Wirtschaft

Kontroverse Aussprache um „echte Wirtschaftswende“

Die Unionsfraktion verlangt Unterstützung für die Wirtschaft vor allem durch Steuersenkungen. Der Bundestag hat am Freitag, 26. April 2024, heftig über ihre Steuerpläne gestritten, die von Koalitionsrednern als nicht gegenfinanziert kritisiert wurden. Die Koalition hingegen sieht eine Belebung der Wirtschaft, besonders in den Zweigen Industrie und Bau. Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Wirtschaftspolitischen Richtungsstreit der Bundesregierung beenden – Für eine echte Wirtschaftswende“ (20/11144) wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen und nicht direkt abgestimmt. Die Koalitionsmehrheit setzte dies gegen die Stimmen der Opposition durch, die die Federführung beim Finanzausschuss gesehen hätte.

CDU/CSU: Viele Unternehmen verlassen Deutschland

„Deutschland braucht die Wirtschaftswende, und zwar dringend“, forderte Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU). Er freue sich, dass auch die FDP das erkannt habe. In dem Antrag der Union seien viele von der FDP in ihrem Zwölf-Punkte-Programm erhobenen Forderungen enthalten. Wenn die FDP dem Antrag nicht zustimme, müsse man davon ausgehen, dass das Ganze nur Effekthascherei vor dem FDP-Parteitag sei, so Middelberg, der der Koalition eine desaströse Politik vorwarf. 

Er verwies auf das Heizungsgesetz und die Haushaltsprobleme. Viele Unternehmen würden den Standort Deutschland verlassen. Statt zu sparen und die Wirtschaft zu unterstützen, habe die Ampelkoalition sogar noch Steuern erhöht.

SPD: Das ist eine Erfolgsbilanz

Bernd Westphal (SPD) widersprach den Vorwürfen der Unionsfraktion, dass sich Arbeit angesichts hoher Sozialleistungen kaum noch lohne. Der Mindestlohn sei stärker erhöht worden als das Bürgergeld, erinnerte Westphal. 

Die Koalition habe in den letzten Jahren viel auf den Weg gebracht. Jetzt müssten die Weichen für Klimaneutralität bis 2045 gestellt werden. Das werde auch für Aufbruchstimmung sorgen. Westphal erinnerte an zahlreiche Unternehmensneuansiedlungen wie von Tesla, Intel und Northvolt: „Das ist eine Erfolgsbilanz.“

AfD: Unionsantrag ein Taschenspielertrick

Enrico Komning (AfD) sagte, eigentlich sei der Unionsantrag gar nicht so schlecht, „weil die Hälfte von uns abgeschrieben ist“. Vorwürfe richtete er an die Union, die dafür verantwortlich sei, dass „Deutschland den Bach runtergeht“. Es gebe eine bürgerliche Mehrheit im Bundestag, aber die Union errichte lieber Brandmauern gegen die AfD. 

Die AfD hingehen sei bereit, den Unionsantrag zu unterstützen, weil viele der Forderungen von der AfD stammten, wie zum Beispiel die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Reduzierung der Unternehmenssteuern und die Beseitigung der sogenannten kalten Progression im Einkommensteuertarif. 

Der Antrag der Union sei keine Wirtschaftswende, sondern ein „Taschenspielertrick“, sagte Komning.

Grüne: Deutsche Wirtschaft erholt sich

Dr. Sandra Detzer (Bündnis 90/Die Grünen) stellte mit Blick auf die jüngste Projektion der Bundesregierung fest, dass sich die deutsche Wirtschaft erholt und die Inflation unter der Zielmarke der Europäischen Zentralbank liegt. Auch in der Industrie und am Bau gehe es aufwärts. 

Aber man sei mittendrin in einem herausfordernden Wandel zur Klimaneutralität. Deshalb brauche man kein kurzfristiges Doping-Programm, sondern langfristig wirkende Maßnahmen. Die Union bediene hingegen „Retro-Phantasien“ wie zurück zur Atomkraft. Der versprochenen Steuersenkungen seien nicht gegenfinanziert.

FDP:  Wir sind unabhängig von Russland

Es gebe keinen Dissens innerhalb der Bundesregierung, widersprach Reinhard Houben (FDP) den Behauptungen der Unionsfraktion. Diese ignoriere in ihrem Antrag, dass die durch den Krieg in der Ukraine entstandenen Probleme abgemildert werden müssten. 

Die Energieversorgung sei inzwischen nicht nur sichergestellt, sondern auch umgestellt worden: „Wir sind unabhängig von Russland“, würdigte Houben.

Linke will mehr öffentliche Investitionen 

Die von der Union beantragte Begrenzung der Sozialabgaben würde Kürzungen bei den Sozialleistungen nach sich ziehen, was die Linke grundsätzlich ablehne, erklärte Jörg Cezanne (Gruppe Die Linke).

Die Unionsfraktion wolle nicht die Wirtschaft fördern, sondern eine Umverteilung von unten nach oben. Cezanne forderte stärkere öffentliche Investitionen.

Antrag der CDU/CSU

Die Unionsfraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, echte Entlastungen für Betriebe sowie Bürgerinnen und Bürger umzusetzen, um den Wirtschafts- und Investitionsstandort Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dazu gehöre, den Solidaritätszuschlag zumindest stufenweise zu streichen, die Steuern auf einbehaltene Gewinne auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von 25 Prozent zu senken, den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum in gleichem Umfang wie das Bürgergeld anzuheben und Arbeitsanreize für Mehrarbeit zu setzen. Dafür sollten Steuervorteile für geleistete Überstunden eingeführt werden.

Darüber hinaus verlangen die Abgeordneten, die sogenannte „kalte Progression“ im Einkommensteuertarif für die Jahre 2025 und 2026 auszugleichen. Die Vermittlungsbemühungen der Jobcenter sollten gestärkt werden, bei verweigerter Arbeitsannahme im Bürgergeldbezug härtere Sanktionen eingeführt werden. Die Hinzuverdienstregeln im Bürgergeld will die Fraktion im Zusammenspiel mit Kinderzuschlag und Wohngeld leistungsgerechter gestalten. Schließlich solle das nationale Lieferkettengesetz bis zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie in deutsches Recht ausgesetzt werden. (hle/eis/vom/26.04.2024)

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