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Recht

Sterbebegleitung zwischen Verbot und Liberalisierung

Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. Juli 2015, intensiv über eine mögliche Regelung zur Sterbehilfe debattiert. Im Mittelpunkt der möglichen Regelung steht dabei die Frage nach dem assistierten Suizid, das heißt, wer Sterbewilligen unter welchen Umständen helfen darf. Eine aktive Sterbehilfe, also eine Tötung auf Verlangen, wird aktuell nicht diskutiert. Bereits im November 2014 hatten die Abgeordneten in einer teils emotionalen Orientierungsdebatte über die Sterbebegleitung gesprochen. In der aktuellen Diskussion ging es nun um vier Gesetzentwürfe, die von fraktionsübergreifenden Gruppen im Bundestag eingebracht wurden. Die Bandbreite reicht von einem strafbewehrten Komplettverbot der Anstiftung und Beihilfe zum Suizid für Ärzte, Sterbehilfevereine und auch Angehörige bis hin zu einer positivrechtlichen Liberalisierung der Hilfe zur Selbsttötung.

Das Verbot fordert ein Gesetzentwurf (18/5376) von Prof. Dr. Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger (beide CDU/CSU) sowie 33 weiteren Unterzeichnern. Am anderen Ende des Spektrums steht ein Entwurf (18/5374) von Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU/CSU), Dr. Carola Reimann (SPD) sowie 105 weiteren Abgeordneten, der darauf abzielt, durch eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch die Suizidbeihilfe für Ärzte zu ermöglichen und zu regeln. Voraussetzung dafür soll eine irreversible, tödliche Krankheit sein, deren voraussehbare Leiden ein Patient durch einen Suizid abwenden möchte.

„Straffreiheit von Beihilfe festschreiben“

Ein Vorschlag (18/5375) von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Petra Sitte (Die Linke) sowie 51 weiteren Unterzeichnern sieht vor, die seit 1871 geltende Straffreiheit von Beihilfe zum Suizid positivrechtlich festzuschreiben. Davon umfasst sein soll auch die Beihilfe sowohl durch Ärzte, die aktuell in vielen Ärztekammern durch Standesrecht untersagt ist, als auch durch Organisationen und Vereine, sofern sie keine kommerziellen beziehungsweise gewerbsmäßigen Absichten verfolgen. Der Vorschlag sieht nicht vor, auf bestimmte Krankheitskriterien abzustellen.

Der nach Zahl der Unterzeichner bisher am stärksten unterstützte Vorschlag (18/5373) wurde von Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD) sowie 208 weiteren Abgeordneten vorgelegt. Vorgesehen ist, die geschäftsmäßige Suizidassistenz durch Ärzte, Einzelpersonen oder Organisationen unter Strafe zu stellen, ganz gleich ob mit kommerzieller oder nichtkommerzieller Absicht. Nur in Einzelfällen beziehungsweise durch Angehörige oder dem Sterbewilligen nahestehende Personen soll die Hilfe zur Selbsttötung wie auch bisher erlaubt bleiben.

Gegen ein „Sonderrecht für Ärzte“

Michael Brand warb für den von ihm miterarbeiteten Entwurf als „Weg der Mitte“. Er sorge dafür, dass die geschäftsmäßige Sterbehilfe ausgeschlossen werde. „Nicht mehr und nicht weniger“, betont Brand. Er sagte, die Debatte habe schon jetzt dazu geführt, das Thema Tod aus der Tabuzone zu holen. Kerstin Griese lehnte mit Blick auf die Entwürfe der Gruppen um Hintze-Reimann beziehungsweise Künast-Sitte ein „Sonderrecht“ für Ärzte ab, betonte zugleich aber, dass mit ihrem Vorschlag der ärztliche Spielraum, etwa hinsichtlich der passiven Sterbehilfe, erhalten bleibe.

Eine „Normalisierung“ des assistieren Suizids durch Vereine und Organisationen sowie Ärzte sei abzulehnen, da so möglicherweise Druck auf verzweifelte Menschen ausgeübt werden würde. Griese sprach sich wie auch andere Unterstützer dieses Gesetzentwurfes aber gegen ein Komplettverbot der Suizidbeihilfe aus.

„Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten schaffen“

Die Unterstützer der Gruppen-Gesetzentwürfe um Hintze-Reimann beziehungsweise Künast-Sitte wiederum kritisierten am Brand-Griese-Entwurf, dass dadurch Ärzte strafrechtliche Ermittlungen fürchten müssten. Peter Hintze sprach sich für die von ihm mitausgearbeitete Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch aus, um Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten zu schaffen und die Mediziner vor Sanktionen nach dem Standesrecht zu schützen. Durch Strafandrohungen würde das Arzt-Patientenverhältnis zerstört.

Der Christdemokrat betonte, dass Menschen selbstbestimmt lebten und auch im Sterbeprozess selbst entscheiden können sollten. „Wir wollen nicht, dass sich ein verzweifelter Todkranker aus dem Fenster stürzen muss“, sagte Hintze. Mitunterstützerin Carola Reimann betonte, dass eine Regelung, die Ärzten Rechtssicherheit gebe, den unerwünschten Sterbehilfevereinen die Existenzgrundlage entziehe. Auch müsse niemand mehr ins Ausland fahren, um sein Leben zu beenden.

Ergebnisoffene Beratung durch Vereine und Mediziner

Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, dass Menschen in großer Not nicht geholfen wäre, wenn deren Situation durch „lauter Paragrafen“ eingegrenzt werde. Sie warb dafür, dass auch Menschen, deren Erkrankung nicht zeitnah zum Tode führe, sich durch Vereine und Mediziner ergebnisoffen beraten sollten lassen können. Petra Sitte warb ebenfalls dafür, Menschen die Möglichkeit zur Suizidassistenz einzuräumen: „Unsere Gesellschaft betont individuelle Verantwortung. Warum sollt das beim Sterben aufhören?“ Dazu gehöre auch das Wirken von Sterbehilfe-Vereinen, solange sie nicht gewerbsmäßig agierten und uneigennützig und ergebnisoffen berieten.

Patrick Sensburg sprach sich hingen für ein vollständiges Verbot der Hilfe zur Selbsttötung aus. Die Beihilfe zum Suizid enthalte als Handlung einen Unwertgehalt. „Es ist keine humanitäre Tat, einem Menschen dabei zu helfen, sich umzubringen“, sagte Sensburg. Vielmehr wäre es eine humanitäre Tat, gemeinsam die letzte Lebensphase zu durchleiden. Nur durch ein Verbot könne grundsätzliche Klarheit geschaffen werden. Hilfe bei der Selbsttötung wäre in „besonderen Ausnahmefällen“ weiterhin straffrei. Diese sollten aber nicht zu einer allgemeinen Regelung gemacht werden.

„Regelung im Strafgesetzbuch nötig“

Thomas Dörflinger verwies auf die Entwicklungen in den Niederlanden oder Belgien, in denen die Sterbehilfe inzwischen in zahlreichen Fällen angewandt werden kann. Diese Entwicklung müsse vermieden werden, ein Verbot der Suizidassistenz sei daher notwendig. „Damit die Tür zu bleibt, ist eine Regelung im Strafgesetzbuch nötig“, sagte Dörflinger.

Grundsätzlich einig waren sich die Abgeordneten darin, dass die Palliativ- und Hospizversorgung gestärkt werden müsse. Die Gesetzentwürfe wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz findet voraussichtlich am Mittwoch, 23. September 2015, statt. (scr/02.07.2015)

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