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Ausschüsse

Cannabis

Zeit: Mittwoch, 27. Juni 2018, 14 bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Eine mögliche Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis ist unter Experten weiter heftig umstritten. Das zeigte sich bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Mittwoch, 27. Juni 2018, in Berlin, in der es um Anträge der Fraktionen von FDP (19/515) und Die Linke (19/832) sowie um einen Cannabis-Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/819) ging.

Die Befürworter einer Freigabe der Droge verwiesen, auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen, auf die aus ihrer Sicht gescheiterte Prohibition und die enormen Kosten für die Strafverfolgung. Andere Sachverständige warnten hingegen vor einer Suchtgefährdung insbesondere junger Leute und forderten eine restriktive Verbotspolitik. Psychiater verdeutlichten die Risiken des Cannabiskonsums und betonten, dass die möglichen Wirkungen der Droge noch nicht alle erforscht sind.

Anträge der Fraktionen

Die FDP-Fraktion schlägt in ihrem Antrag (19/515) vor, Modellprojekte für den freien Cannabiskonsum zu ermöglichen. Das Ziel müsse sein, die Verbreitung von Cannabis zu kontrollieren und den Gesundheits- und Jugendschutz in der Bevölkerung zu verbessern. Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/832), von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abzusehen, wenn es um bis zu 15 Gramm getrocknete Teile der Cannabispflanze oder äquivalente Mengen anderer Cannabiserzeugnisse oder bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum gehe. Zudem wäre eine staatlich kontrollierte Abgabe denkbar.

Die Grünen zielen mit ihrem Gesetzentwurf (19/819) darauf ab, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes zu lösen. Stattdessen sollte ein kontrollierter legaler Markt für Cannabis eröffnet werden mit einer staatlich regulierten Handelskette. Der Verkauf an Minderjährige wäre verboten, eine Cannabissteuer würde eingeführt.

Haucap: Die Nutzer besser schützen

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Justus Haucap argumentierte, mit der Freigabe von Cannabis könnte dem organisierten Verbrechen die Kontrolle über den Markt wirksam entzogen werden. So ließen sich Nutzer besser schützen, denn Cannabis sei heute auch für Jugendliche problemlos zu bekommen. Drogendealer hätten kein Interesse, Qualität zu verkaufen. Vielmehr würden den Drogen oft extrem schädigende zusätzliche Substanzen beigemischt.

Zudem wollten die Dealer ihren Kunden tendenziell härtere Drogen verkaufen, weil dies den Profit steigere. Dies könne dazu führen, dass Konsumenten zu anderen Drogen verleitet würden. Positive Nebeneffekte einer Freigabe wären Steuereinnahmen und Arbeitsplätze.

Thomasius: Belastungen berücksichtigen

Der Suchtforscher Prof. Dr. Rainer Thomasius erklärte hingegen, das Mehrsäulen-Konzept aus Prävention und Ausstiegshilfen habe sich bewährt. Deutschland verfolge im europäischen Vergleich einen erfolgreichen cannabispolitischen Kurs. Bei einer Legalisierung kämen auf die Gesellschaft enorme Belastungen zu durch konsumbedingte Notfallbehandlungen, Verkehrsunfälle und Suizide.

Auch der Schwarzmarkt würde fortbestehen. Zudem wären bei einer Freigabe der Droge vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien gefährdet, weil sie besonders leicht verführbar und suchtgefährdet seien.

Böllinger: Krieg gegen Drogen ist gescheitert

Der Rechtsexperte Prof. Dr. Lorenz Böllinger wandte ein, Cannabis sei heute leichter, in größeren Mengen und billiger zu haben als früher. Der „Krieg gegen Drogen“ sei gescheitert. Abschreckung und Prävention funktionierten nicht. Es sei somit ein Mythos, wonach das Betäubungsmittelgesetz die Volksgesundheit schütze. Vielmehr erzeuge das Gesetz erst den profitträchtigen Schwarzmarkt. Die Folge sei eine Kriminalisierung auch von Nichtkriminellen.

Hinzu kämen Kosten in Milliardenhöhe für die Strafverfolgung. Er forderte, die gesetzgeberische und verfassungsrechtliche Legitimation des Betäubungsmittelgesetzes zu prüfen. Verschiedene Experten hatten schon vor Jahren eine Enquete-Kommission zu den beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen des Drogenverbots gefordert.

Warnungen vor der Verharmlosung

Der Sachverständige Uwe Wicha, Leiter einer Klinik für Drogenrehabilitation, machte in der Anhörung anhand des Beispiels Alkohol deutlich, was eine Freigabe von Cannabis bewirken würde. Beim Alkohol könne auch nicht von einem kontrollierten Markt und einer sinnvollen Prävention gesprochen werden. Jugendliche sähen in Alkohol schon deswegen kein Problem, weil er legal sei. Das werde bei Cannabis genauso sein.

Auch ein Sprecher der Bundesärztekammer warnte vor der Verharmlosung dieses „hochkomplexen und hochproblematischen Stoffes“, der in immer höherer THC-Konzentration verfügbar sei. Bei einer Freigabe würde es außerdem zu einer riskanten Vermischung des illegalen und legalen Marktes kommen. Psychiater sehen in Cannabis eine problematische Droge, deren Auswirkungen auf die Psyche noch nicht vollständig erforscht sind. So sei nicht abschließend geklärt, ob der Cannabiskonsum auch Psychosen auslösen könne, erklärte der Psychiatrieverband DGPPN. Es sei weitere Forschung zu den Risikofaktoren für die psychopathologischen Wirkungen des Cannabiskonsums nötig.

Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer gibt es Hinweise auf mögliche Schäden insbesondere bei häufigem Cannabiskonsum junger Leute, so etwa Störungen der geistigen Entwicklung und in der Folge Schulprobleme. Der Verband verwies auch auf Wechselbeziehungen zwischen dem Cannabiskonsum und der Abhängigkeit von anderen Drogen wie Alkohol, Amphetaminen, Kokain und Nikotin.

Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen erklären in ihrem Gesetzentwurf die „Prohibitionspolitik“ für gescheitert. Cannabis sei weiter die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Mit dem Schwarzmarkt, auf dem auch verunreinigte Produkte angeboten würden, werde eine gesundheitliche Gefährdung der Konsumenten in Kauf genommen. Ihr Entwurf sieht vor, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes herauszunehmen und stattdessen einen strikt kontrollierten legalen Markt für Cannabis zu eröffnen, der sich wirksam überwachen ließe. Dazu müsse die gesamte Handelskette mit staatlich erteilten Erlaubnissen reguliert werden.

Der Verkauf an Minderjährige soll verboten sein. Um den Jugendschutz zu fördern, sollen neben der Altersgrenze von 18 Jahren ein Mindestabstand der Cannabisfachgeschäfte von Schulen und Jugendeinrichtungen, ein Werbeverbot sowie Zugangskontrollen eingeführt werden. Ferner sollen Cannabisgeschäfte zahlreiche Auflagen erfüllen im Hinblick auf Verkauf und Schulung des Personals. Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, soll ein Grenzwert für Cannabis eingeführt werden ähnlicher der Promillegrenze für Alkohol. Bei einem legalisierten Markt seien Steuereinnahmen zu erwarten. Die Grünen schlagen eine Cannabissteuer vor.

Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion spricht sich in ihrem Antrag dafür aus, Modellprojekte für den freien Cannabis-Konsum zu ermöglichen. Der Kampf gegen den Cannabis-Konsum durch Repression sei gescheitert. Es sei an der Zeit, auf wissenschaftlicher Grundlage neue Wege in der Suchtprävention bei Cannabis zu beschreiten. Das Ziel müsse sein, die Verbreitung von Cannabis zu kontrollieren und den Gesundheits- und Jugendschutz in der Bevölkerung zu verbessern.

Die Bundesregierung wird in dem Antrag aufgefordert, die Grundlage für die Genehmigung von Modellprojekten zur kontrollierten Abgabe von Cannabis als Genussmittel zu schaffen. Bisherige Antragsteller sollten aktiv unterstützt werden. Andere Länder und Kommunen, die ein solches Modellprojekt umsetzen wollten, sollten auch unterstützt und beraten werden.

Antwort der Bundesregierung

Wie die Bundesregierung in einer Antwort (19/310) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/181) mitteilte, haben bislang zwei Kommunen Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis als Genussmittel beantragt: Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Stadt Münster. Beide Anträge seien vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgelehnt worden. Grund sei jeweils ein Verstoß gegen den Schutzzweck des Betäubungsmittelgesetzes gewesen. Die Modellprojekte trügen weder zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung bei noch seien sie zur Verhinderung des Missbrauchs von Betäubungsmitteln sowie zur Verhinderung von Drogenabhängigkeiten geeignet, hieß es.

Der Bundestag hatte im Januar 2017 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/10902) beschlossen, der die reguläre Ausgabe von Cannabis als Medizin ermöglicht. Eine Legalisierung von Cannabis lehnte die Bundesregierung ab.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion plädiert im Umgang mit Cannabis zu einer Abkehr von der bisherigen Verbotspolitik. Die auf Verbote setzende Drogenpolitik sei ideologisch motiviert und gehe an der Lebensrealität vorbei. Das Ziel der Gesundheitsförderung der Bevölkerung könne nicht durch das Strafrecht erreicht werden, heißt es in ihrem Antrag, in dem für einen „progressiven Umgang mit Cannabiskonsum“ geworben wird.

So sollte von einer strafrechtlichen Verfolgung bei volljährigen Konsumenten abgesehen werden, wenn es um bis zu 15 Gramm getrocknete Teile der Cannabispflanze oder äquivalente Mengen anderer Cannabiserzeugnisse wie Marihuana oder Haschisch oder bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum gehe. Die durch die Entkriminalisierung freiwerdenden Mittel bei Polizei und Justiz sollten in die Prävention, Beratung und Behandlung sowie Schadensreduzierung umgeleitet werden.

Zudem sollten Möglichkeiten geprüft werden, wie legale Zugangsmöglichkeiten zu Cannabis geschaffen werden könnten, etwa über eine staatlich kontrollierte Abgabe, um die Entstehung von Schwarzmärkten und die damit verbundene organisierte Kriminalität und das Risiko gesundheitlicher Schäden durch mangelhafte Qualität einzudämmen. (pk/27.06.2018)

Liste der Sachverständigen

Verbände/Institutionen

  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
  • Drogenhilfe Köln gGmbH
  • GKV-Spitzenverband

Einzelsachverständige

  • Prof. Dr. Lorenz Böllinger, Deutscher Rechtswissenschaftler, emeritierter Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bremen
  • Dr. Konrad F. Cimander, Facharzt für Allgemeinmedizin, Suchtmedizin
  • Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V.
  • Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • Prof. Dr. Ursula Havemann-Reinecke, Universität Göttingen, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie
  • Dr. Eva Hoch, Leitung der Forschungsgruppe Cannabinoide des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin, Leitung der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin
  • Hans-Günter Meyer-Thompson, Arzt und Suchtmediziner
  • Maximilian Plenert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei sens media
  • Prof. Dr. Rainer Thomasius, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Ärztlicher Leiter des Suchtbereichs
  • Uwe Wicha, Leiter einer Klinik für Drogenrehabilitation
  • Hubert Wimber, Polizeipräsident a. D., Vorsitzender der LEAP Deutschland (Law Enforcement Against Prohibition Deutschland)
  • Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes



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