Ausweitung der Meisterpflicht
Berlin: (hib/FLA) Die Meisterpflicht soll wieder auf mehr Handwerksberufe ausgedehnt werden. Außer dem Vertreter der Monopolkommission waren sich darin alle Sachverständigen bei einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Mittwoch einig. Der Sitzung unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) lagen Anträge der Oppositionsfraktionen zugrunde. 2004 war die Zahl der Handwerke, für die ein Meisterbrief verpflichtend ist, eingeengt worden.
Professor Martin Burgi (Ludwig-Maximilians-Universität München) hob hervor, dass es nicht um Pauschallösungen gehe, sondern um das jeweils betroffene einzelne Handwerk. Aus europarechtlicher Sicht könne nicht für alle Gewerke wieder die Meisterpflicht vorgegeben werden. Sobald der Gesetzgeber vom Meisterbrieferfordernis überzeugt sei, könnten nach Burgis Ansicht die notwendigen Änderungen in der Handwerksordnung mit vergleichsweise geringem legislatorischem Aufwand in Gang gesetzt werden.
Professor Kilian Bizer (Georg-August-Universität Göttingen) beschrieb als mögliche positive Seiten der Reform von 2004 einen stärkeren Wettbewerb für Verbraucher und eine Erleichterung der Gründungstätigkeit. Negativ sei die Wirkung auf Ausbildung und durchschnittliche Qualifikation der Betriebsinhaber gewesen. Die Wiedereinführung der Meisterpflicht sei eine Maßnahme zur Steigerung der Qualifikationstätigkeit im Handwerk und daher zu befürworten.
Holger Schwannecke (Zentralverband des Deutschen Handwerks - ZDH) befand, dass eine Modernisierung der Handwerksordnung durch die Wiedereinführung der Meisterpflicht weder aus verfassungs- noch aus europarechtlicher Sicht problematisch sei. Seit der Reform hätten sich die Wirtschaft insgesamt und auch das Handwerk nachhaltig verändert. So sei die Arbeitslosenquote von 10,5 (2003) auf 4,7 Prozent (2018) gesunken. Er sei dankbar für die Initiative der Bundesregierung, jetzt gegenzusteuern.
Professor Justus Haucap (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) verwies darauf, dass die Bestandfestigkeit von Betrieben mit auch nach 2004 weiter bestehender Meisterbriefpflicht höher sei als in den Handwerken ohne diese Pflicht. In diesen Fällen könnten erst später festgestellte Mängel nicht mehr als Garantieleistung behoben werden. Überdies gingen damit Risiken für Auszubildende einher, die eine mehrjährige Ausbildung anstreben.
Helmut Dittke (IG Metall) meinte, die Deregulierung der Handwerksberufe 2004 habe zu massiven Marktverwerfungen geführt und sei ein Grund für den heutigen Fachkräftemangel. Es gelte, jetzt umfassende Lösungsansätze zu erarbeiten, die das Handwerk wieder zukunftsfest machten. Dazu würden mitgliederstarke Gewerkschaften, Innungen und Verbände im Handwerk gebraucht. Der Wettbewerb müsse in Zukunft wieder über die Qualität und nicht über den niedrigsten Preis ausgetragen werden. Die Situation vieler prekärer Solo-Selbständiger müsse betrachtet werden.
Olaf Behrends (Handwerkskammer Dresden) machte klar, das Handwerk fordere unter Beachtung eines Bestandsschutzes die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei den zulassungsfreien Handwerksberufen. Dabei sollten neben der Gefahrengeneigtheit der konkreten handwerklichen Tätigkeit und der Ausbildungsleistung auch Aspekte des Verbraucherschutzes (Gewährleistungen), der Altersvorsorge der Betriebsinhaber und Schutz und Bewahrung der handwerklichen Kulturgüter in die Beurteilung einbezogen werden.
Professor Friedrich Hubert Esser (Bundesinstitut für Berufsbildung - BIBB) unterstrich, geprüfte Meister im Handwerk seien nicht nur qualifiziert auf eine Existenzgründung vorbereitet. Mit ihrem Handwerk beherrschten sie ein komplexes Wissensgebiet in systematischer Art und Weise. Der Meister sei Garant einer hochwertigen Berufsausbildung in Deutschland, da die Meisterprüfung auch die Ausbildereignungsprüfung beinhalte.
Anna Dollinger (Deutscher Gewerkschaftsbund) erklärte, der deutsche Meisterbrief sei ein Qualitätssiegel. Der DGB begrüße daher die Wiedereinführung der Meisterpflicht in den jetzt zulassungsfreien Betrieben. Doch könne das nur ein Baustein in einem größeren ordnungspolitischen Zusammenhang sein. Dazu zähle die Erhöhung der Tarifbindung. Sie gelte im Handwerk nur noch für 30 Prozent der Beschäftigten.
Klaus Holthoff-Frank (Monopolkommissionon) sprach sich gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht aus. Die beiden wesentlichen Argumente - Sicherung einer hohen Qualität der angebotenen Leistungen und Gewährleistung der Ausbildungsleistung - könnten nicht überzeugen. Es bleibe die Möglichkeit, den Meisterbrief freiwillig zu erwerben, etwa um den Kunden durch die zusätzliche Qualifikation eine besondere Qualität zu signalisieren.
Die AfD-Fraktion macht sich in ihrem Antrag (19/4633) für die Wiedereinführung der Meisterpflicht stark. Ihre Abschaffung in zahlreichen Berufen habe zu Nachteilen für das deutsche Handwerk und die Volkswirtschaft geführt. Statt der beabsichtigten erhöhten Beschäftigungsquote sei es zu gravierenden Fehlentwicklungen gekommen, die einer Revision bedürften.
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/6415) die Bundesregierung auf, die Folgen der abgeschafften Meisterpflicht in zahlreichen Handwerksberufen zu überprüfen. Für bereits bestehende Betriebe, für die nach derzeitiger Gesetzeslage kein Meisterabschluss notwendig ist, solle es Bestandsschutz geben.
Die Linksfraktion verlangt in ihrem Antrag (19/10154) von der Bundesregierung, sie solle Kern-Parameter wie Umsatz, Löhne und Beschäftigtenzahlen umfassend qualitativ und quantitativ evaluieren. Auf dieser Basis solle bei Handwerken, bei denen es sachlich geboten und rechtlich möglich erscheint, der verpflichtende Meisterbrief wieder eingeführt werden.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fächert in ihrem Antrag (19/10628) ein Bündel an Maßnahmen zur Stärkung des Handwerks auf - von Steuerboni bei energetischer Sanierung bis Entlastung bei Strompreisen. Das Handwerk brauche gut qualifizierte Fachkräfte und attraktive Rahmenbedingungen, die umweltfreundliches und sozial verantwortliches Unternehmertum fördern.