Öffentliche Anhörung zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Zeit:
Mittwoch, 27. Mai 2020,
14 Uhr
bis
15.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400
Die Organisationen der Finanzanlagenvermittler und Finanzberater haben massiv gegen Pläne der Bundesregierung protestiert, die Aufsicht über die Branche von den Gewerbeämtern und Industrie- und Handelskammern auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu übertragen und damit zu zentralisieren. Der Bundesverband Deutscher Vermögensberater lehnte das Konzept am Mittwoch, 27. Mai 2020, in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses ab, weil es den Verbraucherschutz schwächen statt stärken würde. Die Belastung der Wirtschaft mit hohen Kosten würde zu erheblichen Verwerfungen führen und den Bürgern in der Folge Beratungsangebote entziehen.
Zentrale Aufsicht durch die BaFin
In der von der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) geleiteten Anhörung ging es um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/18794, 19/19364) und einen Entwurf der FDP-Fraktion (19/18861). Der Regierungsentwurf sieht vor, dass Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater künftig zentral von der BaFin beaufsichtigt werden.
Die bisherige zersplitterte Aufsichtsstruktur mit Industrie- und Handelskammern sowie Gewerbeämtern werde der zunehmenden Komplexität des Aufsichtsrechts und den Anforderungen an eine auf diesem Gebiet spezialisierte und wirksame Aufsicht sowie auch den Anforderungen des Anlegerschutzes nicht gerecht. Nach Ansicht der Bundesregierung wird es für die Vermittler nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung kommen. In dem FDP-Entwurf wird die Zentralisierung abgelehnt.
„Bedeutung der Wirtschaftsprüfer nicht berücksichtigt“
Der Bundesverband der Vermögensberater erläuterte, für die Überwachung der Finanzanlagenvermittler seien heute in erster Linie Wirtschaftsprüfer zuständig, deren Aufsichtsfunktion mit dem jährlichen Prüfbericht und Vor-Ort-Prüfungen weitreichend sei. Gewerbeämter und Industrie- und Handelskammern ließen sich die Berichte vorlegen und hätten die Möglichkeit, bei Unstimmigkeiten einzugreifen.
Im gesamten Gesetzentwurf werde diese Bedeutung der Wirtschaftsprüfer nicht berücksichtigt. Das sei ein gravierendes Versäumnis, das zu falschen Bewertungen führe. Andernfalls hätte die Frage aufgeworfen und beantwortet werden müssen, warum eine zentrale Bundesbehörde BaFin die laufende Aufsicht besser wahrnehmen könne als bestens qualifizierte Wirtschaftsprüfer vor Ort, argumentierte der Verband.
„Gewerberechtliche Aufsicht hat sich bewährt“
Auch der Verband unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa (Votum) hielt den Entwurf der Regierung für nicht geeignet, um eine Verbesserung des Verbraucherschutzes zu bewirken. Missstände in der Aufsichtsstruktur, die einen geplanten massiven Eingriff begründen würden, gebe es nicht.
Der Bundesverband Finanzdienstleistung erklärte, das System der dezentralen gewerberechtlichen Aufsicht habe sich über die letzten Jahre bewährt. Es gebe keinen erkennbaren qualitativen Grund, warum ein Wechsel erforderlich wäre. Die Organisation verwies zudem auf eine Stellungnahme des nationalen Normenkontrollrates, nach dessen Ansicht die Notwendigkeit der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin nicht in ausreichendem Maße begründet werden könne. Außerdem wurde für die Berater eine massive Kostensteigerung durch die Aufsichtszentralisierung prognostiziert.
„Erhebliche Kostensteigerungen und mehr Bürokratie“
Nach Angaben des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK) kommen durch den Aufsichtswechsel auf die Finanzanlagenvermittler erhebliche Kostensteigerungen und mehr Bürokratie zu. Gerade vor dem Hintergrund der enormen auch finanziellen Herausforderungen, die jetzt im Zuge der Corona-Krise entstünden, sollte der Mittelstand nicht noch mehr belastet werden. Von den 38.000 Finanzanlagenvermittlern seien rund 30.000 Kleingewerbetreibende.
Prof. Dr. Matthias Beenken (Fachhochschule Dortmund) sah die angebliche Qualitätsverbesserung der Aufsicht durch die Übertragung auf die BaFin „weder empirisch belegt noch überzeugend dogmatisch begründet. Im Gegenteil wird die Aufsichtsqualität jedenfalls in der Breite verschlechtert, weil nur noch anlassbezogene sowie stichprobenartige Überprüfungen vorgesehen werden“, argumentierte Beenken.
„Verbraucher bekommen einheitlichen Ansprechpartner“
Klar für die Übertragung der Aufsicht auf die BaFin sprachen sich die Verbände der deutschen Kreditwirtschaft aus. Nur die BaFin könne als zentraler Kompetenzträger für Wertpapieraufsichtsthemen der zunehmenden Komplexität des anwendbaren Aufsichtsrechts, insbesondere auch aufgrund des vornehmlich europäisch geprägten Kapitalmarktrechts, gerecht werden und dadurch eine einheitliche und wirksame Kontrolle aller Anbieter von Finanzinstrumenten bieten, erklärten die Bankenverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband bezeichnete die Bündelung der Aufsicht über den Vertrieb von Finanzanlagen bei der BaFin als einen notwendigen Schritt, der seit Langem überfällig sei. Die Verbraucher bekämen damit einen einheitlichen Ansprechpartner.
„Anpassung an Erfordernisse und Gegebenheiten“
Der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwalt Peter Mattil unterstützte die Position der Regierung. Die Maßnahme des Gesetzgebers sei nicht als Bestrafung für Missstände oder Skandale zu verstehen, sondern als Anpassung an Erfordernisse und Gegebenheiten der Finanzmärkte, die sich nicht örtlich, sondern national und zunehmend auch grenzüberschreitend abspielten. Die Situation der Finanzanlagenvermittler würde sich unter keinem Gesichtspunkt verschlechtern, erklärte der Anwalt.
Prof. Dr. Lars Klöhn (Humboldt-Universität Berlin) nannte die bisherige Aufsicht intransparent. Das werde sich verbessern, wenn die BaFin die Aufsicht übernehme. Die BaFin erläuterte ihre Vorbereitungen zur Übernahme der Aufsichtsfunktion. Aus dem vorhandenen Mitarbeiterstamm hätten sich 40 Mitarbeiter für den neuen Aufgabenbereich gemeldet, womit beim Start auf erfahrene Aufseher zurückgegriffen werden könne.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Laut Regierungsentwurf sollen Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater künftig zentral von der BaFin beaufsichtigt werden. Die bisherige zersplitterte Aufsichtsstruktur mit Industrie- und Handelskammern sowie Gewerbeämtern werde der zunehmenden Komplexität des Aufsichtsrechts und den Anforderungen an eine spezialisierte Aufsicht sowie auch den Anforderungen des Anlegerschutzes nicht gerecht, heißt es zur Begründung. Dem Entwurf zufolge sollen die bisherigen Regelungen in der Gewerbeordnung und der Finanzanlagenvermittlungsverordnung weitgehend in das Wertpapierhandelsgesetz übernommen werden.
Zu den Kosten der Umstellung heißt es, es werde Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 5,2 Millionen sowie ein laufender Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 36,4 Millionen Euro jährlich entstehen. Die betroffenen Unternehmen würden durch die Pflicht zur Zahlung einer Umlage sowie von Gebühren und Kosten an die Bundesanstalt mit rund 36,4 Millionen Euro jährlich belastet. Die einmaligen Kosten in Höhe von rund 5,2 Millionen müssten ebenfalls von den Beaufsichtigten getragen werden. Andererseits komme es bei den betroffenen Unternehmen zu Entlastungen durch den Wegfall bisheriger Aufsichtskosten, sodass es nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung kommt.
Stellungnahme des Normenkontrollrates
Der Nationale Normenkontrollrat erklärt in seiner Stellungnahme, eine nachvollziehbare und verständliche Darstellung des Ziels und vor allem der Notwendigkeit der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin sei nicht belegt. Auch habe sich das Bundesministerium der Finanzen nicht mit möglichen Regelungsalternativen auseinandergesetzt. Der Nationale Normenkontrollrat erinnert an eine Erklärung des Vertreters der BaFin in einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages am 6. Juli 2011. Der BaFin-Vertreter habe zur Frage, ob die Gewerbeaufsicht oder die BaFin der geeignete Aufseher sei, sehr deutlich gemacht, „dass eine dezentrale Lösung vorzuziehen ist“.
Auch die Wirtschaftsministerien von Hamburg und Baden-Württemberg sowie einige Verbände hätten angegeben, dass ihnen strukturelle Defizite bei der bisherigen Aufsicht durch die Industrie- und Handelskammern beziehungsweise die Gewerbeaufsichtsämter nicht bekannt seien. Selbst der Bundesregierung seien keine von Finanzanlagenvermittlern verursachte Schadensfälle bekannt. Der Bundesrat teilt in seiner Stellungnahme (19/19364) die Auffassung des Normenkontrollrats, dass sich die Bundesregierung nicht hinreichend mit möglichen Regelungsalternativen auseinandergesetzt hat – wie beispielsweise einer zweistufigen Lösung, die die BaFin und bisherige Aufsichtsbehörden einbezieht.
Die Bundesregierung erklärt dazu unter Verweis auf den Koalitionsvertrag, ihr Ziel sei eine einheitliche und hochwertige Finanzaufsicht. Dazu solle die Aufsicht über die freien Finanzanlagenvermittler schrittweise auf die BaFin übertragen werden, wodurch die organisatorische Zersplitterung der Aufsicht aufgehoben werde, „welche sich negativ auf deren Einheitlichkeit und Qualität sowie den Anlegerschutz auswirken kann“. Das Aufsichtsrecht werde nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Überlagerung mit europäischen Regelungen komplexer, argumentiert die Regierung.
Antrag der FDP
Die Bundesregierung soll nach dem Willen der FDP (19/18861) auf die geplante Zentralisierung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler bei der BaFin verzichten. Stattdessen solle sie die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung vollständig auf die Industrie- und Handelskammern übertragen. Sie solle ihr Augenmerk weniger darauf richten, den Vermittlern und Beratern ihr Leben zu erschweren. Vielmehr solle die Regierung die Attraktivität der Altersvorsorge und des Vermögensaufbaus steigern.
Die FDP-Fraktion begründet ihren Vorstoß damit, dass ein Großteil der Finanzanlagenvermittler gleichzeitig auch als Versicherungsvermittler tätig sei. Für die Aufsicht über Versicherungsvermittler seien seit 2007 bundesweit die Industrie- und Handelskammern zuständig. Eine Übertragung der Erlaubniserteilung für Finanzanlagenvermittler auf die Industrie- und Handelskammern würde eine unbürokratische und kostengünstigere Erlaubniserteilung ermöglichen, schreibt die Fraktion.
„Kein triftiger Grund für Zentralisierung der Aufsicht“
Sie weist außerdem darauf hin, dass die BaFin für die neue Aufgabe knapp 300 Beschäftigte einstellen müsste und dafür Personalkosten von rund 36 Millionen Euro anfielen. Es gebe auch keinen triftigen Grund für die Zentralisierung der Aufsicht. Auf eine Kleine Anfrage der FDP habe die Bundesregierung einräumen müssen, dass ihr keine Schadensfälle bekannt seien, die durch Finanzanlagenvermittler verursacht worden seien.
Zusammen mit weiteren Vorhaben der Bundesregierung im Versicherungsbereich wie der Einführung eines Provisionsdeckels sei zu konstatieren, dass sich die Finanzpolitik der Bundesregierung vor allem gegen freie und unabhängige Vermittler und Berater wende, schreibt die FDP. Dabei seien es ausgerechnet die freien und unabhängigen Vermittler und Berater, die eine qualifizierte Finanzberatung in die Fläche hineintrügen. (hle/27.05.2020)
Liste der Sachverständigen
- AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e. V.
- Prof. Dr. Matthias Beenken, Fachhochschule Dortmund
- Bundesverband Deutscher Vermögensberater e. V.
- Deutsche Kreditwirtschaft
- Prof. Dr. Lars Klöhn, Humboldt-Universität zu Berlin
- Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
- Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
- VOTUM, Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V.