„IPS hat sich als wahres Erfolgsprogramm etabliert“
Das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) des Deutschen Bundestages hat sich als „wahres Erfolgsprogramm“ etabliert, betont der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen, langjähriger Berichterstatter für internationale Austauschprogramme in der Kommission des Ältestenrates für innere Angelegenheiten. In dieser Funktion besuchte Börnsen kürzlich Kasachstan. In einem am Montag, 14. Februar 2011, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ unterstreicht Börnsen, dass 120 Hochschulabsolventen aus 28 Ländern als IPS-Stipendiaten Jahr für Jahr für fünf Monate das deutsche politische System kennenlernen und anschließend als „Parlamentsbotschafter“ langfristig dazu beitragen, die beiderseitigen Beziehungen - etwa mit Kasachstan - zu fördern.
Herr Börnsen, Sie haben gerade in Kasachstan an der Auswahl der Teilnehmer für das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) teilgenommen. Bringen solche Programme überhaupt etwas?
Ich darf Ihnen das Fazit einer kasachischen Stipendiatin nach ihrem Deutschlandaufenthalt entgegenhalten: „Ich fand es sehr schön, dass Gegenmeinungen in Deutschland“, schreibt Akmara Imankulowa, „ausgesprochen und angehört werden, dass jeder Bürger berechtigt ist, ohne jegliche Erlaubnis als Besucher bei einer Plenarsitzung zu sein... Das Volk ist sich stets im Klaren, worüber im Reichstagsgebäude diskutiert wird.“
Führt so viel Aufklärung im politischen Kasachstan nicht zu Irritationen?
Wir haben eine Handvoll begeisterter, junger Menschen für das fünfmonatige Praktikum in Berlin ausgesucht. Wir, das ist ein Auswahlgremium aus Deutschen und Kasachen, in dem jeder sehr engagiert mitmacht.
Hat das Ganze wirklich mehr als Alibifunktion?
Alibifunktion? Unser IPS-Programm, das seit 25 Jahren besteht, hat sich als wahres Erfolgsprogramm etabliert. 120 Hochschulabsolventen aus 28 Ländern, die Jahr für Jahr das deutsche System mit seiner einmaligen „Parlamentswerkstatt“ kennenlernen, sind danach nicht nur zu Vergleichen mit den eigenen Verhältnissen fähig. Sie werden mit Sicherheit als „Parlamentsbotschafter“ langfristig dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan zu fördern, die demokratischen Werte zu festigen, zu vertiefen.
Welche Stimmung haben Sie im Lande und in Gesprächen mit Abgeordneten festgestellt?
Erleichterung und Optimismus, seit der Unabhängigkeit dieses Landes von der Sowjetunion 1991. Der wirtschaftliche Aufschwung dokumentiert sich in Wachstumsraten bis zu zehn Prozent. Selbst 2009 während der Finanzkrise, die auch vor diesem Land nicht Halt machte, wurden noch 1,9 Prozent ermittelt.
Womit im Einzelnen?
Zunächst mit den reichen Rohstoffvorkommen; Öl und Gas, Gold, Eisenerz, Uran. Sowie dem Reichtum an wertvollen Erden wie Chrom, Fluor, Eisen, Kupfer, Kohle. Dessen ungeachtet versucht die kasachische Regierung, mit einem eigenen Entwicklungsplan die Wirtschaft bis zum Jahr 2020 breiter aufzustellen - schon um die Abhängigkeit des Landes von den Rohstoffen zu verringern.
Eine Chance für die deutsche Wirtschaft?
Eine erhebliche, wie mehr als 800 dort ansässige deutsche Firmen verdeutlichen. Kasachstan ist für unser Land nicht nur der viertgrößte Erdölexporteur mit sieben Millionen Tonnen; das Handelsvolumen betrug 2010 auch schon fünf Milliarden Euro.
Wirtschaftlich geht es aufwärts - politisch auch? Was ist mit Präsident Nursultan Nasarbajew?
Er hält das Land mit seinen mehr als 130 ethnischen Gruppen, 40 Religionen sowie zahlreichen asiatischen Minderheiten zusammen.
Mit eiserner Faust?
Mit starker Führung. Kasachstan ist innenpolitisch stabil.
Stabil oder von Grabesstille erfüllt?
Es stimmt schon, dass Nichtregierungsorganisationen den autoritären Regierungsstil kritisieren und einen restriktiven Umgang mit demokratischen Rechten anmahnen, und tatsächlich hat Kasachstan seine Teilnahme in Oslo bei der Verleihung des Friedensnobelpreises für den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo abgesagt. Andererseits sind Meinungs- und Religionsfreiheit in der Verfassung verankert. Seit 2004 wird im Lande die Todesstafe ausgesetzt; für etliche Verbrechen wurde sie ganz abgeschafft. Und gerade jetzt hat sich der Präsident der Entscheidung des Verfassungsrats zur Frage von Neuwahlen gebeugt, die er selber an das höchste Gremium zwecks Überprüfung der Verfassungskonformität weitergeleitet hatte. Er oder vielleicht mehr noch seine Unterstützer wollten, dass sich der Präsident per Volksreferendum bis 2020 im Amt bestätigen lassen sollte, womit die Wahlen 2012 und 2017 ausgefallen wären. Nach dem negativen Bescheid hat Nasarbajew Neuwahlen noch für dieses Jahr angekündigt.
Wahlen oder Scheinwahlen?
Auf jeden Fall überprüfbare. Nein, das Land ringt um Anerkennung. Außenpolitisch macht sich Kasachstan als Fürsprecher der globalen Atomabrüstung einen Namen, wiewohl das Land mit Kanada und Australien zu den größten Erzeugern von Uran gehört. Nasarbajew wurde auf dem Atomsicherheitsgipfel im April 2010 von Barack Obama wie von Ban Ki-Moon für sein konsequentes Engagement bei der Nichtverbreitung gelobt. Seine Motivation rührt aus den Erfahrungen, die sein Land durch die Atomwaffentests der Sowjets auf kasachischem Boden machen musste. Noch heute leiden Menschen unter den Folgen.
Haben Sie das Gefühl, dass sich Deutschland seiner wichtigen Rolle in dem Riesenland östlich des Kaspischen Meeres bewusst ist?
2008 stattete Bundespräsident Horst Köhler dem Land einen Staatsbesuch ab; Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte es sogar zweimal: zum Wirtschaftsforum in Astana und zum OSZE-Gipfel 2010. Zu den wichtigsten bilateralen Vereinbarungen gehören das Landetransitabkommen für Transporte der Bundeswehr nach Afghanistan, die Erklärung zur Innovations- und Investitionspartnerschaft, das Abkommen für die Deutsch-Kasachische Universität in Almaty und die wechselseitigen Begegnungen: 2009 zum „Kasachstan-Jahr“ in Deutschland und 2010 während des „Deutschland-Jahres“ in Kasachstan.
Das verwundert.
Nicht, wenn man weiß, dass es eine historische Verbindung nach dort gibt. In den 1930er Jahren wurden 800.000 deutschstämmige Sowjetbürger nach Kasachstan umgesiedelt. Davon leben noch 180.000 dort; der Rest ging zurück nach Russland oder kam nach Deutschland.
Wie geht es weiter?
Mit einem weiteren Zitat von IPS-Stipendiatin Natalya Klauzer: „Ich kann mir eine berufliche Zukunft im Bereich der deutsch-kasachischen Zusammenarbeit ... gut vorstellen. Das IPS hat mir das nötige Rüstzeug verschafft...“
Und doch hat die kasachische Regierung gerade ihren Fremdsprachenschwerpunkt aufs Englische verlegt.
Eine Herausforderung für IPS und das Goethe-Institut.
(kt)