wichtig ist, von der Planung über die Beschaffung bis hin zur gesamten Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich eine bessere Koordination auf europäischer Ebene zu erreichen, um die vorhandenen Ressourcen gut und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist es, ein starker Pfeiler innerhalb der NATO zu sein, nicht als Konkurrenz zur NATO, sondern innerhalb der NATO eine starke europäische gemeinsame Präsenz zu haben. Bei einem Problem, das in den vergangenen Jahren intensiv in der Europäischen Union bearbeitet wurde, haben wir aber zweifellos noch Handlungsbedarf. Das ist die Frage: Wie bewältigen wir die Migration nach Europa? Es ist keine nationale Aufgabe allein, sondern es ist eine europäische Aufgabe. Das, was in den vergangenen Jahren hier in Bezug auf die Sicherung der Außengrenzen und in Bezug auf die Bekämpfung der Schleuser im Mittelmeerraum erledigt worden ist, kann sich sehen lassen und hat auch schon Wirkung. Aber wir wissen auch, dass wir insbesondere bei der Bekämpfung der illegalen Migration, bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität noch Aufgaben vor uns haben und dass dabei die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten, insbesondere in Afrika, von ganz entscheidender Bedeutung ist, um den Migrationsdruck auf Libyen und die Mittelmeerroute tatsächlich zu verringern. Das ist eine Aufgabe, die vor uns liegt. Aber wir wissen, dass wir auf diesem Weg nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene schon vieles erledigt haben. Nun, meine Damen und Herren, steht der G20-Gipfel vor der Tür. Im Vorfeld dieses Gipfels haben viele Gespräche mit Beteiligung der Bundesregierung und mit Beteiligung der Bundeskanzlerin stattgefunden, etwa Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen, mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen. Ich finde, das ist eine hervorragende Vorbereitung und macht deutlich: Hier werden die Menschen und die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft mit einbezogen. Dieser G20-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft gibt uns in Deutschland in besonderer Weise auch die Möglichkeit, die Gestaltung der Globalisierung mitzubestimmen. Die Bundesregierung tut dies mit dem Ziel, die Weltwirtschaft, die Finanzwirtschaft und den Finanzmarkt zu stabilisieren. Sie tut das mit dem Ziel, für offene Märkte zu werben, die hohe Standards gewährleisten, und indem sie sich gegen Protektionismus einsetzt. Und sie tut dies mit der Schwerpunktsetzung Afrika. Ich möchte das ausdrücklich betonen; denn auf diesem Kontinent gibt es viele wirtschaftliche Potenziale, die es zu heben gilt. Dazu brauchen wir aber Sicherheit und Stabilität. Wir alle wissen, dass klimatische Veränderungen, dass Bedrohungen der Gesundheit, dass Terrorismus, Korruption und vieles andere dort eine gute wirtschaftliche Entwicklung erschweren. Genau an diesen Punkten setzt jetzt die Initiative der Bundesregierung an mit dem Ziel, auch mehr privates Kapital nach Afrika zu bringen und damit auch den Menschen dort zu helfen. Ich finde, es ist die Verantwortung der gesamten Weltgemeinschaft, die Menschen in Afrika nicht alleinzulassen, sondern gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich dieser Kontinent so entwickeln kann, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können und dort eine positive Lebens- und berufliche Perspektive haben. Da, meine Damen und Herren, sind wir alle miteinander gefordert. Deshalb ist es richtig, dies zum Schwerpunktthema der G 20 zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe – das will ich auch ganz deutlich sagen – kein Verständnis dafür, dass schon im Vorfeld des G20-Gipfels gewaltbereite und linke Chaoten ankündigen, dass sie mit allen Mitteln den G20-Gipfel attackieren wollen. Meine Damen und Herren, welche Möglichkeiten gibt es sonst, um die globalen Probleme in der heutigen Zeit zu lösen, als immer wieder miteinander zu reden, Vereinbarungen zu treffen, und zwar nicht im stillen Kämmerlein, nicht nur zwischendurch einmal, sondern regelmäßig bei einem G20-Treffen? Da wie auch sonst hat Gewalt keinen Platz und darf nicht toleriert werden – auch nicht im Vorfeld mit Verharmlosungen oder gar mit Rechtfertigungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich wünsche der Bundeskanzlerin nach einem erfolgreichen Europäischen Rat nun auch einen erfolgreichen G20-Gipfel. Niemand außer ihr hat eine so reichhaltige Erfahrung und eine so hohe Anerkennung weltweit. Wir wissen bei ihr unser Land in guten Händen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Norbert Spinrath hat als nächster Redner für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Norbert Spinrath (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Helmut Kohl war heute bereits mehrfach die Rede, ich sage: zu Recht. Denn er ist unbestreitbar eine der prägenden Figuren in der Geschichte unseres Kontinents in den letzten Jahrzehnten. 1992 hat er den Anspruch für seine Partei so formuliert – ich zitiere –: Für uns ist die Entwicklung Europas nicht irgendein Thema der Tagespolitik. Europa ist für Deutschland eine Schicksalsfrage; ich behaupte: die Schicksalsfrage. Heute stelle ich fest: Ja, die Union hat sich verändert. Vorbei die Zeiten, in denen Helmut Kohl noch Staatsräson zeigte und seine Politik darauf abzielte, auch die anderen, insbesondere die kleineren Mitgliedstaaten immer mitzunehmen! In welchem Kontrast steht dazu die heutige Realität. Europa ist für Ihre Partei, Frau Merkel, Herr Schäuble und Herr Kauder, nicht mehr eine Schicksalsfrage, sondern ist so manches Mal Gegenstand tagespolitisch motivierter Rechthaberei geworden. Kaum waren wir dem Schreckensszenario Marine Le Pen als französische Präsidentin durch die überzeugende Wahl von Emmanuel Macron entgangen, gab es kleinkarierte Schulmeistereien aus der Unionsfraktion zu seinen Vorschlägen betreffend die Euro-Zone. Schnell wurde aus Unionsreihen erklärt, was nicht geht. Da wurden sogar Vorschläge abgelehnt, die Macron gar nicht gemacht hatte. (Beifall bei der SPD) Wie ist es zu diesem Verfall gekommen? Ich befürchte – Frau Merkel ist leider nicht mehr anwesend und kann nicht zuhören; ich bin mir sicher, dass es ihr jemand ausrichten wird –, dass auch Frau Merkel dafür eine Mitverantwortung trägt. Durch ihre Art, Politik zu machen, ist nicht nur ihre Partei europapolitisch entkernt. Das hat auch zu einer Erosion des Vertrauens in die Europäische Union bei der Bevölkerung geführt. Wir Sozialdemokraten wollen dieses Vertrauen wieder stärken. Draußen wird man erkennen, dass heutzutage die Europapartei Deutschlands die SPD ist. (Beifall bei der SPD) Frau Merkel hat in den Jahren der Krisen an ihrer allseits bekannten Methode festgehalten, nie klar Stellung zu beziehen. Wenn in nächtlichen Gipfelrunden im Hinterzimmer des Europäischen Rates hektisch Notlösungen gefunden werden mussten, lautete ihre einzige Erklärung an die deutsche Öffentlichkeit oft: Es war alternativlos. – Eine zentrale Führungsaufgabe dagegen ist, getroffene Entscheidungen zu erklären. Sie, Frau Merkel, hätten den Menschen erklären müssen, dass und wie Deutschland von einem politisch stabilen und wirtschaftlich starken Europa abhängt und dass unsere Beiträge zur Krisenbewältigung keine Almosen für vermeintliche Müßiggänger aus Europa sind, sondern Investitionen nicht nur in die Zukunft Griechenlands, sondern auch in die Zukunft unseres Landes. (Beifall bei der SPD) Wer argumentativ ein solches Vakuum entstehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn Populisten diesen Raum füllen. Das hat Verunsicherung auch bei unseren EU-Partnern geschaffen, insbesondere bei denen, die klein oder weniger leistungsstark sind. Sie fühlen sich im Rat oft nicht mehr mitgenommen. Eine Folge daraus ist, dass Sie, Frau Merkel und Herr Schäuble, mehr und mehr an Rückhalt bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Europa verloren haben. Wäre Helmut Kohl das passiert? Auch wenn wir bei den Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Großbritannien erste Abschwächungen gesehen haben, ist die Gefahr des Populismus längst nicht gebannt, auch nicht der Drang einiger Regierungs- oder Parteichefs, sich wieder stärker auf die eigenen Kirchtürme zu fokussieren. Wer Menschen keine positiven Argumente liefert, der muss sich nicht wundern, wenn der Populismus weitere Blüten treibt. Wir brauchen eine Erneuerung an der Spitze unseres Landes. Es wird Deutschland guttun, bei den EU-Gipfeln demnächst durch den überzeugten und überzeugenden Europäer Martin Schulz vertreten zu sein. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!) Ich wünsche mir Martin Schulz auch deshalb als Bundeskanzler, weil mit ihm die institutionelle Balance in der EU wiederhergestellt werden kann. Frau Merkel ist zu sehr den pragmatischen Weg des Aushandelns im Hinterzimmer gegangen. Die Menschen in Europa werden aber ihre Begeisterung für die Europäische Union nur aufrechterhalten oder wiederfinden, wenn wir ihre Sorgen ernst nehmen und ihnen die Dinge erklären. Dies ist Frau Merkel immer weniger gelungen. Die an sich vorgesehenen Entscheidungswege werden umgangen. Die Staats- und Regierungschefs ziehen immer mehr an sich und ziehen sich zunehmend ins Hinterzimmer zurück. Sie entziehen sich damit der unmittelbaren parlamentarischen Beteiligung und Kontrolle. Sie überlasten sich selbst, verlieren sich in Details und untergraben ihre eigene Autorität. Dadurch wird die Zahl der vom Europäischen Rat zwar beschlossenen, aber nicht erreichten Ziele immer höher. Der Aufbau der EU mit den drei Institutionen Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament und deren Zusammenspiel im Gesetzgebungsprozess ist eben nicht überflüssige und behäbige Bürokratie. Er ist vielmehr eine mit Bedacht entworfene Konstruktion, um mit einer Gemeinschaft von mehr als zwei Dutzend Mitgliedstaaten und mit über 500 Millionen Menschen umzugehen. Dem Demokratiedefizit der Europäischen Union gibt man Nahrung, wenn man weiter Politik im Hinterzimmer betreibt. Das schwächt das Ansehen der EU und ihrer Institutionen nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten europäischen Bevölkerung. Ich glaube, dass wir wieder auf Helmut Kohl zurückschauen müssen, der zum Beispiel bei der Gründung der Währungsunion bereit war, gegenüber der deutschen Bevölkerung unangenehme Wahrheiten einzuräumen und zu vertreten. Seine Durchsetzungskraft galt nicht nur einseitig deutschen Interessen; er stellte sich immer auch in den Dienst des gemeinsamen europäischen Projekts. Ich glaube, dass Martin Schulz gut für unser Land, gut für die europäische Sache ist, dass er mit seinem großen Respekt, den er sich erworben hat, und mit seiner Art, zusammenzuführen statt Distanzierung zuzulassen, wenn er nach dem 24. September 2017 zum Bundeskanzler gewählt ist, uns und unsere Rolle in Europa deutlich besser vertreten kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hätte ich eigentlich als Schlusssatz stehen lassen können; aber ich kann nicht umhin – weil Karthago immer noch nicht zerstört ist –, meine Rede abzuschließen, wie ich es schon oft gemacht habe: Unser größtes Augenmerk müssen wir immer noch auf die Bekämpfung der erschreckend hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen Staaten Europas richten. Wir müssen endlich Perspektiven für die jungen Menschen in Europa schaffen; denn wer selbst keine Perspektiven hat, der wird schwerlich Perspektiven für seine zukünftigen Generationen schaffen können. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt 15 Jahre hier im Hohen Hause. Das ist meine letzte Legislaturperiode und dies dann wohl auch meine letzte komplette Sitzungswoche. Dann fängt man schon an, ein bisschen zurückzudenken. Wie war das denn im Jahre des Heils 2002, als ich hierherkam? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war eine schöne Zeit damals!) Die Situation war weit schlechter als heute. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das stimmt! Wir wurden schlechter regiert!) Deutschland wurde als der „kranke Mann Europas“ bezeichnet. The Economist schrieb: „Ein Riese geht in die Knie.“ Wir hatten 4,1 Millionen Arbeitslose. Die Zahl wuchs dann bis 2005 – so lange währte die Kanzlerschaft Schröder – auf 5 Millionen. Die Arbeitslosenquote lag bei 10 Prozent. Das Haushaltsdefizit des Bundes lag bei 3,9 Prozent. Wir haben natürlich auch die Maastricht-Kriterien gebrochen; wir waren da mit den Franzosen die Ersten. Schröder war vernünftig, hat erkannt: „Das kann nicht so weitergehen“, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und die Agenda 2010 auf den Weg gebracht, und Sie verweigern heute, die Vaterschaft für diese Agenda anzuerkennen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Es ist doch ein Trauerspiel, dass Sie jetzt hingehen, bestimmte Dinge wieder zurückzudrehen, weil Sie glauben, nur auf diese Weise eine Koalitionsbasis mit den Linken zu finden. Das ist doch der einzige Grund, weswegen Sie das machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Dafür können wir andere Sachen finden!) Machen wir uns nichts vor: Bei Ihrem Arbeitslosengeld Q steht Q für Quatsch! Das lassen wir sein; das brauchen wir nicht. Wir müssen, im Gegenteil, auf dem Weg der Agenda 2010 fortfahren. Das macht Sinn. (Beifall bei der CDU/CSU) Heute ist die Situation deutlich besser. Wir haben gerade einmal halb so viele Arbeitslose wie zu Zeiten von Herrn Schröder. Wir haben 44 Millionen Erwerbstätige. Wir haben 32 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Fast alle unsere Sozialsysteme befinden sich mittlerweile in guten, sogar in exzellenten Strukturen. Wir könnten beispielsweise – und das sollten wir dann auch tun – den Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung senken, sicherlich auf 2,7 Prozent, vielleicht sogar auf 2,6 Prozent. Zudem haben wir – Herr Spinrath, Sie haben es angesprochen – die mit weitem Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Darauf bin ich ganz persönlich sehr stolz; (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD]) denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn junge Leute keine Perspektive haben, wie das in vielen anderen Ländern leider der Fall ist. Wir werben in meinem Arbeitsagenturbezirk mittlerweile um französische Jugendliche; denn wir haben bei den Jugendlichen null Arbeitslosigkeit. Das ist eine tolle Sache. Aber wir haben 600 offene Stellen im Handwerk, und das ist ein bisschen besorgniserregend. Das kann nämlich sehr schnell dazu führen, dass wir später nicht die notwendigen Facharbeiter haben. (Ulrich Freese [SPD]: Deshalb brauchen wir ja auch ein Einwanderungsgesetz!) Darüber wird sich der nächste Bundestag ganz sicher Gedanken machen müssen. Wir haben in der gesamten Legislaturperiode keine Neuverschuldung gemacht. Das ist auch ein sehr positives Resultat der Politik von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Wir haben eben keine Politik gemacht nach dem Motto: Kinder haften für ihre Eltern. – Wir sind den richtigen Weg gegangen. Das muss so bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU) Die große Mehrheit in unserem Land merkt das. Die Menschen spüren, dass der Aufschwung bei ihnen angekommen ist. In den letzten Jahren hat es endlich erhebliche Nettozuwächse gegeben. Das merken die Leute. Ich hatte vor kurzem das große Vergnügen, italienische Senatoren hier zu Gast zu haben. Das Erste, was sie mir gesagt haben, war: Vogliamo avere i vostri problemi. – Sie würden also gern unsere Probleme haben. Wenn man sich die Situation in Italien anguckt, stellt man fest: Dort sieht es komplett anders aus. Wir sollten das auch mit Stolz sagen dürfen. Wir haben in vielen Bereichen sehr viel getan. Zum Beispiel hat der Sozialetat mittlerweile einen Anteil von 55,8 Prozent erreicht. So hoch war er, nebenbei gesagt, noch nie. Nach der mittelfristigen Finanzplanung wächst er auf 58 Prozent an. Dann muss es aber auch einmal gut sein. (Beifall des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU]) Davon zu reden, wir würden Sozialabbau betreiben, ist schlicht Unsinn. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich wünsche mir ein Stück mehr Fairness im Wahlkampf. Ich ärgere mich enorm darüber, wie unsere Erfolge heruntergeredet werden, wie gesagt wird: Hier ist alles schlecht. Hier ist alles ungerecht. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit. – Fakt ist: Deutschland ist ein funktionierender Rechtsstaat mit einer guten sozialen Marktwirtschaft und einer parlamentarischen Demokratie. (Beifall bei der CDU/CSU) Das sollte kein Demokrat in Abrede stellen. (Sören Bartol [SPD]: Aber Wahlkampf ist Wahlkampf!) Zugegeben: Anschläge auf die Demokratie finden zurzeit in vielen Teilen der Welt statt, aber ganz sicher nicht in Deutschland. Über Anschläge auf die Demokratie in Deutschland überhaupt zu reden, ist schon sehr bezeichnend. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir müssen die Reformen fortsetzen; denn die berühmten exogenen Faktoren können sich ganz schnell in die andere Richtung bewegen. Ich nenne drei: Wir haben einen sehr günstigen Euro-Dollar-Wechselkurs. Das befürworte ich; das ist schön für uns. Unsere Volkswirtschaft profitiert davon, der Export läuft, aber das ist nicht gottgegeben. Wir haben einen niedrigen Öl- und Gaspreis – ich erinnere mich: vor vier Jahren lag der Dollarpreis für 1 Barrel bei über 100; jetzt liegt er bei 45 –, und wir haben auch ansonsten niedrige Rohstoffpreise. Zudem haben wir weiter – das ist ebenfalls positiv für die Wirtschaft – sehr niedrige Zinsen. Ob das immer so bleiben kann, weiß ich nicht. Es gibt aber zunehmend Gefahren in unserem Umfeld. Der Protektionismus, der auch aus Amerika kommt, bereitet mir schon ein Stück weit Sorge. Wir müssen aufpassen, dass das nicht in eine völlig falsche Richtung geht. Was da mittlerweile von Herrn Ross im Bereich Stahl geplant wird, macht mir Sorgen; denn viele unserer Firmen exportieren kräftig in die USA. Deswegen ist es unsere Aufgabe, über die G 20, aber auch in der Europäischen Union für freie Märkte zu werben, für freie Märkte zu kämpfen. Ich bin deswegen sehr froh – da liegen Sie völlig falsch, Herr Spinrath –, dass Angela Merkel mit dem neuen französischen Präsidenten Macron sofort eine Allianz gebildet hat; das hat sie sehr gut gemacht. Das scheint in Europa schon erste Früchte zu tragen, wie sie selbst eben in ihrer Regierungserklärung gesagt hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir es nicht schaffen, die WTO und auch den Pluralismus im Handel wieder nach vorn zu bringen, dann wird das uns allen schaden, vor allen Dingen den Ländern, die es verhindern wollen. Deswegen ist es notwendig, dass wir, dass das Europa der 27 wieder in Verhandlungen mit den USA zu TTIP eintreten. Das muss nicht mehr „TTIP“ heißen, damit sich nicht jeder gleich aufregt, aber es muss weiter verhandelt werden; denn wir brauchen freien Handel mit den USA. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir müssen in der EU und insgesamt zu Verbesserungen bei der Infrastruktur kommen. Volker Kauder hat an unserem Gipfel mitgewirkt, auf dem wir über Digitalisierung gesprochen haben. Dort sind einige Zahlen genannt worden, die mir Sorge bereiten. Die OECD hat gerade eine Analyse durchgeführt und festgestellt, dass die Glasfaserdurchdringung im Breitbandbereich sehr dürftig ist. In Japan und Korea liegt diese bereits bei 70 Prozent, in der OECD im Durchschnitt bei 18 Prozent und in Deutschland bei 1,3 Prozent. Das muss uns zu denken geben. Hier muss in der nächsten Legislaturperiode ein Schwerpunkt gesetzt werden. Bei der Telekommunikationstechnik müssen wir auf 5G gehen. Auch da sind andere Länder schon viel weiter als wir. Das muss ein Industrieland wie Deutschland ganz schnell umsetzen. Ansonsten wird vieles nicht mehr möglich sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Oder nehmen Sie die WLAN-Hotspots. In Südkorea kommen auf 10 000 Bürger 37 Hotspots, bei uns ist es einer. Diese Zahlen können wir nicht leugnen; wir müssen erkennen, dass wir hier hinterherhinken. Das muss ganz schnell geändert werden. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist dafür denn zuständig?) Ich muss noch etwas zum Thema Energiepolitik sagen; Sie hätten sich gewundert, wenn ich es nicht tun würde. Wir brauchen eine Versorgung mit bezahlbarer und sauberer Energie, die dazu noch sicher sein muss. Strom ist in Deutschland weitaus teurer als in den anderen westlichen Industrieländern, die zu unseren Wettbewerbsländern zählen. Dadurch drohen Standortverlagerungen. Der VDMA, der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer, hat festgestellt, dass die besonders energieintensiven Firmen nur noch etwa 80 Prozent ihrer Abschreibung in Deutschland reinvestieren. Das ist Desinvestition. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht weil Leute wie Sie immer diesen Quatsch erzählen!) Das kann uns nicht egal sein, weil das am Ende unter Umständen bedeuten könnte, dass diese Industrien weg sind. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das liegt daran, dass Leute wie Sie immer diesen Unsinn erzählen! Schauen Sie sich doch mal die Preise an der Leipziger Strombörse an! Das ist doch postfaktisch!) – Dass Ihnen das egal ist, Herr Hofreiter, das weiß ich. Das gibt mir Anlass, einige Abschiedsworte an meine Lieblingskollegen von Grünen und Linken zu richten. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Na, na, na!) Meine Mitarbeiter haben mich gefragt, ob mir zu den Grünen oder zu den Linken, Herr Bartsch, zum Abschluss nicht irgendetwas Nettes einfiele. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie haben doch nur noch zehn Minuten! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Spannung steigt!) Ich habe lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: inhaltlich nicht viel. Im Energiebereich wollen Sie von den Grünen fossil gefeuerte Kraftwerke in Deutschland abschalten – Sie haben das eben gesagt –, bevor die notwendigen Netze vorhanden sind, bevor wir entsprechende Speichertechnologien haben. Dann sollen wir halt Kernkraftstrom aus Frankreich und Tschechien kaufen und Kohlestrom aus Polen. Das ist doch verlogen. Versuchen Sie doch bitte einmal, zu erklären, wie es ohne fossil gefeuerte Kraftwerke gehen soll, wenn Sie aus der Kernkraft aussteigen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir exportieren seit zehn Jahren Strom, und Sie erzählen die gleichen Geschichten!) Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister hat völlig zu Recht gesagt, man könne nicht gleichzeitig aus Kernkraft und Kohle aussteigen. Das funktioniert nicht. Wir brauchen erst Lösungen dafür. Wir brauchen eine sichere Energieversorgung, und zwar auch nachts und in der berühmten Dunkelflaute. Rückwärtsgewandtheit, Fortschrittsfeindlichkeit und Rezepte von gestern können wir nicht für die Zukunft gebrauchen. Sie von den Grünen verkörpern für mich das genaue Gegenteil von Freiheit und selbstbestimmtem Leben. Sie gängeln die Menschen. Wir brauchen in Deutschland keine Besserwisserpartei. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Bürger brauchen keinen staatlichen Veggieday. Sie brauchen auch keine Regierung wie in Niedersachsen, die vorschreiben will, dass man im Internet an Sonn- und Feiertagen nicht einkaufen darf. Einen solchen Unsinn habe ich noch nie gehört. Als ob so etwas gehen würde! Das ist von Ihrer Partei gefordert worden; Sie können das nachprüfen. Ich sehe auch nicht das größte Problem in der Einrichtung von genderneutralen Toiletten. Darum kümmert sich ja der Justizsenator von Berlin in allererster Linie. Ich meine, wir haben in Berlin andere Probleme als dieses. (Zuruf von der CDU/CSU: Feierpolizei!) Man sollte sich schon um die wirklichen Probleme kümmern. Ich komme zum Thema Elektroautos. Da lacht selbst Herr Trittin. Wer glaubt, dass wir in der Lage sind, bis zum Jahr 2030 komplett auf Motoren, die mit fossilem Brennstoff betrieben werden, zu verzichten, der träumt. Ich kann es mir hier einfach machen und den Ministerpräsidenten der Grünen zitieren. Herr Kretschmann hat in einem Gespräch mit Ihrem Kollegen Gastel gesagt – ich zitiere –: Wie soll das funktionieren? Ihr habt keine Ahnung. … Das sind doch Schwachsinnstermine. … Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen? (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Hofreiter, diesen Worten des Herrn Kretschmann kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Sie sehen: Ich kann auch einen Grünen loben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden uns fehlen, Herr Fuchs!) Jedem, der es noch nicht getan hat, lege ich das Studium dieses Videos ans Herz. Es erleichtert die Wahlentscheidung und bringt obendrein enormen Spaß. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt muss natürlich auch noch etwas zu den Linken kommen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir warten die ganze Zeit!) – Genau, Herr Bartsch, Sie haben es erwartet. – Wenn jemand glaubt, dass wir in Deutschland einen Steuersatz von 75 Prozent einführen könnten, dann muss ich sagen: Das ist einfach Träumerei. Sie würden damit den Wirtschaftsstandort leeren; das würde ganz schnell passieren. Die Investitionen fließen dorthin, wo es keine solche fiskalistische Besteuerung gibt. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ach so!) Die Einkommensteuer ist die Steuer der kleinen und mittleren Unternehmen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die entlasten wir auch!) 95 Prozent der Unternehmen sind Personengesellschaften, und die zahlen die Einkommensteuer. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die entlasten wir!) Ich habe auch etwas gefunden, womit sich die Linke wirklich beschäftigt. Sie hat eine Kleine Anfrage zum Thema „Entsorgung von Feuchttüchern über die Toilette“, Drucksache 18/10588, gemacht. Das sind die Themen, mit denen Sie die Bundestagsverwaltung aufhalten. (Christine Lambrecht [SPD]: Und Sie heute das Plenum!) Ich meine, Sie sollten sich einmal etwas Vernünftiges einfallen lassen und nicht so einen Blödsinn. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich bin davon überzeugt, dass Angela Merkel beim G-20-Gipfel Diverses erreichen wird. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist alles raus, Herr Fuchs! Jetzt geht es uns besser!) Das wird sie tun. Sie wird das umsetzen, was wir brauchen, und sie wird dafür sorgen, dass wir eine bessere Richtung einschlagen. Als Wirtschaftspolitiker – ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren – kann man gar nicht anders: Man muss immer wieder daran erinnern, auf welchen Grundlagen unser Wohlstand und unsere soziale Sicherheit beruhen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts zum Atomausstieg gesagt!) Wie Sie wissen und auch heute merken, streite ich mich durchaus gerne. (Christine Lambrecht [SPD]: Ja!) Aber ich denke doch, dass wir alle darin übereinstimmen, dass dieser politische Streit immer auch der Streit um die besten Lösungen sein sollte. Jedenfalls war das immer mein Ziel dabei. Für mich ist dies die letzte Sitzungswoche, ja wahrscheinlich auch meine letzte Rede in diesem Hohen Hause. Die Tatsache, dass bei einigen im Haus Erleichterung darüber zu spüren ist, macht mich stolz. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns nicht! Wir werden Sie vermissen! Wir vermissen Sie, Herr Fuchs! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Fuchs, Sie irren sich da ganz grundlegend! – Beifall bei der CDU/CSU) Ich weiß, dass ich für viele als Wirtschaftspolitiker mit einem Hang zum klaren Wort und zur klaren Meinung als Feindbild getaugt habe. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir auch!) Das ist gut so. So muss es sein. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Die Grünen brauchen dich als Feindbild!) Liebe Grüne, liebe Linke, liebe SPD, was wäre es für ein Verlust an politischer Kultur in Deutschland, wenn sich der Wirtschaftsflügel der Union nicht mehr mit Ihnen streiten würde. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir werden Sie sehr vermissen, Herr Fuchs!) Es muss diskutiert werden. Das tun wir. Indem wir gestritten haben, haben wir Parlamentarismus gelebt, und das hat mir in all den Jahren immer viel Spaß gemacht. Die Zeit im Bundestag hat viel Arbeit gemacht, aber auch Freude. Manchmal habe ich ja sogar mit den Grünen, Herr Trittin, bei dem einen oder anderen Projekt ganz gut zusammengearbeitet. An dieser Stelle möchte ich mich bedanken. Ich möchte mich natürlich zuallererst bei meinem Kollegen Kauder bedanken, der mich in den letzten acht Jahren als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion ertragen musste. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So schlimm war es auch nicht!) Ich möchte mich bedanken bei meinen Kollegen Pfeiffer, Nüßlein und Bareiß, mit denen ich sehr intensiv zusammengearbeitet habe. Das hat Spaß gemacht, und ich glaube, wir haben in dem einen oder anderen Fall auch gute Lösungen gefunden. Ich habe auch den Kollegen Heil und Westphal Dank zu sagen, mit denen ich zusammen nach vernünftigen Lösungen gesucht habe. Manchmal ging es bis morgens um drei. Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft in diesem Hohen Hause alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen. Ich wünsche meiner Fraktion natürlich, dass sie nach der Wahl stärker zurückkommt, als sie jetzt geht. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, jetzt hat es sich in diesem Hohen Hause ausgefuchst. Der Fuchs geht heim in seinen Bau. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Lieber Kollege Fuchs, ja, der politische Streit gehört zur Demokratie, und wenn irgendjemand noch glaubte, dass hier alle Fraktionen und Parteien immer einer Auffassung seien, ist er heute angesichts des politischen Streits eines Besseren belehrt worden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, und zwar zuerst über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12965. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12966. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt worden. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr Drucksache 18/10145 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksachen 18/12936, 18/12964 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen Drucksachen 18/12558, 18/12936, 18/12964 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in der Aussprache hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Kirsten Lühmann (SPD): Guten Abend, dürfen wir bitte reinkommen? Wir haben Ihnen eine Nachricht zu überbringen. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! In meinen 27 Jahren als Polizeibeamtin musste ich oft genug die Überbringung von Todesnachrichten mit diesem Satz einleiten. In vielen Fällen waren Verkehrsunfälle die Ursache. Wie fing es an? Wir haben uns als Bundesregierung die Marschrichtung gesetzt, die „Vision Zero“ zu verwirklichen; das heißt: Niemand mehr soll auf deutschen Straßen bei Verkehrsunfällen zu Tode kommen. Illegale Autorennen haben daran immer mehr Anteil. In den 80er-Jahren waren es PS-starke Kleinwagen. Bei Manta, Manta war ein illegales Autorennen der Höhepunkt des Films. Zur Jahrtausendwende wurden es vermehrt deutsche hochmotorisierte Limousinen, die an illegalen Autorennen teilnahmen. Im Moment sind die Folgen gering, wenn niemand zu Schaden kommt: ein Bußgeld, maximal drei Monate Fahrverbot. Wenn eine Person zu Tode kommt, gibt es eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung. Der Rechtsrahmen dafür ist gering. Dieses Jahr hat zum ersten Mal ein Gericht geurteilt: Teilnehmende an einem Autorennen, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, nehmen dies billigend in Kauf und sie handeln aus niederen Beweggründen. Sie wurden wegen Mordes verurteilt. Ob dieses Urteil vor dem höchsten Gericht Bestand haben wird, wissen wir noch nicht. Es wird Jahre dauern, bis dort eine Entscheidung gefällt wird. Liebe Kollegen und Kolleginnen, so lange wollen wir nicht warten. Wir müssen dieses Problem jetzt angehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Daher hat die Koalition Ihnen heute einen neuen Straftatbestand zur Abstimmung vorgelegt, der ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt vorsieht. Was heißt das? Ähnlich wie bei einer Trunkenheitsfahrt sagen wir: Allein die Teilnahme an einem illegalen Autorennen – völlig egal, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird, eine Person auf dem Gehweg vielleicht zu Schaden kommt – ist so gefährlich, dass ein Straftatbestand verwirklicht ist. (Beifall bei der SPD) Auch das Organisieren eines solchen Rennens wollen wir unter Strafe stellen. Bei der Anhörung haben uns nun die Sachverständigen gesagt, das hielten sie für sinnvoll. Allerdings haben wir damit einen Teil noch nicht erfasst, nämlich die Fälle, in denen nicht zwei oder mehr Fahrzeuge gegeneinander ein Rennen fahren, sondern ein sogenannter Alleinraser fährt, also eine Person in einem Kraftfahrzeug, die die Höchstgeschwindigkeit erzielen will, entweder um einen Rekord zu brechen oder um einfach diesen Geschwindigkeitsrausch zu haben. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, das zu regeln. In der Schweiz gibt es zum Beispiel klare Grenzen für Geschwindigkeiten; wer in einer 30er-Zone mehr als 70 fährt, wird einer Straftat bezichtigt. Die Sachverständigen haben uns aber klar gesagt, das hielten sie nicht für sachgerecht. Bei diesen klaren Grenzen wird der besonderen Situation nämlich keine Rechnung getragen, also der Witterung, den Straßenverhältnissen, der Frage, ob viel Verkehr ist oder nicht. Darum haben wir Ihnen einen Vorschlag gemacht, der zwei Begriffe beinhaltet, die schon im Strafgesetzbuch etabliert sind: die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ und dass man das Ganze „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ macht. Der Vorschlag umfasst einen dritten Begriff, der noch nicht definiert ist, nämlich: zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten. Nun hat uns der Staatsanwalt bei der Anhörung gesagt: Ja, das ist nicht definiert, aber das waren die ersten beiden Begriffe, als der Deutsche Bundestag es damals beschlossen hat, auch nicht. – Das Richterrecht hat Definitionen gefunden, und heute ist es eine Selbstverständlichkeit, liebe Kollegen und Kolleginnen. Das wird auch bei der Frage, was die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten bedeutet, der Fall sein. Alle Sachverständigen sagten, es sei wichtig, das zu lösen, und wir werden es mit dieser Formulierung strafrechtlich in den Griff bekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wichtig ist auch, dass wir geregelt haben, dass es eine Entziehung der Fahrerlaubnis geben kann und vor allen Dingen die Fahrzeuge eingezogen werden können. Ein Sachverständiger formulierte es etwas flapsig: Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg, und ihr trefft sie am meisten. – Ich glaube, das trifft es. Wir werden heute illegale Autorennen aus der Ecke des Kavaliersdeliktes herausholen und dahin bringen, wo sie hingehören: strafrechtlich relevantes Verhalten, das verantwortungslos ist und Gefahren für Unbeteiligte birgt. Das ist auch richtig so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich wünsche niemandem, dass er die Sätze „Guten Abend, dürfen wir reinkommen? Wir haben Ihnen eine Mitteilung zu machen“ je hören muss. Ich glaube, dass dieses Gesetz, das wir heute hier verabschieden, einen guten Beitrag dazu leistet, dass dies weniger der Fall sein wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Jörn Wunderlich hat jetzt als nächster Redner für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten Verkehrstoten in Deutschland sind die Folge überhöhter Geschwindigkeit. Daran muss man arbeiten. Deswegen müsste man erst einmal vom Grundsatz her überlegen, ob man nicht an generelle Geschwindigkeitsbeschränkungen auch auf der Autobahn nachdenken sollte. Es gibt eben auch Spinner, die einfach nicht hinter das Lenkrad eines Fahrzeugs gehören. Illegale Autorennen stehen derzeit insbesondere durch den spektakulären Fall vor dem Landgericht Berlin verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Gesetzentwurf beschlossen worden. Nun soll ein neuer § 315d ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Diese Norm sieht neben zwei konkreten Gefährdungsdelikten erstmals in Absatz 1 ein abstraktes Gefährdungsdelikt in Bezug auf illegale Kraftfahrzeugrennen vor; es ist schon angesprochen worden. So soll – auch nach Änderungen durch die Koalition – neben dem konkreten Durchführen und der Teilnahme – das muss bestraft werden – bereits das Ausrichten eines nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennens unter Strafe gestellt werden. Dieses abstrakte Gefährdungsdelikt in Absatz 1 stellt den eigentlichen Kernpunkt dar: Der bisherige Bußgeldtatbestand – es war ja schon immer mit einem Bußgeld bedroht – soll durch ein Strafgesetz ersetzt werden, das nicht nur den Teilnehmer von Straßenrennen erfasst, sondern auch denjenigen, der es im Vorfeld der eigentlichen Tat ausrichtet. Darum geht es. Das bisherige Sanktionssystem – vorwiegend die Straftatbestände des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB und der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Strafgesetzbuch – setzt die Feststellung einer konkreten Gefahr für Dritte oder Sachen von bedeutendem Wert voraus; die bloße abstrakte Gefährdung reicht eben nicht aus. Die Einführung dieses abstrakten Gefährdungsdelikts ist äußerst bedenklich. Dadurch wird die Strafbarkeit vor die eigentliche Rechtsgutverletzung verlagert. Daher muss es einen hinreichend deutlichen Bezug zu einem Rechtsgut geben. Die Sanktionierung einer gefährlichen Handlung stößt jedoch auf Bedenken, wenn sich diese im Wege der Vorverlagerung nur noch diffus mit Hinweisen auf Belange der Allgemeinheit bestimmen lässt. Es ist nicht erkennbar, welches Rechtsgut in dieser Situation bei der Vorverlagerung geschützt werden soll. Teilweise ist auf die Trunkenheitsfahrt verwiesen worden. Wenn ich betrunken fahre und noch keine konkrete Gefährdung darstelle, besteht nur eine abstrakte Gefährdung; aber aus dieser abstrakten Gefährdung – darin sind wir uns alle einig – kann sich blitzschnell eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben ergeben. Aber hier wird die Strafbarkeit so weit vorverlagert, dass man, wenn man es konsequent durchdenkt, schon allein das Alkoholtrinken bei Führerscheinbesitzern unter Strafe stellen müsste; denn aus diesem Trinken von Alkohol könnte sich die konkrete Gefährdung ergeben. Hinzu kommt, dass der Entwurf erhebliche Mängel in Bezug auf das aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz resultierende Bestimmtheitsgebot aufweist. Aus diesem Grundsatz geht hervor, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen des Tatbestands so genau umschreiben muss, dass die Tragweite, die im Anwendungsbereich zu erkennen ist, sich durch Auslegung ermitteln lässt. Wir können es nicht immer der rechtsprechenden Gewalt überlassen, das alles irgendwie hinzubiegen. Die Bestimmtheit der Tathandlung – Frau Lühmann hat schon darauf hingewiesen – ist hier ein bisschen problematisch; das geht nach meiner Überzeugung zu weit. Das Problem der Einbeziehung der Fahrzeuge ist auch nicht neu geregelt; sie war auch bislang schon möglich. Außerdem stellt sich die Dritteigentumsfrage. Wenn jemandem das Fahrzeug nicht gehört, ergibt sich ein großes Problem. (Kirsten Lühmann [SPD]: Haben wir geregelt!) Zu kritisieren ist ebenfalls, dass die nicht angepasste Geschwindigkeit – auch das wurde angesprochen – zu unbestimmt formuliert ist. Zum Antrag der Grünen: Er weist eigentlich den richtigen Weg. Hier soll nichts neues Abstraktes eingeführt werden, sondern die Änderung wird auf bereits bestehende gesetzliche Regelungen angewandt, indem § 315c präzisiert wird, indem die einschränkenden Bestimmungen der Gefährdung in Bezug auf Situationen an Kreuzungen, Bahnübergängen und Einmündungen gestrichen werden sollen. Aber die Grünen haben leider das Problem bestehen lassen, dass auch die Sachen von besonderem Wert unter die Gefährdung fallen. Zu fremden Sachen von bedeutendem Wert gibt es Rechtsprechung; sie fangen bei 750 Euro an. Wenn jetzt diese Gefährdung im gesamten Straßenverkehr und nicht nur an den kritischen, bislang benannten Stellen auftreten kann, ist im Grunde diese Gefährdung jederzeit gegeben; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zugelassenes, am Straßenrand parkendes oder abgestelltes Kraftfahrzeug in der Regel unter der Wertgrenze von 750 Euro liegt. So wird aus dem konkreten letztlich wieder ein abstraktes Gefährdungsdelikt – schade. Deswegen kann man dem so nicht zustimmen. Spinner gehören nicht hinter das Lenkrad. Raser gehören bestraft. Ihnen gehört auch das Spielzeug, eben das Auto, weggenommen. Darüber sind wir uns alle einig. Und ich halte diese – ich möchte schon sagen – Idioten für charakterlich völlig ungeeignet, überhaupt ein Fahrzeug zu führen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber die Vorlagen schießen – so leid mir das tut – über das Ziel, über das wir uns alle einig sind, hinaus. Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Der Bundesminister Alexander Dobrindt hat jetzt für die Bundesregierung als nächster Redner das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir wollen Mobilität, wir wollen sichere Mobilität, wir wollen verantwortungsvolle Mobilität, wir wollen maximale Mobilität für die Bürger haben. Aber das geht nur mit Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer und mit Achtung vor ihnen. Wer dieses Privileg der maximalen Mobilität missbraucht und auf das Risiko sowie auf Leib und Leben anderer keine Rücksicht nimmt, der hat sein Recht auf das Fahren auf der Straße verwirkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist der Inhalt unserer Regelung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dazu gehört, dass wir in der Tat alle diejenigen, die sich so verantwortungslos verhalten, mit ihren Fahrzeugen aus dem Verkehr zu ziehen bereit sind. Illegale Straßenrennen, Raser, all das hat auf unseren Straßen, in unseren Städten nichts zu suchen. Es ist das richtige Signal, das wir mit diesem Gesetz aussenden. Wir sorgen dafür, dass zukünftig diejenigen, die glauben, sie könnten sich an einem illegalen Straßenrennen beteiligen, die volle Härte des Gesetzes spüren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unseren Debatten hatten wir alle die Wahrnehmung, dass die Zahl der illegalen Straßenrennen durch die Möglichkeiten der Verbreitung von Foto- und Videoaufnahmen im Internet wohl noch einmal zugenommen hat. Offensichtlich gelten die Bilder und Videos als Trophäen, mit denen man prahlen kann. Das Prinzip all dieser Rennen ist immer das gleiche: Es treffen sich irgendwelche Spinner auf unseren Straßen, um in maximal unverantwortlicher und gefährdender Weise in einen Wettbewerb um die höchste Geschwindigkeit einzutreten und sich zu messen. Am Ende steht oft ein tragischer Unfall, in dem völlig unbeteiligte Dritte verwickelt sind. Damit ist entsetzliches Leid verbunden. Wir alle kennen die traurigen Schlagzeilen aus der Vergangenheit, zum Beispiel aus Berlin. Im Februar 2016 lieferten sich zwei Raser mitten im Zentrum von Berlin bei 160 km/h ein Rennen, bei dem mehrere rote Ampeln überfahren wurden. Am Schluss wurde ein unbeteiligtes Fahrzeug gerammt, dessen Fahrer bei dem Unfall starb. Dieser Fall hat besondere Aufregung verursacht und breite Wahrnehmung erfahren, weil zum ersten Mal ein Landgericht deutlich gesagt hat: Das ist einer Verurteilung wegen Mordes würdig. Das war neu in der Rechtsprechung. Die Richter waren der Meinung, dass durch die Teilnahme an solchen Rennen mögliche Todesfolgen billigend in Kauf genommen werden. Das ist genau der richtige Ansatz; diese Sichtweise teilen wir. Man muss aber auch klar sagen: Nicht nur diejenigen, die sich an den Rennen beteiligen, sondern auch all diejenigen, die illegale Rennen organisieren oder zu illegalen Rennen anstiften, nehmen mögliche Todesfolgen billigend in Kauf. Dies zu belangen, das ist der Sinn unseres Gesetzes. (Beifall bei der CDU/CSU) In der Tat ist es so, dass die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten beschränkt sind. Wenn es zu keiner Gefährdung oder Schädigung eines Dritten kommt, stellt das derzeit noch eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld oder mit bis zu drei Monaten Fahrverbot geahndet wird, aber das wird dem Gefährdungspotenzial nicht gerecht. Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt den Schritt gehen, die Teilnahme und die Veranstaltung von illegalen Straßenrennen aus dem Ordnungswidrigkeitsrecht herauszulösen und einen neuen Straftatbestand zu schaffen, der eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren beinhaltet. Das ist die richtige Konsequenz für solche verantwortungslosen Raser. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich bei den Verkehrspolitikern und bei den Rechtspolitikern, die mit diesem Sachverhalt sehr verantwortlich umgegangen sind und ein Gesetz geschaffen haben, das diesen sehr schwierigen Komplex aus unserer Sicht richtig abbildet. Jetzt steht auch der Versuch der Organisation eines Rennens unter Strafe. Das war nicht selbstverständlich. Es war nicht von Anfang an klar, dass wir auch dieses Ergebnis erreichen. Das ist aber ein Kernanliegen von uns, weil wir schon im Vorfeld eine maximale Abschreckungswirkung entfalten wollen. Wir wollen klar darauf hinweisen, dass auch der Aufruf zu einem illegalen Rennen im Internet eine strafbare Handlung sein kann. Das ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Regel. Damit sprechen wir gegenüber denjenigen, die bereit sind, andere zu gefährden, eine sehr klare Sprache. Wir schaffen die Voraussetzungen für ein Fahrverbot und einen Fahrzeugentzug. Ja, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Entziehung von Fahrzeugen sind in der Tat harte Maßnahmen. Aber es ist völlig klar: Wer heute bereit ist, bei illegalen Autorennen die Gefährdung von Dritten in Kauf zu nehmen, zeigt, dass er den Anforderungen an diese Form der Mobilität nicht gewachsen ist, dass er mit einem Auto nicht umgehen kann. Alle psychologischen Gutachter sagen, dass diese Strafe ein harter Schlag für die Raser wäre, da sie sich in besonderer Form über ihr Auto definieren, und dadurch eine besondere Abschreckungswirkung entsteht. Wir haben darüber intensiv diskutiert. Ich glaube, es war richtig, diese Abschreckungswirkung zu erzeugen. Wer sich in dieser Art und Weise verantwortungslos auf unseren Straßen verhält, der muss wissen: Er hat zukünftig keinen Führerschein und kein Auto mehr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen sichere Mobilität für alle schaffen. Dazu gehört, dass wir einen respektvollen Umgang, Rücksicht und Achtung gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern in allen Fahrsituationen wahren. Wer das nicht tun will, wer andere gefährden will, wer sich nicht an die Regeln auf der Straße halten will, die notwendig sind, um sichere Mobilität zu garantieren, der hat auf unseren Straßen keinen Platz mehr. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin froh, dass wir uns in dieser Diskussion sehr seriös und ruhig einem Delikt widmen, das vor einiger Zeit in weiten Bereichen noch als irgendwie cool angesehen wurde. Ich bin froh, dass wir jetzt klar zeigen: Diese massiv überhöhte Geschwindigkeit ist kein Kavaliersdelikt. Das ist nicht cool, das ist nicht Selbstbestätigung, sondern das ist ein Verhalten, das ein extrem hohes Verletzungs- und Tötungspotenzial hat. Ein solches Verhalten halten wir nicht für sozial, und wir sind uns deshalb einig, dass es eine gesetzliche Regelung geben muss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) In der Anhörung im Rechtsausschuss – Frau Lühmann war auch dabei – haben wir sehr Eindrückliches über das Thema Geschwindigkeiten gehört. Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen. Ein Polizist vom LKA Köln, der sich in diesem Bereich sehr gut auskennt, hat uns etwas zum Thema Geschwindigkeiten gesagt, weil jemand bemerkte, man könne denjenigen, der in einer Spielstraße mit doppelter Geschwindigkeit fährt, doch nicht genauso hoch bestrafen wie denjenigen, der mit 170 km/h über den Ku’damm fährt. Auf Nachfrage kam der Hinweis: In einer Spielstraße ist Schrittgeschwindigkeit erlaubt – 7 km/h bis 8 km/h –; 14 km/h zu fahren bedeutet, dass ein Kind, das dort entlangläuft, massiv verletzt werden kann, weil Faktoren wie Reaktionszeit, Beschaffenheit, Überraschungseffekt und Bremsweg berücksichtigt werden müssen. Eine höhere Geschwindigkeit bedeutet übrigens auch längere Bremswege. Die doppelte Geschwindigkeit bedeutet fast den vierfachen Bremsweg. Bei einer Geschwindigkeit von 30 km pro Stunde kann ein Erwachsener leicht verletzt werden. Dabei geht es um Schürfungen, Stauchungen, Prellungen und Brüche. Bereits bei einer Geschwindigkeit von 50 km pro Stunde kann ein Fußgänger – ein Radfahrer sowieso – tödlich verletzt werden. Der Kriminalbeamte sagte in der Anhörung, dass hierbei die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Verletzung sehr hoch sei. Wir reden also nicht über Triviales, wenn es um diese Art von Raserei geht. Oder umgekehrt dargestellt: Wenn Sie mit 30 km/h angefahren werden, entspricht das einem Sturz aus ungefähr dreieinhalb Metern Höhe, aus dem ersten Stock eines Wohnhauses. Wenn Sie ein Auto mit 50 km/h anfährt, entspricht das quasi einem Sturz aus dem dritten Stock. Geschieht das mit 70 km/h, entspricht das einer Fallhöhe von 20 Metern. Meine Damen und Herren, nur wenige überleben so etwas. Deshalb reden wir hier nicht über Triviales. Es geht nicht nur um die Frage, ob jemand zu schnell fährt. Gelegentlich wird schon einmal davon gesprochen, dass hier und da 10 km/h oder 20 km/h mehr als erlaubt gefahren wurde. Aber auch das ist nicht trivial. So etwas gehört sich nicht; denn man sollte zurückhaltend fahren. Wir reden also über Dinge, die tatsächlich lebensgefährdend sind oder zu massiven Verletzungen führen können, meine Damen und Herren. Vor Jahren wäre eine solche Debatte hier noch gar nicht möglich gewesen. Ich bin froh, meine Damen und Herren, dass wir sie jetzt führen. Übrigens bin ich auch froh, dass sich der Bundesverkehrsminister anders geäußert hat, als er es vor einem Jahr getan hat. Der Kollege Kühn hatte eine Anfrage gestellt, die am 28. Juni letzten Jahres beantwortet wurde. Darin hatte Herr Dobrindt noch erklärt: Wir werden prüfen, ob gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind. Ich bin ja froh, dass Initiativen aus Nordrhein-Westfalen bzw. aus dem Bundesrat kamen. Dann kam von uns der Antrag. Danach äußerte sich die Koalition, und es kam zu einer Änderung des Bundesratsentwurfs, sodass wir hier zu einer Entscheidung kommen können. Also klar ist: Wir müssen etwas tun. Ich will noch auf eines hinweisen: Es reicht nicht allein, gesetzlich zu regeln. Wir brauchen auch Polizei auf der Straße. Für diejenigen, die meinen, es sei trivial, eine Geschwindigkeitsübertretung zu begehen, wenn sie einmal schnell von A nach B wollen, brauchen wir ein Entdeckungsrisiko. Wir brauchen spürbare Bußgelder und Fahrverbote. Und das Tatwerkzeug – das ist hier das Auto – muss bereits ab schweren Ordnungswidrigkeiten eingezogen werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich will jetzt aber zu den Anträgen kommen. Ich war froh, dass der Bundesrat die Initiative ergriff. Er hat sich aber auf illegale Autorennen konzentriert. Das heißt, vor Gericht wäre der Nachweis notwendig gewesen, dass sich zwei oder mehr Menschen verabredet haben. Da aber die meisten Unfälle ganz allgemein mit Raserei bzw. zu schnellem Fahren zu tun haben – ob das jetzt 40 km/h, 100 km/h oder 120 km/h mehr als erlaubt sind –, fragt man sich doch, ob es dann noch notwendig sein muss, die Gerichte vor das Problem der Beweislage zu stellen. In manchen Fällen wird man die Verabredung gar nicht beweisen können. Deshalb haben wir Grüne eben einen anderen Vorschlag gemacht, nämlich an den § 315c StGB heranzugehen. Wir wollen damit nicht nur illegale Autorennen unter Strafe stellen, sondern allgemein grob verkehrswidriges, rücksichtsloses und massiv zu schnelles Fahren. Es soll in diesen Fällen die Möglichkeit geben, längere Fahrverbote zu erteilen. Ich will in einem letzten Satz zu Ihrem Antrag sagen, warum wir den nicht hinreichend finden. Sie haben ja jetzt im Bundesrat noch nachgebessert. Aber Sie haben in den § 315c quasi hineingeschrieben: Wenn einer rast um des Rasens willen bzw. schnell fährt, um eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Damit verwenden Sie wieder einen unbestimmten Rechtsbegriff, wo die Gerichte beweisen müssten, dass er zur Anwendung kommt. Demnach müsste geprüft werden, ob jemand nur schnell von A nach B wollte, weil er seiner Oma die Blumen zum Geburtstag vorbeibringen wollte, oder ob er raste um des Rasens willen. Das halte ich für unzulänglich. Ab einer bestimmten Geschwindigkeitsübertretung brauchen wir das klare Zeichen: Wenn du so schnell fährst, fährst du an dieser Stelle wirklich auf Kosten der anderen, gefährdest sie. Ich habe Ihnen die Zahlen genannt. Wir können nicht zulassen, dass jemand mit einer Geschwindigkeit fährt, die bei einem Zusammenprall einem Sturz aus 20 Metern Höhe entsprechen würde. Das ist nicht sozial. Auch die Straßenverkehrsordnung sieht das, was das Thema „rücksichtsvolles Verhalten“ angeht, nicht vor. Deshalb haben wir einen anderen Vorschlag gemacht. Ihren finden wir unzureichend. Er ist besser als nichts; aber wir hätten uns einen anderen gewünscht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Dr. Johannes Fechner hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Johannes Fechner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Leider haben sich in letzter Zeit immer häufiger schwere Verkehrsunfälle ereignet, weil verrückte Raser mitten in unseren Städten Autorennen veranstaltet und mit ihren hochgetunten Fahrzeugen bei dem Ehrgeiz, der Schnellste zu sein, fürchterliche Unfälle verursacht haben, nachdem sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatten. In Berlin, Mönchengladbach und Köln sind solche Raser mit unschuldigen Bürgern zusammengestoßen, die bei diesen schrecklichen Verkehrsunfällen ihr Leben verloren haben. Deshalb ist für uns Handlungsbedarf gegeben. Wir müssen gegen diese Raser vorgehen und die Bürger besser gegen diese verrückten Spinner in ihren Autos schützen – auch strafrechtlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In der jüngsten Rechtsprechung wurden diese schlimmen Unfälle in der Tat zu Recht hart bestraft. Die Fahrer in Berlin wurden wegen Mordes verurteilt, anderswo wegen Totschlags. Ich finde, zu Recht; denn wenn man mit über 100 km/h – in Berlin waren es sogar über 160 km/h – durch die Innenstadt donnert, dann nimmt man den Tod von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern billigend in Kauf, und deswegen habe ich großes Verständnis für diese Rechtsprechung. Wenn bei einem solchen Rennen oder einer solchen Raserei glücklicherweise nichts passiert und niemand zu Schaden kommt, dann wird dieses gefährliche Rasen als Ordnungswidrigkeit mit einer Sanktion von etwa 500 Euro oder einem einmonatigen Führerscheinentzug bestraft. Das hat keinerlei abschreckende Wirkung. (Kirsten Lühmann [SPD]: Genau!) Das ist zu wenig und steht vor allem in keinem Verhältnis zu der großen Gefahr, die von einer solchen verrückten Raseraktion für unsere Mitbürger ausgeht. (Beifall bei der SPD) Wir haben hier also eine Schutzlücke, wir müssen handeln. Wenn jemand etwa mit 50 km/h durch die Fußgängerzone oder mit 160 km/h über eine Schnellstraße fährt, dann sind 500 Euro zu wenig, dann muss eine strafrechtliche Sanktion erfolgen. (Beifall bei der SPD) Wir können heute einen guten Gesetzentwurf vorlegen, der genau diese Strafrechtslücken schließt. Ich möchte mich ganz ausdrücklich auch bei den Verkehrspolitikern und den Rechtspolitikern der Union bedanken, und ich bedanke mich bei beiden Ministerien für die gute Zuarbeit. Ein Dankeschön darf ich auch an die frühere nordrhein-westfälische Landesregierung schicken, die mit ihrem Bundesratsentwurf unter Justizminister Kutschaty die Initiative für diese wichtige Maßnahme ergriffen hat. (Beifall bei der SPD) Was machen wir konkret? Zukünftig wird es strafbar sein, wenn man ein Autorennen veranstaltet, ohne dies anzumelden und, vor allem, ohne dies zu sichern. Auch die Teilnahme an einem solchen illegalen Autorennen ist zukünftig strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet. Das tun wir, weil wir der Meinung sind, dass schon die Veranstaltung eines Rennens an sich oder die Teilnahme hieran gefährlich ist und deshalb strafbar sein sollte. Auch eine solche hirnlose Raseraktion ist nämlich nach heutiger Rechtslage nicht strafbar, und das darf nicht so bleiben. Wir haben leider gesehen, dass es hier schlimme Unfälle geben kann, und deshalb müssen wir handeln. Wir sind auch der Meinung, dass das Alleine-Rasen strafbar sein sollte, wenn eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, weil auch das eine große Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger sein kann. Diese Raserei ist kein Kavaliersdelikt. Wir haben lange diskutiert, wie wir diese Norm fassen, ob wir etwa, wie in der Schweiz, konkreter werden und möglicherweise genaue Zahlen oder Prozentzahlen der Überschreitung in den Gesetzentwurf hineinschreiben sollten. Dann wäre das aber ein sehr langer Gesetzestext geworden, und ich glaube, wir wären dann auch nicht der jeweiligen Verkehrssituation gerecht geworden. Es macht eben einen Unterschied, ob jemand 30 km/h zu schnell in der Fußgängerzone oder in der Tempo-120-Zone fährt. Deshalb, finde ich, haben wir hier eine abstrakte Beschreibung der Gefährlichkeit gut formuliert in den Gesetzentwurf aufgenommen. Wenn mit nicht angepasster Geschwindigkeit „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gefahren wird, dann kommt es zur Strafbarkeit. Das sind bewährte Rechtsbegriffe, Frau Künast, die die Rechtsprechung schon heute gut definiert und ausgestaltet hat. Auch die Gutachter in unserer Sachverständigenanhörung haben gesagt, dass der Nachweis kein Problem sein wird und dass es bewährte Rechtsbegriffe sind. Das gilt übrigens auch für die Teilnahme an Autorennen und deren Veranstaltung. Auch das ist nach den Normen, die wir hier gefasst haben, nachweisbar. Wir führen aber nicht nur eine neue Strafnorm ein, sondern wir regeln auch eine weitere Maßnahme, die in der Autorennszene sicherlich viel mehr gefürchtet sein wird als die Geldstrafe, nämlich die Wegnahme des Autos. Der Raser kann sein Fahrzeug verlieren. Wir regeln, dass der Veranstalter von illegalen Autorennen oder der Teilnehmer daran oder der Alleinraser sein Auto von einem Gericht durch Einziehung weggenommen bekommen kann. Kollegin Lühmann sagte, dass das Spielzeug weggenommen wird. Ich finde, man kann hier noch einen Schritt weitergehen und dies mit dem Waffenrecht vergleichen. Wenn ein Bürger nicht verantwortungsvoll mit seiner Waffe umgehen kann, wenn er sich also als ungeeignet erwiesen hat, dann wird ihm eben die Waffe weggenommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genauso muss es auch im Straßenverkehrsrecht sein, weil von diesen Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten genau wie von einer Waffe eine erhebliche Gefahr ausgeht. Zu Recht darf das Strafrecht immer nur Ultima Ratio sein. Ich finde aber, hier haben wir eine Schutzlücke. Hier haben wir zu Recht ein Gesetz gemacht. Wir haben hier Handlungsbedarf. Lassen Sie uns mit diesem Gesetz für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Sebastian Steineke von der CDU/CSU-Fraktion hat jetzt als letzter Redner in dieser Debatte das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Sebastian Steineke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist knapp zwei Wochen her, dass in Mönchengladbach ein junger Mann sein Leben lassen musste, weil sich einige Unbelehrbare mitten in der Stadt ein Rennen auf öffentlichen Straßen lieferten. Ein weiterer bekannter Fall – der Minister hat darauf hingewiesen – ist der Raser, der hier in Berlin auf dem Kurfürstendamm mit 160 km/h mehrere rote Ampeln überfahren hat, wobei ein unbeteiligter Autofahrer zu Tode gekommen ist. Das sind lediglich zwei prominente Beispiele der letzten Wochen und Monate, die Aufsehen erregt haben. Aus den regelmäßigen Berichterstattungen in der Presse wissen wir aber, dass dies nicht nur Einzelfälle sind, sondern dass dies inzwischen – das kann ich so deutlich sagen – selbst bei uns im ländlichen Raum ein Massenphänomen geworden ist. Auch wenn es noch an einer offiziellen Statistik fehlt – schon Frau Lühmann hat darauf hingewiesen –, gehen Experten in ihren Schätzungen davon aus, dass illegal veranstaltete Straßenrennen für eine Vielzahl von Verkehrstoten und auch Verletzten verantwortlich sind. Es gibt vielerorts eine regelrechte Raserszene, die sich über Chatdienste verabredet. Wir als Gesetzgeber müssen handeln und tun dies heute, um diesen Wahnsinn auf unseren Straßen endlich zu beenden. Im vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates, den wir als Koalitionsfraktion im Grundsatz unterstützen, ist nun die Einführung eines neuen Straftatbestandes, nämlich der des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, in dem neu zu schaffenden § 315d StGB vorgesehen. Hierbei wird nicht nur die aktive Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen unter Strafe gestellt, sondern auch das Veranstalten. Wie sah es – das haben wir schon gehört – bisher aus? Im geltenden Straßenverkehrsrecht wurden solche Fälle lediglich als Verstoß gegen das Verbot der übermäßigen Straßenbenutzung angesehen und damit als Ordnungswidrigkeit behandelt, die je nach Konstellation mit bis zu 500 Euro Bußgeld geahndet wurde. Die erhebliche Gefahr für Leib und Leben wurde bisher überhaupt nicht berücksichtigt. Eine Abschreckungswirkung konnten wir damit bisher sicherlich nicht entfalten. Das ändern wir jetzt. Veranstalter und Teilnehmer müssen zukünftig mit drastischen Strafen rechnen. Bis zu zwei Jahre Haft oder Geldstrafe ist bereits für den Grundtatbestand vorgesehen. Wer darüber hinaus Leib, Leben oder fremde Sachen von hohem Wert gefährdet, kann mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden. Wenn bei dem Rennen unbeteiligte Personen verletzt oder gar getötet werden, beträgt die Höchstfreiheitsstrafe zehn Jahre. Um Wiederholungstaten einzuschränken oder zu verhindern, sollen Teilnehmern und Veranstaltern dieser Rennen im Regelfall die Fahrerlaubnis entzogen werden, oder es wird eine Sperrfrist verhängt. Zudem ermöglichen wir endlich die Einziehung der Kraftfahrzeuge, was eben bisher nicht so einfach möglich war. Deswegen ist das, glaube ich, ein ganz wesentliches Signal. Auch aus der Anhörung ergab sich ja, dass die Einziehung des Fahrzeuges eines der zentralen Elemente überhaupt ist. Die vorgesehenen Strafmaße sind aus unserer Sicht richtig, notwendig und angemessen. Ich bin froh, dass wir dieses Gesetz heute endlich verabschieden können. Obwohl der Ausgangsentwurf aus unserer Sicht in die richtige Richtung ging, war es uns als CDU und auch als Koalition wichtig, das Thema Alleinrasen ernsthaft anzugehen. Wir haben die Versuchsstrafbarkeit geregelt. Das war bisher nicht der Fall; auch das haben wir eingeführt. Aber die Praxis hat eben gezeigt: Es kommt regelmäßig vor, dass Menschen auf den Straßen sozusagen Rennen gegen sich selbst fahren. Sie fahren, um ein bestimmtes Tempo zu erreichen. Oder sie fahren, um ihre Rekorde, die sie sich zu Hause regelmäßig eintragen, zu toppen. Aus unserer Sicht wird damit ebenfalls ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen verwirklicht. Ich will nur das Beispiel des Motorradfahrers und YouTubers Alpi – jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, kennt ihn, glaube ich – in Erinnerung rufen, der vom Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde. Er hat die Videos seiner Fahrten mit bis zu 170 km/h durch die Bremer Innenstadt regelmäßig auf YouTube hochgeladen. Um diese Problematik drehte sich im Wesentlichen die Expertenanhörung. Deswegen haben wir mit dem heutigen Änderungsantrag ein abstraktes Gefährdungsdelikt hinzugefügt – das ist richtig –, in dem geregelt ist, dass sich der Fahrzeugführer, wenn er sich mit „nicht angepasster Geschwindigkeit“ – auch das ist ein im Rahmen von § 3 StVO oder § 315c StGB eingeführter Begriff, zu dem es Rechtsprechung gibt – rücksichtslos fortbewegt, „grob verkehrswidrig“ verhält. Damit wird jetzt eben neben dem Veranstalter und dem klassischen Teilnehmer am Rennen von der Vorschrift endlich auch – das war uns sehr wichtig – der Einzelraser umfasst. In der Anhörung – darauf wurde schon hingewiesen – wurde nun angemerkt, dass diese Regelung an vielen Stellen zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte. Deswegen haben wir uns im Nachgang der Anhörung noch einmal intensiv Gedanken gemacht und nach Formulierungen gesucht, die besser passen und die auch die Rechtsprechung schon umfasst. „Nicht angepasste Geschwindigkeit“ bedeutet heute bereits ein zu schnelles Fahren, das Geschwindigkeitsbegrenzungen verletzt oder den konkreten Verkehrssituationen zuwiderläuft. Die Formulierung „verkehrswidrig und rücksichtslos“ ist bereits von § 315c StGB umfasst und sollte auch für die Rechtsprechung kein Problem darstellen. So steht es jetzt glücklicherweise auch in der Begründung des Antrages. Hierdurch verhindern wir – auch das ist uns wichtig gewesen; darauf haben einige schon hingewiesen –, dass wir damit jede Geschwindigkeitsüberschreitung umfassen. Vielmehr umfassen wir damit diejenigen, die ein Rennen sozusagen gegen sich selbst fahren wollen, aber nicht diejenigen, die zu schnell zum Bäcker gefahren sind, wie Frau Künast gesagt hat. Ich denke, dass wir insgesamt Formulierungen gefunden haben, die es den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten ermöglichen, die Taten aufzuklären und abzuurteilen. Damit schließen wir eine sehr wichtige Strafbarkeitslücke. Ich möchte noch einige Sätze zum Antrag der Grünen sagen. Ich glaube, uns alle hier eint – das haben wir auch in der Anhörung gemerkt –, dass wir die Eindämmung und Verhinderung der Autorennen konsequent angehen wollen. Es wurde darauf hingewiesen, auch in der Anhörung, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend seien. Aber auch der Antrag der Grünen wurde von den Sachverständigen durchaus sehr kritisch gesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch die geforderte nur leichte Änderung von § 315c ein Großteil der Tatbestände nicht umfasst würde. In diesem Sinne haben wir, glaube ich, eine deutlich bessere Regelung gefunden, um abzuschrecken und auch die Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren. Der von uns entwickelte Straftatbestand wird diesem Fall gerecht. Bedenken Sie vor Ihrer Entscheidung vielleicht noch einmal das große Sicherheitsbedürfnis unserer Straßenverkehrsteilnehmer, und ringen Sie sich zu einer Zustimmung durch! Ich bedanke mich auch noch einmal bei allen Politikern der SPD-Fraktion. Wir haben das wirklich sehr schnell, gut und sauber hinbekommen. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich natürlich auch bei den Ministerien; damit sind jetzt alle durch Dank beglückt. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Damit schließe ich diese Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 18/12936 und 18/12964, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 18/10145 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition (Kirsten Lühmann [SPD]: Und einer Stimme der Grünen!) ohne Gegenstimmen angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Opposition ohne Gegenstimmen angenommen worden. (Kirsten Lühmann [SPD]: Und einer Stimme der Grünen! – Sören Bartol [SPD]: Mit einer Stimme zugestimmt! Die Kollegin Wilms hat auch zugestimmt! – Weiterer Zuruf von der SPD: Eine Grüne hat zugestimmt!) – Die Kollegin Wilms hat dem Gesetzentwurf auch zugestimmt. Danke für den Hinweis. Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz auf Drucksachen 18/12936 und 18/12964 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12558 mit dem Titel „Verkehrssicherheit erhöhen – Raserei und illegale Autorennen wirksam bekämpfen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen worden. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 e sowie die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf: 9.   a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Alexander S. Neu, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abrüstung jetzt und hier beginnen Drucksache 18/12799 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Orientierung am Zwei-Prozent-Ziel der NATO Drucksache 18/12800 c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr. Gerhard Schick, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten Drucksache 18/12898 d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen Drucksachen 18/11609, 18/12419 e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen Drucksachen 18/6808, 18/12420 ZP 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2016) Drucksache 18/11968 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 2 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2015) Drucksache 18/8065 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 3 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungsbericht 2014) Drucksache 18/4270 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich kann die Aussprache eröffnen, sobald die Kolleginnen und Kollegen ihre Plätze eingenommen haben. Als erster Redner in der Aussprache hat Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Danke sehr, Frau Präsidentin! – Die eigentliche Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wollen wir einen Sozialstaat und alles, was wir leisten können, einbringen, um einen Sozialstaat aufzubauen, oder wollen wir einen Rüstungsstaat? Beides zusammen geht nicht. Kanonen und Butter hat es zusammen nie gegeben, man hat sich immer entscheiden müssen. Meine Entscheidung und die Entscheidung meiner Fraktion ist völlig klar: Wir wollen alle Kräfte im Sozialen verstärken, und deswegen wollen wir raus aus der Spirale der Rüstung. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte gerne, dass die Frage der Abrüstung eine der wahlentscheidenden Fragen wird. Ich glaube, es gibt auch eine gute Chance, sie dazu zu machen. Deswegen sage ich zu SPD und Grünen: Lassen Sie uns doch im Wahlkampf konkurrieren, wer die besten Vorschläge zur Abrüstung einbringt. Wenn Ihre besser sein sollten, hätten Sie mich fast überzeugt. Wenn unsere besser sind – wir haben Ihnen ja etwas vorgelegt –, dann hoffe ich, dass ich Sie überzeugen kann. Ein Wahlkampf, der sich um die Frage der Abrüstung dreht, ist für mich etwas Konstruktives in diesem Land. (Beifall bei der LINKEN) Mein Wunsch war es immer, persönlich und in der Fraktion dazu beizutragen, dass um Frieden weltweit gekämpft wird – in den Parlamenten, aber auch auf den Straßen und Plätzen, auf internationalen Treffen. Es hat immer eine Chance gegeben, aus Gewalt und Krieg herauszukommen und eine Friedenspolitik zu entwickeln. Eine Friedenspolitik braucht unser Land. Da kann man sehr viel bewegen, wenn man anderen Ländern Ängste nimmt und Vertrauen aufbaut. Man baut eben kein Vertrauen auf, wenn man dabei bleibt, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben – ein komisches Ziel, für dessen Beibehaltung sich Volker Kauder ausgesprochen hat. Um es einmal deutlich zu sagen: Das wären ungefähr 70 Milliarden Euro im Jahr, die dafür herausgeschmissen würden, um Leben zu vernichten, wenn man sich auf dieses Ziel festlegt. Das halte ich für eine Katastrophe. Deswegen erwarte ich von der CDU/CSU nicht sehr viele Vorschläge, was wirkliche Abrüstung angeht. Meine Hoffnung ist, dass man nicht mehr auf die Gewalt der Waffen setzt. Ich bin sehr froh, dass es in unserem Land eine große Mehrheit gibt, die ein vernünftiges Verhältnis zu Russland will, die keine Auslandseinsätze der Bundeswehr will, die auf Abrüstung setzt. Ich wäre sehr froh, wenn man endlich aus den Menschheitsverbrechen des Faschismus lernen würde. Das heißt für mich: 6 Millionen Jüdinnen und Juden sind unter deutscher Verantwortung ermordet worden und 27 Millionen Bürger der Sowjetunion, die heute ja auf mehrere Staaten aufgeteilt ist. Vor diesem Hintergrund muss man aber etwas solider, kameradschaftlicher, zugeneigter mit diesen Ländern umgehen, mit Russland ebenso, wie es mit Israel geschieht. Wir können unsere Schuld nicht auf den Schultern der Palästinenser abladen, und wir können unsere Schuld auch nicht mit einem antirussischen Reflex wettmachen. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe die Bundesregierung immer wieder gebeten: Macht uns die Russen nicht zu Feinden! Ich bin dafür, dass die Bundeswehr sofort aus Litauen abgezogen wird. Bundeswehr an der Westgrenze Russlands war für mich immer unvorstellbar. Ich bin auch dafür und bitte Sie, darüber nachzudenken, wie man es hinbekommt, die Atomwaffen der USA aus Deutschland abzuziehen. Das, was ich bei Ihnen gelesen habe, läuft auf den berühmten Sankt-Nimmerleins-Tag hinaus. Diese Atomwaffen müssen jetzt raus aus unserem Land. Das wäre eine Antwort an Trump, und das wäre ein politisches Signal. (Beifall bei der LINKEN) Ich bitte Sie sehr, auch die Debatten über Kampfdrohnen nicht auf die Frage zu reduzieren, welches System man nimmt oder welches man nicht nimmt. Ich bin dafür, dass sich dieses Parlament entscheidet, dass generell keine Kampfdrohnen von der Bundeswehr angeschafft werden dürfen. Das ist die nichtmilitärische Antwort. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich würde sehr gerne über die Möglichkeit reden, gleiche Sicherheit in Europa herzustellen. Gleiche Sicherheit heißt: Man braucht kein Raketenabwehrsystem. Das schafft gespaltene Sicherheit. (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich bin dafür, dass wir uns klarmachen, dass Abrüstung Vertrauen braucht. Vertrauen ist die Währung der Abrüstung. Wenn man Vertrauen aufbauen will, muss man erst einmal selbst vorangehen, bevor man es anderen abfordert. Das heißt: Die NATO-Osterweiterung und die Sanktionen haben aus meiner Sicht Vertrauen in Russland zerstört. (Zuruf von der CDU/CSU: Die Krim-Besetzung hat das Vertrauen in Russland zerstört!) Über eine gemeinsame europäische Sicherheit ist eigentlich nie ernsthaft verhandelt worden. Ich möchte, dass ernsthaft über ein europäisches Sicherheitssystem, das nichtmilitärisch ist und Russland einschließt, verhandelt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das wahrscheinlich – man weiß ja nie, ob wir nicht noch zu einer Sondersitzung bei dieser Lage zusammenkommen – meine letzte Rede im Bundestag ist, sage ich: Ich vertraue mehr auf die Bevölkerung unseres Landes, die sich als weiser erwiesen hat als dieses Parlament. Ich bin aber auch der Auffassung, dass im Parlament Veränderungen denkbar sind. Man kann doch, wenn man sich zusammennimmt, sagen: Es werden keine 2 Prozent der Ausgaben für Aufrüstung verwendet. Kauder irrt sich, wenn er fordert, dass wir 70 Milliarden Euro verschleudern sollen. Es wird eine Hinwendung zu einer besseren kollektiven Sicherheit in Europa geben, wenn wir es nichtmilitärisch machen. Wir hätten gern, dass die NATO aufgelöst wird und dass sich die Europäische Union nicht militarisiert. Darüber sind die Meinungen sicherlich gespalten. Eine vernünftige Debatte dazu wäre es mir allemal wert. Ich habe mich gerne gestritten; das wissen Sie. Das ist mein Lebenselixier. Herzlichen Dank dafür. Ich hoffe, dass am Ende eine vernünftige Politik im Interesse unseres Landes und Europas in Form einer weltweiten Friedensbewegung, die wir brauchen, zustande kommt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Staatsministers Michael Roth) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Auch Ihnen, Herr Gehrcke, alles Gute für die Zukunft. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Als nächster Redner hat Robert Hochbaum für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Robert Hochbaum (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik, lieber Wolfgang Gehrcke, beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Diesem Credo bin ich in den letzten 15 Jahren meiner Tätigkeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages stets gefolgt. (Niels Annen [SPD]: Lassalle! – Heiterkeit bei der SPD) Was heißt das für unsere heutige Debatte? Das beinhaltet zunächst einmal kein unrealistisch verklärtes Wunschdenken, sondern einen realistischen Blick auf die Welt und eine daraus resultierende kluge und verantwortungsvolle Politik. Die Betrachtung der heutigen sicherheitspolitischen Lage ergibt ein Bild, das im Jahr 2013 zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode des Bundestages deutlich anders und meiner Meinung nach auch deutlich besser aussah. Die Krisenherde der Welt von Syrien bis zur Ukraine, vom Jemen bis Nordkorea, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus und eine nie zuvor dagewesene Gleichzeitigkeit dieser Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, stellt uns täglich vor neue Herausforderungen. Dies alles macht abrüstungspolitische Fragestellungen, die sich ja bekanntermaßen insbesondere dadurch auszeichnen, dass sie hochkomplex sind, sicherlich nicht einfacher. Dennoch sind in den letzten Jahren gute und wichtige Schritte im Bereich der Abrüstung erfolgt. Diese gilt es, den Blick auf die Zukunft gerichtet, auch weiterhin zu verfolgen. (Beifall bei der CDU/CSU) Doch Schnellschüsse sind da kontraproduktiv und nicht zielführend. Vor allem gilt dies natürlich auch für den sensiblen Bereich der nuklearen Abrüstung. Eine Welt ohne Atomwaffen – so unterstelle ich einfach einmal – ist sicher der Wunsch aller hier im Saal. Nur über den Weg dahin ist man sich bekanntermaßen, wie bei vielen anderen Dingen, nicht immer ganz einig. Wie schwierig es ist, auf diesem Weg ein kleines Stück voranzukommen, zeigen die Bemühungen des letzten US-Präsidenten, der damit leider auch nicht sehr erfolgreich war. Man sollte dabei nie aus den Augen verlieren, dass uns die Vergangenheit gelehrt hat – ein Blick in die Vergangenheit hilft oft sehr –, dass Fortschritte auf dem Gebiet der nuklearen Abrüstung niemals durch einseitige Maßnahmen oder einseitigen Verzicht erreicht worden sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wichtige und deutliche Abrüstungsschritte wurden nur auf Augenhöhe erreicht. Ich erinnere dabei nur – Verschiedenen hier im Saal sehr gut bekannt – an die Nachrüstungsdebatte in Deutschland oder die START- und INF-Verträge. Alle diese Fortschritte wurden nicht aus einer Position der Schwäche heraus, sondern, wie schon Kanzler Helmut Schmidt erkannte, aus einer Position der Stärke heraus – das heißt auf Augenhöhe miteinander – erreicht. Er musste damals beim NATO-Doppelbeschluss einiges aushalten. Doch er hat durchgehalten, und der Erfolg hat ihm recht gegeben. Gerade dieses Beispiel zeigt: Verhandeln, ja und unbedingt, aber eben nur aus einer Position der Stärke heraus! – Diesen Ansatz hat übrigens Altkanzler Helmut Kohl die ganzen Jahre über fortgeführt und weiterentwickelt, zum Wohle der Sicherheit unseres Landes, Europas, ja der ganzen Welt. Am Ende stand unter anderem ein geeintes Deutschland. Dies sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, leider sind die weltweiten Abrüstungsbemühungen vor allem im Bereich der nuklearen Abrüstung und bei den vertrauensbildenden Maßnahmen in letzter Zeit ins Stocken geraten. Die aktuellen Entwicklungen sowie die jeweiligen Töne aus Russland und vonseiten der neuen US-Administration stimmen nachdenklich und bereiten Grund zur Sorge. Wechselseitige Schuldzuweisungen bringen uns da nicht weiter. Es muss verhandelt werden, so schwierig es sich zu dieser Zeit auch darstellt. Da nutzt es wenig, neue Baustellen wie den Nuclear Ban Treaty aufzumachen. (Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie bieten damit jetzt Staaten nur die Möglichkeit, dem Nichtverbreitungsvertrag, dem Kernelement der weltweiten nuklearen Abrüstung, auszuweichen. Wenn man sich die letzten diesbezüglichen Entwicklungen bei den Vorschlägen ansieht, sieht man abgeschwächte Verifikationsmaßnahmen und immer weniger Verweise auf den Nichtverbreitungsvertrag. Das nimmt den Druck auf die sogenannten Nichtunterzeichnerstaaten, weicht dieses Kernelement der Abrüstung auf und ist – darin bin ich mir mit den Fachleuten der Bundesregierung einig – nicht zielführend. Meine Damen und Herren, ich möchte heute aber auch nicht versäumen, auf Erfolge unserer Arbeit in dieser Legislaturperiode hinzuweisen. Ein erfolgreiches Projekt, das ich als Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses besonders gerne begleitet habe, ist das Thema Open Skies. Es zeigt, wie sehr es sich lohnt, das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und gegebenenfalls auch einmal dicke Bretter zu bohren. In dieser Legislaturperiode konnte somit nach fast 20-jährigen Bemühungen – ich wiederhole: nach fast 20-jährigen Bemühungen – endlich die Beschaffung einer eigenen deutschen Beobachtungsplattform realisiert werden. Besonders freut mich in diesem Zusammenhang, dass es gemeinsame, fraktionsübergreifende Bemühungen waren, die am Ende zum Erfolg geführt haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein sichtbarer Erfolg für Vertrauensbildung, der in Form unseres eigenen Fliegers in nicht allzu ferner Zeit abheben wird! Dafür möchte ich allen Beteiligten danken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist heute nach 15 Jahren im Deutschen Bundestag – man glaubt es kaum – meine letzte Rede. Am Schluss möchte ich erneut danken, an erster Stelle natürlich meiner Ehefrau Mandy, die viele hier im Raum kennen, die sehr häufig an meiner Seite zu finden war und mich in all den Jahren immer unterstützt hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wahlkreis, dem schönen Vogtland – dorthin kann ich alle nur einladen; es ist bestimmt eine Reise wert –, und natürlich auch Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin! Dank an die fleißigen Helferinnen und Helfer der Bundestagsverwaltung und der Ministerien! Es war immer und ohne Abstriche eine sehr gute Zusammenarbeit. Nicht zuletzt danke ich Ihnen bzw. euch, meinen lieben Kolleginnen und Kollegen. Da schließe ich alle Fraktionen ein. Auch wenn wir nicht immer alle einer Meinung waren: Es war eine schöne Zeit mit Ihnen bzw. mit euch. Wir werden uns auch nicht ganz aus den Augen verlieren. Um die mahnenden Worte unseres ehemaligen Bundestagspräsidenten, nicht zu weit hinauszuschwimmen, ein bisschen abzuwandeln: Ich gehe zwar von Bord, bleibe aber mit meiner Jolle immer in der Nähe. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Auch Ihnen, Herr Hochbaum, alles Gute für die Zukunft und gutes Segeln! Als nächste Rednerin hat Agnieszka Brugger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die Beschaffung des Open-Skies-Flugzeuges war ein Erfolg. Aber jenseits dessen waren vier Jahre Schwarz-Rot vier verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ob es um den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland geht, ob es um ein Investitionsverbot für Streumunition geht oder den historischen Atomwaffenverbotsvertrag geht: Das sind nur drei wichtige Beispiele, bei denen einfach nichts passiert ist. Vor ein paar Jahren gab es in diesem Hohen Haus einen sehr großen Konsens – das ist wirklich selten –: Von der CSU bis zur Linkspartei haben alle erklärt, dass der Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen unser gemeinsames Ziel ist. Es ist doch unfassbar, wie schnell Union und SPD diese Einigkeit und dieses wichtige Ziel aufgegeben haben. Es ist doch schon schlimm genug, dass wir keinen Schritt weiter sind bei der Frage, dass Deutschland endlich atomwaffenfrei wird. Aber diese Bundesregierung hat dem gigantischen Modernisierungsvorhaben der USA zugestimmt, das auch die in Rheinland-Pfalz stationierten Atombomben betrifft. Es werden nicht nur die Waffen, sondern auch die deutschen Kampfflugzeuge, die sie im Ernstfall abwerfen müssten, nun für horrende Summen modernisiert werden müssen. Niemand glaubt doch, dass das, was jetzt teuer aufgerüstet wird, in den nächsten Jahren abgezogen werden wird. Somit zementieren Sie den Verbleib dieser Waffen in Deutschland. Das ist kein Stillstand, sondern ein Riesenrückschritt, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In einem gemeinsamen Antrag fordert die Opposition auf, diese Aufrüstungspläne zu stoppen und zu unserem früheren friedenspolitischen Konsens zurückzukehren, damit Deutschland endlich atomwaffenfrei wird. In dem Antrag wollen wir aber auch, dass die Bundesregierung einen anderen Fehler rückgängig macht: ihre Blockadehaltung beim breiten internationalen Prozess zum Verbot von Atomwaffen. Es gibt eine Reihe von internationalen Verträgen, die besonders grausame Waffen wie Streumunition, wie Landminen, wie biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen ächten. Es fehlt unter ihnen aber doch besonders einer: ein Verbotsvertrag für Atomwaffen, die barbarischste und grausamste Waffe, die die Menschheit je erfunden hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Weil die Atomwaffenstaaten ihren jahrzehntelangen Abrüstungsversprechen nicht nachgekommen sind, hat sich eine überwältigende Mehrheit von über 120 Staaten bei den Vereinten Nationen auf den Weg gemacht, einen historischen Schritt gemacht und Verhandlungen über einen solchen Verbotsvertrag auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung redet gern von einer atomwaffenfreien Welt. Sie spricht davon, dass man die internationalen Organisationen stärken soll, und sie kündigt eine neue deutsche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik an. Das hier wäre die Gelegenheit gewesen, all diese drei Versprechen einzulösen. Doch was tut die Bundesregierung? Sie nimmt nicht einmal als Beobachter an diesen Verhandlungen teil und stiehlt sich aus der Verantwortung. Das ist doch ein großes Versäumnis und ein großer Fehler. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Bundesregierung hat auch gar nicht unrecht, wenn sie als Problem benennt, dass die Nuklearwaffenstaaten nicht mit dabei sind. Aber statt den Staaten, die sich für einen Verbotsvertrag engagieren, vorzuwerfen, dass sie der Abrüstungspolitik schaden, sollte die Bundesregierung doch lieber die Nuklearwaffenstaaten dafür kritisieren, dass sie, um ihre eigenen Privilegien und Interessen zu schützen, sich diesem historischen Prozess verweigern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Hier sollte man sich eben nicht mutlos hinter den Atomwaffenstaaten verstecken, weil das an der Stelle einfach nur ein außenpolitisches Armutszeugnis ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch ein anderes Argument der Bundesregierung entlarvt sich da sehr schnell. Auch bei den Verbotsverträgen zu Streumunition und Landminen waren nicht alle Staaten von Anfang an dabei. Trotzdem sind sie heute wichtige Meilensteine der internationalen Abrüstungspolitik geworden. Ja, die Verträge haben leider nicht dazu geführt, dass diese schrecklichen Waffen, die besonders die Zivilbevölkerung treffen, gar nicht mehr eingesetzt werden. Aber heute sind viele Staaten diesen Verträgen beigetreten; es müssen auch noch mehr werden. Es wurde neues Recht geschaffen. Das hat Wirkung gezeigt, und der Einsatz dieser Waffen ist drastisch zurückgegangen. Die Bundesregierung war auch damals skeptisch und zögerlich, hat am Ende aber doch mitgemacht. Dass seit 2015 alle Streumunitionsbestände der Bundeswehr mittlerweile vernichtet sind, das ist ein gutes Zeichen. Trotzdem ist auch hier in Deutschland noch nicht alles gut, wenn es um Streumunition und Landminen geht. Es kann doch nicht sein, dass die Lagerung, die Herstellung und die Entwicklung von Streumunition und Landminen verboten sind, es hierzulande aber erlaubt ist, dass zum Beispiel für die Riester-Rente im Rahmen von Fonds in Firmen investiert werden darf, die diese grausamen Waffen herstellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit ein für alle Mal damit Schluss ist, haben SPD, Linke und Grüne in der letzten Legislaturperiode in einem gemeinsamen Antrag ein konsequentes Investitionsverbot gefordert. Wir stellen heute diesen Antrag wortgleich noch einmal zur Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich appelliere an Sie: Stimmen Sie zu, damit sich hier endlich etwas verbessert und diese zynische Praxis beendet wird! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, die weltweiten Militärausgaben sind im letzten Jahr gestiegen. 1,6 Billionen US-Dollar haben die Regierungen ausgegeben, um ihre Waffenarsenale auszurüsten und noch schlagkräftiger zu machen. Allein 10 Prozent würden ausreichen, um Armut und Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Dort wären diese Gelder eindeutig besser investiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Statt sich dafür einzusetzen, folgt die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lieber dem von Trump ausgegebenen Ziel, dass alle NATO-Mitgliedstaaten möglichst schnell 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Militär ausgeben. (Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Das ist NATO, nicht Trump! – Gegenruf des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trump hat das schon auch gesagt!) Das kommt einer Verdopplung des Verteidigungsetats von heute auf die gigantische Summe von 70 Milliarden Euro gleich. Mehr Geld für Militär und Rüstung, das verengt die sicherheitspolitische Debatte auf das rein Militärische. Dabei gerät einmal mehr all das, was wirklich mehr Sicherheit schafft und Konflikte nachhaltig löst, erst recht aus dem Blick. Es ist auch viel Geld, das eindeutig besser in Klimaschutz, in Bildung und in zivile Krisenprävention investiert wäre. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das Schlimmste an dieser Debatte ist aber, dass Sie für die Gefahren blind sind, die mit diesen Aufrüstungsplänen verbunden sind. Natürlich werden auch andere mit Aufrüstung reagieren, und am Ende schafft das in der Konsequenz nicht mehr Sicherheit für uns, sondern mehr Unsicherheit für alle. Dass mehr Rüstung automatisch mehr Sicherheit bedeutet, das ist eine falsche, eine trügerische und eine gefährliche Gleichung. Daher: Verabschieden Sie sich endlich von diesem irrsinnigen 2Prozent-Ziel! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, großen Schaden nicht nur für die Abrüstungspolitik, sondern auch für Menschenrechte, Frieden und Sicherheit richtet Schwarz-Rot vor allem mit den deutschen Waffenexporten an. Noch nie wurden in der Geschichte der Bundesrepublik so viele Rüstungsexporte genehmigt, solche Rekordwerte der Verantwortungslosigkeit verzeichnet. Sie haben Waffen an Regime geliefert, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Sie haben Waffen an Kriegsparteien genehmigt. Staaten wie Saudi-Arabien und Katar mit Waffen zu beliefern, hat nichts, aber auch wirklich rein gar nichts mit Sicherheitspolitik zu tun. Es muss endlich damit Schluss sein, dass Rüstungsexporte auf Kosten von Frieden, von Sicherheit und von Menschenrechten genehmigt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der die internationale Friedensordnung unter Beschuss gerät, in der Aufrüstungsspiralen zunehmen, in der Krisen sich verschärfen, Fluchtbewegungen zunehmen und nationalistischer Egoismus auf dem Vormarsch ist, braucht es konsequente Abrüstungspolitik und Rüstungskontrolle mehr denn je. Vier Jahre Schwarz-Rot, das waren vier verlorene Jahre für die Abrüstungspolitik. Höchste Zeit für eine Bundesregierung, die mehr Einsatz und mehr Mut für Frieden und Sicherheit zeigt! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, das Wort für die Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich sehr gern den guten Wünschen für Herrn Hochbaum und für dich, lieber Wolfgang Gehrcke, anschließen. Auch dein heutiger Beitrag hat gezeigt, dass wir nur in seltenen Fällen übereinstimmen, aber wir haben das immer in großem Respekt ausgetragen. Ich finde, es zeichnet unsere Außenpolitikerinnen und Außenpolitiker in hohem Maße aus, dass sie immer wieder bereit sind, eine vorbildliche Streitkultur zu pflegen. Für manchen Rat – du wirst dich erinnern – möchte ich dir heute noch einmal danken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich bin auch froh, dass du an einen Punkt erinnert hast, der uns alle hier im Saal eint. Wir haben in einem Punkt die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen, aus Faschismus, aus Holocaust, aus furchtbaren Kriegen, die wir zu verantworten haben: Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten von uns allen hier im Bundestag und von der Bundesregierung ein besonders hohes Maß an Einsatz für Frieden, Versöhnung und Verständigung. Darauf bin ich sehr stolz, auch wenn es mir in den vergangenen Jahren durchaus nicht immer ganz leicht gefallen ist, schwierige und komplexe Sachverhalte zu erläutern. Sie haben einen aus meiner Sicht ganz wichtigen Punkt angesprochen, Frau Brugger, auf den ich gleich zu sprechen komme, nämlich die Initiative aus der internationalen Gemeinschaft, sich für ein weltweites Verbot von Atomwaffen einzusetzen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen: Der Einsatz für den Frieden ist das eine, aber die Verpflichtung der Demokratien, sich wehrhaft zu zeigen, ist das andere. Die Entwicklung in den vergangenen Jahren war alles in allem mehr als besorgniserregend. Der Einsatz für Abrüstung ist seit dem Fall der Mauer, seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und seit der Wiedervereinigung Deutschlands und Europas vermutlich noch nie so mühsam und so beschwerlich gewesen wie derzeit. Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert, und zwar nicht nur durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, nicht nur durch die militärischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine. Wenn ich mir die viel zu vielen bewaffneten Konflikte in unserer europäischen Nachbarschaft vor Augen führe – nicht zuletzt den Krieg in Syrien –, denen Tausende von Menschen zum Opfer fallen, dann kann ich nur sagen: Die in Jahrzehnten gewachsene Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur steht unter einem massiven Druck. Dem müssen wir uns entschieden stellen. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie es auch!) Deshalb habe ich im Gegensatz zu Ihnen eine ganze Reihe von Punkten zu benennen, wo wir uns als Bundesregierung engagiert und in besonderem Maße verpflichtet haben. Ich erinnere daran, dass wir Mitte 2016 eine neue Initiative für einen umfassenden Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa ins Leben gerufen haben. Diese Initiative ist auf große Unterstützung in der Europäischen Union gestoßen. Wir haben während des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 im Konsens einen Dialog vereinbart: Wir wollen uns zunächst den grundsätzlichen Bewährungsproben für unsere gemeinsame Sicherheit in Europa zuwenden. Darauf wollen wir dann aufbauen, um Grundlagen für die so schwierigen Fragen der Rüstungskontrolle zu schaffen. Ja, das ist noch nicht genug, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nun komme ich noch einmal zu der Initiative, die Frau Brugger eben schon genannt hat. Ich habe selbst – das muss im April 2015 gewesen sein – in New York an der Konferenz der Vereinten Nationen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen teilgenommen. Es ging um die Weiterentwicklung des Nichtverbreitungsvertrages NVV. Leider ist es uns am Ende dieser sehr langen und auch sehr kontrovers ausgetragenen Konferenz nicht gelungen, ein ambitioniertes Abschlussdokument zu unterzeichnen. Das ist unbefriedigend. Ja, Frau Brugger, da mag es manchmal einfacher fallen – das ist richtig –, sich mit Gleichgesinnten zusammenzusetzen und sich über die Zustände dieser Welt zu empören. Ich werbe aber dafür, gerade bei der Debatte über eine Welt ohne Atomwaffen die Länder an den Tisch zu holen, in deren Besitz diese furchtbaren Waffen sind. Nur so lassen sich überhaupt Fortschritte erzielen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, beharrliche Diplomatie kann sich am Ende auch auszahlen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will deshalb an die Verhandlungen mit dem Iran erinnern. Nach mehr als zehn Jahren schwieriger Verhandlungen haben wir es gemeinsam mit der Europäischen Union, mit den USA, mit Russland, mit China, mit Frankreich und mit Großbritannien erreichen können, Iran den Weg zur Atombombe dauerhaft und nachprüfbar zu verschließen. Kürzlich hat die Internationale Atomenergie-Organisation nochmals bestätigt: Iran hält seine nukleartechnischen Verpflichtungen aus der Wiener Vereinbarung bislang ein. Ja, wir arbeiten am Ziel einer Welt ohne Atomwaffen. Daher müssen wir uns auch unter schwierigen Umständen – auch gerade jetzt angesichts der vielen aktuellen Konflikte und Krisen – für neues Vertrauen, für neue Initiativen und für neuen Mut bei der Abrüstung einsetzen. Es gab ja durchaus auch Fortschritte: Die nuklearen Arsenale aus der Zeit des Kalten Krieges sind seit den späten 1980er-Jahren um fast 90 Prozent reduziert worden. Aber um unser Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt zu erreichen, müssen in erster Linie die Nuklearwaffenstaaten bereit sein, diesen Weg mitzugehen. Hier brauchen wir mehr Entschlossenheit: mehr Entschlossenheit in Russland, mehr Entschlossenheit in den Vereinigten Staaten, mehr Entschlossenheit in China, aber auch in Frankreich und in Großbritannien. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da dies so schwierig ist, bleiben wir auch dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verpflichtet. Das ist die Basis für alle unsere Bemühungen bei der Abrüstung im nuklearen Bereich. Wir sehen die große Gefahr, dass die Bedeutung des alles in allem erfolgreichen Vertrags mit seinen Instrumenten und Verbindlichkeiten durch ein Nuklearwaffenverbot gegebenenfalls relativiert werden könnte. Denn seit dem Inkrafttreten dieses Vertrags 1968 ist es uns gelungen, zahlreiche Staaten davon abzuhalten, sich nuklear zu bewaffnen. Einige haben wir sogar davon überzeugt, Nuklearwaffen abzubauen. Nun will ich noch zu weiteren Gravamina kommen. Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wird immer mehr zu einer Bedrohung für den Weltfrieden. Nordkorea ist der einzige Staat, der im 21. Jahrhundert Atomtests durchführt – allein zwei in den vergangenen Monaten. In dieser brandgefährlichen Lage muss das vom VN-Sicherheitsrat und der EU beschlossene harte Sanktionsregime konsequent umgesetzt werden. Völlig inakzeptabel, ja barbarisch ist der wiederholte und fortdauernde Einsatz chemischer Waffen in Syrien und im Irak. Diesem widerlichen Tabubruch müssen wir entschieden begegnen, mit klaren Konsequenzen für die Verantwortlichen. Auch deshalb unterstützen wir die Untersuchungsgremien der Vereinten Nationen und der OVCW mit Personal, aber auch mit Geld. Zu den größten Gefahren für den Weltfrieden gehört es, dass Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen gelangen könnten. In diesem Zusammenhang will ich auf eine unserer Initiativen hinweisen: Wir haben uns im Falle Libyens im vergangenen Jahr an einer internationalen Operation beteiligt, die Restbestände an chemischen Substanzen aus dem libyschen Chemiewaffenprogramm außer Landes brachte, um sie damit dem Zugriff der Terrororganisation IS zu entziehen. Ich will außerdem darauf hinweisen – auch das ist schon angesprochen worden –, dass in Konflikten, etwa in Syrien und im Jemen, nach wie vor Streumunition eingesetzt wird. Das ist ganz furchtbar. Wir müssen endlich diese Waffenart weltweit ächten und verbieten. Auch hier strengen wir uns besonders an, liebe Frau Brugger, und haben deshalb im September vergangenen Jahres für ein Jahr den Vorsitz der Streumunitionskonvention übernommen. Ebenso brauchen wir auch bei den sogenannten letalen autonomen Waffensystemen – wir sprechen ja oft über Drohnen – eine Regelung. Wenn Entscheidungen über Leben und Tod ohne menschliche Einflussnahme von Algorithmen getroffen würden, so würde das ganz schwierige ethische, völkerrechtliche und politische Fragen aufwerfen. Insofern bin ich auch ein bisschen stolz darauf, dass es uns unter deutscher Verhandlungsführung gelungen ist, sich auf ein Mandat für eine Gruppe von Regierungsexperten zu verständigen, die möglichst rasch klären sollen, wie wir im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens zu verlässlichen und verbindlichen Regeln kommen. Ihnen allen in allen Fraktionen möchte ich dabei für Ihren couragierten Einsatz und auch für Ihre Kritik danken. Wir im Auswärtigen Amt würden unsere Arbeit für mehr Frieden und Abrüstung gerne fortsetzen. Dafür sind noch ein paar Bedingungen zu erfüllen. Helfen Sie uns dabei. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Ingo Gädechens für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wahlkampf ist eingeläutet. Also müssen die Linken und die Grünen in der letzten Sitzungswoche noch ein paar Anträge einbringen, die sicherlich nicht helfen werden, die uns ein wenig Zeit rauben und die erkennbar das Ziel verfolgen, die eigene Wählerklientel zu befriedigen. (Beifall bei der CDU/CSU) Nach dem Motto „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt“ haben Ihre Anträge, insbesondere der Antrag „Abrüstung jetzt und hier beginnen“, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Jawohl!) herzlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Ihr nahezu verblendeter Aktionismus versucht, den Menschen in der Republik Sand in die Augen zu streuen, und lässt jeglichen Bezug zur Wirklichkeit vermissen. Meine Damen und Herren, der Antrag ist ein linksideologisches Thesenpapier vom Feinsten. (Lachen bei der LINKEN) Wenn Sie darin schreiben, dass Deutschland seinen Machtoptionen auch militärisch Weltgeltung verschaffen wolle, dann ist das mit Verlaub ziemlicher Unsinn. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich frage mich, welchen ideologischen Unterbau Sie haben, um diesen Blödsinn selbst zu glauben. Deutschland muss als eine der größten und einflussreichsten Volkswirtschaften Verantwortung übernehmen. Dazu zwingt uns die aktuelle Sicherheitslage in der Welt. Sie von den Linken verkennen, dass die Bundesrepublik Deutschland niemals Alleingänge unternimmt, sondern gerade beim Einsatz militärischer Mittel immer im Bündnis multilateral handelt. Ihre konstruierten Vorwürfe sind deshalb inhalts- und haltlos. Meine Damen und Herren, wir rüsten nicht auf. Wir schließen Lücken bei der notwendigen Ausrüstung der Bundeswehr zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten. Auch hier läuft Ihr Antrag an der Realität vorbei. Wer wie Sie von Aufrüstung spricht, hat – ganz ehrlich – keinen blassen Schimmer von einer intelligenten, vernetzten Außen- und Sicherheitspolitik. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Deshalb 2 Prozent für Aufrüstung!) Auch wenn Sie schreiben, dass Deutschland Teil einer Eskalationsspirale sei, muss man ehrlich am Verstand derer zweifeln, die diesen Antrag verfasst haben. (Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]) Sie gehen mit keinem Wort – ich wiederhole: mit keinem Wort – auf die größte sicherheitspolitische Herausforderung Europas seit dem Ende des Kalten Krieges ein. Sie blenden die russische Annexion der Krim und das völkerrechtswidrige Verhalten einfach aus. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Nein, das haben wir mehrfach benannt!) Stattdessen kehren Sie die Vorzeichen um und werfen Deutschland vor, an vielen Kriegen direkt oder indirekt beteiligt zu sein. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ja, selbstverständlich!) Ihre Anträge überschreiten gleich mehrfach die Schmerzgrenze rational denkender Außen- und Sicherheitspolitiker. Auch ihre Einlassungen zu Rüstungsexporten und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands sind höchst undifferenziert. (Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, die Linke zerlegt sich selbst, wenn sie Fakten auslässt oder weglässt. Ich weiß, das können Sie gut. Nur Glaubwürdigkeit sieht wahrlich anders aus. (Beifall bei der CDU/CSU) In Ihrem Antrag steht: keine Orientierung am 2-Prozent-Ziel der NATO. Am Rande bemerkt: 2004 von Rot-Grün als Zielmarke beschlossen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Leider! – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Da haben Sie recht!) Deshalb wunderte ich mich eben über die Einlassung von Frau Brugger. Auch diesem Antrag fehlt jede inhaltliche Begründung. Zu den gemeinsamen Anträgen der Fraktion Die Linke und der Grünen bezüglich der nuklearen Teilhabe und über Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag ist Folgendes zu sagen: Natürlich würden wir alle lieber in einer Welt ohne Atomwaffen leben. Wer will das nicht? Vor knapp sieben Jahren hatten wir uns auch bereits in einem gemeinsamen Antrag von Union, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf eine entsprechende Forderung geeinigt. Aber wenn wir das so wollen, muss es nun einmal im Bündnis abgestimmt sein und kann nur schrittweise erfolgen. Darüber hinaus muss das alles im Rahmen einer Überarbeitung des strategischen Konzeptes der NATO und unter Einbeziehung aller Atomwaffenpotenziale – auch der russischen – geschehen. Eine koordinierte Abrüstung – egal ob nuklear oder konventionell – kann ausschließlich im Rahmen des KSE-Vertrages erfolgen. Seit 2015 hat Putin de facto diesen Vertrag gekündigt. Erklären Sie mir doch bitte einmal: Wie können wir unter diesen sicherheitspolitischen Veränderungen zu einer koordinierten Abrüstung kommen? Meine Damen und Herren, den Anträgen fehlen schlüssige Argumente und darüber hinaus eine sicherheitspolitische Grundlage. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass die Welt sich verändert hat und sich somit auch unsere Außen- und Sicherheitspolitik den heutigen Gegebenheiten anpassen muss. Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Gädechens, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Ingo Gädechens (CDU/CSU): Ich denke, der Kollege Neu wird hinterher eine Kurzintervention machen. Ich führe weiter aus. Der Antrag der Linken und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen verbieten“ ist nun wahrlich auch nicht neu. (Inge Höger [DIE LINKE]: Nein, das hatten wir in der letzten Legislatur schon!) Wir sind uns doch einig, dass Antipersonenminen und Streumunition zu den barbarischsten konventionellen Waffen gehören. Die Bundesregierung hat sich deshalb bereits klar zu einer weltweiten Ächtung von Streumunition bekannt. In diesem Sinne hat die Bundesrepublik Deutschland vom ersten Tag an aktiv am Oslo-Prozess teilgenommen. Der Staatsminister führte auch aus, dass wir dort den Vorsitz haben. Das erzielte Übereinkommen verbietet Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Lagerung, Zurückbehaltung und Weitergabe von Streumunition sowie jegliche Unterstützung anderer Staaten, die verbotene Tätigkeiten ausüben. Auch meine Fraktion möchte selbstverständlich die weitere Verbreitung von Streumunition unterbinden. Wir setzen auf die Prinzipien der Ächtung, der Selbstverpflichtung und der Transparenz. Der von Ihnen eingebrachte Antrag würde – nach Ihrer Diktion – ein bürokratisches Monstrum schaffen, das unwirksam bliebe und uns nicht dem Ziel einer gerechteren Welt und schon gar nicht dem Ziel einer friedlicheren Welt näher brächte. Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen; aber wir werden diese – ich nenne sie mal so – Showanträge der letzten Sitzungswoche ablehnen. Aber, wie gesagt, das wird Sie nicht überraschen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein!) Lieber Wolfgang Gehrcke, persönlich wünsche ich Ihnen alles Gute, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Danke!) friedenspolitisch demnächst mehr Sachverstand. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Haben wir doch! – Weitere Zurufe von der LINKEN: Oh!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Neu das Wort zu einer Kurzintervention. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Geschätzter Kollege Gädechens, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie uns als Einzige in der Opposition wirklich ernst nehmen; denn Ihre Rede hat sich sehr stark auf uns als Linke fokussiert. Insofern vielen Dank. Ich möchte eine Wissenslücke bei Ihnen schließen. Der AKSE-Vertrag, den Sie gerade angesprochen haben, ist nicht von den NATO-Staaten ratifiziert worden, wohl aber von der Russischen Föderation, Weißrussland und Kasachstan. Nachdem sich die NATO-Staaten nach vielen, vielen Jahren weiterhin geweigert haben, den AKSE-Vertrag zu ratifizieren, hat Russland diesen Vertrag auf Eis gelegt. – Das ist die ganze Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Lieber Herr Kollege Neu, wenn Sie in die Verwirbelungen der Vertragsgestaltung – wer wann interveniert hat – einsteigen, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wegen Sachverstand!) dann kann ich nur wiederholen, dass sich Putin seit 2015 aus einem Abrüstungskonzept verabschiedet hat. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie waren nicht dabei!) Das macht es der NATO, das macht es allen Verhandlungspartnern eben so schwer, überhaupt Schritte einzuleiten. Wenn sich ein Land wie Russland völkerrechtswidrig verhält, wenn es durch ein Manöver auf russischer Seite ein Säbelrasseln gibt und wir darauf reagieren, dann ist das eine Reaktion der friedlichen Welt, (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oh ja! Irakintervention der USA! Sehr friedlich!) eines friedlichen Bündnisses mit gleichen Werten und Wertvorstellungen. Sie müssen einfach akzeptieren, dass wir diese Werte im Bündnis, in der NATO, verteidigen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So viel zum Thema Sachverstand!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Jetzt hat Inge Höger für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die weltweiten Ausgaben für Rüstung, Militär und Kriege anschaue, wenn ich mir das 2Prozent-Ziel der NATO anschaue, wenn ich mir die Steigerung der Ausgaben der Bundesregierung für das Militär anschaue, dann kann ich nicht erkennen, Herr Staatsminister Roth, dass Sie die Lehren aus Faschismus und Weltkriegen gezogen haben; Sie haben sie vergessen. (Beifall bei der LINKEN) Die Kriege in Syrien und in der Ukraine, die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, die NATO-Manöver und die NATO-Hochrüstungspläne sind Teil einer gefährlichen Eskalationsspirale. Die Atomkriegsuhr in Genf symbolisiert die Gefahr eines Atomkriegs, und sie steht inzwischen auf zweieinhalb Minuten vor zwölf. Seit den 50er-Jahren wurde die Gefahr von den beteiligten Nobelpreisträgern noch nie als so hoch eingeschätzt. Sie fordern deswegen: Kluge Politiker sollten sofort handeln und die Menschheit vom Abgrund wegführen. Wenn sie es nicht tun, müssen weise Bürgerinnen und Bürger vorangehen und den Weg weisen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!) Genau diesem Rat sind die Regierungen von etwa zwei Dritteln aller Länder weltweit gefolgt. Sie werden unterstützt von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Friedenskräften. Ihnen gebührt unser Dank. (Beifall bei der LINKEN) In New York finden zurzeit historische Verhandlungen statt. Erstmals liegt ein Vertragsentwurf zur Ächtung von Atomwaffen vor. Der Nichtverbreitungspakt hat sich von einem anfänglich äußerst positiven Vertrag zu einer Bestandsgarantie für die Atomwaffenstaaten entwickelt. Statt Abrüstung steht heute die Modernisierung der Atomwaffen auf der Tagesordnung. Auch in Büchel sollen neue Atombomben eingelagert werden. Die Atombomben müssen aber endlich aus Deutschland abgezogen und vernichtet werden. (Beifall bei der LINKEN) Alle, die Atomwaffen besitzen, sie lagern und ihren Einsatz üben, beteiligen sich an der Vorbereitung oder zumindest an der Androhung eines Massenmordes. Das ist völkerrechtswidrig. (Beifall bei der LINKEN) Bei den entsprechenden Verhandlungen in New York ist ein Stuhl leer. Auf diesem Stuhl sollte ein Vertreter der deutschen Regierung sitzen. Die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland wünscht sich, dass ihre Regierung an den Verhandlungen teilnimmt. Lediglich 12 Prozent unterstützen die Verweigerungshaltung. Übrigens sind sowohl Unions- als auch SPD-Wähler mit über 80 Prozent dabei. Nur unter den AfD-Wählerinnen und -Wählern gibt es eine stärkere Gruppe, die nicht für Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot ist. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wen wundert es?) Da stellt sich die Frage: Wem will das Außenministerium in diesen Verhandlungen folgen? Den Abgeordneten von SPD und CDU/CSU möchte ich an dieser Stelle empfehlen, es ihren Kollegen und Kolleginnen aus dem Europaparlament gleichzutun. Unterstützen Sie unseren Antrag, und stimmen Sie für eine deutsche Beteiligung an den Verhandlungen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Folgen Sie Ihrem Gewissen! Bei der Frage der Ehe für alle gelingt es ja auch, Fraktionsgrenzen zu überwinden. Warum sollte das bei einer Frage, die das Überleben des gesamten Planeten betrifft, nicht gehen? Auch wenn die letzte Verhandlungsrunde bereits läuft: Es ist noch nicht zu spät, beim Abschluss am 7. Juli mit dabei zu sein – für ein Verbot von Atomwaffen. (Beifall bei der LINKEN) Ich werde mich in Zukunft – nicht mehr in diesem Parlament, sondern außerparlamentarisch – weiterhin für ein Verbot von Atomwaffen, für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für eine friedliche und bessere Welt einsetzen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass in diesem Parlament Rüstungslobbyisten und Industrielobbyisten so viel zu sagen haben. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Ute Finckh-Krämer hat für die SPD-Fraktion als nächste Rednerin das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen! Wir reden heute nicht nur über die fünf Anträge der Oppositionsfraktionen, sondern wir reden auch – und das freut mich sehr – über die drei Jahresabrüstungsberichte 2014, 2015 und 2016, die wir bisher nur im Unterausschuss „Abrüstung“ diskutiert hatten. In diesen drei Jahresabrüstungsberichten steht durchaus, was alles in den letzten drei Jahren für Abrüstung und Rüstungskontrolle getan wurde. Da die Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss zum Teil hier sind, möchte ich darauf hinweisen, dass wir in Deutschland eine ganz spezielle Einrichtung haben, nämlich das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr. Es stellt trotz international wachsender Spannungen unbeirrt und fachlich hochkompetent die Umsetzung der vertrauensbildenden Maßnahmen und der Verträge wie des Vertrags über den Offenen Himmel oder des Wiener Dokuments sicher. Wir können froh und dankbar sein, dass wir ein solches Zentrum haben. Ich weiß nicht, wie lange wir es schon haben; ich glaube, seit ungefähr 25 Jahren. Das ist eines der Themen, die weiterhin gut abgedeckt sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben in diesen knapp vier Jahren auch einen Vertrag, der heute noch nicht diskutiert wurde, in Kraft setzen können, nämlich den Arms Trade Treaty, also den Vertrag über die Kontrolle von Importen und Exporten konventioneller Waffensysteme. Auch er sorgt für Transparenz, und man erhält Kontrollmöglichkeiten, die man bisher nicht hatte. Die Bundesregierung hat diesen Vertrag sehr unterstützt. Auch darüber können und sollten wir uns am Ende dieser Legislaturperiode freuen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Robert Hochbaum [CDU/CSU]) Es gibt altgediente Abrüstungsverträge, auf die wir nicht verzichten können und wollen. Ich möchte in diesem Zusammenhang den INF ansprechen, den Vertrag über die Vernichtung landgestützter Mittelstreckenraketen in Europa, für den etliche von uns, die wir hier sitzen, demonstriert haben. Er wurde 1987 nach der Installation der Pershing II und der Cruise Missiles geschlossen, was 1990 dazu geführt hatte, dass die Waffensysteme, durch die sich das Risiko eines versehentlich begonnenen Atomkriegs drastisch erhöht hatte, wieder aus Deutschland abgezogen werden konnten. Dieser Vertrag ist derzeit in Gefahr. Ich bin froh, dass das Auswärtige Amt alles unternimmt und seine diplomatischen Kanäle nutzt, um den Fortbestand dieses wichtigen Abrüstungsvertrags zu sichern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt einen weiteren Vertrag, für den sich Deutschland ganz klar in den letzten Jahren engagiert hat: das nukleare Teststoppabkommen. Der Vertrag ist ein einmaliger Fall; denn er ist noch nicht in Kraft getreten, er zeigt aber trotzdem schon Wirkung, weil die Überprüfungsorganisation, die CTBTO, bereits arbeitet, was zum Beispiel dazu führt, dass wir genau wissen, ob Nordkorea Atomwaffentests durchführt oder nicht. Die Unterstützung der Bundesregierung auch für diesen Vertrag ist eindeutig. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode hier im Bundestag mit ihm beschäftigt. Wir spielen aber auch international eine wichtige Rolle. (Beifall bei der SPD) Ich wünsche den drei Kolleginnen und Kollegen, die in dieser wichtigen Debatte über Abrüstung ihre letzte Rede hier im Bundestag gehalten haben, alles Gute. Ansonsten freue ich mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Ich gehöre zu denen, die darauf hoffen können, dem nächsten Bundestag wieder anzugehören. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode auf dem aufbauen können, was wir in dieser Legislaturperiode abrüstungs- und rüstungskontrollpolitisch geleistet haben, und das trotz eines schwierigen internationalen Umfelds. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Frau Kollegin Finckh-Krämer. – Für die Unionsfraktion spricht jetzt der Kollege Professor Dr. Egon Jüttner. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte heute meine letzte Rede vor dem Deutschen Bundestag; denn ich werde nicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren. Ich möchte mich deshalb von dieser Stelle aus bei allen derzeitigen und ehemaligen Abgeordneten für die gute Zusammenarbeit und für ihre Kollegialität und bei meinen Mitarbeitern für deren Unterstützung bedanken. Einen besonders herzlichen Dank übermittle ich allen Bürgerinnen und Bürgern meiner Stadt, die mich seit 1990 – ich bin damals zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden – bei meiner politischen Arbeit in Mannheim, Bonn und Berlin unterstützt haben. Es ist mir ein großes Anliegen, die Mannheimerinnen und Mannheimer von hier aus wissen zu lassen, dass ich mich auch künftig im Mannheimer Stadtrat, dem ich seit 1984 mit Unterbrechungen angehöre, für ihre Interessen und Anliegen einsetzen werde. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegen mehrere Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Abstimmung vor, in denen Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt gefordert werden. Diese Ziele sind ehrbar und richtig (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!) – im Prinzip unterstützt sie jeder vernünftige Mensch –, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann nur zu!) doch leider entsprechen sie nicht der sicherheitspolitischen Realität: (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ah!) Beinahe täglich erreichen uns Nachrichten von der koreanischen Halbinsel, die uns mit Sorge erfüllen, beinahe täglich müssen wir erfahren, dass Russland den Luftraum seiner Nachbarländer verletzt, die Situation in der Ostukraine kann man wohl kaum als zufriedenstellend bezeichnen, und die Okkupation der Krimhalbinsel kann von demokratischen Staaten nicht hingenommen werden. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sagen Sie etwas zu den Ursachen!) In Syrien setzt ein Diktator Chemiewaffen ein. Und eine Reihe von Staaten in Afrika haben große Probleme, islamistischen Terrorgruppen Einhalt zu bieten. Trotz dieses sicherheitspolitischen Szenarios wird in einem Antrag der Opposition die Forderung erhoben – ich zitiere –, „... jegliche Exporte von deutschen Rüstungsgütern, inklusive Kleinwaffen, in die Länder außerhalb Europas sofort zu verbieten“. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich frage mich ernsthaft: Sollen wir also nicht mehr die Armee in Mali mit Gerät unterstützen, um den Vormarsch islamistischer Kräfte zu stoppen? Sollen wir also nicht mehr die Peschmerga unterstützen, die Todesschwadronen des IS im Norden des Irak aufzuhalten? Sollen wir also nicht mehr Südkorea unterstützen, wehrhaft gegenüber dem Nachbarn im Norden zu sein? Sollen wir Israel hilflos den Aggressionen der Hamas aussetzen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag sprechen Sie sich auch für ein völkerrechtlich verbindliches Verbot von bewaffneten Drohnen aus. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass führende Köpfe des IS und anderer Terroreinheiten nicht mehr ausgeschaltet werden können, ohne dass es zu Verlusten bei der Zivilbevölkerung kommt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wie wäre es mit rechtsstaatlichen Mitteln?) Bei all diesen Forderungen drängt sich die Frage auf, welche Mittel und Maßnahmen denn überhaupt angewandt werden sollten, um Frieden, Sicherheit und Stabilität zu erreichen. Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass Sie Rüstungsbegrenzung und internationale Verträge als Mittel betrachten, Angriffskriege unmöglich zu machen. Das würde ich mir natürlich auch wünschen. (Zuruf von der LINKEN: Dann tun Sie es doch!) Die Erfahrungen zeigen aber, dass Verträge mit Despoten, die unter Eroberungsabsichten handeln, weder das Papier noch die Tinte wert sind. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Also mit der Türkei, ja?) Und wie man internationale Verträge mit Terrorgruppen wie dem IS schließen soll, ist mir ein Rätsel. Im Antrag der Fraktion Die Linke, Drucksache 18/12799, wird die Forderung erhoben, „die Stationierung von Bundeswehreinheiten an den Westgrenzen Russlands sofort zu beenden“. Eine weitere Forderung ist, dass sich Deutschland nicht weiter an militärischen Manövern an den Grenzen Russlands beteiligt. (Beifall bei der LINKEN) Schließlich wird beantragt, dass Deutschland seine weitere Mitarbeit am Raketenschirm in Osteuropa einstellt und sich für ein atomwaffenfreies Mitteleuropa einsetzt, um Vertrauen zu Russland zu bilden. Wenn man diesen Antrag liest, könnte man meinen, Russland sei eine atomwaffenfreie Zone. Glaubhafter wäre die Forderung an Russland, sich als Atommacht militärisch zurückzuhalten und nicht permanent den Luftraum anderer Staaten zu verletzen. (Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Gerade dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Deeskalation und Entspannung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann auch kein Wort der Kritik am russischen Eroberungsfeldzug finden, der in Südossetien und Abchasien begann, sich über die Krim erstreckte und gerade jetzt in der Ostukraine Station macht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, ich bin kein Verfechter von Atomwaffen. Ich bin dagegen, dass Deutschland Atomwaffen anschafft. Deutschland hat das Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen und das Übereinkommen über das Verbot von Streumunition ratifiziert. Wir rüsten nicht auf, sondern passen unsere Streitkräfte lediglich der veränderten sicherheitspolitischen Lage an. Es müssen Jahrzehnte zurückreichende Versäumnisse bei der Beschaffung von militärischem Material und Gerät ausgeglichen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich würde mir wünschen, die Zeichen stünden auf Abrüstung. Leider ist das aber nicht die Realität. Hätten Sie mir im Wendejahr 1990, in dem ich zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, gesagt, dass ich mich 27 Jahre später mit Fragen der Abrüstung beschäftige, wie Sie sie formulieren, ich hätte es Ihnen nicht geglaubt. Heute ist die sicherheitspolitische Lage eine gänzlich andere als damals, und sie ist anders als die, die in den vorliegenden Anträgen zum Ausdruck kommt. Wir können deshalb diesen Anträgen nicht zustimmen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Jüttner, das war Ihre letzte Rede in diesem Hohen Hause. Im Kürschner sind Sie mit sechs Sternchen abgebildet. Das steht für sechs Legislaturperioden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört haben; das ist eine lange Zeit. Ich möchte Ihnen dafür und für Ihren Einsatz für Deutschland herzlich danken. (Beifall) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich – bei allen politischen Unterschieden, die wir so hatten – zuerst herzlichen Dank sagen für die gute Zusammenarbeit und das kollegiale Miteinander. Das betrifft dich, lieber Robert, sehr geehrter lieber Kollege Hochbaum, Sie, Kollege Gehrcke, Professor Jüttner und Frau Höger. Aber nicht das Danke-schön-Sagen für die zu Ende gehende Legislaturperiode führt uns heute in diesem Hohen Hause zusammen, sondern die Anträge, welche die Grünen und die Linken gestellt haben. Deshalb möchte ich am Ende dieser Legislaturperiode ein bisschen über den Begriff zu Ihnen sprechen, der diese Legislatur immer wieder ganz deutlich beeinflusst hat, nämlich „mehr Verantwortung“. Dieser Begriff, der inzwischen Teil unserer Diskussion geworden ist, hat – zumindest seit dem Frühjahr 2014 – diese Legislaturperiode wie ein roter Faden durchzogen. Dabei ging es um die Ukraine-Krise, den Konflikt in Syrien, die Wahl von Donald Trump, die Entscheidung für den Brexit in Großbritannien und die Wahl von Emmanuel Macron in Frankreich. Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist Verantwortung? Für den einen bedeutet Verantwortung mehr Auslandseinsätze, für den anderen Mehrausgaben für das Militär, für einen Dritten wiederum ein Sich-Zurückziehen auf sich selbst, das Vertreten nationaler Interessen und eine Abschottung gegenüber internationalen Bündnissen. Verantwortung in der Welt zu übernehmen, das hat Deutschland bereits getan. Deutschland macht das. Natürlich muss diese Verantwortlichkeit nun weiterentwickelt werden. Deutschland muss Verantwortung übernehmen, wenn alte Bündnisse nicht mehr so ganz sicher sind oder erscheinen, wie es einst der Fall war, aber auch dann, wenn sich internationale Beziehungen weiterentwickeln, wenn wir als Europa mehr denn je auf gemeinsames Handeln angewiesen sind. Mehr denn je aber muss internationale Verantwortung ohne Wenn und Aber mit der Forderung nach mehr Abrüstung verbunden werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regierungskoalition hat ja gezeigt, dass das geht. Bald steht wieder ein Flugzeug zur Verfügung, mit dem wir – der Kollege Hochbaum hat es gesagt – unseren Verpflichtungen im Rahmen des Open-Skies-Vertrages nachkommen können. Es ist wichtig wie nie, diesen vertrauensstiftenden Vertrag zwischen der Russischen Föderation und uns mit Leben zu erfüllen. Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Zeit als Außenminister – ihm folgte Sigmar Gabriel, der heute durch Staatsminister Michael Roth vertreten wird – im vergangenen August eine neue Debatte über Abrüstung in Europa gerade im Hinblick auf Russland in Gang gebracht. Und mit den Schlusserklärungen zur OSZE-Präsidentschaft wurde ein solides Fundament für Abrüstung in Europa geschaffen. Doch es wäre viel mehr möglich und nötig. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich muss jetzt ein bisschen zu Ihnen hinüberschauen: Ein paar Themen könnten von Ihnen noch intensiver behandelt werden. Dabei geht es erstens beispielsweise um das Thema der Ächtung extralegaler Tötungen. Diese perverse Praxis der Entgrenzung von Kriegen sollte verurteilt werden. Wir hätten sie in diesem Parlament – so, wie es im Koalitionsvertrag steht – ganz offiziell ächten können. Jedoch ist ein von uns Abrüstungspolitikern in der SPD ausgearbeitetes Papier in den Büros bzw. E-Mail-Postfächern der Union verschwunden. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ihr seid im Spam-Ordner!) Zweitens. Auch bei allen Versuchen, Regeln für die Rüstung im Weltall zu schaffen, geht nichts voran. Man ist da behäbig. Und Sie versuchen, allen Entscheidungen hierzu aus dem Wege zu gehen. Schade! Denn wir sind uns im Grunde doch darüber einig, dass mehr Sicherheit nur zu erreichen ist, wenn wir gerade die neuen Methoden der Kriegsführung rechtzeitig politisch begleiten, sie rechtzeitig in enge Bahnen lenken und rechtzeitig dafür Sorge tragen, dass mit ihnen Völkerrecht eingehalten und dieses nicht umgangen wird. Ich bin mir sicher, meine Kolleginnen und Kollegen: Internationale Verantwortung ist für ein Land wie unseres nicht zuletzt aufgrund seiner geschichtlichen Erfahrung ein essenzieller Auftrag. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Kollege Brunner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Buchholz? Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Gerne. Christine Buchholz (DIE LINKE): Vielen Dank. – Kollege Brunner, ich teile absolut Ihre Auffassung zur Ächtung von extralegalen Tötungen, und ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Große Koalition gestern mit einem ihrer wichtigsten Projekte im Verteidigungsausschuss – dort wollte sie die Beschaffung der Heron-TP-Kampfdrohne beschließen – gescheitert ist. Dieser Punkt wurde ja abgesetzt. Daneben weiß ich, dass die SPD dort, anders als bisher in dieser Legislaturperiode, kritischere Fragen zum Thema Kampfdrohnen gestellt hat. Meine Frage an Sie ist jetzt: Warum haben Sie gestern nicht die Chance genutzt, gemeinsam mit den Grünen und uns diese Vorlage und damit auch die Heron-TP-Kampfdrohne zu Fall zu bringen? Wir hätten im Ausschuss eine Mehrheit dafür gehabt. Sind Sie bereit, in der nächsten Legislaturperiode mit uns den Haushaltstitel für eine Kampfdrohne – es geht zum einen um die Übergangslösung Heron TP und zum anderen um die europäische Kampfdrohne – aus dem Haushalt zu entfernen? Ich glaube nämlich, wenn wir tatsächlich zur Ächtung von Kampfdrohnen kommen wollen, dann wäre es das Wichtigste, dass auch Deutschland keinen Schritt weiter in diese Richtung geht. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Verehrte Kollegin Buchholz, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir, solange wir mit unserem Koalitionspartner einen Koalitionsvertrag haben und gut verhandeln können und in guten Gesprächen sind, mit Ihnen gemeinsam einen Antrag zu Fall bringen werden. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Bei der Ehe für alle geht es doch auch!) Und über die Zukunft möchte ich an dieser Stelle heute nicht spekulieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zur Sicherheitslage in vielen Teilen dieser Welt zurückkommen, welche kritisch ist. Neben den Konflikten, die uns schon seit einigen Jahren beschäftigen, erleben wir weitere militärische Gewalt und werden uns sonstige Gefahren aufgezeigt. Wir wissen, dass uns diese Konflikte immer wieder mit Fragen konfrontieren wie die, wo welche Waffen zur Verfügung stehen und wann und wie diese eingesetzt und verwendet werden können. Es muss immer unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass das uns zur Verfügung stehende Arsenal so weit wie möglich eingeschränkt wird und dass dessen Nutzung, wenn sie nicht zu verhindern ist, klar geregelt und beschränkt ist. Das ist unsere Verantwortung für Deutschland und in der Welt; das ist die Verantwortung, die ich will. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will die Ächtung extralegaler Tötungen. Ich will die Einbindung Deutschlands in die Verhandlungen zu einem Atomwaffenbann. Ich will eine neue europäische Abrüstungsinitiative. Ich will dies aber – und da bin ich mir sicher – in Gesprächen, in Verhandlungen und in einem fairen Umgang miteinander erreichen; denn die Welt wartet nicht auf uns. Dies müssen wir schon selbst in die Hand nehmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege Peter Beyer für die CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Beyer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es vorweg einmal zu sagen: Ich persönlich kenne niemanden, der sich mit Leib und Seele für eine Aufrüstung ausspricht. Die Aufgabe eines jeden verantwortungsvoll handelnden und denkenden Politikers – ich denke, wir alle hier in diesem Raum sind das – ist es doch, internationale Krisen friedlich beizulegen, sich zumindest darum zu bemühen und sich dafür einzusetzen. Allein ich muss nun eingestehen, dass wir in dieser Sache auch schon einmal einen Schritt weiter waren. Einst überwunden geglaubte Bedrohungsszenarien erscheinen plötzlich doch wieder real. In Russland wird offen und unverblümt von höchster Stelle aus von einem Großreich wie aus vermeintlich besseren Zeiten schwadroniert. Leider bleibt es dort nicht alleine bei den Worten. Sonst ist es ja immer gut, wenn den Worten auch Taten folgen, in diesem Fall aber nicht. Ich erwähne nur die bereits in die Debatte eingebrachte völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine durch Russland. Kollege Professor Jüttner hat noch Südossetien und andere Bereiche angeführt. Das alles ist sicherlich nicht im Sinne einer Abrüstungsstrategie zu verstehen. Darüber hinaus ist auch – das gehört auch in diesen Bereich – die Einmischung in Wahlkämpfe in westlichen Staaten wie in den USA und in Frankreich zu nennen; und auch bei uns gibt es ganz klare Indizien dafür, dass dies hier geschehen ist und weiter geschehen wird. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das tun wir ja niemals! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist Propaganda, was Sie da betreiben!) Meine Damen und Herren, die Aufrüstung in Russland – das ist Fakt – wird sehr massiv vollzogen. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Oder in der Türkei!) Das Raketenarsenal wird modernisiert. Hier werden ungeheure Summen in den militärischen Sektor investiert. Die Kollegen von der linken Seite des Parlaments rufen jetzt wieder nervös dazwischen. Sie wollen uns immer gerne glauben machen, dass alles Übel der Welt von der anderen Seite des Atlantiks, von unseren Freunden in den USA, ausgeht. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Leider ja! So ist es!) Das zeugt eher von einem mich persönlich erschreckenden und zutiefst verwurzelten Antiamerikanismus auf der linken Seite des Parlaments. (Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Viel Spaß mit Trump! – Weitere Zurufe von der LINKEN) Fragen Sie doch einmal die Menschen in der Ukraine, fragen Sie die Menschen in den baltischen Staaten, woher die Bedrohung kommt. Die Kollegin Elisabeth Motschmann, die unsere Berichterstatterin für diese Region ist und sich dort bestens auskennt, redet viel mit den Menschen dort. Ich empfehle Ihnen: Tun auch Sie das einmal. Dann werden Sie wissen, woher die Bedrohung kommt. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, wir Deutsche kannten das Gefühl der Bedrohung jahrzehntelang sehr gut, als wir selbst uns am östlichsten Rand der demokratischen Welt befanden. Uns jetzt in Sicherheit zu wiegen, weil wir uns nach 70 Jahren europäischen Friedens in der Mitte Europas befinden, wäre trügerisch, kurzsichtig und letztlich falsch. Die NATO ist für viele unserer östlichen Nachbarn der wichtigste Garant der eigenen staatlichen Souveränität. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des „Berichts der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale“, kurz: des Abrüstungsberichts. – Ich höre hier schon ein Gähnen, wahrscheinlich hat Sie die Lektüre ermüdet. Aber es ist eine spannende Lektüre, lesen Sie sie noch einmal durch. In dem Bericht wird sehr detailliert mit den Herausforderungen auf dem Weg hin zu einer friedlicheren Welt umgegangen. Darin finden wir ausführliche Berichte über die nukleare Abrüstung, das Verbot chemischer Waffen und die Kleinwaffenkontrolle. Auch ein Kapitel zu den Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit – das spielt eine immer größere Rolle – sowie eine Übersicht über Projekte zur Minen- und Kampfmittelräumung befinden sich in diesem Bericht. Die Ausführlichkeit dieses Berichts zeigt doch: Die Welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es uns manche glauben machen wollen. Wer ernsthaft eine friedlichere Welt möchte, der darf nicht selbst die Augen schließen und denken, dass, wenn man nur selbst die Gefahren und damit die Realität ausblendet und ignoriert, diese im Gegenzug einen selbst in Ruhe lassen. Das funktioniert nicht, meine Damen und Herren. Ich möchte ein Beispiel anführen, welches in diesem Zusammenhang unsere geschätzte Frau Bundeskanzlerin in ihrem Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten der USA Barack Obama auf dem Kirchentag gebracht hat. Es bezieht sich auf das Volk der Jesiden im Irak. Hätten seinerzeit nicht die US-Amerikaner gemeinsam mit den Kurden eingegriffen, und zwar militärisch wie humanitär, wäre ein ganzes Volk von den Schergen des IS vernichtet worden. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nein, das waren doch nicht die USA! – Weitere Zurufe von der LINKEN) Die Sprüche, die ich jetzt hier schon wieder von der linken Seite des Parlaments höre, wie „Alle Soldaten nach Hause schicken!“ oder „Alle Waffen vernichten!“, sind natürlich bloße Plattitüden, die uns eine einfache Welt suggerieren sollen. Denkt man sie indes weiter, so bedeuten sie auch ein Wegsehen und – was viel schlimmer ist – unterlassene Hilfeleistung. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ah ja!) Diese bittere Erkenntnis müssen Sie sich entgegenhalten lassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Nicht nur in weiter Ferne lassen sich beunruhigende Entwicklungen beobachten. Auch die als etabliert gegoltene Friedensstruktur in Europa gerät ein Stück weit zunehmend ins Wanken. Wir müssen ein wachsames Auge auf den westlichen Balkan haben; denn dort ist mit einem Blick auf die Entwicklung nicht ganz auszuschließen, dass wir uns wieder einer Situation nähern, wie wir sie in den 90er-Jahren hatten. Rüstungskontrolle, meine Damen und Herren, hat immer zum Ziel, mehr Stabilität, Berechenbarkeit und Transparenz zu erreichen. Zieht man sich überall zurück, verliert man den Einblick in die verschiedenen Systeme und schließlich den Überblick über die Zusammenhänge. Nun zur nuklearen Abrüstung. Dass es bei den Nuklearwaffen zu keiner neuen Rüstungsspirale kommt, liegt im ureigenen Interesse und ist Anspruch aller Europäer und auch der Menschen in der Welt. Darum wirkt die Bundesregierung darauf hin, die bestehenden Vertragsregime, die in die Debatte schon eingebracht worden sind, zu erneuern und zu vertiefen. Das Ziel, eine kernwaffenfreie Welt zu erreichen, bleibt dabei das oberste Gebot. Die Ehrlichkeit gebietet es aber auch, zu sagen, dass wir dieses Ziel nicht schon morgen erreichen werden. Wir können aber, so wie es die Bundeskanzlerin und die Regierung regelmäßig tun, unsere Verbündeten und Freunde an deren Verantwortung erinnern und gleichzeitig darauf hinwirken, dieses Ziel in der Zukunft zu erreichen. Sorgen bereitet mir die Entwicklung um das Nuklearabkommen mit dem Iran. Es hat bisher erfolgreich dazu beigetragen, dass es zu einer Entspannung im Nahen Osten und im Verhältnis zum Iran gekommen ist. Deutschland ist Teil der Joint Commission, die die Einhaltung dieses Abkommens überwacht. Wir sehen auch hier, dass mitreden immer besser ist, als sich selbst ins Abseits zu stellen. Wie wichtig es ist, dass dieser richtige Weg weitergeführt wird, müssen wir – auch das möchte ich nicht verschweigen – als ehrliche Verbündete und Freunde der USA nun der neuen Administration in Amerika verdeutlichen. Denn eines ist das Abkommen mit dem Iran sicherlich nicht – ich zitiere den amerikanischen Präsidenten –: „die schlechteste Vereinbarung, die je getroffen wurde“. Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle haben einen hohen Stellenwert in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, und das völlig zu Recht. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein!) Gemeinsam mit unseren Verbündeten bleiben wir in all den unterschiedlichen Formaten, die sich der Abrüstung widmen, beteiligt, um auf eine friedlichere Welt hinzuwirken. Manchmal braucht es dazu einen langen Atem, um das Richtige zu erreichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zu den Anträgen auf den Drucksachen 18/12799, 18/12800 und 18/12898. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wünschen jeweils Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD wünschen jeweils Überweisung an den Auswärtigen Ausschuss. Wir stimmen nach ständiger Übung über die Anträge auf Ausschussüberweisung zuerst ab. Wer für die beantragte Überweisung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Letzte Sitzungswoche! – Gegenruf des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das Leben geht weiter! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann gibt es eine Sondersitzung!) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit sind die Überweisungen so beschlossen, mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen. Deshalb stimmen wir heute über die Anträge auf den Drucksachen 18/12799, 18/12800 und 18/12898 nicht in der Sache ab. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 d. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstützen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12419, den Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11609 abzulehnen. Wer für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und vom Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 9 e. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12420, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6808 abzulehnen. Wer für die Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 1 bis 3. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/11968, 18/8065 und 18/4270 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Kein Widerspruch. Dann sind diese Überweisungen hiermit beschlossen. Deshalb kann ich jetzt den Tagesordnungspunkt 10 aufrufen: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA Drucksachen 18/12491, 18/12868 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12869 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen. Ich gehe davon aus, dass alle damit einverstanden sind. – Dann ist das somit beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Rainer Arnold für die SPD das Wort. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, diese heutige Debatte können wir nicht führen, ohne zuallererst an die Menschen zu denken, die, eingepfercht auf fragilen Flüchtlingsbooten, den Weg übers Meer nehmen müssen. Von 37 stirbt einer. Mehr als 1 300 Flüchtlinge, Menschen, darunter auch Kinder, sind in diesem Jahr erbärmlich ertrunken. Auch deshalb müssen wir alle – und wir tun das – den rechten Nationalisten hier in unserem Land und in anderen Ländern entgegentreten, die den Menschen einreden wollen, Mauern und Zäune seien die Lösungen dieser Probleme. In Wirklichkeit befördern diese nicht nur Mauern aus Beton, sondern sie stärken Mauern in den Köpfen und letztendlich auch Mauern in den Herzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, wir alle können stolz sein, in einem Land zu leben, in dem die Mehrheit der Bürger ihrer humanitären, wenn man so will auch ihrer christlichen Verantwortung nachkommt und diese annimmt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Beendet doch Frontex!) Die Mehrheit des Deutschen Bundestags taucht mit der heutigen Verlängerung des Mandates EUNAVFOR MED Operation Sophia auch nicht vor der parlamentarischen Verantwortung ab. Wir wissen: Die Entscheidung ist nicht die Lösung der Tragödie im Mittelmeer oder gar deren Ursachen. Sie ist auch nicht die Lösung der Ursachen der Flucht von Millionen Menschen. Aber EUNAVFOR MED ist eine der notwendigen Komponenten, nicht mehr und nicht weniger. Manchmal ist es zugegebenerweise auch nur ein Heftpflaster auf der klaffenden Wunde der Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten und in vielen Staaten Afrikas. Aber allein die Tatsache, dass die Schiffe in den letzten Monaten von EUNAVFOR MED insgesamt 36 000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben und damit ihrer Verpflichtung zur Seenotrettung nachkommen, ist, finde ich, Grund genug, diesem Mandat zuzustimmen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) zumal das Mandat in ein vielfältiges Krisenengagement eingebettet ist. Die Stärkung der Zivilgesellschaft in Libyen ist sehr wichtig, genauso bessere Regierungsführung – Deutschland hilft hier –, Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Mediation zwischen den Konfliktparteien. Auch die Stärkung des politischen Prozesses, auch wenn es manchmal schier zum Verzweifeln ist, der mit Trippelschritten nach vorne geht und Rückschläge erleidet, gehört dazu. Ich möchte an der Stelle sagen: Was der UN-Sondergesandte, der deutsche Diplomat Martin Kobler, hier leistet, ist eine großartige Arbeit. (Beifall bei der SPD) EUNAVFOR MED hat aber auch die Aufgabe, das Geschäftsmodell der Schleuser zu unterlaufen – das ist ein ganz schwieriger, aber wichtiger Prozess – und das UN-Waffenembargo zumindest an der Küste durchzusetzen. EUNAVFOR MED leistet weiterhin einen Beitrag zur Ausbildung, zum Aufbau und zur Kapazitätsbildung der libyschen Küstenwache. Nun werden da drüben, auf der linken Seite, gleich welche reagieren, weil es viel an der libyschen Politik zu kritisieren gibt, auch an der Küstenwache. Deutschland hat im Libanon sehr erfolgreich Küstenschutz mit organisiert. In Libyen ist es ungleich schwieriger. Man kann viel kritisieren, und man muss dort viel verbessern. Das ist keine Frage. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob uns die libyschen Behörden auch die geeigneten Bewerber zur Ausbildung schicken. Gehen sie tatsächlich nach den Prinzipien der Menschlichkeit, der Menschenrechte und der Verhältnismäßigkeit der Mittel und nach dem Völkerrecht vor? Die Antwort darauf kann doch nicht sein: Nur weil sie schlecht sind, lassen wir sie das alleine machen. Ich empfinde das als zynische Haltung. Gerade weil es schlecht ist, was sie machen, müssen wir helfen. Wir müssen helfen, damit sie besser werden. Wir müssen ihnen Grundkenntnisse im Völkerrecht vermitteln, wir müssen ihnen beibringen, Menschenrechte zu wahren, und wir müssen die Seenotrettung üben. All dies ist der Auftrag von EUNAVFOR MED. Angesichts der Spaltung des Landes, der vielen rivalisierenden Milizen und der vielen Rechtsverletzungen müssen wir uns darauf einstellen – das ist doch ganz klar –, dass die Staatengemeinschaft in diesem Land noch einen sehr langen Atem brauchen wird. Werte Zuhörer, das ist meine letzte Rede nach 19 Jahren. Das waren Jahre, für die ich dankbar sein kann. Deshalb ein paar persönliche Worte: Dank an die Wähler sowie natürlich Dank an meine Partei, in der ich mich immer wohlfühlen werde und die mich getragen hat in all den Jahren. (Beifall bei der SPD) Ich habe Politik – wie wir alle – immer so verstanden: Demokraten – so hat Heribert Prantl mal formuliert – nesteln an den Problemen herum und lösen Knoten. Ich glaube, das tun wir alle in den Ausschüssen mit unendlicher Geduld. Wir alle können miteinander darauf stolz sein, und wir können selbstbewusst sein. Ich empfinde trotzdem keine Wehmut. Ich freue mich sehr auf Neues. Ich freue mich, keine Termine mehr wahrnehmen zu müssen. Ganz klar – damit es niemand falsch versteht – ist mit der heutigen Rede die Arbeit in dieser Legislaturperiode für uns alle und damit auch für mich noch nicht vorbei. Ich erinnere an einen anderen Auftrag der Demokratie. Sie ist eben kein Prozess zur Vermeidung von Streit und Konflikten. Das gilt besonders für den Verantwortungsbereich der Verteidigungspolitik in diesen Tagen und Wochen. Wir, alle Abgeordneten, spüren die besondere Verantwortung für die Bundeswehr, für unsere Parlamentsarmee. Ich möchte den Soldaten sagen: Ich bin dankbar für die vielen Gespräche mit gut ausgebildeten, kritischen, reflektierenden Soldaten. Ich habe besonderen Respekt vor denen, die mir in den Jahren auch widersprochen haben. Wir brauchen ein Grundvertrauen in demokratische Strukturen. Aber auf dieser Basis muss es möglich sein, sich als Staatsbürger in Uniform auch kritisch mit unserer Politik und der Führung der Streitkräfte auseinanderzusetzen. Wir müssen Soldaten, die das tun, loben, statt Soldaten, die Kritik üben, zu schurigeln, oder gar einen Soldaten, der im Eifer des Gefechtes eine ironische Bemerkung macht, vor den Kadi zu ziehen, wie es die Verteidigungsministerin derzeit tut. Ich finde, dies zeugt von mangelnder Souveränität der Ministerin. (Beifall bei der SPD – Wilfried Lorenz [CDU/CSU]: Das ist falsch! Das ist sachlich falsch!) Von diesem Pult aus wird keiner Berufsgruppe so oft gedankt wie den Soldaten der Bundeswehr. Das ist gut und richtig, weil sie einen besonderen Dienst leisten, weil sie unsere Aufträge loyal annehmen und im Zweifelsfall auch unter Einsatz ihres Lebens für die Interessen und die Freiheit unseres Landes kämpfen. Aber dieser Dank wird am Ende zu einer Phrase, wenn die politische Führungsverantwortung im Konkreten den notwendigen Respekt vor der Leistung der Soldaten vermissen lässt. Ich wünsche der Truppe für die Zukunft eine Leitung, die die Prinzipien der Inneren Führung nicht nur bespricht, sondern sie in erster Linie durch vorbildhaftes Verhalten selbst vorlebt. Das ist die Grundregel der Inneren Führung. Wir bräuchten eigentlich nach den vielen angekündigten Trendwenden in diesem Bereich auch mal eine Trendwende Kommunikation. Es geht einfach nicht, dass aus dem engen Umfeld der Ministeriumsspitze an einzelne Journalisten Halbwahrheiten durchgestochen werden oder gar Personalmaßnahmen zu einzelnen Soldaten zunächst einmal an die Presse gegeben werden, bevor die Soldaten davon erfahren. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch jetzt Spekulation!) Ich wünsche den Soldaten und den Zivilbeschäftigten, dass das derzeitige Misstrauen bei der Bundeswehr überwunden wird, sodass wieder eine Kultur des Vertrauens einkehrt. Damit das niemand falsch versteht – ich sage das auch in Richtung der Kollegen, mit denen wir kontrovers diskutiert haben –: Wer bestreitet, dass es in der Bundeswehr derzeit einen tiefen Vertrauensbruch bzw. eine tiefe Vertrauenskrise gibt, zerstört allein durch das Negieren und das Nichtwahrnehmen dieser Krise das weitere Vertrauen und zerstört übrigens auch die Chance, dass es wieder zusammenwächst. (Beifall bei der SPD – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Man kann es auch herbeireden!) Auch wenn das nicht allen gefällt: (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein!) Uns alle im Ausschuss, insbesondere die sozialdemokratischen Verteidigungspolitiker, treibt dieses Thema in diesen Tagen und Wochen um. Deshalb wird der Diskurs auch nicht mit Ende der Sitzungsperiode in den nächsten Wochen enden. Manchmal gibt es Zufälle im Leben. Einschließlich meiner zwei – wie das Präsidium damals meinte: unerträglich langen – Kurzinterventionen ist heute meine hundertste gleichzeitig meine letzte Rede. Ein schöner Zufall! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich melde mich von diesem Rednerpult ab. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für die kollegiale Zusammenarbeit. Ich danke besonders all denjenigen, die als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Parlamentsbetrieb unterstützen, und nicht zuletzt der großartigen Stadt Berlin – sie wird mir wirklich fehlen – sowie meinem tollen Team in Berlin und im Wahlkreis. Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin in all den Jahren als Politiker auch im Verteidigungsausschuss – die meisten haben das bemerkt; manche hat das vielleicht sogar gestört – immer ein notorischer Zivilist geblieben. Zugegeben, über manche Rituale und Formulierungen bei den Streitkräften kann ich schmunzeln. Mit einer der Formulierungen, über die ich schmunzle, beende ich meine Rede: Hiermit beende ich meinen Vortrag! Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Arnold, als Verteidigungspolitiker haben Sie strategisch geplant, die hundertste Rede als letzte Rede hier im Hohen Haus zu halten. Ich möchte Ihnen für 19 Jahre Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag – fünf Legislaturperioden – und auch für das, was Sie im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die für uns alle von herausragender Bedeutung ist, eingebracht haben, herzlich danken. Herzlichen Dank! Nächster Redner ist der Kollege Dr. Alexander Neu für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Die allermeisten sind Binnenflüchtlinge, die in der Region umherirren. Einige Hunderttausend Menschen aus Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten wollen in die EU. Bei den Fluchtversuchen ertranken in den letzten Jahren mehr als 10 000 Menschen, Männer, Frauen, Kinder und teilweise ganze Familien. Wie reagiert die EU darauf? Die EU reagiert mit Flüchtlingsabwehr unter Zuhilfenahme diplomatischer, polizeilicher und militärischer Instrumente. Die Bundeswehrmission EUNAVFOR MED verkörpert diese militärische Flüchtlingsabwehr. Wer über Flucht und Flüchtlinge redet, muss auch über Fluchtursachen reden. (Beifall bei der LINKEN) Dazu gehört im Wesentlichen der von Deutschland vorangetriebene Freihandel. Die Öffnung der jeweiligen nationalen Binnenmärkte zum Beispiel in Afrika hat die Zerstörung der dortigen ohnehin schwachen Landwirtschaft und noch schwächeren Industrie zur Folge. Insbesondere deutsche Produkte überschwemmen dort die Märkte und zerstören die ansässige Wirtschaft. Nicht nur innerhalb der EU, sondern auch weltweit produziert die deutsche Exportwirtschaft Armut und somit Flüchtlinge. (Beifall bei der LINKEN) Eine zweite Ursache ist die militärisch gestützte Regime-Change-Politik wie in Libyen, Syrien, im Irak und in Afghanistan. Nur um prowestliche Regime zu installieren, nimmt man in Kauf, dass Hunderttausende Menschen flüchten oder sterben. Rüstungsexporte in Konflikt- und Krisenregionen, unzureichende Klimapolitik, all das sind Faktoren, die dazu beitragen, dass Hunderttausende Menschen in die EU fliehen möchten. Aber um Fluchtursachen zu bekämpfen, muss man grundlegend umdenken in der Außen-, Außenwirtschafts-, Entwicklungs- und Klimapolitik. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen heute anfangen, damit die Maßnahmen in wenigen Jahren fruchten. Aus diesem Grund, sehr geehrte Grüne, können wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen; denn er vermeidet geradezu die Benennung von Fluchtursachen und reduziert sich auf die humanitäre Symptombekämpfung. Das ist zu wenig, sehr geehrte Grüne. (Beifall bei der LINKEN) EUNAVFOR MED ist faktisch – man schaue sich die Auftragslage an – eine Flüchtlingsabwehr. Hinzu kommt natürlich – das wird immer wieder benannt – die völkerrechtliche Verpflichtung, in Seenot geratenen Menschen Hilfe zu leisten. Ja, EUNAVFOR MED hat Zehntausenden das Leben gerettet. Daran hat auch die Bundeswehr ihren Anteil; daran besteht kein Zweifel. Daher auch mein Dank an die Bundeswehrsoldaten. Aber EUNAVFOR MED ist zuallererst eine Flüchtlingsabwehrmission. Hören Sie auf, den Menschen mit der Theorie Sand in die Augen zu streuen, dass hier in erster Linie Menschen gerettet werden. Das ist nicht der Fall. (Beifall bei der LINKEN) Zur vorhin gelobten Ausbildung der Küstenwache: Dazu gibt es keine guten Nachrichten. Das Projekt einer libyschen Küstenwache ist höchst dubios. Die libysche Küstenwache übernimmt letztendlich den schmutzigen, ja geradezu dreckigen Job der Mission EUNAVFOR MED, nämlich die Menschen auf ihren Booten zurück nach Libyen abzudrängen, zurück in die Lager, in denen der reinste Horror herrscht: Vergewaltigung, Tod, Mord, Versklavung. Die Bundesregierung und die Europäische Union wissen es; aber sie sagen dazu nichts. Die sogenannte libysche Küstenwache attackiert zivile Seenotretter, zuletzt Sea-Watch im Mai. Was macht die Europäische Union? Sie schaut weg, nein, sie finanziert sogar diese kriminelle Struktur einer Küstenwache. Aber nicht genug damit: Politiker in der Europäischen Union und auch in Deutschland versuchen, zivile Seenotretter zu kriminalisieren. Hauptsache, das übergeordnete Ziel wird erreicht, nämlich keine weiteren Flüchtlinge in die EU hineinzulassen. Das ist menschenverachtend und schändlich. (Beifall bei der LINKEN) Neben der von mir genannten Ursachenbekämpfung wollen wir natürlich auch unmittelbare Maßnahmen einfordern. Wir brauchen statt militarisierter Flüchtlingsabwehr legale Fluchtwege nach Europa. (Beifall bei der LINKEN) Statt einer Bundeswehr, die nur bei Seenot hilft, brauchen wir staatlich organisierte zivile Rettungsmissionen. Das sind die Gründe, warum wir natürlich der Verlängerung dieser Mission nicht zustimmen können. Ich möchte abschließend meinen Dank – ich glaube, auch im Namen der Fraktion sprechen zu können – allen zivilen und privaten Rettungsmissionen aussprechen, die das tun, was die Bundesregierung tun müsste, nämlich Menschenleben retten. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Roderich Kiesewetter. (Beifall bei der CDU/CSU) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa muss sich mehr um sich selber kümmern und um seine Nachbarschaft. Die Bundesregierung hat mit starker Unterstützung der Koalition Afrika stärker in die europäische Nachbarschaftspolitik einbezogen: Migrationspartnerschaften, Ausbildungspartnerschaften und gezielte Begleitung der diplomatischen Prozesse im Maghreb sind die Markenzeichen dieser Politik. Europa hat die Chance, durch mehr Zusammenhalt in dieser Frage mehr Kraft, neue Kraft zu entwickeln. Deshalb ist es völlig abstrus, Herr Kollege Neu, wenn Sie davon reden, dass das, was wir mit der Operation Sophia beschließen, eine Flüchtlingsabhaltepolitik ist. Die wenigen deutschen Soldaten und Schiffe, die dort im Einsatz sind, haben in den letzten zwei Jahren 20 000 Menschen aus der Seenot gerettet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Aber das ist nicht die Hauptaufgabe!) Insgesamt sind 40 000 Menschen von der Mission Sophia aus der Seenot geborgen worden. Deswegen geht es hier nicht um Abhaltung, vielmehr geht es darum, dass wir Europäer eine abgestimmte Politik mit Blick auf Libyen, den Maghreb und die Länder in der Sahelzone entwickeln. Warum ist das so notwendig? Wenn wir den Wünschen der Linken und zum Teil auch der Grünen folgen würden, käme Europa in die Position eines Zuschauers. Für die Linken wären die Grenzen offen. Die Grünen haben in ihrem Antrag gute Vorschläge gemacht, was die Migrationspartnerschaften angeht; aber sie schließen den Küstenschutz und die Ertüchtigung der libyschen Küstenwache aus. Die Zusammenarbeit mit Ländern in der Sahelzone und die Stärkung des politischen Prozesses in Libyen sind zwei Seiten einer Medaille. Beides gehört zusammen. Das zu berücksichtigen, ist verantwortungsvolle Politik. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir hier erfolgreich sein wollen, sollten wir auch die Signale, die wir dieser Tage aus Italien vernehmen, sehr sorgfältig wahrnehmen. Es geht nicht darum, dass wir einfach noch mehr Flüchtlinge aufnehmen und Libyen sich selbst überlassen, sondern es geht darum, dass wir mithelfen, dass in den Flüchtlingslagern an der libyschen Nordküste erheblich mehr Menschenrechte durchgesetzt werden und diese Flüchtlingslager unter internationale Aufsicht kommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir in Europa diplomatisch alles daransetzen, dass wir in die nächste Phase von Sophia kommen, nämlich zur Anerkennung der libyschen Zentralregierung und damit auch zum Aufbau von von der EU mitfinanzierten und vor allen Dingen auch überwachten Aufnahmezentren in Libyen. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Es gibt überhaupt keine Zentralregierung!) Warum ist das so erforderlich? (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Damit sie nicht nach Europa kommen!) Die meisten Flüchtlinge, die aus Afrika nach Europa gelangen, kommen über Libyen, weil dieses Land zerfallen ist. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Unseriöse Außenpolitik, die Sie machen!) Gerade mal 3 Prozent haben einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Entscheidend ist, dass wir Libyen stabilisieren, dort Perspektiven schaffen und auch die Länder südlich von Libyen, die angesichts des Klimawandels, des demografischen Wandels, zerfallender staatlicher Systeme und der Terrormilizen vor dem Zerfall stehen, stabilisieren und dort eine Bleibeperspektive schaffen. Uns deshalb aus der Ertüchtigungsinitiative für Libyen herauszuhalten, wie es der Entschließungsantrag der Grünen fordert, greift schlichtweg zu kurz. Es kommt darauf an, dass wir die Chance nutzen, durch permanente gezielte Ausbildung Fähigkeiten auf libyscher Seite zu schaffen, damit dort verlässliche staatliche Strukturen entstehen. Ich möchte vier Interessen ansprechen, die wir in dieser Region haben. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Kiesewetter, der Kollege Neu möchte eine Zwischenfrage stellen. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Ich freue mich auf die Kurzintervention von ihm nach meiner Rede. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist aber schwach!) Ich möchte meinen Gedanken zu Ende führen und die vier Interessen ansprechen. Erstens. Das erste deutsche wie auch europäische Interesse ist, dass Sarraj und Haftar in Libyen zusammenkommen, dass Haftar den politischen Prozess einleitet und nicht Teil einer militärischen Lösung bleibt. Das wird uns nur gelingen, wenn wir auf Katar und auf die Türkei diplomatisch einwirken mit dem Ziel, dass sie ihre Vorbehalte hinsichtlich einer Zusammenarbeit zwischen Haftar und Sarraj aufgeben. Hier ist Diplomatie gefragt. Wir brauchen in der Zusammenarbeit zwischen Sarraj und Haftar eine stärkere staatliche Fähigkeit aufseiten der Zentralgewalt. Das zweite Interesse, das wir dort haben, ist, die regionalen Initiativen zu unterstützen, nämlich die, die von Algerien, Tunesien, Ägypten und Marokko ausgehen. Es war im Jahr 2011 schon einmal so weit, dass mit Blick auf Gaddafi eine diplomatische Lösung aus der Region kurz vor dem Abschluss stand. Damals haben wir einen Fehler gemacht; nicht Deutschland, aber die internationale Staatengemeinschaft. Hier gilt es, mehr in die Fähigkeit der Region zu investieren. Der dritte Punkt ist, dass wir diplomatisch Russland an Bord halten, dass Russland die militärische Unterstützung Haftars aufgibt und Teil des diplomatischen Prozesses wird. Viertens geht es darum – ich habe es angesprochen –, über Libyen hinaus einen diplomatischen Prozess mit den Migrationsländern südlich von Libyen anzustrengen. Dazu gehören auch das Waffeneinsammeln und Militärdiplomatie. Ein letzter Punkt, der mir am Herzen liegt: Wir als Fraktion unterstützen die Mission Sophia. Wir sind von ihrer Erfolgsaussicht überzeugt. Aber es reicht noch nicht; wir müssen in die Phase 3 einsteigen, also auch auf dem libyschen Boden aktiv werden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt das? – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Was heißt „aktiv werden“?) Wir sollten in der nächsten Periode erreichen, dass wir nicht immer nur isoliert Mandate beraten. Wir sollten uns in diesem Hohen Hause auch Gedanken über die generelle Ausrichtung der Außen- und Entwicklungspolitik Deutschlands und Europas machen und die Mandate einordnen. Es sind nun mal unsere Interessen, die wir dort wahrnehmen, und es sind auch unsere Werte, die durch die fürchterlichen Ereignisse im humanitären Bereich dort – in Teilen sind es Skandale – aufs Spiel gesetzt werden. Deswegen wiederhole ich: Europa hat die Chance, durch mehr Zusammenarbeit, durch kohärente Arbeit neue Kraft zu schöpfen, und wir in der CDU/CSU-Fraktion wollen das mit Nachdruck unterstützen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Neu hat jetzt die Gelegenheit zu einer kurzen Kurzintervention. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Herr Kollege Kiesewetter, ich bin in Ihrer Rede an zwei Punkten hängen geblieben. Der erste Punkt. Sie haben gerade so dahergeredet, auf libyschem Boden aktiv zu werden. Was bedeutet das konkret? Können Sie das manifestieren? Es würde uns alle im Hause interessieren, was Sie damit meinen. Der zweite Punkt. Sie haben gerade Italien angesprochen. Es wurde gestern und heute in den Medien berichtet, dass sich Italien bei der Bewältigung der Aufgaben, die durch das Ankommen der Flüchtlinge entstehen, sehr alleine gelassen fühlt. Man hängt ja immer noch am Abkommen von Dublin. Was tut eigentlich die Bundesregierung, wenn Italien Ernst mit seiner Ankündigung macht und keine Boote mit Flüchtlingen mehr in die Häfen lässt? Ich habe also diese beiden Fragen, ohne Umrede: (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Umrede“? Was heißt das?) Was soll auf libyschem Boden geschehen? Was tut die Bundesregierung, wenn Italien Flüchtlinge nicht mehr ins Land lässt? Danke. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Kiesewetter. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Dr. Neu, zunächst einmal: Diese Fragen müssten Sie eigentlich der Bundesregierung stellen. Wir als CDU/CSU-Fraktion halten sehr viel davon, einmal einige Jahre zurückzublicken. Im Jahr 2012 waren es Außenpolitiker der Union und der FDP, die sehr deutlich gemacht haben, dass die Regelungen von Dublin und Schengen alleine nicht mehr greifen, sondern dass wir einen anderen Umgang mit Ländern wie Griechenland oder Italien brauchen. Das ist uns inzwischen gelungen. Ich glaube, wir haben innerhalb Europas inzwischen eine andere Kultur des Umgangs. Uns Deutschen ist sehr bewusst, dass wir Italien nicht alleinlassen können. Deswegen regen wir Außenpolitiker der Union sehr stark an, eine trilaterale Partnerschaft zwischen Frankreich, Italien und der Bundesrepublik zu etablieren, in der man sich genau um diese Fragen das Mittelmeer betreffend kümmert. Auch der Marshallplan mit Afrika von unserem Bundesentwicklungsminister Gerd Müller weist den Weg in die richtige Richtung. Ich halte hier also klar fest: Es reicht nicht aus, einfach nur zu sagen, was nicht geht, sondern wir müssen konstruktiv mit Italien zusammenarbeiten. Es ist doch auch ein Zeichen für uns alle, dass die Mission Sophia dermaßen geschätzt wird und von europäischen Staaten unterstützt wird. Wir tun alles, um humanitäre Bedingungen für die Flüchtlinge zu schaffen. Eine Abhaltepolitik, wie Sie sie unterstellen wollen, findet ja gar nicht statt. Im Gegenteil: Italien bereitet sich gerade auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge vor und bereitet Hunderte von Gebäuden, Hunderte von Liegenschaften vor. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt mit Beamten aus dem Innenministerium, unterstützt mit Polizistinnen und Polizisten. Wir sind vielfach aktiv. Wir haben eine starke deutsche Unterstützungszelle in Rom, die im Bereich Sophia, aber auch Italien insgesamt bei der Migrationsbewältigung unterstützt. Zu Ihrem anderen Punkt, was wir auf libyschem Boden tun müssen. Zum einen gibt es die europäische Grenzsicherungsmission. Diese kann aber erst dann greifen, wenn es eine souveräne Regierung in Libyen gibt. Zum anderen sieht Sophia vor, an der Küste aktiv zu werden, Ausbildungseinrichtungen zu leiten und in den Flüchtlingslagern zu unterstützen. Es ist eindeutig klar – das habe ich angesprochen; offensichtlich haben Sie nicht zugehört oder sind hängen geblieben –, dass Katar und die Türkei diesen Prozess behindern. Unsere Aufgabe muss es sein, auf diplomatischer Ebene Erdogan beim G-20-Gipfel und Katar durch den Besuch unseres Bundesaußenministers zum Einlenken zu bewegen. Ich sehe sehr gute Aussichten, den Zusammenhalt Libyens und den nächsten Schritt der Mission Sophia zu erreichen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die Kollegin Dr. Franziska Brantner spricht als Nächste für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute nicht zum ersten und sicherlich auch nicht zum letzten Mal über das Mittelmeer. Es geht nicht um Sandstrände oder idyllische Sonnenuntergänge, sondern um das Meer, das jährlich für Tausende zum Grab wird. Viele der Verzweifelten können dem Tod entkommen. Ja, auch die Verbände der EUNAVFOR MED haben bis heute mehr als 36 000 Menschen aus den Fluten gerettet. Den Soldatinnen und Soldaten, gerade auch jenen der Bundeswehr, gilt daher unser Dank für das Retten von Menschenleben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Aber es bleibt festzuhalten, dass Lebensrettung die Aufgabe einer zivilen Seenotrettung bleibt und auch dort hingehört. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Kiesewetter, ich widerspreche Ihnen nur ungern, aber Sie haben gerade gesagt, die Italiener seien ganz happy mit der Situation. Herr Gentiloni hat gerade heute wieder gesagt, dass er nicht mehr bereit sei, den Booten der privaten Seenotrettern eine Anlegeerlaubnis zu geben, wenn Deutschland und die anderen europäischen Länder nicht bereit sind, die Geretteten gerecht über alle europäischen Länder zu verteilen. Das ist die Frage, die sich diese Bundesregierung zu stellen hat. Da kommt bis jetzt aus Berlin nur ein Nein. Das ist keine Seenotrettung, sondern das ist Verweigerung unserer Verantwortung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich komme auf das Mandat zu sprechen. Das Hauptmandat ist, gegen Schmuggler vorzugehen. Die Frage ist doch, ob diese Mission dabei effektiv ist. Unsere Antwort ist eindeutig Nein. Wenn man effektiv gegen Schmuggler vorgehen will, dann muss man legale Wege schaffen, auf denen Menschen kommen können, damit sie sich nicht Schmugglern anvertrauen müssen, um über das Meer zu kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das wäre eine echte Bekämpfung der Schmuggler. Aber dieser Aufgabe stellen Sie sich ja gar nicht. Außerdem ist es eine polizeiliche Aufgabe, gegen Menschenhandel vorzugehen. Auch das gehört in die Hände von zivilen Kräften. Ein weiterer Punkt des Mandates ist, das Waffenembargo der Vereinten Nationen durchzusetzen. Da haben wir ganz viele Fragezeichen. Es gibt Beispiele, dass die Besatzungen italienischer Boote doch nicht so genau hingeschaut haben, wenn die Waffen an ihre Partner gingen. Von daher gibt es auch da ein großes Fragezeichen, ob wir das durchsetzen können. Eine andere Aufgabe im Rahmen des Mandates ist, die libysche Küstenwache zu trainieren. Aber wer ist denn diese Küstenwache, von der Sie hier immer sprechen? Wir wissen doch, dass es de facto keine Regierung in diesem Land gibt und dass die Küstenwache nicht mehr ist als eine Miliz von vielen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Aber deswegen können wir doch nicht nichts machen! Die Alternative ist doch nicht Nichtstun!) Wenn es für Reformen im Sicherheitssektor eine Grundregel gibt, dann ist es die, zu sagen: Man braucht zuerst ein politisches Übereinkommen. Danach kann man einen Sicherheitssektor aufbauen, zu dem eine Küstenwache gehört. Das gibt es aber in diesem Fall nicht. Diese Regel brechen Sie also. Deswegen wird es auch nicht funktionieren, diese Küstenwache aufzubauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es bleibt weiterhin die Frage: In welchem Rechtsrahmen bilden wir diese Küstenwache aus? Wir wissen, dass der Umgang mit Flüchtlingen dort katastrophal ist. Viele sprechen von KZ-ähnlichen Zuständen. Dieser rechtliche Rahmen, innerhalb dessen wir dort ausbilden, ist nicht akzeptabel. Das ist kein Rahmen, der internationales Recht respektiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Also machen wir gar nichts! – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Nichtstun ist keine Alternative!) Wenn Sie davon sprechen – da hat Herr Kiesewetter ja recht –, dass das Hauptproblem ist, dass wir dieses Land aufbauen müssen, (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nicht nur das!) weil Libyen kaputt ist, kein Staat ist, der funktioniert, dann frage ich Sie: Warum bilden Sie denn dann nicht die Justiz aus? Warum bilden Sie denn nicht die Verwaltungsbeamten aus? (Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Schritt für Schritt! Eins nach dem anderen!) Warum bilden Sie denn nicht diejenigen aus, die ein Sozialsystem aufbauen können? Warum bilden Sie nur die Küstenwache aus? Das ist nicht der Teil, der Libyen hilft, sondern nur der Teil, der uns hilft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE], an die CDU/CSU gewandt: Weil Sie die Flüchtlinge zurückbringen wollen! Darum geht es doch!) Damit bauen Sie Libyen nicht auf. Damit betreiben Sie nur eine Abschottungspolitik und keine Politik für Libyen. Wenn die Europäer wirklich etwas für diese Einheitsregierung tun wollen, dann wären sie gut beraten, wenn die Franzosen nicht einen Teil der Anhänger Haftars militärisch unterstützen, die Italiener nicht einen Teil der Misratis und nicht alle im sogenannten Kampf gegen den IS an der Seite der Gegner der nationalen Einheitsregierung kämpfen und dadurch diejenigen, die wir versuchen auszubilden, gleichzeitig militärisch schwächen. Das ist die Realität dieser Mission. Sie ist widersprüchlich, erreicht die Ziele nicht, und deswegen werden wir sie eindeutig ablehnen und werden nicht zustimmen, dass das Ganze auch noch mit dem Titel „lebensrettend“ versehen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Arnold, Herr Kobler ist ja leider immer noch da, und wir bekommen keinen neuen Sonderbeauftragten, weil die Amerikaner jemanden blockieren, der zu nah an anderen Interessenlagen ist, und weil andere Regierungen blockieren. Dieser politische Prozess ist blockiert, und es wäre an der Zeit, ihn endlich einmal wieder in Gang zu bringen. Das könnte eine Aufgabe für Deutschland sein. Dort sollten wir vorangehen. Daher bitte ich die Bundesregierung: Tun Sie etwas für Libyen, für den politischen Prozess, für den Aufbau dieses Staates, und machen Sie nicht nur Flüchtlingsabwehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. Andreas Nick. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Juni 2015 beteiligt sich die Bundeswehr an der Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia. Das Mandat basiert auf einer UN-Resolution. Die Mission erfolgt in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern aus NATO und EU. Zu den Aufgaben der Mission gehören die Bekämpfung von Schleusernetzwerken, die Ausbildung der libyschen Küstenwache und die Durchsetzung des UN-Waffenembargos. Selbstverständlich kommen die Einheiten der Mission auch ihrer völkerrechtlichen und humanitären Verpflichtung zur Seenotrettung nach. Bisher konnten fast 40 000 Menschen durch Einheiten der Operation auf der Mittelmeerroute gerettet werden. Wir danken den Soldatinnen und Soldaten der Bundesmarine an dieser Stelle ganz herzlich für ihren engagierten Einsatz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir dürfen aber nicht verkennen, dass sich die Lage auf der Mittelmeerroute weiter dramatisch zuspitzt. In diesem Jahr sind dort bereits mehr als 1 500 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der in Italien ankommenden Flüchtlinge ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um fast 30 Prozent auf rund 60 000 Menschen gestiegen. Wir brauchen deshalb einen umfassenderen politischen Ansatz, um Schleuserkriminalität zu bekämpfen, die irreguläre Migration weitgehend zu unterbinden und damit endlich das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Dass dies durchaus möglich ist, hat das in diesem Haus häufig zu Unrecht gescholtene EU-Türkei-Abkommen bewiesen. Seit dessen Inkrafttreten im März 2016 sind nicht nur das Schlepperunwesen erfolgreich bekämpft und die Fluchtbewegungen über die Ägäis weitgehend gestoppt worden. 2015 sind noch über 800 Menschen, in den ersten drei Monaten 2016 über 400 Flüchtlinge in der Ägäis ums Leben gekommen. In diesem Jahr waren es – immer noch zu viele – lediglich 37. Es ist richtig: Die Ausgangslage in der Ägäis und die im zentralen Mittelmeer sind in wesentlichen Aspekten nicht vergleichbar. Das betrifft zum einen die politische und administrative Situation in den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten, insbesondere in Libyen. Ohne funktionierende staatliche Strukturen in Libyen kann organisierte Kriminalität nicht nachhaltig bekämpft werden. Daher setzen wir uns auch weiterhin für die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Libyens ein. Kollege Kiesewetter ist darauf ja schon ausführlich eingegangen. Es wäre aber auch eine gefährliche Illusion, zu glauben, dass der Schlüssel für die Lösung des Flüchtlingsproblems allein in Libyen liegt. Wir müssen den Blick vielmehr stärker auf die jeweiligen Herkunftsländer und die eigentlichen Ursachen und Motive der illegalen Migration legen. Auf der Mittelmeerroute dominieren Menschen aus den Herkunftsländern Westafrikas, vor allem Nigeria, Guinea, der Elfenbeinküste, Gambia, dem Senegal und Mali. Anders als bei den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak handelt es sich überwiegend um wirtschaftlich motivierte Migration. Die Menschen haben kaum Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber in Europa. Dennoch ist die Zahl der Rückführung in die Herkunftsländer bisher verschwindend gering. Beispiel Nigeria: 2016 gelangten rund 37 500 Menschen aus Nigeria nach Italien. Obwohl 75 Prozent von ihnen weder Asyl noch eine andere Form von Schutz erhielten, wurden weniger als 1 Prozent, ganze 165, in ihr Heimatland zurückgeführt. Von dieser Situation geht eine verheerende und geradezu zynische Anreizwirkung aus. Wer die gefährliche Reise durch die Sahara und über das Mittelmeer auf sich nimmt und überlebt, der kann derzeit davon ausgehen, auf lange Zeit in Europa bleiben zu können, häufig allerdings rechtlos, in prekären Verhältnissen und ohne Perspektive. Wir brauchen deshalb insbesondere eine massive Beschleunigung der Verfahren in den europäischen Anrainerstaaten am Mittelmeer, am besten nach einem einheitlichen europäischen Standard und – falls gewünscht – mit entsprechender europäischer Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen vor allem aber auch funktionierende Rücknahmeabkommen, insbesondere mit den Herkunftsländern in Westafrika. Ziel sollten Vereinbarungen sein, die ab einem bestimmten Stichtag die Rücknahme westafrikanischer Staatsbürger durch ihre Heimatländer vorsehen. Derartige Abkommen müssen auch ein wichtiger Bestandteil im Rahmen der verstärkten Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern Westafrikas sein. Meine Damen und Herren, im Rahmen von Migrationspartnerschaften werden wir uns über definierte Kontingente ein Stück weit für legale Migration in die EU öffnen müssen, um diesen Staaten einen Anreiz zu geben, solche Abkommen abzuschließen. Denn wie beim EU-Türkei-Abkommen gehören drei Grundelemente zusammen: die bessere Sicherung der EU-Außengrenzen und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, die Bekämpfung von Fluchtursachen durch nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation in den Herkunfts- und Transitländern, aber auch eine Perspektive für legale Migration im Rahmen entsprechender Kontingente und geordneter Verfahren. In diesem Zusammenhang trägt auch die EUNAVFOR MED Operation Sophia zur Reduzierung illegaler Migration bei. Sie ist ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität. Das sollte auch die Priorität der Mission bleiben. Deshalb stimmen wir heute der Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an dieser Mission zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Julia Obermeier für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Julia Obermeier (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein in den vergangenen vier Tagen kamen über 10 000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien. Die Situation könnte sich angesichts der ruhigeren See im Sommer weiter zuspitzen. Schätzungen zufolge warten über 1 Million Menschen in Libyen auf die Überfahrt nach Europa. Libyen ist das wichtigste Transitland der zentralen Mittelmeerroute. Angesichts der instabilen Lage in Libyen, in der Clans, Kriminelle und Warlords ohne Rücksicht auf Menschenleben um Macht, Geld und Einfluss kämpfen, ist es schwer, den skrupellosen Schleuserbanden Einhalt zu gebieten. Jeden Tag bringen sie Menschen auf seeuntaugliche Boote und damit in Lebensgefahr. Die Hauptaufgabe der Operation EUNAVFOR MED Sophia ist deshalb die Bekämpfung von Schleusernetzwerken. Im Rahmen der Mission wurden bereits mehr als 400 Schleuserboote versenkt und über 100 mutmaßliche Schleuser festgenommen. Doch solange die Mission – ohne die Erlaubnis einer legitimen libyschen Regierung – nicht ins libysche Hoheitsgebiet vordringen darf, kann sie ihre volle Wirkungskraft nicht entfalten. Trotzdem ist die Mission wichtig. Meine Damen und Herren, natürlich kommen die Einsatzkräfte der Mission ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung der Seenotrettung nach, auch wenn dies nicht ihr Hauptauftrag ist. In den vergangenen beiden Jahren wurden so über 37 000 Menschenleben gerettet. Allein das wäre doch ein guter Grund für die Opposition, dieser Mission zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Bundeswehr übernimmt zudem zwei weitere wichtige Aufgaben. Sie bildet Einsatzkräfte der libyschen Küstenwache aus. Nach einem langwierigen und sorgfältigen Auswahlprozess wurden rund 90 Libyer geschult, und auch sie retten Menschenleben im Mittelmeer. Unsere Soldatinnen und Soldaten gehen auch gegen Waffenschmuggel vor. Der deutsche Tender „Rhein“ konnte am 1. Mai ein Schiff stoppen, das mit automatischen Waffen, Maschinengewehren, Mörsern, Minen, Munition und Granaten voll beladen war. Für diesen Erfolg, aber auch für ihren Einsatz insgesamt danke ich unseren Soldatinnen und Soldaten ganz herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im vergangenen Jahr konnte ich gemeinsam mit unserem Staatssekretär Markus Grübel die Besatzung der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ im Einsatz im Mittelmeer besuchen und mich von ihrem großen Engagement überzeugen. Der maritime Einsatz ist ein wichtiger Baustein, um die gefährliche Mittelmeerroute zu schließen. Aber weitere Bausteine müssen am libyschen Festland umgesetzt werden. Libyen braucht ein Mindestmaß an Stabilität und Staatlichkeit, um die kriminellen Strukturen zu bekämpfen. Es braucht wirtschaftliche Entwicklung, die das Geschäftsmodell der Schleuser obsolet macht. Deutschland hilft Libyen hierbei diplomatisch – auch wenn die Bemühungen langwierig und schwierig sind. Insbesondere unterstützen wir die großen Anstrengungen des UN-Sondergesandten Martin Kobler, die international anerkannte Einheitsregierung zu stärken. Denn nur bei politischen Fortschritten kann die zivile Mission EUBAM Libyen, die dem Land dabei helfen soll, die eigenen Grenzen zu schützen, auch Früchte tragen. Darüber hinaus helfen wir der neuen Regierung, die Lebensbedingungen der Bevölkerung schnell zu verbessern. Unter anderem beteiligen wir uns an einem UN-Stabilisierungsfonds, der mit 30 Millionen Euro die größte Wiederaufbaumaßnahme der internationalen Gemeinschaft in Libyen darstellt. Natürlich müssen wir auch die Migrationsursachen in Afrika bekämpfen. Hier hat unser Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mit seinem Marshallplan mit Afrika einen wichtigen und richtungsweisenden Schritt gemacht. Meine Damen und Herren, wir wollen eine positive Entwicklung in Afrika. Wir wollen Menschenleben retten. Dazu müssen wir den kriminellen Schlepperbanden das Handwerk legen. Deshalb brauchen wir die Mission, und deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zur Mandatsverlängerung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/12868, den Antrag der Bundesregierung auf der Drucksache 18/12491 anzunehmen. Wir stimmen über diese Beschlussempfehlung namentlich ab und beginnen, wenn die Urnen aufgestellt und die Schriftführer anwesend sind. Bis das abschließend der Fall ist, darf ich noch darauf hinweisen, dass die Abstimmung an allen Abstimmungsurnen möglich ist, nicht nur an der Urne von mir aus gesehen rechts. Die Abgabe der Stimmkarte an einer der anderen Urnen erzielt eine völlig identische Wirkung. Jetzt darf ich nachfragen, ob alle Abstimmungsurnen bereitstehen. – An der Enthaltungstür oben fehlt noch ein Schriftführer, und vorne fehlt noch ein Schriftführer von der Opposition – Jetzt sind wir komplett. Dann kann ich die Abstimmung eröffnen. Ist noch ein Mitglied des Hauses hier, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Jawohl, davon gibt es noch einige. Ich empfehle die Urnen direkt am Rednerpult. Sie sind völlig frei zugänglich und ermöglichen eine sofortige Stimmabgabe. – Jetzt sehe ich niemanden mehr, der seine Stimmkarte abgeben möchte, aber dazu noch nicht gekommen ist. Dann schließe ich hiermit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird wie üblich später bekannt gegeben.2 Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12967. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Einige Stimmen der Grünen. – Jetzt sind es schon mehr. Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 3. Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12950 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Damit sind erkennbar alle einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Armin Schuster für die CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese menschenverachtende Mord, Überfall und Anschlagsserie des NSU-Trios soll sich nicht wiederholen, und wir tun alles, um sie aufzuklären – das waren die zwei Versprechen, die wir abgegeben haben. Nach dem Ende des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Versprechen habe ich persönlich in erster Linie den Opfern und ihren Angehörigen gegeben, die ich zum Teil auf der Tribüne begrüße. Ich habe sie aber auch den Menschen in Deutschland gegeben; denn nach einem solchen Vorkommnis müssen wir Vertrauen aufbauen. Wenn Sie mir erlauben, dann fasse ich die Ergebnisse beider NSU-Untersuchungsausschüsse zusammen. Wir haben in beiden Untersuchungsausschüssen insgesamt fünf Jahre intensiv, einvernehmlich, mit einstimmigen Beschlüssen und einem einstimmigen Abschlussbericht, einen parlamentarischen Anstand, eine parlamentarische Disziplin gezeigt, die in diesem Haus wahrscheinlich einmalig sind. Dafür möchte ich mich bei allen anderen Fraktionen bedanken. (Beifall im ganzen Hause) Es ist ein starkes Signal an die Justiz, an die Ermittlungsbehörden, an den Gesetzgeber und an unsere Gesellschaft, dass wir das normale Parteiverhalten im Bundestag beiseitegeschoben haben. Das war keine übliche Debatte. Deshalb möchte ich auch heute darauf verzichten, zu polarisieren. Meine Fraktion hat auch kein Sondervotum abgegeben. Wir glauben, dass die gemeinsame Grundüberzeugung, die wir im Untersuchungsausschuss gewonnen haben, nicht kleinteilig zerredet werden darf. Ich habe es mir selbst zur Pflicht gemacht, darauf zu verzichten – ich habe nur sieben Minuten Redezeit –, x Versagensumstände und x Schwächen, die wir schon im ersten Ausschuss identifiziert haben, heute zu wiederholen, ob das das V-Leute-Wesen, das Schreddern oder was auch immer betrifft. Viele der dramatischen Befunde, mit denen wir uns im Untersuchungsausschuss konfrontiert sahen, gab es in diesem Haus bereits am 2. September 2013, und sie gelten weiter. (Unruhe) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Schuster, darf ich ganz kurz unterbrechen. – Angesichts des ernsten Gegenstandes der Debatte darf ich alle bitten, die unabhängig von dieser Beratung Gesprächsbedarf haben, die Gespräche nicht hier im Plenarsaal zu führen. (Beifall) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Warum dieser zweite Untersuchungsausschuss NSU? Erstens. Unsere Untersuchungsarbeit im Zuge der ersten Auflage konnte sich wegen des Prozesses in München, den wir nicht stören wollten, nur auf die Zeit bis zum 4. November 2011 beziehen. Alle Ermittlungen, die danach stattfanden, konnten wir in der vergangenen Legislaturperiode nicht untersuchen. Besonders interessiert haben uns die Tatorte Eisenach und Zwickau. Ihnen wollten wir uns widmen. Das haben wir getan. Zweitens. War es ein Trio, oder gab es Mittäter? Wir waren uns nach der ersten Auflage nicht sicher. Wir haben uns auch gefragt: Kennen wir alle Unterstützer, oder rennen da draußen noch welche herum, die wir nicht kennen? Das waren für mich die wesentlichen Gründe, warum wir den zweiten Ausschuss brauchten. Welche Ergebnisse gibt es nach 55 Sitzungen, 78 Zeugenvernehmungen und der Auswertung von 727 Gigabyte Datenmaterial? Chapeau im Übrigen an die Mitarbeiter aller Fraktionen und des Untersuchungsausschusssekretariats! (Beifall im ganzen Hause) Die Geschehensabläufe in Eisenach und Zwickau, über die wir viele Vermutungen angestellt hatten, sind für mich im Wesentlichen aufgeklärt. Es ist eindeutig, dass Mundlos Böhnhardt erschossen hat, bevor er sich selbst gerichtet hat. Außerdem konnten wir keine Belege für weitere Täter finden. Ich sage jetzt einmal ganz ehrlich: Es hat mir sehr gut getan, dass wir den Einsatzleiter des Tatorts Eisenach als Zeugen vernommen haben; denn über ihn wurden öffentlich viel Kritik, Hohn und Spott ausgeschüttet, wie dumm er sich – angeblich – an diesem Tatort angestellt habe. Der Mann hatte etliche Stunden Zeit, um viele überzogene Kritikpunkte auszuräumen. So ist das eben, wenn man die andere Seite hört. Dafür bin ich dankbar. Ich glaube, man hätte das eine oder andere anders machen können; aber viel Kritik an ihm war überzogen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Beim Tatort Probsteigasse in Köln haben wir eine Theorie abgeräumt: Nein, es gab keinen führenden Neonazi und V-Mann des LfV, der dort beteiligt war. In Dortmund hätte ich mir ein intensiveres Eintauchen von GBA und BKA in die örtliche Szene gewünscht. Wir konnten nichts feststellen; aber Zweifel bleiben. Bezogen auf Kassel haben wir die Zweifel daran, dass der Mitarbeiter des LfV das alles nicht gemerkt haben kann, nur noch erhärtet; aber wir können keine neuen Belege hinzufügen. Die Zweifel bleiben. Heilbronn ist der entscheidende Tatort für viele Kritikpunkte bezüglich der Trio-These. Für mich ist aufgrund der fehlenden Funkzellenauswertung und der DNA-Abgleiche, die nicht optimal gelaufenen sind, vor allen Dingen aber aufgrund valider Zeugenaussagen zur Anzahl flüchtender Täter, blutverschmiert, die Trio-These oder die These „Duo“ kaum haltbar, (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) wenngleich ich natürlich überhaupt keine Zweifel an der Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt habe. Es geht um die Frage: Wer war noch dabei? Deswegen sehe ich noch reichlich Ermittlungsbedarf rund um Heilbronn. Zur Trio-These: GBA und BKA haben aufwendig und engagiert ermittelt. Denen kann man keinen Vorwurf hinsichtlich des Aufwands, den sie betrieben haben, machen. Aber sie waren fokussiert: fokussiert auf die Verurteilung der bekannten Angeklagten. Das ist vielleicht vorwerfbar; ich halte mich da eher zurück. Ich verweise lieber auf den Erfolg dieses Untersuchungsausschusses: Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Arbeit dafür gesorgt hat – das ist ein Erfolgsmoment –, dass die Bundesanwaltschaft und das BKA erhebliche Nachermittlungen angestellt haben, insbesondere was Trio-These und Unterstützerumfeld anbelangt. Das ist aus meiner Sicht ein Erfolg. Ich möchte auf das Thema DNA nicht eingehen. Darauf wird wahrscheinlich der Vorsitzende selber eingehen wollen; das Thema lasse ich ihm. Zu BfV und LfV: ungenutzte Chancen, V-Leute-Wesen, Schreddern. Meine Damen und Herren, wir können den Schmerzpunkt nur vertiefen; aber das sind alles Befunde aus der letzten Legislaturperiode. Daran gibt es nichts schönzureden; aber wir müssen bitte die Balance wahren. Das habe ich schon am 2. September 2013 hier gesagt. Ermittelt haben Staatsanwaltschaften und Polizeien. Deshalb ist es, wenn man kritisiert, wichtig, die Kritik dort anzubringen, wo die Aufklärungsarbeit am Ende zum Erfolg geführt werden muss. Deswegen hat meine Fraktion versucht, in den Befragungen zwischen Staatsanwaltschaften, Gerichten, Polizei und Verfassungsschutz eine sinnvolle Balance zu halten. Natürlich kann man an dem Fall „Corelli“ sehen, wie schlimm manchmal alles läuft. Aber daran arbeiten wir. Man hat damals leider keinen NSU-Bezug gesehen, sonst wäre man wahrscheinlich weiter gekommen. Waren wir erfolgreich? Wir haben alle Richtungen beleuchtet, vorgefasste Meinungen verifiziert und falsifiziert. Wir haben erhebliche Nachermittlungen angestrengt, und wir haben uns um die Umsetzung der Empfehlungen aus dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss gekümmert; hier hat die Bundesregierung sehr viel gemacht. Wir hatten wenige Chancen, und wir hatten nicht die Smoking Gun. Das ist das, was die Journalisten jetzt gerne hätten. Dann wäre das mediale Interesse größer. Aber so einfach machen wir uns das nicht. Das war nicht meine Motivation. Geduld, Geduld, Geduld! Die Opfer, die Angehörigen der Opfer, die Menschen in diesem Land dürfen erwarten, dass wir nicht aufhören, uns um das Thema zu kümmern. Sie dürfen erwarten, dass wir da sind, wenn der Nebel sich lichtet, und er wird sich lichten, vielleicht nicht wegen Frau Zschäpe. Mir ist das Ehepaar Eminger wichtiger. Ich halte das, was die irgendwann sagen, für aufschlussreicher. Eine Botschaft an die Täter geht von hier aus: Den Fehler, den man früher bei der RAF gemacht hat, nämlich den Strafverfolgungsanspruch irgendwann vielleicht nicht mehr so ernst zu nehmen – heute verfolgen wir sie wegen Räubereien; merkwürdig – (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Holland!) und nicht parlamentarisch aufzuklären, diesen Fehler machen wir in diesem Fall nicht. Deswegen geht das Signal an München, an die Täter: Wir sind da, und wir werden nicht aufhören, dieses Thema zu bearbeiten. Deshalb habe ich einmal – das war nicht als Scherz gemeint – gesagt: Ich wünsche mir Cold-Case-Verfahren in den Polizeien aller Bundesländer, die betroffen sind, weil ich das für ein wirkungsvolles Mittel halte. Ich bin davon überzeugt, dass man mehr aufklären kann. Was ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufklären kann, haben wir aufgeklärt. Wenn nichts Neues hinzukommt, halte ich im Moment einen dritten NSU-Ausschuss nicht für erforderlich. Aber bei dem Verfahren am Anfang dieser Wahlperiode fand ich es sehr gut, dass die Kolleginnen Pau, Högl und Mihalic sowie der Kollege Binninger als Berichterstatter im Innenausschuss saßen. Das ist das Signal, das von uns ausgehen muss: Wir hören nicht auf, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, bis alles aufgeklärt ist, was wir aufklären können. Ganz besonderen Dank an Clemens Binninger. Die Qualität dieses Ausschusses hat viel damit zu tun gehabt, dass du diesen Job nicht als parlamentarische Pflicht empfunden hast, sondern dass es eine Herzensangelegenheit war. Ich glaube, das hat uns gutgetan. Ich danke allen, die mitgewirkt haben, auch dem BMI. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Bei dieser Debatte sind heute eine ganze Reihe von Vertretern der Opferfamilien anwesend. Ich möchte Ihnen unsere Verbundenheit und unsere Anteilnahme aussprechen. (Beifall im ganzen Hause) Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und SPD) Petra Pau (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der nunmehr zweite Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU-Nazimordkomplex beendet seine Arbeit – mitnichten, weil etwa alle Fragen beantwortet wären. Im Gegenteil: Zentrale Fragen bleiben offen. Aber mit der 18. Legislatur des Bundestages endet eben auch der Untersuchungsauftrag zum NSU-Komplex. Der Abschlussbericht liegt vor. Das Gros wird von allen Fraktionen getragen. Zudem gibt es abweichende oder weiter gehende Voten. Sie gehören mit zum Bericht. Wie bereits im ersten Untersuchungsausschuss war die Arbeit durch sachliche Zusammenarbeit, von der CDU/CSU bis zur Linken, geprägt. (Beifall im ganzen Hause) Das verlangt unser Respekt vor den Opfern des NSU und ihren Angehörigen, aber auch die Dimension dieses Verbrechens. So konnten wir trotz aller Blockaden doch etwas mehr Licht in den finsteren NSU-Komplex bringen und Puzzlestücke finden. Ich komme nun zu den wesentlichen Ergebnissen der Untersuchungen und möchte drei nennen: Erstens. Es hat sich erhärtet, was sich bereits nach dem ersten Untersuchungsausschuss abzeichnete: Das NSU-Kerntrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe war von circa 40 VLeuten der Ämter für Verfassungsschutz regelrecht umzingelt. Wider andere Behauptungen hatte dabei eben auch das Bundesamt für Verfassungsschutz gekaufte Nazis in seinen Diensten, die am Netzwerk des NSU dran waren. Dazu gehörte zum Beispiel ein gewisser Ralf M., alias VMann „Primus“. Er hatte nachweislich Kontakt zum NSU-Trio. Das Bundesamt für Verfassungsschutz versuchte, den Untersuchungsausschuss darüber zu täuschen. Das war symptomatisch. Zweitens. Den Ämtern für Verfassungsschutz lagen zahlreiche Informationen über den Verbleib und über Vorhaben des NSU-Kerntrios vor. Sie wurden nie an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben. So wurde verhindert, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefasst wurden. Damals und noch immer gilt: Der Schutz der Quellen, also der VLeute, geht vor polizeiliche Ermittlungen – und das selbst bei einer Mordserie. Ich merke an: Diese fatale Geheimdienstlogik wird vom Bundesinnenminister und ebenso von der Generalbundesanwaltschaft geteilt. Das heißt, sie sind beide Teil des Problems. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Drittens. Bekanntlich wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz – und nicht nur dort – im großen Stil Akten vernichtet. „Aus Versehen“, „aus Datenschutzgründen“, „aus Überlastung“, hieß es noch am Ende des ersten Untersuchungsausschusses. Das war forsch gelogen. Inzwischen ist klar: Dies geschah mit Vorsatz, damit diese Unterlagen weder der Polizei noch den Parlamenten bekannt werden und damit nicht bekannt wird, wie sehr neonazistische Strukturen durch VLeute der Ämter für Verfassungsschutz durchdrungen sind. Diese Aktenvernichtungen waren Straftaten. Geahndet wurden sie bis heute nicht. Nun noch einmal zu den VLeuten. Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz nannte sie einmal unverzichtbare „Schmutzfüße“. Man brauche sie, um der Naziszene Herr zu werden, so Herr Maaßen. Ich fasse unsere Erkenntnisse aus dem NSU-Komplex zusammen: Zu keiner Zeit hatte der Verfassungsschutz die Naziszene im Griff, geschweige denn zerschlagen. Im Gegenteil: Mit ihrer Geheimhaltungs- und VLeute-Praxis haben die Ämter für Verfassungsschutz die Nazistrukturen vielmehr gedeckt und gestärkt. Damit komme ich zu den weiter gehenden Schlussfolgerungen der Linken. Es sind insgesamt acht; ich reiße fünf davon kurz an: Erstens. Die Linke bleibt bei ihrer Forderung, die VLeute-Praxis aller Sicherheitsbehörden sofort zu beenden (Beifall bei der LINKEN) und den Verfassungsschutz als Geheimdienst aufzulösen. (Beifall bei der LINKEN) Das dazu vorgeschlagene Alternativmodell einer Koordinierungsstelle zur Dokumentierung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist Bestandteil unseres Votums. Zweitens. Wir empfehlen der 19. Legislatur des Bundestages einen Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus und Geheimdienste“. Dabei geht es eben nicht nur um die offenen Fragen aus dem NSU-Komplex, sondern um weitere aktuelle und auch zurückliegende ungeklärte Fälle. Ich nenne hier nur das Oktoberfestattentat und den Doppelmord an dem jüdischen Verlegerpaar Schlomo Lewin und Frida Poeschke – beides im Jahr 1980. Zu untersuchen wären aber auch aktuelle neonazistische Terrorakte, zum Beispiel im Freistaat Sachsen, aber auch anderswo. Drittens. Wir empfehlen der kommenden Linksfraktion weiterhin, die Einrichtung einer Enquete-Kommission „Rassismus“ im Bundestag zu beantragen. Wir brauchen mehr Sachverstand, um Strategien gegen den gesellschaftlichen und den institutionellen Rassismus voranzutreiben. Viertens. Gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, für Demokratie und Toleranz benötigen endlich eine ausreichende, verlässliche und längerfristige Förderung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fünftens. Wir fordern mehr Opferschutz und die Einführung einer Amtshaftung im Fall von gewalttätigen VLeuten. Straftaten von VLeuten werden häufig gedeckt, während deren Opfer alleingelassen werden. Deshalb will die Linke, dass Opfer derartiger Gewalttaten künftig von Amts wegen entschädigt werden. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Abschlussgedanke. Der Rechtsstaat hat seine Bürgerinnen und Bürger vor schweren Straftaten – allemal vor Mord – zu schützen. Gelingt ihm das nicht – aus welchen Gründen auch immer –, so hat er alle Umstände aufzuklären sowie Täter und Mittäter zu belangen. Im NSU-Komplex hat er weder die Mord- und Anschlagserie verhindert, noch sind bisher alle Hintergründe aufgeklärt. Wir haben es hier also mit einem doppelten Versagen zu tun. „Staatsversagen“ haben wir es am Ende des ersten Untersuchungsausschusses genannt. Ich würde sagen, wir haben es hier auch mit einer doppelten Staatsverantwortung zu tun, der wir uns weiter stellen sollten. Ich danke am Ende dieses Untersuchungsausschusses allen Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam an diesem Komplex gearbeitet haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und des Ausschusssekretariats sowie allen, die mitgetan haben, diese Puzzlestücke zusammenzutragen. Ich verspreche Ihnen: Ich bleibe dran. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zwischenzeitlich liegt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung – Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA; das sind die Drucksachen 18/12491 und 18/12868 – vor: abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben gestimmt 467, mit Nein haben gestimmt 116, Enthaltungen 3. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 467 nein: 116 enthalten: 3 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Dr. h. c. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Marion Marga Herdan Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner HonD Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Nein SPD Klaus Barthel Dr. Ute Finckh-Krämer Cansel Kiziltepe Hilde Mattheis Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Dr. Valerie Wilms Enthalten SPD Marco Bülow BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Tom Koenigs Wir fahren in der Aussprache fort. Nächster Redner ist der Kollege Uli Grötsch für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Uli Grötsch (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie heute nach Berlin gereist sind, um dieser Debatte beizuwohnen! Wir sind noch lange nicht am Ende unserer Reformbestrebungen angekommen: Diesen Satz habe ich hervorgehoben, als ich zum Stand der Umsetzung von Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages an dieser Stelle gesprochen habe. Das ist ziemlich genau acht Monate her. Damals waren wir noch mitten im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss. Heute stehen wir vor dem Abschluss unserer Arbeit in dieser Wahlperiode. Was steht am Ende dieses Ausschusses, der viermal mehr Akten und Daten ausgewertet hat als alle anderen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse dieser Wahlperiode? Ich kann, nein, ich muss vielmehr an meine Worte vom November 2016 anschließen. Mit der Vorlage unseres umfangreichen Abschlussberichtes ist die Aufarbeitung einer der schwersten Verbrechensserien in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein weiteres Stück vorangekommen. Aber abgeschlossen ist sie damit mit Sicherheit nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie muss für uns alle, für die selbstverständlich ist, dass in Deutschland Menschenfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben, vielmehr eine Daueraufgabe sein. Dafür brauchen wir funktionierende Sicherheitsbehörden, die bei den Bürgerinnen und Bürgern Vertrauen genießen. Dafür brauchen wir eine starke Zivilgesellschaft. Und dafür brauchen wir engagierte Politikerinnen und Politiker in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages. Dieser Ausschuss hat gezeigt: Diese Politikerinnen und Politiker haben wir in allen Fraktionen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es in Deutschland auch nach dem NSU eine konkrete Terrorgefahr gibt, die von Rassistinnen und Rassisten ausgeht. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns deshalb bereits bei der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses das Ziel gesetzt, den Blick insbesondere auf die hinter dem NSU-Trio agierenden Netzwerke aus Unterstützerinnen und Unterstützern zu richten. Dies sind wir insbesondere den Hinterbliebenen der Ermordeten und den Opfern der Anschläge schuldig. Die Angehörigen fragen sich nach wie vor, warum ihr Vater, ihr Bruder, ihr Sohn oder ihre Tochter getötet oder schwer verletzt wurden. Sie fragen sich, ob es noch weitere Personen gibt, die an den Taten beteiligt waren, ob es Mittäterinnen oder Mittäter als Hinweisgeber oder als bei der Auswahl der Opfer behilfliche Ortskundige gibt. Dasselbe gilt – das möchte ich hervorheben – für den Umstand, inwieweit jene gegebenenfalls auch heute noch aktiv sind, wobei es für mich keine Frage ist, ob jene nach wie vor aktiv sind, sondern vielmehr, in welchen Strukturen diese ihr menschenverachtendes Gedankengut heute noch ausleben. Auch aus diesem Grund, um das zu ergründen, haben wir die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten angeregt. Auf unsere Initiative hin konnten wir dafür Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg gewinnen, der diese Funktion wirklich außerordentlich kompetent und engagiert übernommen hat. Dafür sei ihm und seinen Mitarbeitern an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ergänzend haben wir als SPD-Bundestagsfraktion die Beauftragung von Sachverständigengutachten auf den Weg gebracht, mit der ein Ziel verbunden war: Wir wollten die Regionen analysieren, in denen die Terrorgruppe NSU ihre Taten begangen hatte bzw. in der sie sich radikalisiert hatte und dann untergetaucht ist. Auf diese Weise ist es uns im Untersuchungsausschuss gelungen, ein möglichst umfassendes Bild der lokalen rechtsextremen Strukturen an den Tatorten der Terrorgruppe NSU einschließlich ihrer Vernetzung zu anderen rechtsextremen Szenen sowie ganz ausdrücklich zur organisierten Kriminalität und etwa zur Rockerszene zu erarbeiten. Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen, dass ich davon ausgehe, dass dieselben Fehler der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden, die letztendlich zu dem geführt haben, was wir heute als NSU-Desaster kennen, nicht nochmals begangen werden. Auch das halte ich für einen ganz wichtigen Aspekt: dass Fehler, die damals gemacht wurden, nicht heute noch einmal in gleicher Weise gemacht werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, sagen zu dürfen, dass aus den Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode in der Zwischenzeit wichtige Reformen resultiert sind. Diese aber müssen bei der Polizei, beim Verfassungsschutz, bei der Justiz, im Bund und in den Ländern natürlich auch fortgeführt werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch noch einige grundlegende Sätze zum Thema Zeugenvernehmungen bzw. Ausschusssitzungen sagen. Ja, Herr Schuster, es war wichtig, dass wir uns in aller Ausführlichkeit etwa mit den Ereignissen in Eisenach und am 4. November 2011 in Zwickau befasst haben. Auf diese Weise konnten wir erfreulicherweise diverse Verschwörungstheorien widerlegen, wonach durch gezielte Manipulationen der Tathergang in Eisenach bewusst verfälscht worden sei. Ich schließe mich dem an und sage: Das ist nachhaltig widerlegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig aber haben wir uns im Ausschuss durch teilweise äußerst intensive Befassungen, etwa mit den Todesumständen des ehemaligen BfV-V-Mannes „Corelli“, womöglich die Möglichkeit genommen, in der gebotenen Ausführlichkeit auch andere Komplexe umfassend zu beleuchten. Das war vielleicht auch das einzige Problem dieses Ausschusses: dass uns am Ende die Zeit nicht gereicht hat. Wir hätten uns letzten Endes alle gewünscht, dass die 18. Wahlperiode noch ein paar Wochen länger dauern würde, weil wir noch Fragen gehabt haben. Ich halte zwei regionale Schwerpunkte für besonders relevant. Das ist zum einen Mecklenburg-Vorpommern, wo sich inzwischen das Parlament mit diesem Thema befasst. Wie weit das ausreicht, werden die nächsten Monate und womöglich Jahre zeigen müssen. Und das ist zum anderen nach wie vor Bayern. Gerade in Bezug auf Bayern gibt es meiner Ansicht nach noch erheblichen Aufklärungsbedarf. Ich rufe das gerne noch einmal in Erinnerung: Drei der zehn Morde wurden in Nürnberg begangen. So oft wie nirgendwo sonst wurde in Nürnberg gemordet. Hinzu kommen zwei Morde in München. Führende Köpfe der bayerischen Neonazi-Szene werden auch heute noch in Verbindung mit dem NSU-Umfeld gebracht. Deshalb ist mir das ein besonderes Anliegen. Heute ist es für mich aus all diesen Gründen nicht an der Zeit, ein abschließendes Fazit zu ziehen. Vielmehr ist auch in Zukunft alles dafür zu tun, vorhandene rechtsterroristische Untergrundstrukturen nachhaltig aufzudecken und trockenzulegen und rechten, rassistischen und antisemitischen Einstellungen in unserer Gesellschaft konsequent entgegenzutreten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir müssen aus den Erkenntnissen rund um den NSU in Sicherheits- und Ermittlungsbehörden wie auch in Politik und Gesellschaft endlich umfassend die Lehre ziehen, die Gefahr rechtsextremistischen Terrors ernst zu nehmen. Diese stellt nach wie vor ein erhebliches Risiko für unsere Demokratie dar. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich werde deshalb an dieser Stelle heute allenfalls dasselbe sagen wie im November 2016: Abgeschlossen ist die Aufarbeitung hier und heute noch lange nicht. Das Einstehen gegen Rechtsextremismus wird mich und uns alle, die wir uns mit diesem Komplex befasst haben und auch in Zukunft befassen werden, wahrscheinlich unser Leben lang begleiten. Wir alle sind aufgefordert, niemals damit aufzuhören, nicht nachlässig zu werden und engagiert zu bleiben, weit über diese Stunde hinaus. Wehret den Anfängen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie es uns nicht hinnehmen, dass sich rechtsextremes Gedankengut in Deutschland wieder Bahn zu brechen sucht! Sie kennen vielleicht die Gedenktafel für die NSU-Opfer in Nürnberg. Es sind für mich ganz besonders vier Worte, die darauf für sich sprechen. Diese Worte lauten: „Wir sagen: Nie wieder!“ In diesem Sinne: Lassen Sie uns niemals aufhören, dafür einzutreten! Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Irene Mihalic für Bündnis 90/Die Grünen. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Damen und Herren der Familien der Opfer! Anderthalb Jahre haben wir intensiv gelesen, ausgewertet, beraten, befragt – insgesamt rund 80 Zeugen und Sachverständige. Auch wenn viele Fragen und Zweifel bleiben: Ich finde, es hat sich gelohnt. Wir haben weitere wichtige Mosaiksteine der Aufklärung zu diesem Gesamtbild hinzufügen können. Ich finde, dass wir als Fraktionen hier wirklich hervorragend zusammengearbeitet haben, zwar mit unterschiedlichen Schwerpunkten – gar keine Frage –, aber immer mit dem klaren gemeinsamen Ziel, die Terrorserie, so gut es geht, politisch aufzuarbeiten. Dabei sind wir erkennbar weitergekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Mein Dank gilt neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die beim Aktenstudium und bei der Vorauswertung wirklich schier Unglaubliches geleistet haben, ganz besonders dem Ausschussvorsitzenden Clemens Binninger. Lieber Clemens, du hast gezeigt, dass man trotz aller politischen Unterschiede einen solchen Untersuchungsausschuss wirklich fair und umsichtig leiten kann. Dafür ganz herzlichen Dank. Leider erleben wir dieser Tage ganz andere Beispiele. (Beifall im ganzen Hause) Ich danke dir aber auch, wie die ganze Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für dein großes Engagement. Wir werden dich hier im Bundestag wirklich vermissen. Das gilt auch und gerade bei der weiteren Befassung mit dem NSU-Komplex; denn eines ist völlig klar: Der Untersuchungsausschuss mag beendet sein, die Aufklärung ist es nicht. Zu viele Fragen sind noch offen und konnten aufgrund der knappen Zeit bestenfalls angerissen werden. Ein solches Thema ist zum Beispiel die Rolle von Blood & Honour. Trotz der vielen offenen Punkte sehe ich im Ergebnis aber drei klare Befunde, die der Untersuchungsausschuss herausarbeiten konnte. Punkt eins. Die Ermittlungen nach dem 4. November 2011 waren viel zu eng auf das Trio und das unmittelbare Umfeld ausgelegt. Die Frage rechter Netzwerke wurde konsequent ausgeblendet. Wichtige Spuren wurden vernachlässigt – die Kollegin Pau hat es erwähnt –, zum Beispiel die Rolle des ehemaligen V-Manns „Primus“, der eben nicht nur zeitgleich mit dem Trio in Zwickau gelebt hat, sondern auch eine zentrale Figur in der rechten Szene war. Wir haben glaubwürdige Zeugen im Untersuchungsausschuss gehört, die Beate Zschäpe in einem seiner Geschäfte gesehen haben und auch Uwe Mundlos als Mitarbeiter auf einer seiner Baustellen erkannt haben. Alles, was auch nur ansatzweise die These vom allein handelnden Trio irgendwie ins Wanken bringen könnte, wird vom Generalbundesanwalt bis heute konsequent ausgeblendet und in ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt ausgelagert. Deshalb muss man leider sagen: Der Tunnelblick, der dazu geführt hat, dass die Verbrechen des NSU nicht als rechter Terror erkannt wurden, besteht bis heute. Nur, dass man diesmal die Verflechtung des Trios mit rechten Netzwerken und deren mögliche Beteiligung nicht sehen will – ein Riesenversäumnis, das praktisch unheilbar ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Punkt zwei. Die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ist ein Problem. Es gibt seitens der Polizei ein großes Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz, weil immer die Vermutung im Raum steht, dass V-Leute in der militanten Naziszene Behördenwissen für ihre Zwecke nutzen. Der Verfassungsschutz hat V-Leute vor Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gewarnt oder versucht, auf Staatsanwälte einzuwirken. Das haben wir herausgefunden, und das nannte sich dann Quellenschutz. Dieser Quellenschutz ging dann noch so weit, dass der Verfassungsschutz kaum Informationen an die Polizei weitergegeben hat. Und ja, Kollege Schuster, ermitteln und bewerten muss am Ende die Polizei, und anklagen muss die Staatsanwaltschaft. Aber wenn der Verfassungsschutz das hintertreibt, ist das ein Problem und zeigt, warum das an mancher Stelle nicht möglich ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das bringt mich zu Punkt drei. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat auch nach dem 4. November keine Konsequenzen aus dem NSU-Komplex gezogen, im Gegenteil: Die erste erkennbare Reaktion war das Schreddern von Akten über V-Leute. Erst durch diesen Untersuchungsausschuss wissen wir, dass die Akten vorsätzlich und gezielt vernichtet wurden, um unangenehme Fragen über die Anzahl der V-Leute im näheren NSU-Umfeld im Keim zu ersticken. Viele Akten sind unwiederbringlich verloren. Und all das hatte keine Konsequenzen. Das ist ein Riesenskandal, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch der aktuelle Amtsleiter hat bisher keine Anstrengungen unternommen, um diesen Vorfall aufzuarbeiten. Herr Maaßen hat sich ausdrücklich dagegen entschieden, den Fall noch einmal intern untersuchen zu lassen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen „Verfassungsschutz post NSU“. Da herrscht immer noch der alte Geist des Blockierens, Vertuschens und Vernebelns. Es geht immer so weiter, aber es darf so nicht weitergehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt einen riesigen Reformstau in unserer Sicherheitsarchitektur, den wir endlich anpacken müssen, damit alle Menschen in unserem Land – egal wer sie sind und egal woher sie kommen – frei und sicher leben können. Was dafür zu tun ist, liegt offen auf der Hand und in unser aller Verantwortung. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Volker Ullrich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir ziehen heute nach eineinhalb Jahren der Beweisaufnahme und zahlreichen Sitzungen Bilanz des NSU-Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode. Dieser Ausschuss war in der Tat etwas Besonderes. Normalerweise sind Untersuchungsausschüsse auch Instrumente der parlamentarischen Minderheit, Regierungshandeln zu überprüfen. Dieses Mal war es aufgrund der Erschütterung unserer Rechtsordnung das gemeinsam gebotene Interesse, die Aufklärung voranzutreiben – nicht allein im Interesse einer historisch richtigen Geschichtsschreibung, sondern weil wir das auch den Opferfamilien und ihrem Schmerz schuldig sind. Wir haben uns die Fragen gestellt, was in Eisenach passiert ist, wie es am Tatort Heilbronn war und ob es ein Trio war oder ob es weitere Helfer in der engeren Führung gab, die in diese Mordserie eingebunden waren. Es freut mich, dass wir einige der Verschwörungstheorien aus der Welt schaffen konnten, insbesondere die immer wieder geäußerte These, dass in Eisenach eine dritte Person am Wohnmobil die Morde an Mundlos und Böhnhardt begangen habe. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweise im Tatkomplex Heilbronn weitere wichtige Fragen nach wie vor offen sind. Auch konnten wir nicht zweifelsfrei die Frage klären, ob weitere Personen und Organisationen unmittelbar eingebunden waren. Genau das darf uns nicht ruhen lassen. Das muss Ansatz sein, gerade auch in den Strafverfolgungsbehörden weitere und intensive Ermittlungen aufzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben auch viel über das V-Leute-Wesen und über den Verfassungsschutz gesprochen. Ja, es hat sich auch in diesem Untersuchungsausschuss gezeigt, dass beim Verfassungsschutz eklatante Fehler gemacht worden sind: vom Schreddern der Akten über eine schlampige V-Mann-Führung vielleicht bis hin sogar zu einem Wegsehen oder zumindest zu einem Nichterkennenwollen. Aber wichtig ist auch, zu sagen, dass damit nicht ein generelles Urteil über den Verfassungsschutz gefällt werden darf. Eine wehrhafte Demokratie braucht auch einen starken Verfassungsschutz, der sich nicht nur in der Analyse erschöpft, sondern auch die Quellen mit V-Leuten anzugehen versucht, damit wir eine Analyse der Personen bekommen, die unsere Rechtsordnung und unsere Verfassung beseitigen wollen. Deswegen war es richtig und notwendig, dass der Staat – ich gebe das ganz offen zu – am umstrittenen V-Leute-Wesen festhält, aber diese V-Leute besser kontrolliert und ihnen klarere rechtliche Rahmenbedingungen gibt. Das ist in Sachen Verfassungsschutz die richtige Botschaft. Wir sollten anerkennen, dass sich seit 2011 und auch beginnend mit dem ersten Untersuchungsausschuss im Bereich des Verfassungsschutzes eine Fehlerkultur etabliert hat und dass es aufrichtige Bemühungen gibt, im Rahmen des Verfassungsschutzes aus den Fehlern zu lernen. Auch das gehört zur Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sollten auch anerkennen, dass im Laufe dieser Legislaturperiode sehr viele der 50 Empfehlungen des ersten Untersuchungsausschusses umgesetzt worden sind, insbesondere zur Kompetenz des Generalbundesanwalts, sodass er zukünftig – das wollen wir nicht hoffen – bei ähnlichen Taten viel schneller und gezielter ermitteln kann. Mehr Aufklärungsarbeit kann ein Parlament kaum leisten. Ich weiß auch, dass quälende Fragen bleiben und dass sich vor allen Dingen die Angehörigen nach wie vor die Frage nach dem Warum stellen: Warum sind ihre Angehörigen als Opfer ausgesucht worden? Was war der Hintergrund dieser Mordserie? Leider können wir ihnen keine Antworten geben. Aber ich hoffe, dass sie uns allen in diesem Land die von Ehrlichkeit getragene Unternehmung abnehmen, dass wir alles tun, um diese Mordserie aufzuklären, und dass wir vor allen Dingen auch verhindern wollen, dass zukünftig Ähnliches passiert, dass wir Freiheit, Menschenwürde und den Kern unserer Demokratie schützen und dass wir entschlossen gegen Rechtsextremismus und Verfassungsfeinde aller Art vorgehen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Ich danke allen Kollegen, die dies unternommen haben. Ich glaube, das war ein wichtiger und notwendiger Dienst. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Monika Lazar das Wort. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Auch ich fand die Zusammenarbeit im NSU-Untersuchungsausschuss sehr angenehm und kollegial. Da wir mehrfach Zeuginnen und Zeugen aus Sachsen hatten, konnte ich, wenn diese manchmal in sehr starkem sächsischen Dialekt redeten, ab und zu flüsternd zur Seite stehen und helfen. So manches Mal, wenn die Situation in Ostdeutschland in den 90er-Jahren geschildert wurde, kamen bei mir eigene Erinnerungen hoch. Die Ausschusskolleginnen und -kollegen wunderten sich oft, wenn Zeugen aus der rechten Szene schilderten, wie „normal“ sie in einigen Gegenden in Sachsen und Thüringen agieren konnten. Ja, es war wirklich so. Es konnte sehr schnell passieren, dass man angegriffen wurde, wenn man irgendwie „nicht rechts“ aussah. Das reichte vollkommen aus. Mein Bruder wurde in den 90er-Jahren in Sachsen, in Leipzig, zusammengeschlagen, weil er Punk war. Trotz all dieser Widrigkeiten können wir froh sein, dass sich Jugendliche fanden, die nicht tatenlos zusahen, sondern sich zusammenschlossen. Manche wie das Bündnis gegen Rechts in Leipzig gibt es nicht mehr, aber wir sehen uns häufig bei Aktionen in Leipzig. Andere wie das Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen oder die Aktion Zivilcourage und AKuBiZ in Pirna gibt es bis heute, und sie machen professionelle Demokratiearbeit, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) und das, obwohl ihnen – in Sachsen teilweise bis heute – Misstrauen entgegenschlug und sie als Nestbeschmutzer bekämpft wurden. (Zuruf von der LINKEN: So ist das in Sachsen!) Erstmals wurden solche zivilgesellschaftlichen Initiativen mit dem Bundesprogramm Civitas unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung finanziell unterstützt. Seitdem ist zum Glück viel passiert. Die Mittel für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wurden massiv aufgestockt. Selbst die Kolleginnen und Kollegen der Union haben erkannt, dass das Engagement für unsere Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind. Aber bis dahin musste eben viel zu viel Schreckliches passieren, wie wir unter anderem nach der Selbstenttarnung des NSU-Trios herausfanden. Das Versagen der Behörden macht deutlich, wie unverzichtbar eine kompetente Zivilgesellschaft für den Kampf gegen Rassismus ist. Eine Neustrukturierung der finanziellen Förderung forderte bereits der letzte NSU-Untersuchungsausschuss vor vier Jahren. Die Förderung sollte laut damaliger Beschlussempfehlung „auf bundesgesetzlicher Basis auch unter Einbeziehung der Länder“ erfolgen. Gerade die mobilen Beratungsteams und die Opferberatungsstellen sind Beispiele dafür, wo der Westen vom Osten lernen kann; denn dank des Civitas-Programms haben diese Projekte qualitativ hochwertige Arbeit leisten und hohe Standards entwickeln können, die wir jetzt im gesamten Land als Vorbild brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wir Grünen fordern deshalb ein Demokratiefördergesetz zur nachhaltigen Demokratiestärkung und Prävention gegen Rechtsextremismus. (Marian Wendt [CDU/CSU]: Und gegen Linksextremismus!) Damit wollen wir all diejenigen von Antragsbürokratie entlasten, ermutigen und besser fördern, die sich für unsere Demokratie engagieren, besonders in Gegenden, wo es bis heute nicht einfach ist. Rassismus darf in unserem Land nie wieder Menschenleben kosten. Dafür müssen wir auch weiterhin alle gemeinsam alles in unserer Verantwortung Mögliche tun. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Susann Rüthrich für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Susann Rüthrich (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Geflüchteter wird angegriffen und auf dem Polizeirevier gefragt, wie er denn die Angreifer provoziert hätte. Ich unterhalte mich in meinem Bürgerbüro mit einer Mutter, und sie sagt mir: Wissen Sie, Frau Rüthrich, mein Junge studiert jetzt in Wien, und ich bin ganz froh, dass er dort ist, weil ich hier jedes Mal Angst um ihn habe, wenn er mit seiner Afrofrisur draußen herumläuft. – Zwei aktuelle Beispiele für zentrale Fragen: Haben wir aus dem NSU-Desaster genug gelernt? Könnte es uns wieder passieren? Wie Sie bereits gehört haben, haben wir uns mit sehr unterschiedlichen Blickwinkeln diesen Fragen gewidmet. Ich habe mir folgende Fragen für den Untersuchungsausschuss gestellt: Erstens. Die Art der Ermittlungen hat die Opfer des NSU nochmals traumatisiert. Ist ausgeschlossen, dass heute noch so ermittelt wird? Zweitens. Erkennen wir heute die Radikalisierung in unserer Nachbarschaft, wenn Menschen meinen, der Worte seien genug gewechselt, es müssten endlich Taten folgen? Drittens. Sind wir heute darauf eingestellt, die Netzwerke der Rechtsextremen und deren Strategien zu erkennen? Haben wir die Netzwerke enttarnt und unschädlich gemacht, die den NSU umgeben haben? Viertens. Stehen diejenigen heute auf stabilen Füßen, die sich der Radikalisierung entgegenstellen, die politische Bildungsarbeit machen, die die Opfer begleiten, die Kommunen beraten, die zivilgesellschaftliches, vielfältiges Leben organisieren, welches ja bekanntermaßen am besten gegen Rechtsextremismus hilft? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich täte nichts lieber, als alle diese Fragen heute mit Ja zu beantworten; doch das ist leider nicht der Fall. Unzweifelhaft ist viel geschehen. Das, was wir an Strukturen ändern mussten, ist weitestgehend umgesetzt. Das allerdings scheint mir, obwohl es viel Anstrengung kostete, die leichtere Aufgabe gewesen zu sein. Der eingeforderte Mentalitätswandel ist die größere Aufgabe. Sicher, auch die wurde angegangen. Aber ich habe im Ausschuss zu oft gehört, dass in die falsche Richtung ermittelt wurde, jedoch nicht, warum. Warum hat man denn, wenn ein Mord in der Nähe eines Bahnhofs geschah, mit allem Nachdruck und ohne individuelle Anhaltspunkte ins Drogenmilieu ermittelt? Warum war der in der Nachbarschaft liegende Kameradschaftstreff kein Anhaltspunkt für Ermittlungen? Warum? Die Hinterbliebenen haben oft genug gesagt: Wir kennen doch unsere Feinde. Wir denken, es waren Nazis. – Oft habe ich im Ausschuss die Aussage gehört: Na ja, solange wir keine Belege dafür haben, gehen wir nicht davon aus. – Müssen die Opfer den rauchenden Colt liefern, damit in diese Richtung ermittelt wird? Solange hier nicht aktiv gegengesteuert wird, solange entsprechende rassismuskritische Fortbildungen fakultativ bleiben, solange es wenig Auseinandersetzung darüber gibt, inwieweit Vorannahmen dazu führen können, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens nicht angemessen behandelt werden, so lange muss sich eine Behörde Fragen nach dem Umgang mit institutionellem Rassismus gefallen lassen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU]) Ich weiß sehr wohl, dass wohl niemand in einer Behörde absichtlich und überzeugt rassistisch agieren will – um Gottes willen! –, aber gerade deswegen brauchen wir ein aktives Gegenwirken. Zum zweiten Punkt, der Radikalisierung. Beim NSU sieht man exemplarisch, wie sich eine Gruppe innerhalb von circa zehn Jahren immer mehr radikalisiert hat. Und heute? In Freital waren es zehn Monate vom Wort zur Tat. Dauert es irgendwann zehn Wochen? Sind wir so weit, diese Radikalisierungsprozesse zu erkennen? 1 000 Angriffe auf Geflüchtete, deren Unterkünfte und Helfer hat das BKA allein im letzten Jahr gezählt, wie auch in dem davor. Zu selten können die Täter dingfest gemacht werden und wenn, dann ist die Überraschung immer groß: Der ist ja in gar keiner Struktur eingebunden, also Einzeltäter. – 1 000 Einzeltäter pro Jahr? Wissen Sie, ein vom Kölner Nagelbombenattentat Betroffener sagte mir: Wir waren damals gemeint, und wir wissen, wir sind auch heute noch gemeint. Wir sollen uns hier in Deutschland nicht sicher fühlen. Und ihr? Ihr benennt es wieder nicht als das, was es ist: Terror. – Der Mann hat recht. Angst und Schrecken unter Bevölkerungsgruppen zu verbreiten, das ist die spezifische Form rechten Terrors unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der Mehrheitsgesellschaft, weil wir selbst ja nicht bedroht sind. Im Ausschuss fragte ich oft: Wie definieren Sie denn Terror? Antwort: Na ja, halt so was wie eine rechte RAF. – Doch so simpel ist es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Rechter Terror trifft Minderheiten und richtet sich nicht wie die RAF gegen staatliche Repräsentanten. Es braucht auch keine öffentliche Forderung als Bekenntnis. Die Tat ist das Bekenntnis. Die Tat sagt: Wir wollen, dass sich Minderheiten in diesem Land nicht wohlfühlen, dass sie vertrieben werden. – Die Betroffenen wie auch die rechte Szene verstehen das sehr wohl; nur die Mehrheitsgesellschaft versteht es zu oft nicht. Das muss sich ändern. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]) In den Behörden wie auch auf allen anderen Ebenen muss ein neues Verständnis der tatsächlichen Bedrohung einziehen; denn nicht erst, wenn unsere staatliche Ordnung infrage gestellt wird, wie es Zeuginnen und Zeugen häufig definierten, haben wir es mit Rechtsextremismus zu tun. Jeder Angriff auf einen Menschen ist ein Angriff auf uns alle und unsere Werte; denn Artikel 1 des Grundgesetzes schützt die Würde eines jeden Menschen. Zu Punkt drei: Wer hat das Kerntrio unterstützt? Wir als SPD-Fraktion gehen davon aus, dass die drei nicht nach Chemnitz und Zwickau gegangen sind, weil da gerade eine günstige Wohnung frei war. Deshalb fragen wir, wie denn, wenigstens nachdem klar war, dass Nazis gemordet haben, in die rechte Szene vor Ort ermittelt wurde. Offenbar gar nicht oder zu wenig! Es wurde nur gegen diejenigen ermittelt, die durch entsprechende Asservate beim Trio selbst aufgefallen sind. In einer konspirativ agierenden Szene ist das zu wenig. Die von uns in Auftrag gegebenen Gutachten zeigen sehr genau, dass es Verbindungen und Kennverhältnisse hinsichtlich der Tatorte gab. Das mag noch kein Beleg für eine Mittäterschaft sein; aber es kann dazu beitragen, die Fragen der Hinterbliebenen zu beantworten: Warum mein Vater, mein Bruder, mein Sohn, meine Tochter? Zu guter Letzt zur Unterstützung für diejenigen, die das demokratische Netz bilden, das Rassismus und andere Menschenfeindlichkeiten eindämmt. Wir hatten im Koalitionsvertrag und mit den Forderungen aus dem letzten NSU-Untersuchungsausschuss beschlossen, dass es eine eigene gesetzliche Lösung gibt, um die Daueraufgabe „Demokratiebildung gegen Radikalisierung“ dauerhaft abzusichern. Ja, wir haben das Programm „Demokratie leben!“ auf fünf Jahre angelegt und damit auf eine längere Zeit als jedes Programm zuvor. Heute sind über 100 Millionen Euro darin; auch das ist mehr als jemals zuvor. Aber es endet 2018. Ich erwarte, dass dann 2019 endlich das Bundesgesetz kommt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das erwarten auch die Engagierten von uns, und zwar zu Recht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Ausschuss in großer Einmütigkeit zusammengearbeitet. Ich danke allen Mitgliedern dafür. Ja, wir Demokratinnen und Demokraten stehen zusammen gegen Angriffe von rechts. Wir stehen an der Seite der Opfer und Betroffenen. Wir stehen an der Seite derer, die sich für eine demokratische und menschenfreundliche Gesellschaft einsetzen. Lassen Sie uns das auch in Zukunft tun, und zwar nicht nur in einem Untersuchungsausschuss, sondern alle gemeinsam! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Sylvia Jörrißen, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Sylvia Jörrißen (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 25. April dieses Jahres fand in Heilbronn die Gedenkveranstaltung zum zehnten Todestag von Michèle Kiesewetter statt. Vor zehn Jahren wurde die junge Polizeibeamtin an der Theresienwiese ermordet. Ihr Andenken bleibt unvergessen, so wie das der neun weiteren Mordopfer des NSU. Der schmerzliche Verlust, den die Hinterbliebenenfamilien erleben mussten, ist kaum in Worte zu fassen, auch heute noch. 10 Morde, 3 Sprengstoffanschläge, 14 Banküberfälle, das ist die erschreckende Bilanz, die nachhallt, wenn wir heute an den NSU denken. Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 und einer Zeit der Fassungslosigkeit galt es, zu klären, wie es zu diesen schrecklichen Gräueltaten kommen konnte und, was mindestens ebenso wichtig ist, was wir tun können, damit sich so etwas in unserem Land nie wiederholt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aus dieser Grundintention begann hier im Parlament die Zeit der Aufarbeitung. Der Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode hat zahlreiche strukturelle Fehler und Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden zutage gefördert. Schon der erste NSU-Untersuchungsausschuss hat sich in seinem umfassenden Bericht für zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen, an denen wir in dieser Legislaturperiode hart gearbeitet haben. Freilich sind wir noch nicht am Ziel angekommen, und freilich kann der Bericht der 17. Legislaturperiode nur als Zwischenbericht verstanden werden; denn viele Fragen sind damals offengeblieben. Es war daher unverzichtbar, in dieser Wahlperiode einen weiteren Untersuchungsausschuss einzusetzen, um uns der Verantwortung gegenüber den Opfern, gegenüber den Hinterbliebenenfamilien und gegenüber allen Menschen in unserem Land zu stellen. Wir wollen aufklären, was es aufzuklären gibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schon im ersten Untersuchungsausschuss wurde stets hervorgehoben, mit welcher Kooperationsbereitschaft und welcher vertrauensvollen Zusammenarbeit alle Fraktionen gemeinsam an einem Strang gezogen haben. Obwohl ich selbst seinerzeit kein Mitglied dieses Ausschusses war, möchte ich behaupten, dass der zweite Untersuchungsausschuss dieser gemeinsamen und sachorientierten Arbeit in nichts nachstand. Für dieses zielgerichtete und von jeglicher Parteicouleur losgelöste Arbeiten möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ergebnis dieser vertrauensvollen Arbeit ist der rund 1 800-seitige Abschlussbericht. Auch wir kommen nicht umhin, einige Empfehlungen auszusprechen. Einen Punkt möchte ich besonders hervorheben, und zwar die ergebnisoffene Ermittlungsarbeit der Behörden bzw. das Fehlen dieser. Denn was bereits der erste Untersuchungsausschuss herausgefunden hatte, bestätigte sich in zahlreichen Zeugenvernehmungen bei uns. Die Art und Weise, wie Verantwortliche gehandelt haben, macht manchmal den Eindruck, als hätten sie Scheuklappen aufgehabt. Das ist für mich absolut unverständlich. Nur ein Beispiel: Da ist bereits Mitte der 90er-Jahre in einem einschlägigen rechtsgerichteten Magazin die Rede davon, dass man aus dem Untergrund heraus agieren solle, dass man autonome Zellen bilden und Strukturen aufbauen solle – quasi eine ideologische Eins-zu-eins-Blaupause für den späteren NSU. Ein Exemplar wird dann sogar 1998 in der Garage in Jena gefunden. Es war also bekannt. Trotzdem wird bei den Ermittlungen bis zum 4. November 2011 der richtige Schluss, nämlich dass es sich um rechtsmotivierte Taten gehandelt hat, entweder gar nicht gezogen oder aber viel zu schnell wieder verworfen. Meine Damen und Herren, das sind 13 Jahre! 13 Jahre ist niemand auf die Idee gekommen, dies als Ermittlungsansatz heranzuziehen. Ebenso wenig wurde nach dem Auffliegen des NSU überhaupt in Betracht gezogen, dass das Trio nicht allein gehandelt hat. Es fehlte an dezidierten Untersuchungen zu Mittätern, Unterstützern, Netzwerken. Stattdessen hielt man über den gesamten Zeitraum konsequent an der Trio-These fest. In dieser Frage konnten wir wichtige Anregungen für weitere Ermittlungen liefern. Ein Appell für die Zukunft muss also lauten: ergebnisoffene Ermittlungen und mehr Sensibilisierung, was rechtsmotivierte Taten angeht! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Gerade in Zeiten, in denen wir uns zunehmend mit rechtspopulistischen Phrasen konfrontiert sehen, gilt dies umso mehr, national wie international. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Klar ist, dass die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorkommnisse am OLG in München noch nicht abgeschlossen ist. Auf diese Ergebnisse blicken wir ebenso gespannt wie auf die aus den einzelnen Untersuchungsausschüssen der Länder. Auch wenn wir nicht alle Fragen vollends klären konnten, so ist unsere Arbeit hier im Untersuchungsausschuss nun zu Ende. Gestatten Sie mir deshalb noch, den Kolleginnen und Kollegen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere denen des Ausschusssekretariats, ganz herzlich für ihre Arbeit zu danken. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt der Kollege Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über fünfeinhalb Jahre parlamentarischer Aufklärung sind, so will ich einmal sagen, an einem vorläufigen Schlusspunkt angelangt. Zwei Untersuchungsausschüsse, der Innenausschuss des Deutschen Bundestages und das Parlamentarische Kontrollgremium mit einem Sonderermittler haben sich mit dem Fall NSU und seinen Weiterungen befasst. Ich glaube, man kann wirklich sagen: Noch nie in der Geschichte des Deutschen Bundestages wurde ein Sachverhalt so gründlich, so aufwendig parlamentarisch untersucht wie dieser Komplex, wie diese Verbrechensserie. Das zeigt, wie wichtig uns diese Aufklärung war. Ich glaube, dass das Parlament all das untersucht hat, was es untersuchen kann. Viel mehr können Parlamentarier nicht machen. Vielleicht war es sogar manchmal so, dass wir – der Ausschuss bestand ja zur Hälfte aus ehemaligen Polizeibeamten – in einer fachlichen Tiefe gefragt haben, wie es nicht unbedingt von Abgeordneten zu erwarten ist und wie es möglicherweise auch die uns gegenübersitzenden Zeugen nicht erwartet haben. Aber ich glaube, es hat dazu beigetragen, dass wir einiges an neuen Informationen gewinnen konnten. Wenn ich ein untechnisches Fazit unserer Ausschussarbeit ziehen wollte, würde ich sagen: Wir haben mehr herausbekommen als erwartet, aber weniger als erhofft, weil natürlich noch drängende Fragen offengeblieben sind. Dieser Bericht – weit über 1 500 Seiten –, unsere Arbeit als Ganzes, die Arbeit dieses Parlamentes haben, wie ich glaube, drei wichtige Beiträge geliefert: einen Beitrag in der Sache, einen Beitrag für die Opfer und die Familien der Opfer und einen Beitrag für die politische und gesellschaftliche Debatte. Zu allen drei Bereichen will ich kurz ein paar wenige Punkte anführen. Was hat der Ausschuss als Beitrag in der Sache geliefert? Eine der Leitfragen für uns war: War der NSU wirklich nur ein Trio? Kann es sein, dass innerhalb des Trios, so wie es der GBA formuliert, die beiden Männer alle 27 Verbrechen alleine begangen haben – 10 Morde, 2 Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle, verteilt über ganz Deutschland – und nirgendwo Spuren hinterlassen haben, nirgendwo zweifelsfrei von Zeugen erkannt wurden? Sie sind Täter für uns, gar keine Frage. Aber können sie es wirklich alleine gewesen sein? In der Rede der Kollegin Mihalic wurde ja schon deutlich: Wir wissen nicht, wie es war. Aber die Fixierung des Generalbundesanwaltes, der nur die Trio-These im Blick hatte, hat uns nicht überzeugt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir hätten uns schon gewünscht und es für notwendig erachtet, dass man auch anderen Indizien stärker nachgeht. Ich weiß, es gab ein Verfahren gegen unbekannt – wenn der GBA zuguckt, regt er sich vielleicht auf; das wissen wir –; aber unsere Erwartung ist eine andere. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Ich will daran erinnern, warum wir so skeptisch sind, warum wir nicht lockerlassen, warum wir vielleicht auch nerven. Übrigens ist das unsere Aufgabe; wir sind ja nicht für die gute Laune der Exekutive da. (Beifall im ganzen Hause) Als es die sogenannte Ceska-Mordserie gab, die den Namen nach der verwandten Waffe bekommen hat, waren sich die Ermittler sehr schnell einig, wie auch beim Sprengstoffanschlag in der Keupstraße: Das ist organisierte Kriminalität. Sie haben an der These bis in das Jahr 2010 festgehalten. Als die bayerischen Ermittler Zweifel angemeldet haben, ob es nicht vielleicht Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass sein könnte, wurden sie abgebügelt, wurde gesagt: Wir sind uns aber sicher. – Heute wissen wir: Es war ganz anders. Als man den Mord an Michèle Kiesewetter untersucht hat, hatte man nach kurzer Zeit DNA einer weiblichen Person. Die Botschaft lautete: Wir sind uns sicher; jetzt haben wir die Täterin, die Gartenhäuschen aufbricht und Morde begeht. – Alle Zweifel wurden weggewischt. Es hieß: Wir sind uns sicher. Wir suchen eine Frau. – Heute wissen wir: Es war falsch. Jetzt ist man sich sehr schnell sicher gewesen: Der NSU ist nur ein Trio. Die beiden Männer haben alle Taten begangen. Wer daran Zweifel äußert, schürt Verschwörungstheorien. – Nach den Vorerfahrungen wäre ich vorsichtig. (Beifall im ganzen Hause) Deshalb müssen wir immer wieder genau hinsehen. Das Thema DNA haben wir beleuchtet. Wir finden, man hätte mehr tun müssen. Auch hier will ich nur ein Beispiel nennen. Dass man die Wohnung des Terrortrios in der Polenzstraße in Zwickau, wo sie während aller Morde bis 2007 gewohnt haben, nach dem Auffliegen nie – nie! – auf DNA oder Fingerabdrücke untersucht hat, um zu erkennen, wer sich in der Wohnung noch aufgehalten hat, ist für mich nicht zu entschuldigen. Tut mir leid! (Beifall im ganzen Hause) Zu den V-Leuten ist einiges gesagt worden. Ich will auch für meine Fraktion deutlich machen: Bei den politischen Schlussfolgerungen – nicht bei der Aufklärungsarbeit – enden die Gemeinsamkeiten. Das ist aber nicht schlimm. Wir fordern neben den Reformen, die wir auf den Weg gebracht haben, neben einer strengeren gesetzlichen Grundlage, dass, wenn wir schon mit diesem Instrument arbeiten, die Informationsabschöpfung auch so organisiert sein muss, dass Jahre später noch nachvollziehbar ist: Wer hat etwas gemeldet, wer hat nichts gemeldet? Wer hat behauptet, er kenne die drei nicht? – Dass 30, 40 V-Leute im weiteren Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ und des NSU am Ende unter kompletter Amnesie leiden und die drei gar nicht gekannt haben wollen, ist nur schwer nachzuvollziehen. Aber es war nichts in den Akten. (Beifall im ganzen Hause) Wenn ich auf die Uhr blicke, bedauere ich, dass ich eine Minute habe opfern müssen, weil der Kollege Schuster überzogen hat. Aber was will ich machen? Ich will noch auf unseren Beitrag für die Opfer und ihre Familien eingehen, auch an die Adresse der Angehörigen gerichtet, die heute hier sind. Ja, wir haben die Sie quälenden Fragen nicht beantworten können: Warum wurden der Mann, der Vater, die Tochter, die Schwester Opfer? Warum gerade dieser Tatort? Wie lief die Tat ab? – Dennoch glaube ich, dass wir durch die Art und Weise, wie wir Kontakt zueinander gehalten haben, Ihnen gezeigt haben, dass Sie nicht vergessen sind, dass wir an Ihrer Seite sind. Ich möchte mich von dieser Stelle aus ganz herzlich bei Barbara John, der Opferbeauftragten der Bundesregierung, bedanken, die hier große Arbeit geleistet hat. (Beifall im ganzen Hause) Wir haben auch einen Beitrag geleistet für die gesellschaftliche und politische Debatte. Ich bedanke mich als Ausschussvorsitzender bei allen Kollegen für die gute Zusammenarbeit. Unser Konsens war ein starkes Signal für ein starkes Parlament. Das muss man in der Deutlichkeit sagen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Unsere Arbeit hat eine Sensibilisierung für das Thema „gewaltbereiter Rechtsextremismus“ bewirkt. Das ist ein starkes Signal an die Sicherheitsbehörden; auch das muss man deutlich sagen. Die Art und Weise, wie wir uns dem Thema genähert haben, ist ein starkes und eindeutiges Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, wozu dieses Parlament hier beiträgt. Vielen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Ich habe gerade mit der Präsidentin gedealt; ich kriege noch Zeit für ein paar Sätze. – Sie wissen, es ist meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich darf mich vor allen Dingen bedanken, zuerst bei den Männern und Frauen, ohne die wir unsere Arbeit nicht machen könnten: unseren Mitarbeitern. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich bedanke mich bei all denen in den Ausschusssekretariaten, im Parlamentarischen Kontrollgremium, vor allen Dingen bei den Mitarbeitern meines Büros, die mir zum Teil seit 10, ja sogar seit 15 Jahren die Treue halten. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich bedanke mich bei Ihnen allen. – Zunächst beginne ich bei den Kollegen Abgeordneten der Opposition. Wir waren immer, die ganzen 15 Jahre, in denen ich hier war, politisch Konkurrenten, aber immer auch menschlich Kollegen. Dafür vielen Dank an eure Adresse, (Beifall im ganzen Hause) beispielhaft Petra Pau und Irene Mihalic. Ich bedanke mich natürlich bei unserem Koalitionspartner. Es war, Burkhard Lischka, Eva Högl, in dieser Legislatur wirklich eine Zusammenarbeit, wie man sie sich vorstellt. Für eure Parteiführung könnt ihr ja nichts. (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Insofern herzlichen Dank. – Nein, ernsthaft, Burkhard und Eva – die Spitze konnte ich jetzt nicht zurückhalten, aber darum ging es mir nicht –, so arbeitet man zusammen! Es hat viel Spaß gemacht, war wirklich à la bonne heure. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Natürlich richte ich ein Dankeschön an meine eigene Fraktion. 15 Jahre – ich sehe viele bekannte Gesichter. Manche Schlachten haben wir gemeinsam geschlagen. Ich will mich stellvertretend bei Armin Schuster und Stephan Mayer bedanken. Ich glaube, wir waren ein gutes Team, wir haben eine Menge angezettelt, vieles erreicht. Als ein Fraktionskollege mal zu mir gesagt hat: „Was ihr Innenpolitiker euch alles rausnehmt!“, habe ich gesagt: Ja, völlig zu Recht. – (Beifall der Abg. Marian Wendt [CDU/CSU] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Danke schön für eure Unterstützung, eure Zusammenarbeit. Jetzt endet eine Zeit von 15 Jahren – vier Legislaturperioden, in denen ich meinen Wahlkreis Böblingen jeweils als direkt gewählter Abgeordneter hier vertreten durfte. Es war mir eine Ehre. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank auch von uns als Präsidium, lieber Kollege Binninger, für Ihre Arbeit der letzten 15 Jahre hier im Deutschen Bundestag. Ich glaube, der Applaus zeigt Ihnen, dass Sie zu denjenigen gehören, die wir vermissen werden. (Beifall) Das hat auch Ihre Rede eben gezeigt. Ich glaube, ich darf mich für das Präsidium auch dem Dank für die Arbeit im Untersuchungsausschuss anschließen. Sie ist für das Selbstverständnis unseres Hauses eine ganz wichtige Arbeit gewesen, und sie ist unendlich wichtig dafür, damit klar wird, dass Rechtsradikalismus in diesem Land keine Einzelerscheinung ist, sondern wir uns intensiv damit auseinandersetzen müssen. Ich möchte mich auch bei Ihnen, den Angehörigen der Opfer, bedanken, dass Sie heute hier waren. Das ist für uns sehr wichtig. Es ist für uns sehr wichtig, dass Sie sehen, dass wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen wollen, dass wir aufklären wollen, was wir aufklären können. Das Ziel ist – das haben Sie auch bei den Reden hier gehört –: Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen, aber wir möchten, dass Ihnen und den Opfern ein Stück Würde zurückgegeben wird. Das ist unsere Aufgabe hier in diesem Haus. Ich hoffe, dass wir dabei weiterhin zusammenarbeiten werden. Für uns gehört es jedenfalls zum Selbstverständnis unserer Demokratie. Danke schön, dass Sie hier waren. (Beifall) Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des 3. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 18/12950. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 18. Wahlperiode neigt sich dem Ende zu. Man kann sagen: Es war für den Parlamentarismus in diesem Haus eine schwierige Wahlperiode. Das liegt daran, dass der zweite NSU-Untersuchungsausschuss, den wir hier erlebt haben, in der Form, wie er ablief, lieber Kollege Binninger, in diesem Haus die absolute Ausnahme darstellt. Wir haben hier bei der parlamentarischen Kontrolle gerade in Zeiten der GroKo massive Probleme. Das möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen: einmal am Umgang mit Akten und dann am Umgang mit VLeuten. Das ist ein altes Problem, das über die verschiedenen Legislaturperioden tradiert wurde. Zu den Akten: Die Bundesregierung, die wir als Parlament kontrollieren müssen, bestimmt über die Herausgabe der Akten zu den Untersuchungsausschüssen. Sie verweigert manchmal gänzlich, Akten herauszugeben; sie stuft Akten als Geheim oder Streng Geheim ein; und manchmal stuft sie Akten einfach hoch. Wenn die zu Kontrollierenden bestimmen, was die Kontrolleure wissen dürfen, wird der Bock zum Gärtner gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Deswegen ist es richtig, dass der Bundestagspräsident Lammert gestern ein Ende dieser Praxis gefordert und eine Stärkung des Parlaments angekündigt hat. Ein anderes Problem effektiver Kontrolle entsteht durch die untragbaren behördlichen Praktiken beim Umgang mit sogenannten VLeuten. So sind der Öffentlichkeit bis heute die Hintergründe des größten rechtsextremistischen Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik, des Oktoberfestattentats 1980, unbekannt. Die Geheimdienste halten hier, ebenso wie im Fall des ermordeten Generalbundesanwalts Buback, immer noch Informationen zur Beteiligung von VLeuten zurück. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es ist unwürdig, dass dieses Parlament nicht in der Lage ist, diese Hintergründe aufzuklären. Das ist eine schwelende Wunde auch für die Hinterbliebenen der Opfer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt begründete Fälle von Geheimhaltung auch gegenüber dem Parlament; aber sie sind die absolute Ausnahme. Es ist falsch, wenn in einer Demokratie die Geheimhaltung immer wieder unberechtigterweise den Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit erhält. Wie fadenscheinig die Notwendigkeit der Geheimhaltung der Großen Koalition in dieser Legislaturperiode vorgebracht wird, zeigte sich gerade erst im Umgang mit dem Sondervotum der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss. Dieses wollten Sie, meine Damen und Herren der Großen Koalition, in der Geheimschutzstelle versenken, obwohl der Text an keiner einzigen Stelle, Herr Kollege Kaster, einen geheimen Inhalt enthielt. Das ist wirklich die Krönung der Auslese. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das legen Sie fest! Sie legen das fest!) Die Klarnamen der Geheimdienstoperationen „Glotaic“ und „Monkeyshoulder“ durften wir in unserem Sondervotum nicht ausschreiben, und das, obwohl die Namen in der Presse längst vielfach genannt wurden, und das, obwohl – das muss man sich einmal geben – sie vom Ausschussvorsitzenden in einem Buch vier Wochen vor dem PUA-Bericht veröffentlicht wurden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist kein sensibler Umgang mit geheimen Informationen im parlamentarischen Verfahren. Das ist Schikane, es geht nur um das Recht des Stärkeren, und das lassen wir uns nicht gefallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Eines möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Den Schaden hat doch nicht die Opposition, den Schaden haben wir alle als Parlamentarier in diesem Haus, und am Ende des Tages hat den Schaden auch unsere Demokratie. Das Parlament macht sich lächerlich, wenn es nicht selbstbewusst seine Kontroll- und Aufklärungsfunktionen wahrnimmt, sondern wenn es einfach der Bundesregierung und den Geheimdiensten überlassen wird, welche Informationen das Parlament und die Öffentlichkeit bekommen und welche eben nicht. Es kann nicht sein, dass sich die Parlamentarier der Mehrheitsfraktionen zu Prätorianergarden der Regierung machen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Unglaublich! Unerhört! Was für ein Staatsverständnis haben Sie denn?) Mit der Selbstverzwergung dieses Parlaments muss Schluss sein. Ganz herzlichen Dank. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat Nina Warken, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Nina Warken (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt den wunderbaren Satz: „Die größte Waffe der Opposition ist die Information“, und damit, Herr Kollege von Notz, ist nicht die Falschinformation der Öffentlichkeit gemeint. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit allem, was Sie in letzter Zeit so von sich gegeben haben, suggerieren Sie, dass es in der Großen Koalition keine parlamentarische Kontrolle gibt, und das ist schlichtweg falsch. Diese Behauptung wird auch der Arbeit in fünf Untersuchungsausschüssen und anderen Gremien in dieser Legislaturperiode in keiner Weise gerecht. Die Wahrheit ist doch: Wäre es streng nach dem Wortlaut des Grundgesetzes gegangen, hätte es in dieser Wahlperiode keinen Untersuchungsausschuss gegeben. Die Koalition hat aber die Problematik früh erkannt und die Ausschüsse möglich gemacht, und dies ganz bestimmt nicht, weil sie eine parlamentarische Kontrolle verhindern wollte. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wie großzügig!) Nun darf ich als Obfrau über den NSA-Untersuchungsausschuss sprechen. Richtig ist, dass der Ausschuss im März 2014 von allen Fraktionen gemeinsam eingesetzt wurde. Weit überwiegende Teile der Beweis- und Verfahrensbeschlüsse wurden einvernehmlich getroffen. Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren in 70 Sitzungen 90 Zeugen gehört und 2 400 Ordner Beweismaterialien bearbeitet. Wir saßen alle in demselben Ausschuss, und wir haben alle die gleichen Informationen erhalten. Es gab keinen gesonderten Geheimausschuss nach dem Motto: „Zutritt nur für die Große Koalition“. Wir haben Sie auch nicht sonst wie in Ihren Rechten beschnitten. Dort, wo Sie sich ungerecht behandelt gefühlt haben, hat Karlsruhe Ihnen gesagt, dass es nicht so war. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir sehr dankbar! Vielen Dank! Sehr gnädig!) Wir hatten hoffentlich alle den gleichen Anspruch in diesem Ausschuss, nämlich den Anspruch, die Vorwürfe aufzuklären. Aufklären bedeutet aber nicht, dass man schon am Anfang ein Ergebnis vor Augen hat, und dann schreit, die Aufklärung sei behindert worden, wenn sich die eigene Vermutung am Ende nicht als wahr herausstellt. Das ist sie nämlich mitnichten. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Tätigkeiten der Nachrichtendienste befasst, hat man es mit geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten zu tun. Das sollte für uns alle keine Überraschung sein. Der Umgang mit geheimen Akten und geschwärzten Stellen hat vielfach zu Diskussionen im Untersuchungsausschuss geführt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man wohl sagen!) Letztlich müssen wir alle akzeptieren, dass es Bereiche gibt, in denen auch wir als Untersuchungsausschuss nicht alle Informationen erhalten können. Die Möglichkeiten, die wir hatten, haben wir ausgeschöpft. So haben wir alle Gespräche mit der Bundesregierung über die Freigabe geschwärzter Stellen geführt. Das war mühsam, aber es war erfolgreich, und einige Schwärzungen wurden zurückgenommen. Im Übrigen haben Sie als Opposition die im PUAG gegebene Möglichkeit, sich gegen Schwärzungen rechtlich zu wehren, kein einziges Mal wahrgenommen. (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!) Viel Aufregung und viele Vorwürfe hat es rund um das Sondervotum der Opposition zum Abschlussbericht gegeben. Herr Kollege von Notz hat dazu getwittert: „Ein einmaliger + fragwürdiger Vorgang. GroKo verbannt Sondervotum ... in die Geheimschutzstelle“. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Aber auch hier gilt: Information bedeutet nicht Falschinformation. Lassen Sie mich das richtigstellen: (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte noch einmal wiederholen!) Ob etwas geheim ist, darüber entscheidet nicht das Parlament, der Ausschuss oder der Abgeordnete, nein, ob etwas materiell geheim ist, darüber entscheidet die herausgebende Stelle. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch das Problem! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist genau das Problem!) Das sollte Ihnen allen nach jahrelanger Tätigkeit in diversen Kontrollgremien und Untersuchungsausschüssen auch bekannt sein. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau das Problem!) Wie mit einem Dokument, das geheime Informationen enthält, umzugehen ist, ist dann die nächste Frage. Sie können doch nicht im Ernst verlangen, dass ein Ausschusssekretariat, dem Sie Ihr Sondervotum mit geheimen Stellen und der Notwendigkeit, den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren, vorlegen, das einfach so fröhlich veröffentlicht. Nein, das muss in die Geheimschutzstelle. Dort kann es von den Abgeordneten eingesehen werden, dort kann es vom Sekretariat geprüft und freigegeben werden. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das Buch des Ausschussvorsitzenden freigegeben?) Nicht wir haben Ihr Sondervotum in die Geheimschutzstelle verbannt, nein, das haben Sie selbst getan. Die Alternative wäre gewesen, einen Text vorzulegen, der ungeschwärzt direkt veröffentlichungsfähig ist. Dafür, dass Sie dazu nicht in der Lage sind, sind nicht wir verantwortlich, sondern Sie selbst. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!) Das Verfahren bezüglich Ihres Sondervotums war alternativlos. Die Ursache dafür liegt bei Ihnen: Nach dem gemeinsam beschlossenen Zeitplan hat die Koalition ihren Bewertungsteil am 28. April 2017 vorgelegt. Mit 41 Tagen Verspätung haben Sie Ihr Sondervotum vorgelegt, nämlich am 19. Juni 2017. Sie haben es zuerst der Presse vorgestellt und dann dem Ausschuss übermittelt. Somit konnte weder das rechtliche Gehör vorab gewährt werden, noch konnten zu schwärzende Stellen gegebenenfalls freigegeben werden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist alles an der Sache vorbei!) Wir sind als Untersuchungsausschuss verpflichtet – das dürfte Ihnen auch bekannt sein –, zum Abschluss unserer Tätigkeit einen Bericht vorzulegen. Da dies die letzte Sitzungswoche in dieser Wahlperiode ist, war es zwingend, den Bericht in der vergangenen Woche zu verabschieden und in dieser Woche zu debattieren. Von daher hat der Vorsitzende zu Recht den Vorschlag gemacht, dass das Votum dem Abschlussbericht beigefügt wird und die geschwärzten Stellen sukzessive nach entsprechender Prüfung freigegeben werden. Bereits am 22. Juni 2017 wurde eine vorläufige, veröffentlichungsfähige Fassung erstellt und dem Abschlussbericht beigefügt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, halt ohne Opposition!) Die Stellen, die darin noch geschwärzt sind – das muss man auch einmal sagen –, betreffen zu zwei Dritteln die Gewährung rechtlichen Gehörs. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Warken. Nina Warken (CDU/CSU): Die Wahrheit ist also: Es gab keine Alternative, als mit dem Abschlussbericht so zu verfahren, wie damit verfahren wurde. Sie haben hier ein unwürdiges Spektakel veranstaltet, mit dem Sie vor allem bezwecken wollten, dass über den Abschlussbericht in dieser Woche nicht diskutiert werden kann. Das ist Ihnen nicht gelungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Alle folgenden Rednerinnen und Redner möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde maximal fünf Minuten beträgt. Das ist nicht das Minimum, sondern das Maximum. Jetzt hat die Kollegin Martina Renner, Fraktion Die Linke, das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Martina Renner (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin Warken, Sie wissen, dass das, was Sie eben gesagt haben, Widerspruch hervorruft. (Nina Warken [CDU/CSU]: Keine Falschinformationen!) Sie haben zu Recht ausgeführt: Die herausgebende Stelle entscheidet über den Einstufungsgrad der Akte. (Nina Warken [CDU/CSU]: Die Information, die in dem Sondervotum enthalten ist, ist natürlich gemeint!) Und wer war die herausgebende Stelle? Bei einem Sondervotum ist dies die Opposition. (Nina Warken [CDU/CSU]: Sie können da nicht einfach geheim eingestufte Dinge reinschreiben!) Es ist unser vornehmes Recht, in einem Sondervotum unsere eigenen Feststellungen und Bewertungen aufzuschreiben, ohne dass Sie eingreifen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch Ihr Hinweis darauf, dass wir das Sondervotum mit 43 Tagen Verzögerung vorgelegt haben, stimmt nicht. (Nina Warken [CDU/CSU]: 41!) Wir konnten das Sondervotum erst erstellen, nachdem Sie Ihre Bewertungen und Feststellungen abgegeben haben, weil das Sondervotum die abweichende Meinung der Opposition widerspiegelt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!) Und wenn Sie 17 Tage zu spät sind, (Nina Warken [CDU/CSU]: Wir waren nicht zu spät! – Gegenruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!) dann können wir nicht pünktlich einlaufen. Hören Sie auf, zu lügen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man muss wirklich sagen, dass hier die Debatte von gestern fortgesetzt wird. Auch gestern dachte man teilweise, man ist im falschen Film. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja, bei Ihnen!) Der Ausschussvorsitzende hat gestern die Einmütigkeit und Einigkeit im NSA-Untersuchungsausschuss besungen. Man fragt sich wirklich, wo er die letzten drei Jahre gewesen ist. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Er hat drei Jahre lang mitgeholfen, die Opposition in diesem Ausschuss durch vielfältige Beschlüsse und vielfältige Dinge, die sich im Geheimen abspielten, massiv zu behindern. Teilweise hat man sogar versucht, den Rednern der Opposition in Auseinandersetzungen das Wort zu entziehen. Ich erinnere mich gut. Ich weiß nicht, ob Herr Sensburg mittlerweile geblitzdingst wurde, sodass er das alles nicht mehr weiß. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Sensburg ist dafür verantwortlich, dass in einem einmaligen Vorgang in diesem Haus die Berichterstatter der Oppositionsfraktionen abberufen wurden, ohne zu fragen, ob die Stellvertreter an ihre Stelle treten. Und er hat in der Presse dreist über die Gründe gelogen. (Zuruf von der CDU/CSU: Eine Unverschämtheit, diese Unterstellungen!) Er hat gesagt, wir hätten grundlos unsere Unterschrift verweigert. Das ist nicht der Fall. Der Grund lag in Ihrer Einstufung unseres Sondervotums als Geheim und in nichts anderem. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/CSU]: Sie haben geheime Sachverhalte veröffentlicht!) Das war der Höhepunkt einer Kampagne gegen die Kontrollfunktionen des Parlaments, die allein auf dem Dogma beruht, dass Regierungsinteressen identisch mit dem Staatswohl sind. Aber das sind sie nicht. (Marian Wendt [CDU/CSU]: Die Regierung ist für den Staat verantwortlich!) In einer Demokratie übt nämlich das Parlament eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus. Wer diese Kontrolle sabotiert, der beraubt nicht nur die Opposition ihrer demokratischen Rechte, sondern schadet auch der Demokratie. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich nenne einige Beispiele. Auch in dieser Legislatur wurde der NSU-Untersuchungsausschuss in seiner Arbeit massiv behindert. Der ehemalige BfV-Präsident Fromm verschwieg jahrelang den Tatverdacht gegen einen V-Mann im Zusammenhang mit dem NSU-Anschlag auf einen iranischen Lebensmittelladen. In seiner Befragung wurde offenbar: Solange Parlamentarier nicht anderweitig über die Machenschaften der Dienste informiert werden, erfahren sie aus den Geheimdiensten nichts, wie viele Beweisbeschlüsse sie auch stellen. Und wenn Verschweigen nicht reicht, dann wird eben das Staatswohl als Begründung für die Verweigerung von Akten herangezogen. So geschah es auch im Fall von Ralph H., einem mutmaßlichen Unterstützer des NSU, der Medien zufolge als V-Mann angeworben werden sollte. Die Akten könnten Aufschlussreiches über das Wissen des Verfassungsschutzes bezüglich des NSU offenbaren. Doch lesen durfte der Ausschuss die Akten nicht. Auch im NSA-Untersuchungsausschuss verweigerte die Bundesregierung Akten mit dem Argument, das Thema hätte gar nichts mit dem Untersuchungsauftrag zu tun. Dabei weiß die Bundesregierung und wissen auch Sie ganz genau, dass das Verfassungsgericht klar geregelt hat, dass der Ausschuss entscheidet, was zum Thema gehört – und eben nicht die Regierung oder die Große Koalition. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie haben eine verdrehte Rechtsauffassung!) Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass 2010 ein deutscher Islamist im Foltergefängnis Bagram in Afghanistan von Verfassungsschutzbeamten verhört wurde. Einen Tag später ist ein anderer deutscher Islamist im angrenzenden Pakistan von einer US-Drohne getötet worden. Die Akten darüber durften wir nicht lesen. Dabei ist die deutsche Rolle im Drohnenkrieg Thema des Untersuchungsauftrages gewesen. Eine weitere Posse: Wir sollten in unserem Sondervotum nicht schreiben dürfen, was der Ausschussvorsitzende in seinem Buch ausplaudert. Er zitiert offen aus einer BND-internen Mail, während diese Passage in unserem Sondervotum geschwärzt wurde. Mein Kollege Konstantin von Notz nannte das Schikane. Ich nenne es reine Willkür. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch der Bericht der Datenschutzbeauftragten über die BND-Stelle Bad Aibling sollte geheim bleiben. Es geht dabei um 18 schwerwiegende Rechtsverstöße und 12 Beanstandungen. Das war einzig und allein VS-Grad Vertuschung und nichts anderes. Bei parlamentarischen Anfragen machten wir ähnliche Erfahrungen. Immer wieder kriegen wir vorgefertigte Satzbausteine: Eine Beantwortung sei nicht möglich, weil sie die Arbeit der Dienste oder das Wohl des Staates gefährden könnte. Genau gegen diese Haltung klagen wir im Zusammenhang mit unseren Kleinen Anfragen zum Oktoberfestattentat vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn diese Haltung läuft darauf hinaus, die Aufklärung zu verhindern. Mit dieser Haltung wird die Strafverfolgung der NSU-Verbrechen ebenso wie die vollständige Aufklärung des Oktoberfestattentates behindert. Aber auch die illegalen Machenschaften der NSA und des BND bleiben ohne Folgen für die Verantwortlichen. Damit werden wir uns nicht abfinden, auch wenn Sie unsere Berichte an die Geheimschutzstelle schicken, – Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Renner. Martina Renner (DIE LINKE): – ich bin fertig – Akten zurückhalten oder sich von den Geheimdiensten wie an einem Nasenring durch die Arena ziehen lassen. Wir bleiben dabei: In einer Demokratie bedeutet Staatswohl, dass das Parlament die Regierung kontrolliert – und nicht umgekehrt. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und wenn diese Regierung das anders sieht, dann brauchen wir eine andere Regierung. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Uli Grötsch. (Beifall bei der SPD) Uli Grötsch (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich verspreche, mich etwas kürzer zu fassen als meine Vorrednerinnen und Vorredner. – Liebe Kolleginnen und Kollegen – hoffentlich wieder alle ohne roten Kopf und geschwollene Halsschlagader –, (Martina Renner [DIE LINKE]: Manchmal wäre es besser, ihr würdet euch auch engagieren!) als ich die Überschrift zu dieser Aktuellen Stunde – „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der großen Koalition“ – gelesen habe, habe ich mir gedacht: Das klingt eher wie der Titel eines Buches als wie die Überschrift einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Buch heißt Unter Freunden!) Aber natürlich steht es uns allen – und erst recht dem Parlament – gut zu Gesicht, wenn wir über unsere Arbeit im Parlament berichten – und nicht anderswo. Das ist erst recht so, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es um ein so sensibles Thema wie die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste geht. Aber sei’s drum. Die Aktuelle Stunde gibt mir am Ende dieser Wahlperiode Gelegenheit, zusammenzufassen, was die Große Koalition im Bereich der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste getan hat. Und ich glaube, sagen zu dürfen: Das war wirklich jede Menge. Zu Beginn der Wahlperiode war natürlich im Lichte der Lage um das Handy der Kanzlerin bzw. im Lichte der Enthüllungen von Edward Snowden sofort allen klar: Wir müssen etwas machen. Und ich darf behaupten: Wir haben etwas getan. Wir haben die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in dieser Wahlperiode umfassend neu geregelt. Damit haben wir übrigens auch die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode aufgegriffen. Der durch die Gesetzesreform neu installierte Ständige Bevollmächtigte und die neuen Mitarbeiter werden – davon bin ich überzeugt – den Mitgliedern des PKGr bestmöglich zuarbeiten. Erste sehr positive Erfahrungen damit haben wir inzwischen schon gemacht, Kollege Hahn. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das kann man auch anders sehen!) Das heißt aber nicht, dass wir Abgeordneten unsere Kontrollrechte nicht auch in Zukunft ausüben könnten. Ganz im Gegenteil: Wir erteilen Weisungen an den Ständigen Bevollmächtigten und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch dadurch wird die parlamentarische Kontrolle in Zukunft effizienter und wirksamer sein. Wir müssen aber natürlich schon auch noch feststellen: Es läuft noch nicht alles rund. Die Akten im Fall Anis Amri hätten beispielsweise, wie es sich meiner Meinung nach gehört, für die Abgeordneten im Parlament vorliegen müssen. Als Mitglied der sogenannten Task Force im Fall Anis Amri habe ich es schon als befremdlich empfunden, unter ständiger strenger Aufsicht und ausschließlich im Bundeskanzleramt diese Akteneinsicht vornehmen zu können. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das kann in Zukunft nicht so bleiben. Darüber werden wir in der neuen Wahlperiode reden müssen. (Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Wir als Koalitionsfraktionen haben der Opposition schon ganz zu Anfang dieser Wahlperiode freiwillig Minderheitenrechte eingeräumt. Weil die Opposition aufgrund ihrer geringen Größe das Quorum für Untersuchungsausschüsse nicht erreichen konnte, haben wir uns verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss schon bei Zustimmung von mindestens 120 Abgeordneten möglich zu machen. Davon haben Sie nun wirklich regen Gebrauch gemacht. Ich glaube, es gab in den 50er-Jahren zuletzt eine so große Zahl von Untersuchungsausschüssen in einer einzigen Wahlperiode des Bundestages. Nur dank der Aufklärung durch den NSA-Untersuchungsausschuss – mein ausdrückliches Kompliment an alle, die in diesem Untersuchungsausschuss auf ihre Art und Weise mitgewirkt haben – konnten wir als Gesetzgeber aus dem, was Sie erarbeitet haben, schon Konsequenzen ziehen. Ich halte es für den elementar wichtigsten Punkt des NSA-Untersuchungsausschusses, dass die Defizite, die es gab, in Zukunft nach dem neuen BND-Gesetz so nicht mehr möglich sein werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Daran, dass all das, was wir in dieser Wahlperiode gemacht haben, möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss ist und dass der neue Bundestag das nach der Bundestagswahl in der neuen Wahlperiode womöglich noch einmal etwas genauer fassen und etwas nacharbeiten muss, glaube ich schon. Das gilt durchaus auch bezüglich der Einstufung von Akten durch die Bundesregierung. Auch darüber wird der neue Bundestag meiner Meinung nach zu beraten und zu entscheiden haben, weil auch in diesem Bereich die Arbeit des Parlaments und die Arbeit von uns Parlamentariern nicht behindert werden darf. Sofern der Wähler und die Wählerin es wollen, werden viele von denen, die ein Interesse an der Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle haben, in der neuen Wahlperiode wieder dabei sein. Ich würde mich freuen, dann auch wieder mit Ihnen in diesem Bereich zusammenarbeiten zu können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Bernhard Kaster. (Beifall bei der CDU/CSU) Bernhard Kaster (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zunächst einmal meiner Kollegin Nina Warken dankbar, dass sie die Dinge hier (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Falsch darstellt!) einmal klargestellt und bezüglich der Geheimhaltung und des Fristenverlaufs aufgeklärt hat, was wir dazu in den letzten Wochen erlebt haben. Wir werden hier keine Legendenbildung zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage es ganz schlicht: Die Ergebnisse – speziell im NSA-Untersuchungsausschuss – haben Ihnen – ich sage es einmal so – nicht gefallen. Dann tun Sie das, was Sie immer tun, wenn Ihnen die Inhalte ausgehen oder nicht reichen: Dann wird ein geschäftsordnungsrechtliches Spektakel aufgeführt. Die Verweigerung der Unterschriften war eindeutig sachwidrig. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Kaster, ich bitte Sie! Wir haben das doch am Freitag besprochen! Da haben Sie kein Wort gesagt!) Das war ein Klassiker der Geschäftsordnung. Der Vorsitzende konnte überhaupt nicht anders handeln. Am Schluss war es letztendlich ein einziges Verzögern, Verschleppen und Vereiteln. So war der Ablauf! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, mit Ihnen setze ich mich noch einmal an einen Tisch! Wirklich unfassbar!) Wir mögen ja noch Verständnis dafür haben, dass man hier ein entsprechendes, auch formales Spektakel macht. Aber wir haben kein Verständnis dafür – da frage ich nach Ihrem Staatsverständnis –, wenn Sie politisch darüber beschließen wollen, was geheimhaltungswürdig ist, was also der Geheimhaltung unterliegt. Sie können in eigener Verantwortung wie jeder andere auch veröffentlichen, was Sie denken veröffentlichen zu können. Aber der Bundestag – das gilt auch für das Ausschusssekretariat – ist an Recht und Gesetz gebunden. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich erinnere noch einmal daran, dass die Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses von allen Fraktionen gemeinsam vereinbart wurde. Das heißt, wir hatten einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag, ein gemeinsames Untersuchungsinteresse. Es ist vollkommen normal, dass die Sichtweisen auf die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses zwischen Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen unterschiedlich sind. Was wir aber erwartet haben, speziell in diesem Untersuchungsausschuss, der sich zwangsläufig mit geheim eingestuften Sachverhalten und Akten beschäftigen musste, war ein verantwortungsvoller Umgang mit Vorgängen, die die Sicherheit Deutschlands unmittelbar und ganz konkret berühren. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben da, meine Damen und Herren, eine dreifache Verantwortung. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zu Sensburgs Buch, Herr Kaster! Unfassbar! Nie dabei, aber hält hier so eine Rede!) Wir haben erstens die Verantwortung für die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Nachrichtendienste. Dafür tragen wir Verantwortung. Wir haben zweitens eine Verantwortung für die Zusammenarbeit mit Partnerdiensten. Die Zusammenarbeit mit Partnerdiensten – das brauche ich doch hier nicht groß zu erklären – ist nötiger denn je. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sitzt man mit am Tisch, und er sagt kein Wort!) Es wurde auch im Ausschuss offensichtlich, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist. Die dritte Verantwortung tragen wir schlichtweg für unsere Bürgerinnen und Bürger. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bigotterie! Wirklich!) Sie erwarten, dass unsere Dienste arbeiten können, dass wir ihnen vertrauen können und dass unsere Sicherheitsbehörden auch vom Parlament geschützt werden. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein unkollegiales Verhalten! Unfassbar!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Parlament, der Deutsche Bundestag, ist – ich jedenfalls kenne kein anderes – in seiner gesamten Arbeitsweise durch die rechtlichen Rahmenbedingungen – Gesetze und unsere Geschäftsordnung – so sehr von Minderheitenrechten und Oppositionsrechten geprägt wie kein anderes Parlament. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) – Dann müssen Sie ein anderes nennen. – Oder nennen Sie mir ein Parlament auf dieser Welt – so hat es damals unser Bundestagspräsident ausgedrückt –, das wie der Deutsche Bundestag unter der Großen Koalition überhaupt auf die Idee kommt, zu Beginn einer Legislaturperiode die Geschäftsordnung für eine Legislaturperiode im Interesse der Opposition an zig Stellen zu verändern. Allein elf Quoren haben wir in der Geschäftsordnung verändert, nur um der Opposition mit ihrem schwachen Wahlergebnis weiterhin Oppositionsarbeit zu ermöglichen. (Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quark! – Weitere Zurufe von Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie werden auch nicht bestreiten, dass diese Regelungen eingehalten werden. Das zeigen auch die fünf Untersuchungsausschüsse. Im Übrigen hat mit Blick auf die Quoren das Bundesverfassungsgericht festgehalten: Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen Quoren für die Ausübung parlamentarischer Minderheitenrechte steht die bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers entgegen. So das Bundesverfassungsgericht. Aber ich will, meine Damen und Herren, nicht falsch verstanden werden. Diese Geschäftsordnungsänderungen waren keine gönnerhafte Geste. Nein, wir stehen dazu. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt relativieren Sie es doch nicht!) Wir wollten die Stärkung der Oppositionsrechte. Wir erwarten auch keinen Dank. Das wäre Unsinn. Aber dass Sie in der letzten Sitzungswoche ausgerechnet das Thema „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition“ auf die Tagesordnung setzen, und zwar in dem Wissen, was alles geändert worden ist, halten wir – ich sage es ganz diplomatisch – für unangemessen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Hartmann [SPD]) Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Parlamentarische Kontrolle ist eine Aufgabe für das gesamte Parlament, unabhängig davon, wie die politischen Konstellationen sind. Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die parlamentarische Kontrolle ist die wichtigste Aufgabe dieses Parlamentes. Ich will jetzt in meinem letzten Redebeitrag in diesem Parlament – ich hatte das schon einmal gesagt, will es aber insbesondere jetzt tun – ganz persönlich sagen: Wir brauchen ein starkes Parlament. Wir brauchen starke Abgeordnete, die die Kontrollaufgaben gemeinsam wahrnehmen. Wenn wir ein starkes Parlament bzw. starke Abgeordnete wollen, dann müssen wir darauf achten – dabei geht es weniger um die politische Konstellation –, dass das, was in der Verfassung verankert ist, nämlich das freie Mandat, weiter gestärkt wird. (Martina Renner [DIE LINKE]: Da braucht man aber auch Rückgrat! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie es doch einfach, statt darüber zu reden!) Wir hatten, gut gemeint, an der einen oder anderen Stelle im Abgeordnetenrecht immer wieder Änderungen vorgenommen, die letztendlich – man kann es so sagen – das freie Mandat reguliert, kontrolliert oder auch eingeschränkt haben. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die längsten fünf Minuten meines Lebens!) Mein Wunsch wäre, dass die wichtigste Aufgabe des Parlamentes, die Kontrolle der Regierung oder eben, wie es heute heißt, die parlamentarische Kontrolle unabhängig davon, wie die Konstellationen sind, gewährleistet ist. Das Parlament muss immer in der Lage sein, seine Aufgaben in vielfältiger Weise und in jeder Form immer auch auf Augenhöhe mit der Bundesregierung und den anderen Verfassungsorganen wahrzunehmen. Das, denke ich, ist wichtig. Dann funktioniert parlamentarische Kontrolle auch weiterhin. In diesem Sinne kann dieses Parlament dann weiter arbeiten. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich bitte aber jetzt alle Nachfolgenden, in der Aktuellen Stunde nicht mehr Zeit durch lange Dankesreden abzuschöpfen. Der nächste Redner für die Fraktion Die Linke ist Dr. André Hahn. (Beifall bei der LINKEN) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel dieser Aktuellen Stunde böte ausreichend Stoff, um einen ganzen Plenartag zu bestreiten. Ich kann nur auf wenige Beispiele eingehen. Welche negativen Auswirkungen es auf die parlamentarische Arbeit hat, wenn Union und SPD alles dominieren und der Opposition kaum Luft zum Atmen lassen, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) zeigt die zu Ende gehende Wahlperiode dieses Bundestags. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das hat mit der Debatte überhaupt nichts zu tun!) Im Übrigen: Herr Sensburg, Sie sind offenbar zu feige, in dieser Debatte Stellung zu nehmen. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie hier zu Ihrem Agieren im Untersuchungsausschuss Position beziehen. (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Die Debatte war gestern!) In diesem NSA-/BND-Untersuchungsausschuss verhinderten Bundesregierung und Koalition, dass Edward Snowden als Kronzeuge hier in Berlin aussagen konnte, (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dreimal gerichtlich beurteilt!) weil man Angst vor dem Unmut der Vereinigten Staaten hatte. Wir haben gestern den Abschlussbericht diskutiert, und es sind vielfach Beispiele genannt worden, wie die Aufklärungsbemühungen der Opposition be- oder gar verhindert worden sind. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dreimal gerichtlich verloren!) Ja, es gibt Sonderregelungen für Untersuchungsausschüsse in unserer Geschäftsordnung. Aber wir haben ein zentrales Instrument, das wegen des Quorums überhaupt nicht zur Anwendung kommen kann, nämlich die Normenkontrollklage. Sehen wir uns nur einmal an, was Sie mit dem neuen BND-Gesetz gemacht haben: Sie haben damit alle Regelungen, die der Untersuchungsausschuss als grundgesetzwidrig, gegen geltende Gesetze verstoßend oder als in eine Grauzone fallend festgestellt hat, im Nachhinein legitimiert. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wie denn? Wurde vom Untersuchungsausschuss nie festgestellt!) Dieses Gesetz würde natürlich vom Verfassungsgericht gekippt werden. Aber im Moment kann es niemand anrufen, und ich bin sicher: Es wird leider noch Jahre dauern, bis dieses Gesetz aufgehoben wird. Sie nehmen das alles in Kauf, ohne auch nur ansatzweise auf die Argumente der Opposition einzugehen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hanebüchen! Sie machen Ihrem Namen alle Ehre!) Das Parlamentarische Kontrollgremium soll die Geheimdienste in diesem Land kontrollieren, kannte aber bis vor kurzem nicht einmal das Auftragsprofil der Bundesregierung für den Bundesnachrichtendienst. Wie aber soll man prüfen, ob sich der BND an seinen Auftrag hält, wenn dieser selbst vor den Abgeordneten geheim gehalten wird? Inzwischen kennen wir das Auftragsprofil, aber nicht etwa, weil die Bundesregierung Einsicht gezeigt und es uns zur Verfügung gestellt hat, nein, sondern nur dank eines CIA-Spions im BND. Der hat nämlich unter anderem dieses supergeheime Dokument geklaut und an die Amerikaner weitergegeben. (Nina Warken [CDU/CSU]: Das finden Sie toll?) Als der Mann aufflog und es zur Anklage kam, konnten wir es in den Unterlagen der Generalbundesanwaltschaft finden. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist eine Posse!) Ansonsten hätten wir es vermutlich bis heute nicht bekommen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Skandal!) Alles, was der GroKo in die Quere kommt oder einfach nur unbequem ist, wird abgeschafft, selbst lange geübte demokratische Gepflogenheiten wie der jährliche Wechsel beim Ausschussvorsitz im Kontrollgremium zwischen Koalition und Opposition. Jetzt, wo die Koalition einen ihr genehmen sogenannten Ständigen Bevollmächtigten installiert hat, der künftig die Arbeit eines großen Mitarbeiterstabes koordinieren soll, darf natürlich kein Linker den Ausschuss führen. Schließlich hätte der dann Weisungsbefugnisse gegenüber dem Bevollmächtigten und vielleicht auch Einfluss auf die Auswahl der einzustellenden Mitarbeiter und könnte kritische Geister befördern. Das darf nicht sein. Also ändern Union und SPD mitten in der Wahlperiode einfach mal schnell das Gesetz und dann die Geschäftsordnung, um einen linken Vorsitzenden zu verhindern. „Super Demokraten!“, kann man da nur sagen. Angeblich sollen die Abgeordneten ja in ihrer Tätigkeit unterstützt und entlastet werden, aber die Vertreter der Opposition haben keinerlei Einfluss auf die Auswahl auch nur eines einzigen Mitarbeiters. Wir können auch keine eigenen Mitarbeiter anstellen, also Leute, die wir aussuchen, damit sie für uns Akten lesen können. Wenn man dann noch in die Ausschreibungskriterien schreibt, dass Voraussetzung für die Einstellung der neuen Mitarbeiter unter anderem eine frühere Tätigkeit bei den Geheimdiensten sein soll, dann werden in Zukunft ehemalige BND- und Verfassungsschutzleute ihre früheren Kollegen kontrollieren helfen. Was dabei herauskommt, kann sich wohl jeder vorstellen. (Beifall bei der LINKEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Unglaublich!) Zur Einstufung von Dokumenten und Schwärzungen bei Akten ist schon einiges gesagt worden. Nur ein Beispiel: Im Ordner des Kanzleramts fand sich auf einer Seite die Überschrift: Weiterer Umgang mit der Causa Snowden. – Danach folgten vier geschwärzte Seiten. Begründung der Regierung: kein Bezug zum Untersuchungsgegenstand. Wie absurd ist das denn? Dieser Ausschuss wurde nach den Snowden-Veröffentlichungen wegen Snowden eingesetzt. Nein, es wird geschwärzt, und Akten werden uns vorenthalten. Es gab im Untersuchungsausschuss auch mehrfach streng geheime Sitzungen. Streng geheime Sitzungen sind nur dann möglich, wenn der Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Der Bestand der Bundesrepublik Deutschland war nie gefährdet, (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber Sie wollten einfach verhindern, dass hochbrisante Informationen in den Abschlussbericht kommen. Nur deshalb hat die Koalition diese Sitzungseinstufung beschlossen. Schließlich, ganz zum Schluss, komme ich zum Konsultationsverfahren, das immer vorgeschoben wird, wenn es Kooperationen mit anderen Geheimdiensten gibt. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Seit Jahrzehnten gibt es das!) Man müsse die anderen Dienste fragen, ob wir die Dokumente sehen könnten. Ich sage Ihnen, was passiert, wenn Sie so weitermachen: Dann wird der BND künftig all seine Operationen zum Beispiel mit dem luxemburgischen Geheimdienst machen. Wenn der Nein zur Einsichtnahme in Dokumente sagt, dann ist jede parlamentarische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes ausgehöhlt. Herr Mayer, ich weiß Sie sagen, das werden wir nicht machen, so etwas kommt angeblich nicht vor. Wissen Sie, ich traue dieser Großen Koalition und insbesondere der CDU/CSU inzwischen alles zu, auch, dass Sie das machen würden. Auch deshalb muss diese Regierung schnellstens abgelöst werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion ist Susanne Mittag. (Beifall bei der SPD) Susanne Mittag (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will das Ganze mal wieder herunterfahren. (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Am gestrigen Tage haben wir nach dreieinhalb Jahren – das war der Anlass – die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses im Plenum vorgestellt. Das war eine langwierige gemeinsame Arbeit, aber sie war auch von einer konstruktiven Atmosphäre geprägt. Ich will nicht, dass am Ende hier der Eindruck entsteht, wir hätten uns nur in der Wolle gehabt. Manchmal sind wir uns nicht einig gewesen, wir haben uns aber irgendwie zusammengerauft. Sowohl der Vorsitzende als auch ich als Stellvertreterin haben versucht, zwischen konträren Positionen zu vermitteln. Bevor die Wogen hochschlagen: Okay, gelegentlich hatte auch der Vorsitzende eine kontroverse Position, aber das gehört wahrscheinlich zur Diskussion dazu. Ich kann mich gut an diverse Obleuterunden und Beratungssitzungen erinnern, in denen wir versucht haben, Kompromisslinien auszuloten. Das ist auch passiert. Wir haben auch versucht, den Wünschen der Opposition entgegenzukommen, und wir wollten immer alle Fraktionen so weit wie nur irgend möglich einbinden und gemeinsam den Untersuchungsauftrag des Parlaments erfüllen. Das ging immerhin über dreieinhalb Jahre, und das ist uns sehr oft gelungen. Viele Beweisanträge wurden im NSA-Untersuchungsausschuss gemeinsam gestellt. Umstrittene Mehrheitsentscheidungen gab es also relativ selten. Wir waren uns in vielen Dingen einig, zum Beispiel, wenn wir der Bundesregierung verdeutlichen mussten, dass wir nicht akzeptieren, dass sie uns zwar Akten überreicht, die dann aber, wie schon mehrfach erwähnt, seitenweise geschwärzt waren. Teilweise wurden sogar die Seitennummern geschwärzt. Da fragt man sich: Was soll das denn? Damit komme ich zu einem Punkt, der regelungsbedürftig ist: Wie können Betroffene eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gleichzeitig die Entscheider darüber sein, wie die sie betreffenden Unterlagen eingestuft werden? Das widerspricht jeder sogenannten Ermittlungslogik, auch wenn das natürlich kein Strafverfahren ist. Zu diesem Thema hatten alle Fraktionen längere Diskussionen mit der Bundesregierung und dem Kanzleramt. Wir hatten sozusagen schon eine kleine Verhandlungsgruppe gegründet, um die Schwärzungen immer wieder abzuwägen, und danach wurden einige von den Unterlagen wieder sichtbar. Das war ein echtes Problem. Das muss aber grundsätzlich und unabhängig geregelt werden. Das hätte die Arbeit von uns allen im Untersuchungsausschuss sehr erleichtert. Herr Lammert hatte bei der Übergabe gestern ebenfalls auf die Problematik hingewiesen. Mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: … erforderlich sei „ein anderes Verfahren zur Einstufung von Dokumenten“; sonst bleibe es letztlich der Regierung überlassen, zu entscheiden, was untersucht werden dürfe und was nicht. Und das macht auch eine Regierung unnötig angreifbar. Nun gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit dem Minderheitenvotum umzugehen ist. Wir haben uns gemeinsam zur Abgabe der Voten zusammengesetzt. Es gab eine Verlängerung der Frist. Es war auch allen Beteiligten klar, welche Voraussetzungen das Sondervotum erfüllen muss, damit es veröffentlichungsfähig ist: Es durfte keine eingestuften Informationen enthalten und auch kein rechtliches Gehör auslösen. – Diese Dinge sind schon seit Jahren gesetzlich geregelt. Das wussten alle Beteiligten. Das kann man nun wirklich dem Ausschusssekretariat nicht zum Vorwurf machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: So ist das! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es ja selbst geschwärzt! Das ist nicht das Problem!) – Ganz in Ruhe: einmal Sie, einmal ich. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wieder ich! – Gegenruf von der CDU/CSU: Sie waren schon!) – Nein, nachher. – Hierbei gibt es eben kaum Ermessensspielraum. Wir haben in der Großen Koalition nichts an den Regelungen verändert, sondern in der vergangenen Woche bei Beratungssitzungen und auf Arbeitsebene noch einmal nach tragfähigen Lösungen gesucht. Es hat leider nicht funktioniert. Wir sind aber bei einem anderen Quorum auch noch entgegengekommen; das ist auch schon erwähnt worden. Anstatt der sonst nötigen 25 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages haben wir vereinbart, dass auf Verlangen von 120 Abgeordneten ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden kann. Das hat auch gut geklappt. Wir waren auch mit vielen Untersuchungsausschüssen sehr einverstanden. Es waren ja diesmal fünf. Dann gaben auch noch Redezeiten in den Untersuchungsausschüssen Anlass zu Kritik. Wir haben einige Jahre lang gehört, dass die Opposition bemängelt hat, dass sie einfach zu wenig Redezeit gehabt habe. Das geflügelte Wort „Wir haben nur acht Minuten“ haben wir sehr oft gehört. Das liegt nun einmal an den Mehrheitsverhältnissen, die der Wähler bestimmt hat. Das kann man auch im Moment nicht ändern – soll ja anders werden. Aber netterweise darf man auch erwähnen, dass es immer so viele Fragerunden gab, in denen Abgeordnete von CDU/CSU und SPD gar nicht mehr gefragt haben, bis die letzte Frage der Opposition geklärt war – vielleicht nicht zur Zufriedenheit, aber das lag dann am Zeugen. (Zuruf von der CDU/CSU: Genau!) Aber es wurden keine Fragen abgebügelt, sondern man konnte endlos lange fragen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für ein Argument? Dann hätten wir ja 15, 15, 15, 15 machen können!) Wir haben eben sehr lange Sitzungen gehabt, und es wurde nie gesagt, dass der eine oder andere nicht mehr fragen dürfe. Um das nicht unnötig zu verlängern, möchte ich nur Folgendes dazu sagen: Natürlich ist es nicht schön, wenn man vor Ende eines Untersuchungsausschusses tatsächlich feststellt, dass über diesen Untersuchungsausschuss ein Buch erstellt und veröffentlicht wird. Ich finde es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man das nicht macht. Die Opposition hat sich darüber aufgeregt; das kann ich verstehen. Wir fanden das auch nicht gut. Selbst viele Teile der CDU fanden das nicht gerade hilfreich für die gesamte Diskussion. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dreistigkeit par excellence!) Vielleicht muss es tatsächlich eine Regelung geben, dass vor Ende eines Untersuchungsausschusses keine eigenen Publikationen veröffentlicht werden dürfen. Das würde die Diskussion um die Inhalte vielleicht entspannen und einfacher machen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat die Union noch kein Wort zu gesagt!) Dass man solche Diskussionen führt, muss eigentlich nicht sein. Das ist ein bisschen schade. Das hätte nicht sein müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege von Notz kam gerade sehr empört und außer sich zu mir und hat die Frage gestellt, ob das wirklich dieser Kaster ist, mit dem er am Freitag in einem vertraulichen Gespräch gesprochen hat. Ich schaue jetzt auch; das scheint er zu sein. Denn dieser Kaster (Zurufe von der CDU/CSU: Kollege Kaster!) hat ihm da noch erzählt, sie seien auf einem guten Wege, sie kämen ja wohl noch zusammen. Da waren noch andere dabei. (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das war der Beginn des Gesprächs! – Gegenruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und auch das Ende des Gesprächs!) So war der Inhalt des Gesprächs. Dann war das Gespräch nach einer Stunde zu Ende. Kurz nachdem es zu Ende war, bekam er einen Brief des Vorsitzenden, in dem der Vorsitzende ihm mitteilt, er sei nunmehr als Berichterstatter abgelöst. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Und dann werfen Sie ihm vor, er würde nur verschleppen, er würde verzögern und das sei sein einziges Motiv gewesen. Sie sollten sich bei ihm entschuldigen, dass Sie das gemacht haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD] – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Nein! Er hatte das Gespräch beendet! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Wissen Sie, ich finde es infam. Ein nettes Wort wäre angemessen. (Nina Warken [CDU/CSU]: Die zeitlichen Abläufe waren ganz anders! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da haben sich andere mehr zu entschuldigen!) Ich möchte noch etwas zu der Geheimeinstufung sagen und sie von einer ganz anderen Seite beleuchten. Ich werfe der Bundesregierung und Ihnen vor, dass mit Geheimeinstufung auch Politik gemacht wird, und zwar eine schlimme Politik. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist eine starke Behauptung, die Sie belegen müssen!) Ich nenne ein Beispiel, bei dem ich selber betroffen war. Vor ein paar Jahren ist ein deutscher Staatsangehöriger in Pakistan durch eine US-Drohne getötet worden; ich will Namen und andere Details weglassen. Einige Zeit später hat sich bei mir per E-Mail sein Bruder gemeldet und mir gesagt, er sei dabei gewesen, habe überlebt und sei bereit, mir zu berichten, was dort passiert ist, und Fotos zu schicken. Ich habe mit ihm korrespondiert. Diese E-Mail-Korrespondenz ist offenbar von deutschen Geheimdiensten abgefangen worden. Das ist schon schlimm. Immerhin bin ich Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Viel schlimmer ist aber, dass ich vier Monate später die gesamten E-Mails im Focus veröffentlicht gefunden habe. Ich habe mit dem Focus nicht gesprochen; das weiß ich. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie sprechen eher mit dem Spiegel!) Warum ist das gemacht worden? Wer hat das gemacht? Das konnten nur die Bundesregierung oder ihr unterstellte Behörden gewesen sein, wer auch immer ein Interesse daran hatte, so etwas weiterzugeben. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ganz dünnes Eis!) Ich habe dieses Beispiel gewählt, um zu beleuchten, was uns im Ausschuss passiert ist. Im Sommer 2014 gab es verschiedene Meldungen vor allem in der Süddeutschen Zeitung, in denen relativ konkret der Inhalt von Akten, die wir auch hatten, dargelegt wurde. Wir erinnern uns, weil wir daraus immer wieder zitiert haben. Dann hat, wie die Kollegen, die dabei waren, wissen, der Chef des Bundeskanzleramts einen bösen Brief geschrieben, in dem er den Abgeordneten Vorwürfe gemacht und angedroht hat, es werde möglicherweise zu einer Beschränkung der Aktenvorlage kommen. Auch dieser Brief ist in der Öffentlichkeit erschienen, noch bevor wir ihn hatten. Warum ist das gemacht worden? Das geschah, um die Mitglieder der Opposition im Ausschuss zu diskreditieren, zu desavouieren und ihnen möglicherweise ein Verfahren anzuhängen. Und mit dieser Message sind die Dienste dann in die USA gefahren und haben gefragt: Können wir diesem Untersuchungsausschuss des deutschen Parlaments Akten zur Verfügung stellen, beispielsweise die NSA-Selektoren? – Die Dienste haben geradezu die Antwort – sie kennen wir nicht genau; dazu wurde nie etwas vorgelegt; hier sind wir auf Angaben der Bundesregierung angewiesen – vorweggenommen und die Message aus Washington mitgebracht: Die NSA findet das nicht gut. – Was sie genau gesagt haben, wissen wir nicht. Auch so kann man verhindern, dass Akten, über die sich der Chef des Kanzleramtes seinerzeit selber in höchstem Maße empört hat, dem Ausschuss zur Verfügung gestellt werden. Man hat nämlich geradezu das Votum des Partnerdienstes herbeigeführt, um zu verhindern, dass wir Akteneinsicht erhalten. Das werfe ich der Bundesregierung vor, das werfe ich der Koalition vor. So haben Sie die Ausschussarbeit hintertrieben, blockiert und von vorne bis hinten gemauert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Verschwörungstheorie! Nicht ein Beweis, Herr Ströbele!) Für zukünftige Untersuchungsausschüsse – damit ende ich, Frau Präsidentin – muss man das und noch viel mehr, was ich mir hier aufgeschrieben habe, berücksichtigen. (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr. Johann Wadephul. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe nicht an, dem Kollegen Ströbele, der seinen anwaltlichen Beruf doch etwas anders ausgeübt hat als ich (Frank Tempel [DIE LINKE]: Besser!) und der in seiner politischen Arbeit regelmäßig zu Ergebnissen gekommen ist, die anders als die sind, zu denen ich gekommen bin, durchaus meinen Respekt für seinen parlamentarischen Weg zu zollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Immerhin hat er es geschafft, ein Direktmandat hier in Berlin für die Grünen zu gewinnen. Herr Kollege Ströbele, so wie Sie und auch Vorredner von der Linksfraktion die Arbeit dieses Ausschusses in den Mittelpunkt einer Debatte über die parlamentarische Kontrolle in Zeiten der Großen Koalition gestellt haben, ist das – das muss ich sagen – kleines Karo. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Dabei missachten Sie, dass es in keinem anderen Land der Welt eine derart umfängliche Kontrolle der Nachrichtendienste, die wir übrigens für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger dringendst benötigen, und eine derart effektive parlamentarische Kontrolle wie in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Darauf sind wir stolz, und dabei sollte es auch bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber die Effektivität der Arbeit der Nachrichtendienste darf unter der parlamentarischen Kontrolle am Ende natürlich nicht leiden, weil wir sonst die Sicherheit unseres Staatswesens und im Übrigen auch die Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten infrage stellen würden. Ich hatte eigentliche große Hoffnung in die Kollegin Haßelmann gesetzt, mit der ich sehr erfolgreich zusammengearbeitet habe. Auch mit der Kollegin Sitte – sie ist nicht da – gab es große Einigkeit. So bedaure ich jetzt sehr, dass Sie – der Kollege Kaster hat es schon angesprochen – es leider nicht zur Kenntnis genommen haben: Wir haben in dieser Wahlperiode Oppositionsrechte in der Geschäftsordnung verankert, wie es sie nirgendwo auf der Welt gibt: Die Opposition kann erwirken, dass der Bundestag einberufen wird, dass Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden, dass öffentliche Anhörungen in den Ausschüssen durchgeführt und dass Enquete-Kommissionen einberufen werden. Die Oppositionsfraktionen haben übrigens auch einen höheren Oppositionszuschlag bekommen; darüber wollten Sie hier auch nicht so gerne reden. Die Oppositionsfraktionen bekommen auch mehr Redezeit. Das heißt, Oppositionsabgeordnete haben viel mehr Möglichkeiten, sich hier – das ist der zentrale Ort, wo parlamentarische Arbeit ausgeübt wird – zu artikulieren, als Abgeordnete der Mehrheitsfraktionen, die an dieser Stelle eigentlich schon benachteiligt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat uns dazu in einem Urteil wissen lassen, dass wir das so machen konnten – übrigens mit einer Einschränkung: Dass wir die Mindeststimmenanzahl von 120 nur der Opposition zugedacht hatten, sei schon viel zu oppositionsfreundlich gewesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Große Koalition Ihnen hier geboten hat, war Goldstandard in der Wahrung von Oppositionsrechten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das hätte in dieser Debatte mindestens einmal erwähnt werden dürfen. Herr Kollege Hahn, was man zur Erhebung einer Normenkontrollklage sagen kann – Sie haben dies angesprochen –, hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls festgestellt. Wir haben Ihnen die Argumente vorher genannt; aber Sie haben die Klage durchgezogen, und Sie haben in Karlsruhe – das muss ich Ihnen sagen – mit Pauken und Trompeten verloren. Dort ist Ihnen Einhalt geboten worden, wie kürzlich übrigens auch der Fraktion der Grünen, als der Eindruck erweckt wurde, die Große Koalition verschleppe hier Gesetzgebungsvorhaben und bringe sie nicht zu Ende. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wenn wir miteinander eine ehrliche Bilanz dieser Legislaturperiode ziehen, dann muss man wirklich sagen: Es ist natürlich staatspolitisch nicht wünschenswert, eine 80 : 20-Mehrheit zu haben; sie hat sich niemand gewünscht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist so. Kämpfen Sie für mehr; aber ich habe eher den Eindruck, dass die aktuelle Debatte von der Furcht getragen ist, die Fünfprozenthürde nach unten zu unterschreiten. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, nein! Und das sagt ein schleswig-holsteinischer Kollege! So was! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hochmut kommt vor dem Fall!) Das ist der Eindruck, den Sie hier insgesamt erwecken. Das ist doch nicht wünschenswert. Es waren aber, Herr Kollege von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, die zu einem frühen Zeitpunkt der vergangenen Legislaturperiode eine Koalition mit der Union nicht wollten. In Schleswig-Holstein, Herr Kollege von Notz, sind wir beide mittlerweile zu besseren Ergebnissen gekommen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Wir wollen einmal sehen, wie es weitergeht. Wer im Parlament Einfluss nehmen will, der muss am Ende Wahlen gewinnen. Deswegen halte ich es mit Johann Wolfgang von Goethe: Eine Opposition, die keine Grenzen hat, wird platt. Die Einschränkung aber nötigt sie, geistreich zu sein ... Seien Sie das, und dann haben wir solche Debatten nicht mehr. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Sebastian Hartmann das Wort. (Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist ja schon wieder ein Redner von der Opposition! So viele!) Sebastian Hartmann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Mitglied des Deutschen Bundestages wie Sie, Herr Kollege Hahn, und ich glaube nicht, dass, wenn es um die Frage der parlamentarischen Kontrolle geht, wir uns willkürlich in Opposition und Regierungskoalition trennen sollten; (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre gut!) denn diese Kontrolle obliegt uns als Parlamentarierinnen und als Parlamentariern insgesamt. Den geschätzten Kollegen, die die Rechte der Opposition nach unserer Geschäftsordnung zitiert haben, sei gesagt: Dort steht: 120 Mitglieder des Deutschen Bundestages. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Richtig!) Es können durchaus 119 Mitglieder der Großen Koalition und ein Mitglied der Opposition sein, die diese Rechte einfordern. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie uns das mal machen! Wir haben noch einen Tag! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist die Entscheidung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gewesen, nicht in einer anderen Koalition mit die Regierung zu stellen, sodass wir in die Oppositionsrolle verwiesen worden wären. Wir hätten auch eine zweite oder dritte Konstellation – beispielsweise Rot-Rot-Grün – in diesem Plenum finden können, um die Regierung zu stellen. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Schauen wir mal, was morgen wird!) Dementsprechend reden wir hier über die Rechte des Parlaments insgesamt und nicht über die willkürliche Trennung in Oppositions- und Regierungsfraktionen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Das hat viel mit unserem Selbstverständnis zu tun, damit, wie wir uns selbst sehen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie es sich allerdings so einfach machen, hier eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Parlamentarische Kontrolle in Zeiten der großen Koalition“ zu beantragen, dann sagt das sehr viel auch darüber aus, wie Sie Ihre eigene Effizienz und Effektivität bei dieser Kontrolle sehen. Wenn Sie es auf der einen Seite schaffen, ein Sondervotum mit 457 Seiten zu erarbeiten – inklusive Pressekonferenz, Veröffentlichung im Netz usw. –, auf der anderen Seite aber die Arbeit eines Untersuchungsausschusses infrage stellen – insgesamt fünf Untersuchungsausschüsse gab es in der Phase der Großen Koalition –, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben wir überhaupt nicht infrage gestellt! Sie sind auf dem falschen Dampfer!) dann zeigt das, dass Sie an dieser Stelle offensichtlich mehr auf den öffentlichen Effekt als auf die tatsächliche Ausschussarbeit setzen. Den Vorhalt müssen Sie sich gefallen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein komplizierter Gedanke!) Ja, wir sind bei den Frage- und Antwortrechten viel weiter gegangen. Aber Sie müssen sich jetzt entscheiden. Warum haben Sie es in den Jahren zuvor nicht bemängelt? Warum tun Sie es am vorletzten Tag der letzten Sitzungswoche dieser Wahlperiode? (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir immer getan! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? Also!) Der nächste Punkt ist: Sind Sie ein erfolgreicher Kontrolleur des Regierungshandelns, oder sind Sie jemand, der erfolglos gehandelt hat? Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie sich in dieser Debatte selbst verzwergen (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal unser Votum! Ich empfehle unser Votum!) und dieses Bild der Opposition öffentlich zeigen wollen. Leben Sie damit, wenn Sie diese Debatte anstoßen. Ich sage Ihnen eines: Auch wir kritisieren das Vorgehen. Es steht dem Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses schlecht zu Gesicht, vor Veröffentlichung des Berichts des Untersuchungsausschusses ein entsprechendes Buch zu veröffentlichen, wenn es um die Arbeit geht, die wir insgesamt als Abgeordnete des Bundestages ausüben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Spannungsverhältnis wird sich auch nach meinem Eindruck weiter verschärfen. Es ist übrigens Fritz Bauer gewesen, der uns vor geraumer Zeit im Unterschied zu Goethe Folgendes mit auf den Weg gab – ich möchte das zitieren –: Was aber als „Staatsgeheimnis“ zu gelten hat, steht nicht fest, sondern wird von Fall zu Fall durch den Staat, der sich geschädigt fühlt, dekretiert. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das betrifft uns alle als Bundestagsabgeordnete. Es geht darum, wie wir bei rasant steigenden Aktenzahlen, Informationen und Daten diese parlamentarische Kontrolle effektiv ausüben. Man mag das Prinzip eines Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums kritisieren. Man mag sagen, dass dieses Gesetz nicht weit genug geht. Aber lieber Kollege Hahn, es ist sehr verräterisch, dass Sie in der Debatte vor wenigen Minuten ausgeführt haben, das eigentliche Problem sei, dass Sie nicht den Vorsitz stellen und darüber hinaus dem Ständigen Bevollmächtigten keine Weisungen geben können. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch nicht!) Dieser Ständige Bevollmächtigte dient uns allen im Parlament und nicht nur der Opposition; denn wir alle wollen eine effektive und effiziente Kontrolle über das Regierungshandeln ausüben, meine Damen und Herren. So ist das. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sprechen Sie bitte niemandem – auch niemandem, der Mitglied einer Regierungskoalition ist – pauschal ab, an den Rechten dieses Parlaments interessiert zu sein. Es ist die Stärke unserer parlamentarischen Demokratie, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) in dieser Frage eine ernsthafte, harte und starke Debatte entlang der Geschäftsordnung zu führen. Es steht Ihnen schlecht zu Gesicht, auf der Suche nach einem kleinen Wahlkampfthema ausschließlich die Arbeit der Untersuchungsausschüsse entlang dieser Minderheitenrechte deutlich zu machen. (Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das haben wir als Deutscher Bundestag insgesamt nicht verdient. Denken Sie auch als Opposition einmal darüber nach! Auch Sie sind wie wir alle für das Außenbild des Parlamentarismus insgesamt verantwortlich. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, in der Tat!) Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin der Fraktion der Grünen wirklich sehr dankbar dafür, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat, (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir uns auch! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gespürt!) weil sie mir noch einmal Gelegenheit gibt, auf die Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium in der ablaufenden Legislaturperiode Bezug zu nehmen. Es war die erste Legislaturperiode, in der ich im Parlamentarischen Kontrollgremium arbeiten durfte. Ich persönlich muss sagen: Ich habe die Arbeit als sehr gewinnbringend, als sehr interessant und als sehr konstruktiv empfunden. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür haben wir es nicht gemacht!) Ich finde es wirklich schade, dass Sie, Kollege Hahn und Kollege Ströbele, hier den Eindruck vermitteln, dass die Kolleginnen und Kollegen, die den Koalitionsfraktionen angehören, sich im Parlamentarischen Kontrollgremium nur als Prätorianer der Bundesregierung verstehen würden und kollusiv mit der Bundesregierung zusammenarbeiteten. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe kein einziges Wort zum PKGr gesagt!) – Sie haben es nicht gesagt, aber Sie haben versucht, den Eindruck zu erwecken. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch auf!) Ich sage hier eines ganz deutlich: Ich bin mit Ihnen selten politisch einer Meinung, Herr Ströbele und Herr Hahn. Wir kommen bei den unterschiedlichen Sachverhalten, die wir in diesen vier Jahren zu bearbeiten hatten, eigentlich immer – zumindest tendenziell – zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Ich würde Ihnen persönlich – das sage ich ausdrücklich und mit großem Respekt – aber nie den Willen absprechen, dass Sie ernsthaft, seriös und unabhängig Ihrer Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium nachgehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Unterschied!) Herr Ströbele – vielleicht war das heute Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag –; (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich noch!) ich habe großen Respekt und große Anerkennung vor Ihrer politischen Lebensleistung. Aber ich sage ganz deutlich: Wir tun uns insgesamt, auch als Parlamentarisches Kontrollgremium, keinen Gefallen, Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit auszutragen. Ich war vor kurzem Gast im vergleichbaren Kontrollgremium des britischen Parlamentes. Darin sitzen auch Parlamentarier der Regierung und der Opposition. Die streiten teilweise wie die Kesselflicker, aber nach außen geben sie ein einheitliches Bild ab. Es ist bedauerlich, dass wir dies bislang nicht geschafft haben, (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie sich mal überlegen!) obwohl wir als Parlamentarisches Kontrollgremium wirklich – der festen Überzeugung bin ich – eine sehr gute Arbeit leisten. Die Arbeit ist in der laufenden Legislaturperiode deutlich besser geworden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Wir haben seit 2009 die Situation, dass das Parlamentarische Kontrollgremium in Artikel 45d Absatz 1 der Verfassung verankert ist. Es gibt also keine Dispositionsbefugnis, dass es uns gibt. Wir haben insbesondere durch das Gesetz vom 30. November letzten Jahres unsere Rechte noch einmal deutlich erweitert; das ist auch richtig so. Wir haben die Befugnis, dass wir Kontrollbesuche durchführen können. Wir können uns Akten geben lassen. Wir können Mitarbeiter anhören. Wir können Ermittlungsbeauftragte installieren und haben dies auch in zwei Fällen, wie ich finde, sehr gewinnbringend getan. Diese Erweiterung war erforderlich, weil wir, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch berücksichtigen müssen: Wir sind im Parlamentarischen Kontrollgremium insgesamt zu neunt; jeder von uns hat mannigfaltige Aufgaben neben der Arbeit im Parlamentarischen Kontrollgremium zu erledigen. Deswegen sind wir auf die Zuarbeit von guten Mitarbeitern angewiesen. Ich empfinde es als einen Fortschritt in der Qualität unserer Arbeit, dass wir mit dem neuen Gesetz auch das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten geschaffen haben. Lieber Herr Kollege Hahn, Sie können durchaus in der nächsten Wahlperiode – für den Fall, dass Sie wieder dem Deutschen Bundestag angehören – Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums werden. Nur: Ich verstehe nicht, warum der Vorsitz im Parlamentarischen Kontrollgremium – anders als in allen anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages – alternierend zwischen der Regierung und der Opposition wechseln sollte. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das haben wir 18 Jahre gemacht!) Eine Ergänzung muss ich Ihren Ausführungen hinzufügen: Nicht der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist weisungsbefugt gegenüber dem Ständigen Bevollmächtigten, sondern das Parlamentarische Kontrollgremium an sich, also wir neun, ist gegenüber dem Ständigen Bevollmächtigten weisungsbefugt. Wir sollten dies, glaube ich, als Gemeinschaft etwas stärker nach außen tragen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Debatte wirft ein schönes Schlaglicht darauf, wie die Arbeit der Nachrichtendienste in den einzelnen Fraktionen gesehen wird. Ich muss sehr kritisch anmerken – das sage ich hier ganz deutlich –, dass vonseiten der Opposition von Hause aus immer ein Misstrauen gegenüber den Nachrichtendiensten gehegt wird. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!) Natürlich machen auch die Mitarbeiter von Nachrichtendiensten Fehler. Um die zu erkennen, sind wir da. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der parlamentarischen Kontrolle inne!) Es ist richtig, dass Nachrichtendienste nicht im luftleeren Raum agieren, sondern dass sie in einem Rechtsstaat kontrolliert werden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) In einer parlamentarischen Demokratie ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Kontrolle durch das Parlament, durch die Volksvertretung erfolgt. Es ist nicht einfach für ein Gremium mit neun Parlamentariern, die viele Aufgaben nebenher haben, drei Nachrichtendienste mit insgesamt über 10 000 Mitarbeitern adäquat zu kontrollieren. Das ist, gelinde gesagt, eine ordentliche Herausforderung. Diesen Nachrichtendiensten und ihren über 10 000 Mitarbeitern aber von vornherein zu unterstellen, sie würden Machenschaften unternehmen – wie es genannt wurde –, sie würden Skandale produzieren, halte ich, gelinde gesagt, für falsch. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! Das stimmt nicht!) Das ist auch der Situation nicht angemessen; wir leben in sehr schwierigen Zeiten. Ich darf abschließend deutlich sagen: Wir hatten im letzten Jahr fünf islamistisch motivierte Anschläge in Deutschland. Weitaus mehr Anschläge sind aber rechtzeitig verhindert worden, insbesondere auch wegen der hervorragenden Arbeit unserer Nachrichtendienste. Ich erwähne nur den Fall Jaber Albakr. Innerhalb von fünf Wochen ist es dem Bundesamt für Verfassungsschutz gelungen, diese Person, die aller Voraussicht nach einen konkreten Anschlag auf dem Flughafen Tegel hier in Berlin geplant hatte, zu detektieren und zur Strecke zu bringen. Wir haben gute, gut aufgestellte Nachrichtendienste, und es gilt, ihnen auch ein Grundvertrauen entgegenzubringen. Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Armin Schuster für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. von Notz, Herr Dr. Hahn, weil ich nicht Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses war, war es jetzt eigentlich eine amüsante Debatte für mich. Gestern wurde der Abschlussbericht dieses Ausschusses debattiert. Heute kam es mir vor, als wollten Sie systematisch nachtreten. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir wollen, dass Sie was zu Sensburgs Mut sagen!) Dafür hat vielleicht die Zeit gestern nicht ausgereicht. Aber wissen Sie: Nachtreten ist ein klarer Beleg dafür, (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie sich mit aus!) dass die ganze angebliche NSA- und Snowden-Affäre, die Sie als Popanz aufgebaut haben, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was Inhaltliches!) am Ende nicht dem standhält, was Sie belegen konnten. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schuster! Kommen Sie halt in den Ausschuss!) Sie sind enttäuscht über Ihre Ergebnisse im NSA-Untersuchungsausschuss. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überhaupt nicht!) Sie sind enttäuscht, dass Sie nicht einmal fähig waren, ein Sondervotum zu schreiben, das man veröffentlichen kann. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) Das leben Sie jetzt hier aus. Ich sage Ihnen ganz offen: Dafür ist mir das Thema zu groß, als dass ich es mir von Ihnen mit Ihrer Miesepeterlaune jetzt kleinlich zerreden lasse. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Herr Mayer hat so gut geendet! Und jetzt so was, Herr Schuster! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Da spricht der Experte!) In dieser Wahlperiode hat der Deutsche Bundestag – die Bürger in diesem Land haben uns dafür gewählt – etwas getan wie vielleicht noch nie, nämlich die parlamentarische Kontrolle ausgeübt gegenüber der Bundesregierung. Ich glaube, so gab es das noch nie. Ich hätte mir zu Zeiten der RAF einen Untersuchungsausschuss gewünscht, der so glasklar aufklärt, wie wir das beispielsweise fünf Jahre lang im NSU-Untersuchungsausschuss gemacht haben. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das wäre gut gewesen!) Ich weiß als Vertreter einer Regierungsfraktion, wie schlecht gelaunt die Regierung angesichts unserer Aufklärungsarbeit war – ein gutes Zeichen dafür, dass wir hier kontrollieren. Wir haben im Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy, in dem ich auch Mitglied war, nichts ausgelassen und keinen Regierungsvertreter geschont, ob das Herr Steinmeier und Herr Gabriel oder – in der ersten Auflage des NSU-Ausschusses – Herr Schäuble waren. Meine Damen und Herren, dieses Parlament kontrolliert ohne Ansehen der Person. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Wir haben damit vielleicht das schärfste Schwert der Demokratie in der Hand, und wir nutzen es. Das darf man nicht kleinreden. Sie haben vollkommen recht, Herr Hartmann: Die Oppositionsfraktionen machen uns klein mit ihrer Debatte. Ich bin der Überzeugung: Wir haben schonungslos das Systemversagen im Fall des NSU aufgeklärt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie mal was zum Oktoberfest! Sagen Sie mal was zum U-Bahn-Mord! Sagen Sie mal was!) Wir haben im PKGr schonungslos, Herr Dr. von Notz, die BND-Selektoren-Affäre aufgeklärt. Ich kenne Journalisten, die zu mir gesagt haben: So etwas gab es im Deutschen Bundestag noch nie, dass ein PKGr so präzise Schwachstellen aufzeigt, veröffentlicht und dass dann ein BND-Gesetz gemacht wird, das genau das abstellen soll. Meine Damen und Herren, das ist die Königsdisziplin, und die haben wir in dieser Wahlperiode wunderbar absolviert. Übrigens fällt mir jetzt noch etwas sehr Interessantes ein: (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen ist noch was eingefallen? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bitte wieder beleidigen! Unbedingt!) Wer war der Sonderermittler des PKGr in Sachen Corelli? Es war der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er gut gemacht!) Und Sie wollen uns erklären, dass bei uns die parlamentarische Kontrolle nicht funktioniert. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört, Herr Schuster!) Wir hatten sogar die Größe, einen grünen Bundestagsabgeordneten, mit dem wir sehr zufrieden waren, mit diesem Auftrag zu versehen. Und er hat schonungslos aufgeklärt; das werden Sie ja wohl nicht bestreiten wollen – hoffe ich jedenfalls. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Susanne Mittag [SPD]) Ich kenne Sachverständige, die in der Anhörung zum Thema „PKGr- und BND-Reform“ gesagt haben, das sei epochal, wie wir hier die parlamentarische Kontrolle ausüben. Das ist für mich die Richtschnur. (Zuruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Dr. Hahn und Herr Dr. von Notz, ich wiederhole jetzt – wahrscheinlich nicht so gut – die Gedanken von Herrn Hartmann: (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben halt viel Redezeit, Herr Schuster! Das merkt man!) Wir sind in das Parlamentarische Kontrollgremium nicht von unserer Fraktion gewählt worden. Wir sind mit Kanzlermehrheit vom gesamten Parlament gewählt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Deswegen ist für die Bürger der Vertreter der Grünen oder der Linken in diesem Kontrollgremium in erster Linie Kontrolleur dieses Parlaments. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum kann er nicht Vorsitzender werden?) Wenn Sie das nicht beherrschen und nicht können, dann ist das Ihre Sache. Ich kann jedenfalls feststellen, Herr Ströbele – ich darf Sie hoffentlich zitieren, obwohl es ein Geheimgremium ist –, dass auch Sie gesagt haben, dass das PKGr sich in dieser Legislaturperiode gewaltig nach vorne entwickelt hat. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frage des Maßstabs!) Insofern stellt diese Debatte, die Sie heute führen, die Dinge auf den Kopf. Das lassen wir nicht zu. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht, Herr Schuster! Oktoberfest, U-Bahn, NSU!) Herr Ströbele, ich möchte schließen mit den Worten: Wir schaffen es nicht, dass wir eine Meinung haben. Aber ich fand es für mich unheimlich wertvoll, Sie erleben zu dürfen. Das sage ich mit vollem Ernst; das sage ich jetzt zum ersten Mal und auch zum letzten Mal. Es war für mich wichtig, mit Ihnen die Stunden im PKGr zu verbringen. Für mich sind Sie eine Person der Zeitgeschichte. Man kann noch so viele Meinungsunterschiede haben: Von Ihnen kann man auch lernen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Wir haben später noch das Vergnügen mit Herrn Kollegen Ströbele. – Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl Drucksache 18/12359 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Wohnungseinbruchdiebstahl Drucksache 18/12729 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksachen 18/12933, 18/12995 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. – Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Johannes Fechner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 500 Millionen Euro Sachschaden sind nach einer Studie des Versicherungsverbandes GDV durch Wohnungseinbrüche in Deutschland entstanden. Das ist eine enorm hohe Summe, die zeigt, dass wir gegen Einbrüche vorgehen müssen. Dabei ist oft nicht der Verlust von Wertgegenständen das Schlimmste für die Opfer. Nein, am Schlimmsten ist oft, die Erfahrung gemacht zu haben: Man ist nicht mehr sicher in seinen eigenen vier Wänden; jemand ist in die eigene Intimsphäre eingebrochen. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik ist die Zahl der Einbrüche im Jahr 2016 erfreulicherweise um 10 Prozent zurückgegangen. Noch immer kam es 2016 zu über 150 000 Einbrüchen in Deutschland. Das ist zu viel, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Handlungsdruck ist eindeutig da. Wir müssen etwas gegen die Einbrüche tun. Die Bürger haben ein Recht darauf, in ihrem Zuhause sicher zu leben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir Wohnungseinbrüche effektiv bekämpfen wollen, dann ist es mit einer Einzelmaßnahme sicher nicht getan. Dann brauchen wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Dazu gehört zunächst, dass gerade auch im ländlichen Raum mehr Polizeipräsenz vorhanden ist. Damit meine ich nicht nur mehr Polizistinnen und Polizisten für Streifengänge, sondern wir brauchen auch mehr Personal, etwa bei der Spurensicherung; denn Fingerabdrücke zu sichern oder DNA-Spuren auszuwerten, ist oft ein ganz wichtiges Mittel, um die Täter zu überführen. Wir haben bekanntlich eine eher geringe, eine enttäuschende Aufklärungsquote. Deshalb müssen wir auch in diesem Bereich die Personalstärke bei der Polizei erhöhen. Wir brauchen sicher keine Hilfspolizisten, die nach einer ganz kurzen Ausbildung im Schnelldurchgang, wie etwa in Sachsen, eingestellt werden und hoheitliche Aufgaben übernehmen. Nein, das ist der falsche Weg. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Die Personallöcher bei der Polizei können wir sicher nur mit gut ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten beheben. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Bis jetzt war alles richtig!) Wir müssen viel stärker auf Prävention setzen. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Auch richtig!) Es ist belegt, dass ein Einbrecher, wenn er nicht innerhalb einer halben Minute in die Wohnung hineinkommt, vom Einbruch ablässt. Deshalb ist für mich das entscheidende, das wichtigste Mittel, dass Bürgerinnen und Bürger gut gesichert sind. Deswegen haben wir gesagt: Wir erhöhen die Mittel des entsprechenden Förderprogramms bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, um Einbruchsschutz zu gewährleisten. Wir lassen die Bürger nicht allein. Vor allem Gering- und Normalverdiener sowie Mieterinnen und Mieter sollen einen Zuschuss bekommen, damit sie sich einen effektiven Einbruchsschutz leisten können. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie es nicht schon gemacht?) Sicherheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU], Frank Tempel [DIE LINKE] und Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Eine Situation wie bei den Autodiebstählen sollte unser Ziel sein: Wir hatten 1993 in Deutschland 105 000 aufgebrochene bzw. gestohlene Fahrzeuge, und im Jahr 2015 waren es nur noch 19 000. Es gab also einen extremen Rückgang, der vor allem damit zu tun hatte, dass die Autoindustrie einen besseren Einbruchsschutz in die Autos eingebaut hat – bessere Schlösser, Wegfahrsperren und Ähnliches. Wir sehen also: Prävention, die Investition in bessere Sicherungstechnik, lohnt sich. Sie ist ein wichtiges Mittel, um die Zahl der Einbrüche zu reduzieren. Eines möchte ich an der Stelle auch ganz deutlich sagen: Was wir beim Thema „Kampf gegen Wohnungseinbrüche“ nicht gebrauchen können, ist Hetze gegen Flüchtlinge. Ich will ausdrücklich festhalten, dass alle Polizeibeamten in allen Dienststellen, mit denen ich gesprochen habe, mir bestätigt haben, dass die Täter in den seltensten Fällen Flüchtlinge oder Asylbewerber waren, sondern dass es oft Gruppen aus Osteuropa waren. Das macht die Einbrüche sicherlich nicht ungeschehen – keine Frage. Es ist für die Opfer natürlich immer belastend, unabhängig davon, wer die Einbrüche verübt. Aber eines will ich festhalten: Es sind nicht Flüchtlinge und Asylbewerber, die die Verantwortung für die hohen Einbruchszahlen in Deutschland tragen. Es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen, das zu betonen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Uns in der SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir die Sorge der Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität, insbesondere Wohnungseinbrüchen, ernst nehmen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf den Schutz des Staates und auf ein sicheres Zuhause. Weil gerade Wohnungseinbrüche die Opfer so sehr traumatisieren, sollten wir diesen Schutz allen Bürgerinnen und Bürgern zukommen lassen, unabhängig von ihrem Einkommen, unabhängig von den Möglichkeiten. Insofern haben wir hier in den letzten Monaten ein wirklich sinnvolles Paket mit verschiedenen Maßnahmen geschnürt. Wir kümmern uns, wir wollen die Zahl der Wohnungseinbrüche zurückfahren. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Ziel, und dafür leisten wir auf der Zielgerade der Legislaturperiode einen wichtigen Dienst. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Frank Tempel das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Fechner, es ist schon manchmal erstaunlich: Dem, was Sie, Herr Fechner, eben an Argumenten gebracht haben, kann ich fast nicht widersprechen, und trotzdem sind die Schlussfolgerungen nicht unbedingt immer die gleichen. Wer die Innen- und Rechtspolitik der gegenwärtigen Bundesregierung verfolgt, kann schon ein bisschen Angst bekommen. Was da allein dieses Jahr im Wochentakt an Maßnahmen auf uns einprasselt, ist schon erstaunlich: Verschärfung des Asylrechts, Fußfesseln für potenzielle Terroristen, mehr Videoüberwachung, Überwachung von Messenger-Diensten, neue Straftatbestände gegen Gaffer, Strafverschärfungen bei Gewaltdelikten gegen Polizisten und Feuerwehrleute, Strafverschärfung bei Wohnungseinbrüchen usw. Da fragt man sich, ob die Lage bei uns wirklich so unsicher ist, wie es die Themensetzung der Bundesregierung signalisiert, und ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich mehr Sicherheit bringen; denn das ist ja eigentlich das gemeinsame Ziel. Oder ist es einfach nur Wahlkampf? (Beifall bei der LINKEN) Die Frankfurter Allgemeine schreibt jedenfalls am 1. Mai dieses Jahres: Traditionell erfolgreich – Union geht mit dem Thema Sicherheit auf Wählerfang Warum Sie von der SPD da mitmachen, weiß ich nicht. In der heutigen Debatte geht es nun um das Phänomen der Wohnungseinbrüche. – Erster Fakt. Nach den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik sinkt aktuell die Zahl der Einbrüche. Das ist wohl kaum ein Anlass zur Strafverschärfung. Über Strafverschärfung haben Sie, Herr Kollege Fechner, gar nicht erst gesprochen. Zweiter Fakt. 1998 wurde bereits das Mindeststrafmaß von drei auf sechs Monate angehoben. Dieses Mittel erwies sich jedoch als untauglich, um die Zahl der Delikte zu senken. Wieso glauben Sie, dass eine Strafverschärfung diesmal erfolgreicher sein kann? Dritter Fakt. Bei Einbruchsdiebstählen verzeichnen wir – das haben Sie geschildert – eine extrem niedrige Aufklärungsquote und zum anderen eine sehr hohe Zahl von Mehrfachtätern. Wir wissen: Von Einbruch zu Einbruch sinkt bei den Tätern die Hemmschwelle. Sie sind eben mit dem, was sie da machen, meistens erfolgreich; es funktioniert ganz einfach. Nachts, also zu den Tatzeiten, sind immer weniger Polizeibeamte unterwegs. Das Entdeckungsrisiko ist gering; auch das ist bekannt. In den Polizeidienststellen sind die Ermittler angesichts der Masse der Verfahren in der Regel ganz einfach überlastet. Hinzu kommt: Viele Menschen können sich moderne Sicherheitsanlagen nicht leisten. Dazu sage ich zum Schluss noch etwas. Sie glauben bei dieser Ausgangslage aber doch nicht im Ernst, meine Damen und Herren, dass jetzt irgendein Einbrecher denkt: Das Mindeststrafmaß beträgt demnächst zwölf Monate und nicht mehr sechs Monate, da höre ich mal auf. – Die Lage bei Wohnungseinbrüchen – auch da gebe ich dem Kollegen Fechner recht – ist nicht schlimmer geworden, aber doch zumindest ernst, und wir haben auch eine Handlungspflicht und müssen prüfen, was tatsächlich funktioniert. Ich gebe Ihnen recht: Bessere Sicherheitsstandards bei den Bürgern selbst sind erfolgreich; sie haben eine Wirkung und sind effizient; denn wenn es dem Täter nicht gelingt, in einem gewissen Zeitraum in die Wohnung einzudringen, bricht er diese Maßnahme ab, und wenn das häufiger passiert, sucht er sich vielleicht andere Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn außerdem wieder regelmäßig Streifenwagen der Polizei tatsächlich präventiv unterwegs sind und Anfahrten der Polizisten bei Alarmauslösungen deutlich kürzer werden, steigt das Entdeckungsrisiko erheblich. Das sind wirklich Kriterien, mit denen wir die Anzahl der Einbrüche effizient minimieren können. Für Einbrecher, die dann immer noch nicht aufgeben wollen, brauchen wir natürlich genügend Ermittler und Staatsanwälte, die diese Täter den Konsequenzen des durchaus ausreichenden Strafrechts zuführen können. So sieht eine lösungsorientierte Kriminalpolitik aus, wie sie die Linke vorschlägt. (Beifall bei der LINKEN) Gerade die Bekämpfung von Einbruchsdelikten ist nun einmal eng an das zur Verfügung stehende Personal gebunden. Dieses Personal reicht nicht aus. Deswegen finden wir es schon bemerkenswert, dass Sie neben der Strafverschärfung auch die verstärkte Nutzung technischer Überwachungsmittel vorschlagen. Das klingt erst mal ganz nett. Aber haben Sie tatsächlich einen Schimmer davon, wie das in der Praxis aussieht? Ich kenne Telefonüberwachung aus meiner Dienstzeit bei der Kriminalpolizei. Wir haben sie zum Beispiel in Fällen organisierter Kriminalität angewandt. Ich kann Ihnen versichern, dass jede einzelne Maßnahme einen enorm hohen Personal- und Sachaufwand bedeutet. Aufgrund des Terroranschlags von Berlin dürften Sie auch wissen, wie umfangreich zum Beispiel eine Funkzellenauswertung ist. Mit dieser Maßnahme sind die Ermittler bis heute noch nicht fertig. Und Sie wollen dieses Mittel tatsächlich auch noch bei Wohnungseinbrüchen nutzen! Das bindet Ressourcen, das kostet richtig Personal und Zeit. Sie wollen einem Phänomen, zu dessen Bekämpfung in erster Linie Personal fehlt, jetzt mit einem Mittel begegnen, das noch einmal ein Vielfaches mehr an Personal kostet. Ich finde, das ist schon ein richtig genialer Gedanke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Hinzu kommt – das wissen wir aus den aktuellen Nachrichten –, dass auch das Mittel der Vorratsdatenspeicherung gerade richtig kritisch zur Debatte steht und ausgesetzt wurde. Bevor wir über neue Mittel und Befugnisse reden, sollten wir doch zuallererst einmal über mehr Polizei reden: in den Streifenwagen und bei der Ermittlungsarbeit. Das sind die Hausaufgaben, die es vor allen Dingen in den Ländern zu lösen gibt. Dieses Law-and-Order-Getöse, das wir Woche für Woche im Bundestag erleben, bringt uns dann, wenn wir über die Sicherheit der Bürger reden wollen, tatsächlich nicht weiter. Wir haben andere Hausaufgaben zu machen. Zum Beispiel ist es notwendig – dabei würden wir sofort mitstimmen –, präventive Möglichkeiten zu erweitern und Fördermittel für die private Sicherheit von Wohnungen und Häusern zu erhöhen und allen zur Verfügung zu stellen. Dabei machen wir gerne mit. Insofern können wir diesem Gesetzentwurf zwar nicht zustimmen, sind aber bei den Argumenten, die Herr Kollege Fechner genannt hat, schon ganz hoffnungsvoll, dass es in anderen Regierungskoalitionen durchaus möglich wäre, die Sicherheit auch im Hinblick auf Wohnungseinbrüche zu verbessern. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute in zweiter und dritter Lesung über die Änderung des Strafgesetzbuchs in Bezug auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl. Die eigenen vier Wände gehören zu dem Wertvollsten, was ein Mensch besitzt. „Wertvoll“ meine ich nicht im Sinne von materiellen Werten, sondern ich meine die Bedeutung der eigenen vier Wände als ganz privater Rückzugsort, als Heimat und als Ort der Geborgenheit. Nicht wenige Menschen sagen, wenn sie unter Strom stehen, wenn sie gestresst sind, wenn sie etwas Ungutes erleben: Jetzt möchte ich einfach nur nach Hause oder zu Hause sein. Umso mehr erschüttert es dann, wenn Menschen in ihrer eigenen Privatsphäre angegriffen und bestohlen werden. Sie fühlen sich unsicher. Sie sind oftmals traumatisiert. Sie lassen nachts das Licht an. Sie trauen sich nicht ins Schlafzimmer, weil ihre ganz persönlichen Sachen durchsucht worden sind. Das sind Schicksale, die viele Tausend Opfer von Wohnungseinbruchsdiebstahl Tag für Tag erleben und durchmachen müssen. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wer den Schutz der Opfer ernst nimmt, der muss beim Strafrecht etwas tun. Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass wir über 150 000 Wohnungseinbrüche zu verzeichnen haben und dass die Aufklärungsquote so gering ist. Der Rechtsstaat muss handeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Und wir werden heute handeln. Wir werden den Einbruch in die dauerhaft genutzte Privatwohnung zu einem Verbrechenstatbestand erklären. Das hat ganz konkrete Folgen. Damit geben wir den Behörden Maßnahmen an die Hand, die sehr gut geeignet sind, um das Phänomen besser und stärker bekämpfen zu können. Der Rechtsstaat wird dadurch erfolgreicher sein, als er es bislang war. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Morgen melden sich die Einbrecher arbeitslos!) Es wird künftig keinen minderschweren Fall von Einbruch mehr geben. Wir sagen ganz klar: Wer in eine Privatwohnung einbricht, begeht keinen minderschweren Fall. Wenn die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr beträgt, dann wird auch bereits die Verabredung zum Wohnungseinbruchdiebstahl unter Strafe stehen. Im strafprozessualen Bereich wird es nicht so einfach sein, mit einem Strafbefehl davonzukommen, und auch Einstellungen von Verfahren werden nicht mehr so einfach möglich sein. Das heißt, wir geben der Justiz Mittel an die Hand, damit sie härter bestrafen kann. Das sind wir den Opfern schuldig. Wenn Sie sagen: „Ein erhöhter Strafrahmen nutzt doch nichts“, (Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist erwiesen!) dann kann ich nur auf die Anhörung verweisen, bei der die Experten gesagt haben, dass beispielsweise die Straferhöhung in Luxemburg – dort ist Wohnungseinbruchdiebstahl mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren bewehrt – dazu geführt hat, dass auf der anderen Seite der Mosel, nämlich in Deutschland, die Anzahl der Straftaten gestiegen ist. Ich weiß, dass ein Strafrahmen nicht alles bedeutet, aber er bedeutet eben auch nicht nichts. Vielmehr ist er ein wichtiges Element der Prävention und ein deutliches Signal des Rechtsstaates: Das ist ein schweres Delikt, das nehmen wir nicht hin. Wer einen Wohnungseinbruchdiebstahl begeht, der muss härter bestraft werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wichtig ist uns auch, dass die Strafermittlungsbehörden durch die Änderung neue Ansätze der Ermittlung bekommen. Insbesondere wird zukünftig auch eine Verbindungsdatenabfrage möglich sein und auch auf die Funkzellen zurückgegriffen werden können. Es ist niemandem so recht klarzumachen, dass im Falle eines Einbruchs in ein Haus die Staatsanwaltschaft im Regelfall nicht ermitteln kann: Wer war in der entsprechenden Mobilfunkzelle eingeloggt? Wer hat sich im Umfeld der Wohnung aufgehalten? Es ist zur Entdeckung und zur Ermittlung krimineller Strukturen ganz wichtig, dass dieses Ermittlungswerkzeug zur Verfügung steht. Ich sage Ihnen ehrlich: Die gestrige Anordnung der Bundesnetzagentur bereitet uns Sorge. Wir wissen, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt hat. Die Bundesnetzagentur hat mitgeteilt: Wir werden keine Anordnungen zur Speicherpflicht treffen, und wir werden auch keine Bußgelder verhängen, solange das Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr fragwürdig! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie europarechtswidrige Gesetze machen, müssen Sie damit leben!) Das bedeutet im Ergebnis, dass möglicherweise für die nächsten Monate oder gar Jahre eine Speicherung von Verbindungsdaten in Deutschland nicht stattfinden kann. (Beifall des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU] – Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Der Deutsche Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz in namentlicher Abstimmung – über 400 Kolleginnen und Kollegen haben zugestimmt – verabschiedet. Es tritt zum 1. Juli 2017 in Kraft. Ich finde schon, dass die Bundesnetzagentur hier ein Stück weit ihre Kompetenz überschritten hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir uns: Wer steckt hinter der Entscheidung? Kann es sein, dass die Entscheidung eines einzigen Referates eine Parlamentsentscheidung aushebelt? Diesen Fragen muss man nachgehen. (Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Missachtung des Parlaments!) Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat seine Entscheidung auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit Unionsrecht gestützt. Ich möchte aber anmerken, dass es gerade im Bereich der Vorratsdatenspeicherung im Augenblick überhaupt keinen Unionsakt gibt und dass es immer noch so sein muss, dass der nationale Gesetzgeber in nationaler Souveränität wesentliche Entscheidungen der inneren Sicherheit frei treffen kann. Außerdem bewegt sich die Vorratsdatenspeicherung, die wir beschlossen haben, innerhalb des Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht vorgibt. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen dieses Aufklärungsinstrument nicht allein in Sachen Wohnungseinbruchdiebstahl, sondern allgemein zur Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit, weil wir nicht wollen, dass Verbrecher sich diese Lücke auf Dauer zunutze machen. Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine kluge Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, und wir brauchen auch die Speicherung und die Auswertung von Verbindungsdaten und die Funkzellenanalyse. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir brauchen bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität einen Dreiklang. Wir brauchen strafrechtliche Maßnahmen. Die entsprechenden Vorhaben bringen wir heute zum Abschluss. Daneben haben wir in dieser Wahlperiode auch im Bereich Prävention viel geleistet. Ich erinnere an das Programm zur Stärkung des eigenen Schutzes. Der staatliche Schutz ist die Kehrseite der notwendigen Eigenvorsorge. Es ist gut, dass mit KfW-Mitteln schon viele Tausend Haustüren in Deutschland stärker gesichert wurden. Wir müssen dieses Programm fortführen, und wenn die Mittel dafür vorhanden sind, müssen wir das Programm auch aufstocken. Damit unterstützen wir die Menschen, die sich selbst vor diesen Delikten schützen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen auch mehr Polizisten und eine gute Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen, dass die unionsgeführten Bundesländer hier ein Vorbild sind: In diesen Bundesländern werden neue Stellen geschaffen, und wir zeigen durch eine klare Sicherheitspolitik, dass wir die Menschen nicht im Regen stehen lassen, sondern sie mit ihren Sorgen und Befürchtungen ernst nehmen. (Dr. Matthias Bartke [SPD]: In Berlin habt ihr abgebaut!) Der Rechtsstaat ist mit diesem Gesetz auf einem guten Weg. Wir werden die Wohnungseinbruchkriminalität stark und entschlossen bekämpfen, weil wir wollen, dass die Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen und sicher sind. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Bähr-Losse [SPD]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vor etwa sechs Wochen habe ich hier schon einmal zu diesem Thema gesprochen. Die Lage hat sich seitdem für Sie eigentlich verschärft, weil Ihre Argumente in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, ziemlich zerpflückt wurden. (Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht!) Zum Thema Wohnungseinbrüche will ich nur drei Punkte sagen: Erstens. Wir wollen alle keine Wohnungseinbrüche. Wir finden das ganz schrecklich und ganz schlimm. Wir möchten nicht nur alle selber nicht davon betroffen sein, sondern wünschen das auch niemandem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Wir wollen, dass gilt – das habe ich beim letzten Mal schon gesagt –: „My home is my castle“ – da bin ich sicher, da passiert mir nichts; übrigens auch sicher vor der Polizei. Jetzt sagen Sie – das hat Herr Fechner gesagt, auch Herr Ullrich hat das jetzt noch einmal gesagt –, dass Sie Geld zur Verfügung stellen wollen, damit das Heim ein wirkliches Castle wird, damit es wirklich sicher ist. Sie haben über die KfW Geld zur Verfügung gestellt. Die KfW hat aber kein Geld mehr dafür. (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das stimmt nicht!) Jetzt sagen Sie doch einmal, wie viel Geld Sie dafür zur Verfügung stellen wollen und wann. (Dr. Johannes Fechner [SPD]: 50 Millionen!) Sagen Sie jetzt, dass Sie 200 Millionen Euro – vielleicht auch 400 Millionen Euro – zur Verfügung stellen wollen. Machen Sie das bekannt, (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist bekannt!) damit all diejenigen, die ihre Wohnung besser sichern wollen, das auch können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die Lage ist so – das vergessen Sie immer wieder –, dass fast die Hälfte der Wohnungseinbrüche nicht zu Ende geführt wird, sondern abgebrochen wird. Diese Wohnungseinbrüche werden nicht durchgeführt, es passiert dabei also nichts Wesentliches, weil der Täter oder die Täterin – meistens sind es Täter – nicht reinkommt. Daraus muss man lernen, dass man den Einbruchschutz verstärken muss, damit die Täter nicht reinkommen. Es gibt viele Wohnungen, die aus verschiedenen Gründen nicht so gesichert sind, wie das möglich wäre. Wir fordern von Ihnen, dass Sie einen besseren Schutz ermöglichen. Dazu kann man einen Gesetzentwurf vorlegen und entsprechende Mittel dafür zur Verfügung stellen. Zweitens. Sie sehen in Ihrem Gesetzentwurf für einen Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor. Es gibt keine Strafminderung. Der Richter am Bundesgerichtshof, den wir als Sachverständigen angehört haben – Sie werden sich erinnern –, hat diese Regelung infrage gestellt und gefragt: Was ist eine dauerhaft genutzte Privatwohnung? Wenn dann ein Angeklagter vor Gericht steht, wird der Richter möglicherweise erst einmal den Wohnungsinhaber hören und ihn genau befragen wollen: Benutzt er die Wohnung dauerhaft? Hat er noch woanders eine Wohnung? Oder übernachtet er überwiegend bei seiner Freundin? Oder, oder, oder. – Jedenfalls hat er darauf hingewiesen, dass das eine Schwachstelle ist; denn damit belasten Sie das Opfer möglicherweise erneut erheblich, oder Sie machen es erneut zum Opfer. Denn der Bestohlene muss nicht nur sagen, was ihm geklaut und kaputt gemacht worden ist, sondern es wird möglicherweise in seine ganz privaten Verhältnisse eingegriffen. Deshalb ist das Kriterium völlig ungeeignet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Drittens ist es so, dass da vor gar nicht so langer Zeit schon einmal etwas gemacht worden ist. Vor ein paar Jahren ist die Mindeststrafe ohne Effekt von drei auf sechs Monate erhöht worden. (Frank Tempel [DIE LINKE]: 1998!) Jetzt wollen Sie sie noch einmal um sechs Monate erhöhen und meinen, dass dann endlich der gewünschte Effekt eintreten wird. Machen Sie lieber das – das ist unsere Alternative dazu, die wir aber gar nicht erfunden haben –, was der Sachverständige von der Polizeigewerkschaft, den wir gehört haben, vorgeschlagen hat. Der hat gesagt: Die Polizei lebt von Spuren. – Das wissen wir, jedenfalls wenn es um Einbruchdiebstahl geht, von fast jedem Krimi. – Wir brauchen insbesondere zur Spurensicherung beste Technik. Die Polizei muss natürlich auch in die Lage versetzt werden, diese Technik anzuwenden. Das heißt, vor allem die Ausbildung muss besser werden. Wenn Sie das alles tun, dann haben Sie die Voraussetzung dafür geschaffen, dass mehr als nur 12 Prozent, 14 Prozent oder 18 Prozent der Täter erwischt werden. Dann werden auch weniger Leute einbrechen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sie erwischt werden, größer geworden ist. Das hält von Einbrüchen ab, aber nicht solch eine Mindeststrafe. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb haben wir eine Alternative vorgeschlagen, die in Ihrem Gesetzentwurf nicht vorkommt. Lassen Sie das, was Sie vorhaben. Das bringt es nicht. Hören Sie auf uns. Das waren eigentlich meine letzten Worte, habe aber noch 26 Sekunden. Ich bin es auch nicht gewohnt, hier eine lange Redezeit zu haben. Zum Ende meiner Zeit im Deutschen Bundestag – das wird voraussichtlich so sein, wenn nicht im Sommer noch etwas passiert; das weiß man ja nicht – will ich Folgendes sagen: Ich bin vor etwas weniger als 50 Jahren der Auffassung gewesen: Parlamentarische Demokratie ist falsch, ist Quatsch. (Bettina Bähr-Losse [SPD]: Echt?) Sie ist vor allen Dingen nicht in der Lage, zum Beispiel mit der deutschen Vergangenheit fertig zu werden. Das war einer der wesentlichen Kritikpunkte. In den Parlamenten, im Bundeskanzleramt sowie in den Gerichten – auch in den Obergerichten – saßen überall alte PGs, die sich in der Nazizeit erheblich schuldig gemacht hatten. Die parlamentarische Demokratie, die es Ende der 40er-Jahre, in den 50er-Jahren und Mitte der 60er-Jahre gab, war nicht in der Lage, damit umzugehen. Es gab aber noch viele andere Gründe. Wir waren auch der Auffassung, dass einzelne Abgeordnete – auch Abgeordnete der die Regierung tragenden Parteien – und die Regierung direkt viel zu stark von Lobbyisten und Großinvestoren beeinflusst wurden. Also: Ich – nicht nur ich, sondern das galt auch für viele andere – war der Meinung: Parlamentarische Demokratie ist nicht das richtige Mittel, um Demokratie herzustellen. Wir wollten mehr Demokratie. Wir wollten sie nicht so wagen, wie es dann Willy Brandt gemacht hat, sondern wir wollten wirklich mehr Demokratie. Wir haben gedacht, dass eine Gesellschaft, die in Räten organisiert ist – also eine Räterepublik –, jedem Menschen, der das will, die Möglichkeit gibt, sich einzumischen, zu reden, Einfluss auszuüben und zu einer Entscheidung beizutragen. Dieser Meinung bin ich heute nicht mehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist nicht deshalb so, weil ich finde, dass all das, was wir früher dachten, schlecht war. Wir haben wirklich viel erreicht. Aber das, was ich eben vorgetragen habe, werden wir nicht erreichen. Nach allem, was ich inzwischen in meinem Leben – nicht nur im deutschen Parlament – erfahren habe, weiß ich auch nicht, ob das wirklich funktionieren würde. Vielleicht funktioniert das nur im kleinen Rahmen, beispielsweise in einer Bewegung in Berlin, Frankfurt oder Hamburg, mit der man etwas erreichen will und wo man Entscheidungen fällen will. Ich weiß aber nicht, ob das auch im ganzen Staat funktioniert und ob man so all die Probleme, mit denen sich der Bundestag beschäftigt, lösen kann. Davon bin ich nicht überzeugt. Deshalb habe ich da eine andere Form der Demokratie gesucht. Und das ist die parlamentarische Demokratie. Es ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass eine andere – jedenfalls in Westeuropa und in den westlich geprägten Ländern – funktionieren würde. Deshalb bin ich inzwischen auch Teil der parlamentarischen Demokratie und leider – ich sage: leider – auch Teil des parlamentarischen Establishments geworden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns gefällt es!) Das war meine Vorrede, und jetzt komme ich zu meinen drei Punkten, die ich mir wünsche. (Heiterkeit im ganzen Hause) Zu meinem ersten Wunsch: Ich habe ein fundamentales Interesse daran, diese parlamentarische Demokratie zu dem zu machen, was wir in der Schule bis zum Abitur – in der ganz normalen Schule oder auch in der Volksschule, wie wir früher gesagt haben, welche Schule auch immer – und in der Universität gelernt haben. Danach gibt es nämlich drei Gewalten in diesem Staat – in diesem Gesellschafts-, Rechts- und Regierungssystem –, und die höchste Gewalt ist der Souverän, das Volk. Wir, die Abgeordneten, vertreten das Volk und sollen die Meinung des Volkes im Parlament zur Geltung bringen und dort entsprechende Gesetze machen. Die Legislative ist die Hauptfunktion. Daneben sollen wir die Regierung kontrollieren, womit wir beim Thema der letzten Aktuellen Stunde von vorhin sind. Und da sage ich: Diese Demokratie funktioniert nicht so, wie sie soll. Meine erste Bitte ist daher: Bringen Sie den Mut auf, auch in der Koalition – wenn also Teile von Ihnen in der Regierung sind – die Regierung unabhängig zu kontrollieren, sich nicht als Wegbereiter, Schutztruppe, Hilfstruppe der Regierung zu verstehen, sondern unabhängig zu handeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich könnte Ihnen hier jetzt den ganzen Abend unendlich viele Beispiele dafür nennen, dass das leider nicht der Fall ist. Das war nicht nur im Untersuchungsausschuss und in anderen Gremien nicht so, sondern das ist grundsätzlich einfach nicht so. Wenn es einem Abgeordneten durch die Androhung, dass er nicht wieder aufgestellt wird, schwer gemacht wird, einem Gesetzentwurf, den die Regierung vorgelegt hat, nicht zuzustimmen, obwohl er der Meinung ist, dass dies richtig wäre, dann ist irgendetwas nicht in Ordnung. (Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Wir haben fast alle Direktmandate!) Sie können ihn überzeugen, aber Sie können ihn damit nicht zwingen. Deshalb halte ich überhaupt nichts vom Fraktionszwang. Er steht auch in keinem Gesetz. Ich halte auch überhaupt nichts davon, dass ungefähr 30 Mitglieder der Bundesregierung gleichzeitig Abgeordnete sind, die sich selbst kontrollieren. Das finde ich demokratiewidrig, und das ist mit den Grundgedanken der parlamentarischen Demokratie nicht zu vereinbaren. Mein erster Wunsch ist also: Machen Sie diese parlamentarische Demokratie wirklich zu einer solchen, sodass die erste Gewalt im Staat das Parlament ist, das souveräne, unabhängige, selbstbewusste, mutige Parlament. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Jetzt bin ich fast am Schluss. Vizepräsidentin Petra Pau: Ja. Die anderen zwei Punkte wollen aber, glaube ich, alle noch hören. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt kommt der zweite Punkt, Frau Präsidentin; das geht ganz schnell. (Heiterkeit im ganzen Hause) Mein zweiter Wunsch ist: Holen Sie Edward Snowden nach Deutschland! Holen Sie ihn aus Moskau raus! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Er hat sich um die Welt und auch um Deutschland verdient gemacht. Ihre Kanzlerin wüsste nicht, dass sie abgehört worden ist, wenn es Edward Snowden nicht gegeben hätte, und alle Bürgerinnen und Bürger wüssten ohne ihn nicht, dass sie in Gefahr sind, von der NSA oder anderen Geheimdiensten abgehört zu werden, wenn sie die IT-Kommunikation nutzen. Das ist ein hohes Verdienst von Edward Snowden. Ich fordere von Ihnen, dass sie ein bisschen dankbar sind und das Wenige tun: Holen Sie ihn aus Moskau hierher! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Mein dritter Wunsch ist – ich weiß nicht, ob das allen in meiner Fraktion jetzt gefallen wird –: Beenden Sie den Krieg in Afghanistan! Ziehen Sie die Truppen aus Afghanistan ab! 17 Jahre sind viel zu viel und mehr als genug. Ich weiß nicht, wie viele von denen heute noch hier sind, die das damals mit entschieden haben. Ich bin mir sicher – und wenn Sie den ehemaligen Bundeskanzler fragen, dann wird er Ihnen das bestätigen –: Wenn bei der ersten Entscheidung über die Entsendung der Truppen nach Afghanistan gesagt worden wäre: „Das ist jetzt für 16 oder 17 Jahre“, dann hätte diese Entsendung hier im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gefunden. Deshalb: Holen Sie die Leute so da raus, dass möglichst wenig Schaden zusätzlich entsteht. Wenn Sie das machen, was die NATO vorhat und was die Bundesverteidigungsministerin angekündigt hat, nämlich weitere fünf Jahre in Afghanistan zu bleiben und die Truppenstärke aufzustocken, dann wird das alles nur noch schlimmer. Dann stehen Sie in vier oder fünf Jahren hier, können weitere 10 000 Tote beklagen, und die Lage in Afghanistan ist nicht besser geworden. Ich sage Ihnen: Zeigen Sie Mut, und holen Sie die deutschen Soldaten aus Afghanistan zurück! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Jetzt komme ich zum Dank. Ich danke Ihnen für die Zusammenarbeit. Manchmal waren einige auch nett und freundlich. (Heiterkeit im ganzen Hause – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie die Präsidentin jetzt!) Es wäre mir lieber gewesen, Sie hätten, statt mir zu danken, ein bisschen mehr das gemacht, was ich für richtig halte. Aber das haben Sie nicht. (Heiterkeit im ganzen Hause – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Ich bedanke mich natürlich bei all denen, die uns dadurch, dass hier täglich das Licht angeht, geholfen haben, Politik zu machen, sodass wir in Ruhe tagen konnten. (Beifall im ganzen Hause) Ihnen danke ich ganz besonders herzlich, weil sie mir nie etwas Böses getan haben und mich nie zu Unrecht kritisiert haben. (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie haben immer das gemacht, was ich für richtig gehalten habe. (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der LINKEN sowie Abgeordnete der CDU/CSU erheben sich) Vizepräsidentin Petra Pau: Lieber Kollege Hans-Christian Ströbele, die Reaktion des gesamten Hauses fasse ich so zusammen, dass die Abgeordneten Ihnen zwar sicherlich nicht versprechen, Ihnen alle Ihre Wünsche zu erfüllen – das muss jeder für sich entscheiden –, aber zumindest nicht nur darüber nachdenken, sondern in dem Sinne, wie Sie es beschrieben haben, die Arbeit hier im Parlament entsprechend fortsetzen werden. Diese Reaktion war aber auch ein Ausdruck des großen Respektes vor Ihrem Weg. Sie haben eingangs beschrieben, wie wir uns alle entwickeln und uns gegebenenfalls – das ist Stärke – korrigieren können, wenn wir eine Auffassung haben, die sich als falsch erweist. Seit ich jetzt hier oben sitze, denke ich darüber nach, welches Zeichen es ist, dass ausgerechnet ich während Ihrer letzten Rede hier sitzen durfte. Sie wissen es: Wir sind ein ganz großes Stück des Weges hier in Berlin, aber auch an anderen Stellen zusammen gegangen. Also, Dank von allen für die Zusammenarbeit, auch mein persönlicher Dank, und Ihnen alles, alles Gute. (Beifall) Prophylaktisch an alle, die sich in den nächsten zwei Stunden anschicken, hier Ihre letzte Rede zu halten: Ich habe die Zeichen aus den Fraktionen sehr wohl wahrgenommen und diese Rede deshalb so zugelassen. Es wird nicht bei jeder letzten Rede ein solches Zeitkontingent geben. Wir fahren jetzt in der Debatte so fort, wie wir das verabredet haben. Deshalb hat die Kollegin Bettina Bähr-Losse für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bettina Bähr-Losse (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich ziehe, auch wenn ich selbstverständlich nicht alle Positionen des Kollegen Ströbele teile, den Hut vor der politischen Lebensleistung, besonders hier im Parlament. Sie werden diesem Hohen Haus ganz bestimmt fehlen. Obwohl Sie viele Themen angesprochen haben, über die wir Stunden debattieren könnten, muss ich jetzt zum Wohnungseinbruchdiebstahl zurückkommen. Ich beginne meinen Redetext damit, Ihnen zu sagen: Jeder Wohnungseinbruch, der stattfindet, ist einer zu viel. Zwar haben wir in den Redebeiträgen zur ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes auch hören können, dass die Zahl der Einbruchdiebstähle um 10 Prozent gesunken ist. Die Gesamtzahl von 150 000 Einbrüchen ist aber gleichwohl erschreckend hoch, sodass es völlig richtig ist, dass wir uns dieses Themas annehmen. Wesentlich schwerer als der wirtschaftliche Schaden, den Opfer hinnehmen müssen, wiegt die psychische Beeinträchtigung; das wurde in den vorangegangenen Redebeiträgen schon angesprochen. Diesen Umständen muss der Gesetzgeber Rechnung tragen, und genau das tun wir mit diesem Gesetzentwurf. Wir setzen dabei auf bessere Prävention – das dürfte das Wesentliche sein –, und wir setzen auf eine bessere personelle und technische Ausstattung von Polizei und Justiz sowie auf eine stetige Anpassung von Strafnormen. Das größte Plus an Sicherheit schaffen wir dann, wenn es den potenziellen Tätern erst gar nicht gelingt, in die Wohnung einzudringen. Wir wollen, dass Wohnungen so gesichert sind, dass man eben nicht mit ein paar einfachen Kniffen Türen oder Fenster aushebeln kann. In 40 Prozent der Fälle – das haben wir schon gehört – bleibt ein Wohnungseinbruch im Versuchsstadium stecken. Das heißt, Prävention ist eine entscheidende Stellschraube, um Einbrüche zu verhindern. Wir unterstützen daher den Einbau von Mechanismen, die dem Einbruchschutz dienen, mit erheblichen Fördergeldern. Hierfür stehen allein in diesem Jahr 50 Millionen Euro zur Verfügung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dass Prävention funktioniert, zeigt die Entwicklung bei den Autodiebstählen. Es gab im Jahr 1993 über 100 000 Autodiebstähle und Einbrüche in Autos. Diese Zahl hat sich auf 19 000 im letzten Jahr reduziert. Es macht also Sinn, auf Sicherungstechniken zu setzen, und genau das tun wir. Ferner hat meine Fraktion schon lange betont, dass Polizei und Justiz personell und technisch so aufgestellt sein müssen, dass sie uns vor Kriminellen und ihren Machenschaften bestmöglich schützen können. Eine personell und technisch gut ausgestattete Polizei erzielt noch bessere Ermittlungserfolge. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Eine personell gut aufgestellte Justiz kann Verfahren zeitnah zur Straftat durchführen. Die Strafe folgt – wie von uns allen gewünscht – quasi auf dem Fuße. Die Ermittlungsarbeit sollte auch dadurch unterstützt werden, dass künftig die Überwachung von Funkzellen dort, wo es angezeigt ist, möglich sein sollte. Von dieser Möglichkeit wird jedoch erst dann Gebrauch gemacht werden können, wenn die rechtlichen Zweifel an der Konformität der sogenannten Vorratsdatenspeicherung im Hinblick auf europäische Datenschutzrichtlinien nicht mehr bestehen. Zweifel daran, dass dieses Instrument den Ermittlern helfen würde, die Aufklärungsquote zu erhöhen, habe ich nicht. Gleichwohl dürfen wir für ein Mehr an Sicherheit datenschutzrechtliche Bedenken nicht ignorieren. Schließlich setzen wir darauf, dass auch Einbruchdiebstähle in dauerhaft genutzte Privatwohnungen als Verbrechen einzustufen sind. Denn genau darum handelt es sich für die Opfer: Für sie ist es nicht bloß ein Vergehen, sondern ein Verbrechen. Mit der Einstufung als Verbrechen geht dann auch eine härtere Bestrafung zwischen einem Jahr und zehn Jahren einher, die die gravierenden Folgen für die Opfer im Strafmaß abbildet und, so hoffen wir, bei der Kosten-Nutzen-Rechnung der Täter auch eine abschreckende Wirkung entfalten wird. Einen minderschweren Fall soll es zukünftig nicht mehr geben. Jede aufgezeigte Einzelmaßnahme an sich würde vermutlich nur Teilerfolge erzielen. Durch die Kombination von Prävention, verbesserter Aufklärungsmöglichkeit und abschreckenden Strafen wollen wir einen Erfolg erzielen, wie er bei den Autodiebstählen und einbrüchen möglich war. Wir werden damit unseren Beitrag für ein Mehr an Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger leisten. Dessen bin ich gewiss. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Patrick Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ströbele, ich habe Ihren Worten gerne gelauscht, und ich werde versuchen, meine Redezeit jetzt etwas kürzer zu halten, damit wir halbwegs im zeitlichen Rahmen bleiben. Ich glaube, das ist möglich, weil die wesentlichen Punkte zu diesem Gesetzgebungsverfahren gesagt sind. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Einbruchdiebstähle um 30 Prozent angestiegen. Auch wenn sie in letzter Zeit wieder zurückgegangen ist: In der langen Tendenz steigt sie an; das haben wir auch gesehen. Alle drei Minuten findet ein Einbruchdiebstahl statt. Das ist etwas, was wir nicht hinnehmen können. Ich glaube, über alle Fraktionen hinweg haben wir klar gesagt, dass das etwas ist, was wir nicht tolerieren wollen. Bei den Ansätzen unterscheiden wir uns etwas. Aber deshalb hat diese Koalition auch nicht nur einen Ansatz gewählt, sondern sie hat verschiedene Ansätze gewählt, die richtig sind. Bei einem sind wir über alle Fraktionen hinweg einer Meinung: Wir brauchen mehr Polizei vor Ort, damit wir etwas machen können. Wir müssen den Ermittlungsdruck erhöhen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Kollege Tempel, bringt alleine schon die Präsenz etwas. Das ist die Erfahrung, die wir vor Ort machen. Deswegen haben wir den Teil, den der Bund beitragen kann, gemacht, indem wir 7 500 Bundespolizisten mehr einstellen, 1 300 Polizisten beim Bundeskriminalamt und 10 000 Personen bei den Sicherheitsbehörden. Das wird schon wirken. Das ist das, was wir beim Personal haben machen können. Wir haben zweitens aber auch gesagt, dass wir – die Länder können wir zwar anstoßen, aber wenig beeinflussen; ich bin gespannt, was in Nordrhein-Westfalen passieren wird – Anreize schaffen müssen, damit Bürgerinnen und Bürger die Dinge, die sie machen können und wollen, auch umsetzen können. Das sind die Sicherungsmaßnahmen im eigenen Wohnungsbereich. Es war richtig, die Grenze der Förderwürdigkeit auf 500 Euro herunterzusetzen. Auch darüber sind wir uns alle einig. Diejenigen, die es sich gerade nicht leisten können, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wären auch bei der höheren Grenze von 2 000 Euro nicht dazu gekommen. Deswegen ist die Grenze von 500 Euro, glaube ich, richtig. Ich bin gespannt, ob die Verfahren dann so einfach ausgestaltet werden, dass Bürgerinnen und Bürger diese Maßnahmen wirklich in Anspruch nehmen. Meine Vorrednerin hat gerade zu Recht gesagt: 50 Millionen Euro sind dafür bereitgestellt. Ich hoffe, dass die Verfahren sehr praxistauglich sind. Bei der Straferhöhung – das ist der dritte Bereich – sind wir im Dissens. Wenn ich mir anschaue, wie sich Wohnungseinbrüche in den letzten Jahren entwickelt haben, dann stelle ich fest, dass sie mehr von Banden organisiert werden und mit einer deutlich größeren Schwere und Brutalität verbunden sind. Man dringt in die Wohnung ein, auch wenn die Leute im Bett schlafen, und raubt die Wohnung aus. Wenn die Leute aufwachen, drohen ihnen große Gefahren. Oft wird tätlich gegen diese Personen, oft gegen ältere Menschen, vorgegangen. Da ist also eine starke, organisierte Kriminalität im Spiel. Dazu muss ich sagen: Dann muss auch das Strafmaß der Intensität der Tat entsprechen. Deswegen ist es richtig, dass man das Strafmaß erhöht. Wenn die Höhe des Strafmaßes als Abschreckungsgrad nie eine Rolle spielen würde, dann müssten wir das bei allen Taten diskutieren. Dann müssten wir uns überall fragen, welchen Sinn es macht, ein hohes Strafmaß bei einer sehr schweren Tat vorzusehen. Wir stufen eben den Wohnungseinbruch, das Eindringen in die Privatsphäre als eine schwere Tat ein. Ich glaube, das ist richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieser Dreiklang ist es, den wir als Gesetzgeber diesem Phänomen der kontinuierlich ansteigenden Wohnungseinbruchskriminalität entgegensetzen. Ich glaube, das ist ein richtiges Zeichen, wenn man so etwas erkennt. Wir haben in den Debatten viele Punkte diskutiert, gemeinsam mit der Bundesregierung viele Details angesprochen. Eine Expertenanhörung hat uns unterschiedliche Ansichten gezeigt. Ich glaube, die überwiegende Meinung in der Koalition und die Punkte, in denen wir sogar mit der Opposition einig sind, wurden bestätigt. Dass wir bei einem so schweren Delikt auch die Vorratsdatenspeicherung nutzen wollen, um Ermittlungsansätze zu haben, wenn wir von Bandenkriminalität ausgehen, und auch die Hintermänner feststellen wollen, ist dann folgerichtig. Wir müssen schauen, wie sich dieses Instrument in nächster Zeit weiterentwickelt. Wir haben die richtigen Maßnahmen getroffen. Ich würde mir wünschen, dass wir jetzt nicht im Dissens auseinandergehen, sondern hier gemeinsam dieses Gesetzespaket beschließen würden, für mehr Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger. Zumindest zwei von drei Maßnahmen sind – das sagen alle Fraktionen – gut, und bei der dritten, glaube ich, könnte man auch mitgehen. Wir könnten das Gesetz vielleicht heute gemeinsam beschließen. Dafür werbe ich. Ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank, auch für die Umsetzung des angekündigten Versprechens. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Wohnungseinbruchdiebstahl. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/12933 und 18/12995, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 18/12359 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Parallelgesetzentwurf der Bundesregierung. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 18/12933 und 18/12995, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12729 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Katja Dörner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung Drucksache 18/12951 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Maria Klein-Schmeink, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit Sicherheit in die Selbständigkeit – Für eine bessere Absicherung von Selbständigen Drucksachen 18/10035, 18/12673 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen Ihnen heute unser Konzept der Bürgerversicherung erstens vor und zweitens auch zur Abstimmung. Damit wollen wir einen Beitrag dafür leisten, dass wir Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir geben damit eine Antwort auf die Herausforderungen unseres Gesundheitswesens, nämlich zum einen die Versorgung für alle in der gewohnten und geforderten Qualität zugänglich zu halten und zum anderen insgesamt die Beiträge für unser Krankenversicherungssystem bezahlbar zu halten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieser Spagat kann nur gelingen, wenn wir uns darum bemühen und heute die Grundlagen dafür schaffen, dass wir eine stabile und nachhaltige Finanzierung auch in Zukunft haben, weil wir wissen, dass enorme Herausforderungen durch den demografischen Wandel und auch durch die medizinische Entwicklung vor uns stehen. Da müssen wir heute handeln. Wir können nicht darauf bauen – dieser Gedanke tauchte gestern in der Diskussion auf –, dass durch die Zusatzbeiträge eine komfortable Situation sowie gute Rücklagen geschaffen wurden, mit denen wir die Aufgaben schon stemmen können. – Nein, so gelingt das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sehen auch sehr deutlich, dass das System der Zusatzbeiträge, das Sie sich ausgedacht haben, erstens ungerecht ist und zweitens auch auf Dauer nicht trägt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Edgar Franke [SPD]) – Ich sehe schon: Der Kollege von der SPD klatscht und stimmt mir zu. Über die Zusatzbeiträge haben wir die enormen Lasten, die jährlich neu im Gesundheitswesen entstehen, auf die Versicherten allein verschoben. Das ist nicht gerecht, und das trägt auf Dauer nicht. Deshalb müssen wir aus dieser Sackgasse heraus, hin zu einer gerechten Finanzierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn wir zu einer gerechten Finanzierung kommen wollen, dann bedarf es keines großen Kunstgriffs; denn unser heutiges solidarisches System beruht auf der Solidarität der Sozialversicherten und insbesondere der gesetzlich Krankenversicherten. Damit sind 90 Prozent unserer Bevölkerung in ein Solidarsystem einbezogen. Das ermöglicht die Sicherstellung einer guten Versorgung in Deutschland, unabhängig davon, wie viel Geld der Betreffende hat und in welcher Lebenslage er ist. Das ist eine wesentliche Errungenschaft unseres Sozialsystems und eine der tragenden Säulen dessen, was wir unter sozialer Sicherung verstehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deshalb ist es wichtig, dass wir nun auch die 10 Prozent – viele davon mit hohen Einkommen – einbeziehen, die derzeit nicht zum Erhalt des Solidarprinzips und zu einer verlässlichen Finanzierungsbasis beitragen. Diesen Schritt gilt es endlich zu gehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage. Vielmehr geht es auch darum, dass wir wesentliche Fehlentwicklungen in der Versorgung, die sich aus dem doppelten System, dem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ergeben, in den Griff bekommen. Ich möchte ein Beispiel nennen, das viele leidgeprüfte gesetzlich Versicherte kennen. Ich rufe in einer Praxis an, frage nach einem Facharzttermin und erhalte ihn erst in sechs oder acht Wochen – manchmal dauert es noch länger –, während der Privatversicherte beim gleichen Arzt innerhalb von fünf Tagen einen Termin erhält. Das ist Zweiklassenmedizin; das können wir nicht zulassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das stellt in Zukunft auch die Versorgung insgesamt infrage. Studien zeigen deutlich: Ärzte lassen sich dort nieder, wo es viele Privatversicherte gibt und wo sie höhere Honorare erzielen können. Das ist kein Beitrag zu einer zukunftsfesten Versorgung. Auch deshalb müssen wir zu einem integrierten Versicherungssystem kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Bei einem integrierten Versicherungssystem handelt es sich keineswegs, wie Sie es uns unterstellen, um eine Einheitsversicherung. Im Gegenteil: Erstmalig werden wir den Wettbewerb befördern, den es sowieso in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt; es gibt über 100 Krankenversicherungen. Ich kann als gesetzlich Versicherter und als freiwillig versicherte Abgeordnete wählen, in welche gesetzliche Krankenversicherung ich gehe; das ist sehr schnell möglich. In der privaten Krankenversicherung ist das nicht möglich. Wenn ich einen alten Vertrag habe, dann bin ich – rational betrachtet – an meine private Krankenversicherung gebunden und kann nicht wechseln, selbst wenn ich mit ihren Dienstleistungen in keiner Weise zufrieden bin. Auch das muss man verändern. Wir müssen zu echter Wahlfreiheit kommen. Genau das könnten wir erreichen, indem wir jede Personengruppe und jede Einkommensart in das System der solidarischen Bürgerversicherung einbeziehen. Alle Einkunftsarten werden verbeitragt. Auch die privaten Krankenversicherungen sollen die Bürgerversicherung anbieten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren von der Union, hören Sie genau hin und schauen Sie unseren Antrag an, damit Sie nicht ständig mit der alten Leier von der Einheitsversicherung kommen! Das wird unserem Konzept in keiner Weise gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Welche Antwort wollen Sie all den vielen Rentnern und Rentnerinnen geben, die heute durch private Prämien für die Krankenversicherung über Gebühr belastet werden? Welche Antwort wollen Sie den vielen kleinen Selbstständigen auf die Frage nach deren sozialen Sicherung geben? Da haben Sie ganz große Lücken und keine Antwort. Mit der Bürgerversicherung liefern wir eine Antwort. Das ist machbar. Es bedarf vieler Schritte; das ist ganz klar. Mit dem ersten Schritt, der Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung, würden wir vorangehen. Als Nächstes würden wir die Selbstständigen in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen sowie ihnen bezahlbare Tarife und eine gute Mindestbemessungsgrenze anbieten. Wir würden den Beamten einen Tarif anbieten, damit auch sie in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Gleichzeitig könnten wir alle Zuzahlungen abschaffen. Das ist ein klares Angebot für eine stabile und verlässliche Finanzierung und eine gute Versorgung. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Thomas Stritzl das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thomas Stritzl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12951 ist kaum mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Unter dem Schalmeienklang „Allen Wohl, keinem Wehe“ soll die Axt an eines der erfolgreichsten und leistungsstärksten Gesundheitssysteme dieser Welt angelegt werden. (Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist es! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Quatsch!) Da zufällig gerade Wahlkampfzeiten sind, war beim Verfassen des Antrags der Grünen, der das Ziel der Zerschlagung des erfolgreichsten Gesundheitssystems der Welt verfolgt, leider keine Zeit, die schädlichen Nebenwirkungen der grünen Anti-PKV-Pille zu berücksichtigen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn da eine Nebenwirkung?) Diese wären erheblich. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PKV ist eingeladen, die Bürgerversicherung anzubieten!) Der Antrag, der in seinem Wording auf die Ausstrahlung sogenannter sozialer Wärme abzielt, verliert nicht eine Silbe an die Adresse der Direktverlierer des grünen Vorhabens: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Versicherungsbranche. Wenn man der Hans-Böckler-Stiftung folgt – eine Studie dort haben nicht wir beauftragt; es ist nicht unser Institut; es ist eher auf der linken Seite des Hauses beheimatet –, drohen 51 000 nicht kompensierbare Arbeitsplatzverluste in der Privatversicherungsbranche – 51 000! Kein Wort von Ihnen dazu. (Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist das! – Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Die können doch in andere Versicherungen gehen!) Ich finde das bemerkenswert. Auch kein einziges Wort dazu, dass rund 300 000 Arbeitsplätze in den Bereichen, die an die Versicherungsbranche angrenzen, gefährdet sind – keinen Ton! (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Digitalisierung wird sehr viel verändern, auch in der PKV!) Ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie von Zweiklassenmedizin reden. Sie haben offensichtlich ein Zweiklassenverständnis, wenn es um Arbeitsplätze geht. Als es um die 15 000 Arbeitsplätze bei Tengelmann ging, konnte Gabriel laut OLG Düsseldorf das Wirtschaftsrecht unter Ihrem Beifall mit biegen. Wenn es um 51 000 Arbeitsplätze in der privaten Versicherungsbranche geht, dann erwähnen Sie es nicht nur nicht einmal, sondern Sie betreiben sogar direkt deren Verlust und fühlen sich dabei auch noch gut. Das müssen Sie vor sich selbst rechtfertigen. (Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wirklich nicht zugehört!) Die Koalition habe durch ihre Politik in dieser Legislaturperiode, so darf ich Ihren Antrag zitieren, im Gesundheitssektor erhebliche Kostensteigerungen ausgelöst und durch die Existenz der Zusatzbeiträge die soziale Spaltung verschärft. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Stritzl, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Klein-Schmeink. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Aber jederzeit doch. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich danke für die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu stellen. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Gerne. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie unserem Konzept entnommen, dass auch die private Krankenversicherung eingeladen ist, die Bürgerversicherung anzubieten? Dann würde sie nicht nur Behandlungen abrechnen und Risiken berechnen, sondern sie könnte mit dafür sorgen, dass Versorgung vor Ort gestaltet wird. Das tut sie im Übrigen in kleinen Anteilen sogar schon jetzt im Bereich der Pflegeversicherung; sie übt sich in diesem Feld schon. Man kann deutlich sehen: Das hat Zukunft; das ist in Zukunft gefragt. – Hingegen wird die Digitalisierung viele der anderen Aufgaben, die heute in der privaten Krankenversicherung anfallen, sowieso digital ersetzen. Da wird man insgesamt einen Wandel im Bereich der Arbeitsfelder erleben. Von daher bieten wir gerade der privaten Krankenversicherung eine ganz konkrete Perspektive. Man hat im Übrigen sehen können, dass so etwas Ähnliches in den Niederlanden vonstattengegangen ist und durchaus geklappt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Thomas Stritzl (CDU/CSU): Ich bedanke mich für den Hinweis, Frau Klein-Schmeink, dass wir einig sind: Auch Sie gestehen jetzt zu, dass durch die Umsetzung Ihres Antrages Arbeitsplätze bei der PKV in erheblichem Umfang abgebaut würden. Das ist ja genau das, was ich befürchtet habe. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine schlechte Antwort! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie denn schwerhörig?) Dass Sie das auch einmal zugeben, finde ich gut. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Sie sagen dazu ja nichts in Ihrem Antrag; das ist entscheidend. Sie verlieren dazu in Ihrem Antrag überhaupt kein Wort. Ich finde, darauf sollte man hinweisen. Wenn wir darüber jetzt Einigkeit gefunden haben, ist das sehr schön. (Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU] – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Sie wollen doch mit Ihrem Antrag, gnädige Frau, die Bürgerversicherung einführen. Dafür müssen Sie die PKV abschaffen. Das ist das, was Sie wollen. Sie wollen es nur nicht mehr so deutlich sagen. Sie wollen das Geschäftsmodell der PKV mittelfristig zerstören, (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) aber Sie wollen es jetzt im Wahlkampf nicht so deutlich sagen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Antrag überhaupt nicht gelesen!) Sie wollen gern durch die Hintertür ins Haus. Glauben Sie nicht, dass wir Sie damit durchkommen lassen. Ich komme noch einmal zu dem Zitat zurück. Sie schreiben, wir hätten die Gesundheitskosten erheblich gesteigert und die soziale Spaltung verschärft. Richtig ist, dass die Koalition unter Leitung von Gesundheitsminister Gröhe in dem Bereich enorm viel geleistet hat. Er hat wirklich viel geleistet. Die Qualität in unserem Gesundheitswesen ist gestiegen. Dies mögen Sie jetzt kritisieren, aber als es hier um die konkreten Maßnahmen im Einzelnen ging, war es gerade Ihnen immer nicht genug, durfte es immer noch ein bisschen mehr sein. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, mit mehr Solidarität können wir mehr gute Leistungen bezahlen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Stritzl, ich habe die Uhr angehalten und frage Sie, ob Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Scharfenberg zulassen. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Jawohl, auch das. (Dr. Edgar Franke [SPD]: Sie wollen nur die Redezeit verlängern!) – Genau. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese Redezeit verlängere ich gern. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Bitte, Frau Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es spricht für sich, was wir hier hören. – Ihre Antwort hat mich nicht wirklich zufriedengestellt; denn die Frage, die meine Kollegin formuliert hat, wurde de facto nicht beantwortet. Sie haben darauf bestanden, dass mit unserem Antrag quasi Arbeitsplätze beseitigt würden und dass wir die private Krankenversicherung eliminieren wollen. Mich würde interessieren, an welcher Stelle Sie das gelesen haben, wenn Sie unseren Antrag gelesen haben. Das würde ich gern wissen; denn die Kollegin hat sehr eindeutig gesagt, dass wir die private Krankenversicherung einladen, sich an diesem Modell zu beteiligen, dass wir ihr in Zeiten der Digitalisierung im Grunde genommen neue Geschäftsmodelle bieten, dass wir also anbieten, sich am Gesundheitswesen ganz aktiv zu beteiligen. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das tut sie ja schon!) Mich würde jetzt also interessieren, wo genau Sie das gelesen haben, dass wir die private Krankenversicherung eliminieren wollen. Ich fordere Sie auch herzlich auf, die Frage meiner Kollegin zu beantworten. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Wenn ich Ihnen mit Herrn Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, antworten darf. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den habe ich nicht gefragt! Ich habe Sie gefragt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der schreibt Ihnen vielleicht die Anträge, uns nicht!) Zu dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab, EBM, den Sie einführen wollen, sagt er: Das ist die Einführung der Bürgerversicherung, die Abschaffung der PKV durch die Hintertür. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es geht doch um unseren Antrag, nicht um Herrn Montgomery! Es geht um den Grünenantrag!) Auf Berlinerisch würde man sagen: „Nachtigall, ick hör dir trapsen.“ Genau das ist die Situation: Sie wollen den Einstieg in die Abschaffung der PKV. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das?) Wir wollen ihn nicht, weil wir zur Dualität des Systems stehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Dualität hat uns im Gesundheitssystem nach vorn gebracht und nicht zurückgeworfen. Diesen Fortschritt wollen wir sichern – für die Versicherten, für die Patienten. Deswegen wehren wir uns dagegen, dass Sie die Dualität aufheben wollen. Das ist der Sinn Ihres Antrags. Das können Sie ruhig sagen. Da sind wir in der Sache unterschiedlicher Meinung. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben!) – Ich habe ihn nicht nur gelesen; ich habe ihn sogar verstanden. (Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir aber Zweifel!) Noch einmal zu der Frage: Wie steht es um die Finanzen der GKV? Sie sagen, dass alles das, was die Große Koalition beschlossen und eingeführt hat, nicht leistbar sei. Aber auch dazu sagen Sie nichts: 16,7 Milliarden Euro sind auf dem Rücklagenkonto der GKV. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die gehören den Versicherten! Aus den Zusatzbeiträgen! Nur von den Versicherten!) 16,7 Milliarden Euro! Das nennen Sie soziale Spaltung. 1,4 Millionen Menschen mehr haben eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Das nennen Sie soziale Spaltung. Das Reallohnwachstum in der Zeit von 2014 bis 2016 betrug 6 Prozent – Tendenz steigend in 2017. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht jeder nimmt daran teil!) Das nennen Sie soziale Spaltung. Offensichtlich steuern die Interessen Ihre Wahrnehmung, aber die Realität ist eine andere. (Beifall bei der CDU/CSU) Besser wird es auch nicht mit Ihrem Vorhalt der sogenannten Zweiklassenmedizin. Sie wissen ganz genau, dass bei der Versorgung mit medizinisch notwendigen Leistungen eine Zweiklassenmedizin in Deutschland nicht existiert. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die existiert! Als GKV-Versicherte weiß ich das!) Was die Wartezeitenargumentation angeht: Wir als Große Koalition (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wo sind denn Sie versichert?) – melden Sie sich; Sie haben einen Finger – haben das Angebot der Terminservicestellen eingerichtet. Es wird kaum in Anspruch genommen. Auch das darf man einmal erwähnen. – Punkt eins. (Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist das!) Punkt zwei. Wenn Sie sich in der Statistik die europäischen Vergleichsdaten anschauen, dann sehen Sie, dass das duale System die kürzesten Wartezeiten hat (Beifall bei der CDU/CSU) und dass die Einheitssysteme, die Sie anstreben, schlechter sind, als Sie uns hier vorspiegeln. Auch dieser Weg von Ihnen ist also kein Weg nach vorn, sondern ein Weg zurück. Die grüne Quadratur des Kreises – das als weitere Bemerkung –: Sie wollen gern mehr Versicherte im GKV-System. Sie verschweigen, dass es dann auch mehr beitragsfrei Mitversicherte, Familienmitglieder, gäbe. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut! Das ist Familienförderung!) Sie wollen mehr Leistungen für alle und gleichzeitig mehr Beitragsstabilität. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Das Versprechen können Sie nur halten, wenn Sie das Leistungsniveau absenken. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Das ist genau der Punkt, den die Vorsitzende der GKV schon heute nennt: Gäbe es die Dualität, den Wettbewerb mit der privaten Krankenversicherung nicht, wäre das Leistungsniveau in der GKV heute wahrscheinlich schon niedriger. – Genau das wollen wir nicht. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Mythos, den Sie immer nur erzählen!) Wir wollen ein möglichst hohes Leistungsniveau für die Versicherten, für die Patientinnen und Patienten; dabei lassen wir nicht locker. (Beifall bei der CDU/CSU) Eine weitere Fehlannahme Ihrerseits ist, dass die PKV die Versicherung der Reichen ist. Auch das stimmt nicht. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit kommen Sie nicht über den Wahlkampf!) 20 Prozent der Versicherten in der PKV liegen oberhalb der Jahresbemessungsgrenze. Insofern ist auch das kein haltbares Argument. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege, jetzt müssen Sie aber bitte auf die Zeit achten. Wir hatten vorhin die Uhr angehalten, sodass Ihnen die Kollegen schon die Verdoppelung Ihrer Redezeit ermöglicht haben. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Gut. – Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Ebenfalls sind wir nicht für die Einführung eines „grünen Solis“. Sie wollen in Zukunft sowohl Arbeitseinkommen als auch Mieteinkommen und Dividenden nicht nur versteuern – das machen wir heute schon –, (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Freibeträgen!) sondern sie zusätzlich auch verbeitragen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum soll nur ein abhängig Beschäftigter bezahlen?) Damit machen Sie diese Form der Kapitaldeckung für die Menschen – auch in Form der Altersvorsorge für die jungen Leute – immer unattraktiver, anstatt gemeinsam einen Weg zu suchen, wie wir junge Leute im System halten können, wie wir Altersvorsorge bei einer sich wandelnden Demografie weiter festigen können. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie können gern weiterreden, Herr Kollege, aber dann komme ich in Verhandlungen mit Ihren Kollegen aus der Fraktion in Bezug auf die Anrechnung der Redezeit. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Er ist schon fertig!) Thomas Stritzl (CDU/CSU): Okay. – Im Ergebnis ist Ihr Weg kein Weg in die Zukunft, sondern ein Weg in die Vergangenheit. Wir bleiben bei unserem leistungsfähigen System. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU macht im Wahlkampf einfach immer ein bisschen länger!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Stritzl, besser als mit den Worten, die Sie gerade von sich gegeben haben, kann ein Lobbyist der PKV nicht sprechen; das muss ich Ihnen wirklich so sagen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Er ist Abgeordneter und hat für unsere Fraktion gesprochen!) Ich bedaure es wirklich sehr, dass Sie so für die PKV kämpfen; denn in ihr sind 9 Millionen Menschen versichert, während es in der GKV 70 Millionen gibt. Ich glaube, schon daran sieht man den Unterschied. (Beifall bei der LINKEN) Nichtsdestotrotz: Die Linke streitet für gesellschaftliche und politische Mehrheiten zur Umsetzung einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Hier sehen wir natürlich viele Schnittpunkte mit dem vorliegenden Antrag der Grünen. Uns überzeugt aber nicht, dass der Wettbewerb aufrechterhalten werden soll und damit aus unserer Sicht die Zweiklassenmedizin weiter verfestigt wird. Damit muss endlich Schluss sein, meine Damen und Herren. (Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKEN] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Was reden Sie denn da? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU] gewandt: Herr Stritzl, hören Sie mal zu!) Was Sie Wahlfreiheit nennen, ist in Wahrheit Wettbewerb. Die Folgen für Gesundheit und Pflege, die Herr Stritzl überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen will, sind bekannt. Wir sagen eindeutig: Gesundheit und Pflege gehören in die öffentliche Daseinsvorsorge und dürfen nicht der Gewinnmaximierung dienen. (Beifall bei der LINKEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bürgerversicherung ist öffentliche Daseinsvorsorge! Das muss aber nicht alles der Staat machen!) Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt, über den wir gestern debattiert haben. Meine Kollegin Kathrin Vogler hat dazu schon einiges gesagt. Meine Damen und Herren, wir haben hier einen zweiten Antrag vorliegen, zur Absicherung von Selbstständigen. Wir haben in dieser Legislaturperiode einige Male über die Situation von Selbstständigen und Solo-Selbstständigen debattiert, allerdings nicht, weil Sie als Damen und Herren der Koalition das als Thema aufgesetzt haben, (Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir haben das gemacht!) sondern ausschließlich, weil die Opposition das aufgesetzt hat. Sie interessiert die Situation der Solo-Selbstständigen überhaupt nicht. Sie schauen einfach weg (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das wissen Sie selber!) und agieren frei nach dem Motto – wie Frau Merkel immer sagt –: „Deutschland geht es gut, und Probleme gibt es in Deutschland nicht.“ Das ist eben nicht so; gerade den Solo-Selbstständigen geht es wirklich nicht besonders gut. In diesem Bereich sollten Sie endlich einmal etwas tun. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit, ist keineswegs mit einem guten Einkommen gleichzusetzen. Im Gegenteil: Die soziale Lage der Selbstständigen ist sehr unterschiedlich. Wir haben dazu eine Große Anfrage gestellt und erfahren: Ein nennenswerter Anteil der Solo-Selbstständigen lebt unter prekären Bedingungen. Fehlende Sicherheit charakterisiert die soziale Lage insbesondere der Solo-Selbstständigen. Das muss geändert werden, meine Damen und Herren. Sie müssen hier endlich etwas tun, sonst rutschen die Solo-Selbstständigen immer mehr in Armut und haben keine Versicherung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt unser Antrag! Genau!) Gerade unter den Solo-Selbstständigen gibt es viele, die nur ein geringes Einkommen haben. Mit 700 000 Solo-Selbstständigen verfügen fast 30 Prozent aller Solo-Selbstständigen über ein Einkommen von bis zu 1 100 Euro. Die fehlende oder unzureichende Vorsorge für das Alter ist aktuell auch das dringendste Problem, das die Politik endlich lösen muss. Das sagen nicht nur wir. Das sagt auch die Bertelsmann-Stiftung, die weiß Gott keine Vorfeldorganisation der Linken ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Solo-Selbstständigen schützen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Selbstständigkeit, vor allem Solo-Selbstständigkeit, ist für uns wichtig. Von den 4,2 Millionen Selbstständigen hat nur ein kleiner Teil – etwa 280 000 – Zugang zu einem Alterssicherungssystem. Das ist viel zu wenig. Hier muss eine Absicherung her. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da hilft nur die Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung. Bereits heute zeigt sich, dass Altersarmut unter ehemaligen Selbstständigen weit verbreitet ist. Fast die Hälfte verfügt im Alter lediglich über ein Nettoeinkommen von 1 000 Euro. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, den Sie einfach nicht sehen wollen, nach dem Motto „Deutschland geht es gut“. Große Probleme gibt es auch hinsichtlich einer Absicherung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung. Selbstständige sind im Gegensatz zu abhängig Beschäftigten nicht pflichtversichert und müssen sich daher selbst um einen Versicherungsschutz kümmern. Insbesondere geringverdienende Selbstständige finden daher keine bezahlbare Versicherung. Das muss Ihnen doch eigentlich zu denken geben. Derzeit wird bei Selbstständigen ein Krankenversicherungsbeitrag erhoben, bei dem man von einem Einkommen von rund 4 000 Euro ausgeht. Erst beim Nachweis eines niedrigeren Einkommens wird die Beitragsbemessungsgrenze dann auf 2 200 Euro abgesenkt, und in nur wenigen Ausnahmefällen kann der Beitrag auch darunter liegen. Ein Beispiel: Ein Solo-Selbstständiger hat ein Einkommen von 1 000 Euro im Monat. Davon muss er rund 400 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen. Bleiben noch 600 Euro zum Leben. Finden Sie das gerecht, meine Damen und Herren? Die Linke fordert eine bezahlbare Kranken- und Pflegeversicherung. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD, Sie kümmern sich immer nur um die großen Konzerne, allen voran die Rüstungskonzerne, die Energiekonzerne, die Immobilien- und Versicherungswirtschaft. (Jana Schimke [CDU/CSU]: Da kommt auch das Geld her!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Zimmermann. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Aber wie es dem kleinen Mittelständler, den Selbstständigen und den Solo-Selbstständigen geht, interessiert Sie nicht. Dabei sind gerade sie wichtig für eine florierende Wirtschaft. Deshalb ist es wichtig, meine Damen und Herren – ich komme dann zum Schluss, liebe Frau Präsidentin –, – Vizepräsidentin Petra Pau: Ich bitte darum. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): – dass wir eine starke Linke hier in Deutschland haben. (Ute Bertram [CDU/CSU]: Oh nein! Um Gottes willen!) Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Edgar Franke für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Edgar Franke (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Anträgen der Opposition zur Bürgerversicherung gestern und heute merkt man: Der Wahlkampf fängt langsam an. Wir sind ja auch schon langsam dabei, Wahlkampf in unseren Wahlkreisen zu machen. Die geschätzte Kollegin Kathrin Vogler hat ja gestern angemahnt, dass wir eigentlich ein Gerechtigkeitsstärkungsgesetz bräuchten. Tatsächlich haben wir in dieser Legislaturperiode, was die Gesundheitspolitik angeht – hier sitzen ja die Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss, die dabei waren und dort Politik gemacht haben –, mit über 20 Gesetzen (Maria Michalk [CDU/CSU]: 26!) so viele Gesetze wie nie beschlossen, und diese dienten alle der Verbesserung der Gesundheitsversorgung. (Beifall bei der SPD) Wenn man so will, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir über 20 Gesetze gemacht, die zur Gerechtigkeitsstärkung eingesetzt worden sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Gesundheitspolitik trägt eindeutig eine sozialdemokratische Handschrift. Der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine bessere Versorgung der Menschen unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Wohnort und unabhängig vom Alter. Das nennen wir Gerechtigkeit. (Beifall bei der SPD) Wir haben wirklich viel umgesetzt; das Versorgungsstärkungsgesetz, die Regelungen für den Palliativ- und Hospizbereich, das Krankenhausstrukturgesetz, drei Pflegestärkungsgesetze und das Präventionsgesetz sind nur einige Beispiele. Ich darf erinnern: Wir haben die flächendeckende medizinische Versorgung mit vielen neuen gesetzlichen Instrumenten durchgesetzt: von der Terminservicestelle bis zu finanziellen Anreizen für die Niederlassung in unterversorgten Gebieten. Beispielsweise gibt es bei mir in Hessen 66 000 Euro für den Arzt, der sich in einem unterversorgten Gebiet ansiedelt. (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Und wo fehlt es?) Wir haben Qualitätsverbesserungen in der Krankenhausversorgung. Der G-BA wird am Ende dieses Jahres sicherlich die Qualitätsparameter vorlegen. Wir haben vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir verbessern die Leistungen mit Mehrausgaben von 5 Milliarden Euro ab diesem Jahr. Wir haben den erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff und Leistungsverbesserungen für demenziell Erkrankte eingeführt. Das, glaube ich, lässt sich sehen. Das merken auch die Menschen; denn Pflege muss mehr als „satt und sauber“ sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!) Wir haben das Präventionsgesetz auf den Weg gebracht. Maria Michalk, viele andere Koalitionen haben das nicht geschafft. Damit werden Gesundheitsförderung und Krankheitsvermeidung in den jeweiligen Lebenswelten endlich zum Ziel konkreten politischen Handelns gemacht. (Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE]) Das, lieber Harald Weinberg, kann sich, glaube ich, sehen lassen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) und es ist eine Politik aus der Sicht der Versicherten. Ich muss auch sagen: Die Opposition hat bei fast all diesen Gesetzen dagegengestimmt. Auch das muss man festhalten. – Da können die Schwarzen auch einmal klatschen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir klatschen schon die ganze Zeit!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler? Dr. Edgar Franke (SPD): Ja, natürlich. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, lieber Kollege, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen. – Da Sie hier das Ergebnis der Koalitionsarbeit so loben, (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Zu Recht!) will ich doch noch etwas Wasser in Ihren Wein schütten. Durch die Gesetze, die Sie mit dieser Koalition gemacht haben, zieht sich eigentlich ein roter Faden, (Hilde Mattheis [SPD]: Ja, da ist ein roter Faden!) nämlich dass Sie die Finanzierung der Aufgaben, die eigentlich staatliche Aufgaben wären, zum Beispiel in Bezug auf die Krankenhausstruktur, in der Prävention usw., den gesetzlichen und nur den gesetzlichen Krankenkassen und deren Versicherten übergeholfen haben. Am Anfang der Wahlperiode haben Sie nämlich den Beitrag für die Arbeitgeber eingefroren, sodass alle künftigen Ausgabesteigerungen von den Versicherten alleine bezahlt werden müssen, natürlich nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Das heißt, Sie haben die Ausgaben für das, was Sie in dieser Wahlperiode verteilt haben, zum größten Teil einseitig den Versicherten aufgelastet. Das ist meiner Ansicht nach kein Beleg für eine besonders gerechte und sozialdemokratische Politik, sondern es ist eher ein Beleg für eine weitere Umverteilung von unten nach oben. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Was war die Frage?) Dr. Edgar Franke (SPD): Das war eher eine Kommentierung, liebe Kathrin Vogler, als eine Frage. – (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, das war eine Bemerkung!) Im Bereich der Prävention haben wir ganz viel gemacht. Wir haben nämlich die Leistungen verdoppelt. Wir geben inzwischen 7 Euro für jeden Versicherten für Prävention aus, und das kann sich wirklich sehen lassen: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) für Gesundheitsförderung, für Primär- und Sekundärprävention. Das lässt sich politisch darstellen. Ich kann auch sagen, dass wir als Sozialdemokraten den Zusatzbeitrag einkommensabhängig gemacht haben. Auch deswegen ist es etwas ganz anderes als die Kopfpauschale, die es früher gab, bei der jeder unabhängig vom Einkommen einen Zusatzbeitrag gezahlt hat. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damals war das gedeckelt, heute zahlen sie schon mehr!) Zweitens haben wir schon damals bei den Koalitionsvereinbarungen immer gesagt, dass wir dafür sind, Krankenversicherungsbeiträge paritätisch zu finanzieren, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu 50 Prozent. Es kann nicht sein, dass alles, was wir für den medizinischen Fortschritt an Innovationen auf den Weg gebracht haben, allein die Arbeitnehmer und die Versicherten zahlen. Da bin ich vollkommen einer Meinung mit Ihnen. Aber Politik ist manchmal eben so, dass man Kompromisse machen muss. Das stand im Koalitionsvertrag, und die SPD war immer koalitionstreu; das sage ich Ihnen ganz ehrlich. (Beifall bei der SPD – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Quod erat demonstrandum!) Recht herzlichen Dank für die Frage, Kathrin Vogler. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zur gesundheitspolitischen Debatte und zum Antrag der Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen zum Einstieg in die Bürgerversicherung zurück. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt will ich mal wissen, ob ihr den unterstützt!) Liebe Maria Klein-Schmeink, es ist ein guter Antrag; das sage ich ausdrücklich. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja schon mal was!) Es ist nicht nur ein Schaufensterantrag, der dem Bundestagswahlkampf geschuldet ist. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Nein!) Die Bürgerversicherung, lieber Kollege Thomas Stritzl, ist für Gesundheit und Pflege sicherlich der richtige Weg. Man kann sich aber über die Details streiten, man kann sich auch über die handwerkliche Basis streiten. Ich will ein bisschen was dazu sagen. Hinter dem Schlagwort „Bürgerversicherung“ verbirgt sich relativ viel. Herr Stritzl hat versucht, das eine oder andere zu beleuchten – (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu unterstellen!) ich sage mal, aus einer sehr individuellen Sicht. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aber zutreffend, erhellend! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das war eher Verdunkelung! Verdunkelungsgefahr!) – Ob beim Kollegen Stritzl Verdunkelungsgefahr besteht, weiß ich nicht; aber ich will Licht ins Dunkel bringen. – Für mich sind bei der Bürgerversicherung acht Punkte wichtig. Erster Punkt. Ich habe schon gesagt: Aus unserer Sicht, aus Sicht der SPD, müssen die Zusatzbeiträge zunächst abgeschafft werden, die allein die Arbeitnehmer, die Versicherten zahlen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erster Punkt! Da sind wir uns einig!) Das ist der erste Punkt auch unseres Bürgerversicherungskonzepts – da sind wir einer Meinung –: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weg mit den Zusatzbeiträgen, die nur die Arbeitnehmer, nur die Versicherten belasten! (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 24 Milliarden 2015 und 2016! – Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) – Da gebe ich Ihnen auch von hier vorne aus durchaus recht; auch Ihnen, Frau Vogler. Zweiter Punkt. Die SPD will nach ihrem Konzept die Beiträge in der Krankenversicherung stabil halten. Es ist nicht daran gedacht – das wissen Sie, wenn Sie unser Programm lesen –, Beiträge für welchen Personenkreis auch immer zu erhöhen. Vielmehr können wir die Beiträge dann, wenn alle in das System einzahlen, Herr Stritzl, stabil halten. Dritter Punkt. Gegenüber dem Grünen-Antrag wollen wir – das ist ein Unterschied – Bürgerinnen und Bürger nach unserem Bürgerversicherungskonzept finanziell entlasten. Unser Programm sieht keine Verbeitragung von Mieteinnahmen und Kapitaleinnahmen zur Finanzierung der Krankenversicherung vor. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist feige! Ihr behandelt die Einkommen nicht gleich!) Denn damit würden wir den Häuslebauer belasten, der eine Mietwohnung hat, und das wollen wir nicht. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aha! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da braucht ihr Freibeträge!) Es gibt viele Gründe, in unserer Gesellschaft umzuverteilen – es gibt eine Schere zwischen Arm und Reich; das ist schon so –, aber ob wir das über das Beitragsrecht machen, ist die Frage. Ich glaube, das sollte man über das Steuerrecht machen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schafft ihr das auch für die freiwillig Versicherten ab?) Die SPD hat ja ein seriös durchgerechnetes Steuerkonzept vorgelegt, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Der war gut!) das vorsieht, gerade die normalen Einkommen zu entlasten und diejenigen, die größere Einkommen haben, (Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ja! Fleißige dürfen mehr zahlen!) stärker bei der Finanzierung unseres Sozialstaates heranzuziehen. Insofern muss man eine Umverteilung über das Steuerrecht machen, aber nicht über das Beitragsrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Franke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Klein-Schmeink? Dr. Edgar Franke (SPD): Ja, sicherlich, gerne. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Edgar, ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist; aber heute muss jeder freiwillig gesetzlich Versicherte, also zum Beispiel ich als Abgeordnete, bis zur Beitragsbemessungsgrenze die anderen Einkunftsarten mit verbeitragen. (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Das ist also schon gesetzliche Lage; das wäre nichts Neues, was da eingeführt würde. Es stellt Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Einkunftsarten her; denn es ist doch gar nicht einzusehen, dass eine Rentnerin, die einfach nur Rente bezieht, anders behandelt wird als eine Rentnerin, die noch zusätzlich Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen an andere in ihrem Mietshaus hat. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das sie geerbt hat möglicherweise!) Das mit zu berücksichtigen, gerade weil wir wissen, dass andere Einkommensarten immer einen höheren Anteil am Volkseinkommen haben, ist doch eigentlich eine vernünftige Geschichte. Ich wüsste schon gerne: Schaffen wir das jetzt für die freiwillig Versicherten ab? Das wäre mir neu. Dazu habe ich auch noch keine Initiative von Ihrer Seite, vonseiten der SPD, gesehen. (Beifall der Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Dr. Edgar Franke (SPD): Es ist richtig, dass die anderen Einkommensarten bei freiwillig Versicherten verbeitragt werden. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also nichts Neues!) Aber die Frage ist, welche Methoden man nutzt, um Umverteilung zu realisieren. Es ist nicht eine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wie. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ah!) Ich glaube, es ist vernünftiger, das über das Steuerrecht zu machen, weil es fairer ist, das ganze Einkommen heranzuziehen. Ich glaube, das ist der richtigere Weg, als es über Beiträge zu machen. Es ist nur eine Frage der Methode, meine liebe Maria Klein-Schmeink. (Beifall des Abg. Bernd Westphal [SPD] – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Umverteilung, es geht um stabile Finanzierung! – Zuruf von der CDU/CSU: Also Grün und Rot wollen umverteilen!) Viertens. Wir wollen im Rahmen der notwendigen medizinischen Behandlungen keine Bevorzugung von Privatpatienten. Deshalb brauchen wir eine einheitliche Honorarordnung für medizinische Leistungen, unabhängig vom Versichertenstatus. – Maria Klein-Schmeink, das würde dir wieder besser gefallen. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Rosinenpicker!) Fünftens. Eine Honorarordnung hat auch einen anderen Effekt. Wir bekommen momentan in den ländlichen Räumen deshalb oftmals keine Ärzte mehr, weil es dort weniger Privatversicherte gibt. Das hast du ja auch gesagt, liebe Maria Klein-Schmeink. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Stimmt ja alles nicht!) – Herr Stritzl, wenn man einen 20-prozentigen Anteil von Privatpatienten hat, macht man mit ihnen 50 Prozent des Umsatzes. Wenn man aber nur 2 Prozent Privatpatienten hat, bedeutet das für einen Arzt oder eine Ärztin auf dem Land wirklich 20, 30 Prozent weniger Einnahmen. Das liegt rein am Standort und ist unabhängig davon, wie viele Leute man behandelt. Ein Hausarzt in Frankfurt kann mit 700 Scheinen leben; wenn der Arzt in Nordhessen tätig ist, braucht er 1 200 Scheine. Das ist ungerecht. Deswegen sollte man die Honorarordnung grundsätzlich reformieren, nach unserem Konzept, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Da kannst du jetzt auch klatschen, liebe Maria Klein-Schmeink. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU] – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist aber ein bisschen komisch!) Sechstens. Auch wenn wir eine Bürgerversicherung machen, wird immer von den Ärzteverbänden vorgetragen, dass wir dem System Geld entziehen. Das sagt auch der Kollege Stritzl immer. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ja!) Wir müssten aber die Honorare innerhalb des Systems umverteilen. Wir müssten also dann zum Beispiel die Honorare für EBM-Leistungen leicht erhöhen. Wir würden nicht dem System Geld entziehen; wir würden es nur fairer verteilen. Das würde auch bedeuten, dass der Landarzt in Nordhessen mehr Geld bekommt und der Arzt, der die Schönen und Reichen behandelt, ein bisschen weniger. Das finde ich fair und gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Siebtens. Auch nach unserem Bürgerversicherungsmodell – das sage ich ausdrücklich – wären weiterhin Privatliquidationen möglich, weil in Zukunft auch Leistungen angefragt sind, die über die GKV hinausgehen. Es wird immer wieder behauptet, dass dann Privatliquidationen nicht möglich sind. Natürlich ist es auch in einem System der Bürgerversicherung möglich, die Chefarztbehandlung oder das Einzelzimmer sozusagen privat in einem Vertrag zu regeln. Achtens. Ich bin grundsätzlich für einen Preis- und Leistungswettbewerb der Krankenkassen untereinander im Rahmen eines Bürgerversicherungsmodells. Lieber Kollege Stritzl, Sie sagen ja immer, wir brauchen keine Einheitsversicherung; (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Genau!) ich glaube, das ist die Terminologie. Wir brauchen auch keinen Einheitsbeitrag, sagen wir. Tatsächlich brauchen wir aber auch in einem Bürgerversicherungsmodell einen Wettbewerb um Qualität und Leistung. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Den habt ihr doch! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Den wollt ihr abschaffen!) Wir brauchen einen Wettbewerb auch zwischen den Kassen. Wettbewerb ist auch nichts Schlimmes; denn Wettbewerb sorgt dafür, dass die Leistungen für die Versicherten besser werden. Nur: Wir brauchen einen einheitlichen, fairen Wettbewerb und einen fairen Wettbewerbsrahmen, der einheitlich gilt. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Wie macht ihr Wettbewerb ohne Preistransparenz?) Das ist auch in Ordnung. Das ist richtig und wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein solches Modell einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und bei der alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen, ist ein Modell der Zukunft. Man muss sich sicherlich noch über die eine oder andere verfassungsrechtliche Frage und über Übergangsfristen unterhalten. Aber es ist ein Modell, nach dem jeder – so habe ich angefangen – unabhängig von seinem Alter, unabhängig von seinem Wohnort und unabhängig von seinem Einkommen die bestmögliche Gesundheitsversorgung bekommt. Das ist sozialdemokratisch. Das ist unser Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Die eierlegende Wollmilchsau!) – Die eierlegende Wollmilchsau. Ich darf, da ich nur noch 45 Sekunden habe, mich am Ende meiner Rede ganz herzlich für die entspannte, angenehme und vor allen Dingen respektvolle Zusammenarbeit bedanken. Es war mir eine Freude, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses zu sein – auch von Ihnen, Herr Stritzl. (Heiterkeit des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU]) Ich hoffe, viele von Ihnen wiederzusehen. Das entscheidet letztlich der Wähler. In diesem Sinne wünsche ich uns und Ihnen allen einen angenehmen, guten und vor allen Dingen fairen Wahlkampf. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Jana Schimke für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Jana Schimke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn jemandem die Selbstständigen am Herzen liegen, dann ist es die Union. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!) Mehr als 4 Millionen Selbstständige und ihre Beschäftigten haben einen gewichtigen Anteil daran, dass wir in Deutschland Rekordbeschäftigung, eine anhaltend gute Konjunktur und eine stabile Haushaltslage verzeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU) In mehreren Bürokratieentlastungsgesetzen haben wir Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten reduziert, wir haben Rechtssicherheit im Insolvenzrecht geschaffen oder auch Freigrenzen im Steuerrecht erweitert. Auch die Erhöhung der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 410 Euro auf 800 Euro stellt eine massive Entlastung unseres Mittelstands dar. (Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Westphal [SPD]: Das war unsere Idee!) Das Meister-BAföG haben wir durch eine verbesserte Förderung aufgewertet (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Würden Sie endlich mal zur Sache kommen?) und damit Existenzgründungen im Handwerk erleichtert. Dies sind nur einige Beispiele; sie zeigen aber, dass die Richtung stimmt. Nun führen wir schon seit längerem eine Debatte über die persönliche und finanzielle Situation von Selbstständigen, gerade auch im Alter. Ich glaube jedoch nicht, dass die vorliegenden Informationen und das Datenmaterial ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln erfordern. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) Diese Bemerkung geht an Sie, Frau Zimmermann. Was wissen wir? Erstens. 3,7 Prozent aller einst Selbstständigen beziehen Grundsicherung im Alter. Das ist ein niedriger Wert. Zweitens. Es ist richtig, dass 30 Prozent aller Solo-Selbstständigen ein Einkommen von weniger als 1 000 Euro beziehen, aber dieselbe Anzahl arbeitet eben auch nur 29 Wochenstunden. Jetzt könnte man meinen, die verbleibende Zeit würde für weitere Beschäftigungsarten genutzt, aber nein: Die überwiegende Zahl der Solo-Selbstständigen übt keine weitere Beschäftigung aus. Das lässt meines Erachtens nur einen Schluss zu: Im Haushalt gibt es weitere Haupt- und Mitverdiener, die zum gemeinsamen Einkommen beitragen. Wohlgemerkt: Der Haushaltskontext wird in vielen Untersuchungen nicht abgebildet. Falsche Schlussfolgerungen sind oftmals die Folge. Eine weitere Zahl stützt diese Annahme: Rund 90 Prozent der freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung befindlichen Selbstständigen zahlen lediglich den Mindestbeitrag von 84 Euro. Warum tun sie das? (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Weil sie nicht mehr zahlen können!) Sie tun das, weil es andere Vorsorgeformen gibt, die in den vorliegenden Untersuchungen nicht erfasst werden. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Drittens. Die Gruppe der Solo-Selbstständigen ist eine höchst volatile Gruppe. Zwischen den Jahren 2010 und 2014 wechselten viele in ein Angestelltenverhältnis oder stellten eigene Mitarbeiter ein. Das zeigt, dass die heutige Situation Selbstständiger keine Auskunft darüber geben kann, wie es diesen Menschen im Alter gehen wird. Viertens. Nach Auskunft der Bundesregierung liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, ob und wie Selbstständige für das Alter vorsorgen. Bis auf Informationen zur freiwilligen oder obligatorischen Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer Lebensversicherung können keine Aussagen getroffen werden. Wir wissen schlichtweg nicht, ob Vorsorge nicht auch in anderen Formen geschieht: durch Immobilienvermögen, durch Aktien, durch Betriebsvermögen und andere Vorsorgearten. Fünftens. Es gibt bei der Erhebung zur Altersvorsorge keine Differenzierung zwischen Selbstständigen mit Personalverantwortung und Solo-Selbstständigen. Die konkrete Vorsorgesituation der nach Ihrer Mundart armutsgefährdeten Solo-Selbstständigen ist also derzeit nicht festzustellen. Also worüber reden wir hier eigentlich, meine Damen und Herren? (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über unseren Antrag! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie schon wissen, worüber Sie reden! So ein Unsinn!) Ich habe die dringende Bitte: Wenn wir über grundlegende Neuerungen in welchem Politikfeld auch immer diskutieren, dann muss die Datenlage dies auch hergeben. Sollten wir uns irgendwann dazu entschließen, die Altersvorsorge bei Selbstständigen zu definieren, sind ausreichend valide Daten dafür die Grundlage. Diese Fachlichkeit ist das Mindeste, was ein Land von seinen gewählten Vertretern erwarten kann und muss. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aha! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können gerne die Dokumente zu unseren Fachgesprächen nachlesen!) Lassen Sie mich abschließend folgenden Gedanken ausführen: Unternehmertum und Selbstständigkeit folgen auch im Sozialversicherungsrecht der Annahme, dass man von seinen Einkünften leben und vorsorgen kann. Deshalb bedeutet Selbstständigkeit nicht nur Entscheidungsfreiheit, sondern auch Eigenverantwortung. Natürlich kann ein Betrieb in die Schieflage geraten oder muss gar geschlossen werden. Es gibt auch Beispiele, in denen vorgesorgt wurde und die Solidargemeinschaft trotzdem einspringen muss. Doch diese Beispiele rechtfertigen nicht, dass ein bestehendes und etabliertes Regelwerk auf den Kopf gestellt wird, erst recht, wenn es dafür keine hinreichenden Erkenntnisse gibt. Eine Solidargemeinschaft kann zu Recht erwarten, dass jene, die es nicht schaffen, am Markt zu bestehen, sich beruflich anders orientieren. Der Fachkräftemangel ist für die deutsche Wirtschaft inzwischen zur Wachstumsbremse geworden. Die Unternehmer meines Wahlkreises kommen nicht wegen der Altersvorsorge zu mir, sondern sie haben Zukunftsängste, weil der Nachwuchs fehlt. Die Ausgangslage ist gut, aber das Personal fehlt. Das bedeutet Chancen für jene Menschen, die nach neuen beruflichen Perspektiven suchen. Mein Appell richtet sich deshalb an alle verantwortlichen Institutionen dieses Landes – von den Sozialämtern und Arbeitsagenturen, den Kammern und Verbänden bis hin zu den Parlamenten –: Einem Selbstständigen mit geringem Einkommen hilft keine Rentenversicherungspflicht; vielmehr braucht er gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Unternehmensberatung und im Zweifel Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Dies sollten jene Prinzipien sein, die uns auch künftig leiten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Tobias Zech hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Tobias Zech (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon spannend, zu hören, wer hier was zur Mittelstandspolitik sagt. Natürlich ist es richtig, dass wir bei den Solo-Selbstständigen Bedarfe haben. Natürlich ist es richtig, dass ein Großteil derjenigen, die Grundsicherungsleistungen beziehen, Solo-Selbstständige sind. Aber das haben Sie 2004 doch mit verursacht. Eine Ursache dafür ist die Abschaffung des Meisterzwangs für bestimmte Gewerke. Das war Rot-Grün! Was Sie machen, ist eine mittelstandsfeindliche, handwerksfeindliche und selbstständigenfeindliche Politik. Das ist doch die Wahrheit, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: La, la, la!) und jetzt müssen wir darüber sprechen, wie wir die Fehler, die Sie gemacht haben, wieder ausbaden können – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Luft holen!) Natürlich ist es richtig, eine Vorsorgepflicht einzuführen, wie es im Antrag der Grünen steht. Sie machen das aber nicht mit Augenmaß, Sie fahren nicht auf Sicht, sondern Sie wollen das so machen, wie Sie das immer machen wollen: mit gesetzlichem Zwang. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute ist nicht Aschermittwoch, oder?) Ausgerechnet den Selbstständigen, von denen wir seitens der Politik erwarten, dass sie innovativ, mobil und flexibel sind, wollen Sie einen gesetzlichen Deckel überstülpen. Lassen Sie doch auch andere Möglichkeiten der Altersvorsorge zu! Lassen Sie auch andere Möglichkeiten der Vorsorge für das weitere Leben zu! (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie in den Antrag schon reingeguckt? Das steht da doch gar nicht drin!) Eine Zwangseinweisung in die gesetzliche Rentenversicherung hat nichts mit der Realität dieser Menschen zu tun. Eine solche Regelung wäre negativ für den Standort Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Neben der Rentenversicherung haben Sie auch die Arbeitslosenversicherung angesprochen. Da stimme ich Ihnen sogar zu: Wir müssen die Regelungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung weiter öffnen. Dann muss aber auch ein dauerhafter Verbleib klar sein. Wir können doch nicht zulassen, dass sich jemand für selbstständig erklärt und dann monatsweise oder jahresweise in die Arbeitslosenversicherung hinein- und aus ihr herauswechselt. Deshalb brauchen wir Sperrfristen. Sonst wird jede selbstverursachte Verschlechterung des Einkommens von der Allgemeinheit getragen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Das ist doch keine vernünftige Politik für Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen auch Anwartschaften, und natürlich muss auch der Verwaltungsaufwand betrachtet werden. Bei dem Thema geht es aber um noch viel mehr. Mit dem Weißbuch „Arbeiten 4.0“ wurde der Versuch unternommen, den jetzigen Status zu dokumentieren. Natürlich ergeben sich dabei Fragen, zum Beispiel: Wie entscheiden wir in der Zukunft zwischen Selbstständigen und Arbeitnehmern? Bei der Statusfeststellung hatten wir bis jetzt aber keine schwerwiegenden Probleme. Auch vor Gericht gab es keinen einzigen Fall, bei dem der Status nicht klar festgestellt werden konnte. Wir haben allerdings eine Veränderung unserer Arbeitswelt, und das Weißbuch liefert uns bei weitem nicht die Antworten, die wir brauchen. Das wird man heute aber auch nicht entscheiden können, schon gar nicht auf Basis dieses uninspirierten Antrags. Das ist vielmehr etwas, was wir länger verfolgen müssen. Wie gehen wir mit Solo-Selbstständigen um, deren Arbeitsfeld sich ganz neu entwickelt? Wer überwacht zum Beispiel die Arbeitszeit von Clickworkern, die sich über eine App auf ihrem Handy einloggen? Wer kümmert sich bei denen um den Bereich Arbeitsschutz? Der Kollege von der SPD – er ist leider nicht mehr anwesend – hat vorhin das Thema Parität angesprochen. Es wäre fair gewesen, in diesem Zusammenhang auch die gesetzliche Unfallversicherung anzusprechen. Auch in diesem Bereich haben wir nämlich keine Parität; denn die Beiträge hierzu werden zu 100 Prozent von den Arbeitgebern bezahlt. (Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Dabei geht es übrigens nicht nur um Fragen der Regulierung, sondern auch um Fragen der Prävention. Auch das gehört zur Wahrheit. Wir haben also eine Reihe von Fragen zu beantworten. (Zuruf der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]) – Frau Zimmermann, gehen Sie wieder auf Normalnull. Ich lobe Sie jetzt gleich auch. – Sogar die IG Metall hat das schon erkannt. Mit ihrer Plattform „Fair Crowd Work“ hat sie sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet. Aber wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir kennen den Markt. Das entwickelt sich noch. Dieser Bundestag wird dazu definitiv Entscheidungen treffen müssen. Der Arbeitsmarkt wird sich verändern, und wir müssen richtige Antworten geben. Die beiden Anträge, die uns jetzt vorliegen, dienen nicht dem Wohl dieser Republik, sondern sind zu ihrem Schaden. Mit Mittelstandspolitik und Arbeitsplatzförderung hat das alles überhaupt nichts zu tun. Das ist einfach nur Wahlkampfgetöse, und da machen wir nicht mit. Deshalb lehnen wir die Anträge ab. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12951 mit dem Titel „Solidarität und Verlässlichkeit, Qualität und Wahlfreiheit in unserem Gesundheitswesen stärken – Einstieg in die Bürgerversicherung“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Tagesordnungspunkt 13 b. Hier geht es um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Mit Sicherheit in die Selbständigkeit – Für eine bessere Absicherung von Selbständigen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12673, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10035 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/12355 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/12728 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/12988 Es liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie: Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Legislaturperiode geht zu Ende. Es ist vielleicht die Zeit, aus energiepolitischer Sicht zurückzublicken. Ich denke, wir haben für die Energiewende in Deutschland, für eine saubere, sichere, aber auch kostengünstige Energieversorgung viel erreicht. Die Energiewende steht auf rechtlich und ökonomisch sicherem Grund. Sie ist eines der größten Modernisierungs- und Investitionsprojekte in Deutschland und, wie ich meine, auch ein Zukunftsmodell mit großer internationaler Ausstrahlung. Wir haben mit dem EEG von 2014 wichtige Maßnahmen ergriffen, um die erneuerbaren Energien stärker an den Markt heranzuführen. Mit dem Strommarktgesetz haben wir den Strommarkt für die Zukunft fit gemacht. Und mit dem EEG 2017 integrieren wir die erneuerbaren Energien konsequent weiter in den Strommarkt. Vor allen Dingen senken wir die Kosten; denn die Vergütungshöhe für erneuerbaren Strom wird nunmehr durch Ausschreibung am Markt ermittelt. Den Zuschlag erhält, wer den Strom am günstigsten erzeugt. Ich meine, das lässt sich sehen. Die Energiewende ist aber, denke ich, nicht nur allein ein Thema für Anlagenbetreiber und Projektentwickler. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. (Beifall bei der SPD) Energieeffizienzgesetz, KWK-Gesetz und moderne Netze sind Themen, die wir ebenfalls auf der Habenseite verbuchen können. Bei der Energiewende ist aber auch Akzeptanz wichtig. Sie ist wichtig für diejenigen, die damit am Ende des Tages umgehen müssen, also auch für die Bevölkerung. Insofern muss sie möglichst breit getragen werden. Nicht nur Hauseigentümer sollten davon profitieren, sondern wir als Sozialdemokraten meinen, dass auch Mieterinnen und Mieter vergleichbare Möglichkeiten haben müssen, diese Energiewende zu nutzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darauf ist Mieterstrom die richtige Antwort. Mieterstrom, der von Solaranlagen auf Dächern erzeugt wird: Das ist etwas, was dem Mieter helfen kann. Er sollte dies nutzen und damit auch umgehen können. Wir müssen ihn in der Art schützen, dass natürlich nicht jeder Mieter Mieterstrom beziehen muss, aber kann. Er kann Strom aus dem Netz beziehen. Er hat die Wahlfreiheit, und am Ende sollte sich der Mieterstrom für die Mieter auch lohnen. Das sollte unabhängig vom Mietvertrag gestaltet werden, und der Mieterstromtarif darf 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs nicht übersteigen. Ich denke, diese Vorteile bedeuten am Ende eine passgenaue Förderung. Sie kommen den Mieterinnen und Mietern zugute und erhöhen damit die Akzeptanz. Ich glaube, es ist wichtig, das an dieser Stelle auch zu sagen. Denn ich will nicht verschweigen, dass das in Städten und Ballungsgebieten hin und wieder schwierig sein wird. Auf der anderen Seite stärkt dieser Gesetzentwurf die Rechte der Mieterinnen und Mieter und die Chancen, sie gut mit einem attraktiven Angebot zu versorgen. Meine Damen und Herren, mit diesem Schlussstein, der Gesetzgebung zum Mieterstrom, schließt sich die Energiewende dieser Legislaturperiode. Ich denke, wir können stolz darauf sein, und wir sind es auch, weil wir uns für die Zukunft gut gerüstet haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist heute meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Diese Woche hat noch einmal deutlich gemacht, dass in diesem Plenarbetrieb im besten Sinne dessen, wie wir uns Plenarsitzungen vorstellen – ich sage es einmal so –, tüchtig gestritten wird. Es gab sachliche Debatten und ein hartes Ringen. Ich will auch anmerken: Als Parlamentarischer Staatssekretär war ich häufig in der Fragestunde gefordert. Ich habe schwierige Fragen aus all Ihren Bereichen, Wahlkreisen und Themengebieten beantworten müssen. An dieser Stelle sage ich aber auch: Als Abgeordneter habe ich ebenfalls Fragen formuliert, und ich weiß, dass es manchmal auch nicht leicht ist, sinnvolle Fragen zu formulieren. (Heiterkeit bei der SPD) Ich bin jetzt seit 15 Jahren, vier Legislaturperioden, dabei. Ich glaube, es war ein großes Glück, mit Ihnen allen zusammenzuarbeiten. Ich habe hier interessante Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen – nicht nur aus meiner Fraktion – kennengelernt. Bei allen Differenzen bei der einen oder anderen Fragestellung will ich an dieser Stelle sagen: Es hat Spaß gemacht. Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die lange bei mir sind und mir den Rücken freigehalten haben. Ich möchte hier meine hohe Wertschätzung und meinen großen Dank auch in diese Richtung zum Ausdruck bringen. Wenn einem der Rücken freigehalten wird, dann heißt das natürlich auch, dass man Rückgrat hat. Manchmal ist das sehr wichtig – gerade im politischen Raum und bei politischen Positionen. Ich glaube, bei den Abgeordneten – uns allen – sind am Ende des Tages Kriterien wie Ehrlichkeit und Überzeugung sowohl in der Opposition als auch in der Regierung vonnöten, und manchmal muss man auch ein dickes Fell haben. Ich will an dieser Stelle rückblickend auch meinen Wählerinnen und Wählern danken. Ich bin in den letzten vier Legislaturperioden immer direkt gewählt worden. Bremen II – Bremerhaven ist ein guter Wahlkreis. An dieser Stelle sage ich in Richtung meiner sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen: Das war meine letzte Meldung, und ich habe mir geschworen, möglichst nicht von der Seitenlinie aus zu kommentieren und irgendwelche Sätze abzusondern. Versprochen! In diesem Sinne: Vielen Dank euch und Ihnen allen und alles Gute für die 19. Wahlperiode! (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Alles Gute auf dem weiteren Weg. – Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vier Jahre lang hat die Große Koalition der Energiewende Knüppel zwischen die Beine geworfen, damit regenerative Energien bloß nicht zu schnell wachsen. (Florian Post [SPD]: Das stimmt doch nicht, Eva!) Sie sagt das eine und tut das andere. Zu viel Strom aus Sonne und Wind verhindern: Das war offensichtlich die Devise. Kohlemeiler in Konzernhand wurden geschützt. Vorgeschoben wurden angeblich hohe Kosten beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, gleichzeitig aber wurden größtenteils unsinnige Ausnahmen für die Industrie bei der EEG-Umlage gewährt. Oder: Sie haben überdimensionierte Megatrassen beschlossen, die eine regionale Energiewende behindern und die Menschen noch viel Geld kosten werden. Während in anderen Ländern der Ausbau der erneuerbaren Energien boomt wie nie, wird hierzulande der Hahn zugedreht. Es wird gedrosselt und gedeckelt, wo es nur geht. Die Quittung dafür bekommt die nächste Bundesregierung dann, wenn sie 2020 die Klimaziele krachend verfehlt. Das ist wahrlich keine nachhaltige Politik. Diesen Pfusch können wir uns nicht mehr leisten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch das Mieterstromgesetz der Großen Koalition ist wie ein Hindernisrennen konstruiert. Wer als Vermieter eine Photovoltaikanlage auf ein Mehrfamilienhaus stellen will, um Mieterinnen und Mieter mit Strom zu beliefern, wird dafür bestraft. Die Wohnungsunternehmen müssen dann Gewerbe- und Körperschaftsteuer zahlen, und zwar auf ihr gesamtes Wohnungsgeschäft, das eigentlich steuerfrei ist. Der Staat verdient also am Mieterstrom, der eigentlich gefördert werden soll. Das versteht kein normaler Mensch mehr. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben auf eine Regelung zum Mieterstrom lange gewartet. Jetzt machen Sie sie zu halbherzig. Warum sind zum Beispiel vermietete Gewerbeobjekte von der Förderung von Mieterstrom ausgenommen? (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Frage!) Wann wollen Sie endlich dafür sorgen, dass auf allen öffentlichen Gebäuden Photovoltaikanlagen stehen, damit die Büros, Schwimmhallen, Rathäuser, Bibliotheken und Kliniken vom ökologischen Strom profitieren? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Johann Saathoff [SPD]) Auch wenn das keine Mieter im eigentlichen Sinne sind, ist hier doch ein riesiger Bedarf. Die öffentlichen Gebäude sind wahrlich kein Vorbild. Warum ist das wohl so? Die Antwort ist: Sie haben immer noch Angst vor zu viel Ökostrom. Sie sperren sich weiter vor einer ökologischen Zukunft. Sie fügen der aufstrebenden Erneuerbare-Energien-Branche sogar Schaden zu. Aktuelles Beispiel. Die mit der letzten EEG-Reform eingeführten Ausschreibungen führen zu mehr Problemen, als man sich bislang ausmalen konnte. Gestern mussten wir uns von der Bundesregierung im Wirtschaftsausschuss anhören, Ausschreibungen seien noch weniger vorhersehbar als Wahlergebnisse. – Herzlichen Glückwunsch zum großen Erneuerbare-Energien-Lotteriespiel! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Bulling-Schröter. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Das haben Sie wirklich prima eingefädelt. Da kann ich nur empfehlen: Schaffen Sie diesen schlimmen Murks schnellstens wieder ab! (Beifall bei der LINKEN) Sie haben die erneuerbaren Energien zu einem Spiel- und Experimentierfeld für Spekulanten gemacht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Man kann sich nicht einmal über eine hohe Beteiligung von sogenannten Bürgerenergiegesellschaften freuen; denn sie sind vermutlich nur findige Konstruktionen von Rechtsanwaltsbüros der großen Projektierer. Mit Akteursvielfalt hat das tatsächlich nicht viel zu tun. Die Linke kritisiert seit der letzten EEG-Reform den zu niedrigen Ausbaupfad bei Wind- und Solaranlagen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Quatsch!) Da haben wir recht; viele unterstützen unsere Position. Aber selbst dieser Pfad ist jetzt durch den Schmarren, den Sie mit den Ausschreibungen angerichtet haben, gefährdet. Kleinere Projekte der Bürgerenergie mit bis zu 18 Megawatt sollten nicht an Ausschreibungen teilnehmen müssen. Das ist EU-konform. (Beifall bei der LINKEN) Es ist höchste Zeit, diesen Blödsinn der Großen Koalition wieder zu korrigieren und zu dem verlässlichen und vernünftigen System zurückzukehren, das den Erfolg der Energiewende herbeigeführt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich werde dieses Hohe Haus verlassen – nach 20 Jahren. Ich wünsche mir für die nächste Legislaturperiode viel Kraft – viel Kraft, endlich eine Klimapolitik zu betreiben, mit der die Klimaschutzziele eingehalten werden – das ist für zukünftige Generationen notwendig –; Kraft, das Nötige zu tun und der Lobby und den großen Konzernen zu widerstehen; Herr Beckmeyer hat ja hier schon von Rückgrat gesprochen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich wünsche mir viel Kraft, um die ökologische Wende sozial zu gestalten. Denn ich finde, das haben die Menschen in diesem Land verdient. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Bulling-Schröter, auch Ihnen alles Gute. Sie haben bei Ihrer letzten Rede das Angebot des Kollegen Mindrup, diese zu verlängern, leider ausgeschlagen. Aber auch mit seinem Beifall und dem Beifall aus allen Fraktionen noch einmal die besten Wünsche für alles Kommende. (Beifall) Das Wort hat der Kollege Thomas Bareiß für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem meine Vorredner ihre letzten Reden in diesem Haus gehalten haben, möchte ich meinerseits und auch im Namen meiner Fraktion Ihnen beiden für die gute Zusammenarbeit danken. In der Tat, es hat Spaß gemacht. Nicht immer waren wir einer Meinung, aber ich denke, wir haben immer versucht, das Land in der Sache voranzubringen. Der gute Wille war vorhanden. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit und Ihnen persönlich weiterhin alles Liebe und Gute. Ich habe auch eine gute Nachricht: Ich hoffe, dass es nicht meine letzte Rede sein wird, (Heiterkeit) sondern ich bewerbe mich wieder um einen Sitz in diesem Hohen Hause. Insofern hoffe ich, dass ich auch weiterhin von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen darf, zwar nicht mehr in dieser Wahlperiode, aber hoffentlich in der nächsten. Ich hoffe, dass ich dann wieder gemeinsam mit den meisten von Ihnen auch unser großes Projekt der Energiewende mit voranbringen darf. Der Staatssekretär hat vorhin zu Recht damit eingeleitet, dass man auch in dieser Debatte eine kleine Bilanz dessen ziehen kann, was wir in den letzten Jahren gemeinsam energiepolitisch erreicht haben. Frau Kollegin Bulling-Schröter hat – bei aller Nähe und allem Dank für die Zusammenarbeit – schon auch ein paar Dinge gesagt, die mich wieder geärgert haben. Denn Sie haben gesagt: Es wurde gedrosselt und gedeckelt; die Energiewende wurde abgewürgt usw. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt ja auch!) Das Gegenteil ist der Fall, liebe Frau Bulling-Schröter: Die erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren einen enormen Zubau erfahren. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir von 2013 bis 2017 einen Zubau von 40 Prozent zu verzeichnen. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung beträgt inzwischen 33 Prozent. Das ist ein Zubau, der im Übrigen für eine so große Industrienation wie unsere einzigartig in der Welt ist. Für dieses Jahr – manche mag es freuen, manche aber auch nicht – wird auch ein Zubau von Onshorewindenergie von 5 000 Megawatt prognostiziert. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wahnsinn ist das! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Energiewendeziele erreichen Sie nicht!) Auch das wird wieder ein Rekord sein. Insofern sind wir, was den Zubau angeht, spitze, und ich glaube, die erneuerbaren Energien gehen weiter ihren Weg. Wir haben in dieser Legislaturperiode auch wichtige Weichenstellungen in der Systematik vorgenommen. Wir haben vereinbart, die Ausschreibungen voranzubringen. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Projekt, für das wir schon lange gekämpft haben. Wir haben es geschafft, dass durch die Ausschreibungen die erneuerbaren Energien beim Zubau näher an den Markt herangeführt wurden, dass wir punktgenauer steuern und dass beim angestrebten Anteil der erneuerbaren Energien von 80 Prozent ausgeschrieben wird, sodass der Preis nicht mehr vom Deutschen Bundestag, sondern vom Markt festgesetzt wird. Was das bedeutet, haben wir bei der Offshorestromerzeugung gesehen: Noch vor einem Jahr musste man 18 Cent für die Kilowattstunde zahlen, und heute haben wir Gebote von 0 Cent. Das zeigt, dass der Weg in die richtige Richtung geht und es auch da enorm viel Potenzial gibt. Wir stellen auch hier die Wirtschaftlichkeit wieder stärker in den Fokus. Wir haben noch einen weiteren Punkt geregelt und die Energiewende intelligent gestaltet. Wir haben die Digitalisierung mit einem ganz großen Paket vorangebracht. Auch das ist etwas, was uns in die richtige Richtung führt. Da mein Kollege Fuchs heute Morgen sehr impulsiv die Bezahlbarkeit in den Mittelpunkt gestellt hat, wenn wir als Industrienation auch zukünftig bestehen wollen, ist es mir wichtig, zu betonen, dass wir auch bei dieser Frage wichtige Punkte erreicht haben. Wir haben gesagt: Es macht doch keinen Sinn, dort erneuerbare Energien auszubauen, wo keine Netze vorhanden sind. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen die Synchronisation von Netzen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien; wir wollen das besser zusammenbringen. Wir haben Netzausbaugebiete definiert und dort – in der Tat – den Zubau gedrosselt. Wir haben die Ostseequote eingeführt und festgestellt, dass wir Tranchen von der Nord- in die Ostsee schaffen müssen, damit auch dort eine größere Wirtschaftlichkeit des Zubaus gewährleistet ist. Das waren schwierige Diskussionen, aber ich glaube, es war richtig, dass nicht einfach eine Energiewende nach dem Motto „Egal was es kostet“ gemacht wird, sondern dass wir dort eine Energiewende machen, wo es Sinn ergibt, eine Energiewende, die wirtschaftlich und finanzierbar gestaltet und umgesetzt wird. Ein weiterer Punkt ist die Energieeffizienz. Es wird immer gesagt: Da passiert nichts. – Ich will diese Debatte nutzen, um darauf hinzuweisen, dass wir bis 2020  17 Milliarden Euro in die Energieeffizienz investieren. Auch das ist Rekord. Wir haben noch ein paar Baustellen. Beim Gebäudeenergiegesetz zum Beispiel müssen wir noch etwas tun. Bei den steuerlichen Anreizen haben wir nichts geschafft. Das ist ärgerlich. Aber ich will jetzt keinen Schuldigen ausmachen. Ich glaube, diese Schwarze-Peter-Spiele bringen nichts. Wir müssen diese Hausaufgaben in der nächsten Wahlperiode noch einmal angehen. Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, die Kraft-Wärme-Kopplung. Ich will diesen Punkt auch deshalb anführen, weil er beweist, dass das Parlament sich durchaus auch gegenüber der Regierung behaupten kann. Leider hat das Ministerium versucht, die KWK stark zurückzudrängen, aber wir im Parlament haben gesagt: Wir wollen auch zukünftig KWK haben. – Das war richtig. Wir hätten durchaus noch mehr machen können. Das zeigt, dass wir als Parlament richtige und wichtige Schwerpunkte setzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Josef Göppel [CDU/CSU]: Das war eine gute Aktion!) Mit dem heutigen Tag machen wir einen weiteren Schritt in der Energiewende. Beim Thema Mieterstrom gehen wir gemeinsam voran. Ich bin etwas irritiert gewesen ob der Pressemitteilung der Kollegen Westphal und Saathoff, die behaupten: Das Gesetz kommt auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion. – Ich dachte immer, dass wir hier gemeinsam Initiativen ergreifen und wir gemeinsam voranschreiten. Das war übrigens ein Projekt des Koalitionsvertrages. Insofern betrachte ich das ein bisschen als unkollegialen Akt; aber es gibt andere, die noch größer sind. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das sind wir gewohnt!) Ich sehe das als ein gemeinsames Projekt, das wichtig ist und das wir voranbringen müssen. Wir wollen die Energiewende auch in die Städte holen. Ich glaube, dass wir auch da einen ganz entscheidenden Schritt vorangehen. Ich habe schon in meiner letzten Rede gesagt: Wenn man sieht, wo die Solaranlagen in den letzten Jahren zugebaut wurden und wo nicht, dann stellt man ein krasses Missverhältnis fest. Altötting, ein wunderschöner Landkreis im Süden unseres Landes mit 108 000 Einwohnern, hat 182 Megawatt Solarenergie zugebaut, Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern nur 124 Megawatt. Da sieht man, dass hier wirklich ein Missverhältnis besteht. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt auch beim Mieterstrom vorangehen. Mieterstrom ist heute schon günstig, 11 Cent günstiger als Normalstrom. Er ist vom Netzentgelt befreit, er ist von der Stromsteuer befreit, aber er ist noch nicht für diejenigen wirtschaftlich, die das Konzept umsetzen wollen. Deshalb packen wir 2,2 bis 3,8 Cent je Kilowattstunde obendrauf, um vor Ort die Anreize zu schaffen und Mieterstrom möglich zu machen. Die Potenziale sind groß. 3,8 Millionen Haushalte können, wenn sie wollen, daran teilnehmen. Das wird auch dazu führen, dass der Solarausbau, der ein bisschen niedriger ist, als unsere Zielkorridore vorsehen, einen Anreiz erfährt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Ein bisschen“ ist aber jetzt geschönt!) Das ist ein ganz entscheidender Schritt, um Glaubwürdigkeit in der Energiewende zu erzielen. Drei Punkte waren uns im Gesetzgebungsverfahren wichtig, die ich spiegelstrichartig nennen will. Der erste Punkt ist: Wir wollen die Kosten für die Verbraucher deckeln. Wir wollen, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen wie bei vielen anderen Projekten. Deshalb haben wir einen großzügigen Deckel von 500 Megawatt eingebaut. Das wird die Verbraucher, die nicht daran teilnehmen, maximal 370 Millionen Euro kosten. Das war für uns ein ganz wichtiger Baustein. Der zweite wichtige Baustein ist, dass die Mieter Vertragsfreiheit haben und nicht der Vermieter, der Eigentümer, dem Mieter vorschreiben kann, welchen Strom er abnehmen muss. Auch das war ein ganz wichtiger Punkt, der sich aus der Anhörung ergeben hat. Der dritte Punkt ist, dass die Eigentümer auch Gebäude in der räumlichen Nähe nutzen können. Ein KWK-Port kann entsprechend eingebunden werden, inklusive einer Elektrotankstelle im Keller oder in der Garage. Auch das ist ein wichtiger Baustein gewesen, den wir im Gesetzgebungsverfahren eingefügt haben. Zusammenfassend darf ich sagen: Mieterstrom ist eine weitere Chance für die Energiewende. Das Gesetz ist klug, vernünftig und wirtschaftlich ausgestaltet. Ich glaube, dass wir damit einen weiteren wichtigen Schritt gehen. Deshalb werden wir dem Gesetz auch zustimmen. Die Energiewende wird uns weiter beschäftigen. Das ist ein riesengroßes Technologieprojekt, wahrscheinlich das größte Technologieprojekt unserer Zeit. Insofern glaube ich, dass wir wahrscheinlich auch noch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten spannende Debatten zu diesem Thema führen werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Julia Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Du lieber Gott! Dass ich das noch erleben muss!) Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da müssen Sie durch, Herr Fuchs. Das ist Demokratie. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir hoffen auf die Wähler!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Ende der Legislaturperiode schließen wir doch noch ein Mieterstromgesetz ab. Immerhin, Sie haben einen Teil unserer Kritik aufgenommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So haben wir zwar immer noch keinen echten Quartiersansatz, aber immerhin besteht jetzt die Möglichkeit, dass Mieterinnen und Mieter auch profitieren können, wenn der Strom vom Dach des Nachbarhauses kommt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Klaus Mindrup [SPD]: Wir hatten die Idee! Wir haben es gemacht!) Noch mehr Wirkung würde das Gesetz entfalten, wenn Sie uns auch noch in den anderen Punkten gefolgt wären, wenn Sie also auch gewerblich und öffentlich genutzte Gebäude, Supermärkte, Bürohäuser, Einkaufszentren, einbezogen hätten und wenn Sie gleichzeitig den Deckel, die Obergrenze, Ihr Lieblingsprojekt in der Energiepolitik in dieser Legislaturperiode, gestrichen hätten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das nämlich hätte den Ausbau von Photovoltaik für Mieterstrom deutlich stärker gemacht. Wirklich schade ist, dass Mieterinnen und Mieter in kleinen Häusern nicht vom Mieterstrom profitieren werden, weil Ihre bürokratischen Vorgaben kleine Anlagen unattraktiv und unwirtschaftlich machen. Aber Sie haben sich nun für dieses Gesetz entschieden, und zum Glück haben wir bald Wahlen. Mit anderen Mehrheiten werden wir dann die Chance haben, aus diesem mittelmäßigen Mieterstromgesetz ein wirklich gutes Gesetz zu machen, um noch mehr Mieterinnen und Mieter profitieren zu lassen, damit es ein Gesetz wird, das uns wirklich bei Klimaschutz und Energiewende voranbringt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Aber Sie sind dann gar nicht mehr dabei!) Mit dieser Gesetzesnovelle setzen Sie außerdem die Regeln für Bürgerenergie bei den Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land außer Kraft. Das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde kam wahrscheinlich für uns alle sehr überraschend. Viele Zuschläge gingen an Projekte, die sich die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erst noch besorgen müssen und nun zwei Jahre länger Zeit haben, um die Anlagen aufzustellen. Die Gefahr ist nun, dass nicht alle eine Genehmigung bekommen und in zwei Jahren viel zu wenige Windenergieanlagen gebaut werden. Das wäre natürlich fatal; denn wir brauchen die Windenergie, um die Auswirkungen der Klimakrise zu minimieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Risiko für den Klimaschutz liegt natürlich nicht nur an den verkorksten Regelungen für die Bürgerenergie, die Sie im Übrigen mit einer EU-rechtskonformen De-minimis-Regelung ganz einfach und viel besser hätten gestalten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nein, das Problem liegt vor allem auch daran, dass Sie einen viel zu niedrigen Ausbaudeckel insgesamt angesetzt haben. Nun kommt dazu, dass Sie sich noch immer weigern, die Anlagen, die in der Ausschreibung einen Zuschlag bekommen haben, aber dann doch nicht gebaut werden, in die Ausschreibungen zurückzuführen und erneut auszuschreiben. Das wäre doch das Logischste. Ich erkläre das an einem Beispiel. Das wäre so, als ob Sie in Ihrem Betrieb zehn Stellen zu besetzen haben. Da machen Sie eine Ausschreibung, führen Bewerbungsgespräche, und dann entscheiden Sie sich für zehn neue Kolleginnen und Kollegen. Aber was geschieht, wenn zwei von denen absagen? Dann sagen Sie doch auch nicht: „Egal, dann muss ich halt mit acht neuen Mitarbeitern klarkommen, dann bleibt die Arbeit von den anderen beiden liegen“, sondern Sie versuchen es erneut und schreiben die Stellen noch einmal aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einleuchtend!) Außerdem hätten Sie nun, da Sie von allen Bietern die BlmSchG-Genehmigung vorab verlangen, für die Bürgerenergie zumindest die Sicherheitsleistung streichen können. Denn eine Genossenschaft, die schon einige 100 000 Euro bis zur Erlangung der Genehmigung investiert hat, wird die Anlage auch bauen. Alles andere wäre Geldverbrennung. Aber es ist eine besondere Herausforderung für die Bürgerenergie, die Sicherheitsleistung vorab zur Verfügung zu stellen. Aber hier sehen wir wieder, was das Motto der letzten vier Jahre Energiepolitik der Großen Koalition war: Nehmt es den Bürgern, gebt es den Konzernen. – Während sich Ihre Politik in die Regelungswut eingefressen hat, sind auf der anderen Seite die CO2-Emissionen sogar gestiegen. Noch einmal zum Mitschreiben: Die Emissionen 2016 sind gestiegen. Herr Bareiß, Deutschland ist noch weit davon entfernt, die Vorgaben der EU bis 2020 zu erreichen. Da geht es nämlich nicht nur um Strom, sondern um die Gesamtenergie, bei der Sie einen Anteil mit erneuerbaren Energien zur Verfügung stellen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Anstatt sich um den Kohleausstieg zu kümmern oder Herrn Dobrindt daran zu erinnern, dass auch sein Verkehrsministerium mit der Energiewende zu tun hat, anstatt die Erneuerbaren und Energieeffizienz auch bei der Wärme voranzubringen, haben Sie lieber die Bürgerinnen und Bürger ausgebremst, die wirklich bei der Energiewende mitmachen wollen. Das ist die bittere Bilanz der letzten vier Jahre. So kann es doch nicht weitergehen. Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, wenn unsere Wirtschaft auch in den nächsten Jahrzehnten Produkte herstellen soll, die angesichts der weltweiten Modernisierung nachgefragt werden, muss, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der nächsten Legislaturperiode viel mehr kommen. Und das wird auch geschehen, wenn wir nach der Wahl endlich unsere grünen Vorschläge umsetzen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Verlinden. – Als Nächstem erteile ich das Wort Josef Göppel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Josef Göppel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es spricht für die politische Kultur in Deutschland, dass der Bundestag trotz Wahlkampfgetöse ein solch fachlich fundiertes, strategisch weitreichendes Gesetz auf den Weg bringen kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte zu Beginn deshalb vor allem denjenigen danken, die Detailarbeit geleistet haben, nämlich den Berichterstattern Thomas Bareiß, dem ich dafür danke, pro Mieterstromgesetz gearbeitet zu haben, meinem jungen Kollegen Andreas Lenz und ganz besonders Johann Saathoff, Klaus Mindrup sowie den anderen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben. Endlich bekommen die Menschen in Mietshäusern einen direkten Vorteil durch die erneuerbaren Energien. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fast abgabenfrei können sie den Strom vom Dach des Mietshauses beziehen, ohne Netzdurchleitungsgebühr, ohne Stromsteuer und ohne Konzessionsabgabe entrichten zu müssen. Den Gemeinden, die nun etwas zu jammern beginnen, kann man sagen: Die Einnahmen, die sie bei der Konzessionsabgabe verlieren, werden sie bei weitem durch zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die aufgrund neu gegründeter Unternehmen erzielt werden, kompensieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Allerdings wurden einige Bremsen eingebaut: die Begrenzung auf einjährige Verträge, die Begrenzung der Anlagen auf 100 kW und die Volumenbegrenzung des jährlichen Zubaus auf 500 Megawatt. Ich vermute, dass die Mieter in Deutschland von diesem Gesetz sehr gerne Gebrauch machen werden. Aber entscheidend wird sein, wie viele Anbieter sich letztlich finden werden, die ein konkretes Angebot machen und damit den Mieterstrom zur Wirkung bringen. Gott sei Dank haben die Detailberatungen auch zwei Öffnungen gebracht. Die Verbrauchsabrechnung verlangt nicht von vornherein sogenannte intelligente Zähler, sondern kann in Form einer bilanzierten Summenabrechnung erfolgen. Das bedeutet in der Praxis eine große Erleichterung beim Einstieg in dieses Gesetz. Eine weitere wichtige Öffnung ist, dass auch Gebäudeteile und Nebenanlagen einbezogen werden können. Ich sehe darin einen Einstieg in eine Quartierslösung. Das ist natürlich eine Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Diejenigen, die nun landauf, landab darüber jammern, dass aufgrund des Mieterstroms zu wenig durch die öffentlichen Netze geleitet wird, sollten sich das Volumen genau anschauen. Mit der Zubaugrenze von 500 Megawatt, also einem halben Gigawatt, erreichen wir gerade ein Vierhundertstel der in Deutschland installierten Stromleistung. Das sind 0,25 Prozent. Angesichts dessen kann man nicht sagen, dass die öffentliche Stromversorgung entsolidarisiert wird. Von den Leitungsnetzbetreibern erwarte ich nun echte Vorstöße – sachlich fundiert und machbar – im Hinblick auf die Umstellung der Netzentgelte auf Leistungsbezug. Ich bin dafür, dass jeder Strombezieher sich gut überlegen muss, wie viel Stromleistung er in der kältesten Winternacht noch aus dem öffentlichen Netz braucht. Diese Stromleistung muss er dann das ganze Jahr über bezahlen. Ich halte es aber für falsch, dass man aufgrund der arbeitspreisbezogenen Netzentgeltabrechnung den Eigenverbrauch und die Eigenversorgung politisch zu behindern versucht. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch da, liebe junge Kolleginnen und Kollegen, liegt eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode vor Ihnen. Im Übrigen – ich schaue meinen Kollegen Michael Fuchs an – ist es Zeit, die Schlachten um die Energiewende zu beenden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist sicher so: Die Euphorie ist verflogen. Die Deutschen haben in den letzten Jahren ein nüchterneres Verhältnis zu den erneuerbaren Energien entwickelt, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das ist gut!) und das ist auch gut so. Sie wollen die finanziellen Vorteile nutzen, die aus den gesunkenen Anlagekosten resultieren, und sie wollen vor allem ein Stück mehr Unabhängigkeit durch die Eigenversorgung. Für die deutsche Volkswirtschaft wird sich das auszahlen. Der Entwicklungsminister Gerd Müller hat am Dienstag dieser Woche auf einem Energiekongress den Startschuss für das Projekt „Grüne Bürgerenergie für Afrika“ gegeben. Es geht darum, Energiepartnerschaften mit Afrika aufzubauen. Ein Solarunternehmer aus Kamerun hat auf diesem Kongress gesprochen. Der Schlusssatz seiner Rede war: Für uns ist alles, was aus Deutschland kommt, stark; denn es funktioniert. – Wir haben ein derart großes Vertrauenskapital bei den erneuerbaren Energien und der Energiewende, das es für unsere Volkswirtschaft zu nutzen gilt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Meinungsvielfalt ist es oft schwer, zu entscheiden: Wie soll ich mich verhalten? Welcher Weg ist der richtige? – Sie wissen vielleicht, dass mein Beruf Förster ist. Ich habe in meinem Leben durch Beobachtung eines gelernt: Immer dann, wenn man sich mit einer Maßnahme den Kreisläufen der Natur nähert, dann liegt man richtig; denn das, was sich in der Natur über Jahrmillionen herausgebildet hat, zum Beispiel die Rhythmen der Natur, können wir mit den erneuerbaren Energien aufgreifen. Ich denke dabei insbesondere an die Stabilität, die in der Bewegung der Natur liegt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Ich möchte das gerne mit einem Zitat illustrieren. Es lautet: Wir setzen uns dafür ein, den Anteil erneuerbarer Energien weiter deutlich anzuheben. Die umweltfreundliche Energieerzeugung ist auf dem Weg, eine volkswirtschaftliche Bedeutung zu erreichen, die sich mit der der Automobilindustrie vergleichen lässt. Gleiches gilt für das Exportpotenzial. – Wer das geschrieben hat? Das war der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Joachim Pfeiffer 2005 in der Denkschrift Konjunktur durch Natur angesichts der Regierungsübernahme von Frau Merkel. (Beifall des Abg. Peter Stein [CDU/CSU]) Lieber Kollege Joachim, ich darf dir jetzt diese Schrift mit den besten Empfehlungen für die nächste Legislaturperiode überreichen. (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Michaela Noll: Lieber Kollege Göppel, das war heute Ihre letzte Rede, und Sie haben wieder deutlich gemacht: Sie haben Ihren eigenen Kopf. Wenn ich Wolfgang Bosbach zitieren darf – so hätte er es wahrscheinlich ausgedrückt –: Hin und wieder haben Sie bei uns quer im Stall gestanden. – Aber Sie haben immer sachlich fundiert und detailgenau Beiträge geliefert. Sie haben Brücken zu anderen Fraktionen gebaut und den Dialog gesucht. Dafür möchten wir Ihnen von ganzem Herzen danken. Alles Gute, vor allem Gesundheit! (Beifall – Die Abgeordneten erheben sich) Liebe Kollegen, jetzt erteile ich dem Kollegen Johann Saathoff für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Johann Saathoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst: Ich habe keine energiepolitische Grundsatzrede vorbereitet, weil ich auch der Meinung bin, dass Richtiges durch Wiederholen nicht richtiger wird und Falsches durch Wiederholen nicht falscher wird. Ich würde heute gern über das Mieterstromgesetz reden, weil ich finde: Das ist ein Grund, zu feiern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zum Abschluss dieser Legislaturperiode beschließen wir noch zwei wichtige energiepolitische Gesetze: morgen das Netzentgeltmodernisierungsgesetz und heute das Mieterstromgesetz. Mit beiden Gesetzen wollen wir noch vor der Wahl einen Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit gehen. Genau diese Richtung – mehr Gerechtigkeit – wird sich in der nächsten Legislaturperiode in allen Bereichen, aber auch in der Energiepolitik verstetigen müssen. Keine Frage: Der Mieterstrom ist ein Gewinn für die Mieterinnen und Mieter in Deutschland, und er ist auch ein Gewinn für die Energiewende insgesamt. (Beifall bei der SPD) Menschen, die nicht über ausreichend finanzielle Mittel für Immobilien verfügen, können nun erstmals direkt und aktiv an der Energiewende partizipieren. Man mutt sük um de lüttje Lü kümmern, sagt man bei uns in Ostfriesland. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das bedeutet: (Klaus Mindrup [SPD]: Ich verstehe das auch so!) Wir dürfen bei der Energiewende nicht nur die Investoren im Auge haben, sondern müssen vor allem an die Menschen denken, die die Energiewende mit ihrer Stromrechnung tragen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist schon allein aus Gründen des Erhalts der Akzeptanz der Energiewende enorm wichtig. Natürlich hätten wir ohne den 500-Megawatt-Deckel noch mehr Menschen direkt einbinden können, und ich bin sicher, dass die neue Koalition das auch machen wird – auf jeden Fall, wenn wir Sozialdemokraten dabei sind. (Beifall bei der SPD) Ich denke, man kann mit Fug und Recht sagen: Dieses Gesetz ist ein Meilenstein sozialdemokratischer Energiepolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD) Durch dieses Gesetz können die Mieter den erneuerbaren Strom von der PV-Anlage auf dem Dach des Mietshauses beziehen, und nicht nur das. Dieser grüne Strom muss für die Mieter auch günstiger sein. Er darf maximal 90 Prozent des jeweiligen Grundversorgungstarifs kosten. Damit können wir sehr viel mehr Menschen an der Energiewende partizipieren lassen, und damit wird die Energiewende ein kleines Stück gerechter. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Man könnte auch sagen: Erneuerbare für alle! Gleichstellung und Gerechtigkeit werden in diesen Tagen viel diskutiert. Hier tun wir etwas für mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung von Mietern und Eigenheimbesitzern. Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Impuls durch dieses Gesetz. Die Erneuerbaren wurden bisher vornehmlich in ländlichen Räumen produziert. Das hat deutliche Vorteile für die ländlichen Räume gebracht, zum Beispiel für die beteiligte Landwirtschaft, zum Beispiel für die Kommunen über die Gewerbesteuer, zum Beispiel für die an den Projekten der erneuerbaren Energien beteiligten Bürgerinnen und Bürger. Aber es gab auch – das muss man an dieser Stelle sagen – negative Einflüsse und Bedenken der Menschen. Zum Beispiel machen sich die Bürgerinnen und Bürger zunehmend Sorgen, was die Veränderung des Landschaftsbildes anbetrifft. Einige Bürgerinnen und Bürger machen sich auch Sorgen um gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Windenergie, zum Beispiel durch Schall und Schattenwurf bei zu geringen Abständen. Zudem entsteht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zunehmend eine neue Herausforderung, der wir begegnen müssen. Da die Erneuerbaren in der Regel dort erzeugt werden, wo kaum Verbraucher zu finden sind, entstehen neue Herausforderungen beim Netzausbau. Durch dieses Gesetz tragen wir die Energiewende über die ländlichen Räume hinaus in die Städte, und damit begegnen wir der Netzausbauproblematik zumindest ein kleines Stückchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dass dieses Gesetz möglich wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen, verdanken wir den Verhandlungen zum EEG 2017 mitten in der Nacht; ich kann mich gut daran erinnern. Zunächst wurde nur eine Verordnungsermächtigung normiert. Schnell war klar: Ein Mieterstromgesetz muss her, da viele Bereiche außerhalb der Energiepolitik zu regeln sind, zum Beispiel – das will ich an dieser Stelle nennen – der Verbraucherschutz. Die Mieter dürfen nicht zur Unterzeichnung eines Mieterstromvertrages verpflichtet werden. Der Mietvertrag und der Mieterstromvertrag sind strikt voneinander getrennt. Die Mieterstromverträge dürfen den Mieter nicht länger als ein Jahr binden und sind natürlich unabhängig vom Mietvertrag kündbar. Wir hätten uns – das will ich an dieser Stelle sagen – durchaus eine echte Quartierlösung wie beim KWKG gewünscht. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Jetzt heißt es: Gebäude im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und, wie sogar Nichtjuristen wissen, extrem auslegungsbedürftig. Sollte einmal ein Jurist nachlesen wollen, was die parlamentarische Intention war, ist das aus meiner Sicht mindestens alles am Gebäude, was irgendwie miteinander verbunden ist, wie gesagt: mindestens. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen mit den Ausschreibungen im Zusammenhang mit dem EEG 2017 haben uns gezeigt, dass wir auch in Bezug auf Bürgerenergie ganz genau hinschauen müssen. Das Mieterstromgesetz und dessen Wirkungen müssen in angemessener Zeit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Ich bin mir ganz sicher: Das wird die neue Koalition machen, egal wie sie zusammengesetzt ist. Ich will mich abschließend herzlich bedanken bei meinen Berichterstatterkollegen Thomas Bareiß und Andreas Lenz. Wir haben – das kann ich, glaube ich, sagen – gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet und manchen Strauß ausgefochten, was vielleicht nicht nötig gewesen wäre. Insgesamt war es, finde ich, eine sehr angenehme Zusammenarbeit. Herzlichen Dank dafür! Ich möchte mich auch bedanken bei Klaus Mindrup und Josef Göppel. Auch ihr habt einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass dieses Gesetz möglich geworden ist. Last, but not least möchte ich mich beim BMWi und natürlich bei unserem Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Beckmeyer bedanken. Herzlichen Dank für die supergute, konstruktive Zusammenarbeit. Alles Gute für dich auf deinem weiteren Lebensweg. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herzlichen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung von Mieterstrom und zur Änderung weiterer Vorschriften des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12988, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/12355 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungskoalition bei Enthaltung der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmergebnis wie vorangegangen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar zunächst zum Entschließungsantrag auf Drucksache 18/13015. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt. Wir kommen zum Entschließungsantrag auf Drucksache 18/13016. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Entschließungsantrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie eben abgelehnt. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem parallel eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12988, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/12728 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es keine. Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen in Ost und West Drucksache 18/11750 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Cornelia Möhring, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen Drucksachen 18/12107, 18/12854 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Kollegin Susanna Karawanskij für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wer nichts tut, der kann nichts falsch machen. Wer etwas tut, der ist natürlich nicht vor Fehlern gefeit. Aber einmal ehrlich: Ich verstehe nicht, warum diese Koalition regelmäßig etwas tut und dabei immer wieder den gleichen Fehler begeht, also mit vehementer Konstanz den Osten hinten runterfallen lässt. Sie scheinen ja wirklich kein Stück lernfähig zu sein. Ich möchte hier gar nicht detailliert auf das jüngste Beispiel, die bundeseinheitlichen Netzentgelte, eingehen. Sie sollen ja vereinheitlicht werden, aber erst im Jahre 2022, und noch immer haben wir den Zustand, dass eine drei- bis vierköpfige Familie im Osten rund 45 Euro mehr zahlt als im Westen. Die Preisunterschiede haben im letzten Jahr um 50 Prozent zugenommen. Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, die Strompreisschere zu schließen. Der Osten ist auch hier schlichtweg hinten runtergefallen. Der große Coup für den Osten sollte die Angleichung der Ostrenten sein. Sie entpuppte sich als Bärendienst für all diejenigen, die im Osten arbeiten und noch nicht in Rente sind. Natürlich bekommen die Rentnerinnen und Rentner jetzt mehr Geld. Darüber freuen sie sich. Darüber freuen wir uns natürlich auch. Aber mit dem Wegfall der Umrechnung in der Rentenformel werden jetzt all diejenigen zusätzlich bei der Rente benachteiligt, die im Osten arbeiten. Sie werden damit eigentlich Opfer einer immer noch bestehenden Lohnungleichheit. Wer also heute im Osten arbeitet, hat meistens nicht nur weniger Geld, sondern bekommt dafür auch noch weniger Rente. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die bekommen mehr!) Sie akzeptieren damit nicht nur die Ungleichheiten und Ungleichwertigkeiten, die vielleicht in den 90er-Jahren, also in den Nachwendejahren, irgendwie noch akzeptabel und nachvollziehbar waren, sondern schreiben diese Ungleichheiten gleich noch für die folgenden Generationen fort und bürden die Lasten dafür dieser auf, einer Generation, die die deutsche Zweiteilung allenfalls noch aus den Geschichtsbüchern kennt. Mir fällt, ehrlich gesagt, kein vernünftiges Argument ein, warum mein Cousin, der seine Ausbildung bei einem Unternehmen in Stuttgart gemacht hat, dort gearbeitet hat, wieder in den Osten zurückgekehrt ist, weil dort seine Familie ist, einen Lohnunterschied in Kauf nehmen muss und später auch noch bei seiner Rente, die er dann irgendwann einmal genießen soll, benachteiligt wird. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Können Sie eigentlich rechnen? Nein!) Dieses Beispiel zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, dem Ganzen ein Ende zu setzen. (Beifall bei der LINKEN) Ein weiteres Beispiel für die Untätigkeit der Bundesregierung ist die sogenannte Rentenüberleitung, die Sie im Übrigen bezeichnenderweise Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz genannt haben. Dieses Gesetz sollte einen Haken setzen hinter die Frage der Anerkennung ostdeutscher Biografien im Rentenrecht. Und doch gibt es da immer noch viele Ungerechtigkeiten, ob bei den Bergleuten oder bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen. Das Gleiche gilt auch für die zu DDR-Zeiten Geschiedenen. Ich finde, es ist ein unhaltbarer Zustand, dass heute mehr als die Hälfte der zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen in Armut lebt. Viele Regelungen, die die geschiedenen Frauen begünstigten, also freiwillige Beiträge bzw. Anwartschaftsgebühren oder schlichtweg die Versicherung für mithelfende Familienangehörige, sind bei der deutschen Einheit einfach hinten runtergefallen. Aber das kann man ändern. Das können wir hier ändern. Deshalb fordere ich klipp und klar eine Entschädigung für diese Frauen. (Beifall bei der LINKEN) Ein gerechter Ausgleich an dieser Stelle wäre einer von vielen notwendigen Schritten, um vor allen Dingen die drohende und auch die bestehende Altersarmut ostdeutscher Frauen zu bekämpfen. Ich finde, es kann Sie doch nicht kaltlassen, dass laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ab dem Jahr 2036, also in noch nicht einmal 20 Jahren, jeder fünfte Neurentner von Altersarmut betroffen sein wird. Diese Ungleichwertigkeiten, diese Ungerechtigkeiten sind reell da, und sie spiegeln sich auch in einem Empfinden wider. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das hat mit 40 Jahren Misswirtschaft in der DDR zu tun!) Fast die Hälfte der Sachsen – auch ich komme aus diesem Bundesland – stimmte beim „Sachsen-Monitor 2016“ der These zu, dass nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten vielfach neues Unrecht geschaffen worden sei. Aus der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen, die mit der DDR überhaupt nichts mehr zu tun haben, sagen 26 Prozent, dass die persönlichen Nachteile aus der Wiedervereinigung überwiegen. Das sind im Übrigen mehr als bei den 60- bis 69-Jährigen, die die DDR noch miterlebt haben. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil sie ständig die Propaganda ertragen müssen!) Von den gut 400 000 Berufspendlern machen sich nur 158 000 Arbeitnehmer aus den alten Bundesländern regelmäßig auf den Weg über die innerdeutsche Grenze. Von den mehr als 133 000 Pendlern aus Sachsen arbeiteten im Jahr 2016 mehr als 68 000 in den alten Bundesländern. Das macht etwas mit den Leuten, mit den Familien; das ist nicht banal. Es macht etwas mit den Strukturen, mit den Städten, mit den Dörfern, mit den Vereinen, mit der Zivilgesellschaft, mit dem Ehrenamt, wenn die Menschen vor allen Dingen unterwegs sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, anstatt die Zeit darauf zu verwenden, sich dort zu engagieren, wo sie leben und wo sie zu Hause sind. Wir Linke sind in diesem Hohen Haus die einzige Partei, die einzige Kraft, die zuverlässige Adresse für ostdeutsche Interessen. (Beifall bei der LINKEN) Für uns sind gleichwerte Lebensverhältnisse im Westen wie im Osten, im Norden wie im Süden Ziel unserer Politik und nicht nur Lippenbekenntnisse. Deswegen fordern wir zum Beispiel einen Solidarpakt III, dessen Mittel vor allem in strukturschwache Regionen fließen sollen. Für uns ist der Osten Chefsache. Wir hauen nicht ein paar markige Sprüche raus, damit niemand hinten runterfällt. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich erteile das Wort dem Kollegen Albert Weiler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich musste an mich halten bei der Rede von Frau Karawanskij. Bei uns in Thüringen regiert schon seit einigen Jahren die Linke, (Beifall bei der LINKEN – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da läuft’s!) und die zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen haben des Öfteren einen Ausgleich von der Landesregierung gefordert. Das ist ja ein Problem, das es nur in Ostdeutschland gibt. Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Die Linke ist aber nicht bereit, auch nur einen Pfennig zu geben. (Zurufe von der LINKEN) Man hört nur Ausreden vonseiten der Thüringer Landesregierung. Und was hier abgeht, ist nicht nur nicht schön, sondern unredlich. Es ist schon unerträglich, was man sich hier anhören muss. (Beifall bei der CDU/CSU) Jetzt möchte ich einige Worte zur Rentenangleichung sagen. Die Rentenangleichung in Ost und West haben wir in sieben Schritten geschafft. In 27 Jahren haben wir endlich auch die soziale Einheit geschafft. Als Thüringer Bundestagsabgeordneter bin ich froh, dass die unionsgeführte Bundesregierung einen konkreten Fahrplan für die Angleichung des Rentenwertes verabschiedet hat. In Zukunft wird die Rente in Deutschland einheitlich berechnet. Davon profitieren in den neuen Bundesländern über 6 Millionen Menschen, die derzeit in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dieser Schritt ist dringend notwendig. Schließlich ist das Rentensystem das einzige Sozialsystem in Deutschland, das bisher noch nicht angeglichen ist. Mit der Rentenangleichung schaffen wir noch mehr Rentengerechtigkeit. Der Bund ist sich bei diesem Thema seiner gesamtdeutschen Verantwortung bewusst. Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung erhöht sich zukünftig dauerhaft um jährlich 2 Milliarden Euro. Damit werden die Beiträge zur Rentenversicherung auf längere Sicht stabilisiert. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr gut!) Die beschlossene soziale Einheit im Rentensystem schafft auch mehr soziale Sicherheit im Alter. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege, es besteht noch Fragebedarf aus der Fraktion Die Linke. HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Natürlich, da werden noch mehr Fragen kommen. Aber dann müssen Sie auch die Zeit anhalten. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): So viele Fragen werden nicht mehr kommen, lieber Kollege Weiler. Wenn Sie hier darstellen, dass die Ost-West-Renten ab dem Jahr 2025 angeglichen sind, dann muss ich Sie schon fragen: Ist Ihnen bewusst, dass man im Osten im Durchschnitt bei Vollzeitbeschäftigung immer noch 25 Prozent weniger verdient? Renommierte Forschungsinstitute belegen, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, die Löhne im Osten an die im Westen anzugleichen, und wir haben die Situation, dass wir diese Hochwertung bzw. Umrechnung – wie immer man das auch nennt – dringend brauchen, damit die Leute im Osten nicht benachteiligt werden. Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass diejenigen im Osten, die jetzt ins System einzahlen, im Jahr 2025 – da gibt es Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung, die Sie sicherlich auch kennen – bis zu 100 Euro weniger im Portemonnaie haben werden als die im Westen? Finden Sie das gerecht? HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Frau Zimmermann, ich möchte gerne darauf antworten. – Ich war einer derjenigen, die gesagt haben: Vorsicht bei Gleichmacherei! Gerade Sie von der Linken wollten gleiches Recht in Ost und West. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) – Ja, genau, klatschen Sie ruhig. – Aber wenn man gleiches Recht fordert, dann muss man auch gleiches Recht ernten wollen. Wir haben jetzt gleiches Recht, und gleiches Recht heißt: 100 Prozent in Ostdeutschland sind 100 Prozent in Westdeutschland; wenn man von 100 Prozent in Ostdeutschland spricht, meint man auch 100 Prozent in Süddeutschland und 100 Prozent in Norddeutschland. Wir haben ein immenses Lohngefälle zwischen Schleswig-Holstein und Südbayern. Es wird nie – darauf komme ich nachher zu sprechen – gleiche Löhne in allen Teilen der Bundesrepublik geben. Dafür gibt es auch nicht gleiche Lebenshaltungskosten. Wenn man in München eine Dreizimmerwohnung haben will, zahlt man um die 2 000 Euro, wenn ich in Thüringen, bei mir im Dorf in Milda, eine haben will, zahle ich Gott sei Dank nur 500 Euro. (Zuruf von der SPD: So ein Glück!) Das sind 1 500 Euro Unterschied. – Das muss man dabei auch bedenken. Ihre Gleichmacherei – das muss ich ehrlich sagen – hat genau zu dem geführt, was Sie jetzt bejammern. Ich glaube, an dieser Stelle – an manch anderer Stelle auch – sollten Sie sich etwas zurückhalten. Sie sollten sich auch beim Beschimpfen anderer Parteien zurückhalten. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Warum denn? So ein Quatsch! Man muss schon sagen, wie es ist!) Das würde Deutschland helfen, das würde auch Thüringen helfen, es würde uns allen helfen, besonders hier im Bundestag. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Rentenreform reiht sich in eine Vielzahl weiterer Reformen ein, die unsere von Angela Merkel geführte Bundesregierung zur Stärkung des Rentensystems in dieser Legislatur auf den Weg gebracht hat. Dazu gehört – das muss man in den Ohren klingen lassen – die Ausweitung der Mütterrente, die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, die Einführung der Flexirente und die Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir haben unser bestehendes Rentensystem nachhaltig gestärkt; wir haben unsere Hausaufgaben ernst genommen. Wir haben die gesetzliche Rentenversicherung verbessert, und sie steht gut da. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Höhe der Renten hat sich sehr positiv entwickelt. In den Jahren 2014 bis 2017 ist sie insbesondere in Ostdeutschland um bis zu 15 Prozent gestiegen. Den aktuellsten Zahlen zufolge wird sie in Ostdeutschland dieses Jahr im Juli noch einmal um 3,59 Prozent steigen. Insgesamt nähert sich der Rentenwert im Osten damit weiter an den Rentenwert im Westen an; er beträgt mittlerweile schon 95,7 Prozent und steigt damit sogar schneller als im Abschlussgesetz vorgesehen. (Thomas Jurk [SPD]: Durch den gesetzlichen Mindestlohn!) – Genau. – Unsere starke Wirtschaft und die erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik der von Angela Merkel geführten Bundesregierung machen diese Steigerung möglich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie hat genau was alles gemacht?) Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, regen Sie sich wieder ab. Angesichts dieser positiven Entwicklung ist Ihr Antrag nichts als purer Populismus. Sie versuchen hier wieder einmal, Ost gegen West auszuspielen, anstatt die gelungene Wiedervereinigung zu feiern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kurz vor der Wahl mit einfachen Lösungen auf Stimmenfang zu gehen, finde ich absolut unredlich. Sie fordern in Ihrem Antrag wieder einmal Gleichmacherei, die den vielfältigen Lebensverhältnissen in Deutschland eben nicht gerecht wird. Schon immer hat es in Deutschland Unterschiede gegeben – ich habe es eben schon gesagt –, und die Unterschiede wird es auch immer geben. Es macht eben doch einen Unterschied, dass man in einem Ort, in dem man vielleicht 100 Euro mehr verdient, vielleicht auch 300 Euro mehr zahlen muss, zum Beispiel für die Miete. Sie wollen wieder eine Mauer, damit Sie alle Menschen – aber nur nach Ihren Vorstellungen – gleichmachen können und niemand flüchten kann. Dies, meine Damen und Herren, ist aber Gott sei Dank vorbei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einem zweiten Antrag der Linken, der eine tatsächliche Ungerechtigkeit anspricht. Es geht hier um das Schicksal der in der DDR geschiedenen Frauen und deren Rentenansprüche nach der Überleitung des DDR-Alterssicherungssystems in das bundesdeutsche Recht – ein Thema, das mir schon lange auf den Nägeln brennt und mir persönlich sehr wichtig ist. In den letzten drei Jahren habe ich den Verein der in der DDR geschiedenen Frauen in meinem Wahlkreis in Gera viele Male besucht. Außerdem habe ich Briefe geschrieben, Telefonate geführt und sogar die ehemals zuständige Ministerin auf diese Frage persönlich angesprochen. Mein Ziel ist es, eine konstruktive und mehrheitsfähige Lösung bzw. Möglichkeit zu finden, das Anliegen dieser Frauen umzusetzen. Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit wurden immer wieder viele Gründe aufgeführt, warum das eben nicht gehen soll. Dazu gehört vor allem der Hinweis auf das geltende Rentenüberleitungsgesetz. Aber leider sind bis heute die Auswirkungen dieses Gesetzes für bestimmte Gruppen unbefriedigend. Der Verein der in der DDR geschiedenen Frauen e. V. hat auf eindrucksvolle Weise wiederholt auf das Anliegen der Betroffenen aufmerksam gemacht. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Da könnte man doch was machen, oder?) In Gesprächen mit vielen Abgeordneten und mit Ministerien haben sie sich für ihre Sache eingesetzt. Mit Petitionen sowie in mehreren Verfahren und Gerichtsprozessen auf Landes- und Bundes- und sogar EU-Ebene haben sie für ihre Sache gekämpft. (Daniela Kolbe [SPD]: Dann schreiben Sie das in Ihr Regierungsprogramm rein!) Dieses Engagement hat mich tief beeindruckt. Ich habe großen Respekt vor den Leistungen jener Frauen, die oft in hohem Alter viel Kraft aufwenden, um ihre Belange durchzusetzen. Weil mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Tankred Schipanski in einem Brief an die damalige Bundesministerin Schwesig die Forderung gestellt, einen Lösungsentwurf zu erarbeiten. Dieser ist aus meiner Sicht angebracht. Mir liegt mittlerweile ein Antwortschreiben von der Parlamentarischen Staatssekretärin, Frau Elke Ferner, vor. Dieses Schreiben ist zwar fast drei Seiten lang, aber einen konstruktiven Vorschlag finde ich darin leider nicht. (Thomas Jurk [SPD]: Was sagt denn Frau Merkel dazu?) Allerdings spielt die Staatssekretärin den Ball zurück zum Bundessozialministerium, das aus ihrer Sicht für die Rentenangelegenheiten federführend ist. Ich muss leider feststellen, dass hier ein SPD-geleitetes Ministerium einem anderen die Verantwortung zuwirft, (Katja Mast [SPD]: Was hat nun Merkel gemacht? Frau Merkel kennt doch alles!) ohne dabei auch nur ansatzweise einen Lösungsvorschlag zu präsentieren. (Daniela Kolbe [SPD]: Was macht denn Frau Merkel in der Sache?) Das hilft den betroffenen Frauen nicht weiter. Der Hinweis auf künftige Wahlprogramme und ein Gesprächsangebot unter Ausschluss der engagierten CDU-Abgeordneten macht es dabei nicht viel besser. Aus diesem Grund möchte ich heute an dieser Stelle wiederholt selbst für einen Lösungsvorschlag werben. Hören Sie zu! In unserem umlagefinanzierten Rentensystem leisten Mütter einen wichtigen Beitrag zum Generationenvertrag. Kindererziehungszeiten sollen daher bei der Rente berücksichtigt werden. Dieser Gedanke ist bereits bei der Mütterrente angewandt worden und sollte nun auch Grundlage möglicher Lösungsvorschläge für die Altersversorgung der in der DDR geschiedenen Frauen sein. Ein entsprechender kindbezogener Ausgleichsfonds wäre aus meiner Sicht hier eine sinnvolle Lösung. (Daniela Kolbe [SPD]: Ein „kindbezogener Ausgleichsfonds“!) Nach meinen Recherchen haben der Druck und die Nachhaltigkeit der Forderungen der vielen in der DDR geschiedenen Frauen und vielleicht auch der Druck von Kollege Schipanski und mir dazu geführt, dass sich die SPD jetzt doch einen Schritt nach vorne bewegt hat, (Lachen der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke) was mir spätestens für die nächste Legislatur Zuversicht gibt. Eine Kurzschlussreaktion, wie sie die Linke hier fordert, ist in einem Monat sicher nicht zu erreichen. Daher kann ich dem vorliegenden Antrag leider nicht zustimmen. Meine Damen und Herren, soziale Einheit bedeutet auch, dass niemand in Deutschland bei der Rente ungerecht behandelt werden darf. Ich werde mich weiterhin persönlich für eine gute Lösung in dieser Angelegenheit einsetzen, damit den betroffenen Frauen auch nach so langer Zeit endlich geholfen werden kann. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor wir die Aussprache fortsetzen, erteile ich dem Kollegen Lenkert für die Fraktion Die Linke das Wort für eine Kurzintervention. Ich betone „kurz“; wir haben schon eine Stunde Verzug. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Weiler, wenn ich Sie so reden höre, könnte ich mir vorstellen, Sie wissen überhaupt nicht, wer in den 24 Jahren von 1990 bis 2014 in Thüringen regiert hat. Das ist meine erste Feststellung. In diesen Jahren hat die CDU dort regiert. Die CDU-geführte Landesregierung in Thüringen hat mitnichten versucht, irgendetwas für die in der DDR geschiedenen Frauen und für die Angleichung der Renten zu unternehmen. Das ist der erste Punkt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Der zweite Punkt. Wenn ich Sie so reden höre, bin ich mir nicht sicher, ob Sie Bundestagsabgeordneter sind. Denn nach dem, was ich kenne, bestimmen wir, bestimmt der Bundestag, welche Gesetze eingebracht und verabschiedet werden. Als Regierungsparteimitglied sollten Sie wissen, dass Sie einen Gesetzentwurf schreiben und die Regierung dazu bringen können, mit der Mehrheit des Parlamentes das Gesetz zu ändern. Man schreibt keine Briefe, sondern neue Gesetze, wenn man seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter ernst nimmt. (Beifall bei der LINKEN) Der nächste Punkt. Sie sprechen bei diesem Antrag zu den in der DDR geschiedenen Frauen von einer Hauruck-Aktion. Ich bin seit 2009 im Bundestag. Ich rede jetzt nur über die Erfahrungen, die ich gemacht habe. Wir haben diesen Antrag 2010 gestellt, wir haben ihn 2014 erneut gestellt, und wir haben ihn jetzt wieder gestellt; wir haben ihn also mehrfach gestellt. Das als Schnellschuss zu bezeichnen: Also, da weiß ich nicht, was bei Ihnen der langsame Weg ist. Aber wahrscheinlich reden Sie auch von einem Schnellschuss, wenn 2025 die nominelle Rentenanpassung endlich erfolgt, und das 35 Jahre nach der Einheit. Das ist aber wahrlich kein Schnellschuss. Die Betroffenen müssten 100 Jahre alt werden, um davon zu profitieren. Zum Vergleich der Preise, den Sie angeführt haben. Sie haben Milda angesprochen. Sie wissen, direkt neben Milda liegt die Stadt Jena. Dort bekommt man keine Wohnung für 500 Euro, sondern für 1 300 Euro. Deswegen ist es schon ein Problem, wenn man im Durchschnitt 23 Prozent weniger Gehalt erhält als in Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit dem niedrigsten Lohnniveau in Westdeutschland. Deswegen ist die Umwertung der Löhne für die Rente zwingend erforderlich, solange wir nicht wenigstens – und wir sind ja schon bescheiden – 97 Prozent des Niveaus von Schleswig-Holstein erreicht haben. All dies sollten Sie berücksichtigen und offen sagen. Sie sind doch Mitglied der Regierungspartei, Sie sind nicht in der Opposition. Machen Sie einen Gesetzentwurf, wenn Sie unserem Antrag schon nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege Weiler, wollen Sie darauf antworten? HonD Albert Weiler (CDU/CSU): Herr Kollege Lenkert, die CDU hat 24 Jahre in Thüringen regiert – das ist richtig –, aber wir haben auch nicht so einen großen Rand wie Sie als Linke. (Lachen bei der LINKEN) Sie hätten in Thüringen angesichts eines Überschusses von 600 Millionen Euro im Jahr die Möglichkeit, für die in der DDR geschiedenen Frauen etwas zu tun, aber Sie tun es nicht. Sie machen in Thüringen an dieser Stelle gar nichts. Sie wollen nur Windkraft im Wald und Sie wollen Gebietsreformen durchsetzen, und zwar gegen den Willen der Bürger. (Daniela Kolbe [SPD]: Das ist der Bundestag hier! Es ist doch nicht Landtagswahl, Leute!) Sie wollen die vielen Millionen, die in der Vergangenheit erwirtschaftet worden sind, nicht ausschöpfen, sie wollen sie nicht an die Kommunen und an die Bürger weitergeben. Ihnen geht es um Ideologie. Sie führen Gebietsreformen durch und geben das Geld für Unsinnigkeiten aus. Und Sie wollen uns hier belehren? Das ist eine absolute Schande. (Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Hören Sie sich eigentlich auch mal zu?) Vizepräsidentin Michaela Noll: Wir setzen die Aussprache fort. Ich erteile nunmehr das Wort Dr. Thomas Gambke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich muss Sie zu einer intellektuellen Leistung antreiben; denn ich will jetzt das Thema aus einer ganz anderen Sicht, aus der Sicht eines Unternehmers darstellen. Sie haben ja recht mit der Feststellung, dass die Lebensverhältnisse in Ost und West unterschiedlich sind, und Sie weisen auf die Verpflichtung hin, das anzugleichen, wobei es nicht nur Unterschiede zwischen Ost und West gibt; (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!) vielmehr gibt es auch sehr unterschiedliche Regionen im Westen, auch teilweise im Norden, im Vergleich zum Süden der Bundesrepublik. Schon allein die Überschrift „Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen …“, die Sie gewählt haben, zeigt, dass Sie eben nicht alle Regionen in den Blick nehmen, dabei müssten Sie auch die strukturschwachen Gebiete in den anderen Teilen der Bundesrepublik in Ihrem Antrag berücksichtigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Sie schlagen drei Themen vor: langfristige Förderung strukturschwacher Regionen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Angleichung der Renten. Erstens. Die Angleichung der Renten ist sicher ein wichtiges sozialpolitisches Problem – Ihr sehr konkret vorgetragenes Thema unterstützen wir –, aber das führt nicht zu einer nachhaltigen Änderung oder Angleichung der Lebensverhältnisse. Strukturelle regionale Wirtschaftsprobleme werden dadurch gar nicht adressiert und auch nicht gelöst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zweitens. Über Ihre arbeitsmarktpolitischen Regelungen war ich doch einigermaßen erschrocken. Sie fordern 12 Euro Mindestlohn. Der Mindestlohn soll Lohndumping verhindern, aber doch um Gottes willen nicht zu einem regierungsamtlich festgestellten Facharbeitereinheitslohn führen. Das wäre ein Rückfall in alte Zeiten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Doch, das kennen die! Das haben die 40 Jahre gemacht!) Drittens. Die Forderung nach Förderung von strukturschwachen Regionen ist richtig, aber die spannende Antwort auf die Frage: „Mit welchen Maßnahmen soll das erfolgen?“, die beantworten Sie nicht. Einen solch untauglichen Antrag können wir nur ganz klar ablehnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber, wie anfangs gesagt, es ist richtig, dafür zu sorgen, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht weiter auseinanderdriften. Was kann man tun? Ich will drei sehr konkrete Ansätze nennen – kleine, aber wichtige Punkte –: Erstens: Bildung. Dafür müssen und können nur die Länder die Verantwortung übernehmen. Eine gute und praxisnahe Ausbildung verlangt heute aber auch – diesen Punkt will ich setzen – nach einer leistungsstarken Informationstechnologie. Mir ist Folgendes aufgefallen: Jede Schule hat einen Hausmeister. Er kümmert sich um das Schneeräumen, um Sauberkeit und Ordnung – alles prima –, in der Regel wird er insbesondere für die Heizung gebraucht. Die moderne Informationstechnik lässt es zu, dass man das heute dezentral macht. Aber: Wenn Sie in den Schulen nachfragen, erfahren Sie, dass die Informationstechnik oft in den Händen eines fast pensionierten, eines relativ alten Lehrers liegt – oder einer Lehrerin –, der oft ehrenamtlich auf Basis einer sehr schwachen Softwarestruktur arbeitet. Oft höre ich die Aussage des Rektors oder der Rektorin: „Um Gottes willen, der darf nicht krank werden und auch nicht in Rente gehen; denn dann fällt meine Infrastruktur im Bereich Informationstechnik zusammen.“ Ich würde mir wünschen, dass dieses Hohe Haus etwas auf den Weg bringt, um die Informationstechnik in den Schulen flächendeckend und vor allen Dingen in den Regionen auf einen besseren Stand zu bringen. Es gibt einige in diesem Bereich leistungsfähige Schulen, aber eben nicht flächendeckend. Das wäre auch eine Maßnahme zur Stärkung der Regionen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD]) Die zweite konkrete Anregung: Wir könnten etwas im Bereich der Unternehmensgründungen tun. Wir haben in Landshut ein kommunales Technologiezentrum gegründet. Wir haben es geschafft, junge Start-up-Unternehmen aus München und Augsburg zu uns zu holen. Wir Grüne haben vorgeschlagen – leider ist dieses Haus uns nicht gefolgt –, jungen Unternehmern einen Gründungszuschuss von 25 000 Euro zu gewähren. Niedrige Lebenshaltungskosten, stau- und staubfreie Innenstädte werden zunehmend interessant. In Niederbayern sagen mehr junge Familien neuerdings – das haben wir in einer Umfrage herausgefunden –, dass sie nicht nach München, sondern in die Region ziehen wollen. Diese Familien müssen wir unterstützen. Wir können sie unterstützen, indem wir ihnen attraktive Arbeitsplätze in der Region bieten. Darauf müssen wir uns konzentrieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die dritte Anregung betrifft das Thema Digitalisierung. Wir können heute die erheblichen Chancen der Digitalisierung nutzen, zum Beispiel für einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr. Ich habe das Berliner Start-up-Unternehmen Door2Door nach Freyung gebracht. Das werden Sie nicht kennen; das ist eine kleine Gemeinde im Bayerischen Wald. Diese Gemeinde will einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr organisieren, durch den Jugendliche und alte Menschen auf einmal beweglich werden. Bisher waren sie vom öffentlichen Nahverkehr praktisch ausgeschlossen, weil es zu wenige Verbindungen gibt und die Verkehrsmittel nicht vor der Haustür halten. Eine Unterstützung solcher Maßnahmen hätte ich mir von Ihnen gewünscht. Das alles kann man machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht wissen Sie es: Ich habe 25 Jahre in der Wirtschaft gearbeitet. Dorthin will ich wieder zurück, nach acht sehr spannenden Jahren hier in der Politik. Keine Angst, es folgt keine lange Rede; denn ich bin als Unternehmer doch etwas mehr handlungs- und weniger sendungsorientiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD) Ich will mich an dieser Stelle also nur bedanken, und zwar bei meiner Fraktion für die gute Zusammenarbeit und für die lebendigen Debatten, aber auch bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für manch gute Debatte, dafür, dass in der Regel sehr viel Respekt voreinander und vor der Meinung des anderen herrschte. Außerdem möchte ich mich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Büro und in der Fraktion, aber auch bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Bundestagsverwaltung, die diesen Apparat am Laufen halten. Ich verabschiede mich, wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Gambke. Ich sage auch herzlichen Dank im Namen des ganzen Hauses. Zwei Legislaturperioden lang haben Sie Ihre praktische Erfahrung als Unternehmer eingebracht. Der Mittelstand war bei Ihnen immer im Fokus, ebenso moderne Themen wie die Digitalisierung. Dabei ging es Ihnen immer um die Frage: Wie stellen wir uns auf? Ferner weiß ich, dass Sie eine besondere Affinität zu der Parlamentariergruppe ASEAN haben. Auf Ihren Rat müssen wir jetzt leider verzichten. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft. Danke schön. (Beifall) Wir machen weiter in der Aussprache. Als Nächste hat das Wort die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Daniela Kolbe (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin bei dieser Rede heute ein bisschen aufgeregt. Das liegt nicht so sehr an der Debatte selber, sondern ich habe gerade das erste Mal überhaupt meine kleine Tochter in der Kinderbetreuung des Deutschen Bundestages untergebracht und hoffe, dass das alles gut klappt. Deswegen bin ich an einem zügigen Verlauf der Diskussion interessiert. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will mich aber bei der Verwaltung des Bundestages bedanken, dass das möglich ist. Das ist totaler Luxus, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Wir sind damit schon ein bisschen beim Thema der in der DDR Geschiedenen. Denn es ist klar, dass die staatlichen Rahmenbedingungen sehr wohl die Umstände beeinflussen können, wie Frauen – und insbesondere Mütter – ihr Leben gestalten bzw. was für ein Leben sie während der Zeit des Rentenbezugs führen können. Ich will mich deswegen heute auf die in der DDR Geschiedenen fokussieren. Im Antrag wird zutreffend geschildert, dass Frauen, die sich zu DDR-Zeiten haben scheiden lassen – gerade wenn sie viele Kinder erzogen haben und, was durchaus vorgekommen ist, auch ausgestiegen sind –, bei der Wiedervereinigung zum Teil massive, frappierende Nachteile erlitten haben. Sie haben quasi das Schlechte aus beiden Systemen abbekommen. Das DDR-Rentenrecht kannte Bevorzugungen von Frauen und Müttern. Diese sind mit der Wiedervereinigung weggefallen. Die DDR kannte aber keinen Versorgungsausgleich. Das heißt, die betroffenen Frauen haben keine Anwartschaften von ihren Exmännern übertragen bekommen. Das führt dazu, dass wir heutzutage sehr viele schlimme Geschichten hören. Ich selber beheimate sozusagen die Treffen meiner lokalen Gruppe des Vereins. Es wird einem mulmig, es wird einem ganz anders, wenn man die Geschichten von einem Leben voller Arbeit, voller Kindererziehung hört. Man vertraute voll auf die Ehe und arbeitete im Betrieb mit. Und heute stehen diese Frauen mit Niedrigstrenten da und gehen aus Scham nicht zum Sozialamt. Tatsächlich hat uns der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau ins Stammbuch geschrieben, der Bundestag solle tätig werden. Wir als SPD wollen das auch tun, und zwar nicht nur bezogen auf die in der DDR Geschiedenen, sondern auch auf andere betroffene Gruppen. Uns ist das wichtig. Denn wir wissen: Ganz viele Menschen in der ehemaligen DDR haben noch heute das Gefühl, dass ein Teil ihrer Lebensleistung überhaupt nicht anerkannt wird. Sie fühlen sich sozusagen so, als würde vieles von dem, was sie geleistet haben, überhaupt nicht wichtig genommen. Wir wollen dieses Thema angehen und haben deswegen in unser aktuelles Regierungsprogramm eine Fondslösung hineingeschrieben. Wir sind damit – ich habe es noch einmal nachgelesen – im Vergleich zum Programm der Linken konkreter. In deren Programm steht lediglich, man wolle Lebensleistung anerkennen. Auch in Ihrem Antrag ist es nebulös. Wir wollen Fehler korrigieren. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Im Antrag steht es drin!) Also ich finde, wir als SPD können durchaus stolz sein. Wir sind hier sehr konkret und wollen das Thema angehen. (Beifall bei der SPD – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!) Uns ist klar: Es ist kompliziert. Es kann nicht wirklich nicht Ihr Ernst sein, dass Sie uns in Bezug auf den Antrag hinsichtlich der in der DDR Geschiedenen heute beschließen lassen wollen, dass die Bundesregierung morgen, am 30. Juni 2017, einen Masterplan vorlegen soll. Das ist wirklich ein bisschen albern. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das liegt in der Praxis des Bundestages, das wissen Sie selber! Der Antrag liegt länger vor!) Ich fände es vielmehr gut, wenn Sie einmal ganz konkret formulieren würden, was Sie für diese Gruppe tun wollen. Herr Weiler, ich habe Ihren Vorschlag noch nicht richtig verstanden. (HonD Albert Weiler [CDU/CSU]: Ich erkläre es Ihnen!) – Den können Sie mir erklären. Erklären Sie ihn aber vor allen Dingen der Bundeskanzlerin, erklären Sie ihn denjenigen, die beim nächsten Mal bei den Koalitionsverhandlungen mit dabei sind. Wir haben nämlich bei den letzten Koalitionsverhandlungen das Thema Härtefallfonds behandelt. Der ist – jetzt verrate ich einmal ein Geheimnis – nicht an meiner Fraktion gescheitert. (Beifall bei der SPD) Es ist also kompliziert, hier wirklich etwas zu tun. Das ist – ich komme noch einmal auf die in der DDR Geschiedenen zurück – aus verschiedenen Gründen so, aber auch deshalb, weil die Gruppe sehr heterogen ist. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt einen sehr guten Vorschlag von den Grünen!) Hier im Raum sitzt zum Beispiel eine in der DDR Geschiedene, nämlich Iris Gleicke. Um die müssen wir uns sicherlich keine Sorgen machen. Aber für viele der Frauen, die sich organisieren und für ihre Rechte kämpfen, müssen wir wirklich etwas tun. Ich nutze die Gelegenheit, über diese in der DDR geschiedene Frau noch etwas zu sagen. Sie hat ihre letzte Rede irgendwann spätnachmittags am letzten Freitag gehalten. Ich muss sagen, das ist mir ein bisschen zu wenig. Sie haben hier sehr viel schwarzgemalt, was das Thema Ostdeutschland und Ost-West-Beziehungen angeht. In den letzten vier Jahren war Iris Gleicke eine emotionale, authentische und hartnäckige Kämpferin für die ostdeutschen Belange. Und Iris – das sage ich ganz persönlich –: Du wirst in diesem Hohen Haus sehr fehlen. Ganz herzlichen Dank für dein tolles Engagement. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie sehen, Sie können sich darauf verlassen, dass die SPD in Bezug auf die in der DDR Geschiedenen und die anderen Gruppen tätig werden wird. Wir werden das Thema in seiner ganzen Komplexität und nicht mit so einem Federstrich, wie die Linke das heute mit dem Antrag tun möchte, angehen. Insofern freue ich mich auf eine neue Runde und hoffentlich auf ein Wiedersehen – der Wähler hat natürlich das letzte Wort – im Herbst –, und dann mit einem Koalitionsvertrag, wer auch immer ihn macht, in dem das Thema Niederschlag findet. Wichtig wäre es. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kolbe. – Als Nächstem erteile ich dem Kollegen Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es erstaunlich, dass die Fraktion Die Linke kurz vor Ende der Legislaturperiode noch einen Antrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West einbringt. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Er liegt schon länger vor!) Die Linken sind in den Umfragen ja eher im Sinkflug, und man hat den Eindruck, da soll jetzt dringend noch ein Wahlkampfthema gesucht werden. Ich muss sagen: Damit liegt sie völlig daneben. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Immer weiter!) Wir sollten in der Tat das machen, was von Ihnen vorhin in der Debatte schon gesagt worden ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage ist nicht, ob wir strukturschwache Gebiete im Osten und im Westen haben, sondern es ist richtig: Wir haben in Deutschland Gegenden im Osten wie im Westen, die strukturschwach sind. Wir haben die Verpflichtung, etwas dafür zu tun, dass sich diese Regionen in der Zukunft besser entwickeln können, als das in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der CDU/CSU) Politische Reden, die den Gegensatz zwischen Ost und West weiter pflegen, sind nach 27 Jahren deutscher Einheit schlichtweg daneben. Uns muss es darum gehen, dass sich insgesamt in Deutschland alle Mitbürgerinnen und Mitbürger darauf verlassen können, dass wir als Politik das Notwendige tun, damit sich alle Regionen Deutschlands gesund und wohlhabend entwickeln können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich denke, dass gerade diese Bundesregierung mit ihrem Programm für strukturschwache Kommunen gezeigt hat, dass wir das auch ernst nehmen. Mit dem Fonds, den wir geschaffen haben, fördern wir strukturschwache Kommunen bei Investitionen in Ost und West. Genau das ist richtig, wenn man gesamtdeutsche Politik und keine Spalterpolitik à la Fraktion Die Linke betreiben will. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das gilt auch für das Thema Rente. Manchmal habe ich den Eindruck, die Linke würde am liebsten das DDR-Rentensystem wieder einführen, ein hochkompliziertes System mit unterschiedlichsten Regelungen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann haben Sie schlecht zugehört, Herr Weiß! Das habe ich nicht gesagt!) Bei der deutschen Einheit haben wir Folgendes gemacht: Wir haben dieses System beendet und alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in den neuen Bundesländern in das gesamtdeutsche Rentensystem übernommen, was eben nicht mit hundertfachen Sonderregelungen belastet ist, sondern bei dem vor allem ein Prinzip gilt: Die Rente ist lohn- und beitragsbezogen. Mit dieser Integration in das gesamtdeutsche Rentensystem haben sich über 96 Prozent der Rentnerinnen und Rentner im Osten bessergestellt als im alten DDR-Rentensystem. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sprich: Die Rentnerinnen und Rentner waren zuallererst die Gewinnerinnen und Gewinner der deutschen Einheit. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man sich die Zahlen anschaut. Deswegen vertuscht diese Art von Polemik, die von den Linken vorgetragen wird, was historische Wahrheit ist. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Wir haben jetzt keine Rentendebatte! Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West, reden Sie mal dazu!) Diese Wahrheit fußt übrigens darauf, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen auch im Westen in einer großartigen Solidarleistung mit ihren Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung dafür gesorgt haben, dass wir die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern besserstellen konnten, als das im alten DDR-Recht der Fall war. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Das kann man doch gar nicht vergleichen!) In der Tat zeigt das Thema „Geschiedene Frauen“, wie ungerecht dieses System war. Bei uns im Westen ist es seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich, dass bei einer Scheidung ein Versorgungsausgleich stattfindet, sprich: Die in der Ehezeit erworbenen Ansprüche von Mann und Frau werden zusammengerechnet und geteilt. Deswegen, finde ich, müssten sich in einer solchen Debatte, die hier beantragt worden ist, die Linken zuerst einmal dazu bekennen: Dieses System im Osten Deutschlands, in der ehemaligen DDR, war ein ungerechtes System für die dort geschiedenen Frauen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) Genau diesen Mut hat die Linke nicht. Das zeigt, wie zynisch sie mit dem Schicksal dieser Frauen umgeht. (Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Diese Rede ist zynisch!) – Nein. Das, was ihr macht, ist zynisch. Nun ist in der Tat der Anlass für diese Debatte, dass sich die in einem Verein organisierten Frauen auch an die UN gewandt haben und die UN der deutschen Bundesregierung die Aufgabe gestellt hat, hierfür eine Lösung zu suchen. Federführend dafür ist das Bundesfamilienministerium. Es ist schon bemerkenswert, dass der Verein dieser Frauen festgestellt hat, dass sich eine Lösung im Rentenrecht trotz allem Hin und Her nicht finden lässt. Das ist zumindest schon ein großer Fortschritt gegenüber früheren Debatten, in denen jeweils eine rentenrechtliche Regelung, also eine Regelung zulasten der Beitragseinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, gefordert worden ist. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuerfinanziert!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich haben wir in Deutschland unterschiedliche Lohnniveaus. Aber wir haben nicht nur ein unterschiedliches Lohnniveau zwischen Ost und West. Wir haben auch ein unterschiedliches Lohnniveau zwischen Nord und Süd. Ich komme aus Baden-Württemberg. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein verdienen im Durchschnitt rund 25 Prozent weniger als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. (Zuruf von der LINKEN) Sie sind aber im gleichen Rentensystem. Natürlich wünsche ich unserem neuen Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der gestern gewählt worden ist, (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Die Rede wird immer besser!) mit seiner Regierung Erfolg, damit er die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes so voranbringt, dass der Abstand zu Baden-Württemberg aufgeholt wird. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das schafft er! – Zurufe von Abgeordneten der SPD) – Kollege Rosemann, das geschieht nicht dadurch, dass wir Baden-Württemberger zurückfallen. Wir schreiten selbstverständlich auch weiter voran. Allein dieser Hinweis zeigt Ihnen doch: Es geht bei diesem Thema nicht darum, wo weniger verdient wird und wie die Durchschnittslöhne sind. Vielmehr geht es darum, dass wir in Deutschland – das ist einfach ein Fakt – ein einheitliches Rentensystem für alle haben, es aber Regionen gibt, in denen durchschnittlich mehr, und Regionen, in denen durchschnittlich weniger verdient wird. Deswegen ist es richtig, dass wir nun nach 27 Jahren deutscher Einheit auch bei der Berechnung der Rente ein einheitliches System in Ost und West einführen und Deutschland bei der Berechnung von Rente nicht teilen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Wolkennebel linker Reden geht unter: Die Linke will das Gegenteil. Die Linke will die Teilung Deutschlands im Rentenrecht auf Jahrzehnte weiter beibehalten. Das wäre die Konsequenz der linken Reden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das ist eine Lüge! Echt, Herr Weiß! So ein Schwachsinn!) – So ist das. Das ist die Konsequenz. – Gleiches Rentenrecht in Ost und West, in ganz Deutschland, muss bedeuten, dass mir mit jedem Euro, den ich als Beitrag in die Rente einzahle, in Ost und West die gleichen Entgeltpunkte gutgeschrieben werden und dass am Schluss, wenn ich in Rente gehe, das, was sich auf meinem Rentenkonto angesammelt hat, in Ost und West mit dem gleichen Betrag multipliziert wird. Genau das ist das Ziel der nun in sieben Schritten zu erfolgenden Rentenangleichung in Ost und West. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das könnten wir noch ein bisschen schneller haben!) Deswegen halte ich fest: Es ist diese Koalition, die in dieser Legislaturperiode das geschafft hat, worüber jahrzehntelang diskutiert worden ist. Wir schaffen endlich die Renteneinheit in Ost und West. Das ist wirklich ein Erfolg, den wir hinbekommen haben. Das zeigt: Arbeit in Deutschland ist überall gleich viel wert, auch in der Rente. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Bernhard Daldrup. (Beifall bei der SPD) Bernhard Daldrup (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will ein bisschen an die Art und Weise, wie Herr Gambke über dieses Thema gesprochen hat, anknüpfen, statt nur über Rente und Arbeit zu sprechen; denn das Thema der heutigen Debatte lautet: gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West. Was meinen wir eigentlich, wenn wir über Gleichwertigkeit reden? Das ist nichts anderes als die räumliche Seite des Sozialstaatsprinzips. Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern um die Betrachtung von Lebenschancen in ganz unterschiedlichen Bereichen: Bildung, Wohnen, Arbeit, Mobilität, selbstverständlich auch Rente; das ist keine Frage. Aber im Kern ist mit Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen in allen Teilräumen des Landes gemeint, dass die Menschen gleiche Chancen und die gleiche Freiheit haben, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen. Deswegen ist sozusagen dem Befund des Antrags der Linken gar nicht zu widersprechen. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich, regional oder zwischen einzelnen Gruppen auseinandergeht, dann ist das schlecht für die gesamte Gesellschaft. Deswegen ist es auch richtig, dass der Bund aufgefordert wird, hier etwas zu tun. Aber dann machen Sie etwas, was ich überhaupt nicht verstehe. Denn Sie führen wieder weitgehend eine alte Ost-West-Auseinandersetzung – in dem Antrag ist sogar von „DDR“ die Rede –, suchen ein paar prekäre Unterschiede heraus und wollen sich im Grunde genommen doch nur selbst zum Gralshüter ostdeutscher Interessen machen. Das macht den Antrag schlecht; das macht ihn schwach. Denn das sind Sie nicht, schon gar nicht Sie alleine. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Landes heißt ja nicht gleichwertige Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Das ist ein großer Unterschied. Sie beziehen sich auf Arbeitsmarkt und Rente – dazu ist schon einiges gesagt worden –, und dann fordern Sie einen Solidarpakt III völlig undifferenziert als Konzept. Das macht den Antrag nicht stärker. Abenteuerlich ist dann die Behauptung, die Bundesregierung ließe effektive Maßnahmen vermissen. Das ist nämlich einfach nur falsch. Deshalb ist der Antrag schlecht. Das sage ich ganz deutlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen. Ich will jetzt, wie gesagt, nicht so viel über Ordnung am Arbeitsmarkt reden. Ich glaube, da hat die Koalition das getan, was der Koalitionsvertrag zuließ. Ich will auch nicht über das Thema Rente reden. Aber ich glaube, in beiden Fällen hat Andrea Nahles als zuständige Ministerin wirklich Vorbildliches geleistet, (Beifall bei der SPD) und das lassen wir auch nicht in Zweifel ziehen. Ich möchte andere Punkte ansprechen. Ich glaube nämlich – das muss man in Erinnerung rufen –: Was den Dreiklang von Investitionsschwäche, Höhe der Sozialausgaben und Entlastung von Sozialausgaben und damit die Möglichkeit zu weniger Verschuldung angeht, hat diese Koalition unglaublich viel erreicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann Ihnen das haarklein darlegen. Bei den Sozialausgaben liegen die Entlastungen bei 4,5 Milliarden, in der Zukunft bei 5 Milliarden Euro jährlich. Ich könnte die Grundsicherung im Alter oder den Kitaausbau nennen, wo übrigens die Differenzen ganz andere sind, als es aus der Diktion Ihres Antrags hervorgeht. Bei den Investitionen in Höhe von 7 Milliarden Euro geht es um finanzschwache Kommunen. Nehmen Sie das bitte einfach einmal zur Kenntnis! Es geht bei dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ darum, den Quartieren zu helfen, die in einer benachteiligten Situation sind. Das alles hat sozusagen Ausgleichsziele zur Grundlage. Das heißt mit anderen Worten: Zu behaupten, hier würde nichts geschehen, ist, ehrlich gesagt, schlicht und ergreifend falsch. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe extra eine nette Broschüre mitgebracht – die stelle ich Ihnen gern zur Verfügung –, in der das alles drinsteht. Ich kann das nämlich gar nicht alles aufzählen. Im Ergebnis kommen wir und selbst die kommunalen Spitzenverbände – alles keine sozialdemokratisch durchsetzten Organisationen – zu der Feststellung, dass keine Bundesregierung so viel für die Kommunen und für die Regionen geleistet hat wie diese. Wir sind Teil dieser Bundesregierung bzw. dieser Koalition, und wir sind stolz darauf, dass wir das hingekriegt haben. Und man kann nicht davon reden, dass es unterlassen worden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Bilanz ist also gut, und es gibt auch Ergebnisse: Der Investitionsstau bei den Kommunen sinkt. Die Investitionen steigen. Die Verschuldung der Kommunen sinkt. Die kommunalen Steuereinnahmen steigen. Man muss aber bereit sein, das alles wahrzunehmen. Jetzt kommen wir zu dem Thema Solidarpakt III. Hinter dieser Formel steht nichts außer: Gebt uns mehr Geld! – Das ist nicht falsch; es ist aber auch nicht besonders pfiffig. In Wirklichkeit wollen Sie an der alten Ostforderung „Himmelsrichtung statt Bedürftigkeit“ festhalten. Ich bin Iris Gleicke sehr dankbar dafür, dass sie in der Zeit, in der sie diese Aufgabe wahrgenommen hat, dafür gesorgt hat, dass diese Dichotomie endlich aufhört und dass wir zusammen darüber reden, wie künftig nach Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung gefördert werden kann. Denn das wollen wir. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das wird hier so lax gesagt: Ihr lasst mal wieder die ostdeutschen Kommunen hinten runterfallen. – Im Jahre 2015 betrug die erhöhte Gewerbesteuerumlage der westdeutschen Kommunen 3,4 Milliarden Euro. Sie wird seit Anfang der 90er-Jahre erhoben. Es ist hier ein hohes Maß an Solidarität da, ein ausgesprochen hohes Maß. Ich würde das nicht einfach so wegreden. Ich habe leider nicht die Zeit, darauf im Einzelnen einzugehen, aber die Antwort ist doch nicht nur, das Ausgleichsziel zu verfolgen, sondern Strukturpolitik. Die Antwort besteht in der Förderung von Wachstumsfeldern, die man mobilisieren muss, in der Unterstützung von endogener Entwicklung, in der tragfähigen wirtschaftlichen Entwicklung, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Wenn wir uns nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wie das in dem Antrag von Ihnen getan wird, dann ist das ein Festschreiben einer Situation, die wir doch verbessern wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege. Bernhard Daldrup (SPD): Deswegen haben wir eine andere Zielsetzung. Ich bitte Sie, doch daran mitzuwirken. Das ist doch die notwendige Voraussetzung. Vizepräsidentin Michaela Noll: Das war ein guter Schlusssatz. Bernhard Daldrup (SPD): Ich nenne Ihnen ein Beispiel, was passiert, wenn das so gemacht wird und wir uns nicht nur auf das Ausgleichsziel konzentrieren, wenn wir Regionalpolitik als Chancenpolitik begreifen in einer Umbruchzeit, wie wir sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Digitalisierung erleben – Vizepräsidentin Michaela Noll: Herr Kollege. Bernhard Daldrup (SPD): – ein letzter Satz, Frau Präsidentin –: Vizepräsidentin Michaela Noll: Aber ganz schnell. Bernhard Daldrup (SPD): Ja, auch Bayern war einmal ein Agrarland und hat bis in die 80er-Jahre am Tropf der westdeutschen Länder gehangen. Heute ist es ein Technologieland geworden. Vizepräsidentin Michaela Noll: Punkt. Bernhard Daldrup (SPD): Diese Perspektive gibt es, und man muss sie nutzen. Wir helfen dabei gerne mit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich schließe die Aussprache. Tagesordnungspunkt 15 a. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11750 mit dem Titel „Für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen in Ost und West“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es keine. Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und den Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Tagesordnungspunkt 15 b. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12854, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12107 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) Drucksachen 18/12492, 18/12866 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12867 Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort als erster Redner hat für die SPD-Fraktion der Kollege Niels Annen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Niels Annen (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Verlängerung des Mandats zur Entsendung deutscher bewaffneter Streitkräfte an die UN-Mission UNIFIL im Libanon. Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen. Das, was wir dort leisten, ist ein kleiner Beitrag, aber ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung eines Landes, aber auch einer Region, die, wie wir alle wissen, ausgesprochen unruhig ist, die ausgesprochen fragil ist. Ich will noch einmal daran erinnern, warum sich eigentlich deutsche Soldatinnen und Soldaten an dieser Mission beteiligen. Wir müssen in das Jahr 2006 zurückgehen. Der eine oder andere von Ihnen erinnert sich vielleicht daran, dass es einen kurzen, aber sehr intensiven und dramatischen Krieg zwischen Israel und dem Libanon bzw., da man das eigentlich gar nicht sagen kann, der Hisbollah-Miliz im Libanon gegeben hat. Das hatte Auswirkungen auf die ohnehin schon fragile Infrastruktur eines kleinen und bürgerkriegsgeplagten Landes. Es gab massive Angriffe der IDF, der israelischen Streitkräfte, aber ebenso massive Angriffe der Hisbollah-Miliz auf die israelische Zivilbevölkerung. Diese Mission ist, glaube ich, ein Beispiel dafür, dass die politische Initiative, der Wille, mit den unterschiedlichen Parteien dieses Konfliktes ins Gespräch zu kommen, auch aus einer Situation der geografisch großen Distanz – das kann man ja gar nicht anders beschreiben –, dank der Politik unseres heutigen Bundespräsidenten und des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier dazu geführt hat, dass man einen Beitrag leisten konnte, zwar nicht dazu, dass ein Friede geschlossen worden ist – wir alle wissen, dass zwischen Israel und dem Libanon seit vielen Jahren Kriegszustand herrscht –, aber dass es zu einem Waffenstillstand gekommen ist. Wir unterstützen seit 2006 mit einem ausgedehnten UNIFIL-Mandat die Einhaltung und Stabilisierung dieses Waffenstillstands mit heute etwas mehr als 130 Soldatinnen und Soldaten und mit einem Mandat, das dort eine vernünftige, eine ausgewogene Politik verfolgt und vor Ort auch umsetzen kann. Ich will noch einmal darauf hinweisen, in welcher politischen und geografischen Umgebung diese Mission eigentlich stattfindet. Der Libanon hat ja nicht nur die Probleme zu bewältigen, die es nach 15 Jahren Bürgerkrieg gibt. Der Libanon ist ein Land, von dem wir eigentlich alle sagen müssen: Es ist quasi ein Wunder, dass die staatlichen Strukturen heute trotz der Aufnahme von über 1 Million Flüchtlingen aus Syrien überhaupt noch intakt sind. Der Libanon ist indirekt, auch wenn die offizielle Politik des Landes etwas anderes suggeriert, an dem schrecklichen Krieg in Syrien beteiligt – mit der eben schon erwähnten Hisbollah-Miliz, die den Süden des Landes heute de facto kontrolliert. Wir leisten mit den deutschen Soldatinnen und Soldaten nicht nur einen Beitrag durch die derzeitige Beteiligung mit einer Fregatte, sondern wir leisten auch einen Beitrag, indem die deutschen Soldatinnen und Soldaten die UNO an der sogenannten Blue Line unterstützen – das ist nicht die markierte Grenze, aber das ist sozusagen die vereinbarte Waffenstillstandslinie –, um zwischen dieser Blue Line und dem Litani-Fluss eine demilitarisierte Zone durchzusetzen. Darüber könnte man viel sagen. Die Soldatinnen und Soldaten – ich habe mich selbst davon überzeugen können – leisten dort eine exzellente, eine herausragende Arbeit. Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen (Unruhe) – vielleicht interessiert das auch die Kollegen der Union –, geht es auch darum, dass wir einen Mechanismus entwickelt haben, bei dem es zwar oberflächlich darum geht, das Mandat umzusetzen und die Vereinbarung einzuhalten, aber der auch dazu führt, dass zumindest inoffiziell Verantwortliche der libanesischen Armee und der israelischen Armee unter Vermittlung der Vereinten Nationen miteinander sprechen. Das ist die einzige Gelegenheit, bei der sich offizielle Vertreter dieser beiden, sich miteinander im Krieg befindlichen Parteien treffen und über konkrete Probleme der Stabilisierung und der Konfliktbeseitigung miteinander reden können. Das verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Unterstützung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt aber bedauerlicherweise noch mehr Gründe, diesen Einsatz fortzusetzen. Wir reden – ich habe das eben schon erwähnt – über eine Region, die sich im Krieg befindet. Syrien ist nicht weit weg. Und obwohl die Hisbollah-Miliz mit starken Kräften im syrischen Bürgerkrieg aktiv ist, sagen im Grunde genommen übereinstimmend alle Berichte, dass die Hisbollah ihre Stellungen im Süden des Libanon, ihre militärische Kapazität systematisch seit dem Ende des Krieges bzw. der Befriedung 2006 wieder ausgedehnt und aufgebaut hat. Viele Experten, auch unsere Freunde aus Israel, die das mit ihren doch relativ gut entwickelten Instrumenten ziemlich genau beobachten und ein sehr genaues Bild über die Lage im Süden des Libanon haben, weisen darauf hin, dass hochmoderne Waffen in diese Region verbracht werden, dass viele Befestigungsanlagen sozusagen reaktiviert werden und dass es – lassen Sie uns das so aussprechen, wie es ist – Kriegsvorbereitungen in der Zone gibt, in der auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten im Moment ihren Dienst tun. Jeder von uns weiß doch, dass es nur eines kleinen Vorwands bedarf, um diesen Krieg wieder zu einem heißen Konflikt werden zu lassen, und dass ein Wiederaufflackern dieses Konfliktes sehr wahrscheinlich dazu führen würde, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung in einer Intensität käme, die möglicherweise die Kampfhandlungen von 2006 noch übersteigen würde. 2006 ist dieser Krieg sozusagen bis in die Hauptstadt Beirut getragen worden. Es ist kritische Infrastruktur des Libanon zerstört worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen das nicht zulassen. Deswegen ist die klare Aufforderung an die Hisbollah, aber auch an die Unterstützer dieser Organisation, die vor allem in Teheran sitzen, diese Unterstützung einzustellen und zur Deeskalation beizutragen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Aufforderung, ihrer Verantwortung nachzukommen, gilt auch für diejenigen, die damals die Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichnet haben. Wenn das geschehen sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann dürfen die Konfliktparteien von uns, die wir uns bereit erklärt haben, diesen Waffenstillstand zu garantieren, erwarten, dass wir weiterhin unseren kleinen, aber wichtigen und substanziellen Beitrag leisten. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie zu! Es ist eine wichtige Mission. Ich danke an dieser Stelle auch den Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz in einem schwierigen Umfeld und bitte um Zustimmung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Annen. – Als Nächster erteile ich das Wort der Kollegin Annette Groth für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Annette Groth (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Annen, es wird Sie nicht überraschen, dass wir Ihrem netten Appell, dem Antrag zuzustimmen, sicherlich nicht Folge leisten werden. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist schade!) – Ja, sehr schade. – (Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein, ist besser so!) Wir, die Linke, kritisieren von Anfang an den UNIFIL-Einsatz als unsinnig, überflüssig und politisch falsch. (Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie kritisieren ja jeden Einsatz!) Wir fordern die sofortige Beendigung dieses Kampfeinsatzes, in den die Bundesregierung weiterhin Soldatinnen und Soldaten schicken will. Die Kosten dieses Einsatzes belaufen sich für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 insgesamt auf rund 41,2 Millionen Euro. Das sind täglich mehr als 100 000 Euro. Das ist skandalös, wie ich finde. (Beifall bei der LINKEN) Diese Gelder wären für Investitionen in Bildung, Krankenhäuser und Pflegeheime sowie für den sozialen Wohnungsbau, für marode Schulen und für den öffentlichen Nahverkehr wesentlich besser eingesetzt. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Alle wissen, dass die Schiffe, die vor der libanesischen Küste eingesetzt werden, keinen Waffenschmuggel unterbinden, da Waffen vorwiegend auf dem Landweg ins Land gelangen. (Zuruf von der CDU/CSU: Warum wohl?) Vielmehr geht es darum, bundesdeutsche Militärpräsenz im Mittelmeer zu zeigen und für eventuelle Einsätze bereitzustehen, wenn Frau von der Leyen mal wieder unserer Verantwortung in der Welt nachkommen will. Heute Morgen hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung die Bekämpfung der Fluchtursachen als eines der zentralen Ziele ausgegeben. Eine der Hauptursachen für Flucht sind kriegerische Auseinandersetzungen, die durch deutsche Waffenexporte extrem verschärft werden. Deshalb fordern wir schon seit vielen Jahren: Beenden Sie die Waffenexporte in Krisenregionen! (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Standardrede Nummer zwei!) Beenden Sie die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Israel, Katar und die Türkei, die in der gesamten Region zu Eskalation und Destabilisierung beitragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren kritisieren wir auch die mangelnde Neutralität des UNIFIL-Mandats. Während der Waffenschmuggel in den Libanon verhindert werden soll, intensiviert die Bundesregierung – genauso wie die USA und andere EU-Mitgliedstaaten – die Rüstungskooperation mit Israel, das – es wurde schon gesagt – bereits zweimal durch Bombardierungen die Infrastruktur im Libanon zerstört und viele Menschen getötet hat. Vizepräsidentin Michaela Noll: Liebe Kollegin Groth, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Annette Groth (DIE LINKE): Nein, jetzt nicht. Meine Füße sind zu nass; ich bin in den Regen gekommen. (Niels Annen [SPD]: Das erklärt einiges! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hindert doch nicht am Denken! – Rainer Arnold [SPD]: Sie hat zu wenig Sonne abbekommen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist absurd!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter dem Vorwand, Terrorismus zu bekämpfen, werden Länder zerstört und Menschen zur Flucht gezwungen. Stattdessen sollten die Menschen mit sauberem Trinkwasser und Nahrungsmitteln versorgt werden. In dieser Woche sind innerhalb von vier Tagen fast 10 000 Geflüchtete in Italien angekommen. Die italienische Regierung erwägt jetzt, Schiffe, die unter fremder Flagge fahren, nicht mehr in italienische Häfen zu lassen. Die italienische Regierung appelliert an die EU, Italien bei der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten zu unterstützen. Das muss jetzt dringend umgesetzt werden, um weitere Tote zu verhindern. (Beifall bei der LINKEN) Anstatt weitere Milliarden für Rüstung auszugeben und den Ausbau der Festung Europa voranzutreiben, sollte die Bundesregierung verstärkt in nachhaltige Infrastruktur im globalen Süden investieren. Deutschland sollte sich zu einem internationalen Kriegsdienstverweigerer entwickeln und Auslandseinsätzen eine klare Absage erteilen. Das wäre endlich einmal ein wichtiges humanitäres Signal. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist auch meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich wünsche den ausscheidenden Abgeordneten eine stressfreie und genussreiche Zeit und den verbleibenden Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg in der neuen Legislaturperiode. Vergessen Sie die Menschenrechte nicht! (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie werden zunehmend mit Füßen getreten. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich werde weiterhin außerhalb des Parlaments für die Durchsetzung der Menschenrechte bei uns, im eigenen Land, und woanders kämpfen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Auch Ihnen alles Gute. Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Groth, im Gegensatz zu Ihren Ausführungen muss ich sagen: Wenn es – abgesehen von der Anfangszeit – je einen Anlass gab, den UNIFIL-Einsatz fortzusetzen, dann ist das heute der Fall. Die Spannungen zwischen Israel und Libanon sind – der Kollege Annen hat darauf hingewiesen – nach wie vor vorhanden. Die Hisbollah baut unter dem Deckmantel der Umwelt-NGO „Green without borders“ neue Beobachtungsposten entlang der libanesisch-israelischen Grenze. Gleichzeitig erleben wir aktuell, wie syrische Streitkräfte, unterstützt durch die Hisbollah, in Syrien sowohl nach Osten als auch nach Süden vorstoßen. Sie rücken damit immer näher an die Grenze zu Israel und Jordanien, aber auch an den Libanon heran. Die israelische Luftwaffe hat schon zwei Angriffe gegen Stellungen der Assad-Truppen geflogen, nachdem Geschosse auf dem von Israel kontrollierten Golan niedergegangen sind. Vom Iran unterstützte schiitische Milizen stehen mittlerweile an der syrisch-irakischen Grenze mit der Bestrebung, zusammen mit proiranischen Milizen aus Syrien einen gemeinsamen Landkorridor zu errichten. Dieser würde sich dann fast bis in die unmittelbare Nähe zu Libanon und Israel erstrecken. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte das fortsetzen. Auch Ihren idealistischen Appell, Frau Kollegin Groth, habe ich gehört. Man könnte sich als deutsche Nation zu einer Art Kriegsdienstverweigererpartei erklären. Aber allein dadurch, dass wir die Augen, Ohren und Mund zumachen nach dem Motto „Nichts sehen, nichts hören, nicht sagen“, wird man diesen aggressiven Kräften nicht Einhalt gebieten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich sage Ihnen: Wenn es einen Erfolgsparameter dafür gibt, dass diese Mission sinnvoll war, dann ist es doch der Umstand – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen –, dass Waffentransporte an die Hisbollah auf dem Landweg geschehen. Solche Transporte auf dem Seeweg sind eben verhindert worden, und das ist ein Verdienst der Mission UNIFIL. Deswegen gebührt ihr weiterhin unsere Unterstützung; das Mandat für diese Mission sollte ein weiteres Mal verlängert werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich will darauf hinweisen, dass es im Libanon eine erfreuliche Entwicklung gibt, auch wenn sie uns noch lange nicht beruhigen kann; auch Kollege Annen hat darauf hingewiesen. Michel Aoun ist Präsident geworden. Es ist dort eine verhältnismäßig stabile Regierung unter Ministerpräsident Hariri gebildet worden. Der Libanon hat mit der Wahlrechtsreform eines der wichtigsten und zugleich heikelsten innenpolitischen Themen angefasst. Man muss auch noch einmal darauf hinweisen: Im Libanon mit 6 Millionen Einwohnern sind 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen worden. Das ist eine wahnsinnige Leistung für ein administrativ wirklich schwaches Land. Auch deswegen verdient der Libanon jede Unterstützung, auch die Unterstützung, die wir an dieser Stelle leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich will einen weiteren Aspekt, der den Libanon betrifft, hinzufügen. Dieser betrifft die besondere Bedeutung der Ausbildungsunterstützung der libanesischen Armee. Die libanesische Armee ist nicht irgendeine Armee. Sie ist eine überkonfessionelle Konstante in einem Land mit einer breiten religiösen und ethnischen Vielfalt. Es gibt dort 18 anerkannte Religionsgemeinschaften. Die Armee ist eine verbindende Klammer. Dieses Element muss erhalten und gestärkt werden. Die Hisbollah tritt mittlerweile im Libanon quasi als Zweitstaat auf. Alles, was staatliche Institutionen des Libanon stärkt – und das tut unsere Ausbildungsmission –, stärkt die staatliche Funktion des Libanon. Das ist gut, und das ist richtig. Das sollten wir zur Sicherung von Frieden in dieser Region wirklich unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Frau Kollegin Groth, dass Sie sich kritisch zu Waffenexporten äußern, ist ja legitim. Ich habe aber nicht überhört, dass Sie Israel in einem Atemzug mit anderen Krisenstaaten nennen. Das verwundert mich schon, und das fällt hier schon auf. Deswegen will ich das noch einmal deutlich sagen: Diese Mission wird ausdrücklich auch vom Staat Israel, dem wir als Deutsche besonders verpflichtet sind, gefordert. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist das!) Daher muss es uns allen Auftrag sein, diesen internationalen Einsatz fortzuführen und gegenüber Israel zu sagen: Wir sind verlässliche Bündnispartner Israels, auch in einer schwierigen internationalen Lage. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mir abschließend einen Hinweis erlauben, weil dies wohl die letzte Mandatsdebatte in dieser Wahlperiode ist. Alle Anträge zu UNIFIL und zu anderen Mandaten sind in dieser Wahlperiode für die Unionsfraktion von den Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff und Philipp Mißfelder eingebracht und begründet worden. Ihren viel zu frühen Tod haben wir in dieser Wahlperiode zu beklagen gehabt. Nicht zuletzt ihren Liebsten und ihren Familien möchte ich für dieses Haus und insbesondere für die Außenpolitiker sagen, dass die Expertise, die sie in diese Debatten des Hauses eingebracht haben, uns dauerhaft fehlen wird. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wadephul. – Ich glaube, vielen Kollegen sind die Namen noch sehr präsent, weil sich diese Kollegen hier so stark eingesetzt haben. Als Nächste spricht die Kollegin Agnieszka Brugger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum die Friedensmission UNIFIL weiter gebraucht wird, zeigt sich leider alle paar Monate aufs Neue. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ja!) Im Oktober vergangenen Jahres fielen an der libanesisch-israelischen Grenze Schüsse. Ein israelischer Soldat wurde verletzt; der Grenzposten schoss zurück. In der nach wie vor angespannten Situation kann ein solcher Fall schnell zu einer neuen Eskalation führen. Niemand will sich ausmalen, was es gerade im Nahen und Mittleren Osten, wo es ohnehin an so vielen Orten Menschen gibt, die unter Krieg und Gewalt leiden müssen, bedeuten würde, wenn wieder neue Gewalt ausbrechen würde. Was eine Eskalation bedeuten kann, das haben 34 Tage Krieg zwischen Israel und dem Libanon 2006 mit über 1 300 Toten gezeigt. Die Einrichtung von UNIFIL war nicht nur eine Bedingung für das Ende dieses Krieges; die Friedensmission leistet auch heute bei Auseinandersetzungen wie denen an der Grenze einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass es keine weiteren Gewalteskalationen gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Michaela Noll: Einen Augenblick, Frau Kollegin. – Ich bitte um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für das, was Frau Kollegin Brugger gerade vorträgt. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In solchen Situationen stellt UNIFIL den Dialog zwischen den Parteien sicher, wirkt vermittelnd. Gleichzeitig leistet dieser Einsatz mit der Unterstützung bei der Sicherung der Seegrenze, bei der Unterbindung von Waffenschmuggel und bei der Ausbildung der libanesischen Streitkräfte einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung. Die neue Evaluation der Vereinten Nationen hat ergeben, dass man in Zukunft den Fokus verstärkt auf Ausbildung und Prävention legen sollte. Das sind richtige und notwendige Schwerpunkte. Mir ist wirklich schleierhaft, wie die Linkspartei an dieser Stelle von einem Kampfeinsatz sprechen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Sie vergessen auch immer, zu erwähnen, dass diese Mission nicht nur auf Wunsch beider Parteien eingerichtet worden ist, sondern dass beide Parteien nach wie vor darum bitten, dass sie fortgesetzt wird. Der Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen macht aber auch deutlich, dass Fortschritte hin zu einem echten Waffenstillstand ausbleiben und es noch ein langer Weg zu echter Stabilität oder gar Frieden ist. Alles zusammen zeigt, dass es völlig falsch wäre, jetzt den deutschen Beitrag, den die Soldatinnen und Soldaten erbringen, zu beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, die Lage im Libanon gibt immer wieder Anlass zur Sorge. Es ist die Angst, dass der Krieg aus Syrien überspringt. Auch der schwierige, langwierige und zähe Prozess zur Regierungsbildung zeigt, dass es große Spaltungen im Land selbst gibt. Wir hoffen, dass die Parlamentswahlen im nächsten Jahr gelingen und für eine gute politische Zukunft sorgen werden. Hinzu kommt aber auch die gigantische humanitäre Herausforderung, die der Libanon schon seit Jahren meistert: Über 1 Million registrierte Geflüchtete und nochmals Hunderttausende weiterer Menschen sind im Libanon aufgenommen worden. Im Libanon ist jeder vierte Mensch ein Flüchtling. In keinem Land der Welt ist die Quote höher. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Lage darf man die Menschen im Libanon nicht alleine lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Anfang Juli hat das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen in einem erneuten Hilferuf wieder bekannt geben müssen, dass für Zehntausende Familien in den kommenden Monaten die Unterstützung fehlen wird. Dass der VN-Finanzierungsbedarf noch nicht einmal zu 25 Prozent erfüllt ist, ist doch einfach ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn in einer solchen Situation – sie ist in vielen Krisengebieten der Welt genauso dramatisch – der US-Präsident ankündigt, die Gelder für die Vereinten Nationen zu kürzen, dann hat das nichts mit humanitärer Verantwortung und auch nichts mit sicherheitspolitischer Vernunft zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, wenn Sie aktuell einen Blick in die Pressemeldungen werfen, werden Sie viele Artikel darüber finden, dass sich die NATO-Staaten auf Druck von Herrn Trump auf den Weg machen, immer mehr Geld für ihre eigenen Verteidigungshaushalte auszugeben, um das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. In der Nacht auf Mittwoch wurden bei den Vereinten Nationen auf Betreiben von Herrn Trump Gelder für die VN-Friedensmissionen gekürzt. Das ist genau das falsche Signal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]) Vizepräsidentin Michaela Noll: Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Zeit. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Statt Herrn Trump in Bezug auf die NATO-Gelder zu folgen, sollten Sie die Gelder, die jetzt bei den VN-Organisationen fehlen, von Europa aus zahlen. Das wäre das richtige Zeichen; (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) denn sonst werden am Ende des Tages solche Friedensmissionen wie im Libanon keine Erfolgsgeschichte bleiben können. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es trennen Sie von der namentlichen Abstimmung noch knapp fünf Minuten. Ich bitte um geballte Aufmerksamkeit für den Kollegen Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es vor der Küste Libanons Nacht wird, dann sehen die Soldaten auf den UNIFIL-Schiffen mit ihren bloßen Augen das Flackern der Bomben über Syrien. Tagsüber können sie auf ihren Monitoren genau verfolgen, welche Flugzeuge sich über Syrien wie bewegen. Meine Damen und Herren, von der Küste des Libanons bis nach Damaskus sind es 80 Kilometer. Von der Küste des Libanons bis zur EU-Grenze, bis zur Küste Zyperns, sind es 180 Kilometer. UNIFIL steht im wahrsten Sinne des Wortes dazwischen. Das alleine zeigt schon die strategische Bedeutung des Mandats. Sieben Schiffe sind dort im Moment im Auftrag der UN unterwegs, eines davon kommt aus Deutschland, die Korvette „Braunschweig“. Diese sieben Schiffe überwachen den Seeraum, überwachen den Luftraum, sie kontrollieren andere Schiffe und helfen dem Libanon, die Seegrenze zu sichern und den Waffenschmuggel so weit wie möglich zu unterbinden. Ohne diese internationale Unterstützung wäre der Libanon nie in der Lage, in diesem vielbefahrenen Seegebiet, mitten in einer der schwierigsten Konfliktregionen der Welt, diese Aufgabe auch nur annährend wahrzunehmen. Damit der Libanon aber in die Lage versetzt wird, langfristig auch selbst für die Sicherheit seiner Grenzen zu sorgen, ist die Ausbildung der libanesischen Marine eine weitere Komponente des Einsatzes. Wir leisten das im Rahmen von UNIFIL, und wir leisten es bilateral. Deutschland hat Küstenradarstationen aufgebaut. Mein Kollege Ingo Gädechens, der vorher auf solch einer Station gearbeitet hat, schwärmt immer wieder von der Qualität dieser Stationen; diese haben wir in Deutschland in der Qualität nicht. Wir bilden aber auch die Soldaten aus, damit sie mit dieser Technik umgehen können. Drei deutsche Soldaten sind immer an der Marineschule in Beirut zur Ausbildung der libanesischen Marine anwesend. Dass es wirkt, zeigt sich zum einen daran, dass in der Zwischenzeit die Libanesen selbst immer mehr in die Lage kommen, ihre eigenen Soldaten auszubilden; Deutschland folgt jetzt dem Prinzip „Train the trainer“. Meine Damen und Herren, zum anderen erkennt man es auch daran, dass der Libanon spätestens 2018 in der Lage sein wird, mit einem eigenen Schiff am UNIFIL-Flottenverband teilzunehmen. Die strategische Bedeutung dieses Mandats zeigt sich aber nicht nur an seiner maritimen Komponente. Vizepräsidentin Michaela Noll: Einen Augenblick bitte, Herr Kollege Brandl. – Es sind noch genau 2 Minuten und 16 Sekunden bis zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): UNIFIL steht genau zwischen Israel und dem Libanon. Meine Damen und Herren, auch da kann man sagen: Im wahrsten Sinne des Wortes; denn beide Länder reden nicht miteinander. Wenn sie miteinander kommunizieren, dann kommunizieren sie nur über die VN. Das heißt, jedes Mal, wenn zwei Vertreter der Länder an einem Tisch sitzen, muss ein Vertreter der VN danebensitzen. Und wenn auf diesem Tisch ein Glas Wasser steht, dann muss sichergestellt sein, dass dieses Wasser weder aus dem Libanon noch aus Israel kommt, weil keiner das Wasser des anderen trinken würde. Mit diesem Beispiel will ich einmal illustrieren, wie angespannt die Situation dort tatsächlich noch ist und wie wichtig es ist, dass die VN dort eine Vermittlerposition einnehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube nicht, dass eine der beiden Parteien im Moment ein Interesse daran hat, die Situation weiter eskalieren und es wieder zu einem neuen Krieg kommen zu lassen. Aber, meine Damen und Herren, die Situation ist angespannt. Der Kollege Johann Wadephul hat ja vorhin die Frage der Beobachtungstürme angesprochen. Sind diese jetzt der Hisbollah zuzurechnen oder nicht? Israel hat sich vergangene Woche darüber bei den VN beschwert. Diejenigen, die sofort dazu Stellung nehmen konnten, weil sie vor Ort sind und als neutraler Partner vor Ort auch von beiden Seiten akzeptiert werden, waren die Vertreter von UNIFIL, die sofort hingefahren sind und sich die Situation noch einmal angeschaut haben. UNIFIL wird im Ernstfall, wenn ein Krieg gewollt ist, natürlich keinen Krieg verhindern. Aber was UNIFIL leisten kann, ist, dass es nicht zu einem ungewollten Konflikt kommt, dass keine Eskalation aufgrund von Missverständnissen oder falscher bzw. fehlender Kommunikation ausgelöst wird. Meine Damen und Herren, UNIFIL wird auch in diesem Haus oft als Stabilitätsanker im Libanon bezeichnet. Das ist sicher richtig. Aber im Moment habe ich eher den Eindruck, dass es sich mehr um einen Feuerlöscher als um einen Stabilitätsanker handelt. In einer hochbrennbaren Situation sollte man eines nicht tun, nämlich den Feuerlöscher entfernen. Deshalb bitte ich Sie um Verlängerung des Mandates und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Brandl. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“, UNIFIL. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12866, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/12492 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.3 Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 c auf: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksache 18/7616 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/12826 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7617, 18/12826 c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Umsetzung des Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes (Bundespolizeibeauftragtengesetz – BPolBeauftrG) Drucksachen 18/7618, 18/12978 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Kollegen Günter Baumann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Günter Baumann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Artikel 17 Grundgesetz. – Ein hohes Gut in Deutschland, ein Grundrecht, das jeder nutzen kann. Aus 19 Jahren Arbeit im Petitionsausschuss weiß ich, dass alle Bürger, alle Schichten, alle Gruppen dieses Recht intensiv nutzen. Ich kenne keine Gruppe, die sagt: Das nehme ich nicht wahr. Natürlich haben wir auch Petitionen von Bundespolizisten und über Bundespolizisten. In der 18. Wahlperiode sind bis jetzt 103 Petitionen zum Oberbegriff „Bundespolizei“ eingegangen. Das zeigt, dass das parlamentarische Mittel, das wir seit vielen Jahren haben, akzeptiert wird und in der Praxis funktioniert. Gestatten Sie mir ein Beispiel: Ein Bürger wollte bereits im Jahr 2014 – ich zitiere – zum Wohle der Allgemeinheit und der Polizei erreichen, dass Beamte im Außendienst mit einer an der Uniform befestigten Kamera ausgestattet werden. Er hatte sich Sorgen gemacht, nachdem er Fernsehbilder von Einsätzen, bei denen Polizisten verletzt wurden, gesehen hatte, und hat sich gefragt: Wie kann man Polizisten schützen? Er hat sich mit einer Petition an uns gewandt. Sie kennen den weiteren Werdegang. Wir haben die Bodycams inzwischen in einem Gesetz realisiert. Das Petitionswesen ist ein wichtiger Bestandteil des gesamten Beschwerdewesens in unserem Land. Man könnte meinen, der Gesetzesvorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir heute behandeln, geht von einer übergroßen Mehrzahl von Beschwerden über Polizeigewalt, unangemessene Kontrollen, Übergriffe von Polizeibeamten bei Demonstrationen oder dergleichen aus. Meine Damen und Herren, ich kann aus dem Petitionswesen sagen: Es ist genau anders herum. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gehen bei uns Petitionen ein, weil sich die Bürger Sorgen um unsere Sicherheit machen. Sie haben berechtigte Sorgen und sagen: Ihr müsst die Polizei zahlenmäßig aufstocken. Ihr müsst sie besser ausstatten. Ihr müsst mehr tun für die Präsenz bei Fußballspielen oder bei anderen Veranstaltungen. Im Hinblick auf die materielle und finanzielle Stärkung der Polizei haben wir gerade in der letzten Wahlperiode relativ viel gemacht. Ich brauche nicht im Einzelnen aufzuführen, was wir im Hinblick auf das Personal und die finanziellen Mittel umgesetzt haben. Auch Bundespolizeibeamte nutzen das Petitionswesen. Das heißt, sie kommen mit Beschwerden etwa über ausgebliebene Beförderungen und über eine ausgebliebene Ausstattung mit Schutzwesten – sie wurde zunächst zugesagt, aber dann nicht realisiert – zu uns. Wir hatten vor kurzem den Fall eines nicht genehmigten Sonderurlaubs für eine Qualifizierungsmaßnahme. Wir haben das über das Petitionswesen klären können. – All diese Beschwerden werden gewissenhaft parlamentarisch geprüft, und wir erreichen bei diesen Petitionen einen Realisierungsgrad – das ist der Anteil der Fälle, in denen wir helfen können – von weit über 50 Prozent. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Petitionswesen ist nur ein Bestandteil; es gibt eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, Beschwerden über eventuelles Fehlverhalten von Polizisten oder andere Petitionen zu diesem Thema einzureichen. Die Bürgerinnen und Bürger haben viele Möglichkeiten, die sie nutzen können. Es gibt zum Beispiel bei der Bundespolizei zwölf Beschwerdestellen; in den verschiedenen Dienstbereichen besteht die Möglichkeit zur Dienstaufsichtsbeschwerde und zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten. Wir haben die Petitionsausschüsse in den Bundesländern, und wir haben die Bundesdatenschutzbeauftragte. In der Anhörung mit den Experten haben wir eine ganze Menge dazugelernt; einige von Ihnen waren dabei. Wir haben erfahren, dass es innerhalb der Bundespolizei 18 Stellen gibt, an die man sich bei einem Problem wenden kann. Es gibt also intern eine relativ große Fülle an Stellen mit der Möglichkeit zur Beschwerde. Der Präsident der Bundespolizei, Herr Dr. Romann, hat sogar die Zahl der Personen genannt, die sich bei der Bundespolizei mit solchen Themen beschäftigen: Es sind immerhin 1 861 Leute; diese Zahl ist schon erstaunlich. Dazu zählen Personalvertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Schwerbehindertenvertretungen, Gleichstellungsbeauftragte. Ich könnte eine ganze Reihe aufzählen – Sie wissen das –; es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich zu beschweren. Neuerdings, seit dem 27. Mai 2015, haben wir die Vertrauensstelle, die direkt beim Präsidenten angesiedelt ist. Diese Vertrauensstelle wurde nach den Vorkommnissen in Hannover gegründet; Sie kennen das Thema. Auch diese Vertrauensstelle wird genutzt: Es gab im Jahr 2015  22 Eingaben, 2016  44 Eingaben und 2017 bisher bereits 47 Eingaben. All diesen Fällen ist konkret nachgegangen worden. Dabei ging es in 39 Fällen um Disziplinarprobleme und in 48 Fällen um Personalangelegenheiten. Meine Damen und Herren, die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass die Mehrzahl der Experten der Meinung war, dass der Gesetzentwurf über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes in der vorliegenden Form nicht umsetzbar ist. (Widerspruch der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Frau Mihalic, auch wenn Sie den Kopf schütteln: Selbst Volker Schindler, der Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Will sich nicht abschaffen!) der gleichzeitig Polizeibeauftragter ist, hat dort klipp und klar gesagt, dass das im Gesetzentwurf vorgesehene Rollenverständnis des Beauftragten absolut fragwürdig ist. Das sagt selbst er, der eine solche Stelle einnehmen sollte. Die Doppelrolle des geplanten Bundespolizeibeauftragten als Mediator und Sonderermittler wird absolut nicht funktionieren. Deswegen hat auch er das abgelehnt. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß nicht, in welcher Anhörung Sie waren, aber bei uns hörte sich das ein bisschen anders an!) Es gab eigentlich niemanden mehr, der hinter Ihrem Vorschlag stand. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere schon in der ersten Lesung geäußerte Meinung, dass der Gesetzentwurf abzulehnen ist, wurde in der Anhörung absolut bestätigt. Selbstverständlich ist jeder einzelne Vorwurf ernst zu nehmen, jeder einzelne muss untersucht werden, um jeden einzelnen muss man sich kümmern. Man muss ganz exakt schauen, wo man helfen kann und wo es ein Problem gibt. Ich möchte die Probleme nicht kleinreden, aber ich sage: Wir haben genügend Stellen, an die man sich wenden kann. Für die Einrichtung eines Polizeibeauftragten gäbe es nur dann einen Grund, wenn es diese Stellen nicht gäbe oder sie nicht funktionierten. Aber wir haben die Stellen, und sie funktionieren. Deswegen gibt es keinen Grund, einen Polizeibeauftragten des Bundes neu einzuführen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die CDU/CSU bleibt bei ihrem Votum. Wir werden den Gesetzentwurf heute ablehnen und fühlen uns, wie gesagt, durch die Anhörung darin bestätigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in meiner letzten Rede in diesem Hohen Haus natürlich auch die Gelegenheit nutzen, mich zuerst bei allen Bundespolizistinnen und Bundespolizisten ganz herzlich für ihren engagierten Dienst, den sie in Deutschland und im Ausland für uns alle, für unsere Bevölkerung leisten, ganz herzlich zu bedanken. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Wir wissen alle gemeinsam, dass die Einsätze schwerer und komplizierter geworden sind. Die Verletzungen nehmen zu. Die Hemmschwellen sind gesunken. Die Männer und Frauen machen draußen einen immer schwereren Job. Deswegen müssen wir eindeutig hinter ihnen stehen und nicht irgendwelche neuen Stellen aufmalen. Ich durfte mich 19 Jahre im Innenausschuss um die Belange der Bundespolizei mit kümmern. Ich habe das sehr gerne gemacht. Das waren spannende Zeiten, Zeiten mit sehr großen Veränderungen und mit mehreren Reformen. Nicht immer war alles schlüssig; auch wir hatten oft unsere Meinung geäußert, dass einiges nachgebessert werden müsste. Ich war ständig an den verschiedensten Stellen bei der Bundespolizei vor Ort und habe mich um die Probleme gekümmert. Ich war nicht immer angemeldet, sondern auch mal ohne Anmeldung vor Ort. Es gab oft Ärger mit den Präsidenten; das habe ich aber gerne ausgehalten, weil die Kontakte vor Ort ganz wichtig für unsere Arbeit waren. Dabei hat man erfahren, was wirklich dort draußen los ist. Die Termine, bei denen die geputzten Autos in Reih und Glied standen, haben wir eigentlich nicht gebraucht. Die unangemeldeten Termine waren die schönsten, weil wir dabei das meiste mitbekommen haben. Ich bin auf vielen Streifen mitgefahren. Dabei ging es um die spannendsten Sachen. Wenn man 19 Jahre dabei war, hat man gerade direkt an der Grenze zu Tschechien und Polen relativ viel erlebt. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen, die sich im Innenausschuss weiterhin um die Sicherheit kümmern werden, alles Gute und recht viel Erfolg wünschen. Ich bin dankbar für die Jahre, die ich mitarbeiten durfte, und bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Michaela Noll: Vielen Dank, Herr Kollege Baumann. 19 Jahre waren Sie Mitglied hier im Deutschen Bundestag. Ich würde Sie als einen Kümmerer bezeichnen. Das haben Sie gerade deutlich in Ihrer Rede transportiert. Sie hatten ein Auge auf die Polizisten und sind unangemeldet zu Terminen gekommen. Sie haben sich der Bedürfnisse der Menschen angenommen. Für diese Tätigkeit herzlichen Dank und alles Gute! (Beifall) Bevor wir die Aussprache fortsetzen, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der ‚United Nations Interim Force in Lebanon‘ (UNIFIL)“, Drucksachen 18/12492 und 18/12866, bekannt: abgegebene Stimmen: 571. Mit Ja haben gestimmt 505, mit Nein haben gestimmt 59. Enthaltungen gab es 7. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 571; davon ja: 505 nein: 59 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Dr. h. c. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Rainer Hajek Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Marion Marga Herdan Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Dr. Mathias Edwin Höschel Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Ronja Kemmer Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Antje Lezius Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Frhr. von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner HonD Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Bettina Bähr-Losse Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. h. c. Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Jürgen Coße Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Lars Klingbeil Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Sonja Steffen Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Tabea Rößner Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Willi Brase Dr. Ute Finckh-Krämer Gabriele Hiller-Ohm Rüdiger Veit Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Marco Bülow Cansel Kiziltepe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink Özcan Mutlu Lisa Paus Corinna Rüffer Dr. Harald Terpe Wir setzen die Aussprache fort. Als Nächstem erteile ich dem Kollegen Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Baumann, Sie haben viele Situationen geschildert, in denen sich der Bürger über die Polizei bei der Polizei beschweren kann. Nicht nur die parlamentarische Opposition hält es für erforderlich, zwischen der Polizei, die das staatliche Gewaltmonopol gegenüber dem Bürger ausübt, und dem Bürger eine unabhängige Instanz für den Bürger zu schaffen, die im Zweifel Vorfälle untersucht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die Betonung liegt dabei eindeutig auf „unabhängig“. Es umzudeuten und zu behaupten, es sei gegen die Polizei gerichtet und spräche von Misstrauen oder, wie einige sagen, von einem Generalverdacht, ist nicht seriös. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Grundsätzlich sollte eine solche Einrichtung, die es zum Beispiel auch in Dänemark, Irland, Belgien, Norwegen und Österreich gibt, die es auch in drei deutschen Bundesländern gibt, für einen Rechtstaat gar nicht infrage gestellt werden. Ich wähle heute bewusst ein Beispiel, das nur wenige Tage zurückliegt. Es betrifft eine Landespolizei, könnte aber ohne Weiteres so auch bei der Bundespolizei geschehen. Laut Medienberichten ist es am Sonntagabend zu dramatischen Szenen gekommen. Was mit einer Verkehrskontrolle begann, endete in einer Eskalation zwischen 50 Polizeibeamten und 250 Anwohnern. Anlass war die Weigerung eines Autofahrers, seine Papiere zu zeigen. Bei der folgenden Festnahme wurde er verletzt und musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden. Ein 37-Jähriger, der die Szene mit seinem Handy filmte, wurde laut Zeugen ebenfalls – ich zitiere – brutal niedergerungen. Eine Polizeisprecherin erklärte später, die Aggressivität sei von Beginn an von dem Autofahrer ausgegangen. Die Polizei leitete nach dem Einsatz Ermittlungen wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefreiung ein. Ursache war, wie gesagt, eine Verkehrskontrolle. Das ist ein Beispiel für eine Situation, wie sie im polizeilichen Alltag nicht selten vorkommt. Mir würden sofort einige ähnliche Sachverhalte einfallen, Herr Wendt, die ich selber im Dienst erlebt habe. Ich muss eben nicht einfach einmal so mit einem Streifenwagen mitfahren. (Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: He!) Auch das Folgende ist absolut nicht untypisch. Es gab noch eine zweite Sichtweise zum Geschehen, eine andere als die der Polizei. Ein Journalist beobachtete das Geschehen zufällig und wird folgendermaßen zitiert: Meiner Meinung nach hätte die Eskalation vermieden werden können, wenn die Polizei nicht so brutal gegen den Autofahrer vorgegangen wäre. Mit diesen beiden Sichtweisen steht der Vorgang in der Öffentlichkeit. Nicht jeder, Herr Baumann, wird diesen Vorgang mit ungeteiltem Vertrauen in die Polizei wahrnehmen. Sehr oft enden solche Vorkommnisse mit Strafen für den Bürger und ohne jegliche Konsequenz für den Beamten. Das sorgt ebenfalls nicht für Vertrauen. Doch wie sieht es mit dem Maß der Verhältnismäßigkeit aus, mit der Verpflichtung des Polizeibeamten, zu deeskalieren, statt kraft seiner Befugnisse sofort gewaltsam seine Anordnungen durchzusetzen? Der Verstoß gegen das Deeskalationsprinzip ist sehr häufig nicht gleich eine Straftat. Eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten erfolgt erst gar nicht oder sie ist rechtlich nicht erfolgreich. Trotzdem war das Verhalten der Polizei möglicherweise ursächlich für den weiteren Ablauf einer Handlung. Was ist also, wenn Straftaten des Bürgers erst durch fehlerhaftes Verhalten der Polizeibeamten provoziert wurden? Meine Damen und Herren, zumindest bei vielen Bürgern wäre das Vertrauen in die Polizei deutlich höher, wenn die Ausübung des Gewaltmonopols des Staates nicht nur durch den Staat selbst, durch die Institutionen, die Sie geschildert haben, sondern auch durch eine unabhängige Instanz anlassbezogen kontrolliert wird. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Wo liegt der Unterschied?) – In der Unabhängigkeit liegt der Unterschied, Herr Baumann. – Denn es ist sehr gut möglich, auch in dem soeben genannten Fall, dass der Journalist die Situation, die er beobachtet hat, falsch einschätzt, dass die Polizeibeamten zum Beispiel keine Chance zur Deeskalation hatten. Ich weiß es nicht. Ich kenne nur die zwei Sichtweisen aus der Öffentlichkeit. Eine abschließende Entscheidung darüber von einer unabhängigen Instanz hätte einen ganz anderen Stellenwert in der Bevölkerung als die Erklärung der Polizeisprecherin. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wird jedoch ein pflichtwidriges Verhalten festgestellt, kann die Konsequenz zum Beispiel auch ein verstärktes Deeskalationstraining in der Dienststelle sein. Die Polizei wird, wenn sie die neutrale Bewertung des Polizeibeauftragten richtig nutzt, besser werden, was ebenfalls nicht zum Nachteil gereichen kann. Die Linke wird, ebenso wie die Grünen sicherlich, in der kommenden Legislatur weitere Vorschläge unterbreiten, wie eine solche unabhängige Kontrolle aussehen kann und wie durch eine solche Instanz das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Polizei auch in solch kritischen Sachverhalten gestärkt werden kann. Den Vorschlag abzulehnen, das ist zu einfach für einen Parlamentarier. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD hat jetzt Wolfgang Gunkel das Wort. (Beifall bei der SPD) Wolfgang Gunkel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Frank Tempel, diesmal hattest du das Glück, vor mir zu sprechen, und du hast viele Dinge erwähnt, die auch auf meinem Zettel standen. Aber nun muss ich nach dir reden, und ich kann sagen: Vieles von dem, was du gesagt hast, kann ich übernehmen. Kommen wir zu dem, was eigentlich Sache ist, kommen wir auf die Vorlagen der Grünen zu sprechen, die sich mit der Einsetzung eines unabhängigen Polizeibeauftragten befassen. Wir haben von dir gehört, dass es in drei Bundesländern bereits einen solchen Beauftragten gibt. Das entscheidende Kriterium ist, lieber Herr Baumann, dass der Polizeibeauftragte unabhängig ist, also nur den Parlamenten der Länder, die das Amt eingeführt haben, gegenüber verantwortlich ist. Das anders als bei denjenigen, die bei Polizeibehörden, also bei vorgesetzten Behörden, angebunden sind und ein wichtiges Kriterium. Sicher stimmt das alles, was du gesagt hast. Die Anzahl, die du genannt hast, ist sicherlich auch richtig, aber es kommt nicht auf die Anzahl, sondern auf die Qualität dessen an, was zur Anzeige gebracht wird. Bei einem unabhängigen Beauftragten dürfte sie von etwas größerem Wert sein, als wenn man, wie du es beschrieben hast, den Dienstweg beschreitet, der auf dem Petitionsweg endet. Kommen wir zu dem, was die Anhörung inhaltlich ergeben hat. Ich bin nicht der Meinung, dass man überwiegend der Auffassung gewesen sei, dass das Ganze unsinnig sei, was da vorgelegt wurde. Im Gegenteil: Professor Aden, der dort sprach, hat eine rechtliche Würdigung vorgenommen und einige Punkte geradegerückt. Damit komme ich auf den Antrag der Grünen zu sprechen. Professor Aden hat gesagt, dass man lieber einen Gesetzestext inhaltlich verändern sollte als die Richtlinien für Straf- oder Bußgeldverfahren. Um es deutlich zu sagen: Es wäre ihm lieber, man würde den § 258 StGB – Strafvereitelung – inhaltlich so verändern, dass die Polizeibeamten Gelegenheit erhalten, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Aussage zu einem Vorgang zu machen, ohne sich strafbar zu machen. Das ist, finde ich, der Kern dieser ganzen Angelegenheit. Das bringt mich dazu, dies zu befürworten. Ich sage: Trotz all der Schwächen, die noch darin liegen, kann eine solche Regelung hilfreich sein. Wenn ein Kollege, der überlegt, ob er sozusagen Kumpanei mit den anderen macht oder sich tatsächlich zu dem bekennt, was er gesehen hat und zur Anzeige bringen muss, schon nach wenigen Stunden oder Tagen fürchten muss, den Tatbestand der Strafvereitelung zu erfüllen, ist seine Bereitschaft zu einer Aussage zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich nicht mehr allzu groß. Dies halte ich für den wichtigsten Punkt in Ihrem Antrag. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Redezeit kann ich nicht den ganzen Antrag auseinanderpolken; aber einen Punkt will ich noch nennen. Es geht um § 13 Absatz 2 Ihres Gesetzentwurfs – Frau Mihalic, Sie wissen, was ich meine –, um Ermittlungen des unabhängigen Beauftragten parallel zum Straf- oder Disziplinarverfahren. Dabei habe ich nach wie vor Bedenken. Ich denke, dass gerade die Staatsanwaltschaft damit Probleme bekommen würde. Ein Disziplinarverfahren wird jetzt ausgesetzt, solange strafrechtliche Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft laufen. Wie das mit dem unabhängigen Beauftragten, der ja gleichzeitig weiterermitteln soll, gehandhabt werden kann, ist mir noch nicht so ganz klar. Diesen Punkt kann ich noch nicht so richtig als gelöst betrachten. Die SPD-Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode haben in einem Sondervotum zum Abschlussbericht ebenfalls einen unabhängigen Beauftragten gefordert. Insofern ist es auch ein Anliegen meiner Fraktion, diese Forderung in irgendeiner Form umzusetzen. Dort, wo die CDU zusammen mit den Grünen regiert, in Baden-Württemberg, ist diese Forderung ja bereits umgesetzt worden. Von daher plädiere ich nach wie vor dafür, dieses Thema im Blick zu behalten. Es ist richtig, dass wir gehofft haben, hier mit der Union auf einen Nenner zu kommen. Das war nicht der Fall. In der nächsten Legislaturperiode werden wir aber Zeit haben, dieses ganze Thema noch einmal aufzugreifen, die Diskussion fortzuführen und eine Vorlage zu erarbeiten, die vielleicht von allen Fraktionen in diesem Hause befürwortet wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Günter Baumann, selbstverständlich teile ich deine Auffassung zur Bundespolizei. Auch dieses Anliegen – ich will das jetzt nicht wiederholen – unterstütze ich voll und ganz. Dies ist meine letzte Rede im Bundestag. Nach zwölf Jahren habe ich das Bedürfnis, mich bei all denjenigen zu bedanken, die mich in dieser Zeit begleitet haben, mit denen ich insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit zwölf Jahre lang sehr eng zusammengearbeitet habe. Fangen wir auf der rechten Seite des Hauses an: Für die CDU waren das Clemens Binninger und Ralf Göbel. Ralf Göbel ist nicht mehr Mitglied des Bundestages, der Clemens aber immer noch. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aber nicht mehr lange!) – Ja, wahrscheinlich nicht mehr lange. – Aus der CSU waren das insbesondere Alois Karl und Stephan Mayer. Mit Stephan Mayer verbindet mich mehr, als das unter Abgeordneten normalerweise der Fall ist. Ich hatte die Gelegenheit, mich ausführlich in seinem Wahlkreis umzusehen. Das war sehr spannend. Im Menschenrechtsausschuss habe ich acht Jahre lang gearbeitet. Da fallen mir von der CDU Michael Brand und Frank Heinrich ein, die mich ganz eng begleitet haben. Ebenso fällt mir Ute Granold ein, die eine Legislaturperiode früher ausgeschieden ist. Kommen wir dann zu der mittleren Abteilung in diesem Hause, zu den Grünen. Die meisten, die ich nennen möchte, sind nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestages; aber ich kann mich immer noch sehr gut an Silke Stokar von Neuforn, an Josef Winkler und an Wolfgang Wieland erinnern. Das waren drei ganz dufte Leute, die die Grünen in diesem Ausschuss hatten. Mit denen bin ich sehr gut ausgekommen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das waren noch Zeiten!) In der heutigen Zeit sind Monika Lazar, Konstantin von Notz und Irene Mihalic, mit der ich mich lange über den unabhängigen Polizeibeauftragten ausgetauscht habe, dabei. Bei meiner Fraktion wäre es jetzt schwierig, 20 oder mehr Namen zu nennen. Das betrifft all diejenigen, die mit mir seit zwölf Jahren – oder für kürzere Zeit – im Innenausschuss zusammengearbeitet haben. Die kann ich hier mit einem Schlag erwähnen. Damit wäre das erst einmal abgedeckt. Ich komme nun zur linken Seite. Auch hier ist es so, dass mich die im Folgenden genannten Leute sehr lange begleitet haben. Dabei handelt es sich um Petra Pau, Ulla Jelpke und Jan Korte, die zwölf Jahre mit dabei waren und mit denen ich sehr gut zusammengearbeitet habe. Neu hinzugetreten ist dann 2009 Frank Tempel. Dir, Frank, sage ich nun ein besonders herzliches Dankeschön für die vielen Gedanken, die wir ausgetauscht haben. Was die Menschenrechtsschiene anbelangt, fällt mir noch Annette Groth ein, mit der ich gut zusammenarbeiten konnte. Es ist schon bemerkenswert, dass ich in allen Bereichen doch immer wieder Gesprächspartner hatte, die fair und sauber argumentiert haben. Ich hatte – das ist eine besondere Angelegenheit – einen fast freundschaftlichen Kontakt zu Matthias Birkwald. Der ist natürlich nicht mehr da, aber richtet ihm aus: Er war wirklich eine gute Gedankenstütze. Damit habe ich etwas überzogen, Frau Präsidentin. Ich danke für die paar Sekunden. Im Übrigen ist dies das Ende meiner Rede. Viel Spaß in der 19. Legislaturperiode für alle, die diese Rede gehört haben. Ich danke euch. Tschüss! (Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Kollege Gunkel. Zum Ende der Arbeit im Deutschen Bundestag darf man auch einmal überziehen, wenn es nicht zu viel ist. Auch wir vom Präsidium wünschen Ihnen alles Gute für die vielleicht etwas ruhigere Zeit. Und noch einmal ganz herzlichen Dank für das Engagement in den vielen Bereichen, die du ja selber hier aufgeführt hast. Mir bleibt aber immer in Erinnerung dein Einsatz für Menschenrechte und dafür, dass es den Polizistinnen und Polizisten in diesem Land gut geht, dass wir als Bundestag ihre Arbeit zu schätzen wissen und auch das Entsprechende tun. Noch einmal danke schön dafür. (Beifall) Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Irene Mihalic das Wort. – Bitte schön. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Polizeibeauftragten beim Deutschen Bundestag wird eine wichtige Forderung umgesetzt, die – wie wir gerade jetzt wieder gehört haben bzw. noch hören werden – drei von vier Fraktionen hier im Haus verbindet. Ich bin dankbar für die Worte der Kollegen Gunkel und Tempel. Sie haben viele Beispiele genannt, weshalb eine solche Einrichtung wirklich sinnvoll ist. Deswegen kann ich mich hier auf ein paar Grundsätzlichkeiten beschränken und das Gesagte noch einmal sinnvoll zusammenfassen. Bei der Stelle geht es im Kern um die Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols im Innern und um eine moderne Verwaltung, die sich dessen bewusst ist, dass sie gegenüber dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern zur Rechenschaft für ihr Handeln verpflichtet ist. Es geht aber eben auch um die Beschäftigten der Polizeien des Bundes und ihre Sicht auf die Dinge sowie um bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Schutz der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Beides bedingt sich. Wir müssen beides stärken. Beides ist auch Teil unserer grundrechtlichen Position. Der Kollege Gunkel hat vorhin zu Recht folgenden Sachverhalt beschrieben: Wenn zum Beispiel Polizisten Zeugen einer Straftat, begangen von ihren Kollegen, werden und den Fall aus verständlichen Gründen eben nicht sofort zur Anzeige bringen, dann sollten sie sich an eine Stelle außerhalb der Polizei wenden können, ohne befürchten zu müssen, selbst wegen Strafvereitelung angezeigt zu werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Lieber Kollege Baumann, dann hilft eben leider auch der Petitionsausschuss nicht weiter. Denn der eigentliche Fall kann nicht aufgeklärt werden, wenn alle Beteiligten die Aussage verweigern. Allein daran sieht man: Das bestehende System steht einer echten Fehlerkultur leider im Weg, und das muss sich dringend ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Kollege Gunkel, damit sollen keine Parallelermittlungen durchgeführt werden. Auch das ist ein weitverbreitetes Missverständnis. Es geht im Kern um das Nachvollziehen der Ermittlungen, um parlamentarische Kontrolle und Aufarbeitung solcher Fälle. Und dabei geht es eben auch ganz konkret um die Weiterentwicklung einer Sicherheitsarchitektur, die bundesweit – auch für die Bundesländer, die eine solche Einrichtung noch nicht haben – als Vorbild dienen könnte. Das hat auch eine große Anzahl von Experten in der Anhörung bestätigt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU – das muss ich Ihnen an dieser Stelle jetzt noch einmal sagen –, haben für die Anhörung im Ausschuss – das tut mir sehr leid – Rainer Wendt als Sachverständigen benannt. Allein schon durch die Benennung dieses Sachverständigen haben Sie sehr deutlich gemacht, was Sie von parlamentarischer Kontrolle der Polizei, Verantwortlichkeit und sachgerechter Aufarbeitung halten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sagen: Ein Fehlverhalten darf weder unter den Teppich gekehrt noch drakonisch bestraft werden. Es ist immer wichtig, nach den Ursachen zu fragen: Wie ist es zu einem Fehler gekommen? Was kann in Zukunft besser laufen? Ein Polizeibeauftragter würde hier einen wichtigen Beitrag liefern und uns hier im Parlament eine wichtige und neutrale Innensicht in die Polizei hinein ermöglichen – auch für mehr Sachlichkeit in der öffentlichen Diskussion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Das ist auch notwendig, weil sich die Arbeitsweise und die Befugnisse der Polizei in den letzten 15 Jahren stark verändert haben. Das ist zum Teil auch eine Folge der Digitalisierung und von neuen Befugnissen, die die Polizei hat. Gleichzeitig hat man die Hürden für die Strafbarkeit bei manchen Delikten so weit gesenkt, dass es auch darum geht, zum Schutz der Grundrechte und für mehr Transparenz und Effizienz im Sinne eines echten Gewinns für die innere Sicherheit die Wirkungen einem parlamentarischen Blick zu unterziehen. Jedes Mal, wenn es um die Erweiterung polizeilicher Befugnisse und die Verschärfung des Strafrechts geht, steht die Große Koalition zusammen. Sie haben es im Ausschuss leider abgelehnt, an dieser Stelle einmal die bürgerrechtliche Position zu stärken. Es würde mich sehr freuen, wenn unser Gesetzentwurf hier im Haus eine breite Zustimmung finden würde. Darum haben wir Grüne uns in Gesprächen mit der Linken, mit der SPD und auch mit der Union sehr bemüht. Die Rückmeldung aus der Union, Herr Schuster, war aber, dass Sie den Polizeibeauftragten zwar auch irgendwie wollen, aber erst nach der Wahl in einer Koalition verhandeln wollen. Das kostet nur Zeit, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Mit wem haben Sie denn gesprochen? – Günter Baumann [CDU/CSU]: Sind bestimmt Gerüchte!) es sei denn, es geschieht vielleicht noch ein Wunder und die Kanzlerin gibt noch ein Interview in der Brigitte. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Dann findet sich vielleicht auch dafür eine Mehrheit hier im Haus, wenn diese Entscheidung zur Gewissenentscheidung erklärt wird. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ansonsten müssen wir vermutlich auf die nächste Wahlperiode warten, was ich sehr bedaure. Dann sind Sie, Kollege Gunkel, und Sie, lieber Herr Baumann, leider nicht mehr dabei. (Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Ihr vielleicht ja auch nicht! Das ist ja auch schade!) Ich hoffe trotzdem auf breite Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf – wenn nicht heute, dann hoffentlich in der nächsten Wahlperiode. Ganz herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes. Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12826, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7616 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Linken bei zwei Enthaltungen aus der SPD-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Unter Tagesordnungspunkt 17 b setzen wir die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 18/12826 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7617 mit dem Titel „Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei zwei Enthaltungen aus der SPD-Fraktion angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – hier: Umsetzung des Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes“ Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12978, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7618 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei zwei Enthaltungen aus der SPD angenommen. Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften Drucksachen 18/12731, 18/12879 Nr. 2, 18/12921 Interfraktionell wurde vereinbart, dass für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen sind. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Dann könnte der Kollege Waldemar Westermayer von der CDU/CSU-Fraktion die Debatte eröffnen. – Bitte schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Waldemar Westermayer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Wir diskutieren heute die Stoffstrombilanzverordnung. Man könnte auch sagen: die Priesmeier-Bilanzverordnung. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit dieser Verordnung gestalten wir das aus, was wir mit § 11a Absatz 2 des geänderten Düngegesetzes den Landwirten auferlegen, nämlich die Pflicht zur Stoffstrombilanzierung. Wir konkretisieren damit die gute fachliche Praxis beim Umgang mit Nährstoffen in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die betroffenen Betriebe sind nach der Verordnung verpflichtet, betriebsbezogen die zugeführten und abgegebenen Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor zu ermitteln und darüber hinaus eine Ermittlung und Bewertung der betrieblichen Stoffstrombilanzen für Stickstoff vorzunehmen und eine entsprechende Dokumentation durchzuführen. Diese neuen Pflichten, die mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden sind, werden – das möchte ich hervorheben – bis spätestens Ende 2021 auf ihre Wirksamkeit überprüft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Die Überprüfung wird in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium sowie unter Beteiligung der Länder erfolgen und soll Vorschläge für notwendige Anpassungen der Regelungen enthalten; denn – das sollte uns allen klar sein – die Stoffstrombilanzierung erfüllt keinen Selbstzweck. Sie soll als Teil des Düngepakets dazu dienen, das Düngerecht insgesamt auf eine nachhaltige Grundlage zu stellen. Zielvorgabe für die Neuregelung des Düngerechts in Deutschland war aus Sicht der Union immer die Vereinbarkeit von bedarfsgerechter Pflanzenernährung und dem Schutz der Gewässer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieses Ziel erreicht man nicht durch mediale Panikmache, wie es das Umweltbundesamt mit seinen gewagten Prognosen zur Entwicklung der Trinkwasserpreise getan hat, sondern durch problemorientiertes Handeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Mit dem Düngepaket haben wir unser lösungsorientiertes Handeln unter Beweis gestellt. Wir erkennen an, dass es Handlungsbedarf zum Schutz unserer Gewässer gibt. Gerade in Gebieten mit belasteten Wasserkörpern hat auch für uns die Reduzierung des Eintrags von Nitrat eine hohe Priorität. Wir verschärfen deshalb die Anforderungen an die Düngung in Deutschland erheblich. Die Landwirtschaft stellt sich somit ihrer Verantwortung. Mit den verschärften Anforderungen erhöht sich aber auch der ohnehin schon hohe Anpassungsdruck für die Betriebe. Wenn bei uns Lebensmittel in die Läden kommen, die diese Standards nicht erfüllen, wird dies im Hinblick auf die Struktur der Landwirtschaft in Deutschland negative Folgen haben. Deshalb sind Lebensmittelimporte mit den gleichen Auflagen zum Wasser- und Klimaschutz zu belegen und zu kontrollieren. Es ist aus meiner Sicht klar, dass die weitergehenden Anforderungen im Düngerecht die Produktionskosten in der deutschen Landwirtschaft und damit letztendlich auch die Kosten unserer Lebensmittel erhöhen werden. Zusammengefasst haben wir mit dem Düngepaket dennoch praktikable Lösungen entwickelt, die die Fruchtbarkeit unserer Böden erhalten und die es gleichzeitig erlauben, eine ausreichende Nährstoffversorgung unserer Pflanzen mit Wirtschaftsdünger zu gewährleisten. Am Ende eines langen Weges haben wir einen Ausgleich gefunden, der auch die Landwirte einbezieht und ihnen Planungssicherheit bietet. Vor diesem Hintergrund möchte ich hervorheben, dass unsere Bauern in Deutschland nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind. Ich bedanke mich ganz herzlich und schenke Ihnen eine Minute. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! In der letzten agrarpolitischen Debatte in dieser Wahlperiode sprechen wir nun also über die Stoffstrombilanz. Das ist der dritte und letzte Teil der Düngegesetzgebung, nachdem das Düngegesetz selbst und die Düngeverordnung novelliert wurden. Worum geht es? Es geht eigentlich um ein Regelwerk, mit dem die Landwirtschaftsbetriebe ihre Nährstoffüberschüsse identifizieren sollen. Warum ist das wichtig? Weil in vielen Regionen zu viel Nitrat in die Gewässer und ins Grundwasser eingetragen werden. Dabei geht es um die Natur in den betroffenen Regionen; denn wir wollen den Kindern und Enkeln ja eine intakte Welt hinterlassen, soweit das noch möglich ist. Es geht aber eben auch um eine soziale Frage. Denn zu viel Nitrat bedeutet auch, dass hohe Kosten für die Trinkwasseraufbereitung entstehen, und das kann schnell zum Preistreiber für Wasser- und Abwassergebühren werden. Auch deswegen ist es wichtig, hier konsequent, aber auch angemessen zu handeln. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) In dem Ziel sind wir uns sogar einig, aber beim „Wie“ haben sich Union und SPD dann doch wieder in den vielen Fäden der unterschiedlichen Interessen verstrickt. Deswegen gehen wir zumindest im Moment davon aus, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Das geht auf Kosten der Natur und der Betriebe. Das ist problematisch. Die Koalition hat nun eine denkbar breite Koalition gegen sich. Gerade haben Wasserverbände, Umweltorganisationen und meine Gewerkschaft Verdi aus der Sorge heraus, dass sich die Nährstoffüberschüsse nicht reduzieren und gerade in den Problemregionen NRW und Niedersachsen das Problem nicht gelöst wird, eine gemeinsame Petition gestartet. (Willi Brase [SPD]: Problemregion NRW? Unglaublich!) Diese Sorge zumindest teilen wir, wenn wir auch nicht jedes Wort aus der Petition teilen. Deswegen müssen wir, lieber Wilhelm – auch wenn dir heute große Ehre zuteilwird –, die Verordnung leider ablehnen. Aber ich möchte noch zu einem anderen Thema reden, das uns sehr wichtig ist und bei dem es lichterloh brennt. Unsere agrarwissenschaftliche Forschung verliert seit Jahren Personal. Als Linke habe ich deshalb schon lange einen strategischen Neuansatz gefordert. Da ich vor meinem Bundestagsmandat in der Agrarforschung gearbeitet habe, weiß ich, wovon ich rede, und kenne die Szene. Schlecht bezahlte und ungesicherte Arbeitsverhältnisse zum Beispiel sind leider in der deutschen Wissenschaftslandschaft zum Standard geworden. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für das selbsternannte Land der Dichter und Denker. Aber auch die aktuellen Bewertungsmaßstäbe für wissenschaftliche Leistungen sind aus meiner Sicht problematisch. Die Bearbeitung von Förderanträgen kostet viel zu viel Zeit und Ressourcen, und zu selten werden kreative Lösungen für wirkliche Menschheitsprobleme gesucht. Das trifft die anwendungsorientierte Agrarforschung leider ganz besonders. Ich denke, dass wir tatsächlich wieder eine eigene agrarwissenschaftliche Institution brauchen. (Beifall bei der LINKEN) Aber das werden wir erst in der nächsten Wahlperiode hinbekommen. Keinesfalls warten kann aber das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Erfurt. Hier ist nämlich Gefahr im Verzug. Ihm droht die Abwicklung, obwohl niemand daran zweifelt, dass es dringend gebraucht wird. Ich finde, das ist total absurd. (Beifall des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Das Institut beschäftigt sich nämlich unter anderem mit den Fragen der Düngung im Gartenbau. Schlimm genug, dass die Leibniz-Gemeinschaft dieses Institut leider zunächst aus der Familie entlassen hat. Die Belegschaft kämpft aber mit sehr großem Engagement um dieses Institut. Wissenschaftlich sind unterdessen alle Gleise für die Zukunftsfähigkeit dieses Wissenschaftsstandortes gelegt. Der finanzielle Beitrag des Freistaats Thüringen für den Weiterbestand dieses Wissenschaftsstandortes wurde mehrfach zugesichert. Nun muss nur noch der Bund seinen Beitrag dazu leisten, dass dieser Standort tatsächlich erhalten bleibt. Fachpolitisch sind wir uns fraktionsübergreifend sogar vollkommen einig, dass wir das Institut in Erfurt erhalten wollen. Aber wir müssen eben handeln und nicht reden. (Beifall bei der LINKEN) Wir können das offensichtlich nicht der Bundesregierung überlassen. Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Diese Belegschaft besteht nicht aus Schachfiguren, die man einfach einmal von einem Standort zum anderen verschieben kann. Wir kämpfen für das Institut in Erfurt. Ich finde, diese Spielchen sollten wir der Bundesregierung nicht durchgehen lassen. Das IGZ ist wichtig, und es hat unmoralische Angebote nicht verdient. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist heute nicht Wehmut angesagt. Ihr kennt mich alle als jemanden, der immer aufrecht und geradlinig im Deutschen Bundestag für seine Ziele gekämpft hat, im Sinne seiner Fraktion und für die Sache. So ist es auch heute Abend. Ich freue mich, dass ich das Projekt, das ich vor sechs Jahren begonnen habe, die Novellierung unseres Düngerechts, längst überfällig, heute zumindest mit dem dritten Teil, der noch fehlt, abschließen kann. Ich glaube, dass wir den eben geprägten Begriff, das sei dann die Priesmeier-Bilanzverordnung, in der Schublade verschwinden lassen sollten. Das kann man vielleicht im Nachhinein, ex post, beurteilen. Zu viel Lob ist auch nicht angesagt. Es stört mich aber auch nicht, dass dieser Begriff für heute geprägt worden ist. Aber ich glaube, er hat keinen Bestand. (Heiterkeit bei der SPD) Ich freue mich jedenfalls, dass wir damit den notwendigen Paradigmenwechsel, den wir längst hätten vollziehen müssen, jetzt endlich vollziehen können. Es geht vordergründig zunächst einmal um die Umsetzung der Nitratrichtlinie aus dem Jahr 1991. Das hat lange gedauert. Wir sind seit 2013 im Vertragsverletzungsverfahren. Das macht deutlich, dass es aus den unterschiedlichsten Gründen und Interessen schwer war, mit allen eine Einigung zu erzielen. Das muss man auch nicht, wenn man Politik macht. Man muss vielmehr eine klare Linie haben. Man muss hinterher aber auch einen vernünftigen Konsens finden, der für alle tragfähig ist und der die wirtschaftliche Existenz der Betriebe, die in besonderer Weise betroffen sind, nicht infrage stellt. Ich glaube, das ist gelungen. (Beifall bei der SPD) Nicht alles ist perfekt. Geholfen hat mir dabei natürlich die Entschlossenheit der Kommission. Das Klageverfahren, das in Luxemburg auf dem Tisch lag, hat natürlich die Einsichtsfähigkeit des großen Deutschen Bauernverbandes ein bisschen befördert. Nachdem von dort aus Konsensbereitschaft signalisiert wurde, gab es auch im Rahmen der Koalition mit dem Koalitionspartner ein ausreichendes Fundament, um das Düngepaket letztendlich nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern auch zu verhandeln und zum Erfolg zu führen. Das hoffe ich jedenfalls. Mit dem neuen System, das die Bruttobilanzierung neben der Bedarfsorientierung umfasst, schaffen wir Transparenz und Vergleichbarkeit. Nicht nur der Bedarf ist hinterher Grundlage für die Düngung, sondern auch die Immissionsbetrachtung. Wie viel wird in die Umwelt freigesetzt, und wo bleibt der Eintrag? Wir wissen alle um den Zustand vieler Gewässer, vor allem in den Regionen, wo wir eine hohe Veredelung und Verdichtung haben. Dort gibt es dringenden Handlungsbedarf. Für die Kontrolle der Verbesserung dieses Zustands haben wir mit dieser Verordnung und mit der Gesetzgebung in Gänze die Grundlagen gelegt. Wir haben das justiziabel gemacht; die alten Vorgaben waren das nicht. Insofern haben wir es möglich gemacht, dass man zukünftig, wenn wir das Bruttobilanzierungssystem als Grundlage nehmen, mit der Weiterentwicklung der Grundlagen, die wir an sich noch gebraucht hätten, die wir aber im Augenblick nicht haben, einfach Daten aus der betrieblichen Buchführung für diese Bilanzierungsvorgänge übernimmt, um hinterher Rückschlüsse über die Fläche und über die Frage, ob der Betrieb mehr oder weniger als die zulässige Menge an Nährstoffen ausgebracht hat, zu ziehen. Das wird dann einfacher sein, aber diese Grundlagen haben wir im Augenblick noch nicht. Deshalb sind die verschiedensten Verstöße noch nicht durch Bußgelder sanktioniert. Sie führen dazu, dass der Betrieb eine Beratung in Anspruch nehmen muss. Erst wenn er das nicht tut, wird gegen ihn ein Bußgeld verhängt. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Wir müssen das, was wir auf die Schiene gesetzt haben, ans Laufen bekommen. (Beifall bei der SPD) Wir haben durchgesetzt, die Biogasanlagen in Gänze einzubeziehen. Das war vorher nicht der Fall. Wir haben auch durchgesetzt, dass wir die jetzigen Vorgaben bis zum 31. Dezember 2022 befristet haben. Das wird die dann im Amt befindliche Bundesregierung dazu verpflichten, dieses System, das wir jetzt anschieben, letztendlich in der Weise zu verfeinern und zu verbessern, dass es ein effizientes und wirksames Instrument sein wird, um hinterher unsere Umwelt vor übermäßigen Emissionen zu schützen. Es wird vielleicht auch einen Beitrag leisten, dass wir der Wasserrahmenrichtlinie, der NERC-Richtlinie und der Meeresschutzrichtlinie, die wir noch zu erfüllen haben, entsprechen können. Ob das ausreichend ist, zweifle ich mit Blick auf die Größen und die Vorgaben an. Da hätten wir mehr erreichen können. Wir haben nur das Notwendige getan; mehr war leider nicht machbar. Aber ich glaube: Das ist der erste Aufschlag. Er muss weiterentwickelt werden – dann natürlich von Kollegen, die in diesem Hause sind; ich werde das dann nicht mehr sein. Aber ich freue mich natürlich heute nicht nur über den Besuch bei der kleinen Feier, die ich veranstaltet habe, sondern auch darüber, dass ich in Gänze von allen Fraktionen letztendlich, auch vom Koalitionspartner, im Wesentlichen vom Kollegen Westermayer und vom Kollegen Holzenkamp, die entsprechende Unterstützung erfahren habe, um dieses Paket so zu verhandeln. Wir waren häufig am Rande des Scheiterns, aber irgendwie haben wir es dann doch zusammenbekommen in der Erwartung, dass wir der Umwelt natürlich auch etwas Gutes tun. Zu viel Dünger – das weiß jeder – kostet nur Geld. Die Reduzierung des Düngereinsatzes spart Ressourcen in den Betrieben. Aber es wird nicht ganz einfach sein. Das wird viele Betriebe vor allen Dingen in den Veredelungsregionen an die Grenze ihrer Möglichkeiten führen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob alle diese Grenze letztlich werden ertragen können. Einige werden das vielleicht nicht können. Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Wenn ich meine 15 Jahre im Deutschen Bundestag rekapituliere, erinnere ich mich noch an meine erste Rede hier. Da saß da vorne Ernst Hinsken. Der machte den ersten Zwischenruf. In der Folge gab es 19 Zwischenrufe in 7 Minuten Redezeit, aber ich habe die Redezeit um 2 Minuten überzogen. (Heiterkeit bei der SPD – Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Da sind wir sehr brav heute!) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, meinen Dank richte ich an euch, an Sie alle. Bei den „Agrariern“ hat man sich im Regelfall immer geduzt, was in anderen Debatten nicht immer üblich ist. Aber das ist auch ein vernünftiges Zeichen, wie man miteinander in der Politik umgeht. Ich finde: Geradlinigkeit ist angesagt. Ehrlichkeit ist angesagt. Eine klare Ansprache ist angesagt. Dann, glaube ich, wird es mit der Agrarpolitik und den agrarpolitischen Debatten im Deutschen Bundestag auch in Zukunft die richtigen Ergebnisse und die richtigen Abstimmungen geben. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gelegentlich sieht man sich vielleicht auch noch mal wieder bei anderen Anlässen. Das hoffe ich zumindest. Wir alle sind ja nicht aus der Welt. Wenn ich in die Runde schaue, glaube ich schon: Es gibt genug Anlässe, die ich immer auch gern wahrgenommen habe. Da treffen wir uns dann und machen noch das eine oder andere obendrauf. Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, lieber Wilhelm Priesmeier. – Ich kann mir von hier aus keine agrarpolitische Debatte vorstellen, an der du nicht teilnimmst und nicht mit uns debattierst. Aber wir wünschen jedenfalls von hier aus alles Gute und bedanken uns noch einmal für dein Engagement zum Wohle der Agrarwirtschaft in Deutschland als jemand, der immer wieder versucht hat, hier Kompromisse zu schmieden. Danke schön dafür. (Beifall) Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt, dass ich den wehmütigen Geist der Dankbarkeit für die ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen etwas stören muss. Wer hätte gedacht, dass sich die Koalitionäre nach monatelangen Grabenkämpfen doch noch auf einen Entwurf einer Stoffstrombilanzverordnung verständigen? Wie weise, dass wir den Parlamentsvorbehalt eingefügt haben! Wie oft stieg der weiße Rauch in den letzten Monaten nach Verhandlungen auf, um dann sofort wieder von CDU und CSU eingefangen zu werden, weil sich irgendwelche Güllebarone querlegten! Aber am Ende obsiegte die Einsicht, dass nicht alle Verschärfungen zu verhindern sind, wenn das EU-Vertragsverletzungsverfahren abgewendet werden soll. In diesem seit 2013 währenden Prozess des Nichtstuns und Aussitzens (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit hat er recht!) wurde kurz vor Toresschluss eine halbgare Düngeverordnung beschlossen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieses verabschiedete Gesamtpaket weist zwar mit wichtigen Bausteinen wie der Stoffstrombilanz, dem Datenabgleich oder der Hinzurechnung der Gärsubstrate aus Biogasanlagen zur Obergrenze von 170 Kilogramm N pro Hektar und Jahr in die richtige Richtung, aber nur weil die Bundesländer – hier ist besonders Niedersachsen zu nennen – immer wieder gedrängt haben. Das ganze Theater, das es hier gegeben hat, ist doch nur veranstaltet worden, weil der Deutsche Bauernverband, dem Sie von CDU/CSU stets nachgeben, nicht einverstanden war. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für wen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU, machen Sie eigentlich Politik? Machen Sie Politik für die Menschen, die sauberes Trinkwasser wollen, die wollen, dass unser Gemeingut sauber bleibt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja!) Nein, Sie – Frau Connemann vorneweg – machen Politik für einzelne Tierhalter, die mit viel zu viel Gülle unser aller Gemeingut Wasser enorm belasten. Das ist Ihre Politik! Reine Klientelpolitik! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 7,7 Millionen Schweine in Niedersachsen und NRW, das erfordert zielgerichtetes Handeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So wie es jetzt ist, drohen steigende Wasserpreise. Das sagen selbst Ihre Behörden, Herr Minister; Sie haben es vernommen. Das Verursacherprinzip, das mit dieser Novellierung eingeführt wurde, kann wegen geschönter Zahlen aus der Stoffstrombilanzverordnung nicht richtig befolgt und die Gülle nicht sachgerecht bilanziert werden. Alle Warnungen der Umwelt- und Wasserverbände wurden von Ihnen in den Wind geschlagen. Alle Kompromisse, die von den Bundesländern mit viel Aufwand erarbeitet wurden, wurden von Ihnen immer wieder unterlaufen. Sie verhindern so wieder einmal das so sehr benötigte Verständnis und die Akzeptanz für die Tierhaltung in unserer Gesellschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Besonders ärgerlich ist, dass flächenlose Biogasbetriebe ohne Zusammenhang zur Viehhaltung aus der Verordnung wieder herausfallen. Es ist eine absolut unverständliche Entscheidung, warum es nicht dabei geblieben ist, alle Biogasbetriebe in der Verordnung zu berücksichtigen. Wieso stehen in der Verordnung nicht mehr alle Biogasbetriebe? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die vorhandenen Phosphatüberschüsse – ein großes Thema – bleiben völlig ungeregelt und fallen gänzlich unter den Tisch. Zusätzlich werden die ohnehin hohen Stickstoffüberschüsse mit einem sogenannten Toleranzfaktor versehen, um Lagerverluste von Gärsubstraten und Grobfutter zu berücksichtigen. Die auf den Bilanzwert anrechenbaren Verluste sind zu streichen, damit Anreize zur Steigerung der Stickstoffeffizienz geschaffen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die zusätzliche Anlage 5 – nun Anlage 4 – gehört gestrichen. Ganz nebenbei wurde mit dem Paket ein kaum administrierbares Bürokratiemonster entworfen, anstatt die Pflichtberatung für die Problembetriebe massiv zu stärken. Viele Betriebe könnten dadurch massive Kostenminderungen erreichen. Wir Grüne stimmen gegen diese unzureichende Stoffstrombilanzverordnung. Hoffentlich werden die Bundesländer noch einmal aktiv werden, um unser aller Wasser wirksam zu schützen. Wir Grüne machen den Bäuerinnen und Bauern das Angebot, mit uns endlich auf verlässliche, planbare politische Rahmenbedingungen zu setzen. Schluss damit, dass die Landwirtschaft weiterhin durch CDU/CSU zum willfährigen Spielball falscher Interessen gemacht wird! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat Franz-Josef Holzenkamp, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute den letzten Teil unseres großen Düngepaketes. Wasserschutz zu gewährleisten, das ist auch unser Anspruch als Union, auch wenn die Grünen das manchmal infrage stellen. Ich weiß gar nicht, wie man so etwas infrage stellen kann. (Lachen des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist relativ einfach!) Wir wollen eben auch für eine ausreichende Ernährung von Pflanzen sorgen. Wir werden immer mit den Dänen verglichen. Die Dänen haben einen Fehler gemacht. Sie mussten plötzlich Qualitätsweizen aus Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten importieren, (Gitta Connemann [CDU/CSU]: So ist es!) weil sie überzogene Düngeauflagen hatten, sodass sie in Dänemark nicht mehr ausreichend anbauen konnten. Solche Fehler wollen wir nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Bestimmte rot-grüne Länder wollten so etwas mit uns machen. Doch so einen fachlichen Unsinn lassen wir mit uns natürlich nicht machen. Ich freue mich, dass unser Minister heute anwesend ist. Wilhelm Priesmeier, du hast angesprochen, wie breit dieses Thema im Umweltministerium verankert ist. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Umweltministerin Hendricks, mit der wir viel zusammengesessen haben, heute Abend dabei gewesen wäre. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lieber Kollege Friedrich Ostendorff, du hast hier von Biogas gesprochen. Biogasbetriebe haben wir in die Verordnung aufgenommen. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! Lesen!) Ihr müsst den Text schon richtig lesen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die, die in Zusammenhang mit Viehhaltung stehen! Sag doch die Wahrheit! Mensch! Die anderen sind nicht drin!) Es sei mir eine Bemerkung gestattet – ich meine es nicht bösartig; aber ich will darauf hinweisen –: Frau Künast hat in ihrer Amtszeit in Bezug auf Biogas und Landwirtschaft von den „Ölscheichs von morgen“ gesprochen. Frau Künast hat durch einseitige Fehlsteuerungen im EEG dafür gesorgt, dass so hohe Investitionen in diesem Bereich getätigt worden sind. (Beifall bei der CDU/CSU) Also: Wenn man also im Glashaus sitzt, dann sollte man nicht mit Steinen werfen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war die Große Koalition 2009, die das versaut hat!) Ich will darauf hinweisen, dass wir ein ganzes Paket schnüren. Wir haben die Düngemenge für jede einzelne Pflanzenart exakt festgelegt. Wir haben die Sperrzeiten für die Ausbringung von Wirtschaftsdünger verlängert. Wir haben die Gewässerabstände ausgeweitet. Wir haben die Anforderungen an die Ausbringungstechnik erhöht und damit auch Emissionen reduziert. (Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Aber wie!) Wir haben für verschärfte Vorgaben für Lagerkapazitäten gesorgt. Die Landwirte müssen Geld in die Hand nehmen und mehr Lagerraum schaffen. Ich habe schon darauf hingewiesen: Die Gärsubstrate der Biogasanlagen wurden berücksichtigt. Wir haben den Bundesländern eine Ermächtigung erteilt, diese Regelungen noch weiter zu verschärfen. Außerdem haben wir den Vollzug der Kontrollbehörden wesentlich verbessert. Kommt also bitte nicht daher, um zu sagen: Das ist alles nichts. – Schaut euch das lieber einmal richtig an. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben ein umfassendes Paket geschnürt. Ich will hier unterstreichen: Dieses Paket wird für die Landwirtschaft eine riesengroße Kraftanstrengung nach sich ziehen. Das wird den Strukturwandel noch einmal zusätzlich befeuern. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Leider richtig!) Auch das muss man sich dabei immer wieder vor Augen führen. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Leider richtig!) Was die Stoffstrombilanz angeht: Es ist kein Geheimnis, dass ich sie immer kritisch gesehen habe. Das Ganze ist eine Bruttoemissionsbewertung. Darauf haben wir uns verständigt. Dazu stehe ich natürlich. Das bedeutet letztendlich, dass man alle gasförmigen Emissionen, die die Pflanzenwurzel nie erreichen, mit einbezieht. Auch hier sei mir ein Hinweis auf unseren Nachbarstaat Dänemark gestattet. Die Dänen haben so etwas gemacht und anschließend wieder aufgegeben, weil es von den Behörden verwaltungsmäßig nicht zu bewältigen war. Unabhängig davon, lieber Kollege Wilhelm Priesmeier: Wir haben das so beschlossen. Wir starten jetzt eine Lernphase, weil das vollkommenes Neuland ist. Wir rechnen mit Werten, die wir heute noch nicht beurteilen und nicht bewerten können. Auch deshalb ist eine Befristung vorhanden. Wir werden in etwa drei Jahren sehen, was diese zusätzliche bürokratische Belastung bringt. Deshalb war es uns und auch mir persönlich so wichtig, dass es doch die Anlage 4 gibt; (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hab ich gesagt! Anlage 5, heute 4! Hab ich gesagt! Hör einfach zu! Wenn du zuhören würdest, würdest du auch begreifen! denn damit kann errechnet werden, wie viele Nährstoffe bei einer Pflanze tatsächlich ankommen. Wenn Sie sich einmal mit den Vertretern der Kontrollbehörden unterhalten, werden Sie hören: Ohne dieses Herunterrechnen, ohne den Bezug auf die Fläche können wir das überhaupt nicht kontrollieren. – Auch das gehört zur Wahrheit dazu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, uns ist ein guter Kompromiss, glaube ich, für unser Wasser gelungen. Es wird hart für die Landwirte sein. Wir haben dabei aber immer darauf geachtet, dass unsere Landwirte ihre Pflanzen ausreichend ernähren können. Meine Damen und Herren, lieber Wilhelm Priesmeier, dies war auch für mich die allerletzte Rede im Deutschen Bundestag, weil ich den Bundestag bekanntermaßen verlassen werde. Ich möchte deshalb diese Gelegenheit nutzen, Danke schön zu sagen für das viele Miteinander, auch für die teilweise streitigen Auseinandersetzungen. Friedrich Ostendorff, wenn wir uns am Rande des Plenums beim Bier fachlich gut und konstruktiv unterhalten, ist das das eigentlich Schöne. Bei allem Wettstreit um den richtigen Weg, vielleicht auch um die Fraktion oder Partei, vergessen wir dies nicht. Das haben wir in unserem Ausschuss immer in besonderer Weise gepflegt. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Zeit. Bitte, meine Damen und Herren, anerkennen wir, was die Landwirtschaft, was die deutschen Landwirte für unsere Gesellschaft leisten, und instrumentalisieren wir die Landwirte nicht für Wahlkämpfe! Vielen Dank. Alles Gute! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Kollege Holzenkamp. Ihnen herzlichen Dank für Ihre zwölf Jahre des Engagements hier im Deutschen Bundestag für die Landwirtinnen und Landwirte! Auch wir wünschen Ihnen alles Gute. (Beifall) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und zur Änderung weiterer Vorschriften. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12921, der Verordnung auf Drucksache 18/12731 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind heute so gut aufgestellt, dass ich Sie jetzt guten Herzens vor die größte Herausforderung des heutigen Abends stelle. Ich bitte Sie alle, sitzen zu bleiben; denn wir brauchen für die nächste Zeit Ihre ganze Konzentration. Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 35 a, 35 b, 35 d sowie 21 b. Es handelt sich hierbei um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Tagesordnungspunkt 35 a: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21 Drucksache 18/10060 Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Wie Sie alle wissen, stimmen wir zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Überweisung so beschlossen, und wir stimmen heute über den Antrag auf Drucksache 18/10060 nicht in der Sache ab. Tagesordnungspunkt 35 b: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dialogforum Schiene-Nord ernst nehmen – Erweiterten Lärmschutz beim Schienenausbauprojekt „AlphaE“ vorantreiben Drucksache 18/12862 Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Wir stimmen zuerst über den Antrag auf Überweisung ab. Ich frage: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Überweisung so beschlossen, und wir stimmen heute über den Antrag auf Drucksache 18/12862 nicht in der Sache ab. Tagesordnungspunkt 35 d: Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umbau der Tierhaltung gestalten und finanzieren Drucksache 18/12947 Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Überweisung so beschlossen, und wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12947 nicht in der Sache ab. Tagesordnungspunkt 21 b: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen garantieren Drucksache 18/12941 Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der Sache; die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung an den Innenausschuss. Wer stimmt für die Überweisung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Überweisung so beschlossen, und wir stimmen über den Antrag auf Drucksache 18/12941 nicht in der Sache ab. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 36 a bis dd, ff bis pp, rr bis yy, aaa und bbb, eee bis jjj, lll, ooo bis uuu und 35 c sowie Zusatzpunkte 5 a bis 5 q auf. Auch hierbei handelt es sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 36 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Achte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksachen 18/12242, 18/12443 Nr. 2.3, 18/12630 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12630, die Aufhebung der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache 18/12242 nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 36 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern – Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen Drucksachen 18/12094, 18/12910 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12910, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12094 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Heidrun Bluhm, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einrichtung eines Bundesprogramms „Zugang zu Land – Chancen für neue Betriebe ermöglichen“ Drucksachen 18/12551, 18/11601, 18/12878 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12878 die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12551 mit dem Titel „Ausverkauf des Bodens an landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition? Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11601 mit dem Titel „Einrichtung eines Bundesprogramms ‚Zugang zu Land – Chancen für neue Betriebe ermöglichen‘“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition? Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter entkriminalisieren Drucksachen 18/12364, 18/12635 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12635, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12364 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition? Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Tierversuche beenden Drucksachen 18/11724, 18/12981 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12981, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11724 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Tagesordnungspunkt 36 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Offenlegung von Gutachten zur Deutschen Bahn AG Drucksachen 18/11011, 18/12528 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12528, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11011 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen Drucksachen 18/9039, 18/9863 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9863, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9039 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mehr für das Gemeinwohl – Steuerabzug für Managergehälter deckeln Drucksachen 18/11176, 18/12627 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12627, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11176 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 i: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Managergehälter beschränken Drucksachen 18/9838, 18/11201 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11201, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9838 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion Die Linke. Enthaltungen? – Keine. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 j: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unternehmensmitbestimmung stärken – Grauzonen schließen Drucksachen 18/10253, 18/12861 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12861, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10253 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 k: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten Drucksachen 18/10254, 18/12991 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12991, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10254 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer ist dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 l: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Kettenbefristungen abschaffen Drucksachen 18/4098, 18/8457 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8457, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/4098 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 m: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Kordula Schulz-Asche, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rechtssicherheit für bürgerschaftliches Engagement – Gemeinnützigkeit braucht klare Regeln Drucksachen 18/12559, 18/12973 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12973, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12559 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Gegenprobe! – Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltung? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 n: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Cem Özdemir, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine neue Gründungskultur in Deutschland Drucksachen 18/12369, 18/13005 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13005, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12369 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 o: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rückkehrrecht auf Vollzeit einführen Drucksachen 18/12794, 18/12984 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12984, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12794 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 p: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umweltverschmutzung durch Mikroplastikfreisetzung aus Kosmetika und Waschmitteln beenden Drucksachen 18/10875, 18/13004 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13004, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10875 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Eine Enthaltung bei der Fraktion Die Linke. Aber trotzdem ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 q: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pestizide reduzieren – Mensch und Umwelt schützen Drucksachen 18/7240, 18/12980 Buchstabe a Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7240 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 r: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wege zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft Drucksachen 18/12382, 18/12980 Buchstabe b Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12382 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 s: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bienengiftige Insektizide vollständig verbieten – Bestäuber, andere Tiere und Umwelt wirksam schützen Drucksachen 18/12384, 18/12980 Buchstabe c Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12980, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12384 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 t: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verkehrspolitik auf Klimaschutzziele ausrichten Drucksachen 18/7887, 18/9819 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9819, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7887 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 u: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Britta Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fairen Wettbewerb und kommunale Gestaltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen Drucksachen 18/10978, 18/12875 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12875, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10978 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 v: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus Drucksachen 18/10477, 18/12996 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12996, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10477 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 w: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Tabea Rößner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Pressefreiheit und Journalistinnen und Journalisten besser schützen Drucksachen 18/5839, 18/10036, 18/12416 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/5839 mit dem Titel „Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10036 mit dem Titel „Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Pressefreiheit und Journalistinnen und Journalisten besser schützen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 x: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Landesverrats – Stellung des Generalbundesanwaltes rechtsstaatlich reformieren Drucksachen 18/10037, 18/12637 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12637, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10037 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 y: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung zum besseren Rechtsschutz bei behördlich geheim gehaltenen Informationen Drucksache 18/3921 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/11791 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11791, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3921 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung abgelehnt, und es entfällt die dritte Beratung. Tagesordnungspunkt 36 z: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die notwendigen Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zum Schutz der Verbraucher – Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von PKW beenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequenzen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sichern Drucksachen 18/6325, 18/6070, 18/6334, 18/7533 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6325 mit dem Titel „Die notwendigen Konsequenzen aus dem Betrugsskandal um Kfz-Abgase ziehen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6070 mit dem Titel „Zum Schutz der Verbraucher – Unzutreffende Angaben beim Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von PKW beenden“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6334 mit dem Titel „Aus dem Pkw-Abgasskandal Konsequenzen ziehen – Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie sichern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Trotzdem ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 aa: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antisemitismus entschlossen bekämpfen Drucksachen 18/12784, 18/12982 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12982, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12784 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Koalition. Wer stimmt dagegen? – Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 bb: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Irene Mihalic, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das freiwillige und ehrenamtliche Engagement im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe stärken Drucksachen 18/12802, 18/12985 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12985, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12802 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 cc: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für den Menschenrechtsschutz in Deutschland – Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter reformieren und stärken Drucksachen 18/12544, 18/13006 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13006, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12544 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 dd: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Südsudan – Hungersnot abwenden, Völkermord verhindern Drucksachen 18/11732 (neu), 18/13008 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13008, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11732 (neu) abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und die Linke. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ff: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hochschulpakt fortsetzen und aufstocken Drucksachen 18/1337, 18/4112 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/4112, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1337 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 gg: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Tabea Rößner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die digitale Welt verstehen und mitgestalten – Lernen und Lehren digitalisieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bildungseinrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die Zukunft machen Drucksachen 18/6203, 18/10474, 18/12926 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12926, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6203 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10474 mit dem Titel „Bildungseinrichtungen fit für die digitale Gesellschaft und die Zukunft machen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltung? – Die Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir kommen zu Tagesordnung 36 hh: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung, die Pluralität und Freiheit schützt, Grenzen überwindet und Zusammenhalt stärkt Drucksachen 18/10359, 18/12935 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12935, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10359 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 ii auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nationaler Bildungsbericht – Bildungsinstitutionen zukunftsfest machen – Für eine gerechte und soziale Gesellschaft Drucksachen 18/10248, 18/12927 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12927, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10248 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 jj: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE BAföG an die Lebenswirklichkeit anpassen – Keine weiteren Nullrunden für die Studierenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Attraktivitätsverlust stoppen – BAföG noch 2017 erhöhen Drucksachen 18/10012, 18/11178, 18/12925 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12925, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10012 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11178 mit dem Titel „Attraktivitätsverlust stoppen – BAföG noch 2017 erhöhen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 kk: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Patientinnen und Patienten entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren – Heute und in Zukunft Drucksachen 18/10561, 18/12090, 18/11607, 18/12732 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10561 mit dem Titel „Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12090 mit dem Titel „Patientinnen und Patienten entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11607 mit dem Titel „Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren – Heute und in Zukunft“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Grünen. Enthaltungen? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ll: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Luise Amtsberg, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Heute für morgen helfen – Engagement für Geflüchtete stärken Drucksachen 18/8221, 18/13011 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13011, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8221 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass wir die Hälfte der Abstimmungen hinter uns haben. Tagesordnungspunkt 36 mm: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Damit Kinder gut aufwachsen – Kinderschutz und Prävention ausbauen Drucksachen 18/9054, 18/11913 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11913, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9054 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 nn: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Konstantin von Notz, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Freiwilligendienste ausbauen und weiterentwickeln, Engagement anerkennen und attraktiver machen Drucksachen 18/12804, 18/13012 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13012, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12804 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Eine Enthaltung bei der Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 oo: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Programm für soziale Gerechtigkeit – Konsequenzen aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Norbert Müller (Potsdam), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktionsplan gegen Kinderarmut – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand beteiligen Drucksachen 18/11796, 18/9666, 18/12557, 18/12863 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11796 mit dem Titel „Programm für soziale Gerechtigkeit – Konsequenzen aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9666 mit dem Titel „Jedes Kind ist gleich viel wert – Aktionsplan gegen Kinderarmut“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12557 mit dem Titel „Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand beteiligen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 pp: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen Drucksachen 18/10629, 18/11028 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11028, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10629 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 rr: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen Drucksachen 18/10863, 18/11245 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/11245, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10863 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ss: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Nationales Konversionsprogramm entwickeln – Umwandlung der Militärwirtschaft in eine Friedenswirtschaft ermöglichen Drucksachen 18/2883, 18/4115 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/4115, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/2883 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 tt: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zulassungspflicht für Finanzprodukte schaffen – Finanz-TÜV einführen Drucksachen 18/9709, 18/12823 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12823, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9709 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 uu: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Berufsbildungsgesetz novellieren – Ausbildung verbessern Drucksachen 18/10281, 18/12928 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12928, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/10281 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 vv: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft wirksam bekämpfen Drucksachen 18/11597, 18/12934 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12934, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11597 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ww: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Soziale Durchlässigkeit bei Zugang und Zulassung zu Hochschulen durchsetzen Drucksachen 18/11418, 18/12929 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12929, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11418 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 xx: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Globalabkommen mit Mexiko aussetzen Drucksachen 18/12548, 18/12986 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12986, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12548 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 yy: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Diskriminierungen aufgrund des Gesundheitszustandes Drucksache 18/3315 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/10665 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/10665, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3315 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das ist die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Koalition. Und wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 36 aaa: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in Zirkussen Drucksachen 18/12088, 18/12908 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12908, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12088 abzulehnen. Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 bbb: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stoppen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grenzregionen vor Atomrisiken schützen – Export von Brennelementen stoppen Drucksachen 18/11596, 18/12093, 18/12891 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12891, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11596 mit dem Titel „Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stoppen“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung der Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12093 mit dem Titel „Grenzregionen vor Atomrisiken schützen – Export von Brennelementen stoppen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 eee: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes zur Beschleunigung von Verfahren Drucksache 18/12360 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/12646 Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12646, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12360 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition. Wer enthält sich? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt jede weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 36 fff: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung Drucksache 18/7359 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/8124 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8124, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/7359 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU/CSU und SPD. Wer enthält sich? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 36 ggg: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz Drucksachen 18/12097, 18/12990 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12990, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12097 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 hhh: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia stärken und unserer historischen Verantwortung gerecht werden Drucksachen 18/5385, 18/6378 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6378, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5385 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 iii: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen Drucksachen 18/12381, 18/12843 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12843, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12381 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 jjj: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen Drucksachen 18/12380, 18/12109, 18/12899 Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12899, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12380 mit dem Titel „Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 – Meeresschutz“ abzulehnen. Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12109 mit dem Titel „Todesfalle Geisternetze – Artenvielfalt im Meer wirkungsvoll schützen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 lll: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen – Plattformbetreiber in Haftung nehmen Drucksachen 18/12556, 18/12963 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12963, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12556 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ooo: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesellschaftliche Teilhabe und gute Bildung für alle Kinder und Jugendlichen sicherstellen Drucksachen 18/12795, 18/12997 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12997, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12795 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ppp: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Übersicht 10 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/12977 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Auch niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 36 qqq bis 36 uuu. Tagesordnungspunkt 36 qqq: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 449 zu Petitionen Drucksache 18/12806 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Auch niemand. Damit ist Sammelübersicht 449 angenommen. Tagesordnungspunkt 36 rrr: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 450 zu Petitionen Drucksache 18/12807 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 450 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 sss: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 451 zu Petitionen Drucksache 18/12808 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Sammelübersicht 451 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 ttt: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 452 zu Petitionen Drucksache 18/12809 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 452 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 36 uuu: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 453 zu Petitionen Drucksache 18/12810 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 453 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 35 c: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994 zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (MfS/KoKo) des Bundestages nach über zwei Jahrzehnten aufheben Drucksache 18/12821 Wer stimmt für den Antrag? – Die Opposition. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition. Wer enthält sich? – Niemand. Der Antrag ist damit abgelehnt. Zusatzpunkt 5 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung Drucksache 18/11499 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12994 Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung vor.4 Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12994, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11499 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/13017. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dagegen? – Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Niemand. Der Entschließungsantrag ist angenommen. Zusatzpunkt 5 b: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Schädliche Umweltwirkungen von Geisternetzen und Dolly Ropes verhindern Drucksache 18/12944 Wer stimmt für diesen Antrag? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Der Antrag ist angenommen. Ich sehe keine Enthaltungen. Zusatzpunkt 5 c: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten und notwendige Assistenz ermöglichen Drucksache 18/12945 Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Zusatzpunkt 5 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter Jahresbericht 2016 der Bundesstelle und der Länderkommission Drucksachen 18/12444, 18/12641 Nr. 1.2, 18/13007 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13007, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/12444 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zusatzpunkt 5 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung Drucksachen 18/12495, 18/12641 Nr. 2, 18/13003 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13003, der Verordnung auf Drucksache 18/12495 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zusatzpunkt 5 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Verordnung zu Ausschreibungen für KWK-Anlagen und innovative KWK-Systeme, zu den gemeinsamen Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land und Solaranlagen sowie zur Änderung weiterer Verordnungen Drucksachen 18/12375, 18/12443 Nr. 2.4, 18/12987 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12987, der Verordnung auf Drucksache 18/12375 in der Ausschussfassung zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zusatzpunkt 5 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Neustart für eine friedliche und gerechte Europäische Union Drucksachen 18/11723, 18/12919 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12919, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/11723 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zusatzpunkt 5 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Neustart der Europäischen Union auf der Grundlage Sozialer Menschenrechte Drucksachen 18/12089, 18/12918 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12918, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12089 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zusatzpunkt 5 i: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wege in die Zukunft – Berufsausbildung jetzt modernisieren Drucksachen 18/12361, 18/12931 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12931, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12361 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zusatzpunkte 5 j bis 5 q. Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Zusatzpunkt 5 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 454 zu Petitionen Drucksache 18/12955 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 454 ist angenommen. Zusatzpunkt 5 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 455 zu Petitionen Drucksache 18/12956 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Niemand. Sammelübersicht 455 ist angenommen. Zusatzpunkt 5 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 456 zu Petitionen Drucksache 18/12957 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Sammelübersicht 456 ist angenommen. Zusatzpunkt 5 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 457 zu Petitionen Drucksache 18/12958 Wer stimmt dafür? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 457 ist angenommen. Zusatzpunkt 5 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 458 zu Petitionen Drucksache 18/12959 Wer stimmt dafür? – CDU/CSU, SPD und Linke. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. – Es enthält sich niemand. Die Sammelübersicht 458 ist angenommen. Zusatzpunkt 5 o: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 459 zu Petitionen Drucksache 18/12960 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 459 ist bei Enthaltung der Linken angenommen. Zusatzpunkt 5 p: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 460 zu Petitionen Drucksache 18/12961 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 460 ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Zusatzpunkt 5 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 461 zu Petitionen Drucksache 18/12962 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Wer enthält sich? – Niemand. Sammelübersicht 461 ist angenommen. Damit bedanke ich mich bei Ihnen für die Konzentration. (Beifall – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Kompliment, Frau Präsidentin! Klasse!) Ich rufe die Zusatzpunkte 6 a und 6 b auf: a) Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13026 b) Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol Drucksache 18/13025 Zu dieser Abstimmung liegt eine Erklärung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung vor.5 Zusatzpunkt 6 a. Wir stimmen zunächst über den Wahlvorschlag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/13026 ab. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Das sind die Grünen und die Linken. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Koalition. Enthaltungen? – Niemand. Der Wahlvorschlag ist abgelehnt. Zusatzpunkt 6 b. Wir kommen nun zu dem Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/13025. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Der Wahlvorschlag ist angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums gemäß § 39a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Drucksache 18/13002 Wer stimmt für den interfraktionellen Wahlvorschlag auf Drucksache 18/13002? – Alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Auch niemand. Der Wahlvorschlag ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan Drucksachen 18/8723, 18/12893 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.6 Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12893, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8723 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Opposition. Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur und Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/10170, 18/10307 Nr. 9, 18/11384 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Auch hier sollen die Reden zu Protokoll gegeben werden. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.7 Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf Drucksache 18/11384. Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/10170 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Opposition angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12970. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 ddd auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes Drucksache 18/12546 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) Drucksache 18/12838 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall.8 Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12838, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12546 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Die Grünen und die Linken. Wer stimmt dagegen? – SPD, CDU/CSU. Wer enthält sich? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt die weitere Beratung. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad Drucksache 18/12943 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold (Havelland) und weiterer Abgeordneter Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer Drucksache 18/11805 Jetzt sind Sie wieder dran. Denn nach der Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Auch hier höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache, und das Wort hat Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion. – Bitte schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer von Santiago de Chile aus Richtung Süden reist, die Ufer des Rio Maipo überquert, vorbei an Nationalparks in ein Plateau unweit des Vulkans Nevado de Longavi gelangt, dem bietet sich ein wirklich unwirklicher Kontrast. Denn die Schönheit der Landschaft darf nicht über den Schrecken des Ortes, darf nicht über den Schrecken der sogenannten Colonia Dignidad hinwegtäuschen, einer selbst erklärten Kolonie der Würde, die zum Verlies, Trauma und Schicksal von Hunderten Deutschen und Chilenen wurde. Was sich auf dem 15 000 Hektar umfassenden Gelände über einen Zeitraum von Jahrzehnten abspielte, offenbart das Grauen vieler isolierter, in sich geschlossener Systeme. Sie tendieren zum Totalen, zur Repression, zur Entrechtung des Einzelnen. Im Rahmen einer Delegationsreise des Rechtsausschusses begegneten Parlamentarier aus diesem Hause einigen der im Inneren gebrochenen Menschen, deren Leben bis heute von den Kerben der Schreckensherrschaft Paul Schäfers geprägt ist. Missbrauch, Folter, Zwangsarbeit, die Liste der Verbrechen der Führungsriege ist lang und unerträglich. Einige der tiefsten Verletzungen der Opfer sind für uns nicht sichtbar, aber im persönlichen Gespräch sehr wohl spürbar. Besonders betroffen macht mich etwa, dass Kinder kurz nach der Geburt von ihren Eltern getrennt wurden, ein das Urvertrauen zerstörender Akt, der dazu führte, dass für die Betroffenen nie eine normale Eltern-Kind-Beziehung entstehen konnte. Darüber hinaus fügt die Zusammenarbeit der Täter mit dem Pinochet-Regime dem Verbrechen eine politische Dimension hinzu. Das inszenierte Bild einer vermeintlichen Idylle sollte die Öffentlichkeit davon ablenken, dass auf dem Areal mit chemischen und biologischen Waffen experimentiert wurde, Massengräber angelegt und Geheimdienstarchive geführt wurden. Die Aufarbeitung der Geschehnisse ist bei weitem nicht abgeschlossen. Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir den Prozess der Aufklärung vorantreiben, Opfer unterstützen und Bildungsarbeit fördern. Im Rahmen der deutsch-chilenischen Beziehungen soll eine Kooperationsstrategie erarbeitet werden, die Licht in den Schatten dieses dunklen Kapitels wirft. Die Förderung von Menschenrechts- und Bildungsprogrammen soll hierbei einen Schwerpunkt bilden, um die Geschehnisse für nachwachsende Generationen erfahrbar zu halten. Auch soll die Gedenkkultur auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad unter Einbeziehung der Opferverbände eine würdige Form annehmen. Eine Expertenkommission soll den Stand der Aufarbeitung analysieren und Vorschläge für weitere Schritte unterbreiten. In diesem Kontext trägt unser Antrag der Bundesregierung auf, bis zum 30. Juni kommenden Jahres die Finanzierung einer Begegnungs- und Gedenkstätte zu prüfen. Des Weiteren wollen wir die Stärkung der psychosozialen Betreuung beschließen, um die seelische Heilung der Opfer zu unterstützen und ihnen die Rückkehr in den gesellschaftlichen Alltag zumindest einen Schritt weit zu erleichtern. Als Schlussstein der Unterstützungsmaßnahmen soll die Einrichtung eines Hilfsfonds durch eine dafür einzurichtende interministerielle und interfraktionelle Kommission geprüft werden, um auch den finanziellen Nöten der Opfer Rechnung zu tragen. Die Richtlinien werden unter Beteiligung fachkundiger Nichtregierungsorganisationen und betroffener Opferverbände skizziert. Von Entschädigung sprechen wir indes nicht; denn die Verbrechen spielten sich auf ausländischem Boden ab. Die deutsche Diplomatie trifft jedoch eine Mitverantwortung; denn der Umstand, dass die deutsche Botschaft in Santiago de Chile betroffene und aus der Kolonie geflohene Staatsbürger abwies und ihre Berichte nicht ernst nahm, ist ein eklatanter Bruch des Grundsatzes der Schutzverantwortung des Staats für seine Bürgerinnen und Bürger. Auch das gehört zur Wahrheit der Geschehnisse. Richard von Weizsäcker sagte einmal: „Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag die Grundlage dafür schaffen, dass die Augen vor der Vergangenheit weiterhin geöffnet werden, damit den Opfern eine Zukunft geboten wird. Das sollte Fraktionsgrenzen überwinden, um ein einmütiges Signal aus diesem Hohen Hause an all jene zu senden, die unter diesem Unrecht litten und nun Hoffnung in uns setzen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Herr Kollege Harbarth. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, gab es einen Wechsel im Vorsitz. Sie und ich, wir werden gemeinsam die letzten Tagesordnungspunkte beraten. Ich nutze diesen Hinweis als Überleitung, weil die Kollegin Ulla Schmidt gerade fast eineinhalb Stunden in einer außerordentlichen Konzentrationsleistung gemeinsam mit Ihnen eine Vielzahl von Abstimmungen durchgeführt hat. Dafür wollte ich ihr einfach meine Hochachtung aussprechen. (Beifall) Jetzt machen wir weiter. Das Wort hat der Kollege Harald Petzold für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Im November des vergangenen Jahres hat eine Delegation des Rechtsausschusses, der Abgeordnete aller vier Fraktionen angehörten, Argentinien und Chile besucht; der Kollege Harbarth hat gerade darüber berichtet. Ziel der Reise war unter anderem ein Besuch der Colonia Dignidad, eines der berüchtigsten Orte im Hinblick auf fürchterliche Menschenrechtsverletzungen, Folter und Mord. Wir wollten uns selbst ein Bild vom Ort dieses Grauens machen. Wir wollten Opfern von Folter und Mord gedenken. Wir haben eine „fosa común“ besucht und mit Hinterbliebenen der Opfer gedacht. Wir wollten Gespräche mit Verbänden sowie Aktivistinnen und Aktivisten der chilenischen Opfer und deren Hinterbliebenen sowie mit ehemaligen und jetzigen Bewohnerinnen und Bewohnern der nun „Villa Baviera“ genannten Siedlung führen. Das, was wir dort zu sehen und zu hören bekommen haben, hat mich, aber auch die anderen Mitglieder der Delegation tief beeindruckt. Dass wir heute auf der Grundlage von zwei Anträgen über dieses Thema sprechen und abstimmen werden, zeugt von dieser Betroffenheit. Eigentlich hatten wir uns im Nachgang dieser Reise darauf verständigt, zumindest zu versuchen, hier einen gemeinsamen Antrag einzubringen. Insofern bedauere ich es, dass aufgrund der Blockadehaltung der Unionsfraktionsführung, gemeinsam mit meiner Fraktion keine Anträge einzubringen, ein solcher Antrag der Delegationsmitglieder und ihrer Fraktionen unmöglich gemacht worden ist. Gleichzeitig begrüße ich aber, dass die Union mit ihrem Antrag eine Kehrtwende in ihrer Beurteilung der Ereignisse in der Colonia Dignidad und in ihren Schlussfolgerungen vollzogen hat und dass man nach vielen Jahren des Wegschauens und der Leugnung jeglicher Mitverantwortung jetzt davon spricht, dass in der Colonia Dignidad über Jahre hinweg systematisch schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen worden sind. Auch wenn sich die Große Koalition gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen noch scheut, konkrete Mitverantwortung zu benennen, kommt sie doch zu dem Schluss – ich zitiere –: Die Colonia Dignidad verfügte auch in der Bundesrepublik über politische Kontakte und Unterstützungsnetzwerke. Es habe eine enge Zusammenarbeit mit der chilenischen Militärdiktatur unter Pinochet gegeben. Schließlich begrüße ich es auch, dass nach den Erklärungen des Bundestages aus dem Jahr 2002 und von Exbundesaußenminister Steinmeier jetzt endlich auch konkrete Maßnahmen unternommen werden sollen, die den Opfern ein würdiges Gedenken sowie Hilfe und Wiedergutmachung bringen können. Diese drei Kriterien waren meiner Fraktion in den letzten Jahren immer sehr wichtig. Deswegen werden wir heute sowohl für den Gruppenantrag einzelner Abgeordneter meiner Fraktion und der Bündnisgrünen stimmen, der ursprünglich einmal der gemeinsame Antrag aller Fraktionen werden sollte und ohne den sich wahrscheinlich in Sachen Beschluss gar nichts bewegt hätte. Deswegen mein herzlicher Dank an die Kollegin Künast, an den Kollegen Flisek und an den Kollegen Korte, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die mit mir an diesem gemeinsamen Antrag gearbeitet haben! Aber wir werden auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen und von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen, weil er ein wichtiges Signal an alle Opfer der Colonia Dignidad aussendet. Insofern auch den Kollegen Harbarth, Luczak und Ullrich von der Union und dem Kollegen Barthel von der SPD herzlichen Dank für diesen Antrag! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen, dass durch ein einheitliches Votum des Deutschen Bundestages dieses wichtige Signal deutlich gesetzt wird. Wir kündigen Ihnen aber gleichzeitig an, dass wir in der kommenden Wahlperiode sehr genau darauf achten werden, dass die in dem Antrag aufgeführten Zusagen und Prüfaufträge tatsächlich ernst genommen werden und dass der Antrag nicht wie die Erklärung aus dem Jahre 2002 in der Versenkung verschwindet. Wir werden sehr deutlich einfordern, dass dem damaligen Bedauern und den Worten des Exaußenministers Steinmeier weitere Schritte in Richtung Anerkennung von Mitverantwortung und Schlussfolgerung folgen werden. Das betrifft insbesondere die Militärdiktaturzeit. Wir werden weitere Zugänglichmachung von Akten und Archiven einfordern. Neben dem Auswärtigen Amt betrifft das vor allen Dingen den BND, das Bundeskanzleramt, aber auch die Staatskanzlei in München. Wir brauchen endlich konsequente Strafverfolgung durch die Justiz. Dass Hartmut Hopp immer noch frei herumläuft, ist ein Skandal, finde ich. Wir brauchen auch endlich wirkungsvolle Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad, egal an welcher Stelle der Welt sie sich gerade aufhalten. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will abschließend den Opfern der Colonia Dignidad versichern: Sie haben heute hier im Deutschen Bundestag Gehör gefunden. Das ist ein wichtiger Erfolg Ihres jahrzehntelangen Kampfes. Auch wenn die Linke auf dem heute hier zu beschließenden Antrag „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“ nicht mit draufsteht, haben die Opfer auch in uns eine Partnerin im Kampf um Gerechtigkeit, um Wahrheit, um Aufklärung und um Wiedergutmachung. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Christian Flisek für die Fraktion der SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christian Flisek (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Vertreter der Betroffenen! Als ich im November letzten Jahres gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen des Rechtsausschusses das Gelände der Colonia Dignidad besuchte, war es schwer, an diesem Tag aufgrund der zahlreichen Berichte nicht die Fassung zu verlieren. Die Betroffenen, mit denen wir und mit denen ich in Chile und später auch hier in Berlin sprechen konnten, sind gebrochene Seelen. Einige von ihnen sind heute hier. Für mich ist klar: Die Geschichte der Kolonie, aber insbesondere auch diese persönlichen Lebensgeschichten dürfen nicht vergessen werden. Daher erlaube ich mir, an dieser Stelle zwei kurze Zitate aus Berichten von Rainer und Werner Schmidtke vorzulesen. Ich traf beide Anfang Februar hier in Berlin. Sie wurden in Deutschland geboren und kamen im Kindesalter in die Kolonie. Rainer Schmidtke berichtet: Wir Kinder wurden, nachdem wir in der Kolonie angekommen waren, nach Alter und Geschlecht sortiert und in Gruppen aufgeteilt. Alles, was man von zu Hause mitgebracht hatte, wurde einem weggenommen, von der Zahnbürste bis zur gesamten Kleidung. Mutti war nicht mehr da, das heißt, ich wurde ihr weggenommen. Ich erinnere mich, wie ich jahrelang fast täglich vor Angst und Stress in die Hose machte. Sein Bruder Werner schildert seine Erlebnisse: Ich habe wie auch meine Brüder das Allerschlimmste erfahren, dem Tod ins Auge gesehen und überlebt. Ich war Sklave einer namenlosen Sondergruppe, die fast zwei Jahrzehnte lang Terror, der Folter und der Willkür einiger Folterknechte ausgeliefert war, und das schon im Kindesalter ab etwa acht Jahren. Bei trocken Brot und Wasser galt es, unter Peitschenhieben Zwangsarbeit zu leisten. Werner Schmidtke beehrt unsere Debatte heute durch seine persönliche Anwesenheit im Plenum. Ich möchte Sie herzlich begrüßen, Herr Schmidtke. (Beifall im ganzen Hause) Dass dieser unglaubliche Missbrauch nicht in Vergessenheit geraten ist, ist in erster Linie den Betroffenen selbst und ihren Angehörigen zu verdanken, den zahlreichen Menschenrechtsanwälten und aktivisten und vielen Organisationen, die seit Jahrzehnten an diesem Thema arbeiten. Ich bin sehr dankbar, dass der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages damals den Vorschlag der SPD-Arbeitsgruppe aufgegriffen hat, eine Delegationsreise nach Argentinien und Chile zu unternehmen und bei der Gelegenheit auch die Colonia Dignidad zu besuchen. Wir haben als erste Delegation von Bundestagsabgeordneten das Gelände der Kolonie besuchen können, einen Ort, der so eng verwoben ist mit deutscher und chilenischer Geschichte, mit dem Leid und Leben vieler Deutscher und auch unzähliger Chilenen; denn die Kolonie war in den Jahren der Militärdiktatur auch ein Ort, an dem Oppositionelle vom chilenischen Inlandsgeheimdienst auf brutalste Weise gefoltert und ermordet wurden. Das zeigt die Komplexität. Uns war klar, dass wir ein System wie das der Colonia Dignidad nicht durch einen Besuch durchdringen können. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute einen überfraktionellen Antrag zur Aufarbeitung der Verbrechen in der Kolonie verabschieden können. In diesem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, die strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland und Chile voranzutreiben, ein Konzept für die gemeinsame Einrichtung einer nach wissenschaftlichen Kriterien gestalteten Begegnungsstätte vorzulegen. Besonders wichtig für die Betroffenen: Wir fordern von der Bundesregierung, ein Konzept für Hilfsleistungen für die Opfer vorzulegen, die heute in schwersten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Sehr geehrte Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, dies kann nur der Anfang für weitere Aufarbeitung sein. Lassen Sie uns bitte genau hinschauen, gerade weil die Geschehnisse an einem Ort stattfanden, der so weit von Deutschland entfernt ist. Ich bin aber sicher, dass unseren Worten heute endlich auch Taten folgen werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die Kollegin Renate Künast hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmidtke, Herr Wagner, stellvertretend für andere, die dort waren! Ich habe in meinem Leben schon eine Menge gesehen und bin eigentlich gar nicht so leicht zu erschüttern, außer als wir mit sieben Abgeordneten im letzten November in der ehemaligen Kolonie waren. Ich war schon vorher erschüttert, weil ich bei den Vorbereitungen gemerkt habe: Da ist so viel Energie drin, so viel Verletzung, so viel Traumatisierung, so viel Ohnmacht und so viel Wir-werden-nicht-gehört, dass ich mich, als wir uns früh morgens auf den Weg zu einer vierstündigen Busfahrt zur Kolonie gemacht haben, gefragt habe, was das werden wird. Ich muss sagen – das habe ich selten erlebt –, dass alle aus dieser Delegation enorm beeindruckt waren und es heute noch sind. Der größte Eindruck für mich ist, dass wir Verantwortung haben und dass wir unserer Verantwortung bisher nicht gerecht geworden sind. Wir haben weggesehen. Deutsche Behörden haben weggesehen, und man müsste schon ziemlich viel Tuch über die Augen legen, um da nichts zu sehen. Kinder sind dorthin entführt worden und wurden missbraucht. Die Eltern sind belogen worden. Dort wurde gemordet. Es gab Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, Sklavenarbeit, Folter, Psychopharmaka ohne Indikation – an den Bewohnern, an den Kindern, die von ihren Eltern getrennt wurden. Ich weiß noch, dass wir am Anfang in einer Halle waren und uns an verschiedenen Stellen zum Kaffee hingesetzt haben; Sie erinnern sich. Mir ging es so: Ich kam mit einer Frau ins Gespräch, die dort als Kleinkind hingekommen war und mir mal eben beim Kaffee und beim ersten Keks – es war wirklich eine klassisch deutsche, gemütliche Struktur: Berge von Kuchen und Keksen – ihr Leben ausgebreitet hat. Da konnte man eigentlich die Fassung verlieren. Es wurde geschildert, wie Zweijährige behandelt werden. Sie durften ihre Eltern nicht sehen, sie durften auf der Straße nicht miteinander reden. Es gab Elektroschocks für die Jungen. Die Frau selber wurde ebenfalls mit Elektroschocks an den Genitalien behandelt und konnte deshalb keine Kinder mehr bekommen. Sie hat weiter erzählt, dass ihr Mann, der auch als Kind dort aufgewachsen ist, später wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt wurde, weil er Herrn Schäfer offensichtlich Jungs zugeführt hat. Daran sieht man das ganze Drama. Da kann man Täter und Opfer manchmal nicht auseinanderhalten. Wir als Deutschland haben nicht hingesehen, nicht geholfen. In idyllischer Landschaft gelegen mit einem Zaun, bei dem der Draht nach innen zeigt, damit man nicht heraus kann, kann die Kolonie keiner in der Botschaft gesehen haben, obwohl es doch ein, zwei Personen gab, denen aber nicht zugehört wurde, weil sie nicht gemocht wurden. Seit 1966 hätten wir davon wissen können, weil zu dem Zeitpunkt der Erste, der geflohen war, öffentlich darüber berichtete. Mein Eindruck ist: Es gibt eine gewisse Traumatisierung und vielleicht auch ein Gar-nicht-gelernt-Haben, in einer freien Welt zu leben. Sie sind um ihr Leben betrogen worden. Deutschland – ich sage wir, weil wir ja die Generation sind, die es aufklären muss – hat sich nicht gekümmert. Sie haben schon als Kinder 7 Tage die Woche, 16 Stunden am Tag auf dem Acker gearbeitet. Keiner hat für sie eingezahlt, und heute sind sie arm. Wir haben Verantwortung. (Beifall im ganzen Hause) Wir haben auch für eine andere Gruppe Verantwortung; ich habe ein paar Fotos, die mich sehr beeindruckt haben. Dieses Gelände ist von Paul Schäfer offensichtlich auch genutzt worden, um vor dem Putsch gegen Allende Waffen herzustellen. Irgendwelche Leute haben da Unterschlupf gefunden. Während der Militärdiktatur waren mindestens 350 Chilenen dort. 100 sind wohl ermordet und dort verscharrt worden. Unser Tag dort hat damit begonnen, dass wir an einem solchen ehemaligen Massengrab, in dem man später Menschen-DNA gefunden hat, zusammen Blumen niedergelegt haben. Die Opfer sind an anderen Stellen verscharrt worden. Wir haben sie gefunden, weil Jugendliche das damals gesehen haben und mit hinfuhren. Es gab eine gemeinsame Gedenkminute mit den nicht mehr dort lebenden Deutschen und denen, die noch dort leben. Wahnsinn! Wenn ich noch eine Minute Redezeit bekomme, Herr Präsident, würde ich gerne noch sagen, um was es geht: Wir haben an einem Folterkeller gestanden mit einem Mann über 50, der draußen lebt und der uns erzählt hat, dass er über diesem Folterkeller – darüber war einmal eine Schneiderei – als Junge nachts alleine schlafen musste – man hat sie immer separiert, sie wurden mit Elektroschocks behandelt; denn sie sollten nicht miteinander reden, das war Terror – und wie er da oben lag und unten im Keller die Chilenen gefoltert wurden. Er hat erzählt, wie das war: Ich lag da alleine, und sie haben erbärmlich geschrien, und wenn das Schreien aufhörte, habe ich gedacht, sie sind tot. Und sie waren doch nicht tot, weil das Schreien wieder da war. – Ich sage noch einmal: Wir haben Verantwortung. Wir hätten auch als Deutsche ein Stück mehr mitkriegen müssen. Um einen großen Bogen zu spannen, möchte ich sagen: Ich bin dankbar, dass am Ende – wenn auch auf großen Umwegen; aber es zählt ja das Ergebnis – alle Fraktionen zustimmen und damit ausgedrückt ist, dass wir jetzt eine Aufarbeitung wollen. Es war ein langer Weg, auf dem die Dinge wirklich unmöglich gelaufen sind, einschließlich das Falles von Paul Schäfer, gegen den es schon 1961 einen Haftbefehl gab, den man in Chile suchte, aber den man scheinbar nie finden wollte. Vielleicht wollten auch die Chilenen nicht, dass er gefunden wird. Erst 1996 war es dann so weit, dass es ein Ermittlungsverfahren gab. 2005 wurde er festgenommen. Es ist doch schaurig, wenn man bedenkt, dass man das alles eigentlich nicht übersehen konnte. Wir müssen jetzt eines tun: Auf der einen Seite müssen wir mit der chilenischen Regierung und dem chilenischen Volk zusammen Aufarbeitung betreiben, einen Ort des Gedenkens und des Lernens finden für das, was da an chilenischer Folter passiert ist. Auf der anderen Seite müssen wir auch den deutschen Staatsangehörigen gegenüber etwas machen, aufarbeiten, sagen, was war – man nennt das Oral History –, und am Ende einen Weg für eine Entschädigung finden. (Beifall im ganzen Hause) Diese Menschen konnten nicht erwerbstätig sein. Sie leben jetzt von sehr wenig. Ich glaube, dass dies am vorletzten Tag des Plenums ein großer Arbeitsauftrag für die nächste Legislaturperiode ist, und ich freue mich, dass ich schon bei einigen ahnen kann, dass wir gemeinsam in der nächsten Wahlperiode dranbleiben werden. Das ist ein Auftrag. Insofern ist der 30. Juni 2018 auch ein Datum, das in Richtung Regierung zielt. Sie dürfen schon anfangen, an den Konzepten zu arbeiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Michael Brand das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Flisek [SPD]) Michael Brand (CDU/CSU): Alle Kinder mussten da so schlafen, durften nur auf dem Rücken liegen, die Hände daneben, nackt. Das Gesicht wurde von diesen Wachleuten zugedeckt, und es wurde uns nasse Watte in die Ohren gesteckt. Und dann nachts wurdest du dann mit Strom aus dem Schlaf gerissen. Das waren immer so Elektrogeräte, die haben die immer in die Genitalien reingehalten. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das berichtete einer der rund 300 Menschen, die in der streng abgeriegelten Siedlung leben mussten, versklavt, gefoltert, viele von ihnen sexuell missbraucht von diesem ekelhaften Sadisten Paul Schäfer und seiner Verbrecherclique. Man hat mir Spritzen, Tabletten gegeben. Und dann warst du nur – ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll – benebelt. Ich wusste, ich bin gar nicht mehr ich. So erinnert sich eine Frau an die Misshandlungen im Krankenhaus. Es fällt mir schwer, heute darüber zu sprechen, auch das auszusprechen. Ich habe mit Anfang 20 in Bosnien in Massengräber geblickt, habe mich dort im Land in einer Menschenrechtsorganisation engagiert, vor allem auch für die überlebenden Frauen aus Srebrenica. Wir haben dokumentiert, was damals passiert ist. Ich sage das deswegen, weil es mir so geht wie Renate Künast, als ich dann vor den Opfern und Überlebenden der Colonia hier gesessen habe. Es sind damals in Bosnien viele Tränen geflossen. Es waren auch Unverständnis und Wut dabei über die Täter, über das Wegschauen von denen, die ganz sicher etwas hätten tun können. In der Zeit habe ich erfahren, vielleicht auch nur erahnt, was es heißt, mit einer Traumatisierung leben zu müssen. Als ich dann vor zwei Jahren als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses Opfer zum Gespräch eingeladen habe, dachte ich, das Thema der sogenannten „Colonia Dignidad“ spiele sich in der Vergangenheit ab. Nein, ich bin eines Besseren belehrt worden. Ich muss zugeben: Ich war wirklich sprachlos, als ich im Kreise mit ihnen zusammengesessen habe. Es war entsetzlich, was berichtet worden ist. Es bewegt mich, dass heute Überlebende aus der „würdelosen Kolonie“ bei uns sind. Es ist uns eine Ehre, dass Sie heute den Weg in den Deutschen Bundestag gefunden haben; denn Sie ehren das Hohe Haus mit Ihrem Besuch. (Beifall im ganzen Hause) Ich möchte mich – das hört sich pathetisch an; aber es ist genau so gemeint, wie ich es sage – vor Ihnen verneigen. Ich möchte meinen tiefen Respekt dafür ausdrücken, dass Sie nicht gebrochen sind, dass Sie nicht verbittert sind. Sie haben meinen tiefen Respekt, dass Sie das alles ertragen haben und dass Sie heute dafür sorgen, dass erlittenes Unrecht nicht vergessen wird, dass Sie dafür kämpfen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt, dass die Vergangenheit aufgearbeitet wird und dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Ja, es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, die ich bei unserem Treffen wahrgenommen habe, dass eine 70-jährige Frau, die in dieser Kolonie ein Opfer war, ihr Leben lang Zwangsarbeit geleistet hat und heute eine Rente von 112 Euro erhält, während Täter wie der frühere Arzt Hopp, der heute in Krefeld lebt, mit allen Raffinessen ausgestattet, vermutlich über Finanzquellen aus dem damaligen Unrecht verfügen. Es ist ein hochkomplexes System, in dem Verbrecher versuchen, ihre Taten zu verschleiern und ihren Profit daraus zu ziehen. Deswegen braucht es endlich mehr Licht im Dunkeln. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Täter in Deutschland weitgehend unbehelligt leben und die Opfer in die Röhre schauen. Lange war Gras über die schlimmsten Verbrechen gewachsen, die Opfer auch weitgehend vergessen. Damit muss Schluss sein. Das sind wir als Deutscher Bundestag den Überlebenden schuldig. (Beifall im ganzen Hause) Chile trägt Verantwortung für die Verbrechen, die während der Zeit der Militärdiktatur begangen wurden, aber Deutschland trägt eine moralische und auch politische Mitverantwortung. Deutsche Diplomaten haben sich mitschuldig gemacht. Ignoranz bedeutet auch Schuld. Den Opfern eine Stimme geben, konkrete Unterstützung für sie, Aufarbeitung der Verbrechen und eine bessere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf der deutschen und auf der chilenischen Seite sind die wichtigsten Ziele dieses fraktionsübergreifenden Antrags. Ich möchte von Herzen allen danken, die mit Energie und Empathie dabei mitgeholfen haben. Ich danke Renate Künast, Christian Flisek, Stephan Harbarth, Volker Ullrich, Klaus Barthel und vielen mehr, die ihren Beitrag geleistet haben. Es war kein einfacher Weg bis hierher. Deswegen bin auch ich froh, dass wir über diese Frage doch noch, einen Tag bevor die letzte Sitzungswoche in dieser Wahlperiode endet, entscheiden können. Es ist aus meiner Sicht ein politisch starkes Signal, das wir mit diesem fraktionsübergreifenden Antrag setzen, versehen mit einer Frist, um die konkreten Maßnahmen der Bundesregierung einzufordern. Das Thema darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die Überlebenden sind nicht mehr in jungen Jahren. Wer es jetzt auf die lange Bank schiebt, macht sich ein zweites Mal schuldig. Der erste Schritt wird heute getan. Aber helfen Sie bitte alle mit. Das ist schon die Ankündigung, eine Drohung, dass wir in den Monaten nach der Wahl dieses Thema aktiv begleiten werden. Wir wollen ein Ergebnis haben, und wir werden nicht ruhen, bis wir ein ordentliches konkretes Ergebnis haben. Auch das sind wir den Überlebenden schuldig. Ich sage noch einmal: Es ist schön, dass Sie heute gekommen sind. Es ist für uns eine besondere Stunde und Ehre. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Klaus Barthel (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die bisherigen Reden haben gezeigt, warum es notwendig war, dass wir gemeinsam darauf bestanden haben, dass auch zu so einer späten Stunde, um halb zwölf in der Nacht, zu diesem Tagesordnungspunkt noch geredet wird und die Reden nicht zu Protokoll gehen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE]) Ich denke, das sind wir den Opfern, die heute da sind, und ihren Vertreterinnen und Vertretern schuldig, all denen, die sich in der letzten Zeit auch journalistisch und wissenschaftlich mit dieser Frage beschäftigt haben, den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen. Sie haben ja gehört: Eigentlich geben die Reden Bausteine wieder, die sich überhaupt nicht widersprechen. Sie sehen daran auch – ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen an die Öffentlichkeit –, wie intensiv wir uns gemeinsam mit dieser Geschichte beschäftigt haben. Ich will an einer Stelle bitten, den Sprachgebrauch zu ändern. Ich glaube, wir sollten nicht ohne Anführungszeichen von der „Colonia Dignidad“ reden; denn es hat nichts mit „Würde“ zu tun, und es ist die Tätersprache. Ich rede dann immer lieber nur von der „Kolonie“. Ich bedauere es auch, dass die Linksfraktion nicht mit in der Kopfzeile stehen darf. Denn auch Sie von der Linken haben mit vielen Anfragen dazu beigetragen, dass das Thema nicht vergessen wurde, und wir haben uns über unser weiteres Vorgehen abgestimmt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, in einer künftigen Legislaturperiode muss diese Ausgrenzeritis auch mal ein Ende haben, (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weil sie der Sache nicht gerecht wird, gerade auch bei solchen Fragen, bei denen es ganz wichtig ist, dass ein gemeinsames Signal vom Deutschen Bundestag ausgeht. Auch ich will sagen, dass es mich schon überrascht hat, dass nach so vielen Jahren – die Geschichte fing ja in den 60er-Jahren an – durchaus immer noch relativ starke, wirksame Kräfte unterwegs sind, die so einer parlamentarischen Initiative ihren Widerstand entgegensetzen, und dass es da schon irgendwie noch alte Mächte geben muss – sowohl in Chile als auch hier bei uns ist das zu spüren. Ich will es nicht im Detail ausführen. Aber dass es über ein Jahr gedauert hat, bis wir uns hier – in der letzten Sitzungswoche – mit dem Antrag befassen, ist schon ein Zeichen dafür, dass die Vertuscher und Verschweiger noch unterwegs sind, ebenso die Tatsache, die Herr Brand gerade angesprochen hat, nämlich, dass Täter wie Herr Hopp heute noch frei herumlaufen und mit viel Geld und guten Anwälten unterwegs sind, während wir es auf der anderen Seite mit Opfern zu tun haben, die heute von Hartz IV leben müssen, obwohl sie ihr Leben lang Sklavenarbeit geleistet haben, und wir heute darüber streiten müssen, ob es sich um Entschädigung oder um Hilfe handelt. Und dann kommt noch der Haushaltsvorbehalt und, und, und. Aber es ist gut, dass jetzt im Antrag alles so formuliert ist, dass es ein hohes Maß an Verbindlichkeit gibt. Es ist höchste Zeit, aufzuarbeiten, und es ist deutlich zu machen, dass es in dieser Frage politische Verantwortung gibt, auch wenn die Sekte eine Sekte oder eigentlich ein privates Wirtschaftsunternehmen war. Ich glaube, es wird ganz deutlich, dass wir alle, in allen Parteien und Fraktionen, die hier heute vertreten sind, Verantwortung zu tragen haben. Denn die Geschichte läuft schon länger: Den ersten Antrag zur Kolonie gab es zu rot-grünen Zeiten. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war sogar zum Schluss!) – Nein, 2002. Da hätten wir noch drei Jahre Zeit gehabt. – Da haben sich also alle nicht mit Ruhm bekleckert. Umso notwendiger war es, dass Frank-Walter Steinmeier vor einem Jahr das Signal gegeben hat, dass wir die Verantwortung übernehmen, sodass wir jetzt einen klaren Auftrag formulieren konnten. Insofern ist es auch gut, dass Staatsminister Michael Roth und Staatssekretär Meister aus den verantwortlichen Ministerien da sind. Ich hoffe, dass der kommende Deutsche Bundestag diesem Antrag Nachdruck verschaffen wird und mithelfen wird, zusammen mit den Ministerien das umzusetzen, was wir hier gemeinsam formulieren. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Barthel, vielen Dank. Das war gleichzeitig auch Ihre letzte Rede im Bundestag, wenn ich richtig informiert bin. (Beifall) Sie haben dem Deutschen Bundestag sechs Legislaturperioden angehört und dabei viele entscheidende Funktionen ausgeübt. Sie haben aber auch den Deutschen Bundestag in Organisationen und Institutionen vertreten, beispielsweise in der Bundesnetzagentur, in der wir gemeinsam gearbeitet haben. Ich möchte Ihnen dafür herzlich danken. (Beifall) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12943 mit dem Titel „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“. Dazu liegt mir eine Stellungnahme nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.9 Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Antrag ist damit mit allen Stimmen des Hohen Hauses angenommen. (Beifall im ganzen Hause) Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 22 b. Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Harald Petzold und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 18/11805 mit dem Titel „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer“. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Damit verlassen wir diesen Tagesordnungspunkt. Ich darf auch von dieser Seite die anwesenden Opfer der sogenannten Colonia Dignidad herzlich begrüßen und Ihnen danken, dass Sie an dieser Debatte teilgenommen haben. (Beifall im ganzen Hause) Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung Drucksache 18/9125 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 18/12839 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Widerspruch dagegen erhebt sich nicht.10 Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12839, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/9125 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Deshalb kann ich unmittelbar darauf den Tagesordnungspunkt 24 aufrufen: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes Drucksache 18/11627 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/13009 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Widerspruch sehe ich nicht. Dann haben wir das so beschlossen. Deshalb kann ich die Aussprache sofort eröffnen. Ich kann als erstem Redner dem Kollegen Marcus Held für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. – Da der Kollege nicht anwesend ist, (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Der schläft!) erteile ich als erster Rednerin Barbara Lanzinger für die CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem sehr nachdenklichen Tagesordnungspunkt diskutieren wir jetzt zu später Stunde über einen nicht weniger wichtigen, aber sicherlich nicht so wesentlichen Tagesordnungspunkt. Wir bringen heute die nationale Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie zu einem guten Abschluss. Das war mir und auch unserer Fraktion in dieser Legislatur ein großes Anliegen, aber – das sage ich sehr bestimmt – nicht um jeden Preis. Wir haben das Gesetz im parlamentarischen Verfahren daher maßgeblich verändert. Das war ordnungspolitisch sinnvoll und wirtschafts- und verbraucherschutzpolitisch notwendig. Mein Ziel war, wirklich nur das Notwendige gesetzlich zu regeln, den Verbraucherschutz durchaus zu stärken, jedoch auch, dass der mündige Bürger selber entscheiden kann und dass der Wirtschaft keine unnötigen Regularien aufgebürdet werden. Wir haben daher auf eine möglichst weitgehende Eins-zu-eins-Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie gedrungen, die ja generell als sehr positiv bewertet wird. Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf grundlegend verändert, zuvorderst die Vergütungsregelungen für Versicherungsmakler und berater. Der ursprüngliche Vorschlag wäre weit über die Richtlinie hinausgegangen und hätte unnötig in den Tätigkeitsbereich der Makler eingegriffen. Diese hätten sich nur noch vom Versicherungsunternehmen vergüten lassen dürfen, Berater nur noch vom Kunden. Das Provisionsgebot stand dem Provisionsverbot gegenüber. Das wäre unverhältnismäßig gewesen und hätte für den Verbraucherschutz rein gar nichts gebracht. Zahlen und Daten über Missstände liegen nicht vor. Es gibt aktuell etwa 48 000 Makler gegenüber circa 300 Beratern. Es gibt keine große Nachfrage nach Beratern. Der einfache Bürger wäre der Leidtragende gewesen. Es bleibt deshalb so, wie es war: Der Versicherungsmakler darf sich gegen Honorar und Provision vergüten lassen, so wie es die Richtlinie vorsieht. Wir setzen auch auf die Weiterbildungspflicht mit Augenmaß. Die Richtlinie legt fest, dass die maßgeblichen Personen der Leitungsstruktur und des Versicherungsvertriebs sich 15 Stunden pro Jahr fortbilden müssen. Das ist gut und sinnvoll. Darüber hinaus jedoch sollen und werden die Regelungen nicht gehen. Wir haben festgelegt, dass sich nur die relevanten Personen fortbilden müssen und dass das möglichst ohne Verwaltungsaufwand umgesetzt wird. Das ist im Sinn unseres Mittelstands und der Verbraucher. Für die Details wird eine Verordnung erstellt, der der Bundestag zustimmen muss. Wir schaffen mehr Transparenz und Informationspflichten bei der sogenannten Restschuldversicherung. Dieser Bereich ist teilweise undurchsichtig, und es bestehen durchaus Fehlanreize beim Verkauf. Restschuldversicherungen sind nicht per se schlecht, aber der Kunde muss wissen, welches Produkt er kauft, welche Kosten entstehen und welche Widerrufsrechte er hat. Dafür sorgen wir durch erweiterte Informationspflichten für Unternehmen durch ein Produktinformationsblatt, welches bei Vertragsabschluss herausgegeben werden muss. Nach einer Woche muss noch einmal daran erinnert werden, dass der Kunde die Möglichkeit hat, zu kündigen. Vieles mehr haben wir verbessern können. Wir haben aktiv gestaltet. Sehr herzlich bedanke ich mich dafür bei meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, vor allem bei meiner Kollegin Astrid Grotelüschen und beim Kollegen Klaus-Peter Flosbach und auch allen anderen für die kluge und ergebnisorientierte Zusammenarbeit hierbei und in der gesamten Wahlperiode; die möchte ich einschließen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Marcus Held [SPD]) Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas Grundsätzliches zu dieser Wahlperiode anmerken: Mich und meine Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion hat bei der wirtschaftspolitischen Arbeit ein ordnungspolitischer Grundgedanke geleitet: so viel wie nötig und so wenig wie möglich zu regulieren. Da wir im Bund in dieser Legislatur auf einen Koalitionspartner angewiesen waren, wurde hier leider zu wenig in diese Richtung entschieden. Es ist nicht unsere Aufgabe, alles zu regeln und alles vorzuschreiben. Nicht alles, was geregelt werden kann, muss auch gesetzlich geregelt werden. (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) Es geht um das Wesentliche. Mir ist ein Satz sehr wichtig: Das Wesentliche unseres Handelns für unsere Menschen muss sein, dass das Wesentliche auch wesentlich bleibt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja jetzt fast philosophisch, kurz vor Mitternacht!) Bürgerinnen und Bürger brauchen solide Grundlagen und Informationen. Die Zauberworte heißen „Selbstverantwortung“ und „mündiger Verbraucher“. Thomas von Aquin hat gesagt: Für Wunder muß man beten, für Veränderungen muß man arbeiten. Wir haben viel erreicht. Ihnen und euch allen danke. Alles Gute, und bedenken Sie: Politische Tageserfolge können im Bewusstsein verblassen, was aber bleibt und weiterwirkt, ist die Kraft und die Geschlossenheit einer Haltung, hinter der eine Idee steht. Alles Gute! Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Liebe Kollegin Lanzinger, das war Ihre letzte Rede. Ich möchte Ihnen für Ihre Tätigkeit als Abgeordnete hier im Hohen Hause herzlich danken, für die wichtigen Impulse und die Anstöße, die Sie gegeben haben. Ich möchte nur den Hospizbereich erwähnen. Dafür einen herzlichen Dank. (Beifall) Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Karawanskij für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident, ich korrigiere Sie nur ungern, aber auf das „a“ in Susanna bestehe ich wirklich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD ist auf viel Resonanz gestoßen. Diese Resonanz aus der Branche hat sich vor allen Dingen in Stellungnahmen niedergeschlagen. Ich selber habe über 200 Zuschriften bekommen. Das zeigt, wie wichtig diese Richtlinie ist, und vor allen Dingen, wie viel Aufmerksamkeit ihr gebührt. Deshalb komme ich nicht darum herum, festzustellen, dass die schwarz-rote Bundesregierung zum Abschluss dieser Wahlperiode etwas wiederholt hat, was sie schon am Anfang dieser Wahlperiode gemacht hat: Sie ist wieder einmal vor der Versicherungslobby eingeknickt. In letzter Sekunde gab es durchaus weitreichende Änderungen an dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Versicherungsrichtlinie IDD, die eines zeigen: Der Koalitionsvertrag ist nun de facto bzw. endgültig Makulatur. (Zuruf von der CDU/CSU: Seit gestern schon!) In Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass die Honorarberatung bzw. die unabhängige Beratung gestärkt werden soll. Diesem Anspruch sind Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht nachgekommen. Meine Damen und Herren, es gibt eine Diskrepanz, die nicht ohne Weiteres aufzulösen ist, nämlich einen Interessenskonflikt zwischen dem Interesse des Kunden, der vor allen Dingen eine bedarfsgerechte Versicherung haben möchte, und dem Vergütungsinteresse des Vermittlers, der für den Abschluss einer bestimmten Versicherung eine Provision bekommt. Will man diesen Interessenskonflikt tatsächlich entschärfen, muss man die unabhängige Beratung deutlich stärken. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gleiche Augenhöhe zwischen Honorarberatern und Provisionsvermittlern wäre ein erster Schritt zu einer tatsächlich verbraucherfreundlicheren Beratung gewesen. Diesen Schritt machen Sie aber nicht. Er wurde von der Großen Koalition im Gesetzgebungsverfahren immer wieder bewusst unterlaufen. Ein Beispiel dafür ist die von Ihnen aufgeführte Scheinargumentation, dass Honorarversicherungsberater – wir haben es gerade wieder gehört – nicht gestärkt werden können, weil es nur wenige von ihnen gibt. Also setzen Sie nicht auf die unabhängige Beratung, sondern bleiben stattdessen dem Provisionssystem treu. Über kurz oder lang brauchen wir allerdings – mit entsprechenden Übergangsfristen – eine Trennung von Provision und Honorarvergütung. Ein anderes Beispiel ist, dass Sie das geplante Honorarannahmeverbot für Versicherungsmakler aufgehoben haben. Damit ermöglichen Sie weiterhin Mischmodelle, die für die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger Transparenz und vor allen Dingen Unklarheit bedeuten. Da die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erkennen können, nach welchem Vergütungsmodell sie gerade beraten werden, können sie das Vorgehen des Versicherungsmaklers schlicht und ergreifend nicht nachvollziehen. Das ist unerhört. Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Folgen von Falsch- und Fehlberatung im Finanz- und Versicherungsbereich in Deutschland bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Schätzungen zufolge Schäden in Höhe von 30 bis 98 Milliarden Euro verursachen. In der Kürze der Zeit möchte ich noch auf weitere Kritikpunkte eingehen. Zunächst komme ich zum Stichwort „Provisionsdurchleitungsgebot“. Da bleibt das Prämienkonto für die Versicherten eine Blackbox. Es ist willkürlich und überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Verbraucher nur 80 Prozent der kalkulierten Zuwendungen an Dritte erhalten sollen. Dieser 20-prozentige pauschale Abzug wäre nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zu einem Nettopreissystem. Weiter nenne ich das Versäumnis, dass das Provisionsabgabeverbot nicht abgeschafft wurde. Auch das wäre ein wichtiger Schritt zur Herstellung von Augenhöhe für die Honorarberatung gewesen. (Beifall bei der LINKEN) Im Hinblick auf das Problem der Restschuldversicherung fordern wir Linke, dass diese zeitlich getrennt von der Kreditvergabe – also von dem Abschluss von Kreditverträgen – mit einer umfangreichen Verbraucherinformation bzw. -beratung einhergehen muss, (Beifall bei der LINKEN) damit Kopplungsgeschäfte ausgeschlossen werden können. Gleichzeitig fordern wir, dass sämtliche Vermittler von Restschuldversicherungen, die das im Nebengeschäft tun, einer Zulassungsverpflichtung unterliegen oder zumindest produktbezogene Kenntnisse vorweisen müssen. An dieser Stelle muss ich zum Schluss noch sagen: Es wurde leider auch versäumt, im Rahmen dieses Schrittes – die CDU/CSU-Fraktion und auch die SPD-Fraktion haben das verpasst – die verbraucherpolitischen Leerstellen im Versicherungsbetrieb zu schließen. Deshalb werden wir das ablehnen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Das Wort hat jetzt der schon angekündigte Kollege Marcus Held für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Marcus Held (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die äußeren Umstände lassen es heute Abend nicht zu, dass jeder pünktlich zum Reichstag kommen kann. Aber jetzt bin ich da, um für die SPD-Fraktion zu der wichtigen Versicherungsrichtlinie, zur sogenannten IDD, zu sprechen. Das ist heute Abend ein wichtiges Thema. Wir wollen das noch in dieser Wahlperiode verabschieden, bevor es dann morgen noch zum Höhepunkt kommen wird. Wir haben uns, was die IDD betrifft, sehr intensiv beraten. Seitdem uns der Entwurf der Europäischen Union am 20. Januar 2016 zugegangen ist, haben wir uns über ein Jahr Zeit gelassen. Wir haben erhebliche, intensive Prüfungen vorgenommen und Gespräche mit allen Beteiligten geführt – eben nicht nur, wie gerade behauptet worden ist, mit der Branche, sondern auch und vor allem mit den Verbraucherschützern und den Verbraucherschutzverbänden. Darauf werde ich aber noch im Einzelnen kommen. Uns ist – deshalb freue ich mich, dass das Gesetz jetzt so zur Umsetzung kommt – die Weiterbildungspflicht wichtig. Denn wir wollen mehr Qualität bei den Versicherern – und damit beim Verbraucher – haben. Für Gewerbetreibende und die unmittelbar bei der Vermittlung und Beratung mitwirkenden Beschäftigten haben wir eingeführt, dass es pro Jahr mindestens 15 Stunden Weiterbildung geben muss. Diese Pflicht ist hier auch entsprechend aufgenommen worden. Das Nähere wird eine Verordnung regeln, die wir mit einem entsprechenden Parlamentsvorbehalt versehen haben, sodass sich das Hohe Haus in der kommenden Wahlperiode mit den Details der Weiterbildung zu befassen hat. Wir haben auch dadurch für mehr Verbraucherschutz gesorgt, dass wir mit diesem Gesetz die Beratungspflicht verschärft haben. Künftig ist die Beratung auch für den Fall notwendig, dass der Vertrag im Rahmen eines sogenannten Fernabsatzes geschlossen wird. Also auch im Onlinegeschäft gibt es künftig keine Privilegierungen gegenüber den normalen Versicherungsvermittlern und Versicherungsmaklern. Das war uns sehr wichtig. Wir haben entgegen dem, was ursprünglich in der Diskussion behandelt wurde, eine neue Situation. Im Ergebnis haben wir jetzt nämlich gesagt: Die Versicherungsvermittler sollen weiterhin gegenüber Privatkunden sowohl auf Honorarbasis als auch auf der Basis von Provisionen arbeiten können. Hier hat der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung noch eine strikte Trennung vorgesehen. Wir sind aber der Meinung: Honorarversicherungsberater sollen künftig im Umkehrschluss nicht nur beraten, sondern auch Versicherungen vermitteln dürfen. Sie sollen für ihre Leistungen ausschließlich von den Kunden, nicht aber von den Versicherungen bezahlt werden. Wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf also alle Flexibilität in alle Richtungen und nehmen hier keine scharfe Trennung vor, wie das ursprünglich vorgesehen war. Das Thema der letzten Tage und Wochen war die Restschuldversicherung. Man hätte fast den Eindruck gewinnen können, dass es bei der IDD nur um die Restschuldversicherung gegangen ist. Es war ganz im Gegenteil, aber dieses Thema hat uns in der öffentlichen Diskussion noch einmal sehr beherrscht. Deshalb haben wir gesagt: In diesen Gesetzentwurf werden besondere Regelungen zur Restschuldversicherung aufgenommen. Anlass dafür war vor allem, dass bei Verbrauchern in vielen Fällen der falsche Eindruck erweckt worden war, ein Darlehen nur dann zu erhalten, wenn auch eine Restschuldversicherung abgeschlossen wird. Gleichzeitig sind sich viele Verbraucher nicht bewusst, welche Risiken eine Restschuldversicherung tatsächlich abdeckt und welche Kosten damit verbunden sind. Die Verbraucher sollen daher losgelöst von der konkreten Verkaufssituation im Abstand von einer Woche nochmals besonders darauf aufmerksam gemacht werden, dass der Vertrag zur Restschuldversicherung widerrufen werden kann, ohne dass damit verbunden auch der Darlehensvertrag gefährdet würde. Dabei muss auch das vollständige Produktinformationsblatt mit übermittelt werden, damit die Betroffenen künftig nochmals die Gelegenheit bekommen, den Abschluss der Restschuldversicherung zu überprüfen und zu überdenken. Insofern sind wir auf die Forderung nach der zeitlichen Trennung, die eben auch von der Kollegin genannt worden ist, sehr wohl eingegangen. Es freut mich ebenfalls, dass wir den § 155 ins VVG aufnehmen konnten, nämlich die Verpflichtung, dass künftig Versicherungsnehmer bei Versicherungen mit Überschussbeteiligung jährlich in Textform über die Entwicklung der Ansprüche unterrichtet werden müssen. Dies ist bisher nicht ganzheitlich geregelt, und das ist auch eine Verbesserung, die vom Verbraucherschutz gefordert worden ist. Ich möchte mich zum Schluss ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit und die konstruktiven Diskussionen bedanken, die wir insbesondere auch in der Koalition zu diesem Thema führen durften. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal ganz herzlich bei Frau Lanzinger bedanken, die eben schon verabschiedet worden ist. Frau Lanzinger, die roten Nelken werden wir Ihnen noch nachschicken. Es hat immer viel Spaß gemacht mit Ihnen, und ich hoffe, dass Sie noch an die Weißwurst denken, die wir gemeinsam verzehren wollen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit an dieser Stelle genauso an den Kollegen Flosbach, der heute Abend ja auch seine letzte Rede hier im Hohen Hause halten wird. Ein Dankeschön aber auch an alle, die bei der öffentlichen Anhörung mit dabei waren; denn diese öffentliche Anhörung hat uns tatsächlich zu einem Umdenken in vielen Bereichen veranlasst. Deshalb ist es, glaube ich, ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Struck’sche Gesetz hier in besonderem Maße Geltung hat und dass solche öffentlichen Anhörungen kein Schaulaufen sind und von den Fraktionen nicht für Demonstrationen und die Vermittlung ihrer Auffassungen genutzt werden, wie immer wieder behauptet wird. Nein, hier war es im Gegenteil so, dass wir uns tatsächlich von den fachlichen Aussagen und von den Aussagen der Branche sowie vor allem auch der Verbraucherschutzverbände haben leiten lassen. Darauf sind wir im Ergebnis ganz besonders eingegangen. Ich denke, die Kriterien Verbraucherschutz und Qualitätsverbesserung stehen im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfes. Deshalb freue ich mich, dass wir zum Abschluss der Wahlperiode die wichtige IDD in dieser Form umsetzen können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der vorherigen Debatte über Folter und Unrecht kann man eigentlich nur ohne Ironie sagen: Was für ein Glück, dass wir hier jetzt frei über Provisionsdurchleitungen diskutieren können. Ist es nicht ein glückliches Land, das über so etwas diskutieren kann und bestimmte andere Probleme eben nicht hat? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich finde aber, das sollte kein Grund für bräsige Selbstzufriedenheit sein. Gerade beim Thema „Finanzieller Verbraucherschutz“ ist sie am allerwenigsten angesagt. Wenn man sich diesen Gesetzentwurf anschaut, dann sieht man, dass er das Ende einer langen Kette von Gesetzen ist, mit denen Sie Politik für die Anbieterseite – für die Sparkassen, die Banken und die Versicherungen – und gegen die Interessen der Kunden gemacht haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Das ist ja völliger Quatsch!) Ich finde, die Union ist wenigstens ehrlich. Frau Lanzinger hat es vorgetragen: Man will eigentlich gar nicht so viel regeln. Das sollen die Verbraucher alles selber mit sich ausmachen. Der Kanzlerkandidat der SPD hat dagegen beim Deutschen Verbrauchertag Versprechungen gemacht und sich dafür feiern lassen, was man alles für die Kundinnen und Kunden der Versicherungen und der Banken macht. (René Röspel [SPD]: Ja!) Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist dagegen ziemlich kleines Karo. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Was denn genau?) Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele. Sie haben es nicht geschafft, eine klare Trennung zwischen einer Beratung auf Provisionsbasis und einer Honorarberatung zu machen. (Marcus Held [SPD]: Wäre gegen die Interessen der Verbraucher!) Sie haben dem Druck der Maklerlobby nachgegeben und dem doppelten Abkassieren und dem Verschleiern Tür und Tor geöffnet. In Zukunft kann man nämlich sowohl Provision als auch Honorar kassieren. Wer zahlt es am Ende? Die Kunden. Das ist Ihr Versäumnis bei diesem schlechten Gesetz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marcus Held [SPD]: Es geht nur Entweder-oder!) Wir hätten eine klare Pflicht zum Angebot von Nettotarifen gebraucht. Das haben Sie nicht geschafft. Das finde ich in diesem Gesetz ziemlich schlecht. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Sie haben es auch nicht geschafft, das Provisionsabgabeverbot abzuschaffen. Das wäre für den Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt gut gewesen. Aber kommen wir zum größten Problem bzw. zu einem, das wir, wie ich finde, dringend hätten regeln müssen, das Thema Restschuldversicherung. Da haben Sie sich ganz schnell ganz flach in die Furche gelegt. Wir haben doch in den Anhörungen selbst von Kollegen der CDU gehört: Das wollen wir dringend regeln. Es kann so nicht weitergehen, dass in vielen Fällen völlig überteuerte und überflüssige Produkte mit unanständig hohen Provisionen an die Kundinnen und Kunden vertickt werden. In über der Hälfte der Fälle – das sagt die BaFin; das kommt nicht von den Grünen oder den Verbraucherschutzverbänden – kassieren die Banken mehr als 50 Prozent der Versicherungsprämie als Provision. Ich finde, das ist legale Beutelschneiderei. Das geht überhaupt nicht. Damit hätten Sie Schluss machen sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber was machen Sie? Sie erweitern den Widerruf. Das, finde ich, ist ein schlechter Scherz. Das wird die Abzocke nicht beenden. Das ist wirklich keine besonders erfolgreiche Vorstellung. Wir fordern ein zweites Preisschild auf dem Produkt, sodass der Effektivzinssatz einmal mit und einmal ohne Restschuldversicherung ausgewiesen wird. Dann hätten es die Kunden schwarz auf weiß, wie ihnen das Geld aus der Tasche gezogen wird. Die allermeisten würden zu ihrer Bank sagen: Danke schön, das möchte ich nicht haben. – Das wäre echter Verbraucherschutz gewesen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Noch ein Punkt. Ein Blick auf dieses Finanzmarktgesetz zeigt: Das Thema Nachhaltigkeit kommt überhaupt nicht vor. Das zieht sich durch alle SPD-Ministerien: Sie haben sich um alles Mögliche gekümmert, aber die Ökologie gehört nicht dazu. Dabei wollen Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie Finanzprodukte kaufen, informiert werden: Wie nachhaltig, wie ethisch, wie grün, wie fair ist dieses Produkt? Hier haben Sie versagt. Aber das ist bei SPD und Öko in dieser Legislatur eigentlich das gängige Muster gewesen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben Kleinigkeiten verbessert. Wir glauben, dass dieses Gesetz den Missstand im Versicherungsvertrieb nicht beheben wird. Deshalb ist dieses Gesetz heute Abend auf jeden Fall abzulehnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, nach über zehn Jahren war dies meine vorerst letzte ungehaltene Rede in diesem Hohen Haus. Es war mir immer eine Freude, mich mit Ihnen zu streiten, jedenfalls bei den meisten Themen. Es war mir eine große Ehre, hier in diesem Haus ein bisschen etwas zu dem beizutragen, was das Funktionieren unserer Demokratie ausmacht. Jetzt wünsche ich Ihnen – hoffentlich bald – eine angenehme Berliner Nacht. Das Wetter ist schlecht, aber die Nächte sind sicher schön. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Die Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Maisch, das war nach drei Legislaturperioden, die Sie dem Deutschen Bundestag angehört haben und in denen Sie wichtige Impulse gesetzt haben, Ihre letzte Rede. Ich möchte Ihnen dafür herzlich danken und Ihnen für Ihre weiteren Pläne alles Gute wünschen. Wir kommen jetzt zum letzten Redner dieser Debatte. Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Flosbach für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde diskutieren wir in der Tat ein sehr wichtiges Wirtschaftsgesetz. Es geht um die Neuordnung des gesamten Verkaufes, der Beratung, der Regelung für Versicherungsunternehmen im sogenannten Versicherungsvertrieb. Uns in der Koalition war es sehr wichtig, dass wir funktionierende Versicherungsmärkte haben und dass wir einen vernünftigen Wettbewerb haben. Zwei Dinge, Frau Maisch, waren uns besonders wichtig: Das eine war, dass die Honorarberatung gestärkt wird. Das andere war, dass der Versicherungsschutz dramatisch verbessert wird. Genau das haben wir mit diesem Gesetz gemacht. Das ist uns hervorragend gelungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Frau Maisch, es gibt Situationen, in denen Menschen schlecht beraten werden. Das Schlimmste für die Menschen ist aber, wenn sie gar nicht beraten werden. Wenn wir Ihrem Ansatz gefolgt worden wären, wären wir in der Situation, dass Menschen nicht mehr beraten werden. Aber wenn jemand den Versicherungsschutz nicht mehr einkauft, sondern sich letztendlich auf den Staat verlässt, dann ist die Folge, dass Kosten auf den Staat zukommen. Wir wollen nicht, dass die Menschen ihre Risiken beim Staat abladen und wir als Staat für die Risiken eines jeden Einzelnen zuständig sind. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen möchte ich auf die Gefahr, die sich aus dem Entschließungsantrag der Grünen ergibt, sehr intensiv eingehen. Der Gesetzentwurf will eine Stärkung der Honorarberatung erreichen. Im ersten Entwurf ging man wie Sie noch davon aus, dass in Zukunft nur noch Versicherungsberater gegen Honorar beraten dürfen. Es gibt in der Tat derzeit 318 Versicherungsberater in Deutschland. Deren Zahl ist in den letzten Jahren um etwa 10 bis 15 Personen pro Jahr gestiegen. Diese Versicherungsberater sollen in Zukunft alleine Versicherungsberatung durchführen können. Aber von diesen 318 bieten sich – das ist das Besondere – nach Aussage des Verbandes nur 89 überhaupt privaten Personen als Berater an. Diejenigen, die seit Jahren, um nicht zu sagen: seit Jahrhunderten, auf dem Beratungsmarkt tätig sind, sind die Versicherungsmakler. Denen wollten Sie aber in Zukunft die Beratung untersagen und sie stattdessen als Abhängige von Versicherungsunternehmen darstellen. Das wollten wir nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen Versicherungsmakler nicht zu Abhängigen machen. Versicherungsmakler sind nicht, wie in Ihrem Antrag, Frau Maisch, irgendwelche Maklerinnen und Makler. Wir haben in Deutschland 48 000 Versicherungsmakler. Sie arbeiten zum großen Teil in Versicherungsmaklerunternehmen mit 1 000 Beschäftigten, übrigens alle als Angestellte, die nicht auf Provisionsbasis arbeiten. Und der Verband Deutscher Versicherungsmakler vertritt 600 Maklerunternehmen, die im Durchschnitt 20 Angestellte haben. Hier geht es nicht um Einzelne, die auf Provisionsbasis Versicherungen verkaufen wollen. Makler übernehmen vielmehr das gesamte Beratungsgeschäft beim Kunden. Das heißt, sie analysieren, sie entwickeln Deckungskonzepte, sie vermitteln, sie betreuen, sie beraten, aber sie regeln auch die gesamte Schadenabwicklung. Damit ist Ihr Ansatz völlig daneben; denn Sie sagen: Denjenigen, die wirklich in der Beratung tätig sind, wollen wir die Möglichkeit dazu nehmen. Unser Ansatz war ein anderer; wir haben deswegen gesagt: Wir wollen in Zukunft die Honorarberatung stärken. Das geht ausschließlich über die Versicherungsmakler, und das haben wir jetzt mit dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung geregelt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will dennoch ein zweites Thema ansprechen, mit dem ich überhaupt nicht zufrieden war, nämlich die Restschuldversicherung. Sie haben dieses Thema angesprochen. Ich habe auch das Gutachten der BaFin sehr aufmerksam gelesen. Die Kollegin der Linken hat eben vorgeschlagen, das Problem dadurch zu lösen, dass zunächst ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird und eine Woche später dann der Versicherungsvertrag. Wenn aber der Versicherungsvertrag nicht gut ist, dann hat es auch keinen Sinn, ihn eine Woche später abzuschließen. Wir müssen die Regeln stattdessen so setzen, wie wir sie über die Jahre am Finanzmarkt insgesamt gesetzt haben. Das heißt, wir wollen Aufklärung für den Verbraucher, wir wollen eine Beratungspflicht, und wir wollen vor allen Dingen Transparenz. Das haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht. Denn in Zukunft wird die versicherte Person, die einen solchen Vertrag abschließt, so gestellt, als wenn sie der Versicherungsinhaber wäre. Das Problem bei diesen Verträgen ist: Die versicherte Person muss beispielsweise beim Autokauf einem Vertrag beitreten, der zwischen Bank und Versicherungsgesellschaft abgeschlossen ist. Dadurch hat sie nicht die Rechte eines normalen Verbrauchers. Wir regeln das heute so, dass der Kunde so gestellt wird, als wäre er der Versicherungsnehmer selbst. Das heißt, es gibt eine Beratungspflicht, eine Informationspflicht und eine Dokumentation. Es müssen alle Ausschlüsse und Leistungen dargestellt werden, und vor allem müssen der Widerruf und die Kündigungsmöglichkeiten dargestellt werden. Das hatten wir bisher noch nicht, und damit erfüllen wir unseren Anspruch, mit diesem Gesetz in der Tat die Verbraucherrechte in Deutschland zu stärken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Kollege Held hat darauf hingewiesen, dass nach einer Woche noch ein zusätzliches Schreiben der Versicherung kommen muss, um das alles abzusichern. Ich sehe, der Präsident gibt mir schon Zeichen. Er weiß, dass es meine letzte Rede ist. Ich möchte damit zum Schluss kommen und mich ganz herzlich bei allen bedanken. Ich durfte diesem Hohen Haus 15 Jahre angehören. Mein Hauptthema war die Finanzmarktregulierung. Wir haben uns in dieser Frage in diesem Haus sehr intensiv gestritten; aber wir sind ja auch noch einige Monate hier. Am 11. September ist es genau zehn Jahre her, dass die IKB-Krise bei uns anfing, wodurch im Grunde die Finanzkrise begann – man kann sozusagen ein negatives Jubiläum feiern –, und wir hatten mit den Gesetzen zur Finanzmarkregulierung sehr viel zu tun. Es waren insgesamt über 40 große Gesetze, die wir zur Regulierung verabschiedet haben. Ich habe die Arbeit gerade im Finanzausschuss immer als sehr kollegial empfunden. Wir haben uns gestritten; das gehört zur Demokratie. Aber es war eine gute Zeit hier im Deutschen Bundestag. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich wünsche allen, die kandidieren, dass persönliche Wünsche erfüllt werden. Meinen Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion wünsche ich natürlich entsprechend mehr. Das muss jeder verstehen. Ich danke allen für die Zusammenarbeit und wünsche allen persönlich alles Gute für die Zukunft. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Flosbach, das war Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag. Sie haben dem Hohen Hause vier Legislaturperioden angehört und sich dabei mit ganz besonderer Leidenschaft der Finanzpolitik gewidmet. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken. Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/13009, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11627 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen sehe ich keine. Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/13021. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) Drucksachen 18/12330, 18/12730, 18/12879 Nr. 1.9 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) Drucksachen 18/12946, 18/12952 Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Ich sehe, dass alle damit einverstanden sind.11 Deshalb kommen wir sofort zur Abstimmung. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 18/12946 und 18/12952, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/12330 und 18/12730 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/12974. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/12975. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 26 sowie den Zusatzpunkt 8 auf: 26. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften Drucksachen 18/11506, 18/11937, 18/12181 Nr. 1.11 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12998 ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen Drucksachen 18/11411, 18/12870 Zu dem Gesetzentwurf liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden. – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann verfahren wir so.12 Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12998, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/11506 und 18/11937 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/13018 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der Fraktion Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Jetzt kommen wir zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung und Schlussabstimmung angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen. Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/13019. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 8. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12870, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/11411 abzulehnen. Wer für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern Drucksache 18/11278 – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Corinna Rüffer, Katja Keul, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern Drucksache 18/9804 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12938 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Dagegen erhebt sich keinerlei Widerspruch. Dann sind wir uns darin einig. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin Sonja Steffen für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute und leider zu sehr später Stunde über ein Thema, das schwierig ist und das auch einen abschreckenden Titel trägt. Es geht nämlich um freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen. Schon dieser Titel erzeugt automatisch Bilder im Kopf, die man nicht haben will. Man denkt an Kinder, die zum Einschlafen im Bett fixiert werden, man denkt an sogenannte Time-out-Räume, und man denkt an Kinder, die an Stühlen festgebunden sind. In einigen Kinderheimen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren tatsächlich derartige Bilder auf traurige Weise bewahrheitet. 2013 hat der BGH zu diesem Thema ein bedeutendes Urteil erlassen. Es ging damals um ein geistig behindertes Kind, das in einer Einrichtung lebte, sehr unruhig war und extreme Weglauftendenzen zeigte. Zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz anderer Kinder war es nötig, mit Einwilligung der Eltern dieses Kind nachts zu fixieren, mit Gurten oder einem Schlafsack ans Bett festzubinden. Der Verfahrensbeistand des Kindes wollte damals erreichen, dass ein Familiengericht der Verlängerung der Maßnahme zustimmen sollte; denn die Eltern waren mit dieser Entscheidung überfordert. Ich denke, jeder von uns kann diese Eltern gut verstehen; denn es ist verdammt schwierig, darüber zu entscheiden, ob das eigene Kind zu seinem eigenen Schutz festgebunden werden soll oder nicht. Der BGH hat damals entschieden, dass eine Genehmigung des Gerichts zu dieser Maßnahme nicht erforderlich ist und auch nicht eingeholt werden kann; denn hierfür fehlt schlichtweg die gesetzliche Grundlage. Eltern können und müssen gegenwärtig also allein darüber entscheiden, ob für ihr Kind eine freiheitsentziehende Maßnahme fortgesetzt oder überhaupt durchgeführt werden soll, auch wenn es in einer Einrichtung lebt. Was bedeutet das aber in der Praxis? Ich möchte dies anhand eines Beispiels kurz verdeutlichen. Der 17-jährige Sven ist Autist, und Kleinigkeiten können ihn aus der Bahn werfen. Auch seine Mutter weiß, dass er manchmal aggressiv ist, dass er sich auf den Boden wirft, dass er schreit und um sich schlägt. Vielen Autisten hilft es, wenn man den Alltag für sie strukturiert. Die Mutter von Sven ist aber inzwischen mit dieser Strukturierung so überfordert, dass sie sich schweren Herzens entschließt, ihn in einer Einrichtung unterzubringen. Doch dann kam der Schock; denn in allen Einrichtungen, die sie sich anschaute, sollte sie die Erlaubnis unterschreiben, dass ihr Sohn eingesperrt bzw. fixiert werden darf, nach dem Motto „Ohne Unterschrift kein Heimplatz“. Für die Mutter war das verstörend; aber am Ende stimmte sie zu. Mit ihrer einmaligen Unterschrift besiegelte sie freiheitsbeschränkende Maßnahmen für ihren Sohn. Im Moment sieht die Situation also so aus, dass bei Minderjährigen lediglich die Zustimmung der Eltern benötigt wird, wenn es um freiheitsentziehende Maßnahmen geht, während Erwachsene nur nach richterlicher Genehmigung freiheitsentziehenden Maßnahmen unterzogen werden dürfen. Wir meinen, dass gerade bei Kindern das Gleiche gelten muss wie bei Erwachsenen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir die Rechte der Kinder und Jugendlichen unter Kindeswohlgesichtspunkten stärken. Die freiheitsentziehende Maßnahme muss die Ultima Ratio sein, das letzte Mittel, wenn ohne diese Maßnahme eine akute Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung höchstwahrscheinlich eintreten würde. Hier ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich. Zukünftig überlassen wir diese Entscheidung nicht mehr den Eltern allein und auch nicht der Einrichtung. Die Entscheidung treffen zukünftig die Familiengerichte. Die Gerichte haben als Entscheidungsgrundlage ein ärztliches Zeugnis – das wird also zunächst einmal benötigt –, und sie erhalten Hilfe durch die zwingende Bestellung eines Verfahrensbeistandes. Ein Verfahrensbeistand ist, wie die Rechtspolitiker wissen, der Anwalt des Kindes. Er oder sie hat also die Aufgabe, sich anhand von Gesprächen, anhand von Vor-Ort-Terminen, anhand von Gesprächen in der Einrichtung zu informieren und herauszufinden, was das Beste für den jungen Menschen ist. Auch der Bericht des Verfahrensbeistandes wird dann Grundlage der familiengerichtlichen Entscheidung sein. Damit schützen wir das Kind, und wir entlasten die Eltern von ihrer alleinigen Verantwortung. Wir hatten zu diesem Thema im April ein erweitertes Berichterstattergespräch mit externen Expertinnen und Experten im Deutschen Bundestag. Ich möchte zur Verdeutlichung gern aus der Stellungnahme von Frau Dr. Götz zitieren. Sie sagte: Auch wenn es wünschenswert wäre, dass Kinder in Einrichtungen keinerlei freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgesetzt werden, so sind diese nach derzeitigem Sachstand jedenfalls nicht völlig verzichtbar. Auch wenn keine detaillierten Zahlen über die tatsächliche Anwendung derartiger Maßnahmen aktuell vorliegen, genügt bereits eine kleine Zahl von betroffenen Kindern für das Bedürfnis nach einem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt in diesem besonders grundrechtssensiblen Bereich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur der Deutsche Bundestag beschäftigt sich mit diesem Thema, sondern auch der Deutsche Ethikrat tut dies. Er hat das Thema unter dem Begriff „wohltätiger Zwang“ auf seiner Tagesordnung und wird dazu im Laufe des Jahres 2018 eine Stellungnahme vorlegen. Aber so lange können und wollen wir nicht warten. Aus fachlicher Sicht ist ein gerichtliches Genehmigungserfordernis in jedem Fall ein dringend notwendiger erster Schritt, um die betroffenen Kinder und Jugendlichen besser zu schützen. Warum ist es nur ein erster Schritt? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bzw. die Mitglieder des nächsten Bundestages müssen unbedingt darüber reden, ob freiheitsentziehende Maßnahmen insbesondere im Jugendhilfebereich überhaupt notwendig sind. Werden hier tatsächlich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft? Müsste man nicht Konflikte und Probleme von Kindern und Jugendlichen pädagogisch lösen können? Die Ergebnisse des Ethikrates werden uns hier hoffentlich weiteren Aufschluss geben können. Ein grundsätzliches Problem ist aus Sicht der SPD-Fraktion, dass bislang keinerlei Daten über die Praxis und die Anwendung dieser freiheitsentziehenden Maßnahmen vorliegen, übrigens auch, weil es bislang eben keine richterliche Genehmigung gab. Wir wollen deshalb das Gesetz mit einer Evaluierung verknüpfen; das heißt, nach Ablauf von fünf Jahren werden wir anhand der Genehmigungsverfahren, die dann bestehen, schauen, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirkt und wie sie sich bewährt hat. Abschließend möchte ich sagen: Ich hoffe, dass dies nicht meine letzte Rede in diesem Parlament sein wird, wohl aber meine letzte Rede zu dieser nächtlichen Zeit. Ich hoffe insbesondere, dass gerade auch rechtspolitische Debatten zukünftig eine prominentere Sitzungszeit erhalten werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Jörn Wunderlich für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Doch, wir hätten vielleicht warten sollen bis zur Stellungnahme des Ethikrates; denn ich halte dieses Gesetz nicht für entscheidungsreif. In der ersten Lesung gingen die Reden dazu noch zu Protokoll, und im Schatten der SGB-VIII-Reform sollte es hier ohne Beteiligung der Jugendhilfe beschlossen werden. Mit diesem Gesetzesvorhaben soll das unbestreitbar bestehende Problem behoben werden, dass, wie geschildert, im Kindschaftsrecht – anders als im Betreuungsrecht für Volljährige – nicht vorgesehen ist, freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen richterlich zu genehmigen. Das klingt zunächst vernünftig; es ist von der Kollegin Steffen ja sehr schön dargestellt worden. Die Regelungen bedeuten aber auch, dass freiheitsentziehende Maßnahmen grundsätzlich dann zulässig sein sollen, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich sind. Der weit gefasste Begriff des Kindeswohls könnte dabei allerdings das Tor für eine Vielzahl von Fallkonstellationen für freiheitsentziehende Maßnahmen öffnen. Unabhängig von der Frage, ob solche Methoden der Behandlung unabdingbar sind, ist eine neben das Elternrecht tretende weitere Kontrollinstanz zunächst offensichtlich zu begrüßen, zumal die Wirkung von Fixierungen, also das Anschnallen auf Liegen, oder auch von Sedierung – Medikamente spielen in dem Umfeld auch eine Rolle – bei Kindern gravierender und traumatisierender sein kann als eine Unterbringung an sich. Es überrascht schon, dass im Vorfeld keine Beteiligung der Jugendhilfe vorgesehen ist. Nachdem der Gesetzentwurf in einem Berichterstattergespräch des Rechtsausschusses einvernehmlich besprochen, beraten und erörtert worden war und etliche Beteiligte Bedenken hatten, hatte ich die stille Hoffnung, es käme doch noch zu einer Anhörung, zumal alle Sachverständigen die Gewaltfreiheit gerade in der Jugendhilfe als ein hohes Gut bezeichneten. Nachdem es in dieser Woche wieder auf der Tagesordnung erschien, hatte mein Antrag auf Durchführung einer Anhörung mit eventueller Sondersitzung keine Aussicht auf Erfolg; er wurde abgelehnt. Ich sage nach wie vor: Die entsprechenden Fachbereiche und die Jugendhilfe sind finanziell und personell so auszustatten, dass es möglichst nicht zu genehmigungspflichtigen Maßnahmen kommt. (Beifall bei der LINKEN) Insbesondere die vorgelagerten Systeme der Jugendhilfe, welche unterstützen und helfen können, sind hierbei besonders zu beachten. Ich möchte nochmals Wolfgang Hammer und Friedhelm Peters zitieren, welche sich zum Gesetz wie folgt geäußert haben: „Was hier als Kinderschutz gedacht ist, wird zum Einfallstor für Freiheitsentzug als pädagogischem Mittel, wo immer Eltern und Einrichtungen sich überfordert sehen“ bzw. „Und Fixierungen mit Gurten auf einer Liege sind ein No-Go in der Jugendhilfe“. (Beifall bei der LINKEN) Es bleibt dabei: Bei allen guten Absichten müssen der Schutz und die Rechte des Kindes, muss das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Vordergrund stehen. (Beifall bei der LINKEN) Es ist Aufgabe der Jugendhilfe, dies zu gewährleisten. Zwangsmaßnahmen sind kein Mittel der Jugendhilfe, sondern Vertrauen und Zuwendung. Dass freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe menschenrechtsverletzende Praktiken sind, hat uns nicht nur die schwarze Pädagogik der 50er- und 60er-Jahre gezeigt, sondern auch die jüngsten Heimskandale haben es bewiesen. Das schmerzhafte, langandauernde Festhalten von jungen Menschen durch mehrere Personen und das Fixieren auf Liegen – solche Maßnahmen führen zu Traumatisierungen und können kaum von außen kontrolliert werden. Daran wird auch ein Richtervorbehalt nichts ändern. Es besteht nach meiner Überzeugung die Gefahr, dass das Gegenteil eintritt. Bisher geschah dies in einem Graubereich. Das wird nun geregelt. Wenn sich ein jugendlicher Bewohner dann über eine solche Behandlung beschwert, wird es keine Heimskandale mehr geben; denn es gibt ja die gerichtliche Genehmigung. Da kann die Heimaufsicht nichts monieren. Ich sage: Solche Praktiken gehören strafrechtlich bewehrt und dürfen keinesfalls aus pädagogischen Gründen zur Anwendung kommen. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte abschließend aus der Stellungnahme „Kein Fesseln auf Antrag in der Kinder- und Jugendhilfe“, die uns allen vorliegt, zitieren: Daher sollte der gesetzgeberische Impuls die schrecklichen Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht legalisieren, sondern dahin gehend aufgreifen, diese Maßnahmen in der Jugendhilfe vollständig zu unterbinden. Auch dieses Ziel wird in der Begründung des Regierungsentwurfs zwar angesprochen …, durch diesen selbst jedoch nicht sichergestellt. Das eigentliche Thema aus Sicht der Jugendhilfe ist also nicht das Fehlen eines Genehmigungsvorbehaltes, sondern das Fehlen des Verbots freiheitsentziehender Maßnahmen in der Jugendhilfe … Da dies möglicherweise – hoffentlich nicht, aber möglicherweise – auch meine letzte Rede von diesem Pult aus ist, möchte ich als letzten Appell an dieses Hohe Haus sagen: Staatlich genehmigtes Fesseln in der Jugendhilfe darf es nicht geben. Lehnen Sie dieses Gesetz bitte ab! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Wunderlich, falls es Ihre letzte Rede war, möchte ich Ihnen danken. Sie haben dem Hohen Hause drei Legislaturperioden angehört und einen klaren Schwerpunkt in der Familien- und Jugendpolitik gesetzt. Herzlichen Dank dafür! (Beifall) Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker für die Fraktion der Union. (Beifall bei der CDU/CSU) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zu dieser späten Stunde hier noch über wichtige Dinge debattieren; das kann man sicherlich nicht infrage stellen. Wir haben in den Reden bereits gehört, um was es geht: um freiheitsentziehende Maßnahmen durch mechanische Vorrichtungen, aber auch durch Medikamente. Das sind gravierende Eingriffe für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Da gibt es überhaupt kein Vertun. Nur ist aus meiner Sicht nicht klar, weshalb man es nicht begrüßt, wenn eine zusätzliche Hürde aufgebaut wird, bevor zu solchen Maßnahmen gegriffen werden kann; das ist mir nicht ganz einleuchtend gewesen. Ich finde, genau diese Erwägung, dass solche Maßnahmen nur Ultima Ratio sein dürfen, spricht doch gerade dafür, hier eine neutrale Instanz, nämlich das Gericht, mit ins Spiel zu bringen und solche Maßnahmen von der zusätzlichen Genehmigung des Richters abhängig zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das ist bisher nicht der Fall. Im Unterschied zu den Erwachsenen haben wir bei den Kindern und Jugendlichen dieses Erfordernis nicht. Mir geht es da genauso wie Kollegin Steffen: Ich finde das etwas widersprüchlich. Gerade bei Kindern kann eine solche Maßnahme viel traumatischer wirken und von einem Kind als besonders gravierend empfunden werden. Deshalb müsste man im Wege des Erst-Recht-Schlusses dazu kommen, dass gerade das, was bei Erwachsenen an der Tagesordnung ist, auch bei Kindern gelten muss. Dass die bisherige Rechtslage das nicht vorsah, hat uns der BGH bestätigt. Er hat aber auch gesagt, dass der Gesetzgeber natürlich befugt ist, das anders zu regeln. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, das heute zu tun. Was soll sich jetzt ändern? Wir haben gesagt bekommen – was Herr Wunderlich ansprach, bestätigt das –, dass die Verhältnisse in den Kliniken noch nicht so sind, wie wir uns das alle wünschen. Es gibt vielmehr Berichte, dass dort teilweise aufgrund einer pauschal gegebenen Einwilligung bisher an der einen oder anderen Stelle geradezu leichtfertig mit diesen Befugnissen umgegangen wird. Das wollen wir ändern. Allerdings haben wir noch nicht einmal Zahlen. Es wird der erste gute Effekt dieses Gesetzes sein, überhaupt einmal Licht in die ganze Situation zu bringen und an belastbare Fakten zu kommen. Ebenfalls verspreche ich mir, dass es auf die Einrichtungen einen gewissen Druck ausübt, wirklich zu schauen: Ist es nötig? Wenn man diesen zusätzlichen Aufwand machen muss und einen Richter kommen lassen muss, dann hat das auf jeden Fall eher disziplinierende Effekte; das ist gut in diesem Zusammenhang. Was bewirkt das für die Eltern? Die Eltern tragen eine große Verantwortung. Ich glaube, es ist sehr schwer, damit umzugehen, wenn man einwilligen muss, sein Kind in einer schwierigen Situation fixieren zu lassen. (Katrin Werner [DIE LINKE]: Das darf auch kein Richter!) Hier entlasten wir die Eltern in ihrer Verantwortung. Es ist kein Generalverdacht, unter den die Eltern gestellt werden in dem Sinne, dass man ihnen das nicht zutraut, sondern es soll ihnen hier ein Stück weit geholfen werden. Mit Blick auf die Jugendlichen denke ich, dass sich die eine oder andere Maßnahme vermeiden lässt. Es gibt aber noch einen anderen Effekt: Ich glaube, da, wo Maßnahmen nötig sind, ist es für die Jugendlichen beruhigend, zu wissen: Ich bin hier nicht nur von der Einrichtung und meinen Eltern abhängig, sondern es kommt noch jemand, der mit unserem sonstigen Konflikt in der Familie nichts zu tun hat, der ganz objektiv und unabhängig ist, der hierherkommt und für mich ansprechbar ist. Deshalb glaube ich, dass es für die Jugendlichen eine sehr gute Maßnahme ist, die ihnen ein Stück weit Vertrauen in den Rechtsstaat gibt und darin, nicht in einer Einrichtung festzuhängen. Es ist eine sehr gute gesetzliche Regelung, die wir hier auf den Weg bringen. Die Sachverständigen haben sie in dem erweiterten Berichterstattergespräch durchweg begrüßt. Wir schauen uns das nach einiger Zeit in der Evaluation noch einmal an. Ich denke, das ist in dieser Weise ein gutes Paket. Ich bitte um Zustimmung. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Gesetz soll eine Schlechterstellung von Minderjährigen beim Schutz vor freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Volljährigen beendet werden, und das ist gut so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU]) Bei Senioren in Pflegeheimen bedarf es für jede Zwangsmaßnahme eines richterlichen Beschlusses, und das muss künftig auch bei Minderjährigen so sein. Durch diesen Richtervorbehalt werden auch die Sorgeberechtigten nicht in ihren Rechten beschränkt, sondern vielmehr gestärkt; denn die Zustimmung der Sorgeberechtigten ist nach wie vor unabdingbare Voraussetzung für jede genehmigungspflichtige Maßnahme. Bislang aber machen einige Einrichtungen die Aufnahme der Kinder von einem vorab erteilten generellen Einverständnis zu freiheitsentziehenden Maßnahmen abhängig. Das geht von Fixierungen mittels Bauch- oder Fußgurt über die Gabe von sedierenden Medikamenten und Zimmereinschlüssen bis zum stundenlangen Aufenthalt in sogenannten Time-out-Räumen. Die Eltern stehen dabei unter Druck, weil die Kinder andernfalls vielleicht keinen Heimplatz bekommen und stimmen so Maßnahmen zu, die sie selbst eigentlich nicht befürworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Rechtslage führt zu unerträglichen Zuständen, wie sie in dem viel beachteten Bericht des Bayerischen Rundfunks im letzten Jahr mit dem Titel „Blackbox Heim“ aufgedeckt wurden. Die Erkenntnisse aus diesen Recherchen haben seinerzeit auch uns Grüne dazu veranlasst, hierzu einen Gesetzentwurf vorzulegen. Da auch der Regierungsentwurf jetzt trotz einiger unterschiedlicher Formulierungen den von uns befürworteten Richtervorbehalt einführt, werden wir diesem zustimmen und unseren Entwurf für erledigt erklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Eines muss dabei jedoch in aller Deutlichkeit klargestellt werden: Unser aller Ziel muss es sein, Zwangsbehandlungen bei Kindern insgesamt zu reduzieren und nach Möglichkeit ganz zu vermeiden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. René Röspel [SPD]) Dies setzt voraus, dass die Unterstützungs- und Hilfesysteme der Kinder- und Jugendhilfe mit ausreichenden finanziellen und personellen Mitteln ausgestattet werden. Schon heute gibt es Einrichtungen, die gänzlich auf freiheitsentziehende Maßnahmen verzichten. Diese alternativen Konzepte sind zeit- und personalaufwendig. Es kann aber nicht sein, dass die Einrichtungen aus Personal- oder Kostengründen diese Konzepte nicht anwenden und auf freiheitsentziehende Maßnahmen zurückgreifen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier sind wir alle gefordert, bestmöglich Unterstützung zu leisten. Darauf machten auch die Vertreter der Jugendhilfe in ihrem Schreiben vom April dieses Jahres zu Recht aufmerksam. Allerdings kann das meines Erachtens nicht zu einer Ablehnung dieses Gesetzes führen, da die bisherige Rechtslage die Kinder und Jugendlichen in unerträglicher Weise diskriminiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Trotz der berechtigten Sorgen der Jugendhilfevertreter führt die Gesetzesänderung zu einer deutlichen Verbesserung und zu mehr Transparenz. Vor allem die Notwendigkeit eines gerichtlichen Antrages dürfte den Anreiz zur Vermeidung solcher Maßnahmen bereits wesentlich erhöhen. Wichtig ist, dass wir als Gesetzgeber hier sorgsam hinsehen und die Praxis evaluieren. Noch besser wäre das von uns vorgeschlagene dauerhafte Monitoring gewesen. Aber immerhin werden wir durch die künftig erforderlichen Gerichtsverfahren schon deutlich mehr Daten aus der Praxis bekommen, als dies bislang der Fall ist. Noch einmal ein letztes Wort: Wir haben bereits im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Sachverständigenrechts in Gerichtsverfahren gemeinsam festgestellt, dass wir die Zugangsvoraussetzungen und die Fortbildungspflichten für Familienrichterinnen und richter angehen wollen. Das ist im Sinne aller Beteiligten und nicht zuletzt im Interesse der Richter selbst, wie unsere Gespräche auf vielen Ebenen ergeben haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir dürfen uns jetzt also nicht beruhigt zurücklehnen, sondern müssen an diesem Thema dranbleiben. Zunächst sind die Minderjährigen jetzt hinsichtlich der Freiheitsbeschränkungen den Volljährigen gleichgestellt. Ob das reicht, werden wir noch sehen. Sollte es weiterhin Missstände geben, werden wir die gesetzlichen Voraussetzungen weiter verschärfen müssen, gegebenenfalls auch über die Voraussetzungen bei Erwachsenen hinaus. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Dr. Silke Launert für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren!“ richte ich an die Mitarbeiter, die auch zu dieser späten Stunde noch ihren Dienst tun. Wir verabschieden heute den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern. Mit dem Gesetz wollen wir also bestimmte freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen unter den Vorbehalt der Genehmigung des Familiengerichts stellen. Bislang unterliegen in Deutschland nur Unterbringungen von Minderjährigen, die mit einem Freiheitsentzug verbunden sind, einer Genehmigung durch das Familiengericht, das heißt, wenn die Unterbringung in einer Einrichtung erfolgt und die Tür geschlossen bleibt. Für die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen anderer Art sieht das Gesetz dagegen derzeit keine gerichtliche Genehmigungspflicht vor. Hierüber entscheiden allein die Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Sorge und in Absprache mit den jeweiligen Einrichtungen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – gemeint sind beispielsweise Fixierungen durch Gurt, Anbringen von Bettgittern, die Gabe sedierender Medikamente oder der Einschluss in sogenannte Time-out-Räume – sind für die Betroffenen aber meist eine nicht weniger einschneidende Maßnahme als eine geschlossene Stationstür. Sie sind ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, und sie werden von vielen Kindern als tiefste Demütigung empfunden. Bei volljährig Betreuten sieht das Betreuungsrecht – das wurde heute schon mehrfach angesprochen – deshalb bereits jetzt ein solches gerichtliches Genehmigungserfordernis vor, also auch für unterbringungsähnliche Maßnahmen. Ich freue mich, dass wir heute für einen Gleichlauf des Kinderschutzes mit dem Erwachsenenschutz sorgen. Künftig stellen wir auch die Anwendung freiheitsbeschränkender Maßnahmen in Einrichtungen bei Kindern und Jugendlichen unter diesen familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalt. Leider – auch das wurde heute schon mehrfach angesprochen – gibt es Fälle, in denen freiheitentziehende Maßnahmen in den Einrichtungen zu leichtfertig angewandt wurden. In jüngster Zeit sind einige Fälle von Einrichtungen bekannt geworden, in denen Kinder mit geistigen und seelischen Behinderungen regelmäßig Freiheitsbeschränkungen ausgesetzt wurden, obwohl mildere Maßnahmen möglich gewesen wären. Insbesondere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Behindertenhilfe haben die Aufnahme von schwierigen Jugendlichen zum Teil davon abhängig gemacht, dass die Eltern zu Beginn unterschreiben, dass sie mit solchen freiheitsentziehenden Maßnahmen einverstanden sind. Die Ursachen für die angesprochenen Missstände können vielfältig sein. Nicht selten genug geschieht die Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme in gut gemeinter pädagogischer Absicht oder auch aus Personalmangel, obwohl die Maßnahme im Einzelfall hätte vermieden werden können. Maßgeblich ist aber, dass es sich bei dem Einsatz freiheitsbeschränkender Maßnahmen jedes Mal um einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen handelt. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Katrin Werner [DIE LINKE]) Da die Entscheidung für freiheitsentziehende Maßnahmen weitreichende Auswirkungen für die spätere Entwicklung des Kindes haben kann, sollten sie wirklich nur das allerletzte Mittel sein. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen aus Gründen des Kindeswohls der Einsatz zwingend erforderlich ist. Ich war in solchen Einrichtungen als Betreuungsrichterin bei den gerade 18 Jahre alt gewordenen Kindern und habe viele solcher Situationen und Konstellationen auch live erlebt. Ein Sachverständiger hat gesagt: Wenn man ganz viel Personal und viel Geduld hat, dann kann man irgendwann alle Kinder beruhigen. – Das ist genau die Argumentation im Bezirkskrankenhaus. Die Realität in vielen Einrichtungen und in vielen Bezirkskrankenhäusern sieht einfach anders aus. (Katrin Werner [DIE LINKE]: Nur weil das Personal fehlt, gibt es solche Maßnahmen! Das ist doch echt nicht wahr!) – In wie vielen solcher Einrichtungen waren Sie schon? Wie viele solcher Entscheidungen haben sie schon getroffen? Mit wie vielen betroffenen Kindern haben Sie schon geredet? Sie reden immer nur vom Schreibtisch aus. Sie haben nie die Praxis erlebt. Es tut mir leid. Glauben Sie mir, es ist wirklich bitter. Was glauben Sie, wie schwer es als Richter ist? In diesem Fall waren es gerade 18-Jährige. Deshalb musste man als Betreuungsrichter da entscheiden. Zum Glück werden diese Entscheidungen nicht am Fließband getroffen. Daher sollten wir uns freuen, dass wir eine zusätzliche Maßnahme zum Schutz einrichten. (Zurufe von der LINKEN) – Wir führen jetzt doch keine Diskussion. Ich soll eine Rede halten, oder? (Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Wir haben jetzt fast 1 Uhr. Wir müssen morgen alle wieder um 7.30 Uhr hier sein. Eine Zwischenfrage lasse ich jetzt nicht zu. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Lass dich nicht irritieren! Mach weiter!) Aus meiner Sicht ist es folgerichtig, dass wir den Genehmigungsvorbehalt jetzt einführen und damit letztlich einen Gleichlauf mit dem Betreuungsrecht. Das hat zwei Vorteile. Es hat zum einen für die Eltern einen Vorteil. Für die Eltern ist es sehr schwierig, ihr Einverständnis zu erteilen. Oft sind sie selbst unsicher. Manche Eltern haben vielleicht auch gar kein großes Interesse und interessieren sich nicht so sehr für ihre Kinder, die sie in die Einrichtung geben. Auch das kann es geben. Umso wichtiger ist es, dass das Gericht bei derart demütigenden Maßnahmen dies noch einmal kontrolliert. Es wurde von meiner Kollegin schon angesprochen: Manchmal ist es auch besser für die Kinder, wenn nicht nur die Eltern oder die Einrichtung das festlegen, sondern wenn eine unabhängige dritte Person drübergeschaut hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende; ich will sie nicht länger überziehen. – Aus der Praxis im Betreuungsrecht weiß ich: Manchmal nervt die richterliche Kontrolle. Aber es gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Eine disziplinierende Wirkung hat ein zusätzliches richterliches Genehmigungserfordernis auf alle Fälle. Und ich glaube, wenigstens in dem Ziel, so wenige solcher Eingriffe wie möglich zu haben, sind wir uns doch heute hier einig. Gute Nacht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Ich schließe damit jetzt die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehaltes für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12938, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11278 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Ablehnung durch die Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist damit mit Stimmen von CDU/CSU und SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Einführung eines gerichtlichen Genehmigungserfordernisses bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Kindern. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12938, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9804 für erledigt zu erklären. Wer für diese Beschlussempfehlung des Ausschusses stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist damit mit allen Stimmen des Hohen Hauses angenommen. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 9 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen Drucksache 18/11936 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/12940 Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. – Darüber besteht allgemeines Einvernehmen.13 Deshalb kommen wir zur Abstimmung. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12940, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11936 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Deshalb kommen wir jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD sowie der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Drucksache 18/11942 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) Drucksache 18/12976 Hierzu liegt jeweils ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Reden sollen auch hier zu Protokoll gegeben werden. – Darüber besteht allgemeines Einverständnis.14 Deshalb kommen wir zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/12976, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/11942 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es keine. Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke sowie von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/12992. Wer für diesen Entschließungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es keine. Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/12993. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt es keine. Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen sowie der Fraktion Die Linke abgelehnt. Die Tagesordnung ist damit erschöpft, allerdings nicht das Parlament und auch wir nicht. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf heute, Freitag, den 30. Juni 2017, 8 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Kommen Sie gut und rechtzeitig heute ins Plenum. Nutzen Sie notfalls auch Gummistiefel und Faltboote. (Schluss: 0.57 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 29.06.2017 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 29.06.2017 Böhmer, Dr. Maria CDU/CSU 29.06.2017 Dehm, Dr. Diether DIE LINKE 29.06.2017 Ernstberger, Petra SPD 29.06.2017 Färber, Hermann CDU/CSU 29.06.2017 Gabriel, Sigmar SPD 29.06.2017 Ilgen, Matthias SPD 29.06.2017 Kunert, Katrin DIE LINKE 29.06.2017 Leyen, Dr. Ursula von der CDU/CSU 29.06.2017 Menz, Birgit DIE LINKE 29.06.2017 Mortler, Marlene CDU/CSU 29.06.2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 29.06.2017 Schröder (Wiesbaden), Dr. Kristina CDU/CSU 29.06.2017 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 29.06.2017 Zypries, Brigitte SPD 29.06.2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung (Zusatztagesordnungspunkt 5 a) Hiermit erkläre ich zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung – 18/11499 –: Ich lehne den Gesetzesentwurf ab. Zentrale Defizite des Rechts über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) werden nicht behoben. Neue Entwicklungen und bisherige Erkenntnisse werden nicht berücksichtigt. So stellt das Verfahren zur Überprüfung der Umweltverträglichkeit weiterhin kein eigenständiges Verwaltungsverfahren dar. Damit bleibt die UVP wie bisher nur eine vermeintlich lästige Pflicht der Betreiber und Behörden innerhalb eines Trägerverfahrens. Weiterhin bleibt das UVP-Recht zersplittert. Eigenständige, gegenüber den Anforderungen im UVPG abgeschwächte Forderungen, beispielsweise im Bundesberggesetz, lehne ich ab. Vielmehr ist ein einheitliches, harmonisiertes UVP-Gesetz erforderlich, welches alle Rechtsbereiche umfasst. Die Kriterien zur Ermittlung und Bewertung der Umweltverträglichkeit ergeben sich zudem weiterhin lediglich direkt aus den fachgesetzlichen Vorschriften. Dies bedeutet, dass eine UVP keine schärferen Anforderungen stellen kann, als es das Fachrecht bereits vorsieht. Damit gibt es keinen eigenständigen materiellen Wert der UVP. Es existiert lediglich die prozedurale Pflicht der Öffentlichkeitsbeteiligung. Besonders offensichtlich wird dieses Defizit in Fällen, in denen das Fachrecht keine eigenständigen Bestimmungen für Schutzgüter aufweist, Dann geht eine UVP-Pflicht vollständig ins Leere. Daher wäre eine Neukonzeption des UVP-Rechts erforderlich gewesen, die einer UVP eine eigenständige, inhaltliche Bedeutung gibt. Zudem fehlt ein konsequenter Begriff der Pläne und Programme. So fallen bergrechtliche Aufsuchungserlaubnisse mangels eines Projekts weder unter den Vorhabenbegriff des UVPG noch finden auf sie die Vorschriften der Strategischen Umweltprüfung Anwendung. Gerade weil Aufsuchungserlaubnisse eine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines bergrechtlichen Vorhabens, zum Beispiel einer Gas- oder Ölförderung sind, sollten sie der UVP-Pflicht unterzogen werden müssen. § 48 Satz 2 UVPG privilegiert Raumordnungspläne für den Abbau von Rohstoffen und entzieht diese der direkten gerichtlichen Prüfung, da die einschlägige Bestimmung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes keine Anwendung finden soll. Diese Ausnahmeregelung ist sachlich nicht begründet und umweltpolitisch kontraproduktiv. Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung von Betrieben, die der Störfall-Verordnung unterliegen, sogenannten Betriebsbereichen, hätten strengere Anforderungen festgelegt werden müssen. Gerade weil von diesen Anlagen ein erhöhtes Risiko ausgeht, hätte für diese eine obligatorische UVP-Pflicht sowohl für die Errichtung wie für wesentliche Änderungen eingeführt werden müssen. Überschreitet ein Vorhaben durch eine Änderung erstmals eine Produktions-, Kapazitäts- oder Flächengröße, ab der eine UVP durchzuführen ist, muss lediglich eine UVP für die Änderung erfolgen, nicht jedoch für die bestehende Anlage. Auch dies verhindert eine umfassende Erfassung und Bewertung des Vorhabens. Es wäre geboten gewesen, festzulegen, dass das gesamte Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss. Eine Prüfung der Nullvariante in UVP-Verfahren ist weiterhin nicht vorgeschrieben. Diese hätte zum Schutz der Umwelt im UVPG festgelegt werden müssen. Zudem hätte eine Pflicht zur Überprüfung, ob das Vorhaben gerechtfertigt ist, festgelegt werden müssen. Die von CDU/CSU und SPD beantragten und im Gesetzespaket eingearbeiteten Änderungen verschlechtern das Gesetz eher als es zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Zielsetzung, § 27a Verwaltungsverfahrensgesetz auszuhebeln, der eine weitgehende Veröffentlichung von Antragsunterlagen im Internet vorsieht. Hier hat die Koalition dem Drängen der Industrie nachgegeben, die auf allen Ebenen gegen den § 27a Verwaltungsverfahrensgesetz kämpft. Im Sinne der Transparenz wäre eine Klarstellung erforderlich gewesen, dass das Fachrecht § 27a des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht verdrängt. Die Umsetzung der Anforderungen der „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI) ist zudem nicht umfassend genug. So soll sich die Transparenz lediglich auf Bergbauberechtigungen beziehen. Der EITI-Standard stellt jedoch klar, dass unter „license“ nicht nur eine Bergbauberechtigung zu verstehen ist, sondern „any license, lease, title, permit, contract or concession by which the government confers on a company(ies) or individuals rights to explore or exploit oil, gas, and/or mineral resources“. Gerade die Bezugnahme auf „permits“ bedeutet, dass auch Betriebspläne von der Transparenzpflicht des EITI-Standards umfasst sind. Dies ist aber nicht vorgesehen. Zudem ist lediglich die Offenlegung folgender Daten vorgesehen: Inhaber, Koordinaten des Gebiets, Antragsdatum, Erteilungsdatum und Geltungsdauer, geförderter Rohstoff. Während Nr. 2.4 des EITI-Standards ausdrücklich dazu anregt, den gesamten Text jeglicher Behördenentscheidung zur Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen zu veröffentlichen, bleiben die vollständigen Texte der Behördenentscheidungen jetzt ein Geheimnis. Auch die objektiv angebrachte Veröffentlichung der aufgeführten Daten im Internet ist nicht verpflichtend, sondern in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Stattdessen hat die Öffentlichkeit lediglich ein Recht auf die „Einsicht in die Unterlagen“. Dies ist genauso wenig bürgerfreundlich wie die Vorgabe, dass die Unterlagen bei den zuständigen Behörden der Bundesländer und nicht bei einer bundesweiten Stelle eingesehen werden können. Aus diesen Gründen lehne ich den Gesetzesentwurf ab. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmungen über – Wahlvorschlag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol und – Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglieder des Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses von Europol (Zusatztagesordnungspunkt 6 a und b) Seit fast einem Jahr haben alle Fraktionen im Bundestag gemeinsam an der Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums Europol gearbeitet. Die gemeinsame parlamentarische Kontrolle von Europol ist ein Präzedenzfall und somit von grundsätzlicher Bedeutung für die künftige Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und nationalen Parlamenten. Die federführenden Abgeordneten aller Fraktionen hatten sich in einem gemeinsamen Brief an Bundestagspräsident Professor Norbert Lammert bei der Besetzung des Gremiums auf eine angemessene Beteiligung der im Bundestag vertretenen politischen Gruppen geeinigt. Auf dieser Grundlage wurde seitens des Bundestagspräsidenten auf europäischer Ebene erfolgreich eine Anhebung der Zahl der Mitglieder nationaler Parlamente von ursprünglich zwei auf vier erzielt. Damit wurde dem Anliegen, auch nationale Oppositionsparteien zu beteiligen, entsprochen. Der ebenfalls mitberatende Bundesrat reklamierte ebenfalls eine gleichberechtigte Teilnahme. Obwohl er als Regierungskammer keine parlamentarische Kontrolle ausüben kann und bereits Kontrolle über den Verwaltungsrat ausüben kann, wurde ihm seitens des Bundestags ein Kompromiss angeboten: Verhältnis 3 : 1. Der Bundesrat verfügt im Gegensatz zum Deutschen Bundestag über weitergehende Kontroll- und Informationsmöglichkeiten im Hinblick auf die Tätigkeit von Europol. Nun beansprucht jedoch der Bundesrat zwei Sitze für zwei Länderinnenminister, weshalb maximal zwei für den Bundestag bleiben sollen. Zudem weigern sich die Vertreter der Koalitionsfraktionen entgegen ihrer bisherigen Position, in einer Abstimmung des Bundestages am heutigen Donnerstagabend der Opposition auch nur einen Sitz zu überlassen. Stattdessen will die Regierung sich jetzt lieber selbst kontrollieren. Wenn wir Kompetenzen in hochsensiblen Bereichen auf die europäische Ebene verlagern, dann darf in einem parlamentarischen Kontrollgremium nicht nur die Regierung sitzen. Es ist nicht hinnehmbar, dass bei einer solch hochsensiblen Materie die Kontrollrechte unseres Parlaments so massiv beschränkt werden sollen. Die Opposition im Bundestag wird damit praktisch mundtot gemacht. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr ließ Donald Trump keine Gelegenheit aus, seine Konkurrentin Hillary Clinton als körperlich schwach darzustellen. Zudem fiel er auf durch zahlreiche andere verbale Attacken gegen Frauen, und es wurde auch bekannt, dass er selbst vor sexueller Belästigung nicht zurückschreckt. Dass Donald Trump die Wahl dennoch gewonnen hat, zeigt, wie „normal“ Sexismus inzwischen geworden ist. Und dafür muss man noch nicht einmal den Blick nach Amerika richten. Auch hierzulande ist Sexismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und taucht in allen Bereichen immer wieder auf: im Blondinenwitz, beim Versuch, die gläserne Decke zu durchbrechen, in der Werbung und auch auf dem Oktoberfest. Sexismus ist quasi omnipräsent! Dass wir tätig werden und den Sexismus bekämpfen müssen, ist also längst nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wie. Wie können wir vorgehen? Und vor allem: Wie können wir unser Vorgehen so gestalten, dass es auch wirklich effektiv ist? Die Linken wollen uns mit dem vorliegenden Antrag einen Weg aufzeigen, der in meinen Augen dafür jedenfalls nicht taugt. Abgesehen davon, dass er in weiten Teilen überholt ist, dient er der Partei Die Linke mal wieder dazu, ein beliebiges Thema für ihre Zwecke zu missbrauchen. In frecher und wie immer populistischer Art wird auch hier wieder die Realität verdreht und die Bundesregierung zum Bösewicht erklärt. Bedauerlich finde ich, dass dafür das Thema Sexismus herhalten muss, ein wichtiges und sensibles Thema, das ernst genommen werden sollte. Nun aber der Reihe nach. Zunächst zu den zu ergreifenden Maßnahmen: In dem Antrag wird gefordert, ein Gesetz zur Entgeltgleichheit zu schaffen. – Dieses haben wir vor einigen Monaten verabschiedet. Es wird gefordert, Frauenquoten in den Führungsebenen einzuführen. – Auch das haben wir bereits vor längerem getan. Weiter sollen wir den „Nein heißt nein“-Grundsatz im Sexualstrafrecht umsetzen. – Im vergangenen Sommer haben wir auch das erledigt. Und wir sind sogar noch darüber hinausgegangen: Seit letztem Jahr ist auch das Grapschen unter Strafe gestellt. Wir lassen nicht zu, dass Frauen in der UBahn, auf dem Volksfest, im Schwimmbad oder sonst wo angefasst werden und das Ganze dann als Kavaliersdelikt abgetan wird. Wir Frauen sind doch kein Freiwild, das jeder Mann beliebig erlegen darf. Mit dieser umfassenden Reform haben wir die sexuelle Selbstbestimmung gestärkt und ganz klare Grenzen gesteckt. Dies war und ist auch immer wieder nötig. Wo ein Grenzen-Stecken allerdings zu weit geht, ist das Thema Werbung, das in dem Antrag ebenfalls angesprochen wird. Natürlich gibt es Werbung, die ziemlich weit geht, wo jede Menge Haut und ebenso viel Sex gezeigt wird, wo die Frau regelmäßig auf ihren Körper reduziert wird, während der Mann der tolle Hecht ist. „Sex sells“ – dieses Prinzip durchzieht die Werbung und auch die Medien, und jeder, der behauptet, dass das auf den Leser, den TV-Zuschauer und den Konsumenten keinen Einfluss nimmt, verschließt die Augen vor dem Offensichtlichen. Doch ist es wirklich unsere Aufgabe, hier einzugreifen? Nein, ist es nicht. Wir haben in Deutschland eine über den Deutschen Werberat gut funktionierende Selbstregulierung. Die reicht vollkommen. Wir sind nicht gewillt, eine Zensur einzuführen, und der Staat sollte sich auch nicht als Moralapostel aufführen. Auch Ihren Vorschlag, Änderungen am AGG vorzunehmen, möchte ich aufgreifen. Ich würde auch an dieser Stelle gerne näher darauf eingehen; doch ich habe in Ihrem Antrag nicht finden können, was genau Sie ändern wollen. Ich habe lediglich lesen können, dass Sie Maßnahmen zur Stärkung und Ausweitung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fordern. Vielleicht könnten Sie da etwas konkreter werden und uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen, wenn Sie diese Forderung schon aufstellen. Wie bereits erklärt, sollten wir unsere Kräfte lieber in die Maßnahmen stecken, die auch wirklich ankommen. Und dabei denke ich insbesondere auch an solche Maßnahmen, die sich den Opfern von Sexismus widmen. Ich werde daher auch in dieser Rede nicht müde, erneut von unserem bundesweiten Hilfetelefon zu berichten, das wir eingerichtet haben. Dort wird unter der Nummer 08000 116 016 sieben Tage die Woche und 24 Stunden lang Opfern sexualisierter Gewalt geholfen. Dies ist eine Maßnahme, die wirklich ankommt. Rund 100 000 Beratungsgespräche wurden in den letzten beiden Jahren geführt – eine Zahl, die für sich spricht. Schließlich möchte ich mich aber auch noch dem widmen, was mich beim Lesen Ihres Antrags besonders umgetrieben hat, dem Vorwurf, man habe die Geschehnisse der Kölner Silvesternacht „dazu genutzt, schutzsuchende Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen, rassistische Vorurteile zu schüren und menschenrechtlich umstrittene Gesetzesänderungen zu legitimieren“. Sie schreiben weiter: „Eine ernsthafte und umfassende Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Sexismus und seinen Folgen wurde nicht geführt“, und kommen schließlich zu dem Ergebnis, die Debatte sei instrumentalisiert worden für „rassistische Hetze und Stigmatisierung von Flüchtlingen und Muslimen“. Wenn Sie das wirklich denken, kann ich mir das nur so erklären, dass Sie nach den Geschehnissen auf der Domplatte in der Silvesternacht einen Realitätsschock erlitten haben, der Sie nun zwingt, so zu tun, als sei das Geschehene alltäglichem Sexismus zuzuordnen. Dass wir in unserem Alltag Sexismus erleben, das streitet doch gar keiner ab. Dass aber die Vorkommnisse in dieser Silvesternacht Ausfluss dessen sein sollen, ist mehr als nur ein Augen-Verschließen. Es ist ein Leugnen und Verwischen der Realität. Und ich will sogar noch weitergehen: Wenn Sie ernsthaft behaupten, dass die zahllosen sexuellen Übergriffe – nicht nur in Köln, sondern auch in Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und Bielefeld – die Folge des „gesellschaftlichen Sexismus“ seien, dann verhöhnen Sie in atemberaubender Frechheit die Opfer. Lassen Sie mich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, dass das, was am 31. Dezember 2015 geschehen ist, ganz gewiss nicht Teil des alltäglichen Sexismus war, wie wir ihn kennen. Das war sexualisierte Gewalt von bis dato ungeahntem Ausmaß. Bevor ich nun zum Ende komme, möchte ich Ihnen noch eine Frage mit auf den Weg geben: Wenn Ihnen ein Mann sagt, dass Sie als Frau nur dann „anständig“ sind, wenn Sie sich verschleiern, sodass nur das Gesicht, nicht aber die Haare zu sehen sind; wenn Ihnen ein Mann sagt, dass es selbst im Hochsommer anstößig ist, Haut zu zeigen, an Armen, Beinen oder Füßen, was ist das für Sie? Für mich ist das Sexismus, über den wir ebenfalls endlich einmal reden sollten. Sylvia Pantel (CDU/CSU): Vor fast genau einem Jahr, am 23. Juni 2016, habe ich an dieser Stelle erklärt, warum wir den Antrag eines bundesweiten Aktionsplans – „Sexismus die Rote Karte zeigen“ ablehnen werden. Und ich bin froh, meinen damaligen Argumenten nun noch einige hinzufügen zu können. Die Bundesregierung hat gerade in dieser Legislaturperiode viel für die Gleichstellung von Frauen und Männern getan. Auch wir halten Maßnahmen zur Bekämpfung von Sexismus für sinnvoll und notwendig, und das heute nicht weniger als vor ein paar Jahren. Zunächst einmal möchte ich kurz auf den Ausgangspunkt des Antrags der Linken eingehen. Sie beklagen, dass die Debatten anlässlich der Vorfälle in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 für rassistische Hetze und Stigmatisierung von Flüchtlingen und Muslimen instrumentalisiert wurden. Dabei dachte ich, wir reden hier in erster Linie über die Opfer sexualisierter Gewalt. Dann frage ich Sie: Warum stellen Sie sich an diesem Punkt auf die Seite der Täter? Selbstverständlich müssen wir differenzieren. Auch ich bin gegen Vorverurteilungen. Aber der Realität sollten wir schon in die Augen schauen. Sie sehen sexualisierte Belästigung und Gewalt gegen Frauen als offensichtliche Belege eines tiefergehenden gesellschaftlichen Sexismus in Deutschland. In dem Punkt, dass zahlreiche Bereiche betroffen sind, stimme ich in der Tat mit Ihnen überein. Genau deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode bereits Fakten geschaffen und eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet, die nicht in Theorien, sondern in Maßnahmen Geld fließen lassen. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Betroffenen als erste Anlaufstelle rund um die Uhr und in verschiedenen Sprachen Beratung an und wird sehr gut angenommen. Sie fordern eine Reform des Sexualstrafrechts; dabei haben wir diese bereits umgesetzt. Es gilt der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Mit dem Beschluss des Beitritts zur Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, verpflichten wir uns in 81 Artikeln gemeinsam mit 23 Staaten, die das Übereinkommen bisher ratifiziert haben, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und zu bekämpfen. Wir wollen, dass Täter konsequent bestraft und Opfer stärker geschützt werden. Ein Grundsatz, der im Übrigen auch bei der Verabschiedung des Prostituiertenschutzgesetzes galt. Die Einhaltung der in der Istanbul-Konvention festgelegten Forderungen wird zudem von einer Monitoringstelle überprüft. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 2 verankert. Neben dieser grundgesetzlichen Verankerung arbeiten wir daran, dass die Gleichberechtigung auch in den Unternehmen Wirklichkeit wird. Wir wollen Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Und genau dafür haben wir bereits an zentralen Stellen grundlegende Weichenstellungen vorgenommen, die die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen und mehr Verwirklichungschancen eröffnen. Um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt zu fördern und die Diskriminierung in diesem so wichtigen Bereich zu bekämpfen, haben wir auch schon einiges getan: Von der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns beispielsweise profitieren mehrheitlich Frauen in niedrig entlohnten Dienstleistungsbereichen und in geringfügiger Beschäftigung. Wir haben das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auf den Weg gebracht, um eine Steigerung des Anteils von weiblichen Führungskräften in Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft und in der Bundesverwaltung herbeizuführen – damit Schlüsselstellen künftig öfter von Frauen besetzt werden. So können sie auf oberster Entscheidungsebene selbst den Wandel in der Unternehmenskultur vorantreiben. Mit dem Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern wollen wir die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern beseitigen. Wir wollen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Das Gesetz räumt Frauen in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber ein. Sie können erfragen, nach welchen Kriterien sie selbst bezahlt werden und wie hoch der durchschnittliche Verdienst von Männern für gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten ausfällt. Auf diese Weise bekommen Frauen ein Instrument an die Hand, um Lohndiskriminierungen aufzudecken und notfalls dagegen zu klagen. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit wurden neue Möglichkeiten zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung und zur dauerhaften Existenzsicherung geschaffen. Eine gender-neutrale Erziehung hingegen, wie sie von Ihnen gefordert wird, wollen wir nicht. Auch ist dies ein erheblicher Kostenfaktor, und ich bezweifle, dass sie dazu geeignet wäre, bestehendes Unrecht aufzulösen und die Entwicklung unserer Kinder positiv zu befördern. Genauso bezweifle ich, dass ein Verbot von Werbung, die spezifische Geschlechterrollen nutzt, ein sinnvoller Ansatz ist. Sie vermuten Sexismus an jeder Ecke in unserer Gesellschaft und relativieren damit das Leid der tatsächlich Betroffenen. Ihre Forderungen sind ideologisch und tragen weder dazu bei, Frauen konkret zu stärken, noch, die Lebenswirklichkeit der Betroffenen zu verbessern. Wir haben bereits viel für die Gleichstellung von Frauen und Männern getan. Wir haben Gesetze verabschiedet und Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Frauen stärken und den Betroffenen helfen. Bei den Zielen liegen wir nicht weit auseinander, allein der Weg unterscheidet uns. Wir haben schon viel erreicht, und auch wenn wir noch nicht am Ziel sind, so sind wir doch auf einem guten Weg. Wir brauchen Ihren Aktionsplan nicht; wir arbeiten die Defizite konsequent ab, und dabei haben wir eine andere Sicht auf die Dinge. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Mit dem vorliegenden Antrag „Sexismus die Rote Karte zeigen“ möchte die Fraktion Die Linke „die vielfältigen Erscheinungsformen und Folgen des Sexismus“ in unserer Gesellschaft bekämpfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, der Antrag greift ein überaus wichtiges Thema auf, das leider nicht an Aktualität verloren hat. Sexismus und Diskriminierung müssen bekämpft werden. Als SPD-Fraktion sind wir bei diesem Anliegen voll auf Ihrer Seite. Die Zielsetzung ist absolut richtig. Ihren vorgeschlagenen Weg, einige dieser Ziele zu erreichen, sehe ich jedoch kritisch. Wir haben hier im Parlament dazu gute Debatten geführt. Der Antrag war sogar Gegenstand einer Anhörung. Die Argumente der Sachverständigen haben uns darin bestätigt, den Antrag letztlich abzulehnen. Das liegt insbesondere an folgenden vier Punkten: Erstens. Der Begriff „Sexismus“ ist im Antrag nicht klar definiert. Zudem werden die Begriffe „Sexismus“ und „sexistisch“ vermischt. Das könnte zu Missverständnissen führen. Sehr vieles wird diesem Begriff zugeordnet. Daher wäre es extrem wichtig, zu wissen, was genau darunter gefasst wird. Zweitens. Der Antrag wirft zu viel in einen Topf. Wenn alle im Antrag genannten Anliegen und alle Akteure in einem einzigen Aktionsplan zusammengeführt werden sollen, wird das Vorhaben unüberschaubar. Ich habe die Sorge, dass dann nicht allen Formen von Diskriminierung und Sexismus angemessen begegnet werden kann. Das dient der Sache überhaupt nicht. Drittens. Sie fordern außerdem die Einrichtung einer Monitoringstelle. Mir wurde – auch in der Expertenanhörung – nicht klar, was es mit dieser Monitoringstelle auf sich hat. Deutschland hat die Istanbul-Konvention endlich ratifiziert, also die Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Ein echter Durchbruch! Diese Konvention beinhaltet übrigens ganz klar die Schaffung einer Kontrollinstanz. Diese überprüft, ob die Regeln der Konvention eingehalten werden. Zudem haben wir die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. An dieser Stelle vielen Dank für den Einsatz und die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Antidiskriminierungsstelle. Herzlichen Dank ebenso an Frau Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, die uns im Ausschuss auch zu diesem Thema kompetent beraten hat. Warum also eine zusätzliche Monitoringstelle? Das würde nur zu einer unnötigen Doppel- oder sogar Dreifachstruktur führen. Es gibt aber noch einen vierten Punkt – einen besonders wichtigen –, warum wir den Antrag ablehnen. Denn an mehrere Forderungen im Antrag können wir ein Häkchen machen. In dieser Wahlperiode haben wir vieles bereits umgesetzt. Diskriminierung wurde weiter abgebaut. Gerne nenne ich Beispiele: Vom Mindestlohn, der die klare Handschrift von Andrea Nahles trägt, profitieren rund 4 Millionen Menschen. Zwei Drittel davon sind Frauen. Dank Entgelttransparenzgesetz haben vor allem Frauen Klarheit darüber, ob sie wegen ihres Geschlechts beim Lohn diskriminiert werden. Denn noch immer erhalten Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Das macht sich dann leider auch bei der Rente negativ bemerkbar. Jeden Versuch, dies schön- oder kleinzurechnen, halte ich übrigens ebenso für eine Diskriminierung. Seit 2016 gilt endlich die Frauenquote. Aufsichtsräte, Vorstände und die oberen Managementebenen werden weiblicher. Und es gibt keinen leeren Stuhl. Also haben wir genügend kluge Frauen für diese Aufgaben. Wir haben den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht verankert. Jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung wird damit unter Strafe gestellt. Den steuerlichen Freibetrag von mehrheitlich weiblichen Alleinerziehenden haben wir erhöht, und den Unterhaltsvorschuss haben wir ausgeweitet. Die Regeln zum Mutterschutz haben wir verbessert, die Familienpflegezeit eingeführt und – ganz wichtig – das ElterngeldPlus eingeführt. All das gibt Müttern und Vätern mehr Freiheit, um Berufliches und Privates besser unter einen Hut zu bekommen und um die Aufgaben partnerschaftlicher zu teilen. Danke an Manuela Schwesig und Katarina Barley – zwei engagierte Ministerinnen, Frauen, die vehement, mit Herz und Verstand für den Abbau von Diskriminierung kämpfen! Ohne diese beiden Frauen wäre die Liste der Erfolgsschritte nicht so lang! Diese Liste ist aber leider noch zu kurz. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Das wird mir zum Beispiel deutlich, wenn im Wahlkreis Handwerksbetriebe über Nachwuchs klagen. Auf meine Nachfrage bekomme ich dann zu hören: An eine weibliche Azubi habe ich noch gar nicht gedacht. – Solche Antworten gibt es. Schön, dass sie seltener werden! Ich habe inzwischen Schreinerinnen, Schornsteinfegerinnen und Bildhauerinnen kennengelernt. Mit einer Zimmerfrau – nicht zu verwechseln mit Zimmermädchen, übrigens ein diskriminierender Begriff – habe ich beim letzten Maibaumaufstellen und bei einem Richtfest angestoßen. Es fehlt die Normalität, die Selbstverständlichkeit in Arbeit und Beruf, aber auch zu Hause im Privaten, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben, und zwar zur gleichen Zeit. Immer dann, wenn Männer ausfallen, werden sie von Frauen ersetzt, in fast allen Bereichen. Das wissen wir nicht nur aus Kriegs- und Krisenzeiten. Ausnahmen sind wohl nur Papst, Männergesangverein oder millionenschwerer Fußballprofi. Letzte Woche habe ich übrigens ein Formblatt ausgefüllt. Darin stand nur die Bezeichnung „Bundestagsabgeordneter“. Ich hoffe, das Formular wird nicht ungültig, nur weil ich das „r“ gestrichen habe. Es gibt weiterhin genug zu tun. Wir haben aber in den vier Jahren noch mehr erreicht. Wir haben Lebenspartnerschaften in der Steuerpolitik und bei der Sukzessivadoption der Ehe gleichgestellt. Wir haben die rechtliche Rehabilitierung von Homosexuellen auf den Weg gebracht. Einen sehr wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Diskriminierung gehen wir noch in dieser Woche: Die Ehe für alle – oder besser gesagt: die Ehe für alle liebenden Heiratswilligen – wird endlich möglich. Nicht bei jeder Abstimmung habe ich so gerne die überraschend gewonnene Einsicht der Kanzlerin unterstützt. Ich freue mich, dass es den Kolleginnen und Kollegen der Union dank Brigitte TV gestattet wurde, nach so vielen Jahren endlich ihrem Gewissen zu folgen. Ich bin nicht nur im Familien-, sondern auch im Europaausschuss. Und ich bin schon verblüfft darüber, an welchen Orten die Bundeskanzlerin Politik macht: Außenpolitik im Bierzelt und Familienpolitik beim BrigitteTalk. In beiden Politikbereichen ziehe ich eindeutig den Deutschen Bundestag vor. Und genau hier, im Bundestag, wollen wir morgen eine weitere Diskriminierung abbauen. Gemeinsam mit hoffentlich vielen von Ihnen hier werden wir unseren Kurs konsequent fortsetzen. Wir werden morgen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eine weitere Rote Karte zeigen! Cornelia Möhring (DIE LINKE): Nach den erschreckenden Vorfällen der Silvesternacht in das Jahr 2016 gab es eine relativ breite gesellschaftliche Debatte über sexualisierte Gewalt und sexistische Übergriffe. Der Fokus dieser Debatte hat sich leider schnell verschoben: Statt über Ursachen und Formen von Sexismus zu sprechen, wurde plötzlich vor allem über die Herkunft der vorverurteilten Täter gesprochen, und Forderungen nach einer noch restriktiveren Flüchtlingspolitik wurden laut. Als wäre Sexismus ein importiertes Problem, keines unserer Gesellschaft. Von einer Gesellschaft, die frei von Sexismus und frei von sexualisierter Gewalt ist, sind wir aber noch weit entfernt. Sexismus ist allgegenwärtig und durchzieht alle Strukturen. Rollenklischees schränken junge Menschen in ihrer Entwicklung ein. Stereotype sorgen dafür, dass die Meinungen von Frauen in Meetings oder politischen Debatten weniger ernst genommen werden. Werbung reduziert Frauen auf Körper und präsentiert sie sexualisiert. Eine Arbeitsstunde von Frauen ist Arbeitgebern noch immer weniger wert als die von Männern. Arbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird, wie Pflege, Erziehung und Betreuung, wird gesellschaftlich weniger anerkannt als die Produktion von Autos und Maschinen. Und diese Aufzählung ist bei weitem nicht abgeschlossen. Wie weit wir von einer sexismusfreien Gesellschaft entfernt sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, wie schwer es fällt, sich vorzustellen, wie eine Gesellschaft aussehen würde, in der das Geschlecht von Menschen keine Rolle mehr spielt. Dass Sexismus so tief in unserer Gesellschaft verankert ist, genau das zeigt doch, wie dringend notwendig ein konzentriertes, koordiniertes Vorgehen gegen Sexismus ist. Die breite Zustimmung zu unserem Antrag sowohl aus der Zivilgesellschaft, von den Sachverständigen in der Anhörung und – wenngleich sich das leider aus koalitionspolitischen Erwägungen nicht im Abstimmungsverhalten niederschlägt – auch aus den anderen Fraktionen zeigt, dass eine ernsthafte Debatte über Sexismus möglich ist. Ernsthaftigkeit heißt hier: anerkennen, dass wir es hier mit einem strukturellen, mit einem komplexen Problem zu tun haben, das einer komplexen Antwort bedarf. Mit unserem Aktionsplan machen wir einen Vorschlag in eine solche Richtung. Wir wollen damit Sexismus an den Wurzeln packen – die eine gibt es leider nicht. Deshalb müssen wir uns alle gesellschaftlichen Bereiche vornehmen, die zentral dafür sind, dass Frauen, aber auch Inter- und Transsexuelle immer wieder beleidigt, diskriminiert, abgewertet und auch bedroht und verletzt werden. Wir fordern Maßnahmen der geschlechtersensiblen Pädagogik und Schulungen für die Jugendhilfe. Wir wollen eine verbindliche Quote für Führungsetagen und Entscheidungsgremien, eine Geschlechterquotierung bei der öffentlichen Filmförderung und ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss mit Durchsetzungsinstrumenten gestärkt und ausgeweitet werden. Es braucht Fortbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz zum Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt. Und wir brauchen ein bedarfsgerechtes und entsprechend finanziertes Schutz- und Hilfesystem, um die Folgen von Gewalt zu bearbeiten. Auch diese Liste ist nicht abgeschlossen. All die aufgezählten Schritte reichen nicht aus und reichen vor allem nicht als einzelne Maßnahmen. Deshalb braucht es einen Akteur, wir schlagen einen runden Tisch vor, der koordiniert, evaluiert, entwickelt, begleitet, die Debatte immer weiter vorantreibt. Und der sich aus Expertinnen und Experten aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, Beratungs- und Antidiskriminierungsstellen zusammensetzt, aber auch alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt. Die Rote Karte gegen Sexismus zeigen wir so nicht einmal, sondern dauerhaft. Bis es nicht mehr notwendig ist. Wir lassen nicht locker und werden in der nächsten Legislaturperiode genau da weitermachen. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sexismus ist in unserer Gesellschaft leider tief verankert: in den Medien, in den Schulen, am Arbeitsplatz, auf der Straße. Frauen sind nicht nur die, die es trifft! Viele haben schlicht auch keinen Nerv mehr. Darum sage ich Ihnen: Solange alltäglicher Sexismus nicht auf Widerspruch stößt, wird sich an der Situation nichts ändern. Die Experten und Expertinnen in der Ausschussanhörung haben uns klar bestätigt, dass es Handlungsdruck gibt. Und das wissen Sie auch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Sie die Vorschläge in dem Antrag ablehnen. Klar ist doch: Sie haben keine Maßnahmen gegen Sexismus vorgelegt. Wie wollen Sie Ihr Nichtstun in den letzten vier Jahren gegen Sexismus denn erklären? Wie wollen Sie erklären, dass Sie die notwendigen Maßnahmen gegen Diskriminierungen nicht umsetzen? Wie kann es zum Beispiel sein, dass Sie als Bundesregierung Gesetze machen, die dem Sexismus und der Diskriminierung nicht entgegenwirken? Bestes Beispiel: Prostituiertenschutzgesetz. Hier geben Sie vor, Prostituierte schützen zu wollen. Das Gesetz schützt aber nicht die Prostituierten, die weiter stigmatisiert bleiben, sondern es macht ihnen Druck, droht mit Strafen, drängt sie in die Illegalität. Und jetzt, wo das Gesetz am 1. Juli in Umsetzung geht, kümmert sich die Regierung nicht mehr darum, anstatt die flächendeckende Umsetzung zu unterstützen. Sie lässt die Bundesländer und Kommunen alleine – und damit letztlich auch die Prostituierten. Das ist alles andere als glaubwürdig. Auch bei der Reform des Sexualstrafrechts hat sich gezeigt: Erst der Druck der Öffentlichkeit und der Verbände musste den Boden dafür bereiten, dass das „Nein heißt Nein“ umgesetzt wurde. Was Sie von der Bundesregierung aber immer noch nicht umsetzen, ist, geflüchteten oder migrierten Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen in Strafverfahren aussagen, die Möglichkeit auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu geben. Das verweigern Sie, und das kritisieren wir aufs Schärfste. Klare Linien gegen Sexismus und für den Schutz aller Frauen sehen anders aus. Sexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das jetzt endlich angepackt werden muss, auch bei der Besetzung wichtiger Positionen. Es ist erfreulich, dass Katarina Barley neue Frauenministerin wurde. Dazu habe ich ja schon gratuliert. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass im Willy-Brandt-Haus jetzt wieder eine komplette „Männerriege“ das Sagen hat, ist gleichstellungspolitisch ein ziemliches Desaster. Das müssen Sie zugeben! Sexismus ist vor allem auch in der Werbung verbreitet. Wir alle kennen die Werbung mit weiblichen Körpern, die auf eine sexualisierte Darstellung reduziert und objektiviert werden. Oft fehlt der Bezug zum Produkt. Deshalb ist ein Monitoring, das den Deutschen Werberat kontrollieren wird, ein richtiger Schritt, den wir begrüßen. Wir Grüne haben dazu einen weitergehenden Vorschlag und wollen eine unabhängige Kommission – bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Antidiskriminierungsarbeit und Fachverbänden –, die Empfehlungen für die Werbewirtschaft abgeben soll. Je sichtbarer Frauen in die Öffentlichkeit treten, desto stärker werden sie Ziel von Angriffen. Laut einem Bericht aus dem EU-Parlament sind Frauen doppelt so oft Opfer von Cybergewalt. Der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung betont das Phänomen der Gewalt im Netz besonders gegen junge Frauen. Der Handlungsbedarf für einen breit angelegten und gesamtgesellschaftlichen Ansatz liegt nahezu auf der Hand. Auch deswegen begrüße ich hier ausdrücklich die Initiative der Linken. Gegen Sexismus Farbe zu bekennen, das gehört für mich und für uns als Grüne mit unserer feministischen Politik zu unserem Selbstverständnis. Darum wollen wir Maßnahmen und Forderungen konkreter fassen und nicht, wie im Antrag formuliert, allgemein halten. Unsere Forderungen richten sich konkret auf eine ausgearbeitete Ausweitung des Antidiskriminierungsgesetzes. Diskriminierung soll auch aufgrund der Geschlechtsidentität erfasst werden. Das Klagerecht soll auf die Betriebsräte und Gewerkschaften ausgeweitet werden. Ein letzter Punkt, der noch wichtig ist, ist eine klare Haltung bei Maßnahmen und zur Unterstützung gegen Sexismus in der Wissenschaft. Stattdessen greifen einige von Ihnen gerade von der Union ganz gezielt die Genderforschung an. Das öffnet Tür und Tor für rechts. Und das ist mehr als ein Armutszeugnis. Wer so agiert, handelt unverantwortlich. Wir müssen als demokratische Kräfte alles dafür tun, um die Stärkung unserer Demokratie mit einer freien Wissenschaft mit all ihren Fachbereichen zu verteidigen. Die Genderforschung gehört dazu. Auch das ist eine klare Linie gegen Sexismus. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Baukulturbericht 2016/17 der Bundesstiftung Baukultur und Stellungnahme der Bundesregierung (Tagesordnungspunkt 34) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Wir beraten heute im Bundestag zum zweiten Mal über einen Baukulturbericht. Die Stiftung „Baukultur“ hat sich damit fest als wichtigster Ansprechpartner für die Baukultur etabliert. Mit dem inhaltlich aussagekräftigen, gut und verständlich formulierten und mit wichtigen Empfehlungen für Politik und Gesellschaft versehenen Bericht steht fest: Baukultur ist keine Kunst am Bau! Baukultur ist auch nicht on top. Baukultur empfiehlt das Wie des Bauens, ohne dass damit zwingend Mehrkosten verbunden sind. Nach dem ersten Baukulturbericht, der sich vor allem mit unseren Metropolen beschäftigte, war es logisch und richtig, dass sich der jetzige, zweite Baukulturbericht mit den vielfältigen Beziehungen zwischen Stadt und Land sowie den Entwicklungen in mittleren und kleinen Städten und Dörfern auseinandersetzt. Bei allen wichtigen strukturellen Beziehungen zwischen den großen Städten und den ländlichen Regionen halte ich es für richtig, dass die Verantwortlichen in der Stiftung „Baukultur“ diese Betrachtungen voneinander getrennt haben. Denn es gibt Unterschiede zwischen großen Metropolen und kleinen Städten und Dörfern. Das ist auch richtig und sollte so bleiben. Ebenso richtig und wichtig ist es allerdings auch, dass wir in allen Siedlungsstrukturen für ein lebenswertes Wohn- und Arbeitsumfeld sorgen. Wir haben die Empfehlungen aus dem ersten Bericht aufgegriffen. So haben wir zum Beispiel mit der Änderung der Baunutzungsverordnung und dem darin geschaffenen „Urbanen Gebiet“ dafür gesorgt, dass Leben und Arbeiten in den Quartieren wieder besser möglich ist. Dies ist ein wichtiger Beitrag für durchmischte Quartiere. Zudem haben wir durch bessere Möglichkeiten der Nachverdichtung und Aufstockung für effektivere Baulandnutzung gesorgt. Gleichzeitig unterstützen wir mit unserem Programm „Grün in der Stadt“, mit dem modifizierten Programm des Stadtumbaus und mit der Weiterentwicklung des Programms „Soziale Stadt“ ein lebenswertes Umfeld in der Stadt. Für unsere kleinen Städte und Dörfer steht diese Aufgabe aus meiner Sicht noch bevor. Hier sollten wir uns für die nächste Legislaturperiode die Aufgabe stellen, Baunutzungsverordnung und Bauordnung auch diesen Siedlungsstrukturen anzupassen. Unsere Dörfer dürfen keine Schlafdörfer sein. Wohnen und Arbeiten muss auch in kleinen Gemeinden gut möglich sein. Junge Leute, die in ihrem Dorf oder in ihrer Stadt bleiben wollen oder dorthin zurückkehren möchten, müssen Möglichkeiten zum Bauen haben. Die Umnutzung von nicht mehr gebrauchten Wirtschaftsgebäuden zu Wohnzwecken muss leichter möglich sein. Auch der sogenannte Außenbereich im Innenbereich darf kein Tabu mehr für mögliche Bebauung sein. Gewerbe – und dabei nicht nur Gastronomie und Einzelhandel, sondern auch Handwerk und Produktion – muss im Ort möglich sein. Heutige Produktionsmethoden verursachen weniger Lärm und Luftbelastung. Der vorliegende Baukulturbericht 2016/17 zeigt gute Lösungsansätze für solche erstrebenswerten Entwicklungen. Allen daran Beteiligten, insbesondere den Mitarbeitern der Stiftung „Baukultur“, möchte ich dafür danken. Es ist eine richtige Entscheidung, dass wir die Zuwendung der Stiftung im Bundeshaushalt für das laufende Jahr auf circa 1,5 Millionen Euro aufgestockt haben. Dies darf als Ansporn gelten für die Förderer und Mitglieder der Stiftung, ihr Engagement ebenfalls merklich zu erhöhen. Angesichts des Berichtes, aber insbesondere der damit verbundenen Diskussion um Entscheidungsprozesse ist dies gut angelegtes Geld für die Baukultur in unserem Land. Ich bin gespannt und freue mich bereits jetzt auf den dritten Baukulturbericht. Themen gibt es reichlich. Die Verbindung von Baukultur und Energieeffizienz in Verbindung mit nachwachsenden Baustoffen ist ebenso eine Herausforderung wie die Betrachtung unserer Industrie- und Gewerbegebiete samt ihrer Industriebauten, die darauf stehen. Auch diese Häuser und Hallen prägen unsere Siedlungsstrukturen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, in den nächsten Jahren unsere Diskussionen zur Baukultur im Gebäude der Schinkelschen Bauakademie – deren Wiederaufbau der Bund wohlgemerkt mit 80 Millionen Euro finanziert – führen zu können. Kai Wegner (CDU/CSU): Die Koalition macht sich stark für lebenswerte Städte und vitale Gemeinden. Wir wollen, dass die Menschen nicht nebeneinander, sondern gerne miteinander leben. Hierzu kann die Baukultur einen wichtigen Beitrag leisten, und deshalb begrüße ich die heutige Debatte sehr. Bei Baukultur denken die meisten zunächst an den ästhetischen Aspekt von Architektur. Baukultur meint aber noch viel mehr. Baukultur umfasst neben Architektur auch die Ingenieurbaukunst, Stadt- und Regionalplanung, Denkmalschutz und Landschaftsarchitektur. Es handelt sich also um eine ganz komplexe und anspruchsvolle Thematik. Es braucht wissenschaftliche Exzellenz und eine interdisziplinäre Herangehensweise, um baukulturelle Fragen auf der Höhe der Zeit zu diskutieren. Auch vor diesem Hintergrund war es genau die richtige Entscheidung des Bundestages, die Bundesstiftung „Baukultur“ einzurichten. Mit dem aktuellen Baukulturbericht beweist die Stiftung einmal mehr, dass sie ein unverzichtbarer Impulsgeber ist, wenn es darum geht, baukulturelle Fragen ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung zu bringen. Vielen Dank für die stets sehr guten Beiträge! Deutschlands Städte und Gemeinden befinden sich in einem Wandel. Gerade die Großstädte wachsen. Dort brauchen wir zusätzlichen Wohnraum und neue Infrastrukturen. Wir müssen nachverdichten, oftmals auch ganz neue Quartiere bauen. Mit dem neuen Baugebietstyp „Urbane Gebiete“ und der Einführung des beschleunigten Planungsverfahrens für den Ortsrand haben wir dafür wichtige Voraussetzungen geschaffen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch Schrumpfungsregionen, gerade in ländlichen Gebieten. Dort geht es um Rückbau und darum, Ortskerne zu revitalisieren. Ich finde es gut, dass der aktuelle Baukulturbericht ein besonderes Augenmerk auf die Zukunft kleinerer Städte und Gemeinden legt. Denn bei allen Anstrengungen, das Wachstum der großen Städte positiv zu gestalten, dürfen wir auch die ländlichen Regionen nicht aus den Augen verlieren; denn wir wollen, dass die Menschen in allen Teilen unseres Landes gut und gerne leben. Der Wandel in den Städten und Gemeinden ist eine Herausforderung, die auch und gerade im baukulturellen Bereich nach guten Lösungen verlangt. Denn das ermöglicht, die Lebensräume der Menschen gut zu gestalten, die Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden zu verbessern, die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wohnort zu stärken und die Bereitschaft der Bürger zur Mitgestaltung zu erhöhen. Diese Koalition kommt ihrer baukulturellen Verantwortung nach. Wir fördern die Baukultur auf viele verschiedene Arten: als Bauherr bei Bundesbauten, als Gesetzgeber im Bauplanungsrecht und natürlich über die Städtebauförderung. Wir haben in dieser Wahlperiode nicht nur die Mittel für die Städtebauförderung insgesamt nahezu verdoppelt, sondern auch ein neues Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ aufgelegt. Hier fördern wir herausragende Projekte mit nationaler oder sogar internationaler Wahrnehmbarkeit. Als Mitglied der Expertenjury weiß ich, dass bei der Bewertung der fachlichen Qualität der Bewerbungen gerade auch die baukulturelle Güte eine wichtige Rolle spielt. Dank der Bundesförderung über die „Nationalen Projekte“ entstehen jetzt in allen Teilen unseres Landes baukulturelle Leuchttürme. Ich bin mir sicher, dass davon wichtige Impulse ausgehen werden und dass das Bewusstsein für gutes Planen und Bauen insgesamt weiter gestärkt wird. Es versteht sich von selbst, dass die Förderung der Baukultur eine politische und gesellschaftliche Daueraufgabe ist, die weit über die aktuelle Wahlperiode hinausweist. Deshalb müssen die „Nationalen Projekte“ fortgesetzt werden, und deshalb sollte auch der nächste Deutsche Bundestag baukulturelle Fragestellungen intensiv beraten und den Dialog mit Experten, Bürgern und Wirtschaft weiter stärken. Wir haben in den letzten vier Jahren viel Gutes erreicht – übrigens das eine oder andere Mal auch gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen. Es liegen aber natürlich auch noch weitere Aufgaben vor uns. Diese werden wir zum Wohle der Menschen in Deutschland in der neuen Wahlperiode anpacken. Zunächst wünsche ich Ihnen allen eine mehr oder weniger entspannte Sommerzeit und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit! Claudia Tausend (SPD): Ich freue mich, dass uns der Baukulturbericht die Möglichkeit gibt, heute über den Zustand der Baukultur in Deutschland zu beraten. Der Baukulturbericht ist ja bereits der zweite Bericht dieser Art unter der Federführung der Bundesstiftung „Baukultur“. Ich finde, es hat sich jetzt schon ausgezahlt, dass wir die Bundesstiftung im Haushalt 2017 nochmals besser ausgestattet haben. Baukultur ist – das zeigt dieser Bericht – eben kein Luxus, den man sich in innenstädtischen Großstadtlagen leistet, sondern essenziell für die Lebensqualität in Stadt und Land. Ich denke, wir sind uns hier einig, dass den Erstellern des Berichts Beifall gebührt. Interessant ist insbesondere die Herangehensweise, Bevölkerungsbefragungen und Kommunalumfragen zu verknüpfen mit Expertenwissen. Heraus kommt eine umfassende Bestandsaufnahme der baukulturellen Situation in Deutschland – diesmal mit einem Fokus auf die Klein- und Mittelstädte sowie ländliche Räume. Diesen Fokus begrüße ich auch als Großstadtabgeordnete außerordentlich. Denn durch die Stabilisierung der ländlichen Räume wird auch Druck von den Großstädten genommen und das Ungleichgewicht in der Bevölkerungsentwicklung abgemildert. Der uns vorliegende Baukulturbericht ist eine wichtige Grundlage für die parlamentarische Befassung, und ich wünsche mir, dass er nicht nur im Umwelt- und Bauausschuss aufmerksam gelesen wird, sondern ressortübergreifend Beachtung findet. Das Thema Vitalität von Ortskernen, das der Bericht aufgreift, kann nur ressortübergreifend angegangen werden. Ich begrüße es, dass ein Staatssekretärsausschuss auf eine Bündelung der Maßnahmen über Ressorts hinweg hinarbeitet. Denn wir müssen bei diesem Thema einer Fehlentwicklung entgegenwirken: Es kann nicht sein, dass Kommunen immer neue Gewerbegebiete an den Ortsrändern ausweisen und so in den Ortskernen Leerstände produzieren, was zu einem Funktionsverlust und zur Verödung der Ortskerne führt. Gleichzeitig versuchen wir dann mit Mitteln aus der Städtebauförderung, genau diese Ortskerne wiederzubeleben. Hier muss die eine Hand wissen, was die andere tut! In diesem Zusammenhang muss ich auch die Vorschläge des selbsternannten bayerischen Heimatministers von der CSU erwähnen, der mit seinen Vorschlägen zur Novellierung des Landesentwicklungsplans und vor allem der Aufweichung des Anbindungsgebots für Gewerbegebiete genau das Gegenteil dessen erreicht, was der Baukulturbericht fordert. Er will nämlich die Ausweisung von Gewerbegebieten im Außenbereich, also auf der grünen Wiese, erleichtern und leistet damit dem Flächenfraß Vorschub. Das ist der völlig falsche Weg! Der Baukulturbericht kommt in seiner Bestandsaufnahme bei den Klein- und Mittelstädten zu teils erschreckenden Befunden: 39 Prozent der Gemeinden geben an, nennenswerten Gewerbeleerstand zu haben, meist im Ortskern. Ähnliches gilt für Wohnungsleerstand. Nur die Hälfte der Einwohner geht zum Einkaufen in den Ortskern. Obwohl anscheinend eine übergroße Mehrheit den Ortskern als wichtig für die Identität betrachtet, hat er für viele bereits die Funktion als zentraler Treffpunkt verloren. Anstatt Kommunen durch politische Fehlsteuerung, wie bei der bayerischen Staatsregierung, immer weiter zu zersiedeln, müssen wir uns um Verdichtung bemühen, um die Ortskerne wieder zu Orten der Begegnung und Identität zu machen. Dies kann natürlich nur funktionieren, wenn auch die Grundversorgung auf dem Land sichergestellt ist. Der Baukulturbericht zeigt, dass viele Menschen in Deutschland gerne auf dem Land leben würden. Dazu braucht es aber grundsätzliche Angebote vor Ort. Ich spreche hier vom Hausarzt, von der Grundschule, von der Postfiliale, von der Apotheke, vom Einzelhandel. Aber es müssen auch die Arbeitsplätze vor Ort gesichert werden, und ein funktionierender öffentlicher Nahverkehr muss vorhanden sein. Es gibt viele interessante Ansätze, wie man diese Grundversorgung zurück in die kleinen Kommunen bringt. Hier müssen wir auch das Experimentieren fördern. Ein guter Ansatz ist hier das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Mit dem Programm fördern wir Projekte, die deutliche Impulse für die jeweilige Gemeinde oder Stadt, die Region und die Stadtentwicklungspolitik in Deutschland insgesamt ausstrahlen. Unser größter Hebel auf Bundesebene ist selbstverständlich die Städtebauförderung. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, die Städtebauförderung von 455 auf 700 Millionen Euro anzuheben. Der Bericht gibt uns nun Recht, dass wir viel Gutes geleistet haben und auf diesem Weg weitermachen müssen. Denn gerade die Städtebauförderung kommt insbesondere den Klein- und Mittelstädten zugute. Wir haben hier als Fördervoraussetzung das „integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept“. Aber – worauf uns der Baukulturbericht aufmerksam macht – nicht immer verläuft die Umsetzung vor Ort so, wie es ursprünglich geplant war. Wir sollten hier über eine stärkere Nachkontrolle nachdenken. Denn hier liegen unsere Möglichkeiten als Parlamentarier: dafür zu sorgen, dass unsere Orte mehr Lebensqualität, Identifikation und Attraktivität bieten. Bezahlbaren und qualitativ hochwertigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, geht nur bei gemeinsamen Anstrengungen in Stadt und Land. Wenn die Klein- und Mittelstädte attraktiver werden, hilft das direkt auch den Metropolen. Trotz des Gebots, das Bauen zügig zu ermöglichen, darf auch die Baukultur nicht vernachlässigt werden – und zwar nicht nur beim Bund oder den Kommunen. Vielmehr können auch private Investoren so langfristig einen höheren Gewinn sichern. Das muss sich gerade in Zeiten wie diesen, wo überall im Land gebaut wird wie nie, mehr durchsetzen. Der Baukulturbericht hilft dabei, und wir wollen und werden unseren Beitrag leisten. Michael Groß (SPD): Baukultur ist viel mehr als eine ästhetische Frage! Es geht um die Zukunft unserer Städte, das Leben in Stadtteilen mit Begegnung, Versorgung und Erholung. Letztendlich sind die Qualität der Bürgerbeteiligung und der planerischen und administrativen Prozesse von besonderer Relevanz. Der aktuelle Baukulturbericht „Stadt und Land“ zeigt die dringende Notwendigkeit, unsere raumplanerischen und raumordnenden Gestaltungsmöglichkeiten wieder stärker zu aktivieren. Während unsere Ballungsräume weiterhin wachsen und der Wanderungsdruck in Bezug auf einige Städte enorm steigt, schrumpfen in anderen Regionen die Bevölkerungszahlen. Mit der sinkenden Einwohnerzahl lässt auch die Qualität und Quantität der Infrastruktur immer mehr nach, die Fahrwege zu Schulen, Kitas, zu Arbeit und Einkauf werden immer länger. Ärzte oder andere medizinische Versorgungseinrichtungen dünnen aus, obwohl sie bei einer stark alternden Bevölkerungsstruktur vor Ort dringend gebraucht werden. Auch die Anschlüsse an regionale ÖPNV-Verbindungen und Taktungen von Bus und Bahn sinken mit tendenziell weiter schrumpfender Bevölkerungszahl. Trotz eines zurückgehenden Bedarfs an Wohnraum lassen 84 Prozent aller Gemeinden und sogar 93 Prozent der peripher gelegenen Mittelstädte neue Einfamilienhausgebiete bebauen. Selbst 65 Prozent der stark schrumpfenden Gemeinden tun dies. Trotz eines Bedarfs von mindestens 350 000 neuen Wohnungen in den Ballungszentren sind Eigenheime in den schrumpfenden Gebieten eher im Neubau gefragt, während die Innenstädte und Ortskerne veröden. Der sogenannte Donut-Effekt tritt ein. Die Leerstände von Wohnungen konzentrieren sich teilweise mit bis zu 60 Prozent auf die Ortskerne. Gewerbegebiete im Außenbereich mit Lebensmittelmärkten und anderen Einkaufsmöglichkeiten tragen ebenfalls zu diesem Effekt bei. Trotz des nachgewiesenen hohen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum wird in peripheren Lagen mit bis zu fast 1 000 Prozent fehlallokiert. Nicht dort, wo Wohnraum gebraucht wird, wird Wohnraum geschaffen. Der Wertverfall der oft auch als Altersabsicherung gedachten Einfamilienhäuser ist hoch und stellt in vielen Gemeinden bereits ein gewichtiges Problem dar. Ebenso ist der zunehmende Flächenverbrauch durch die Bebauung ein bleibendes Problem. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung des Berichtes zu den bevorzugten Wohngegenden. Neben der Frage, wie wir leben wollen, stellt sich hier auch die Frage, wo wir leben. Entgegen den Binnenwanderungstrends in die sogenannten Schwarmstädte würden 45 Prozent der 30- bis 60Jährigen lieber auf dem Land wohnen, wenn sie es sich unabhängig von finanzieller Situation und anderen Rahmenbedingungen frei aussuchen könnten. Es herrscht offensichtlich eine Diskrepanz zwischen Wohnwunsch und tatsächlichem Wohnort. Doch was hindert die Menschen daran, dem Wunsch vom Lebensraum Land nachzugehen? Der Baukulturbericht gibt hier wesentliche Aufschlüsse. Lebenswerte und vitale Innenstädte und Dorfkerne! Wir brauchen eine polyzentrische Ausrichtung der Raum- und Regionalplanung. Ebenso gehört zu einer qualitätvollen und lebenswerten Gestaltung von Orten eine Konzentration und Verdichtung eines leistbaren Infrastrukturangebotes auf dem Weg in eine vitale Stadt- und Dorfkultur. Dazu gehört aber gerade auch die regionale Kooperation. Nicht jeder Ort muss jede Form der infrastrukturellen Daseinsvorsorge aufweisen, solange diese erreichbar im Nachbarort oder im engen regionalen Zusammenhang vorhanden ist oder wechselseitig bedient werden kann. Hier gilt es, statt der bisherigen Konkurrenzen den gemeinschaftlichen Wandel zu stärken. Eine aktive Bodenpolitik gehört jetzt und zukünftig in die Verantwortung der öffentlichen Hand. Nur diese macht unsere Städte und Gemeinden handlungsfähig. Erforderlich sind Vergabe, Beteiligung, revolvierende Grundstücksfonds durch Bund und Länder, um auch Kommunen in schwacher Haushaltslage eine aktive Bodenpolitik zu ermöglichen. Baukultur wird oft in ihrer Bedeutung unterschätzt. Baukultur ist, wie der Bericht erneut zeigt, wesentlich mehr als Kunst am Bau. Jede Außenwand eines Hauses ist in ihrer Wirkung gleichzeitig Gestaltung für den öffentlichen Raum und damit Bestandteil von Baukultur. Wie wir unsere Dörfer und Städte gestalten, unsere Lebenswelt bauen, ist fester Bestandteil unserer gelebten Kultur, und wir sollten verantwortungsvoll damit umgehen. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung für ihre Arbeit und für diesen lesenswerten, bereichernden und sehr aufschlussreichen Baukulturbericht. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Die Verkleinerung des Unterschieds zwischen Stadt und Land, die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen wird eine der großen Herausforderungen der Politik auf allen Ebenen in den nächsten Jahren, auch wenn viele von uns diese Herausforderung erst langsam wahrnehmen. Ich bin froh, dass wir diesen herausragenden Baukulturbericht heute debattieren. Ich möchte ausdrücklich allen Beteiligten der Bundesstiftung „Baukultur“ für die qualifizierte Arbeit danken, die mit diesem Bericht geleistet wurde. Er ist aus meiner Sicht der umfassendste und qualifizierteste Lagebericht, den es zu diesem Thema derzeit gibt. „Eine Zukunftsperspektive für das Land durch Baukultur“ ist ein Leitgedanke dieses Berichtes. Dieser Intention kann ich nur zustimmen. Und diese Forderung, oder besser: Feststellung belegt: Die Entwicklung des ländlichen Raumes darf durch die unterschiedlichen Ressorts nicht isoliert betrachtet werden. Agrarstrukturelle Aspekte spielen eine ebenso große Rolle wie soziale, wirtschaftliche und baukulturelle. Alle Ressorts stehen bei der Entwicklung des ländlichen Raumes in der Pflicht, vor allem aber das Ressort Landwirtschaft. Aber ausgerechnet im Landwirtschaftsausschuss ist der Baukulturbericht nicht beraten worden. Ein großes Versäumnis, das sich aber in der kommenden Legislatur heilen lässt. Wir wollen eine ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Entwicklung des ländlichen Raumes, eine Politik aus einem Guss und eine Förderarchitektur, die den ländlichen Raum gegenüber den Metropolen nicht benachteiligt. Wir brauchen eine solide und verlässliche Förderung des ländlichen Raumes statt eines Förderdschungels und vieler Modellprojekte. Der ländliche Raum muss ein eigenständiges Politikfeld werden und darf kein Nebenprodukt der Agrarpolitik bleiben. Wir legen hier heute einen Entschließungsantrag vor, der viele Aspekte des Baukulturberichtes aufnimmt und darüber hinaus in einem „A–Z“ darstellt, wie wir uns als Linke eine gute Politik für den ländlichen Raum vorstellen: Stopp des Flächenverbrauchs zugunsten aktiver und multifunktionaler Ortszentren, interdisziplinäres ressortübergreifendes Handeln, eine integrierte Politik für den ländlichen Raum, auch eine integrierte ländliche Entwicklung vor Ort, interkommunale Zusammenarbeit zur gemeinsamen Bedarfsabstimmung, aktive Bodenpolitik. Diese Punkte fordern wir in unserem Entschließungsantrag ein. Und der Baukulturbericht belegt und unterstützt unsere Positionen. Wir sprechen darin noch viele weitere Punkte an, die die Koalition in ihren bisherigen eigenen Initiativen nicht berücksichtigt hat. Denn heute ist auch ein Moment, um Bilanz zu ziehen. Wir müssen feststellen: Statt realer Politik, die die Lebensbedingungen der Menschen im ländlichen Raum verbessern würde: Placebos, Modellprojekte, Scheininitiativen, Aktionismus und Sonntagsreden. Es stellt sich die Frage: Was haben Sie in den jetzt vergangenen vier Jahren Regierungszeit erreicht? Erstens. Das GAK-Gesetz ist nicht im notwendigen Umfang reformiert worden. Damit wäre eine moderne vielseitige Förderung des ländlichen Raumes möglich gewesen. Eine echte Reform der Gemeinschaftsaufgabe hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe für die ländliche Entwicklung wäre eine wirkliche Chance gewesen. Zweitens. Auch die Mittelaufstockung der Gemeinschaftsaufgabe hat nicht im nötigen Umfang stattgefunden. Wir fordern mindestens 200 Millionen Euro mehr für die ländliche Entwicklung, um zumindest die drängendsten Probleme angehen zu können. Auch wenn die Mittel für einige Programme des Bundes erhöht wurden, erhält der ländliche Raum noch immer zu wenig Mittel, wenn wir den Vergleich zur Städtebauförderung ziehen oder zu dem, was durch andere Förderprogramme in die Städte fließt. Drittens. Wir sehen auch keine „Politik aus einem Guss“, wie es Landwirtschaftsminister Schmidt einmal angekündigt hat. Es gibt immer noch eine starke sektorale Zersplitterung. Ein kleines Beispiel: Aus allein drei Ministerien wird der Breitbandausbau im ländlichen Raum gefördert. Es gibt keine Koordination und Bündelung von Kompetenzen. Schmidt und Hendricks befinden sich mitten im Kompetenzgerangel. Die ganze Bundesregierung scheint weitestgehend planlos bei der ländlichen Entwicklung. Wir wollen ein eigenes Politikfeld für den ländlichen Raum und eine tragfähige, ressortübergreifende Strategie. An anderen Stellen hat die Bundesregierung sogar Politik gegen eine positive Entwicklung des ländlichen Raumes gemacht. Statt den Flächenverbrauch zu stoppen, wird dieser mit der letzten BauGB-Novelle sogar noch befördert und die Ausweisung neuer Wohngebiete damit erleichtert. Das ist Politik gegen die Ortskerne und damit gegen attraktive ländliche Orte und auch gegen den Erhalt wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auch die kommunalen Haushalte werden weiter belastet. Wenn Gemeinden besonders in ländlichen Regionen aber nicht handlungsfähig sind, können sie nicht in die Zukunft investieren und vor allem keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen. Dann wird nur noch Mangel verwaltet statt Zukunft gestaltet. So wundert es uns jedenfalls nicht, dass Populisten und Rechte den ländlichen Raum entern können. Wir alle müssen Grundprobleme, wie den lahmenden Breitbandausbau und die schlechte kommunale Finanzausstattung, endlich angehen. Sonst hilft die beste Politik für den ländlichen Raum nicht. Nur wir Linken stellen die Eigentumsfrage mit der nötigen Konsequenz: Wem gehört das Land? Diese Frage ist entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes. Die Privatisierung öffentlicher Flächen der BVVG und auch kommunaler Liegenschaften muss gestoppt werden. Nicht die renditeorientierten überregionalen Investoren sollen Zugang zu landwirtschaftlichen Böden und Betrieben haben. Die Spekulation mit Landwirtschaftsflächen muss unterbunden werden. Öffentliche Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge dürfen nicht weiter privatisiert werden. Kommunale, gemeinnützige und genossenschaftliche Unternehmen müssen stattdessen gefördert und unterstützt werden. Dieser Hintergrund zeigt: Die ländliche Entwicklung ist vor allem eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und eine Verteilungsfrage. Ohne dieses Bewusstsein kann keine nachhaltige Politik für den ländlichen Raum gelingen. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist heute eine der letzten baupolitischen Rede dieser Wahlperiode. Angesichts dessen ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Was hat diese Regierung im Bereich Baukultur eigentlich gemacht? Zunächst mal hat sie immerhin zwei Berichte vorgelegt. Auch die Arbeit der Bundesstiftung „Baukultur“ wird hier über Fraktionsgrenzen hinweg geschätzt. Da sind schon auch einige sehr gute Prozesse passiert. Ich denke dabei zum Beispiel an die Schinkel’sche Bauakademie, deren Wiederaufbau in Parlament und Öffentlichkeit auch breit getragen wird. Jetzt komme ich zum Aber: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, warum setzen Sie denn die Empfehlungen des Baukulturberichts nicht um? Warum handeln Sie diametral entgegengesetzt? Sie haben diese Legislatur also zwei Berichte vorgelegt. Sie wurden aber dann parlamentarisch nur unzureichend bearbeitet und fast nicht umgesetzt. Das ist ein typisches Beispiel Ihrer Politik der warmen Worte. Sie hätten hier viel mehr tun können. Wir haben in Deutschland eben nicht nur Probleme in den wachsenden Großstädten und Ballungszentren, sondern auch in den schrumpfenden Regionen. Während die eine Gemeinde aus allen Nähten platzt, lohnt sich andernorts kaum das Betreiben öffentlicher Verkehrsmittel. Vor kurzem hat eine Studie des IW Köln ganz klar gezeigt: Wir bauen eigentlich genug – aber es wird an den falschen Stellen gebaut. Es gibt ländliche Regionen in Deutschland, wo es mittlerweile mehr Eigenheime als Einwohner gibt, und in Berlin oder Stuttgart streitet man mit 50 anderen Interessenten um eine Wohnung. Wo bleibt denn nun Ihre Prämisse „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“? Die haben Sie nämlich mit dem Paragraph 13b im Baugesetzbuch gekillt. Baukultur heißt für diese Bundesregierung also nicht lebendige Ortskerne, sondern Zersiedelung und Flächenfraß. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, warum stärken Sie denn nicht den ländlichen Raum? Warum tun Sie nichts, um den Holzbau in Deutschland voranzubringen? Wir befinden uns in einer Phase der Stadterweiterung und Stadtverdichtung. Für uns Grüne ist der Holzbau da ein zentrales Element. Deswegen haben wir hier unseren Antrag gestellt. Wir brauchen eine nationale Holzbaustrategie, denn das ist die Zukunft nachhaltigen Bauens. Holzbau ist gelebte Baukultur. Holzbau liefert eine Antwort auf serielles Bauen, auf Nachverdichtung und regionale Wertschöpfung. Aber Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Sie denken den ländlichen Raum immer nur in landwirtschaftlichen Strukturen. Aber wir müssen den ländlichen Raum als Innovationsort sehen, nicht als Agrarstruktur. Denn dort, im ländlichen Raum, dort sind doch die innovativen Firmen, die sich mit Holzbau auskennen. Wir haben eine nachhaltige Forstwirtschaft, lassen Sie uns die nutzen für die Baukultur. Lassen Sie uns den Holzbau nutzen für eine nachhaltige Baukultur. Sie von der Union haben doch ein falsches Verständnis vom Dorf des 21. Jahrhunderts: Bei Ihnen sind die Dorfkerne ausgeblutet und die Natur ringsum zersiedelt. An den Ortsrändern wachsen die Einfamilienhausgebiete und im Ortskern gähnende Leere. In 85 Prozent der Gemeinden gibt es neu entstehende Einfamilienhausgebiete. Davon 65 Prozent in schrumpfenden Gebieten. Das ist doch absurd. Sie glauben immer noch, dass die Agrarstruktur entscheidend ist für den ländlichen Raum. Aber entscheidend sind doch ganz andere Fragen: Hat man dort Breitbandausbau? Gibt es gute Kitas und Betreuungsangebote? Gibt es einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr? Gelingt hier Daseinsvorsorge? Das sind die Fragen, die wir für den ländlichen Raum beantworten müssen. Aber da kommt von Ihnen nur Achselzucken und Stillschweigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung. Uns Grünen ist Baukultur wichtig. Gerade jetzt, in der Phase der Stadterweiterung und des Stadtumbaus, brauchen wir innovative Bauweisen. Wir brauchen nachhaltige und günstige Baustoffe. Auf beides kann der Holzbau eine Antwort geben. Und eines kann ich Ihnen versprechen: Wir Grüne werden da auch in der nächsten Wahlperiode nicht lockerlassen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Tagesordnungspunkt 36 ddd) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen die Grünen die von uns beschlossene Ausnahmeregelung in § 60a Absatz 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz in einen pauschalen Bleiberechtsanspruch für abgelehnte Asylbewerber umwandeln. Konkret würde die von den Grünen vorgeschlagene Änderung bedeuten, dass die Vorlage eines Ausbildungsvertrages regelmäßig eine aufwendig vorbereitete Abschiebung verhindern würde. Dieses Vorhaben ist unbedingt abzulehnen. Der Hauptanwendungsfall der sogenannten 3+2Regelung sind Asylverfahren, die sich aufgrund der strukturellen und personellen Probleme im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über Jahre hingezogen haben. Wenn ein Asylbewerber, der jahrelang auf die Entscheidung des BAMF wartet, zwischenzeitlich eine Ausbildung aufgenommen hat, soll er sie unabhängig von seinem Schutzanspruch auch abschließen dürfen. Diese Rechtsicherheit ist wichtig für die Ausbildungsbetriebe und die Betroffenen. Die 3+2Regelung zielt damit vor allem auf Altfälle. Für neuere Asylverfahren stellt sich dieses Problem kaum noch, da die Asylverfahrensdauer dank der vielen Maßnahmen, die wir auf Bundesebene umgesetzt haben, von durchschnittlich sieben auf unter zwei Monate gesunken ist. Schon 2015 haben wir im Zuge der Bleiberechtsnovellierung in § 60a Absatz 2 eine Regelung geschaffen, die es den Ausländerbehörden im begründeten Ausnahmefall ermöglicht, entgegen der grundsätzlichen Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern eine Duldung zum Zwecke der Ausbildung zu erteilen. Damit haben wir die strikte und unerlässliche Trennung zwischen Asyl- und Arbeitsmigration ausnahmsweise und punktuell aufgehoben. Es war aber immer klar, dass damit kein neuer Zuwanderungskanal für abgelehnte Asylbewerber geschaffen werden soll. Das möchten die Grünen nun ändern. 2016 haben wir auch auf Wunsch der Ausbildungsbetriebe bei dieser Regelung nachgebessert und für mehr Rechtssicherheit gesorgt. Wir haben die Erteilung einer Duldung bei Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung als gebundene Entscheidung ausgestaltet. Die Ausländerbehörde muss eine Ausbildungsduldung erteilen, sofern alle dafür nötigen Tatbestandvoraussetzungen erfüllt sind. Es muss sich um eine staatlich anerkannte qualifizierte Berufsausbildung handeln. Es dürfen keine Ausschlussgründe des Absatz 6 vorliegen, wie zum Beispiel bewusste Identitätstäuschung, Straftaten oder fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind grundsätzlich von dieser Regelung ausgeschlossen. Außerdem haben wir den Zusatz eingefügt, dass keine konkreten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bevorstehen dürfen. Diesen entscheidenden Zusatz wollen die Grünen streichen. Die Duldungserteilung wird regelmäßig zum Vollzugshindernis für Abschiebungen, wenn konkrete Vorbereitungen laufen, das heißt, wenn Passersatzpapiere beantragt wurden oder die Abschiebungen terminiert sind oder ein Verfahren zur Dublin-Überstellung läuft. Die Ausländerbehörde könnte diese Maßnahmen nicht mehr durchführen, sobald der abgelehnte Asylbewerber einen Berufsausbildungsvertrag vorlegt und die Berufsausbildung aufnimmt. Sobald die Abschiebung absehbar ist, muss aber die Ausreisepflicht Vorrang haben. Andernfalls würde die Ausreisepflicht zur Farce. Kaum noch eine Ausländerbehörde würde den hohen Aufwand für eine Abschiebung betreiben, wenn er dann kurzfristig zunichte gemacht werden kann. Mit der Eintragung in die Lehrlingsrolle haben wir einen klaren Zeitpunkt definiert, ab wann ein Rechtsanspruch auf eine Ausbildungsduldung besteht. Wörtlich heißt es in der Begründung unseres Änderungsantrages: Ein Nachweis über das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich der Duldung zur Berufsausbildung kann deshalb zuverlässig nur dann geführt werden, wenn ein Nachweis über den Eintrag in die Lehrlingsrolle vorgelegt wird. Bei abgelehnten Asylbewerbern, die erst nach der Ablehnung eine Ausbildung beantragen, überwiegt in der Regel die Ausreisepflicht. Wenn entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden und die Rückführung in absehbarer Zeit durchgeführt werden kann, darf keine Duldung erteilt werden. Ich bin aber sehr dafür, dass in den Fällen, in denen der Betroffene ohne eigenes Verschulden nicht heimreisen kann, zum Beispiel weil sein Herkunftsstaat keine Reisepapiere ausstellt, von dieser Ausnahmeregelung im begründeten Einzelfall Gebrauch gemacht wird. In jedem Fall müssen wir mit diesem Mittel behutsam umgehen. Bund und Länder haben sich am 9. Februar 2017 darauf geeinigt, die Ausreisepflicht konsequenter durchzusetzen. Nach vielen Gesetzesinitiativen zum Abbau von Fehlanreizen und Abschiebehindernissen haben wir zuletzt noch das Gesetz zur Durchsetzung der Ausreisepflicht verabschiedet. Auch grüne Länder haben diesem Gesetz und dem MPK-Beschluss zugestimmt. Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun das Gegenteil dieser Initiative bewirken, indem er ein massives neues Abschiebehindernis kreiert. Aktuell sind rund 220 000 Ausreisepflichtige im Ausländerzentralregister verzeichnet. Bis Ende des Jahres könnte die Zahl laut einer McKinsey-Studie auf bis zu 485 000 Ausreisepflichtige steigen. Deutschland hat aktuell ein massives Problem bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht. Wir müssen daher Hindernisse abbauen und dürfen keine neuen schaffen. Der Gesetzentwurf der Grünen ist daher unbedingt abzulehnen. Nina Warken (CDU/CSU): Als wir Mitte 2016 die Regelung zur Ausbildungsduldung in das Integrationsgesetz aufgenommen haben, geschah dies hauptsächlich auf Wunsch derjenigen Betriebe, die sich für Flüchtlinge engagierten. Dass man diejenigen, die morgens aufstehen, die sich einbringen und sich Mühe geben, wahrnimmt und sich für diese auch einsetzt, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Insoweit handelte es sich bei der Einführung der Regelung um ein Instrument der Rechtssicherheit und nicht um eine grundsätzlich neue Idee. Das herausragende Engagement vieler Ausbildungsbetriebe wussten und wissen wir nach wie vor zu schätzen. Örtliche Betriebe leisten sehr viel für die Integration vieler junger Menschen. Denn wo kann Integration besser funktionieren als in einem Betrieb mit deutschsprachigen Kollegen, geregelten Abläufen und mit einem sozialen „Mikrokosmos“? Das möchte ich gar nicht infrage stellen. Und natürlich steht hinter dem Ansinnen der Betriebe nach einer großzügigen Umsetzung dieser Regelung nicht nur das bürgerschaftliche Engagement, sondern auch die völlig berechtigte Hoffnung auf die Behebung des Fachkräftemangels. Aber obwohl wir vor diesem Hintergrund die Sorgen der Ausbildungsbetriebe nachvollziehen konnten und können, haben wir uns mit der Einführung einer gebundenen Entscheidung schwergetan – aus einem ganz einfachen Grund: Die Integration Ausreisepflichtiger schafft eine Verbindung zwischen unseren beiden getrennten Wegen der Migration: dem des Asyls und dem der Arbeitsmigration. Immer dort, wo diese Berührungspunkte geschaffen werden, wo das Trennungsprinzip durchbrochen wird, ist auch der Anspruch des Staates betroffen, Migration zu steuern. Wir müssen eine Ausnahme als eine solche wahrnehmen und klare Linien ziehen. Nur so können wir Anreize und auch Missbrauch vermeiden. Deshalb enthält die jetzige Regelung eine Einschränkung für die Fälle, in denen „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ bevorstehen. Es soll also immer dann der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden, wenn die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist. Eine Duldung zum Zweck der Berufsausbildung darf dann nicht erteilt werden. Diese klaren Linien müssen auch die Länder ziehen. Denn ihren Ausländerbehörden obliegt schließlich faktisch die Anwendung der bestehenden Regelungen. Es ist selbstverständlich auch mein Wunsch, dass hier eine möglichst einheitliche Handhabung stattfindet. Das ist grundsätzlich eine Frage der Fairness – gegenüber den Auszubildenden und auch gegenüber den Betrieben. Eben weil es an verschiedenen Stellen bei der Ausführung immer wieder zu Nachfragen, Problemen und einer uneinheitlichen Handhabung durch die zuständigen Ausländerbehörden kam, wurden in Zusammenarbeit mit den Ländern Anwendungshinweise erstellt. Ich hoffe, dass diese in ihrer Umsetzung durch die Länder und durch die entstehende Kommunikation mit den Ausländerbehörden für die Bereiche sensibilisieren, in denen Unterschiede bestehen. Dass diese Anwendungshinweise hingegen nähere Angaben zu der Definition „konkrete“ aufenthaltsbeendende Maßnahmen enthalten, ist nicht nötig. Hierzu gibt es inzwischen ausreichend Rechtsprechung der Verwaltungs- und auch Oberverwaltungsgerichte. Und wenn die Ausländerbehörden einzelner Länder das Gesetz enger auslegen als andere, dann kann dies mitnichten dazu führen, dass auf Bundesebene ganze Gesetzespassagen gestrichen werden. Das kann keine Lösung sein! Eine Sache gibt mir immer wieder zu denken: Es sind bei der Agentur für Arbeit Hunderttausende anerkannte Schutzbedürftige arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet. Täglich erhalten mehr junge Menschen Aufenthaltsgenehmigungen. Eine solche Genehmigung bekommt man zum Beispiel auch, wenn vom BAMF ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Und das Abschiebungsverbot greift ja gerade häufig auch bei denjenigen, die eben nicht aus Ländern wie Syrien stammen. Trotzdem gewinne ich immer wieder den Eindruck, dass vermehrt die aufenthaltsrechtlich „schwierigen“ Fälle in den Betrieben landen. Das kann doch eigentlich nicht sein. Ich bin mir dessen schon bewusst, dass in Einzelfällen die Entscheidungen des BAMF auf sich warten lassen. Aber muss angesichts dieser großen Anzahl von jungen Menschen mit Bleiberecht wirklich die Ausnahme zur Regel werden? Das ist eine ganz ernst gemeinte Frage. Denn wenn es wirklich so sein sollte, dann sollten wir genauer hinschauen und klären, warum diejenigen mit gesichertem Status sich so schwertun mit der Aufnahme einer Ausbildung. Was können wir da verbessern, wie können wir da noch mehr helfen und motivieren? Bevor wir also Regelungen streichen – wie es die Grünen hier möchten –, sollten wir doch erst einmal das angemessen umsetzen, was wir haben. Sebastian Hartmann (SPD): Beim Beschluss des Integrationsgesetzes vor einem Jahr war vor allem den Kollegen der CSU eine Passage in § 60a des Aufenthaltsgesetzes sehr wichtig: Eine Ausbildungsduldung sei demnach nur zu erteilen, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. Weil in der Auslegung dieser Formulierung insbesondere durch bayerische Ausländerbehörden „konkrete Maßnahmen“ zum Beispiel auch dann schon vorliegen, wenn das Amt den Antragsteller nur auffordert, einen Pass zu beantragen, hat sich der harmlos wirkende Halbsatz zu einem offenkundigen Problem entwickelt. Aus Bayern hören wir Befürchtungen, dass Unternehmen aus Skepsis gegenüber einem unsicheren und schwer einschätzbaren Verfahren lieber gar keine ausländischen Auszubildenden nehmen könnten. Vielen scheint das Risiko zu hoch, jemandem einen Ausbildungsplatz zu geben, wenn doch während der Ausbildung mit einer Abschiebung gerechnet werden kann. Wir nehmen die Klagen der Unternehmen ernst, von denen uns auch die Industrie- und Handelskammern berichten. Die IHK fordert deshalb nicht nur die Einhaltung der 3+2Regelung während, sondern auch vor Beginn der Ausbildung. Problematisch sind dabei Fälle, in denen zur Verhinderung einer Abschiebung die Ausbildung begonnen wird, ohne dass die Ausbildungsvoraussetzungen schon erfüllt sind. Sinnvoll wäre deshalb, auch die berufsvorbereitenden Maßnahmen als geeignet zu betrachten, eine Abschiebung zu verhindern. Allerdings ist die Praxis hier schon so, dass bei einem bereits geschlossenen (und von der Kammer geprüften) Ausbildungsvertrag auch mehrere Monate vor Beginn der Ausbildung eine Duldung aus dringenden persönlichen Gründen erteilt werden kann, als Überbrückung des Zeitraums bis zum Ausbildungsstart. Die eigentliche Ausbildungsduldung – die berühmten drei plus zwei – wird dann kurz vor Beginn der Ausbildung erteilt. Wir benötigen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, damit Unternehmen planbare Verhältnisse vorfinden. Es reicht aber nicht aus, nur die Streichung des Halbsatzes zu fordern, wie das der Gesetzentwurf der Grünen tut. Ich will nicht in Abrede stellen, dass dies einen zusätzlichen Nutzen bringen könnte; aber wichtiger wäre zunächst, die unmissverständlichen Ansprüche auf eine Duldung in vielen Fällen bekannter zu machen. Die aktuelle rechtliche Grundlage, gestärkt vor allem auch durch die „Anwendungshinweise“ des Bundesinnenministeriums vom 30. Mai 2017, schafft doch bereits die nötige Rechtssicherheit für Unternehmen, die einem geduldeten Flüchtling einen Ausbildungsplatz anbieten wollen. Die Durchsetzung dieser Anwendungshinweise auch in Bayern wird eine entsprechende Klarstellung herbeiführen. Um den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, sind weitergehende Vorstellungen zu verwirklichen, die die SPD-Bundestagsfraktion bereits in einer Positionierung veröffentlicht hat. Wir wollen den Einstieg für junge Geduldete in Ausbildung erleichtern, indem wir bestehende bürokratische und aufenthaltsrechtliche Hürden abbauen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Ausbildungsduldung auch eine vorhergehende Einstiegsqualifizierung umfasst. Für eine Ausbildungsduldung im Rahmen der 3+2Regelung soll ein gültiger Ausbildungsvertrag reichen. Zusätzliche bürokratische Vorgaben etwa im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zum Ausbildungsbeginn lehnen wir ab. Wir wollen mittelfristig für Geduldete in Ausbildung einen eigenen Aufenthaltstitel schaffen. Der Begriff der „guten Bleibeperspektive“ muss rechtlich verbindlich gefasst werden und dabei individuelle Entwicklungen einbeziehen, wie zum Beispiel die Aufnahme einer Ausbildung. Wir setzen uns für eine Lockerung der Wohnsitzauflage für junge Geflüchtete in ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen und in Ausbildung ein. Daneben wollen wir grundsätzlich Maßnahmen der Ausbildungsförderung für Geflüchtete, bei denen nicht von vornherein klar ist, dass sie keine Bleibeperspektive haben, dauerhaft öffnen und ausbauen. Besonders Maßnahmen, in denen das Erlernen der deutschen Sprache in Verbindung mit allgemeinbildenden und berufsvorbereitenden Inhalten verbunden wird, wollen wir stärken. Ein Weg hierzu ist die Stärkung des Förderprogramms KompAS. Das Programm verbindet die Sprachförderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit Kompetenzfeststellung und den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten der Bundesagentur für Arbeit. Wir werden Maßnahmen und Programme stärken, die die Kompetenzfeststellung und Anerkennung von Abschlüssen erleichtern. Natürlich bleiben Asyl und Arbeitsmigration zwei voneinander getrennt zu betrachtende Dinge. Aber in diesem konkreten Fall der 3+2Regelung haben wir es mit einer sinnvollen Verbindung beider Sphären zu tun. Diese gute Regelung bietet nicht nur den Flüchtlingen, sondern auch der aufnehmenden Gesellschaft eine Chance. Was wir darüber hinaus aber wirklich benötigen – und dies fordern wir beharrlich und wiederholt – , ist ein Einwanderungsgesetz. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir debattieren hier den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes. Konkret geht es um die Korrektur eines zentralen Missstandes bei der Gesetzgebung zur Duldung für Auszubildende. Als Geduldete werden Menschen bezeichnet, die rechtlich gesehen zwar als ausreisepflichtig gelten, aber aus familiären, humanitären oder anderen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen oder können. Sie befinden sich in einem Status der weitgehenden Rechtlosigkeit. Sie erhalten häufig Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, können einem Arbeitsverbot unterliegen und selbst nach vielen Jahren ohne jede Vorankündigung abgeschoben werden. Die Erfahrung zeigt, dass eine Duldung häufig kein kurzer Übergangsstatus ist, sondern oft über viele Jahre immer wieder verlängert wird. Bleiberechtsregelungen der letzten Jahre waren zu eng gefasst, um allen langjährig Geduldeten ein sicheres Aufenthaltsrecht zu vermitteln. Mit dem Integrationsgesetz wurden im letzten Jahr die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung zur Ausbildung geändert. Diese Regelung soll es Menschen mit Duldungsstatus ermöglichen, trotz Ablehnung ihres Asylantrags hier eine Ausbildung zu beginnen bzw. zu beenden. Die sogenannte 3+2Regelung sieht einen Schutz vor Abschiebung während der bis zu dreijährigen Ausbildung vor. Danach sind eine sechsmonatige Arbeitsplatzsuche und eine reguläre Beschäftigung und Aufenthaltssicherung möglich. Obwohl diese Regelung einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, hat sie doch mehr als nur einen Pferdefuß. Zum einen haben Verbände, Betriebe und auch die Linke schon immer gefordert, dass statt einer bloßen Duldung eigentlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste. Nur das böte die erforderliche Rechtssicherung. Zum anderen gilt die Einschränkung, dass eine Ausbildungsduldung nur erteilt werden darf, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. Diese schwammige Formulierung öffnet Willkür Tür und Tor; denn vor allem die Ausländerbehörden definieren in der Praxis, was hierunter konkret zu verstehen sein soll. Das könnte im Extremfall dann schon die Terminierung einer Vorsprache sein, bei der die Betroffenen zur Passbeschaffung aufgefordert werden sollen. Ungeachtet dieser Regelung sind immer wieder Geduldete, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, von Abschiebung bedroht oder betroffen. So werden, wie neulich erst in Bayern geschehen, immer wieder junge Menschen aus Berufsschulen oder von ihren Ausbildungsstätten mit teils massiver Polizeigewalt verschleppt und abgeschoben. Das ist ein himmelschreiendes Unrecht. Eine umfassende Korrektur dieser Regelung ist dringend notwendig – weit über die von den Grünen vorgeschlagene wichtige Detailänderung hinaus. Einen Hinweis kann ich den Grünen allerdings nicht ersparen: Selbstverständlich stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf zu. Allerdings wäre es glaubhafter gewesen, wenn Sie die Passage, die Sie jetzt wieder aus dem Gesetz streichen möchten, zusammen mit der Linken abgelehnt hätten, statt dem entsprechenden Änderungsantrag der Koalition am 6. Juli 2016 im Innenausschuss auch noch zuzustimmen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass der Antrag der Grünen bei Weitem nicht alle Missstände bezüglich der Ausbildungsduldung aufgreift. Schon allein das Konzept der Erteilung einer Duldung zur Ausbildung ist doch widersinnig: Um Planungssicherheit sowohl für die Betriebe als auch für die Auszubildenden zu schaffen, ist eine Aufenthaltserlaubnis notwendig! Auch die Zusage einer Ausbildung sollte für die Erteilung eines solchen Titels ausreichend sein, um die Zeit bis zum Beginn der Ausbildung zu überbrücken und nicht vorher abgeschoben zu werden. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im September startet das neue Ausbildungsjahr und Hunderte Betriebe wollen diesmal auch geflüchteten Azubis eine Chance geben. Mit dem Integrationsgesetz und der 3+2Regelung sollten sie dafür die nötige Rechtssicherheit bekommen. Arbeitsministerin Nahles versprach bei der Einbringung des Gesetzes – ich zitiere –: Wir schaffen Planungssicherheit für die Betriebe und für die Betroffenen, indem wir ihnen eine Duldung geben für die ganze Zeit der Ausbildung. Danach können sie ein halbes Jahr suchen, und dann bekommen sie für zwei Jahre einen Aufenthaltstitel. Kurzum: Sie können sich hier auf eine Ausbildung einlassen; sie und die Betriebe haben Rechtssicherheit. Das ist der goldene Weg ... Meine Damen und Herren von der Koalition, dieser goldene Weg ist so leider nie Realität geworden. Das Gesetz war gerade erst in Kraft getreten, da wies das bayerische Innenministerium schon die dortigen Ausländerbehörden an, die Regelung faktisch ins Leere laufen zu lassen. Dass das überhaupt möglich war und immer noch ist, ist die Schuld der Koalitionsfraktionen. Kurz vor Abschluss des parlamentarischen Verfahrens haben sie einen Halbsatz in das Gesetz eingefügt. Danach soll die Duldung nur dann erteilt werden, wenn „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“. Und genau dieser Halbsatz eröffnet jetzt den Interpretationsspielraum, den Bayern nutzt, um die Ausbildungsduldung zu unterlaufen. Ich will es ganz deutlich sagen: Dass es zu dieser widersprüchlichen Auslegung der Ausbildungsduldung kommen konnte, ist das Resultat schlechter Gesetzesarbeit. Innerhalb der Bundesregierung haben sich damals die Innenpolitiker mit ihrer Abschottungspolitik durchgesetzt. Und für diesen Fehler kriegt das Arbeitsministerium jetzt die Quittung. Dieser Fehler lässt sich auch nicht mit den „Anwendungshinweisen“ des Bundesinnenministeriums korrigieren. Sie sind für die Länder nicht rechtsverbindlich, sondern lediglich Leitlinien. Und was „konkrete Maßnahmen“ sind, bleibt weiterhin Interpretationssache. Im Ergebnis kann die Ausbildungsduldung nach wie vor umgangen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie die Ausbildung von Geduldeten fördern wollen, dann reicht es nicht, dass das Arbeitsministerium beteuert, mit den Anwendungshinweisen nicht einverstanden zu sein. Dann müssen Sie jetzt klare Kante zeigen. Das ist die letzte Sitzungswoche. Jetzt ist die letzte Gelegenheit, das Gesetz noch zu ändern. Die Anwendungshinweise zeigen: Solange der besagte Halbsatz im Gesetz steht, bleibt es bei dem breiten Ermessensspielraum und der Rechtsunsicherheit bei der Ausbildungsduldung. Will man das ändern, muss der Halbsatz gestrichen werden. Und genau das machen wir mit unserem Gesetzentwurf. Wenn Sie verhindern wollen, dass das bevorstehende Ausbildungsjahr zum verlorenen Jahr für die Flüchtlingsintegration wird, dann stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. Stimmen Sie ihm zu, und stellen Sie damit sicher, dass geflüchtete Azubis nicht mehr abgeschoben werden – egal in welchem Bundesland sie leben oder welche Ausländerbehörde für sie zuständig ist. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad (Tagesordnungspunkt 22 a) Ich habe, genau wie die ganze Fraktion Die Linke, dem Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen zugestimmt. Denn es ist gut, dass nun endlich, nach Jahrzehnten des Wegschauens und des Leugnens jeglicher Mitverantwortung für die Verbrechen in der deutschen Sekte Colonia Dignidad in Chile, Union und SPD eine Kehrtwende im Umgang mit den Verbrechen der Colonia Dignidad vollziehen. Die Colonia Dignidad war jahrzehntelang Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen. Hunderte Gegner der Pinochet-Diktatur – 1973 bis 1990 – verschwanden dort, wurden gefoltert und ermordet. Deutsche und chilenische Kinder wurden systematisch jahrzehntelang sexuell missbraucht. Auch viele Bewohner der Siedlung wurden Opfer schwerer Misshandlungen. Die Kehrtwende der Koalition ist ein Erfolg der beharrlichen Arbeit der Opfer- und Menschenrechtsgruppen in Chile und Deutschland, die sich niemals haben entmutigen lassen und seit so vielen Jahren eine umfassende Aufklärung und Hilfe für die Opfer verlangen. Ihnen gebührt heute unser Dank. Es ist aber auch ein Erfolg der Opposition. Denn ohne die Initiative von 91 Abgeordneten von Linken und Grünen mit ihrem Namensantrag „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer“ – 18/11805 – hätte sich innerhalb der Koalition von alleine nichts, aber auch gar nichts bewegt. Noch Anfang Februar 2017 verweigerte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken – 18/11114 – jegliche konkrete Hilfe für die Hunderten chilenischen und deutschen Opfer. Und auch im nun vorliegenden Antrag wird jede eindeutige Zusage für die Förderung der Aufarbeitungs- und Gedenkarbeit sowie einer konkreten finanziellen Hilfe für die Opfer vermieden. Selbst nach der Verhaftung von Sektenchef Paul Schäfer im Jahr 2005 und den anschließenden Prozessen und Verurteilungen gegen eine Reihe von Tätern aus der Führung der Sekte wurde niemals ernsthaft an eine Auflösung und Abwicklung der Sekte gedacht. Stattdessen leistete die Bundesregierung großzügige finanzielle und logistische Hilfe, damit die Colonia Dignidad weiterbestehen konnte. Dass nun, so kurz vor Ende der Wahlperiode, der Bundestag geschlossen die Bundesregierung auffordert, mit diesem Umgang Schluss zu machen, ist eine wirklich gute Nachricht für alle Opfer der Colonia Dignidad. Deutschland muss endlich glaubwürdig Verantwortung übernehmen. Dazu gehört, allen Opfern, also auch den chilenischen, die Anerkennung und Unterstützung zukommen lassen, die ihnen zustehen. Es ist längst überfällig, dass sich die Bundesrepublik neben einer sozialen und medizinischen Absicherung der Opfer auch mit viel mehr Nachdruck und Engagement an der Einrichtung eines Gedenkortes auf dem Siedlungsgelände, weiteren erinnerungspolitischen Maßnahmen sowie der umfassenden Aufklärung der Verbrechen und der Verfolgung der Täter beteiligt. Ich erwarte, dass die Bundesregierung nun, anders als nach dem einmütigen Bundestagsbeschluss von 2002, das Votum des Parlaments respektiert und tatsächlich handelt. Dieses dunkle Kapitel deutscher Außenpolitik muss endlich aufgearbeitet werden. Einen leicht faden Beigeschmack hat das Ganze allerdings, weil die Union auch in diesem Fall nicht über ihren ideologischen Schatten springen konnte und aufgrund ihrer Ausschließeritis verhinderte, dass die Linke den fraktionsübergreifenden Antrag mitunterzeichnen konnte. Dass SPD und Grüne bei diesem solch undemokratischen Verhalten jedes Mal wieder mitspielen, ist fast noch skandalöser. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Tagesordnungspunkt 23) Uwe Feiler (CDU/CSU): Die Kollegen von der Linkspartei enttäuschen mich auch bei diesem finanzpolitischen Vorhaben nicht und geben mir zum Ende der Wahlperiode dankenswerterweise bei diesem Punkt noch einmal die Gelegenheit, die unterschiedlichen politischen Herangehensweisen in steuerpolitischen Fragen zu skizzieren. Ich hatte die Ehre, meine Fraktion in der vergangenen Wahlperiode als Mitglied des Finanzausschusses als zuständiger Berichterstatter für die Abgabenordnung bei mehreren Gesetzesvorhaben zu vertreten. Alle hatten zum Ziel, Steuerbetrug aufzudecken, zu bekämpfen und auch härter zu bestrafen, sei es beim internationalen Informationsaustausch in Steuersachen, dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, das mir in meiner Arbeitsgruppe den Namen „Kassen-Feiler“ einbrachte, oder der Reform der strafbefreienden Selbstanzeige, mit der wir die Möglichkeit der Selbstanzeige einschränkten und das Strafmaß empfindlich anhoben. Ja, es gibt findige Unternehmer und Arbeitnehmer, die sich einbilden, sich auf Kosten der Steuerzahlergemeinschaft ihrer Verpflichtungen entziehen zu können. Aber bei allem Verbesserungsbedarf im Einzelfall zeichnet es unsere deutsche Finanzverwaltung gerade dadurch aus, dass sie im Steuervollzug sehr effektiv arbeitet. Das ist vor allem den engagierten Beamtinnen und Beamten in den Finanzverwaltungen zu verdanken. Wo eine nicht funktionierende Steuerverwaltung hinführt, können wir uns nach wie vor in Griechenland ansehen. Die Linksfraktion leitete jedoch bei jedem der von mir genannten Gesetzesinitiativen ein Grundmisstrauen gegenüber allen Unternehmern: Alle Einzelhändler, Taxifahrer und Gastronomen sind potenzielle Steuerhinterzieher, Bezieher von Kapitaleinkünften verschieben ihr Geld ins Ausland und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Linksfraktion wird unterstellt, dass Betriebe größtenteils falsche Steuererklärungen abgeben, die nur durch das Instrument der flächendeckenden Betriebsprüfung aufgedeckt werden können. Ich sage ganz deutlich: Diesem Zerrbild vermag ich mich nicht anzuschließen. Der weitaus überwiegende Teil der Unternehmer zahlt pflichtschuldig seine Steuern. Gleichwohl bin ich auch nicht naiv und weiß als Finanzbeamter selbst, wie Einzelne mit teilweise dreistem Vorgehen den Staat betrügen wollen. Genau dafür haben wir die Steuerfahndung und eine Betriebsprüfung, die sich derjenigen annimmt, die meinen, das ein oder andere „vergessen“ zu können und dafür sorgt, dass die Steuerehrlichen auf dem richtigen Pfad bleiben. Doch anstatt alle über einen Kamm zu scheren, wie es die Linksfraktion mal wieder macht, prüft die Steuerverwaltung – übrigens unter voller Billigung der Finanzgerichte – schon heute nach risikobasierten Faktoren. 14 000 hochqualifizierte Betriebsprüfer kümmern sich darum, dem Anspruch gerecht zu werden, den Steuervollzug konsequent auch im gewerblichen Bereich durchzusetzen. Bei den großen der über 8 Millionen Unternehmen in Deutschland ist schon heute die Betriebsprüfung ein ständiger Gast, da diese übrigens mit Unterstützung der Bundesbetriebsprüfer anschlussgeprüft sind. Die weiteren Unternehmen müssen durchschnittlich alle sieben Jahre mit dem Besuch der Finanzbehörden rechnen. Auch hier wird natürlich mithilfe eines Risikomanagements vorgegangen. Von daher trägt auch nicht die in der Begründung angeführte Milchmädchenrechnung, dass durchschnittlich mit einem Mehrertrag von 130 000 Euro pro Prüfung zu rechnen sei und sich jeder zusätzliche Betriebsprüfer selbst rechne. Die Betrachtung unterschlägt nämlich, dass bei diesen durchgeführten Prüfungen bereits im Vorfeld gerade durch ein effektives Risikomanagement die Auswahl erfolgte und man deshalb keinesfalls darauf schließen kann, bei jedem geprüften Unternehmen in dieser Größenordnung fündig zu werden. Vollkommen unrealistisch ist auch die Festlegung auf ein verbindliches Prüfungsintervall von drei Jahren. Die Betriebsprüfung obliegt den Landesfinanzverwaltungen, die bei dieser Vorgabe vor nicht zu lösende Personalprobleme gestellt würden und, wie der Antragsteller selbst einräumt sehr schnell mit finanziellen Forderungen auf den Bund zukämen. Um alle 8 Millionen Unternehmen vollständig zu prüfen, müsste die Zahl der Betriebsprüfer von heute 14 000 auf 190 000 steigen. Mal davon abgesehen, dass die Fachhochschulen der Länder über Jahre Finanzbeamte am laufenden Band ausbilden müssten, bedarf die Tätigkeit als Betriebsprüfer auch einiger beruflicher Erfahrung. Ferner sind die Länder schon heute überhaupt nicht gehindert, derartige Prüfintervalle selbst verbindlich einzuführen, wenn sie es denn wollen und für richtig halten. Auch das Land Brandenburg, das über einen Finanzminister der Linkspartei verfügt, hat bislang dieses Vorhaben im Land nicht umgesetzt. Dabei könnte es ja schon heute den Beweis liefern, dass die genannten Mehrerträge zu erzielen sind. Von daher bitte ich um Verständnis, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können und unsere Kraft vielmehr darauf setzen, die Kolleginnen und Kollegen in den Finanzämtern ihre Arbeit machen zu lassen und dafür zu sorgen, dass sie über die Instrumente verfügen, die sie benötigen. Die Länder können aber auch ihren Anteil leisten, indem sie die personellen und sachlichen Ressourcen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung bereitstellen. Dazu bedarf es aber nicht dieses Gesetzes. Margaret Horb (CDU/CSU): Diese Gesetzesvorlage ist wie das Wollknäuel, das bei meiner Großmutter früher immer in einer Ecke des Wohnzimmers lag – nämlich für die Katz! Sie fordern, für Außenprüfungen ein Mindestintervall von drei Jahren in der Abgabenordnung zu verankern, und das für alle Unternehmen im Sinne des § 193 AO und für alle Steuerpflichtigen im Sinne des § 147a AO. Das ist vollkommen überflüssig, absolut weltfremd und zudem eine gewaltige Rolle rückwärts auf dem weiteren Weg in einen zeitgemäßen, effektiven und effizienten Steuervollzug. Wenn Sie sich schon mit einem Bundesrechnungshofbericht aus dem Jahr 2006 beschäftigen, dann hätten Sie klugerweise auch noch den Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem Vorjahr in Ihr Grundlagenstudium einbeziehen sollen. Denn darin empfiehlt der Bundesrechnungshof ganz eindeutig, die Digitalisierung im Steuervollzug voranzutreiben (Stichwort: vollelektronisches Veranlagungsverfahren auf Basis bundesweit kompatibler Steuersoftware) und die Konzentration der Bearbeiter auf die Überprüfung risikobehafteter Fälle sowie die Aufdeckung bislang unbekannter Fälle. Und genau das haben wir in zahlreichen Gesetzen bereits getan. Mit dem 2016 verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens haben wir beispielsweise durch die Verankerung des Risikomanagementsystems in der Abgabenordnung den Weg der Steuergerechtigkeit mit Effizienz und Effektivität gestärkt. Ich verweise auf zahlreiche koalitionsübergreifende Berichterstattergespräche des Finanzausschusses zu den Berichten des Bundesrechnungshofs unter meiner Leitung. In diesen Fachgesprächen mit dem Bundesrechnungshof, den Vertretern der Bundesländer und dem Bundesfinanzministerium wurde von Ihrer Seite nicht ein einziges Mal die Forderung nach einem Mindestprüfungsintervall eingebracht. Bereits heute wird jede einzelne in den Finanzämtern eingehende Steuererklärung durch ein IT-basiertes Risikomanagementsystem geprüft, anhand objektiver Kriterien bewertet, sofern notwendig, da risikobehaftet, ausgesteuert und einer weiteren manuellen Intensivprüfung unterzogen. Auch der Betriebsprüfer erhält schwerpunktmäßig prüfungsbedürftige sowie risikobehaftete Fälle. Zudem scheint Ihnen das Instrument der Anschlussprüfung nicht bekannt zu sein. Dieser Einsatz von moderner Technologie, risikobasierter Auswertung und die Symbiose von menschlichem Know-how ist unser Weg eines gerechten Steuervollzugs mit der Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das ist effizientes Vorgehen. Daher verwundert mich ihr Gesetzesantrag, liebe Kollegen der Linken, doch sehr. Denn er blendet nicht nur die Realität aus, er verschließt sich zudem einem modernen Steuervollzug. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, wollen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung mittels durchgehender Betriebsprüfungen erreichen. Sie schauen sich somit im sprichwörtlichen Heuhaufen jeden einzelnen Grashalm an, ob er nicht doch eine Nadel ist. Aber das ist überhaupt nicht nötig! In Zeiten der Digitalisierung funktionieren moderne Steuer-IT-Programme wie Magnete, die schnell und effektiv die Nadel finden. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzen bei der Betriebsprüfung auf Risikomanagement und moderne IT, und nicht wie Sie auf einen steuerlichen Überwachungsstaat. Liebe Linke, Sie gehen davon aus, dass mehr Außenprüfungen automatisch zu höheren Steuereinnahmen führen. Aber das ist eine Illusion. Ein Anruf bei Ihrem linken Parteikollegen und thüringischen Ministerpräsidenten hätte uns vielleicht auch diesen Antrag erspart. Denn im Jahr 2016 beispielsweise hat Thüringen mit mehr Betriebsprüfern ganze 17,5 Millionen Euro Steuereinnahmen weniger bei Betriebsprüfungen erzielt als im Jahr davor. Weniger, nicht mehr! Aber das passt ja nicht in Ihre Argumentation. Ihre Forderung, alle Unternehmen in Deutschland kontinuierlich einer Betriebsprüfung zu unterziehen, betrifft nicht nur mittelständische Betriebe und international agierende Holdings, die mit ihren hauseigenen Steuerabteilungen oft gut dafür eingerichtet sind, sondern es bedeutet auch, dass jeder Rentner, der mit einer Photovoltaikanlage auf seinem Haus gewerbliche Einkünfte erzielt, jede selbständige Hebamme, jeder Physiotherapeut, jeder pensionierte Lehrer, der Nachhilfeunterricht gibt, jeder Nebenerwerbslandwirt, der Streuobstwiesen pflegt und die Früchte auf dem Markt verkauft, mindestens einmal alle drei Jahre geprüft wird. Dass Betriebsprüfungen erforderlich und notwendig sind, bestreitet niemand. Dass aber häufigere Betriebsprüfungen nicht automatisch zu einem steuerlichen Mehrergebnis führen, sieht man am Beispiel Thüringen. Ob Sie es glauben oder nicht – es gibt auch bei Betriebsprüfungen Steuerrückerstattungen. Ich empfehle Ihnen hierzu das Studium des § 85 AO. Und wenn Sie die „Bibel des Steuerrechts“ schon einmal in der Hand haben, schlagen Sie gleich noch § 233a AO auf! Abschließend möchte ich explizit darauf hinweisen, dass die Zuständigkeit für den Steuervollzug bei den Ländern liegt. Ihnen scheint völlig unbekannt zu sein, dass Nachwuchsprobleme und Überalterung schon jetzt Herausforderungen sind, denen sich die Länder stellen müssen. Ist Ihnen bewusst, dass eine Ausbildung vom Finanzanwärter zum Betriebsprüfer vier Jahre dauert? Zurzeit haben wir bei rund 8 Millionen Unternehmen in Deutschland circa 14 000 Betriebsprüfer. Die Umsetzung Ihres Antrages aber würde bedeuten, dass wir rund 190 000 Prüfer bräuchten, um das von Ihnen geforderte Mindestprüfungsintervall zu halten. Von einem Tag auf den anderen müsste die Finanzverwaltung um die Anzahl der Einwohner von Heidelberg anwachsen. Absolut realitätsfern! „Die Seele jeder Ordnung ist ein großer Papierkorb“, wusste Kurt Tucholsky – und genau dort gehört dieser Gesetzentwurf hin! Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ein funktionierender Steuervollzug ist ein wichtiger Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Nur wenn die Steuerverwaltungen, also vor allem die Finanzämter in den Ländern, effektiv und effizient arbeiten, ist sichergestellt, dass die Steuergesetze in Deutschland einheitlich angewendet werden und Steuerhinterziehung wirksam bekämpft wird. Der Gesetzentwurf der Linken geht daher in die richtige Richtung. Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht: Deutschland ist ein föderal organisierter Staat mit klarer Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Die Gründungsväter und -mütter unserer Republik haben das – aus guten Gründen – in das Grundgesetz geschrieben. Die in regelmäßigen Abständen zu vernehmende Kritik am Föderalismus sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Bundesregierung diese Kompetenzverteilung akzeptieren muss. Änderungen können nur gemeinsam mit den Ländern erfolgen. Das gilt auch bei der Durchsetzung des Steuerrechts. In Ihrem Gesetzesantrag fordern Sie anstatt der gegenwärtigen sieben Jahre ein Mindestprüfungsintervall von drei Jahren in der Abgabenordnung für Steuerpflichtige mit besonderem Einkommen, also beispielsweise Selbständige und solche mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen. Es ist klar, dass intensivere Kontrollen zu Mehrkosten beim Personal in den Steuerverwaltungen der Länder führen. Es werden deutlich mehr Betriebs- und Außenprüfer benötigt, die dauerhaft finanziert werden müssen. Ihrer eigenen Einschätzung, dass diese Mehrkosten durch Mehreinnahmen ausgeglichen werden, trauen Sie offenbar selbst nicht. Ich zitiere aus der Gesetzesbegründung: Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei einem nennenswerten Mehrbedarf an Betriebsprüfern infolge der Festschreibung des Betriebsprüfungsturnus Forderungen nach einer finanziellen Beteiligung des Bundes an den Personalmehrkosten von den Ländern erhoben werden würden. Dies hat ggf. der Haushaltsgesetzgeber sicherzustellen bzw. wäre Gegenstand von Bund-Länder-Verhandlungen. Die Erfahrungen, die auch Sie bei der vor wenigen Wochen verabschiedeten Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen gemacht haben, müssten Ihnen eigentlich Anlass zum Nachdenken geben. Sie wissen, wie viel Anstrengungen nötig waren, um ein erweitertes Weisungsrecht für den Bund beim IT-Einsatz in der Steuerverwaltung und ein stärkeres fachliches Weisungsrecht gesetzlich zu verankern. Daher ist es mir absolut schleierhaft, woher Sie den Optimismus nehmen, dass der von Ihnen beabsichtigte Eingriff in die hoheitliche Länderaufgabe des Steuervollzugs erfolgreich verhandelt werden könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund derzeit über den Bund-Länder-Finanzausgleich hinaus bereit ist, mehr Geld bereitzustellen. Ebenso ist zu nicht erwarten, dass sich die Länder in die Steuerverwaltung hineinreden lassen. Wie meine Partei wünsche ich mir eine stärkere Rolle des Bundes bei der Erhebung der Steuern. Aber mit der Brechstange kommen wir da nicht vorwärts. Wie Sie wissen, befindet sich die Bundesregierung in ständigem Dialog mit den Ländern. In dieser Wahlperiode haben zwei fraktionsübergreifende Gespräche mit Ländervertretern zum Steuervollzug stattgefunden. Dort wurde über eine Vereinheitlichung der Software, Stichwort KONSENS, und über Zielvereinbarungen gesprochen. Der Erfolg von Steuerprüfungen hängt nicht nur von der Zahl von Prüfern bzw. Prüfungen ab, sondern von den Methoden, sprich: dem Risikomanagement. Wir haben die Möglichkeit, zwischen Bund und Ländern individuell Steuervollzugsziele zu vereinbaren, die dem Zielkonflikt, nämlich fachliche Anforderungen versus begrenzte personelle Ressourcen, Rechnung tragen. Ergänzend sind ein gemeinsam abgestimmtes Kennzahlensystem und ein Berichtswesen zur regelmäßigen Zielüberprüfung für ein Bund-Länder-Verwaltungscontrolling im Bereich der Steuerverwaltung gesetzlich festgeschrieben worden. In unserem aktuellen Regierungsprogramm bekennen wir uns als SPD zu einem gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung. Wir wollen, dass alle Bundesländer ihre Steuerverwaltungen, Steuerfahndungen und Betriebsprüfungen personell vernünftig aufstellen, um ihren gesetzlichen Auftrag effektiv wahrnehmen zu können. Im Interesse der ehrlichen Steuerzahler und -zahlerinnen gilt es Steuerbetrug, Steuervermeidung und Geldwäsche hart zu bekämpfen. Wir sind aber gut beraten, für die Erreichung dieser wichtigen Ziele unsere vorhandenen Instrumente klug zu nutzen und gemeinsam mit den Ländern geeignete Lösungen zu finden. Im Föderalismus ist der Fortschritt oft eine Schnecke. Ungeduld hilft uns aber nicht weiter. Ihr Gesetzentwurf schießt leider über das Ziel hinaus. Die Chancen für die Umsetzung sind gleich Null. Ich empfehle daher, Ihren Antrag abzulehnen! Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die SPD möchte einen Gerechtigkeitswahlkampf führen. Das finde ich gut. Da gibt es sehr viele Baustellen in unserem Land, Baustellen, um die sich in dieser Legislaturperiode die Bundesregierung nicht gekümmert hat. Ich nenne das Stichwort Steuergerechtigkeit. Hier haben Bundesregierungen in den vergangenen 20 Jahren komplett versagt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt fest, dass seit 1999 das reale verfügbare Einkommen der 40 Prozent, die am unteren Ende der Einkommenspyramide stehen, zurückgegangen ist. Für die obersten 10 Prozent stiegen die Einkommen um knapp 27 Prozent. Analysen des neoliberalen Wirtschaftsforums, das sich jährlich in Davos trifft, stellte fest, dass es der Bundesregierung nicht gelingt, Wachstum und Gerechtigkeit zu verbinden. Bei Steuern und Sozialabgaben, einem für Zusammenhalt und Chancengleichheit in der Gesellschaft ganz entscheidenden Feld, kommt die BRD nur auf Platz 27 von 30 untersuchten Staaten. Immer wieder hören wir Klagen von Millionären, die ihrer Meinung nach zu viel Steuern zahlen. Worüber nur selten gesprochen wird, ist die Tatsache, dass kaum ein Millionär wirklich die Steuern zahlt, die er zahlen müsste. Einkunftsmillionäre werden nur selten von den Finanzämtern geprüft, ob sie auch wirklich ihrer Steuerpflicht nachkommen. Sie tun es in der Regel nicht. Die Zahl der Einkommensmillionäre nimmt seit Jahren zu. Das belegt das Statistische Bundesamt. Gleichzeitig nehmen die Prüfungen von Einkunftsmillionären ab. Es gibt einen regelrechten Wettbewerb unter den Bundesländern, wer seine Millionäre besonders selten prüft. Gab es 2010 noch 1 838 Prüfungen, sank die Zahl 2014 auf 1 391 Prüfungen. Bereits 2006 hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass Einkunftsmillionäre in einigen Bundesländern nur alle 30 Jahre geprüft werden. Dabei erbringt eine Prüfung im Durchschnitt 225 000 Euro. 2014 gab es bei 1 391 Außenprüfungen nur 281 Prüfungen (20,2 Prozent) ohne Beanstandungen. Es mussten 313 Millionen Euro Mehrsteuern nachgezahlt werden. Das sind beeindruckende Erfolge der Steuerbehörden. Wenn man bedenkt, dass jährlich nur 11 bis 16 Prozent der Einkunftsmillionäre geprüft werden, dann kann man sich vorstellen, wie viel Geld der Gesellschaft an Steuern vorenthalten wird. Doch mehr Erfolg wollen die Landesregierungen, die besonders viele Millionäre beherbergen, nicht. Ich habe vorgeschlagen, die Prüfquote zu erhöhen. Der Bundesfinanzminister zeigte wenig Interesse an dem Problem und verwies auf die Zuständigkeit der Bundesländer. Dass die Bundesregierung hier tatenlos zusieht, wie Steuereinnahmen vorenthalten werden, zeigt, dass sie sich offensichtlich als Vermögensverwalter einer kleinen Schicht von Millionären versteht. Ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages hat geklärt, dass der Bundesfinanzminister sehr wohl die Prüfquote über die Abgabenordung festlegen kann. In unserem vorliegenden Antrag fordert meine Fraktion eine verbindliche Quote. Mindestens alle drei Jahre sollen danach Einkunftsmillionäre geprüft werden. Wer also mehr Gerechtigkeit will, in diesem Fall mehr Steuergerechtigkeit, der muss unserem Antrag heute zustimmen. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wissen wir über die Einkommensmillionäre und deren Steuermoral in diesem Land? Herzlich wenig. Das bisschen, das wir wissen, kommt meistens aus der Zeitung, wenn wieder ein Skandal durch die Republik geistert. Dank Statistischem Bundesamt wissen wir seit gestern, dass es 17 400 im Jahr 2013 waren und dass ihr durchschnittliches Jahreseinkommen bei 2,6 Millionen Euro lag. Die allermeisten sind sehr wahrscheinlich ehrliche Steuerzahler; aber es gibt, wie wir wissen, auch immer wieder eine erschreckende Zahl von schwarzen Scharfen unter ihnen. Gleichzeitig gehen seit Jahren die Prüfquoten insbesondere bei den sogenannten besonderen Einkommen zurück. Während es 2010 noch rund 1 800 Prüfungen gewesen waren, waren es 2014 nur noch etwa 1 400. Durch die geringen Prüfquoten entgehen dem Staat Millionen an Steuereinnahmen, die wir dringend für Zukunftsinvestitionen in Schulen, bezahlbaren Wohnraum und die digitale Infrastruktur brauchen könnten. Es ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit nicht hinnehmbar, dass sich Einzelne über komplizierte Steuerschlupflöcher ihrer Steuerverantwortung entziehen und, dass es keine Nachprüfungen gibt. Gerade bei Konzernen und Einzelpersonen mit hohen Einkommen, denen ganz andere finanzielle und personelle Möglichkeiten zur Steuergestaltung zur Verfügung stehen, müssen wir ganz genau hinschauen. Wir Grüne kritisieren seit Jahren, dass der Bund keine verbindlichen, wirksamen Prüfungsquoten in die Zielvereinbarungen mit den Ländern aufgenommen hat. Wir finden aber für kleine oder Kleinstunternehmen würde ein Prüfungsintervall von fünf bis sieben Jahren genügen. Außerdem fordern wir Grüne seit Jahren, eine Spezialeinheit auf Bundesebene auf Augenhöhe mit den Konzernen mit Zuständigkeit sowohl für die Veranlagung als auch für die Prüfung zu schaffen. So eine Steuereinheit wäre eine zielgerichtete und effektive Variante, um Steuerbetrug zu stoppen. Deshalb finden wir die Idee, Einkommensmillionäre und Unternehmen regelmäßig zu überprüfen, prinzipiell richtig. Die Linke schlägt dafür jetzt eine Mindestintervallprüfung von drei Jahren vor – und das für alle Unternehmen. Ich befürchte aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, damit schießen Sie über das Ziel hinaus. Denn der Vorschlag, 3,7 Millionen Unternehmen regelmäßig zu prüfen, ist schlicht nicht realistisch. Die Umsetzung wäre mit einem erheblichen personellen Mehraufwand für die Finanzämter verbunden. Ihr Vorschlag liefert keinen Anhaltspunkt, wie dies alles kurzfristig umgesetzt werden soll. Auch vor diesem Hintergrund scheint ein sofortiges Inkrafttreten, wie gefordert, nicht möglich. Grundsätzlich unterstützen wir die Idee einer Festschreibung von Mindestprüfintervallen in der Abgabenordnung aber ausdrücklich. Es ist kein Zufall, dass in der Zeit unter Schwarz-Gelb besonders wenig geprüft wurde und sich seitdem auch nicht viel getan hat. Der Prüfungsrückgang hat mit der Verschonungs- und Klientelpolitik der Regierung in den letzten Jahren zu tun. Denn Vorschläge, den Steuervollzug zu verbessern, gibt es reichlich; allein der politische Wille fehlte in der letzten Zeit. Das muss sich ändern. Wir teilen Ihr Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken. Aber da wir das Prüfungsintervall von drei Jahren für alle für unverhältnismäßig halten, werden wir uns heute enthalten. Lassen Sie uns das Thema mit zielgerichteten Prüfintervallen in der nächsten Legislatur aber gerne weiter diskutieren. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) (Tagesordnungspunkt 25) Christina Schwarzer (CDU/CSU): Morgen endet die voraussichtlich letzte Sitzungswoche dieser Legislatur. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz beschließen wir heute eines der letzten Gesetze, über die wir in dieser Periode verhandelt haben. Und ich muss auch sagen: Der Weg, wie es zu dieser Entscheidung kam, war einer der denkwürdigsten, die ich in meiner ersten Legislatur hier im Haus erlebt habe. Zum Verfahren und zur Erarbeitung des Gesetzes hat es massenhaft Kritik gegeben, die ich in vielen Punkten teile. Ich hatte das in meiner Rede zur Einbringung des Entwurfs vor ein paar Wochen schon gesagt: Es gibt kaum ein Thema, das so sehr von der Mitarbeit und der Expertise derer abhängt, die tagtäglich an der Basis arbeiten, wie die Kinder- und Jugendhilfe. Man muss sehr genau hinschauen. Einfache, pauschale Lösungen gibt es nicht. Die Arbeit an der Basis ist höchst individuell. Ohne die umfassende Expertise dort ist keine große Reform zu machen; davon bin ich überzeugt. Entsprechend intensiv haben wir den Gesetzentwurf geprüft, der schließlich das Parlament erreicht hat. Und natürlich haben wir mit den Experten gesprochen, nicht zuletzt im Rahmen der Anhörung im Ausschuss. Von unserer Fraktion, aber auch von den Fachleuten gab es zu einigen Punkten Kritik. Beispiel Pflegekinderwesen: Von Anfang an haben wir gesagt, dass wir beim Kinder- und Jugendstärkungsgesetz keine halbgaren Lösungen im Eilverfahren abstimmen werden. Die Opposition hat am Mittwoch im Ausschuss betont, dass sie die Regelungen zu den Pflegekindern im Wesentlichen für gut und richtig hält. Die Experten in der Anhörung – übrigens nahezu alle – sahen das ganz anders. Besonders die frühzeitige Perspektivklärung stieß auf massive Kritik. Das teilen wir. Daher ist es nur folgerichtig, dass wir die Regelungen zu den Pflegekindern aus dem Entwurf herausnehmen wollen. Wir müssen diese Frage umfassend mit der Fachöffentlichkeit diskutieren, in einem angemessenen Verfahren mit umfassender Beteiligung. Dabei muss es auch um die Arbeit mit den Herkunftseltern gehen, die wir dringend stärken sollten. Also ja: Einige Punkte am Gesetzentwurf von März sind zu kritisieren. Dennoch wäre es falsch, die guten und richtigen Dinge, die der Entwurf eben auch beinhaltet, nicht umzusetzen. Als Beispiele seien die Heimaufsicht, die unabhängigen Ombudsstellen sowie der bessere Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften genannt. Ich möchte hier noch auf zwei Punkte hinweisen, die mir persönlich besonders am Herzen liegen: Wir schlagen unter anderem eine bessere Kooperation der Heilberufe mit dem Jugendamt vor. Man muss mit dieser Frage sensibel umgehen. Kinderärzte sind in erster Linie Ansprechpartner der Eltern. Sie sind vor allem zuständig für die Kindergesundheit. Sie sind aber auch Vertrauenspersonen. Da ist es gut, dass Eltern sich auch mit kleineren und größeren Erziehungsproblemen an die Ärzte wenden und um Unterstützung bitten. Dieses Vertrauensverhältnis muss bestehen bleiben. Bei Fragen, die das Kindeswohl oder den Kinderschutz betreffen, kennen wir allerdings Fälle, in denen eine bessere Kommunikation zwischen Kinderarzt und Jugendamt Schlimmes hätte verhindern können, ja sogar Kinderleben hätten retten können. Daher ist es richtig und wichtig, hier bessere Kommunikation zu ermöglichen. Die Jugendämter müssen damit allerdings sehr behutsam umgehen. Mein zweites Herzensanliegen: Sie wissen ja, dass ich mich sehr um das Thema erweitertes Führungszeugnis bemüht habe. Gemeinsam mit den Kolleginnen Gudrun Zollner und Ingrid Pahlmann kämpfe ich seit langem um eine Entbürokratisierung des Verfahrens. Stichwort: Nein – Auskunft. Im Gegenzug würden wir gern den Kreis derer, die in der Kinder- und Jugendarbeit die Auskunft vorlegen müssen, erweitern. Dass wir uns hiermit bei BMJ und BMFSFJ nicht durchsetzen können, steht auf einem anderen Blatt. Ich finde aber, es ist ein guter Schritt, dass wir mit dem KJSG nun den § 184j StGB mit in den Katalog der Straftaten aufnehmen, die die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nach § 72a SGB VIII ausschließen. Hier geht es um die Straftaten aus Gruppen mit eindeutig sexuellem Bezug. Diese Neuregelung ist genau richtig. Wer solche Straftaten ausübt oder durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass andere sie ausüben können, hat in der Nähe von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen. Wo wir das verhindern können, sollten wir es tun. Insofern ist es umso bedauerlicher, dass wir uns mit dem Vorschlag, ein Führungszeugnis auch für Vormünder einzufordern, nicht durchsetzen konnten. Zum Abschluss dieses parlamentarischen Verfahrens lässt sich also Folgendes festhalten: Erstens. Wir haben ein gutes Kinder- und Jugendhilfegesetz – heute schon. Nicht nur, dass es dem Thema nicht angemessen ist, wichtige Punkte im Eilverfahren zu diskutieren, es ist auch nicht nötig. Wir können uns die nötige Zeit lassen. Daher haben wir – zweitens – den Entwurf an vielen Punkten verbessert. Ich habe dazu schon einiges gesagt. Drittens. Das Verfahren ist hiermit noch lange nicht abgeschlossen. Ja, wir wollen heute einige gute Punkte zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen umsetzen. Aber damit ist noch lange nicht alles umgesetzt, was wir in der Kinder- und Jugendhilfe verbessern sollten. Mir liegt vor allem die umfassendere Arbeit mit den Herkunftseltern am Herzen. Dazu ist heute noch wenig geregelt. Der Staat und die Gesellschaft müssen die Familien unterstützen, in denen die Eltern dieser Fürsorgepflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommen können bzw. wollen. Dabei geht es zunächst um Arbeit in der Familie. Eltern zu befähigen, muss an erster Stelle stehen. Dieses Prinzip, das sich aus unserem Grundgesetz ableitet, müssen wir vor Augen behalten. Auch das Thema Pflege und Heimerziehung müssen wir in diesem Zusammenhang noch einmal genauer ansehen. Das alles sind große Themen. Das geht nicht im Hauruckverfahren in wenigen Wochen vor Ende einer Legislatur. Daher wünsche ich mir für die kommende Legislatur ein besseres Verfahren mit umfassender Beteiligung und Debatte. Ich würde mich freuen, wenn wir heute zusammen einen ersten Schritt gehen und gemeinsam die wirklich guten Änderungen und schließlich auch den geänderten Gesetzentwurf beschließen. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Mit dem vor 26 Jahren in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) ist es den damals Verantwortlichen gelungen, ein sehr gutes Gesetz zu verabschieden. Das bestehende KJHG wurde seinerzeit, im Gegensatz zu dem hier in Rede stehenden Reformentwurf, sehr breit und umfassend in der Fachöffentlichkeit diskutiert. Nur so gelang es damals, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das durchdacht war und von allen mitgetragen wurde. Nach 26 Jahren ist es unbestritten, dass es in der Kinder- und Jugendhilfe und im familienrechtlichen Bereich Verbesserungen bedarf. Die aktuellen Zahlen von Inobhutnahmen (77 645 im Jahr 2015) und von Verdachtsfällen hinsichtlich Kindeswohlgefährdungen (129 000 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls im Jahr 2015) sind erschreckend hoch. Die Anzahl an Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung, an Inobhutnahmen und an langfristigen stationären Unterbringungen ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Es gab schreckliche Fälle, bei denen Kinder durch ihre Eltern zu Tode kamen, missbraucht oder vernachlässigt wurden, obwohl die Behörden bereits informiert waren und die Familien kannten. Es wurden an uns Politikerinnen und Politiker der Union aber auch Fälle herangetragen, in denen Kinder sehr schnell und bei geringfügigen Anlässen aus ihren Familien genommen wurden. In Berlin wurde mir ein Fall zugetragen, bei der einer alleinerziehenden Drillingsmutter, die liebevoll mit ihren Kindern und erziehungsfähig war – was auch niemand anzweifelte –, die Fremdunterbringung ihrer Säuglinge angedroht wurde, weil das Jugendamt keine Entlastung und Unterstützung der Mutter beim Einkaufen und Versorgen der Familie organisieren konnte. Wenn sie sich weiter beklagen und Unterstützung einfordern würde, wären die Kinder weg, sagte man ihr. Vorschnelle Herausnahmen werden nicht nur von betroffenen Eltern und Großeltern, sondern auch von Insidern, wie Sozialarbeiterinnen, Gutachterinnen, Anwälten und Jugendamtsmitarbeitern, hinter vorgehaltener Hand bestätigt. Problematisch sind auch die enormen Kostenaufwüchse im Bereich der Hilfen zur Erziehung. Innerhalb von fünf Jahren stiegen diese von 7,5 Milliarden auf 10,2 Milliarden in 2015. Dass es eine Reform in der Kinder- und Jugendhilfe geben muss, ist klar. Entscheidend ist aber, welche. Viele Probleme ergeben sich aus der Umsetzung der Gesetze in der Praxis. Dass in den letzten Jahren Kinder getötet und misshandelt wurden, obwohl die Ämter bereits eingeschaltet waren und die Familien kannten, lag nicht an der Gesetzeslage, sondern an der falschen Anwendung der Gesetze, auch an der Überforderung und Überlastung der Zuständigen. In diesen Fällen wären die Behörden und Gerichte gesetzlich verpflichtet gewesen, die Kinder aus den katastrophalen Zuständen herauszunehmen bzw. nicht in diese zu geben. Kern- und Angelpunkt ist daher die Verbesserung der Situation in vielen Jugendämtern, angefangen damit, dass das Jugendamt kein unattraktiver, schlecht bezahlender Arbeitgeber sein darf, sondern motivierte, kenntnisreiche und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht. Die Realität sieht aber so aus: Die Jugendämter in Berlin zum Beispiel haben das Problem, Stellen zu besetzen, weil die Bezahlung so schlecht ist, dass sich nur Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger dazu bereit erklären und diese dann bald wieder wechseln. Vieles kann nicht vom Bundesgesetzgeber entschieden werden. Die Länder und Kommunen müssen dafür Sorge tragen, dass Mitarbeiter besser bezahlt, Familienrichter und Jugendamtsmitarbeiter besser qualifiziert werden und – vor allem – deren Arbeitsbelastung reduziert wird. Auch die Einführung des Kammerprinzips im Familienrecht wäre vor allem Angelegenheit der Länder. Leider scheuen diese die Kosten. Aber nach Rücksprache mit Experten würde es einen großen Qualitätssprung in der familiengerichtlichen Praxis geben, wenn Gerichtsverfahren, in denen es um Kindeswohlgefährdung oder Sorgerecht geht und damit um Eingriffe in die Grundrechte, von drei Richtern einer Kammer statt von Einzelrichtern geführt werden, so wie es jetzt bereits bei Verfahren, die einen hohen Streitwert haben, der Fall ist. Auch wenn viele Änderungsnotwendigkeiten in der Verantwortung der Länder liegen, müssen einzelne Regelungsbereiche im SGB VIII überarbeitet werden. Gerade weil die Problemlage aber so vielfältig ist und es mit dem Ziel, die Kinder- und Jugendhilfe und das Familienrecht zielgenau zu verbessern, so viele „Baustellen“ gibt, hatten wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe auf einer fundierten empirischen Grundlage und in einem sorgfältig strukturierten Prozess weiterzuentwickeln. Genau daran mangelte es aber in dem Gesetzgebungsverfahren zu dem hier vorgelegten Gesetzentwurf in weiten Teilen. Bei dem vom Bundesfamilienministerium durchgezogenen Hauruckverfahren wurde weder den Fachleuten, den Verbänden und Ländern Gelegenheit gegeben, die geplanten Regelungen ausreichend zu bewerten, noch wurden die Parlamentarier frühzeitig und angemessen einbezogen. Das übereilte und intransparente Verfahren des Bundesfamilienministeriums zum KJSG wurde auch von den Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung im Familienausschuss am 19. Juni 2017 massiv kritisiert. Die Kinder- und Jugendhilfe ist das Königsthema der Familienpolitik. Eingriffe und Veränderungen betreffen direkt die Lebenssituation von Kindern und ihren Eltern und greifen tief in deren Grundrechte ein. Gerade deswegen müssen Änderungen im Rahmen eines sorgfältig strukturierten Prozesses und auf Basis einer fundierten empirischen Grundlage erfolgen. Eine schnelle Verabschiedung des gesamten Gesetzes war daher für CDU und CSU nicht machbar. Schnellschüsse im Kinder- und Jugendhilferecht sind unverantwortlich und gehen mit uns als Union nicht. Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wird von uns daher nur in den Teilen mitgetragen, die in der Fachwelt weitgehend positiv gesehen werden. Das sind: die engere Kooperation zwischen Ärzten und Jugendamt bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, die verbesserte Heimaufsicht, die Einrichtung von unabhängigen Ombudsstellen und die Einrichtung von Schutzkonzepten für Flüchtlingsunterkünfte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch von Frauen und Kindern. Andere Regelungsbereiche des vom Bundesfamilienministerium vorgelegten Gesetzentwurfs waren hingegen inhaltlich so umstritten und die Folgen so unabsehbar, dass wir sie nicht verabschieden konnten. So wurde auf Drängen der Union der gesamte Komplex zu Heim- und Pflegekindern herausgenommen, da dieser Teil des Gesetzentwurfes zu einseitig angelegt war. Die Perspektive der Herkunftseltern war unzureichend berücksichtigt. Der Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums hatte vor allem die Untergruppe derjenigen Kinder im Blick, deren Herkunftseltern die Kinder misshandelten, missbrauchten oder massiv vernachlässigten. Bei dieser Art der Kindeswohlgefährdungen sind gerichtliche Verbleibensanordnungen in der Pflegefamilie oder Heim richtig, aber jetzt schon möglich. Die Gesetzesänderung hätte diese Anordnung des dauerhaften Verbleibs bei den Pflegeeltern weiter erleichtert. Das wäre auch seitens der Union der richtige Ansatz gewesen. Aber der Gesetzentwurf hätte eben nicht nur für diese Gruppe der schwer misshandelten Kinder gegolten, sondern auch für solche Fälle, die viel weniger eindeutig sind und daher nicht schnell entschieden werden können, sondern eine genaue Betrachtung der individuellen Situation und der Bedürfnisse des Kindes brauchen. Der Gesetzentwurf in seiner ursprünglichen Fassung sah – statt einer Beobachtung von Entwicklungen und Verläufen – bei jeder Fremdunterbringung eines Kindes eine Perspektivklärung bereits zum Anfang einer Maßnahme vor. Bei dieser Perspektivklärung sollte festgelegt werden, ob das Kind befristet oder auf Dauer fremduntergebracht wird. Eine Abänderung soll dann nur noch unter besonderen Umständen möglich sein. Damit sollte nicht lange nach der Herausnahme des Kindes, also zum Höhepunkt einer Krise, eine kaum abzuändernde Entscheidung getroffen werden, die in der Regel zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zu treffen ist. Noch problematischer war, dass die prognostische Einschätzung der Entwicklung des Kindes und des Familiensystems von Mitarbeitern des Jugendamtes und nicht im Rahmen einer ausführlichen psychologischen Begutachtung vorgenommen werden sollte. Ein Ansinnen, das im Strafrecht undenkbar wäre. Kinder werden auch aus anderen Gründen als Misshandlung und Verwahrlosung fremduntergebracht. Immerhin willigen 68 Prozent der leiblichen Eltern freiwillig in die Fremdunterbringung ihrer Kinder ein oder suchen von sich aus Hilfe. Nicht alle Herkunftseltern misshandeln und vernachlässigen ihre Kinder, nicht alle sind vollständig erziehungsunfähig. Es gibt Herkunftseltern, die liebevoll sind, aber aufgrund einer Krankheit ausfallen oder in einer vorübergehenden Lebenskrise stecken. In der Praxis bekommen aber heute schon in vielen Fällen auch solche Eltern, die wieder erziehungsfähig sind, ihr Kind nicht mehr zurück. Die hohe Anzahl an Fremdunterbringungen und die sehr niedrigen Rückkehrraten von circa 5 Prozent sind nicht allein damit zu erklären, dass Eltern in Deutschland immer weniger erziehungsfähig sind. Die Entscheidung für die dauerhafte Fremdunterbringung ist bei realistischer Betrachtung der risikoärmere, einfachere und ressourcenschonendere Weg für die Behörde. Insofern wäre es unverantwortlich – wie es dieser Teil der SGB-VIII-Reform seitens des Bundesministeriums vorsah –, die bereits jetzt zu beobachtende Neigung von Behörden, ein Kind auf Dauer fremdunterzubringen, obwohl mithilfe von Elternarbeit eine Rückführung möglich wäre, weiter zu befördern. Darüber hinaus war der gesetzgeberische Handlungsbedarf zu den Pflegekindern im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht erkennbar. Zum einen gibt es bereits die rechtliche Möglichkeit, einen dauerhaften Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie gerichtlich anzuordnen, wenn das Wohl des Kindes bei der Rückführung zu den Eltern gefährdet wäre. Zum anderen verbietet sich schablonenhaftes Denken im Kinderschutz. Es kommt im Familienrecht immer auf den Einzelfall an. Familiengerichte müssen prüfen, was für das jeweilige Kind in der jeweiligen Situation und in der jeweiligen Beziehungsstruktur das Beste ist. Wenn laut ursprünglichem Gesetzentwurf dagegen vor allem Formeln wie „Kontinuität“ und „Stabilität“ darüber entscheiden sollten, ob ein Kind weiter im Heim oder in der Pflegefamilie untergebracht wird, auch wenn Eltern wieder erziehungsfähig sind, wird das der Vielschichtigkeit der Bedürfnisse und Umstände nicht gerecht. Kontinuität und Stabilität sind für Kinder zwar wichtig, aber nicht die zentralen Kriterien des Kindeswohls. Insbesondere darf nicht unkritisch angenommen werden, dass in Pflegefamilien oder in Heimen die Beziehungen immer stabil sind. Auch dort gibt es Bezugspersonenwechsel, Trennungen, Umzüge, Schulwechsel, Vereinswechsel und neue Freundschaften oder (Pflege-)Geschwister. Es gibt auch Kinder, die mit ihren Pflegeeltern nicht zurechtkommen, und Pflegeeltern, die keine gute Bindung aufbauen. Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie schreibt in ihrer Stellungnahme: Auch Pflegeeltern können aus unterschiedlichen Gründen, die in dem Bedarf des Kindes oder der eigenen Familiensituation liegen, an ihre Grenzen kommen, sodass Pflegeverhältnisse nicht fortgesetzt werden können und Kinder in mehreren Pflegefamilien und Heimen leben müssen. Viele Pflegeeltern machen einen tollen Job und haben meine aufrichtige Bewunderung für diese wertvolle Arbeit mit oft sehr schwierigen Kindern. Die besonderen Herausforderungen, auch die Herkunftseltern als Teil des Familiensystems des Kindes mit einzubeziehen, meistern viele Pflegeeltern hervorragend. Im Unterschied zu Adoptionen haben aber Kinder in Pflegefamilien immer zwei Familien. Die Sachverständigen des Bundestages haben betont, dass es für eine gesunde Entwicklung wichtig ist, keine Seite zu verdrängen, sondern – soweit möglich – im Interesse des Kindes das ganze System zu sehen. Der Gesetzentwurf in der Fassung des Bundesfamilienministeriums hätte in der Praxis dazu geführt, dass Herkunftseltern kaum noch eine realistische Chance gehabt hätten, ihre fremduntergebrachten Kinder wieder zurückzubekommen, auch dann nicht, wenn die Eltern wieder erziehungsfähig geworden wären. Aus diesen Gründen konnten wir diese einseitige Reform des Pflegekinderwesens nicht einfach durch das parlamentarische Verfahren durchwinken. Wir haben uns auch gegen weitere Inhalte des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes gesperrt, die nicht ausreichend diskutiert waren. Ich werde hier nicht alle aufzählen können, da es zu viele sind. Angepackt haben wir die Verbesserung der Heimaufsicht, damit Zustände wie in der Haasenburg und im Friesenhof zukünftig nicht mehr vorkommen. In Bezug auf die Regelungen der offenen Jugendarbeit konnten wir uns durchsetzen. Der Paragraf zu Einrichtungen der offenen Jugendarbeit wurde nun auf unser Drängen hin gestrichen, weil er unverhältnismäßige bürokratische Auflagen vorsah, die die offene Jugendarbeit erdrückt hätte. Dazu gehörten beispielsweise Meldepflichten über die Betriebsaufnahme oder eine Änderung des Konzepts und die Pflicht, Konzepte zum Kinderschutz zu entwickeln. Natürlich ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen wichtig. Aber dieser ist für Träger, bei denen ausschließlich neben- oder ehrenamtliches Personal tätig ist und die keine öffentliche Förderung erhalten, auch anders sicherzustellen. Die geplanten Regelungen waren unangemessen und nicht praxistauglich und hätten ehrenamtliches Engagement erschwert, selbstorganisierte Jugendarbeit verhindert und so Freiräume von jungen Menschen zerstört. Der SPD-Forderung, Heilberufe bei einer Kindeswohlgefährdungseinschätzung stärker einzubeziehen, haben wir uns – trotz Bedenken – angeschlossen, um zu erreichen, dass die Ärzteschaft zukünftig besser mit dem Jugendamt kooperiert. Allerdings sollte diese Gesetzesänderung in der nächsten Zeit kritisch beobachtet werden, da die Gegner dieser Gesetzesänderung in nachvollziehbarer Weise datenschutzrechtliche Bedenken vorgebracht haben. Sollte sich herausstellen, dass sich die Kooperation der Ärzteschaft auch mit dieser Novelle nicht verbessert, müsste dieser Punkt nochmals aufgemacht und die datenschutzrechtliche Abwägung neu geprüft werden. Zudem konnte die Union erreichen, dass die Regelungen zum Jugendwohnen für junge Menschen, die an einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme teilnehmen, unverändert bleiben. Auch dies ist ein Erfolg für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die mit dieser Maßnahme den vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiterhin eine Perspektive gibt und ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Ausbildung und den Berufsalltag erfolgreich zu absolvieren. Die Union konnte leider weitere Forderungen zum Kinderschutz, zur Stärkung von leiblichen Eltern und zur Qualitätsverbesserung von Sachverständigengutachten nicht erreichen. Unverantwortlich ist, dass die SPD die CDU/CSU-Forderung ablehnt, auch für Vormünder ein erweitertes Führungszeugnis zum Schutz vor sexuellem Kindesmissbrauch zu verlangen. Hier wäre eine Chance gewesen, wirklich etwas für den Kinderschutz zu erreichen. Unverständlich ist auch die Weigerung der SPD-Bundestagsfraktion, einen gesetzlichen Anspruch für leibliche Eltern, deren Kinder fremduntergebracht sind, einzuführen, indem sie darin unterstützt werden, wieder selbst erziehungsfähig zu werden. Dieser war im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch enthalten, wurde aber auf Druck der SPD gestrichen. Auch der Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, neben Ombudsstellen auch Anlaufstellen einzurichten, die unabhängig und neutral zur Qualität von familienrechtlichen Sachverständigengutachten beraten, hat die SPD-Fraktion aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Die Gelegenheit, den Gesetzentwurf mit diesen guten neuen Vorschlägen aufzuwerten, wurden seitens der SPD nicht genutzt. Gerade vor dem Hintergrund der vielen offenen und strittigen Punkte müssen wir die Reform der Kinder- und Jugendhilfe in der nächsten Legislaturperiode in einem breiten Beteiligungsprozess erneut angehen. Wir fordern darum, eine Enquete-Kommission „Fortentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ beim Deutschen Bundestag einzurichten, damit die Fachleute einen Gesetzentwurf in Bezug auf alle strittigen Punkte gründlich vorbereiten können. Ich möchte mich in den kommenden vier Jahren für eine gut abgestimmte Reform der Kinder- und Jugendhilfe und des Familienrechts einsetzen, die im Interesse der Gruppe der belasteten Kinder und der ressourcenarmen Eltern in dieser Gesellschaft einen wirklichen Unterschied zum Besseren macht. Ulrike Bahr (SPD): Wenn wir hier heute das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz beschließen, dann ist uns allen klar: Wir sind noch nicht fertig. Der Diskussionsprozess um die SGB-VIII-Reform wird und muss weitergehen. In den letzten drei Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, in Verbänden, im Wahlkreis und in meiner Landesgruppe für die große, die inklusive Lösung zu werben. Auch wenn wir sie heute nicht beschließen, steht die inklusive Lösung gleichwohl weiter auf der Agenda. Nach der Reform ist vor der Reform – und wir haben mit den neuen Regelungen zur Kindertagesbetreuung einen wichtigen Fuß in der Tür. Im Regierungsentwurf hatten mich besonders die Neuerungen zum Pflegekinderwesen überzeugt: ein Anspruch auf Beratung für Herkunftseltern, auch wenn die Kinder dauerhaft in Pflegefamilien untergebracht sind, mehr Unterstützung für Pflegeeltern und schließlich die Möglichkeit, Pflegekindern jahrelange Unsicherheit zu ersparen und den Verbleib in der Pflegefamilie dauerhaft anzuordnen, wenn eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie sehr unwahrscheinlich geworden ist. Aber leider ist diese Reform an der kategorischen Ablehnung der Union gescheitert, die offenbar meint, man müsse in jedem Fall und immer die Rechte der Herkunftseltern stärken. Ich denke, Kinder sind weder das Eigentum noch das Therapiemittel ihrer Eltern. Elternrechte haben in unserer Verfassung deshalb einen so hohen Rang, weil unsere Verfassungsmütter und -väter zu Recht davon ausgingen, dass in den allermeisten Fällen die Eltern die besten und entschiedensten Anwälte ihrer Kinder sind und deren Interessen mit Nachdruck vertreten. Aber es gibt Ausnahmen wie Misshandlung, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch. Und da ist die staatliche Gemeinschaft gefragt. Eine problematische Regelung kommt dagegen: Mit dem § 78f können die Länder künftig Leistungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stärker steuern. Ja, gut, aber ich appelliere an die Verantwortlichen, auch bei mir zu Hause in Bayern, nicht am falschen Ende zu sparen! Wir können nicht Integration fordern, Radikalisierungsprävention predigen und gleichzeitig geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene nur im Sparmodus versorgen, anstatt sie zu unterstützen und zu erziehen. Dennoch meine ich: Diese Reform lohnt sich! Es gibt klare Verbesserungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien: – Erst einmal mehr Kinderschutz durch bessere Heimaufsicht und eine verbindlichere Kommunikation in Kinderschutzfällen, wie es die Ministerin schon ausgeführt hat. – Dann den uneingeschränkten Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche, der zeigt, dass wir junge Menschen als Subjekte mit eigenen Rechten, Wünschen und Bedürfnissen ernst nehmen. – Außerdem die Ombudsstellen – eine Kannregelung; aber es ist erstmals eine gesetzliche Grundlage, mit der Verwaltungen arbeiten können und die auch vorschreibt, dass Ombudsstellen unabhängig und nicht weisungsgebunden arbeiten. Als Vorstandsmitglied in einem bayerischen Ombudsstellenverein weiß ich, dass damit unsere Finanzierungsprobleme noch nicht gelöst sind. Aber es wird einfacher, die Idee auch in die Praxis zu tragen. – Schließlich freue ich mich besonders darüber, dass sich junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben, künftig in geringerem Umfang an den Kosten beteiligen müssen, wenn sie mit einem Ferienjob oder als Auszubildende Geld verdienen. Das wird die Motivation erhöhen, überhaupt eine Ausbildung oder einen kleinen Job anzunehmen. Das ist ein richtiges Signal. In der nächsten Wahlperiode werden wir dann mit neuem Schwung an den noch offenen Themen weiterarbeiten. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): „Die Kinder- und Jugendhilfe soll auf einer fundierten empirischen Grundlage in einem sorgfältig strukturierten Prozess zu einem inklusiven, effizienten und dauerhaft tragfähigen und belastbaren Hilfesystem weiterentwickelt werden.“ Dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wirkt fast schon zynisch angesichts dessen, was wir und die gesammelte Fachwelt in den letzten Monaten und Jahren rund um das SGB VIII erlebt haben. Da kursierten Geheimpapiere, offizielle und inoffizielle Entwürfe, die die über 900 000 Beschäftigten der öffentlichen und freien Jugendhilfe in Angst und Schrecken versetzten. Selbst die Kinderkommission hier im Hause kam in ihrer Sitzung vom Mittwoch überparteilich und einstimmig zu dem Schluss, dass von einer angemessenen Beteiligung der Fachwelt kaum die Rede sein kann. Einige werden sagen, dass das Schlimmste nicht zuletzt durch die Nacht- und Nebelverhandlungen in der letzten Woche vom Tisch ist, und das mag stimmen. Dennoch: Nur weil der jetzige Entwurf im Angesicht seiner katastrophalen Vorgänger nicht mehr so schlimm erscheint, macht es ihn noch nicht zu einem guten. Exemplarisch werde ich drei Dinge nennen, die wir als Linke auch am aktuellen Entwurf nicht mittragen können: Erstens. Ihre Länderöffnungsklausel im § 78f schafft de facto eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe: eine für deutsche und eine für ausländische Jugendliche. Denn wozu sonst die Freigabe an die Länder, die Leistungen für ausländische Kinder und Jugendliche in gesonderten Rahmenverträgen zu vereinbaren als für eines: Standardabsenkungen? Inwieweit diese Ausklammerung einer der am schwersten belasteten Gruppen im Hilfesystem gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, wird überdies zu prüfen sein. Die Verankerung von Schutzkonzepten in den ohnehin unwürdigen Massenunterkünften für Geflüchtete tragen Sie gerne vor sich her. Dass Sie im selben Atemzug ebenso unwürdigen Unterbringungsformen für Jugendliche den Weg bereiten, verschweigen Sie leider. Zweitens das Übergangsmanagement: Anstatt junge Volljährige mit verlässlichen Rechtsansprüchen auszustatten, wie es alle Experten und Expertinnen empfehlen, ermöglichen Sie die koordinierte Abschiebung ins Hartz-IV-System von Druck, Kontrolle und Sanktion. Drittens die Heimaufsicht: Nicht die Heimaufsicht hat die letzten Skandale in Jugendhilfeeinrichtungen, wie der Haasenburg oder dem Friesenhof, aufgedeckt; es waren die Jugendlichen selbst! Statt daraus zu lernen und die Selbstorganisation und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe zu stärken, stärken Sie nun die Kompetenzen der ohnehin unterausgestatten Strukturen der Heimaufsicht. Was laut Gesetzestitel Kinder und Jugendliche stärken soll, stärkt am Ende also nur die Bürokratie. Eines haben Sie mit Ihren Reformbemühungen allerdings geschafft: Die Fachöffentlichkeit, vom Kindergärtner bis zur Hochschulprofessorin, sind im Widerstand gegen diese Reform geeint. Wir jedenfalls werden diese Stimmen ernst nehmen und lehnen den Gesetzentwurf ab. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein schlechter Abend für die Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Ein Rumpfgesetz soll verabschiedet werden mit dem Titel „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen“. Dieser Titel hält nicht nur in keinster Weise, was er verspricht; er ist eher ein Hohn für das, was am Ende eines eigentlich großen und von uns allen inhaltlich unterstützten Anliegens übrig geblieben ist. Wir müssen konstatieren, dass das große Vorhaben einer inklusiven Lösung komplett gescheitert ist. Eine inklusive Lösung ist nicht einmal mehr in homöopathischen Dosen im Gesetzentwurf vorhanden. Dabei sind die derzeitigen Verschiebebahnhöfe auf dem Rücken von Kindern mit Behinderung und ihren Familien aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten verschiedener Sozialgesetzbücher ein nicht hinnehmbarer Zustand. Was als Tiger gestartet war, ist nun als Bettvorleger gelandet: eine umfangreiche Reform der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Ziel, konsequent vom Kind aus zu denken, liegt nun als Scherbenhaufen vor uns – leider, müssen wir konstatieren. Dass der Reformprozess auf ganzer Linie gescheitert ist, zeigen auch die großen Leerstellen im Gesetzentwurf: Der Bereich der Careleaver hatte bereits keinen Eingang in den Gesetzentwurf zur ersten Lesung im Bundestag gefunden, obwohl noch im Referentenentwurf gute Vorschläge vorlagen. Dabei hatten die Careleaver selbst ihre berechtigten Anliegen pointiert und sehr sachgerecht in den Reformprozess eingebracht. Auch in Fachkreisen sind die Veränderungsnotwendigkeiten unumstritten. Umso unverständlicher ist es, dass die Frage des Leistungsbezugs über das 18. Lebensjahr hinaus jetzt gar keine Rolle mehr spielt. Gerade junge Menschen, die ohne elterlichen Rückhalt ins Leben starten müssen, brauchen oft mehr Hilfe und Unterstützung, und das eben über das 18. Lebensjahr hinaus, wie wir es in unserem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf auch fordern. Scharfe Kritik möchte ich hier nochmals an der Öffnungsklausel für die Bundesländer im Hinblick auf die Leistungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge üben. Durch diese Öffnungsklausel besteht die große Gefahr, dass es zu einer Absenkung der Leistungsstandards für diese jungen Menschen kommt. Dies haben auch die Experten in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf bestätigt. Insoweit ist es bedauerlich, dass die Koalition bei der Auswertung der Anhörung offenbar nur das zur Kenntnis genommen hat, was die eigene Position bestätigt hat. Wir lehnen jede Art einer Zweiklassenkinder- und -jugendhilfe ab. Ich will auch anmerken, dass wir die große Sorge haben, dass mit dieser Öffnungsklausel auch Tür und Tor geöffnet wird für weitere Standardabsenkungen in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe. Was wir brauchen, ist eine qualitative Weiterentwicklung des SGB VIII, keine Rückschritte. Wir bedauern es sehr, dass die guten und ausgewogenen Vorschläge zur Verbesserung des Pflegekinderwesens sowohl im SGB VIII als auch im BGB zwischen der ersten und zweiten Lesung komplett gestrichen wurden. Wer ernsthaft meint, dass die Pflegekinderhilfe keiner Reform und die vorgeschlagenen Änderungen eines längeren Diskurses bedürften, verkennt die Arbeit des wissenschaftlichen Beirats des Familienministeriums. Gerade in der Frage der Pflegekinder gab es einen langen und intensiven Prozess, um der besonders vulnerablen Gruppe der Pflegekinder für ihre Entwicklung mehr Stabilität und Kontinuität zu ermöglichen. Die Vorwürfe der Union, mit den Vorschlägen würden die Herkunftseltern in ihren Rechten geschwächt, entbehren jeder Grundlage. Es ist mehr als bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, im Bereich der Pflegekinder endlich die Bedürfnisse und Rechte dieser Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Bundesregierung und auch die Regierungsfraktionen haben mit diesem Gesetzentwurf einen Scherbenhaufen hinterlassen, sowohl inhaltlich wie auch mit Blick auf ihr Agieren im gesamten Prozess – von PowerPoint-Präsentationen über die unzureichende Einbeziehung der Fachwelt bis zur Vorlage umfangreicher Änderungen auf den allerletzten Drücker. Dieses Rumpfgesetz müsste man nun wirklich nicht beschließen. Vielleicht – und darauf hoffe ich – macht der Bundesrat dem Spuk ja noch ein Ende, und wir können mit neuem Elan und fortbestehendem Druck einen Neustart in der nächsten Legislaturperiode angehen. Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Wir beraten heute abschließend den Gesetzentwurf zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen. Wir sorgen heute dafür, dass sie vor Gewalt besser geschützt werden, und wir sorgen für mehr Rechtssicherheit für Pflegekinder mit Behinderung. Ein Schwerpunkt des Entwurfes ist die bessere Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen. Ärztinnen und Ärzte haben uns gesagt, dass sie nicht genau verstehen, wann sie von ihrer Schweigepflicht entbunden sind und sich zum Beispiel bei einem Missbrauchsverdacht an das Jugendamt wenden dürfen. Deshalb formulieren wir diese Vorschrift nun klarer. Und Ärztinnen und Ärzte haben wiederholt betont, dass sie wissen möchten, wie es mit einem Kind und der Familie weitergeht, wenn sie einen Hinweis gegeben haben. Daher erhalten sie künftig immer eine Rückmeldung, ob sich ihr Verdacht bestätigt hat oder nicht. Zudem können die Jugendämter sie zukünftig bei der Gefährdungseinschätzung stärker einbeziehen. Um Schutz geht es auch bei der Heimaufsicht. Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen leben, sind besonders schutzbedürftig. Wir stärken sie, indem wir dafür sorgen, dass sie sich bei Beschwerden an Ansprechpersonen außerhalb der Einrichtung wenden können, und indem wir den Schutz in den Einrichtungen voranbringen, zum Beispiel durch bessere Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden und erweiterte Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis. Wir stärken Kinder und Jugendliche durch einen uneingeschränkten Beratungsanspruch und durch gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kitas. Ein weiterer Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist der Schutz von Frauen und Minderjährigen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Wir erfahren immer wieder von sexuellen Übergriffen in Flüchtlingseinrichtungen auf Kinder, Jugendliche und Frauen. Derzeit hängt es vom Zufall ab, in welche Einrichtung ein Kind oder eine alleinreisende Frau kommt und ob es dort ein Schutzkonzept gibt. Das ändern wir heute, indem wir Mindeststandards für diese Unterkünfte gesetzlich festschreiben. Mit dem Gesetzentwurf helfen wir auch Pflegekindern mit Behinderung. Pflegefamilien, die Kindern Geborgenheit und Stabilität geben, haben meinen höchsten Respekt. Mit vielen hatte ich persönlich Kontakt. Und ich bin kürzlich Pflegeeltern begegnet, die sich liebevoll um diese Pflegekinder kümmern, die besonders viel Liebe und Zeit brauchen. Sie geben den Kindern Familie, oft zum ersten Mal in ihrem Leben. Aber gerade diese Familien sind verunsichert. Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderung hatten die Sorge, im Jahr 2019 alleingelassen zu werden, weil ihre Rechtsgrundlage ausläuft. Diese Regelungslücke schließen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Wir geben Pflegefamilien mit Kindern mit Behinderung Rechtssicherheit. Es ist kein Geheimnis: Wir hätten mit diesem Gesetz für Pflegekinder gerne noch mehr erreicht. Ich werde mich daher weiter dafür einsetzen, die Situation von Pflegekindern, Herkunftseltern und Pflegeeltern zu verbessern. Auch die Diskussion um die Reform der Kinder- und Jugendhilfe – das wissen wir alle – wird und muss weitergehen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir heute den Schutz von Kindern und Jugendlichen ein gutes Stück voranbringen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Share Economy – Ökologische Chancen nutzen und Teilen statt Besitzen unterstützen (Tagesordnungspunkt 26 und Zusatztagesordnungspunkt 8) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Die Erkenntnis, dass Menschen gemeinsam stärker sind als alleine, ist so alt wie der Mensch selbst. Es ist diese Erkenntnis, die uns seit jeher aneinander bindet, uns zusammenwachsen lässt und Ziele erreichbar macht, die sonst nicht zu erreichen wären. Und dabei spreche ich nicht nur von den Familienbanden und den Verwandtschaftsbeziehungen, die einen mehr oder weniger zwangsläufig zusammenführen. Nein, es hat sich schon immer auch darüber hinaus gelohnt, sich zusammenzutun und die Kräfte zu bündeln. Mit der Genossenschaft stellt uns das Recht eine Rechtsform zur Seite, die geradezu ideal ist für ein Zusammenwirken. Wahrscheinlich ist sie nicht zuletzt deshalb so ideal, weil das persönliche Engagement der Gründer und damit verbunden Eigennutz und Solidarität der Beteiligten der Antrieb des genossenschaftlichen Denkens sind. Was einst als Selbsthilfeorganisationen von Bauern und Handwerkern begann, hat sich in der Zwischenzeit zu großen Konsum- und Warengenossenschaften entwickelt, zu Volksbanken und Raiffeisenbanken, die heute nicht mehr wegzudenken sind. Gleichermaßen haben wir in Deutschland daneben auch viele kleine Genossenschaften, die als lokal verwurzelte Unternehmen die Wirtschaftskreisläufe vor Ort fördern. Und schließlich gibt es noch kleinere Einheiten der Genossenschaft, vielfach solche, die aus bürgerschaftlichem Engagement heraus entstehen. Allein in Deutschland sind heute rund 20 Millionen Menschen Mitglied einer Genossenschaft. Diese Zahl beweist die ungebrochene Kraft der Idee der Genossenschaft auch im 21. Jahrhundert. Mit dem vorliegenden Gesetz wollen wir es all diesen Genossenschaften leichter machen. Wir wollen sie entlasten und sie von Bürokratiehürden befreien. Und wir wollen auch die Gründung der Genossenschaft erleichtern und dadurch fördern. Auf dem Weg dorthin haben wir das Genossenschaftsrecht an vielen Stellen entschlackt und modernisiert. Selbst vor den Pflichtprüfungen haben wir nicht Halt gemacht, denn für sehr kleine Genossenschaften stellen gerade diese häufig eine besonders bürokratische Belastung dar. Wir haben also auch hier angesetzt und festgelegt, dass diese Genossenschaften sich nicht mehr jährlich einer umfassenden Prüfung unterziehen müssen, sondern dass es reicht, wenn jede zweite Pflichtprüfung nur in vereinfachter Form stattfindet. Doch, so wichtig Bürokratievermeidung ist – eine zu weitgehende Aufweichung des Prüfsystems durch die zuständigen Verbände könnte den Genossenschaften auch schaden. Schließlich dienen diese Prüfungen auch dem Schutz der Mitglieder und der Gläubiger und halten die Insolvenzrate unter den Genossenschaften niedrig. Daher haben wir die Schwellenwerte für Genossenschaften, die sich einer Jahresabschlussprüfung unterziehen müssen, zwar erhöht, sodass mehr Befreiungen möglich sind und die Genossenschaften Prüfungskosten einsparen können. Wir haben aber die ursprünglich einmal etwas höher angedachten Schwellenwerte noch im Rahmen der Ressortabstimmung bezüglich der Bilanzsumme auf 1,5 Millionen Euro und bezüglich der Umsatzerlöse auf 3 Millionen Euro wieder nach unten korrigiert. Besonders attraktiv ist die Rechtsform der Genossenschaft aber auch für Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement. Anders als andere Rechtsformen hat sie Vorzüge, die es den konkurrierenden Rechtsformen schwer machen: So haften die Mitglieder nur begrenzt auf ihre Anteile, die Genossenschaft ist ausgelegt auf eine steigende Mitgliederzahl, und ein Mitgliederwechsel läuft völlig flexibel und unproblematisch ab. Noch dazu ist sie demokratisch aufgebaut und damit geprägt durch die Mitbestimmung ihrer Mitglieder. Die Rechtsänderungen, die wir heute beschließen, sollen insbesondere auch diesen Initiativen zugutekommen. Es wäre vom Gesetzgeber äußerst fahrlässig, wenn er hier nicht ansetzt und damit die Chance auf noch mehr bürgerschaftliches Engagement vergibt. Unser Gemeinwesen ist auf die Zivilgesellschaft und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Wir brauchen Menschen, die dort zur Stelle sind, wo der Staat nicht leisten kann und wo der Markt nichts hergibt. Was wären wir ohne die Kitas unter elterlicher Trägerschaft? Was wären wir ohne die Dorfläden, die Einkaufsmöglichkeiten dort schaffen, wo der Einzelhandel schon lange nicht mehr zu finden ist? Gerade in den ländlichen Regionen hätten wir ohne dieses Bürgerengagement ein großes Problem. Es ist daher die Aufgabe der Politik, genau solche Projekte zu unterstützen und sie nicht durch Bürokratiehürden schon im Keim zu ersticken. Im Gesetzentwurf war daher ursprünglich vorgesehen, auch die Vorschriften zum Vereinsrecht anzupassen und die Regelungen zum wirtschaftlichen Verein entsprechend zu öffnen. Damit wollten wir auch diejenigen bürgerschaftlichen Initiativen unterstützen, die sich als Verein organisiert haben oder einen solchen gründen wollen. Mit einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai wurden diese geplanten Änderungen allerdings obsolet. Er hat klargestellt, dass auch ein Idealverein sich wirtschaftlich betätigen kann und deswegen nicht direkt aus dem Vereinsregister zu löschen ist; entscheidend sei, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dem ideellen Hauptzweck des Vereins zuzuordnen ist; dafür spreche insbesondere die Anerkennung des Vereins als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechts. In diesem Zusammenhang erinnerte der Bundesgerichtshof an den in der Abgabenordnung bekundeten Willen des Gesetzgebers, durch die dort genannten Aufgaben die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Mit dieser höchstrichterlichen Klarstellung haben wir nun unser Ziel bereits auf der geltenden Rechtslage erreicht, und die Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren, brauchen nicht mehr zu fürchten, dass ihr Verein gelöscht wird. Nun haben sie Rechtssicherheit. Zudem ist aus unserer Sicht die nun praktizierte Ausdehnung der „wirtschaftlichen“ Tätigkeit des Idealvereins dem Modell des Gesetzentwurfs, der zu Lasten des Idealvereins auf eine Förderung des wirtschaftlichen Vereins abzielte, vorzuziehen. Ebenso sieht es inzwischen auch das Bundesjustizministerium und ist von den vorgesehenen Sonderregelungen letztlich wieder abgerückt. Zum Abschluss dieser Wahlperiode haben wir schließlich ein Gesetz gezimmert, mit dem wir mehr als zufrieden sein können. Wir senden klare Signale im Interesse der Vereine und der Genossenschaften und können nun entspannt dem Internationalen Genossenschaftstag am 1. Juli entgegenblicken. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Mit dem heute zu verabschiedenden Regierungsentwurf zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften lösen wir ein wichtiges Versprechen des Koalitionsvertrages ein: Wir bestärken unzählige aktive Ehrenamtliche in bürgerschaftlichem Engagement, indem wir ihre Arbeit von bürokratischen Hindernissen befreien. Bürgerschaftliches Engagement ist fester Bestandteil und tragende Säule unseres heutigen gesellschaftlichen Lebens. Ohne den ehrenamtlichen Einsatz beispielsweise in altersgerechtem Wohnen, in Nachbarschaftsinitiativen, in Sportvereinen oder den sogenannten Dorfläden wären viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens heute kaum denkbar. Viele dieser Initiativen nutzen den Idealverein oder die Genossenschaft als Rechtsform. Letztgenannte ist aber für kleinste und kleinere ehrenamtlich geführte Initiativen aufgrund ihres kosten-, aber vor allem aufwandsintensiven Prüfungsregimes häufig nicht mehr wirtschaftlich und damit weniger attraktiv geworden. Der Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes liegt daher auf dem Abbau von Bürokratie im Genossenschaftsrecht und damit einhergehend auf der Verringerung von Kosten. In diesem Sinne entschlacken und modernisieren wir mit unserem Reformvorhaben gezielt, aber mit feiner Nadel das ansonsten gut funktionierende Genossenschaftsgesetz. Zum einen müssen sich sehr kleine Genossenschaften in Zukunft nicht mehr in jedem Jahr umfassend prüfen lassen. Mit einer hierzu eingeführten, vereinfachten Prüfung verringern wir Aufwand und Bürokratie für ehrenamtliche Initiativen und fördern somit die Mitglieder in ihrem Engagement. Zum anderen erhöhen wir für Genossenschaften, die sich einer Jahresabschlussprüfung unterziehen müssen, die entsprechenden Schwellenwerte. Künftig können sich alle Genossenschaften mit einer Bilanzsumme von unter 1,5 Millionen Euro und einem Umsatzerlös von unter 3 Millionen Euro von der Jahresabschlussprüfung befreien lassen. Hierdurch können sie Prüfungskosten in erheblichem Umfang, aber vor allem auch Zeit einsparen, die sie in ihre Initiative investieren können. Zusätzlich ermöglichen wir die Finanzierung von Investitionen per Mitgliederdarlehen. Nicht zuletzt durch die im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf nur moderate Erhöhung der Schwellenwerte haben wir damit insgesamt maßvolle Neuerungen im Genossenschaftsrecht beschlossen. Diese kommen vielen bürgerschaftlichen Initiativen zugute, führen aber gleichzeitig zu keinen tiefgreifenden Veränderungen am Kern des Genossenschaftsrechts. Wir stellen damit sicher, dass die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft aufgrund ihrer Insolvenzfestigkeit auch weiterhin hohes Vertrauen bei Mitgliedern, Kunden und Gläubigern genießen wird. Wir stärken darüber hinaus auch all diejenigen bürgerschaftlichen Initiativen, die sich als Verein organisiert haben oder in Zukunft organisieren wollen. Nur beispielhaft seien Dorfläden oder Elterninitiativ-Kindertagesstätten genannt. Für diese Projekte hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 16. Mai 2017 mit erfreulicher Deutlichkeit festgestellt, dass vor allem Letztgenannte als sogenannter Idealverein eingetragen werden können. Es gibt damit keine Grundlage mehr für Zwangslöschungen, von denen etwa Kita-Vereine in Berlin in letzter Zeit bedroht waren. Der BGH hat mit diesem Beschluss das sogenannte Nebenzweckprivileg von Idealvereinen gestärkt, indem eine wirtschaftliche Betätigung unabhängig vom Umfang des Geschäftsbetriebes als dem Hauptzweck zu- oder untergeordnet angesehen wird. Unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement können fortan als Verein im Sinne von § 21 BGB eingetragen werden, sofern bei ihnen der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einem ideellen Hauptzweck zu- oder untergeordnet ist. Dies gilt künftig auch für die Gruppe der Dorfläden. Diese betätigen sich zwangsläufig wirtschaftlich, gelten zudem nicht als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung. Allerdings ist die steuerrechtliche Anerkennung als gemeinnützig nach Auffassung des BGH eben nur ein wichtiges Indiz für die Eintragungsfähigkeit. Auch sie können künftig als Idealverein eingetragen werden, soweit sie einen ideellen Hauptzweck verfolgen und nicht gewinnorientiert und auf Ausschüttung von Gewinnen gerichtet sind. Damit gibt es für all diese unternehmerischen Initiativen bürgerschaftlichen Engagements künftig eine einheitliche Rechtsform mit klarem Zugangsweg und Registerpublizität. Das gibt vielen insbesondere in Vereinen ehrenamtlich Tätigen die nötige Sicherheit und befreit sie von überflüssigen Unklarheiten und Sorgen um die richtige Rechtsform für ihre Unternehmung. Damit ist aber vor allem ein wesentliches Ziel des Koalitionsvertrages, nämlich die Gründung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement zu erleichtern, in diesem Fall schon auf der Grundlage der geltenden Rechtslage erreicht. Daher konnte auch die von der Bundesregierung im ursprünglichen Regierungsentwurf angedachte Öffnung des wirtschaftlichen Vereins per Verordnungsermächtigung entfallen, bei dem die Rechtsfähigkeit nur aufgrund einer behördlichen Konzession erlangt werden kann. Ein Festhalten an der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Regelung hätte das vom BGH gesendete klare Signal im Interesse der Vereine verwässert und die gerade geschaffenen Perspektiven für Vereine wieder infrage gestellt. Das hat letztlich auch das federführende Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesehen, das bis zum Schluss an seiner Verordnungsermächtigung festhalten wollte, die dem Haus unter Ausschluss des Bundestages weitreichende Möglichkeiten gegeben hätte, das Vereinsrecht auszugestalten. Es war auf der Zielgeraden der 18. Wahlperiode ein beschwerlicher parlamentarischer Weg. Umso erfreulicher ist es im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements, dass wir ihn erfolgreich geschafft haben. Dr. Matthias Bartke (SPD): Jagsthausen ist eine kleine ländliche Gemeinde 80 Kilometer nördlich von Stuttgart. Vor sechs Jahren haben dort die letzte Metzgerei und Bäckerei ihre Türen für immer geschlossen. Ihre Besitzer waren zu alt, um die Läden fortzuführen. Eine Nachfolge gab es nicht. Die großen Lebensmittelketten erteilten Jagsthausen eine Absage nach der anderen. In einem Ort mit weniger als 4 000 Einwohnern wollten sie keine Filiale eröffnen. Der Bürgermeister hat sich letztendlich ein Herz gefasst und die Bürger gefragt, ob man nicht einfach zusammen etwas auf die Beine stellen wolle. Das Echo war groß! Sie sind dann zusammen losmarschiert, haben Räumlichkeiten gesucht und schließlich einen Dorfladen eröffnet. Die Jagsthausener haben sich dabei für die Genossenschaft entschieden und mit viel ehrenamtlichem Engagement den Laden nun schon viele Jahre erfolgreich geführt. Der Laden ist nicht nur zum Einkaufen da. Er ist auch Treffpunkt für den Ort und lässt soziale Kontakte und Gespräche wieder aufleben. Damit bleibt Jagsthausen erspart, was in vielen Dörfern schon Wirklichkeit ist: die verbliebene Bushaltestelle oder der Friedhof als letzter gemeinsamer Treffpunkt. Das Motto des Dorfladens ist: „Wir für uns“. Das trifft den Genossenschaftsgedanken ziemlich genau auf den Punkt. Das Besondere an Genossenschaften ist: Sie dienen nicht der Erwirtschaftung von Gewinnen. Sie dienen den wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Zwecken ihrer Mitglieder. Diese verschiedenen Zwecke geben eine Idee davon, wie vielfältig die Genossenschaftslandschaft ist. Es sind bei Weitem nicht nur die Dorfläden, die Genossenschaften sind. In meinem Wahlkreis Hamburg-Altona gibt es zum Beispiel die fux e.G. – ein gemeinschaftlicher Produktionsort für Kunst, Kultur, Gewerbe und Bildung. Die letzte große Neugründungswelle hatte ihren Ursprung im Energiebereich. Inzwischen erlebt der Dienstleistungssektor neuen genossenschaftlichen Aufwind. Bei Genossenschaften gilt: Ein Mitglied – eine Stimme. Genossenschaften sind in ihrem Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig. Aufnahme und Ausscheiden von Mitgliedern sind unkompliziert möglich. Genossenschaften bieten also beste Voraussetzungen, um gemeinschaftlich etwas zu unternehmen. Es ist daher kein Wunder, dass die vom Bundesministerium für Wirtschaft in Auftrag gegebene Genossenschaftsstudie zu einem positiven Ergebnis kam: Insgesamt herrscht große Zufriedenheit mit der Rechtsform der Genossenschaft. Es wurde aber auch deutlich: Die Belastungen für kleine Initiativen sind zu hoch. In der SPD fordern wir deshalb schon lange, kleine Genossenschaften von überzogenen Prüfpflichten zu befreien. Wir wollen eine prüfungsbefreite Mini-Genossenschaft. Mit dem Gesetzentwurf machen wir einen ersten Schritt in diese Richtung. Dazu gehört insbesondere die Einführung einer vereinfachten Prüfung bei sehr kleinen Genossenschaften. Für kleine Genossenschaften bedeutet das eine große Entlastung. Ihr Vorstand und Aufsichtsrat sind oft ehrenamtlich tätig. Für die Dauer einer Prüfung müssen sie meistens Urlaub nehmen. Wenn die Genossenschaft keine eigenen Geschäftsräume hat, müssen die Mitglieder außerdem ihre privaten Räume zur Verfügung stellen. Mit der vereinfachten Prüfung sparen die kleinen Genossenschaften zukünftig endlich Kosten und Aufwand. Wir heben außerdem die Schwellenwerte für die Befreiung von der Jahresabschlussprüfung an. Durch diese Anhebung der Beträge kann ein größerer Teil der Genossenschaften die Befreiung und damit die Kostenentlastung in Anspruch nehmen. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass wir die Schwellenwerte gerne noch weiter anheben wollen. Die neuen Werte entsprechen nur einem Viertel der aktuellen Größenmerkmale für kleine Kapitalgesellschaften. Das ist langfristig nicht gerechtfertigt. Da muss mehr kommen. Im Koalitionsvertrag hatten wir außerdem vereinbart, die Möglichkeit der Finanzierung von Investitionen durch Mitgliederdarlehen wieder zu eröffnen. In der Praxis besteht bei Genossenschaften große Unsicherheit bei Einlagengeschäften. Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir klare Voraussetzungen, wann Genossenschaften Mitgliederdarlehen aufnehmen dürfen. Mit dem Gesetzentwurf regeln wir noch eine ganze Reihe von weiteren Erleichterungen, um die Gründung von Genossenschaften zu fördern. Eine weitere Regelung im Vereinsrecht, die der Gesetzentwurf ursprünglich vorsah, haben wir hingegen gestrichen. Für unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement wollten wir eine geeignete Unternehmensform schaffen. Dafür sah der Gesetzentwurf die Öffnung des wirtschaftlichen Vereins vor. Mitten in die Beratung fiel dann aber der BGH-Beschluss zur Löschung eines Kita-Vereins. Dieser Beschluss hat vieles verändert, indem er das Nebenzweckprivileg von Idealvereinen immens gestärkt hat. Wir sehen daher keine Notwendigkeit mehr für die Öffnung des wirtschaftlichen Vereins. Im Gegenteil: Die Öffnung würde Rechtsunsicherheit schaffen und im schlimmsten Fall bürgerschaftliches Engagement kaputt machen. Das kann nicht unser Ziel sein. Ich freue mich, dass wir mit dem Gesetzentwurf das erfolgreiche Modell der Genossenschaften weiter voranbringen. Damit stärken wir bürgerschaftliches Engagement. Was einer allein nicht schafft, schaffen viele gemeinsam! Svenja Stadler (SPD): Drei Deutsche – ein Verein, bekennen wir selbstironisch. Unsere Vereinslandschaft ist groß und bunt. Sie stellt – das kann man mit Fug und Recht sagen – ein hohes Kulturgut dar. Und da es dieses Gut zu schützen gilt, möchte ich uns dafür rühmen, dass wir in dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement etwas, was zunächst vorgesehen war, nicht regeln, nämlich die Öffnung des wirtschaftlichen Vereins. Überrascht? Nun, ich halte es für eine gesetzgeberische Tugend, so viel zu regeln wie nötig, aber so wenig wie möglich. Erst hü dann hott? Warum sollte der wirtschaftliche Verein geöffnet werden – etwa für Kita-Vereine? Lief doch gut, so wie es war? Eltern machen aus einer Not – dass es nicht genügend Angebote qualifizierter Kinderbetreuung gibt – eine Tugend, indem sie die Sache selbst in die Hand nehmen: eine Kindertagesstätte selbst gründen mit viel Idealismus und Herzblut. Sie tun das alles unter dem Dach eines eingetragenen Vereins und natürlich ohne jegliche – finanzielle – Gewinnabsicht. Erziehung ist doch kein Geschäft! Obgleich gute Betreuung und gute Bildung sehr wohl ein Gewinn sind, ein ideeller – für die ganze Gesellschaft. Das ist bürgerschaftliches Engagement par Excellence. Und das wollen wir fördern und nicht behindern. Und: Ja, es lief lange gut, bis vor einigen Jahren erst einzelne und dann immer mehr Vereine durch verschiedene Amtsgerichte in Bedrängnis gebracht wurden. Mit der Begründung, ihre wirtschaftliche Tätigkeit sei nicht mit dem Vereinsrecht vereinbar, wurden sie aus dem Vereinsregister gelöscht. Fortan sollten sich Vereine also nicht mehr auf das sogenannte Nebenzweckprivileg berufen können? Die zur Zweckumsetzung notwendige Mittelbeschaffung eines Vereins durch wirtschaftliche Betätigung sollte nicht mehr toleriert werden? Keine Teilnahmegebühr für eine Sportveranstaltung? Keine Gebührenerhebung für Betreuungsleistungen? Und wie lange würde der Förderverein der Schule noch seinen Kuchen anbieten dürfen? Vor diesem Hintergrund sahen wir Handlungsbedarf. Die Idee im Gesetzesentwurf war, den Initiativen, die nicht mehr Idealverein sein durften, den Weg zum wirtschaftlichen Verein zu öffnen. Für die Erlangung der Rechtsfähigkeit sollten Standards gesetzt werden, um mehr Verlässlichkeit zu schaffen. Doch wir mussten erkennen, die betroffenen Vereine waren nicht beglückt. Die Anerkennung als rechtsfähiger wirtschaftlicher Verein erschien ihnen weder sicher noch erstrebenswert. Renommee und Motivation zum ehrenamtlichen Engagement hängen eben stark mit dem Status als Idealverein zusammen. „Wollt ihr wirklich eine jahrhundertalte, bewährte Tradition aufgeben?“, war ihre Sorge. Wir haben die Einwände der Idealvereine sehr ernst genommen und um eine alternative Lösung gerungen. Doch in diese Phase der Beratungen platzte dann ein jahrelang erwartetes Urteil des Bundesgerichtshofes. Und alles war wieder anders. Die Beschwerde eines Berliner Vereins, der mehrere Kitas betreibt, war erfolgreich: Das Urteil des Kammergerichts wurde aufgehoben und das Löschungsverfahren eingestellt: Die wirtschaftliche Tätigkeit durch Betreiben mehrerer Kitas sei dem ideellen und gemeinnützigen Zweck „theoretische und praktische Arbeit auf dem Gebiet der Erziehung und Jugendberatung“ zuzuordnen. Bei der Differenzierung zwischen ideellem Hauptzweck und wirtschaftlichem Nebenzweck habe selbst der Umfang dieser wirtschaftlichen Tätigkeit keine Aussagekraft. Mit dieser starken Wiederbelebung des Nebenzweckprivilegs hat sich die Ausgangslage verändert. Eine bessere Absicherung können die Idealvereine kaum haben. Es besteht nicht nur kein Handlungsbedarf mehr, sondern jedwede Aufwertung des wirtschaftlichen Vereins würde für Verunsicherung sorgen und das Nebenzweckprivileg schwächen. Deshalb halten wir uns hier zurück. Caren Lay (DIE LINKE): Eine der stärksten Wurzeln der Genossenschaftsbewegung liegt in der Arbeiterbewegung. Menschen schlossen sich auf der Basis des Prinzips der Selbsthilfe zu Genossenschaften zusammen, um durch freiwillige Kooperation die eigenen Mitglieder zu unterstützen und vor dem Abrutschen ins soziale Elend zu bewahren. Nach der Verabschiedung des preußischen Genossenschaftsgesetzes vor 150 Jahren bis zur Nazizeit gründeten sich zahlreiche Wohnungs-, Konsum-, Landwirtschafts- und andere Genossenschaften, die oft bis heute bestehen. Namen von Genossenschaften wie „Freie Scholle“ in Bielefeld zeugen von dieser Zeit. Das Genossenschaftsgesetz wurde seither immer wieder verändert und angepasst, grundlegend zuletzt 2006. Eine erneute Anpassung soll heute beschlossen werden. Kleinere Initiativen wie Nachbarschafts- und Dorfläden, Wohn- und Kulturprojekte fordern seit längerer Zeit die Einführung einer niedrigschwelligen, unbürokratischen Kooperationsgesellschaft. Mit ihr soll eine neue genossenschaftliche Rechtsform geschaffen werden, die ohne Pflichtmitgliedschaft, Pflichtprüfung und Gründungsprüfung auskommt und sich an der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft orientiert. Während viele kleinere Initiativen einen entsprechenden Entwurf aus dem BMJV am Ende der letzten Legislaturperiode ausdrücklich begrüßten, wandten sich die großen Genossenschaftsverbände, Genossenschaftsbanken, Verbände der Wohnungswirtschaft und andere mehr vehement gegen diese Pläne. Damit verschwand dieser Entwurf wieder in der Schublade, und erst am Ende letzten Jahres wurde ein neuer Anlauf gestartet, weil nun eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Vereinsrecht erwartet wurde. Nach dem neuen Gesetzesvorschlag sollten unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement, wie zum Beispiel Dorfläden, Kitas etc., künftig vor allem in der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins nach § 22 BGB agieren. Dies wiederum führte zu massiven Einwänden zahlreicher Vereine und Verbände von der Freien Wohlfahrtspflege bis hin zu Kindergartenträgern. Erfreulicherweise hat nur einen Tag nach der Ausschussanhörung am 16. Mai der Bundesgerichtshof mit einem Urteil die sogenannten Idealvereine gestärkt und die größten Bedenken im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betätigung ausgeräumt. Daraufhin und wegen der zahlreichen Kritik streicht die Koalition auf den letzten Metern die Neuregelung zum Vereinsrecht nun wieder. Die eigentlich beabsichtigte „Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement“ ist damit jedoch auch passé. Wir Linken halten die Rechtsform der haftungsbeschränkten Kooperationsgesellschaft für deutlich geeigneter für zum Beispiel kooperative oder altersgerechte Wohn- und Kulturprojekte und werden weiterhin auf ihre Einführung drängen. Sie könnte die vielen Initiativen aus dem Kreis des bürgerschaftlichen Engagements einfach und unbürokratisch in die genossenschaftliche Familie einbeziehen. Frühere Reformen des Genossenschaftsgesetzes führten leider zu Angleichungen von Genossenschaften an Kapitalgesellschaften und beschnitten die Mitspracherechte der Genossenschaftsmitglieder. Das alleinige Entscheidungsrecht der Vorstände hat zu einer Machtstellung geführt, die kaum mehr Mitsprache oder Entscheidung der Mitglieder zulässt. So können zum Beispiel die Vorstände von Wohnungsgenossenschaften Mieterhöhungen oder den Abriss von preiswerten Wohnraum gegen die Interessen ihrer Genossenschaftsmitglieder durchsetzen. Die Linke möchte die Rechte der Mitglieder wieder stärken und die Genossenschaften demokratisieren. Konkret wollen wir mit unserem Änderungsantrag erreichen, dass die Generalversammlung durch Satzung und Beschlüsse das Entscheidungsrecht des Vorstandes beschränken kann. Bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, wie beispielsweise die Änderung des Geschäftszwecks oder Investitionen von größerer Bedeutung im Verhältnis zur Bilanzsumme der Genossenschaft, muss die Generalversammlung gefragt werden. Auch in Zukunft wollen wir Linken die Gründung und den Erhalt von Genossenschaften fördern, Benachteiligungen beseitigen und die Demokratie in Genossenschaften stärken. Wir brauchen eine neue Genossenschaftsbewegung. Genossenschaften können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Stadtteile sozial und nachhaltig zu entwickeln und zu beleben. Das bewegt zum Beispiel die Genossenschaft am Holzmarkt in Berlin. Nachdem die Bar 25 vor vielen Jahren leider schließen musste, entsteht hier nun ein neues Stadtquartier mit Wohnungen für fast 500 Studierende, Ateliers, Läden, Restaurants, einer Bäckerei, einer Kita und einem Club. Lassen Sie uns die Genossenschaften stärken, damit wir auch an anderer Stelle sagen können: Die Bar ist tot – es lebe die Bar! Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie ich dieser Tage der Presse entnommen habe, ist das Justizministerium von Bundesminister Maas verantwortlich für die meisten eingebrachten Gesetzentwürfe in dieser Legislaturperiode. Das ist vordergründig löblich, dennoch gilt der Grundsatz „Qualität geht vor Quantität“ auch im Gesetzeshandwerk. Von dem ursprünglichen Entwurf dieses Gesetzes, welches wir heute beschließen, ist nur noch ein Restkorpus verblieben. Denn im ursprünglichen Entwurf fanden sich noch umfassende Neuregelungen zu den Bestimmungen des Vereinsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches. Obwohl absehbar war, dass höchstrichterliche Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofes in der Sache zu erwarten waren, hatte man sich regierungsseitig vorgenommen, die gesetzlichen Grundlagen nach eigenen Vorstellungen zu verändern. Dies war sicherlich gut gemeint, aber keinesfalls gut gemacht. So zog dieser Teil des Gesetzentwurfes auch den Unmut vieler als Idealverein organisierter Initiativen auf sich, und auch Sachverständige in der Anhörung zum Gesetzgebungsverfahren äußerten Kritik am Vorgehen des Justizministeriums. Genau einen Tag nach der Anhörung im Rechtsausschuss erging dann eine richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Sachen Idealverein und Bestimmungen zum sogenannten Nebenzweckprivileg. Damit wurde den Plänen der Bundesregierung der Boden unter den Füßen weggezogen. Trotzdem brauchte man dann vonseiten der Koalitionsfraktionen noch zwei Anläufe, um sich zu besinnen und um die Pläne zu einer Neustrukturierung des § 22 BGB in Verbindung mit einer Verordnung über die Verleihung der Rechtsfähigkeit an wirtschaftliche Vereine nach § 22 BGB zu streichen. Diese Regelungen hätten für viele bestehende Idealvereine zu Rechtsunsicherheiten, zu mehr Bürokratie und zu neuen Doppelstrukturen zwischen den Registergerichten und Landesverwaltungsbehörden geführt. Durch die Streichungen von Artikel 1 und 2 des ursprünglichen Gesetzentwurfes bleibt das Bürgerliche Gesetzbuch nun unangetastet, und viele Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements, die die Rechtsform des Idealvereins für sich wählen, werden verschont vor neuen bürokratischen Hürden. Das ist gut so. Das bürgerschaftliche Engagement ist vielfältig und erstreckt sich hierbei von Sport- und Kulturvereinen über freiwillige Feuerwehren, den Katastrophenschutz, Nichtregierungsorganisationen, direktdemokratische Bürgerbeteiligung, den Umwelt- und Naturschutz, die Entwicklungshilfe, den Tierschutz, das Engagement für Kinder, Jugendliche, alte Menschen und Menschen mit Behinderungen, Nachbarschaftshilfen bis hin zu gemeinwohlorientierten Aktivitäten von Unternehmen in Bereichen wie zum Beispiel der Energie- und Wohnraumversorgung. Die jetzt aktuell vorliegende Fassung des Gesetzes, welche heute verabschiedet wird, umfasst noch den Artikel 3 des Erstentwurfes. Diese Restbestimmungen regeln Neuerungen im Genossenschaftsrecht. Im Grundsatz begrüßen wir diese Neuregelungen. Die Rechtsform der Genossenschaft erlebt gerade eine Renaissance und stellt für uns eine ideale Rechtsform für Initiativen bürgerschaftlichen Engagements dar, die auch einer wirtschaftlichen Betätigung nachgehen wollen. Gerade auch im Bereich der sogenannten Collaborative Economy sucht man nach demokratischen Organisationsformen, in denen das Verhältnis zwischen Produzenten und Konsumenten neu gedacht werden kann. Die Genossenschaft ist in diesen Netzwerken vom Grundsatz her eine beliebte Organisations- und Rechtsform. Allerdings werden kleine und mittlere Genossenschaften auch gegenwärtig noch mit viel Bürokratie und den damit verbundenen Kosten belastet. Hier will das Gesetz Erleichterungen schaffen, was wir auch im Bereich der Kleinstgenossenschaften anerkennen. Dennoch gehen uns die Modifizierungen des Genossenschaftsgesetzes gerade mit Blick auf kleine und mittlere Genossenschaften nicht weit genug, weshalb wir uns bei der Abstimmung zum vorliegenden Gesetz enthalten werden. Mit unserem eigenen Entschließungsantrag, den wir hier im Plenum zur Abstimmung stellen, zeigen wir Lösungen auf, wie auch kleine und mittlere Genossenschaften entbürokratisiert und von unnötigen Kosten befreit werden könnten. Wir wollen, was die Berichtspflichten angeht, endlich eine faire und annähernd gleiche Behandlung zu den kleinen Kapitalgesellschaften erreichen. Dazu fordern wir die Schwellenwerte der kleinen Genossenschaften nach § 53 Absatz 2 GenG, deren Pflichtprüfung nicht den Jahresabschluss beinhalten muss, den Schwellenwerten nach § 267 Absatz 1 HGB für kleine Kapitalgesellschaften anzugleichen, um die ungleiche Behandlung zwischen kleinen Genossenschaften und kleinen Kapitalgesellschaften aufzuheben. Bereits bei den Beratungen zur Reform des Genossenschaftsrechts im Jahr 2006 war der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der Ansicht, dass langfristig die für Kapitalgesellschaften geltenden Schwellenwerte des § 267 Absatz 1 HGB auch für die Genossenschaften gelten sollten (Bundestagsdrucksache 16/1524). Eine Angleichung über die Jahre ist nicht geschehen. Mit dem Gesetz würden die damals schon im Verhältnis eins zu vier stehenden Schwellenwerte zwischen Genossenschaften und Kapitalgesellschaften zementiert, und kein Fortschritt wäre erreicht. Wir meinen, jetzt ist Zeit, endlich engagiert zu handeln. Darüber hinaus fordern wir eine Neustrukturierung der Fördermöglichkeiten für Genossenschaften. Die staatliche Gründungsförderung für Genossenschaften ist im Vergleich zu anderen Rechtsformen derzeit völlig unzureichend. Fördermittel (zum Beispiel Gründercoaching, Gründungszuschuss, Gründerkredite) werden in der Regel vergeben, um einzelne Unternehmer zu unterstützen. Das können Einzelunternehmer sein, persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften oder Geschäftsführer einer GmbH. Für Genossenschaften ist diese Förderung in der Regel uninteressant, da die Vorstandsmitglieder nicht selbst mit erheblichem Kapital an der Finanzierung des Unternehmens beteiligt sind. Andere Länder, wie beispielsweise Schweden, betreiben öffentlich finanzierte Gründungsagenturen für neue Genossenschaften. Auch Deutschland wäre gut beraten, eine gerechte Förderstruktur für Genossenschaften zu schaffen. Vorbilder können die Förderprogramme der KfW-Bankengruppe zu Energieeffizienz und Umweltschutz im Unternehmen, erneuerbaren Energien oder zur kommunalen und sozialen Infrastruktur sein. Die Förderprogramme sollten so eingerichtet werden, dass damit die Kosten der Gründungsprüfung aufgefangen werden bzw. zu einem Großteil kompensiert werden. In unseren Augen wären diese beiden Ergänzungen notwendig, um ein modernes und attraktives Genossenschaftsrecht für kleinere und mittlere Initiativen zu schaffen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (Zusatztagesordnungspunkt 9) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir möchten heute das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen beschließen. Es ist gut, dass wir in dieser letzten Sitzungswoche zum Abschluss kommen. Es besteht dringender gesetzgeberischer Regelungs- und Handlungsbedarf. Mit diesem Gesetz möchten wir den Wandel in der Arbeitswelt nachvollziehen. Viele unterstützende Tätigkeiten der Berufsgeheimnisträger werden von eigenem Personal nicht mehr erledigt und auf externe Dienstleister übertragen. Als Beispiele seien die IT-Systemwartung, Systeme zur externen Speicherung von Daten, Schreibarbeiten oder die Annahme von Telefonanrufen genannt. Insbesondere bei kleinen beruflichen Einheiten wie Anwaltskanzleien oder Arztpraxen wäre die Einstellung von informationstechnisch spezialisiertem Personal nicht wirtschaftlich. Diese Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten findet sich jedoch in der Rechtsordnung nicht wieder, und eine analoge Anwendung der bestehenden Vorschriften ist nicht möglich. Mit diesem Gesetz möchten wir die Rechtsunsicherheiten beseitigen und Rechtsklarheit schaffen. Die Strafbarkeit der unbefugten Offenbarung fremder Geheimnisse wird auf externes Personal ausgeweitet, und gleichzeitig wird ein Erlaubnistatbestand geschaffen, nach dem sich Berufsgeheimnisträger externen Personals bedienen dürfen. Diese erweiterten Befugnisnormen spiegeln sich schließlich auch im Berufsrecht. Der Gesetzentwurf steht im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutzniveau der Geheimnisse und gleichzeitig praktikabler Lösungen für die Praxis. Wenngleich die Grundausrichtung dieses Gesetzes unstrittig ist, stellten Detailfragen in den weiteren Beratungen eine große Herausforderung dar. Im Folgenden möchte ich nochmals das Problem der Auslandssachverhalte aufgreifen. Die Infrastruktur von IT-Dienstleistungen und insbesondere Cloud-Diensten findet sich oftmals nicht in Deutschland, sodass sich der Schutz der Geheimnisse nach dem Recht des jeweiligen Standorts richtet. Bei Serverstandorten außerhalb Europas erschließt sich dies ohne Weiteres. Allerdings bestehen selbst innerhalb der Europäischen Union nicht für alle Berufsgeheimnisträger einheitliche Rechtsvorschriften. Im Bereich der Wirtschaftsprüfer ist in anderen europäischen Rechtsordnungen ein nicht ähnlich umfassendes Beschlagnahmeverbot wie in Deutschland gegeben. Diese Problematik verstärkt sich noch dadurch, dass Wirtschaftsprüfer in großem Maß internationale Mandate wahrnehmen und länderübergreifende Kooperationen eingehen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass Berufsgeheimnisträger in einer globalisierten Arbeitswelt weiterhin Dienstleistungen ins Ausland vergeben können, sodass eine der Praxis gerecht werdende Lösung gefunden werden musste. Zunächst haben wir eine Positivliste gefordert, die sogenannte Whitelist, die verbindlich festlegt, in welchen Ländern ein dem deutschen Recht vergleichbares Schutzniveau besteht. Ich erachte das für die beste Lösung. Dieser Prüfungsaufwand ist aber im Regelfall nicht zumutbar. Nach den Vorschriften im jeweiligen Berufsrecht muss der Geheimnisträger bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Ausland prüfen, ob ein vergleichbares Schutzniveau in diesem Land besteht. Diese Prüfpflicht steht natürlich unter der Voraussetzung, dass dem Dienstleister auch ein Zugang zu fremden Geheimnissen eröffnet wird. Zur Entlastung insbesondere kleinerer Kanzleien oder Praxen erscheint es mir sinnvoll, wenn die berufsständischen Kammern nun solche Länderlisten den Berufsgeheimnisträgern als Hilfe zur Verfügung stellen können und werden. Gleichwohl wird auch diese Lösung nicht alle Rechtsunsicherheiten beseitigen können. Die Praxis wird künftig von der Einholung einer Einwilligung geprägt sein. Dem Mandanten als Herr des Geheimnisses ist die alleinige Befugnis gegeben, der Übermittlung der Daten und damit des Geheimnisses ins Ausland zuzustimmen. Es lässt sich prognostizieren, dass diese sachgerechte Lösung künftig den Regelfall darstellen wird. In manchen Fällen wird die Einholung einer Einwilligung nicht möglich oder die Einwilligung nicht erteilt sein. Im Änderungsantrag wurde eine weitere Erleichterung bei der Prüfpflicht des Berufsgeheimnisträgers geschaffen. Wenn die übermittelten Daten aus sich selbst heraus nicht verständlich sind oder aus anderen Gründen ein geringeres Schutzbedürfnis besteht, kann dem Dienstleister im Ausland dennoch der Zugang zum Geheimnis gewährt werden. Ich denke hier insbesondere an die Fernwartung von Geräten vom Ausland aus. Durch entsprechende Verschlüsselungstechniken ist ein Zugriff ausländischer staatlicher Stellen bei einer Beschlagnahme nicht zu befürchten. Mit dieser zusätzlichen Regelung wird dem Berufsgeheimnisträger eine weitere Hilfestellung im Abwägungsprozess gegeben, ob im konkreten Einzelfall das Geheimnis ins Ausland übermitteln werden darf. Mit dieser Vielzahl von Möglichkeiten sollte das Spannungsverhältnis aufgelöst sein, dass Dienstleistungen ins Ausland vergeben werden können, ohne das Schutzniveau über die Geheimhaltung von Geheimnissen abzusenken. Es ist mir wichtig, noch auf den Punkt hinzuweisen, dass die straf- und berufsrechtlichen Regelungen getrennt zu betrachten sind. Ein berufsrechtswidriges Verhalten führt nicht zwingend zu einer Strafbarkeit. Ein berufsrechtlich erlaubtes Verhalten stellt jedoch niemals ein unbefugtes Offenbaren von Geheimnissen dar. Bei einer Einwilligung zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Ausland ist die Befugnis in jedem Fall sichergestellt. Das Gesetz wird erst zu einem stimmigen Regelungswerk, wenn sich zu den Änderungen im Strafgesetzbuch und dem jeweiligen Berufsrecht korrespondierende Vorschriften im Verfahrensrecht finden lassen. Mit dem Änderungsantrag wurde auch diese Lücke geschlossen. Eine Erweiterung der Strafbarkeit auf mitwirkende Personen und eine Ausweitung der berufsrechtlichen Befugnisse ergibt nur Sinn, wenn für diese Personengruppe ein Zeugnisverweigerungsrecht und ein Beschlagnahmeverbot geschaffen werden. Um Widersprüche in der Rechtsordnung zu vermeiden, müssen die bestehenden prozessualen Schutznormen auf die mitwirkenden Personen ausgeweitet werden. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass in der Strafprozessordnung eine Definition der mitwirkenden Person geschaffen wird, um eine einheitliche Terminologie mit dem Strafgesetzbuch zu erreichen. Dieses Gesetz stand nie im Fokus der breiten Medienöffentlichkeit. Dennoch ist die Neuregelung von hoher praktischer Bedeutung. Diese zeigte sich an der Vielzahl von Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Berufsverbände und dem großen Interesse an der Sachverständigenanhörung. Wir haben im parlamentarischen Verfahren sehr ausführlich und intensiv über Änderungen und Verbesserungen beraten. Ich hoffe, dass mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf in der Beschlussempfehlung des Ausschusses nun ein gerechter Interessenausgleich gelungen ist und alle Positionen hinreichend berücksichtigt wurden. Ich bitte um Zustimmung! Dr. Johannes Fechner (SPD): Das geltende Recht bringt unsere sogenannten Berufsgeheimnisträger regelmäßig in eine heikle Situation. Denn nach § 203 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm in bestimmter beruflicher Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Ärzte und andere in § 203 StGB ausdrücklich genannte Berufsgruppen sind bei ihrer Tätigkeit jedoch auf die Hilfeleistung anderer Personen angewiesen, sei es bei Schreibarbeiten, der Archivierung von Akten oder der Wartung der EDV. Die mit der Erledigung solcher Aufgaben verbundene Weitergabe von Geheimnissen an Angestellte des Berufsgeheimnisträgers ist nach ständiger Rechtsprechung legitim. Innerhalb des Organisationskreises des Berufsgeheimnisträgers wertet die Rechtsprechung die Weitergabe von Informationen nicht als „offenbaren“. Anders sieht es aus, wenn der Betreffende Informationen an Personen außerhalb seiner Sphäre, also an sonstige mitwirkende Personen, weitergibt. Hier besteht nach geltendem Recht die Gefahr, dass sich der Berufsgeheimnisträger strafbar macht. Die zunehmende Digitalisierung macht die Inanspruchnahme von Dienstleistungen außerhalb des eigenen Organisationskreises jedoch erforderlich – mit zunehmender Tendenz. Aus diesem Grunde haben wir die Weitergabe von Geheimnissen an mitwirkende Personen gesetzlich neu geregelt. § 203 Absatz 3 StGB-E unterscheidet weiterhin zwischen Hilfspersonen aus dem Organisationskreis des Berufsgeheimnisträgers und sonstigen Hilfspersonen. Mitwirkenden Personen aus dem inneren Kreis, also Lehrlingen und Angestellten, darf der Berufsgeheimnisträger wie bisher alle Geheimnisse weitergeben. Dies haben wir jetzt ausdrücklich im Gesetz geregelt. Sonstigen mitwirkenden Personen, sei es der externe Schreibdienst oder das Inkasso-Unternehmen, darf der Berufsgeheimnisträger in Zukunft so viel offenbaren, wie es für deren Tätigkeit erforderlich ist. Diese Regelung ist neu und einer veränderten Arbeitswelt geschuldet. Innerhalb der Beratungen zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde insbesondere ein Problem thematisiert: die in den Berufsordnungen enthaltene Regelung zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen aus dem Ausland. Ein schwieriges Thema: Unsere Rechtsordnung bietet ein fein austariertes System an strafbewehrter Schweigepflicht mit Ausnahmen Personen betreffend, die wiederum einer strafbewehrten Schweigepflicht unterliegen. Zudem korrespondieren Schweigepflichten und strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote. Verlässt das Geheimnis deutschen Boden, ist nicht garantiert, dass der Geheimnisschutz in vergleichbarer Weise gewahrt ist. Deshalb sah der Regierungsentwurf vor, dass die Weitergabe in das Ausland nur dann zulässig ist, wenn dort ein uns entsprechender Geheimnisschutz besteht. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass ein Verstoß gegen diese Regelung keine strafrechtlichen, sondern lediglich gegebenenfalls berufsrechtliche Konsequenzen hat. Von den Berufsverbänden wurde uns signalisiert, dass die im Berufsrecht vorgesehene Einschränkung, Dienstleistungen nur aus Ländern mit adäquatem Geheimnisschutzniveau in Anspruch zu nehmen, den Berufsgeheimnisträger vor das nur schwer lösbare Problem stellt, die Situation im Ausland einzuschätzen. Die Forderung, eine staatliche Stelle mit der Erstellung einer Liste „sicherer“ Länder zu betrauen, wurde regierungsseitig als unpraktikabel bewertet. Um die Regelung handhabbarer zu gestalten, haben wir dem Berufsgeheimnisträger in unserem Änderungsantrag die Möglichkeit gegeben, in Fällen, in denen der Geheimnisschutz es nicht gebietet, von einer Eruierung des Schutzniveaus im Ausland abzusehen. Sind die übermittelten Daten aus sich selbst heraus kaum verständlich, weil vielleicht nur ein Teil eines Vorgangs übermittelt werden soll, ist das Schutzbedürfnis natürlich geringer als bei einem vollständigen Vorgang. Der Berufsgeheimnisträger tut trotz der beschriebenen Regelungen gut daran, sich die Einwilligung seines Mandanten oder Patienten in die Weitergabe des Geheimnisses einzuholen. Liegt diese vor, kommt weder ein Verstoß gegen Berufsrecht in Betracht, noch ist das Verhalten strafrechtlich relevant. Deshalb: Stimmen wir diesem guten Gesetz heute zu, damit wir den Geheimnisschutz im Bereich Berufsgeheimnisträger an die Gegebenheiten der heutigen Arbeitswelt anpassen und die erforderliche Rechtssicherheit schaffen. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Wie schon in der ersten Beratung zu diesem Gesetzentwurf festgestellt, bleibt zu konstatieren, dass dieser Gesetzentwurf überfällig ist. Deutschland hat, wie bereits ausgeführt, auch hier mal wieder die technische Entwicklung verschlafen und alle Berufsgeheimnisträger seit Jahren der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, wenn sie zum Beispiel IT-Systeme verwenden, die von Dritten betreut werden. Dies ist jedoch zwischenzeitlich bei jeder noch so kleinen Anwaltskanzlei oder Arztpraxis der Standard. Denn diese Helfer waren bisher nicht ausreichend in § 203 StGB berücksichtigt, und der im Rahmen ihrer vertraglichen Tätigkeit notwendige Zugriff durch sie auf Daten der entsprechenden Berufsgeheimnisträger war de lege lata strafbar. Das betraf auch andere Dienstleistungen wie Aktenvernichtung, Aktenarchivierung etc. Inhaltlich kann ich mich insoweit voll auf meine erste Rede vom 27. April 2017 beziehen und wiederhole diese ausdrücklich. Allerdings hat sich meine Hoffnung, in den Beratungen noch etwas retten zu können, wider Erwarten diesmal bestätigt. Die von meiner Fraktion geforderten flankierenden Maßnahmen, die ich in der ersten Lesung aufgezeigt habe, sind durch den entsprechenden Änderungsantrag ins Gesetz eingeflossen, sodass jetzt auch Personen, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an der beruflichen Tätigkeit der Berufsgeheimnisträger mitwirken, ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Insoweit bestehen keine Bedenken mehr. Auch das Problem mit den unterschiedlichen Schutzniveaus im Ausland bei der Inanspruchnahme ausländischer Dienstleister wurde angegangen, jedoch aus Sicht der Linken zu unbestimmt. Bezüglich des Schutzniveaus im Ausland sind die geänderten Regelungen nicht das Nonplusultra; allerdings ist es momentan wohl nicht anders regelbar. Auch eine sogenannte deutsche Cloud würde das Problem nicht lösen, da diese angesichts der erst in dieser Woche staatlich verordneten Sicherheitslücken (Stichwort Staatstrojaner) auch wiederum zu unsicher wäre. Gleichwohl sehe auch ich momentan keine andere Lösung im Hinblick auf ein entsprechendes Schutzniveau im Ausland. Von daher kann die Linke alles in allem diesem Gesetz in der geänderten Fassung zustimmen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem heutigen Gesetz soll endlich Klarheit geschaffen werden, dass Rechtsanwälte sich nicht per se wegen Geheimnisverrat strafbar machen, wenn sie zur Datensicherung externe Dienstleister heranziehen. Das ist schon deswegen ein lobenswertes Ziel, weil inzwischen sogar Einzelanwälte gesetzlich verpflichtet sind, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen. Dadurch sind die Anforderungen an die Datensicherung weiter angestiegen und können kaum noch kanzleiintern sichergestellt werden. Durch eine Beschränkung der Strafbarkeit beim Geheimnisverrat soll der Berufsgeheimnisträger künftig externe Dienstleister als mitwirkende Personen einbeziehen können, wenn er die Zuverlässigkeit des Vertragspartners vorher geprüft und diesen zur Verschwiegenheit verpflichtet hat. Mit Ihrem Änderungsantrag haben Sie nunmehr folgerichtig auch die Zeugnisverweigerungsrechte im § 53a StPO auf diese Personen erstreckt. Das ist deswegen zwingend erforderlich, da sonst die Verschwiegenheitspflicht ja ins Leere laufen würde. Trotz aller Bemühungen ist aber auch Ihnen die Quadratur des Kreises mit diesem Gesetz nicht gelungen. Es ist Ihnen zugutezuhalten, dass es vielleicht gar nicht möglich ist, den hohen Stellenwert des Berufsgeheimnisses mit der externen Datenverarbeitung in Einklang zu bringen. Hier verweise ich auf die zutreffenden Bedenken des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme darauf hinweist, dass die Geheimschutzbelange der Betroffenen durch dieses Gesetz bedenklich weit hintangestellt werden. Aber auch den Geheimnisträgern selbst werden nach wie vor strafbewehrte Pflichten auferlegt, die sie kaum erfüllen können. So weist der Deutsche Anwaltverein in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass Rechtsanwälte nur begrenzt die Möglichkeit haben, die Zuverlässigkeit von Angestellten ihrer Vertragspartner zu überprüfen. Wenn sie bei der Verschwiegenheitsverpflichtung ihre Sorgfaltspflichten verletzen, werden sie dafür ebenso bestraft wie bei einem vorsätzlichen Geheimnisverrat. Auch Strafrechtsexperte Professor Dr. Arndt Sinn vertrat in der Anhörung die Auffassung, dass dies eher als Ordnungswidrigkeit geahndet werden müsste. Besonders deutlich wird das Dilemma, wenn die Dienstleister dann noch ihren Sitz im Ausland haben oder Subunternehmen beauftragen, die ihren Sitz im Ausland haben. Da die Einschätzung des Schutzniveaus für Berufsgeheimnisse in dem entsprechenden Ausland ganz offensichtlich nicht den Geheimnisträgern zugemutet werden kann, haben Sie sich mit Ihrem Änderungsantrag für eine eingeschränkte Einwilligungslösung entschieden. Wann allerdings der Schutz des Geheimnisses die Einwilligung nicht gebietet, bleibt das große Rätsel. Unklar bleibt auch, wie Cloud-Lösungen zu behandeln sind und ob die Cloud eigentlich im Ausland liegt. Die Anwaltschaft ist zweifelsohne gut beraten, in Zukunft generell und ausnahmslos eine Einwilligung zur externen Datenverarbeitung einzuholen, um kein Risiko einzugehen. Ob unter diesen Umständen der Mandant allerdings noch „Herr des Geheimnisses“ ist, wie Sie in Ihrer Begründung schreiben, wage ich zu bezweifeln. Die Mandanten werden schließlich keine Rechtsberater mehr finden, die diese Einwilligung nicht anfordern und anfordern müssen, weil sie selbst im Zeitalter des elektronischen Rechtsverkehrs die Geheimhaltung nicht mehr garantieren können. Und damit sind wir wieder bei der Quadratur des Kreises. Es ehrt Sie das Bemühen darum, aber es bleibt eine halbgare Lösung. Die Mandanten blieben nur dann „Herr des Geheimnisses“, wenn sie wirklich die Auswahl hätten, ob ihre intimsten Daten in den Tiefen des Netzes unterwegs sein sollen oder nicht. Die Einwilligungslösung wäre dann eine echte Lösung, wenn sie sich auch auf die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr generell erstrecken würde. Eine breite Mehrheit hat sich nun aber für die gesetzliche Teilnahmepflicht ab dem 1. Januar 2018 entschieden. Vor diesem Hintergrund ist Ihr heutiger Gesetzentwurf zumindest folgerichtig. Weil er aber die grundlegenden Fragen nicht beantwortet und neue Grauzonen schafft, werden wir uns heute dazu enthalten. Und eine letzte Anmerkung kann ich Ihnen nicht ersparen: Mit den Regelungen zur Onlinedurchsuchung und zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die Sie in der letzten Woche verabschiedet haben, haben Sie den Berufsgeheimnisschutz, den Sie hier heute stärken wollen, völlig konterkariert. Mit dem neuen § 100d Absatz 5 StPO haben Sie festgeschrieben, dass das Beweiserhebungsverbot für die Berufshelfer bei den neuen Überwachungsmaßnahmen nur ein relatives sein soll. Bei einer entsprechenden Abwägung soll sich der Staat darüber hinwegsetzen können. Dieses neue Einfallstor steht im unmittelbaren Widerspruch zu § 53a StPO, wonach Berufshelfer und mitwirkende Personen den Geheimnisträger gleichgestellt sind. Um diesen Widerspruch zu beseitigen, braucht es definitiv keine Quadratur des Kreises, sondern lediglich die Streichung der Norm. Wenn Sie das nicht selbst erledigen, bin ich zuversichtlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht einmal mehr des Problems annehmen wird. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (Zusatzordnungspunkt 10) Josef Göppel (CDU/CSU): Mit diesem Gesetz kommt Deutschland der Verpflichtung nach, die EU-Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in nationales Recht umzusetzen. Welche Tier- und Pflanzenarten als invasiv gelten, wird in der europaweit gültigen sogenannten „Unionsliste“ festgelegt. Aktuell wurde die Liste auf insgesamt 49 Arten erweitert. Die dort genannten Tier- und Pflanzenarten dürfen EU-weit nicht eingeführt, gehalten, gezüchtet, verwendet, in Verkehr gebracht oder freigesetzt werden. Zudem ist deren Vermehrung untersagt. Ausnahmegenehmigungen können aber vom Bundesamt für Naturschutz erteilt werden. Künftig braucht jeder Halter von Exemplaren invasiver Tierarten eine Berechtigung. Diese kann vorliegen, wenn eine Person diese Tiere vor ihrer Einstufung als „invasiv“ bereits in Besitz hatte. Auch für Forschungszwecke kann der Besitz zugelassen werden. Deutschland muss nun ein Genehmigungssystem für die Haltung von invasiven Arten einrichten. Auch für die zoologischen Gärten ist es wichtig, dass die bereits gehaltenen, als invasiv geltenden Arten keiner Ausnahmegenehmigung bedürfen. Die Formulierung: „Eine Genehmigung ist für Bestände invasiver Tierarten nicht erforderlich, die vor dem 3. August 2016 gehalten wurden, sich unter Verschluss befinden und in denen keine Vermehrung stattfindet“, ist eine Änderung, die in den parlamentarischen Beratungen erzielt wurde. Sie bietet Rechtssicherheit für die Altbestände in Zoos. Unstrittig bleibt aber, dass auch Zoos eine Genehmigung benötigen, wenn sie die Fortpflanzung von Exemplaren einer invasiven Art zulassen. Weiterhin sind Verfahren zur Erstellung der Aktionspläne und der Festlegung von Managementmaßnahmen festzulegen. Es muss in erster Linie darum gehen, präventiv gegen die Ausbreitung von invasiv gebietsfremden Arten vorzugehen. Daher sind die Kontroll- und Managementmaßnahmen je nach Ausbreitungsgebiet länderspezifisch auszugestalten. Die konkrete Umsetzung von Managementmaßnahmen kann nur artspezifisch erfolgen und muss auf die regionalen Unterschiede eingehen. Daher werden weitere Ermächtigungsgrundlagen für das Bundesumweltministerium geschaffen. Der bereits geltende § 54 BNatSchG bleibt im Absatz 9 unverändert: Rechtsverordnungen zu natürlich vorkommenden Arten brauchen das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Zur jetzt erweiterten Beseitigungs- und Managementpflicht, zu der Überwachung und zu den neuen Kontrollen gebietsfremder invasiver Arten soll es im Naturschutzgesetz weiter heißen: Rechtsverordnungen für invasive Tier- und Pflanzenarten bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Rechtsverordnungen zur Durchführung der amtlichen Kontrollen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Es gilt aber weiterhin, dass der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft auch für gebietsfremde, invasive Arten genehmigungsfrei bleibt. Dort muss aber die sogenannte „gute fachliche Praxis“ eingehalten werden. Was bei Neupflanzungen im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen als gebietseigene Herkunft gilt, wird nun ebenfalls geregelt. Als gebietseigen gelten einheimische Sippen, die sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum an die lokalen Bedingungen angepasst haben. Sie unterscheiden sich genetisch von Populationen der gleichen Art in anderen Naturräumen. Um die Produktion, den Handel und die Verwendung von gebietseigenen Gehölzen zu erleichtern, sind Regelungen zur Anerkennung von Erntevorkommen vorgesehen. Bereits auf Ebene der Länder eingeführte, regional kleinteiligere Regelungen als im gemeinsamen Leitfaden zur Gebietsabgrenzung von Gehölzen des BMUB und BMEL werden aufgehoben. Das Forstvermehrungsgutgesetz und Rechtsverordnungen für die Anpflanzung von Gehölzen in der Forstwirtschaft bleiben unberührt. Nicht so einfach ist die Regelung für Tiere. Bis zuletzt gab es besonderen Gesprächsbedarf, was die Änderung des Jagdrechts betrifft. Zweifelsohne können Jagdpächter zu Verbündeten beim Management unerwünschter Eindringlinge werden. Mit der Möglichkeit einer Entschädigung von Naturschutzmaßnahmen – also einer Kostenerstattung über die Ländergesetzgebung – können Jäger gezielter zu Gemeinwohlleistungen animiert werden. Sollte ein Bundesland stärker auf nicht tödliche Maßnahmen setzen, wie Hessen bei der Kastration von Waschbären, bleiben die Rechte der Jagdausübungsberechtigten unbeschnitten. Auch ohne den Einsatz jagdlicher Mittel ist Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Jäger zu nehmen. Ebenso werden dem Fischereirecht unterliegende Maßnahmen im Einvernehmen mit den nach Landesrecht für Fischerei zuständigen Behörden festgelegt. Das Einvernehmen mit jedem Jagd- und Fischereiberechtigten dürfte für die Behörden schwierig werden. Ich habe die Einbeziehung der Hegegemeinschaften und Teichgenossenschaften für sinnvoller gehalten. Carsten Träger (SPD): Mit dem Durchführungsgesetz setzen wir die EU-Verordnung über die Prävention und das Management gegen Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in deutsches Recht um. Invasive Arten sind eine Bedrohung für unsere heimischen Tiere und Pflanzen und damit für unsere Ökosysteme. Sie machen nicht an Landesgrenzen halt und deshalb können wir nur europaweit eine sinnvolle Lösung finden. Es gibt dafür die sogenannte Unionsliste, auf der Arten gelistet sind, gegen die am dringendsten vorgegangen werden muss. Bisher waren dies 37 Arten; aktuell sind zwölf weitere Tier- und Pflanzenarten dazugekommen. Diese 49 Arten dürfen nicht in die EU eingeführt, dort gehalten oder gezüchtet werden. Auch die Vermehrung ist bis auf wenige Ausnahmen verboten. Ich bin nicht ganz glücklich mit der Liste. Es ist ja kein Geheimnis, dass zum Beispiel der Waschbär in Deutschland schon weit verbreitet ist. Deshalb war Deutschland dagegen, den Waschbären zu listen. Denn grundsätzlich ist es sehr viel sinnvoller, präventiv vorzugehen und die Ausbreitung noch nicht so weit verbreiteter Arten einzudämmen, statt gegen etablierte Arten vorzugehen. Aber es ist eben eine EU-Liste, die in Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entsteht, und ich stehe zu dem Vorgehen. Die Bundesländer bekommen mit dem Durchführungsgesetz nun die rechtliche Grundlage für ihre Managementmaßnahmen an die Hand. Ich bin zuversichtlich, dass die Länder hier mit Bedacht und Sachverstand vorgehen werden. Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch Verbesserungen im Hinblick auf die Rechtssicherheit für Zoos erreicht. Es wird klargestellt, dass die Zoos ihre jetzigen Bestände an invasiven Tieren natürlich nicht töten müssen, sondern die Tiere bis an deren Lebensende halten dürfen. Auch die Sorgen der Tierheime und Auffangstationen nehme ich sehr ernst. Die Tierheime platzen aus allen Nähten, zum Beispiel mit Schmuckschildkröten. Ich halte es für angemessen, dass es – auch bei strengen Regelungen, was die invasiven Arten angeht – möglich sein muss, die Tiere an Privathalter abzugeben, insofern eine Fortpflanzung und natürlich das Entkommen ausgeschlossen ist. Die Länder haben bereits signalisiert, dass sie im Rahmen ihrer Managementmaßnahmen die Weitergabe an Privathalter weiter ermöglichen wollen. Das begrüße ich sehr. Im Sinne des Tierschutzes bin ich auch sehr offen für das Ausweiten nicht tödlicher Maßnahmen, etwa Kastrationsmaßnahmen. Dies muss natürlich alles verhältnismäßig sein und in Abstimmung der Verantwortlichen vor Ort erfolgen. Es ist gut, dass wir das Durchführungsgesetz beschließen und damit die Zuständigkeiten in Deutschland für unser europaweites Vorgehen gegen invasive Arten klar festlegen. Jetzt sind die Länder am Zug. Birgit Menz (DIE LINKE): Bei gebietsfremden Arten – egal ob Tier oder Pflanze – besteht die Gefahr, dass diese negative Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt haben können bzw. diese im schlimmsten Fall verdrängen. Wie das Bundesamt für Naturschutz in seinem Handbuch für invasive Arten bekannt gibt, existieren in Deutschland derzeit etwa 168 Tier- und Pflanzenarten, die nachweislich negative Auswirkungen auf die hiesige Flora und Fauna haben. Innerhalb der gesamten EU geht man von etwa 12 000 gebietsfremden Arten aus, von denen etwa 15 Prozent als invasiv eingestuft werden. Allein aus Gründen des Natur- und Artenschutzes ist es daher zu begrüßen, dass es zukünftig einen einheitlichen Rahmen zum Umgang mit als invasiv eingestuften Tieren und Pflanzen geben soll. Auf der vor kurzem aktualisierten Unionsliste befinden sich derzeit 49 Arten, gegen deren Ausbreitung verstärkt Maßnahmen getroffen werden sollen. Darunter sind auch 26 Tierarten, wobei 12 davon in Deutschland als etabliert gelten. Grund genug also, um sich auch in der Gesetzgebung verstärkt mit tierschutzpolitischen Aspekten auseinanderzusetzen. Doch wie so oft vernachlässigt bzw. übergeht die Bundesregierung auch im vorliegenden Entwurf diesen wichtigen Punkt. Um das zu verdeutlichen: Tierschutz ist seit mittlerweile 15 Jahren im Grundgesetz als Staatsziel verankert, und die Bundesregierung schafft es immer noch nicht, diesen Bereich in der Gesetzgebung adäquat zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit der Eindämmung invasiver Arten wird im Gesetz das Wort „beseitigen“ bzw. „beseitigen lassen“ verwendet, ohne zu differenzieren, ob es hier um Pflanzen oder Tiere geht. Damit werden tödliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen. In einem Land, in dem der Tierschutz „angeblich“ Verfassungsrang genießt, darf dies jedoch nur das äußerste Mittel sein. Die Linke fordert daher – wie wir es in unserem Antrag auch deutlich gemacht haben –, im Gesetz klarzustellen, dass der Fokus bei der Eindämmung einer invasiven Tierart auf tierschutzgerechten und nicht tödlichen Maßnahmen liegen muss. Bei vielen bereits etablierten Arten – wie beispielsweise dem Waschbär – sind Eindämmungsmaßnahmen zudem völlig sinnlos, und die Aussicht auf Erfolg ist eher gering. Ressourcen und Mittel sollten daher eher für präventive Maßnahmen eingesetzt werden, die eine weitere Ausbreitung invasiver Arten bzw. die Neueinschleppung verhindern. Ein weiterer Beleg für die bisher unzureichenden tierschutzpolitischen Ambitionen der Bundesregierung ist, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, ob und inwieweit Tierheime oder private Tierauffangstationen Tierarten der Unionsliste wie beispielsweise Waschbären oder Schmuckschildkröten weiterhin aufnehmen, vermitteln oder versorgen dürfen. Dieser Aspekt fehlt im Gesetzentwurf vollkommen, und das, obwohl Tierheime und Tierauffangstationen einen Großteil der gesellschaftlichen Aufgabe im Bereich Tierschutz übernehmen. Immer mehr und insbesondere „exotische“ Tierarten werden abgegeben, wobei deren Verweildauer steigt. Hinzu kommen nötig werdende Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen, um eine möglichst art- und tiergerechte Betreuung garantieren zu können und bautechnischen Vorschriften zu genügen. Um all das zu gewährleisten, ist ein hoher finanzieller Aufwand nötig, der viele Tierheime – finanziell alleingelassen – bis an den Rand der Existenz treibt. Mit der Umsetzung der EU-Verordnung hätte die Bundesregierung die Chance gehabt, den Tierheimen nicht nur ein vernünftiges Regelwerk in Bezug auf den Umgang mit invasiven Arten zu geben, sondern dafür auch entsprechende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, damit diese zukünftig eine tierschutzgerechte Versorgung garantieren können. Die Linke sieht Bund, Länder und Kommunen – unabhängig vom hier debattierten Gesetzentwurf – gemeinsam in der Pflicht, Finanzmittel für notwendige Investitionen für Tieraufnahmeeinrichtungen bereitzustellen und Wege zu ebnen, um eine tierschutzgerechte Versorgung zu ermöglichen sowie die außerordentliche Arbeit der Tierheime hinreichend zu unterstützen. Lassen Sie mich abschließend noch einen Satz zur Beteiligung der Öffentlichkeit verlieren. Die derzeitige Regelung, wonach bei der Vorbereitung von Aktionsplänen oder Managementmaßnahmen lediglich Naturschutzverbände einbezogen werden, ist aus unserer Sicht nicht zu akzeptieren. Da von den Maßnahmen insbesondere auch verschiedene Tierarten betroffen sind, ist eine Ausweitung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf anerkannte Tierschutzorganisationen unbedingt nötig, die wir hiermit nachdrücklich fordern. Nach vier Jahren tappt die Bundesregierung tierschutzpolitisch weiter im Dunkeln. Eines wurde mit dem Entwurf und in vielen anderen Initiativen der Bundesregierung deutlich: Tierschutz genießt in der Bundesregierung trotz Verfassungsrang keine besonders hohe Priorität. Hoffen wir, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Durchführungsgesetz kommt die Bundesregierung der Verpflichtung nach, die EU-Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in deutsches Recht umzusetzen. Das ist richtig und wichtig, da gebietsfremde invasive Arten eine zunehmende Bedrohung für die biologische Vielfalt darstellen. Es soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die existenziellen Bedrohungen für die Artenvielfalt insbesondere von der Klimakrise und der industriellen Landwirtschaft ausgehen. Aber auch die gebietsfremden invasiven Arten sind eine zunehmende Bedrohung. Doch nicht nur das, auch schädliche Effekte auf die menschliche Gesundheit gehen mit deren Ausbreitung einher. Der sogenannte Bärenklau ist sicherlich allen hier bekannt; aber auch Krankheitserreger, die durch invasive Tierarten zu uns gelangen und in unseren Breitengraden bisher nicht verbreitet waren, werden zunehmend zum Problem. Im Zuge der Klimakrise wird sich diese Bedrohungslage sowohl für die heimische Flora und Fauna als auch für die menschliche Gesundheit weiter verschärfen, sei es durch die Ausbreitung der Malariamücke in Süddeutschland oder die Verdrängung heimischer Muschelarten im Wattenmeer durch die Pazifische Auster. Dass die Bundesregierung in der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, liegt jedoch nicht daran, dass sie die drängenden Probleme für die biologische Vielfalt erkannt hat, sondern vielmehr an einem drohenden Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Union. Es wäre ja auch nicht das erste Vertragsverletzungsverfahren, welches gegen diese Bundesregierung im Bereich des Naturschutzes anhängig wäre. Der nun vorliegende Gesetzentwurf hat solche gravierenden handwerklichen Fehler, dass es besser gewesen wäre, heute nicht darüber abzustimmen. Und dann setzen die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit ihrem Änderungsantrag noch eins drauf und konterkarieren mit einem Vetorecht für Nutzer den Ursprungsgedanken der Verordnung. In der letzten Woche haben Sie sich hier allesamt gegenseitig dafür gratuliert, wie Sie als Parlamentarier den Meeresschutz vor dem Angriff der Nutzerinteressen und gegen den Entwurf der Bundesregierung verteidigt haben, indem Sie – wie von Grünen und Umweltverbänden seit Monaten eingefordert – die Einvernehmensregelung für Nutzerressorts zurückgezogen und die Benehmensregelung beibehalten haben. Eine Woche später scheint dies jedoch vergessen, und durch eine ähnliche Regelung im vorliegenden Gesetzentwurf führen Sie den Naturschutzgedanken ad absurdum. Jagdliche und Fischereimaßnahmen gegen invasive Tierarten sollen nur mit Zustimmung der Jagdausübenden und Fischereiausübungsberechtigten durchführbar sein. Das bedeutet, dass Einzelpersonen eine effektive Bejagung invasiver Arten dauerhaft blockieren und damit den Schutz der heimischen Tierwelt gefährden könnten. Sie führen hier allen Ernstes bei der Anordnung von hoheitlichen Ausführungsbestimmungen eine Einvernehmensregelung für private Nutzer ein?! Das ist ein haarsträubendes Verständnis unseres Rechtssystems. Das sieht übrigens nicht nur die grüne Bundestagsfraktion sehr kritisch, sondern auch das Bundesjustizministerium. Es ist unbestritten sinnvoll, bei der Umsetzung eines erfolgreichen Wildtiermanagements auf eine Einigung mit allen wichtigen Akteuren wie Naturschutzfachleuten, Tierschutzorganisationen und Jagd- oder Fischereiausübenden hinzuwirken. Falls dies nicht gelingt, muss die Jagdbehörde aber am Ende ein wirksames Anordnungsrecht für nötige Maßnahmen haben, um handlungsfähig zu bleiben und das Gemeinwohl zu wahren. Die Große Koalition will durch ihren Änderungsantrag genau das verhindern. Darüber hinaus schaffen Sie mit dem Gesetzentwurf Rechtsunsicherheiten für Tierschutzorganisationen, Tierheime, Auffangstationen, zoologische Gärten und Privathalter. Es ist unklar, inwiefern und unter welchen konkreten Bedingungen sie diese als invasiv gelisteten Tiere weiterhin aufnehmen, pflegen oder weitervermitteln können. Hier ist es dringend nötig, nachzubessern und für rechtliche Sicherheit und Klarheit zu sorgen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die fehlenden Vorgaben bei Managementmethoden. Insgesamt muss es darum gehen, präventiv die Ein- und Ausbringung von invasiven Arten einzudämmen bzw. zu verhindern und nicht erst anzusetzen, wenn sich die Tiere oder Pflanzen bereits ausgebreitet haben. Tierschutzgerechte und nicht tödliche Maßnahmen müssen dabei immer Priorität haben. Aufgrund all dieser Mängel wird meine Fraktion diesen eigentlich dringend nötigen, aber in seiner Ausführung absolut inakzeptablen Gesetzentwurf ablehnen. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Weltweit gelten invasive Arten, also Arten, die durch den Einfluss des Menschen in ein neues Verbreitungsgebiet gelangt sind und in ihrer neuen Umgebung negative Auswirkungen auf andere Arten oder Biotope haben, als zweitgrößte Gefährdung für die biologische Vielfalt, übertroffen nur durch die Gefahr durch die Zerstörung der natürlichen Lebensräume. Auf internationaler Ebene ist die Bekämpfung invasiver Arten daher Gegenstand vielfältiger Bemühungen. Insbesondere haben sich die Vertragsparteien im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) verpflichtet, die Einbringung nichtheimischer Arten, welche Ökosysteme, Lebensräume oder andere Arten gefährden, nach Möglichkeit zu verhindern bzw. diese Arten zu kontrollieren oder zu beseitigen. Die europäischen Naturschutzrichtlinien enthalten nur Verpflichtungen zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt vor der Ansiedlung nichtheimischer Arten. Mit der Verabschiedung der EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten hat die Europäische Union auf der Basis der CBD-Empfehlungen umfangreiche Regelungen zur Prävention, Minimierung und Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen dieser Arten erlassen. Viele der auf der zugehörigen sogenannten Unionsliste aufgeführten invasiven Tier- und Pflanzenarten, etwa der Waschbär, sind auch in Deutschland weit verbreitet. Dass sich die Einbringung ursprünglich aus Nordamerika stammender Krebse in unseren Gewässern als äußerst problematisch erwiesen hat, da sie Überträger der für einheimische Flusskrebsarten tödlichen „Krebspest“ sind, dürfte hingegen eher nur Fachleuten bekannt sein. Deutschland ist verpflichtet, Maßnahmen zum Management invasiver Arten der Unionsliste zu erlassen und die in der EU-Verordnung enthaltenen Verbote, etwa in Bezug auf den Handel, die Haltung und Zucht oder die Freisetzung in die Umwelt, durchzusetzen. Der Ihnen vorliegende Entwurf für ein Durchführungsgesetz enthält die notwendigen gesetzlichen Regelungen, um den Vollzug der EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten in Deutschland einzurichten. Die Änderungen betreffen die artenschutzrechtlichen Vorschriften in Kapitel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes. Zudem wird eine ergänzende Regelung im Jagdrecht vorgenommen. Insbesondere werden die Zuständigkeiten geregelt sowie die erforderlichen Eingriffsbefugnisse für die zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt. Außerdem wird das Verfahren zur Erstellung der durch die EU-Verordnung geforderten Aktionspläne und zur Festlegung von Managementmaßnahmen geregelt. Weiterhin wird unter anderem ein Genehmigungssystem für die Zulassung von Forschung an invasiven Arten und die Ex-situ-Erhaltung eingerichtet. Einer Anregung des Bundesrates folgend hat der Umweltausschuss empfohlen, eine Regelung aufzunehmen, die klarstellt, dass vor Inkrafttreten der Unionsliste in Zoos gehaltene Tiere bis zu ihrem Ableben dort auch weiterhin ohne Genehmigung gehalten werden dürfen. Die bestehenden Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes zu invasiven Arten werden mit dem Gesetzentwurf an das neue System der EU-Verordnung angepasst. Schließlich wird auch im Jagdrecht eine ergänzende Regelung zur Mitwirkung der Jagdbehörden und Jäger beim Management von dem Jagdrecht unterliegenden invasiven Arten aufgenommen. Wir brauchen dieses Gesetz dringend, um die unmittelbar geltenden Regeln der EU-Verordnung vollziehen zu können. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Entwurf. 1*)  Es besteht kein Einvernehmen aller Fraktionen über die Aufsetzung dieses Zusatzpunktes. 2)  Ergebnis Seite 24936 D 3)  Ergebnis Seite 25013 D 4)  Anlage 2 5)  Anlage 3 6)  Anlage 4 7)  Anlage 5 8)  Anlage 6 9)  Anlage 7 10)  Anlage 8 11)  Anlage 9 12)  Anlage 10 13)  Anlage 11 14)  Anlage 12 --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 25126 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 243. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 243. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 29. Juni 2017 25127 Plenarprotokoll 18/243