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Parlament Trio-Erklärung der Parlamente unterzeichnet

Der Champagner blieb im Kühlschrank. Statt Umarmungen oder zumindest kräftiges Händeschütteln gab es nur ein schüchternes Winken in die Kamera. Die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung der Parlamente Deutschlands, Portugals und Sloweniens „zur Durchführung der Parlamentarischen Dimension der Trio-Ratspräsidentschaft der Europäischen Union“ fand am Montag, 29. Juni 2020, coronabedingt nur in abgespeckter Form als Videokonferenz statt. Im eher schmucklosen Kleinen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes hatten sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg, eingefunden. Ihnen waren der portugiesische Parlamentspräsident Eduardo Ferro Rodrigues aus Lissabon und der Präsident der slowenischen Nationalversammlung, Igor Zorcic, sowie der Präsident des slowenischen Nationalrates, Alojz Kovsca, aus Ljubljana zugeschaltet.

Beteiligung der Parlamente an Konferenz zur Zukunft Europas

In der Trioerklärung – Deutschland übernimmt den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft bis Ende 2020, dann folgt Portugal im ersten und Slowenien im zweiten Halbjahr 2021 – haben sich die Parlamente auf gemeinsame Vorhaben und Zielgrößen für die kommenden 18 Monate geeignet. Sie wollen unter anderem die EU wettbewerbs- und zukunftsfähiger machen und die Unterschiede nicht größer sondern kleiner werden lassen. Wichtig ist den Parlamentspräsidenten auch die angedachte Konferenz zur Zukunft Europas, an der die direkte Beteiligung der nationalen Parlamente garantiert werden müsse.

Unterstützt wird von den Parlamenten der Trio-Präsidentschaft der Versuch der EU-Kommission, mit einem Neuen Pakt zu Migration und Asyl einen Durchbruch bei der Reform des europäischen Asylrechts zu erreichen, wozu eine Hochrangige Konferenz zu Migration und Asyl in Europa vorgeschlagen wird. Thematisch dazu passend ist das Vorhaben, sich für Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent einzusetzen.

Schäuble: Müssen Regierungen drängen, Krise als Chance zu begreifen

Durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen stehe die Trio-Präsidentschaft vor ungewöhnlich schwierigen Herausforderungen, sagte Bundestagspräsident Schäuble im Gespräch mit den Parlamentspräsidenten. In Europa sei zur Bewältigung der Krise nicht nur die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen „sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten von besonderer Bedeutung“, befand Schäuble. Schließlich seien es die Parlamente, die ihre jeweiligen Regierungen dazu drängen sollten, die gegenwärtige disruptive Krise als Chance zu begreifen, „um Europa innovativer, resilienter, technologisch souveräner und nach außen geschlossen handelnd zu gestalten“.

Die Trio-Präsidentschaft, so der Bundestagspräsident, werde auch daran gemessen werden, „inwieweit wir in der Lage sind, in den nächsten 18 Monaten politische Initiativen gemeinsam voranzubringen“. Schäuble räumte ein, dass es in der Frage möglicher Vertragsänderungen keine einheitliche Position in dem Trio gebe. Er warb jedoch dafür, „offen über die verschiedenen Möglichkeiten und Ambitionen zu sprechen“.

Woidke: Bundesrat schaut auf Stärkung der Regionen und das Prinzip der Subsidiarität

Bundesratspräsident Woidke fand, dass Deutschland, Portugal und Slowenien „ein gutes Trio abgeben“. Und das aus mehreren Gründen: So sei Deutschland als EU-Gründungsmitglied von Anfang an dabei gewesen, Portugal im Rahmen der sogenannten Süd-Erweiterung in den 1980-er Jahren dazugekommen und schließlich Slowenien bei der großen Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufgenommen worden. „Wir bringen somit ganz vielfältige Hintergründe und Traditionen in die EU ein“, sagte Woidke. Zudem eine die drei Länder eine ganz wichtige Erfahrung: „Wir haben – wenn auch ganz unterschiedliche – undemokratische Systeme und Diktaturen überwunden und in Europa eine Heimat der Freiheit, des Rechts und der Demokratie gefunden.“

Ihm als Vertreter der 16 Bundesländer, so Woidke weiter, sei die regionale Verwurzlung Europas ein ganz besonderes Anliegen. „Wir als Bundesrat schauen ganz besonders auf die Stärkung der Regionen und das Prinzip der Subsidiarität“, sagte er. Dies tue man nicht nur in Deutschland, „sondern für die Regionen in ganz Europa“.

Rodrigues fordert „politische Weitsicht“

Portugals Parlamentspräsident Rodrigues betonte, die Trio-Erklärung formuliere die europäische Reaktion auf die Corona-Pandemie. Es stelle sich eine Querschnittsaufgabe für deren Bewältigung politische Weitsicht gefragt sei. Als wichtiges Ziel benannte der Ferro Rodrigues die Weiterführung der Freizügigkeit im Schengen-Raum.

Seinem Land, so der portugiesische Parlamentspräsident, seien schon bei der Finanzkrise 2007/2008 große Anstrengungen abverlangt worden. Es sei gelungen, die Finanzen zu konsolidieren, womit sich Portugal etwas Spielraum für die aktuelle Krise verschafft habe. Im Jahr 2019 habe man einen Haushalts-Überschuss erwirtschaftet. Noch im November 2019 habe die EU-Kommission Portugal für 2020 ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent vorhergesagt. Aktuell müsse aber von einem Minus von sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgegangen werden.

Je länger die Pandemie anhalte, umso größer seien die makroökonomischen Folgen, sagte Rodrigues. Der europäische Wiederaufbaufond könne dazu beitragen, gleiche Bedingungen für die Staaten zu schaffen.

Zorcic: Corona-Krise darf Erweiterungsprozess nicht ins Stocken bringen

Aus Sicht von Igor Zorcic, Präsident der slowenischen Nationalversammlung, verleiht die Einbeziehung der Parlamente den Entscheidungen der EU „mehr Legitimität“. Mit Blick auf die coronabedingte Kommunikation per Videokonferenz, sagte er, der Dialog mit moderner Technik sei besser als gar kein Dialog. Es sei richtig, dass in der Erklärung festgeschrieben sei, dass man die Nutzung digitaler Technologien vorantreiben wolle. Zorcic machte deutlich, dass Slowenien den Erweiterungsprozess der Länder des Westbalkans unterstütze. Die Corona-Krise dürfe diesen Prozess nicht in Stocken bringen, forderte er.

Kovsca: Westbalkan-Staaten derzeit „im Warteraum“

Der Präsident des slowenischen Nationalrates, Alojz Kovsca, fügte hinzu, diese Staaten würden derzeit im Warteraum sitzen. Es müsse ihnen ermöglicht werden, produktiv an Europa teilzunehmen. Kovsca zeigte sich überzeugt davon, dass die Länder des Westbalkans einen wichtigen Beitrag für die EU leisten könnten, etwa im Bereich der Ernährungssicherheit.

Nach Unterzeichnung der Erklärung – jeder für sich, jeder in seiner Hauptstadt - kam bei Wolfgang Schäuble ein bisschen Wehmut auf. „Wir hätten Sie alle gern hier in Berlin im Reichstagsgebäude begrüßt. Dann gäbe es jetzt Champagner“, sagte der Bundestagspräsident. (hau/29.06.2020)

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