Parlament

Medienpreis Parlament für Jo­hannes Leit­häu­ser und Matt­hias Wyssuwa

Wie hängt eine Werft in der ostdeutschen Provinz mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin zusammen und was hat der Streit über Rüstungsexporte mit den Sorgen in Vorpommern zu tun? Die Antwort auf diese Fragen haben Johannes Leithäuser und Matthias Wyssuwa am Samstag, 3. Februar 2018, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) veröffentlicht. Ihre Geschichte über „große Politik und die ganz kleine“ ist jetzt mit dem Medienpreis Parlament 2019 des Deutschen Bundestages belohnt worden. Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble überreichte die Urkunde des mit 5.000 Euro dotierten Preises den beiden FAZ-Korrespondenten am Mittwoch, 20. März 2019, im Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes.

Rüstungsexporte und eine Werft in Vorpommern

Vier Frauen und zwei Männer sitzen auf einem Podium nebeneinander.

Jury-Vorsitzende Claudia Nothelle, Moderatorin Anita Fünffinger, Wolfgang Schäuble, Nominierte Heike Faller, Matthias Wyssuwa, Karin Dohr auf dem Podium während der Verleihung des Medienpreises Parlament 2019 (© DBT/Melde)

„Frust und Frieden“ lautet der Titel des preisgekrönten Beitrags. Die ostdeutsche Werft ist die Peene-Werft in Wolgast, die Patrouillenboote für Saudi-Arabien baut und von einem Satz in der Sondierungsvereinbarung im Zuge der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD überrascht wird, der da lautet: „Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind.“  Die Autoren schildern, wie der Konflikt zwischen moralischen Prinzipien einerseits und dem Erhalt von Arbeitsplätzen in einer strukturschwachen Region andererseits die Politik in Bund, Land und Kommunen zu spalten droht. Sie zeichnen die Geschichte der Werft nach und lassen den Betriebsratsvorsitzenden, den Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns, den Bürgermeister und einen Kommunalpolitiker der Linken zu Wort kommen.

Es sei ihnen um die Darstellung gegangen, „wie Politik auf mehreren Ebenen funktioniert“, sagte Matthias Wyssuwa, der bereits 2016 für den Medienpreis nominiert war. Die beiden Autoren zeigten, urteilte die Vorsitzende der Medienpreis-Jury, Prof. Dr. Claudia Nothelle, in ihrer Laudatio, dass Politik und gesellschaftliches Handeln „eben nicht nur schwarz oder weiß ist“. Aufgabe des Journalismus sei es, hinzuschauen, zu schildern, zu erklären, die Welt nachvollziehbar, aber nicht einfacher zu machen.

Die AfD-Neulinge im Deutschen Bundestag

Nominiert für den Preis waren darüber hinaus zwei weitere der insgesamt 52 eingereichten Beiträge, an denen 58 Autoren und 56 Autorinnen beteiligt waren, wie der Bundestagspräsident eingangs mitteilte. Die Fernsehkorrespondentinnen Karin Dohr und Marie-Kristin Boese vom ARD-Hauptstadtbüro gingen in ihrer Reportage mit dem Titel „Protest und Provokation – die AfD im Bundestag“ der Frage nach, wie sich die ersten Gehversuche der AfD-Bundestagsabgeordneten als Neulinge auf dem parlamentarischen Berliner Parkett gestalteten.

 In dem am Montag, 16. April 2018, erstmals im ARD-Fernsehen ausgestrahlten Beitrag kommen die beiden zum Schluss, dass die AfD ihre Arbeit „weitgehend abseits der großen Aufmerksamkeit“ begonnen hat, während sich die Aufmerksamkeit der Medien vor allem dem mühevollen Ringen um eine Regierungsbildung widmete. Dabei liefern sie nicht nur rhetorische Kostproben des Spitzenpersonals der Fraktion ab, sondern dokumentieren auch, wie deren Auftreten von namhaften Vertretern der anderen Fraktionen wahrgenommen wird. Karin Dohr sagte, die AfD sei „eine Art Stresstest im Parlamentarismus“. Anita Fünffinger vom ARD-Hauptstadtstudio, Mitglied der Medienpreis-Jury, berichtete, dass sich viele der eingereichten Beiträge mit dem Thema AfD befasst hätten.

Auf den Spuren der „Lobbykratie“

Der dritte nominierte Beitrag erschien am Freitag, 9. November 2017, im „Zeit-Magazin“. House of Cars? ist der Beitrag der „Zeit“-Redakteurin Heike Faller überschrieben. Ihre Frage lautete: „Bankenkrise, Dieselskandal, verflochtene Hauptstadt-Eliten: Viele Bürger glauben, dass in Deutschland die Demokratie längst einer Lobbykratie gewichten ist. Zu Recht?“ Die Autorin spürt den Mechanismen des Lobbyismus nach, will herausfinden, wie Interessenvertreter in Berlin und Brüssel die Fäden ziehen, um Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen: „Wie funktioniert eigentliche diese Mechanik der Macht, durch die sich am Ende die Wirtschaft auf Kosten des Gemeinwohls durchsetzt?“ Dazu lässt sie Abgeordnete, Fraktionsmitarbeiter und Politikwissenschaftler zu Wort kommen.

Am Ende der Recherche sei sie überzeugter gewesen, dass sich Volkes Wille in Gesetzgebung übersetzt. Die Leute wollten saubere Luft, eine funktionierende Autoindustrie und „dicke Autos“, alles gleichzeitig. „Die Luft ist sauberer geworden“, sagte sie. Man könne sehen, dass „wir nicht allein im Griff von Wirtschaftsinteressen sind“.

Schäuble: Augenmerk auf den Faktencheck richten

„Der Medienpreis soll die kritisch wachsame Beziehung zwischen Bundestag und Journalismus fördern“, sagte Wolfgang Schäuble eingangs. „Größte Sorge“ sei es, dass Medien nicht mehr vertraut werde, wenn von „Lügenpresse“ und „Wahrheitsverdrehung“ die Rede sei. Der Journalismus müsse sein Augenmerk noch mehr auf den „Faktencheck“ richten, die Überprüfung von Informationen gehöre zum journalistischen Handwerkszeug.

Wichtig sei festzustellen, dass die allermeisten Journalisten nicht gegen journalistische Grundsätze verstoßen. Die für den Medienpreis nominierten Beiträge zeigten, wie gut der Journalismus in Deutschland sei. Schäuble zeigte sich zuversichtlich, dass die Medien auch künftig einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Demokratie leisten werden.

Unabhängige Jury entscheidet

Seit 1993 vergibt der Bundestag den Medienpreis. Bis im vergangenen Jahr lautete die Bezeichnung „Medienpreis Politik“, seit diesem Jahr heißt er „Medienpreis Parlament“. Mit dem Preis würdigt der Bundestag hervorragende publizistische Arbeiten – sei es in Tages- oder Wochenzeitungen, in regionalen oder überregionalen Medien, in Printmedien, Online-Medien oder in Rundfunk und Fernsehen –, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen. Von 1993 bis 1996 und seit 2006 wurde der Preis jährlich vergeben, dazwischen nur in den Jahren 1999, 2001 und 2003.

Wer nominiert wird und wer den Preis schließlich erhält, entscheidet eine siebenköpfige unabhängige Jury. Ihr gehören derzeit an: Anita Fünffinger (ARD-Hauptstadtstudio/Bayerischer Rundfunk), Daniel Goffart (Magazin „Focus“), Torsten Kleditzsch (Freie Presse Chemnitz), Rainer Meyer („Die Welt“), Prof. Dr. Claudia Nothelle (Hochschule Magdeburg-Stendal, Jury-Vorsitzende), Bettina Schausten (ZDF-Hauptstadtstudio) und Marc Felix Serrao (Neue Zürcher Zeitung). Die eingereichten Arbeiten müssen in einem Presse-, Radio-, Fernseh- oder Onlinemedium seit dem Bewerbungsschluss des letzten Vergabeverfahrens publiziert worden sein. (vom/20.03.2019)  

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