„Wir wollen frühzeitig informiert werden“
Der Unterausschuss „Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung“ ist einer von vier Unterausschüssen des Auswärtigen Ausschusses. Gemeinsam mit zwei weiteren Unterausschüssen trat das neunköpfige Gremium am 26. September öffentlich in Erscheinung, als es in einer Anhörung von Sachverständigen um das Thema „Abrüstung als Krisenprävention“ ging. 18 Mal hat der Unterausschuss in dieser Wahlperiode bereits getagt. Ihm gehören vier Abgeordnete der CDU/CSU, zwei von der SPD und jeweils ein Abgeordneter von FDP, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen an. Im Interview nimmt die Vorsitzende Heike Hänsel (Die Linke) aus Tübingen, die dem Bundestag seit 2005 angehört, zu den Themen und zur Arbeit des Unterausschusses Stellung:
Frau Hänsel, am 26. Juni 2011 jährte sich die Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen zum 66. Mal: Ein Grund zum Feiern?
Auf jeden Fall. Immerhin waren es die Erfahrungen aus zwei Weltkriegen, die zur Gründung dieser internationalen Organisation geführt haben. Ihr Ziel war es ja von Anfang an, Kriege als „Geißel der Menschheit“ zu überwinden, wie es in der UN-Charta heißt. Das ist ein großes Erbe, das wir als Politikerinnen und Politiker antreten - gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat unlängst erklärt, die UN könnten stolz darauf sein, was sie in den vergangenen Jahren erreicht hätten. In allen Krisen stünden sie an vorderster Front und würden zunehmend in ihrer Führungsrolle wahrgenommen. Teilen Sie seine Einschätzung?
Zweifellos sind die Vereinten Nationen wieder mehr ins Spiel gekommen durch UN-Mandate wie zum Beispiel die Militäraktion gegen Libyen. Darin liegt aber genau das Problem: Ich sehe das nicht als eine positive Entwicklung. Denn in meinen Augen hat sie zu einer Militarisierung der UN geführt. Erste Aufgabe der Uno sollte es aber sein, Konflikte politisch zu lösen und Instrumente zu entwickeln, um die Ursachen von Konflikten und Kriegen zu überwinden und Entwicklung zu fördern.
Sehen das Ihre Kollegen im Unterausschuss genauso?
Na ja, die unterschiedlichen politischen Auffassungen machen auch vor dem Unterausschuss nicht halt. Sicherlich eint uns alle das Anliegen, dass wir die UN schätzen und zu ihrer Aufwertung beitragen wollen. Aber natürlich sind wir gerade in der Frage von Militäreinsätzen unterschiedlicher Meinung.
Da haben Sie ja zurzeit viel Gesprächsstoff.
Stimmt. Zumal uns neben den aktuellen politischen Entwicklungen im arabischen Raum auch die Frage beschäftigt, welche Rolle Deutschland im UN-Sicherheitsrat spielen und wie sich die Bundesregierung dort positionieren sollte. Auch zu diesen Fragen gibt es im Unterausschuss natürlich ganz unterschiedliche Haltungen.
Wie sieht denn seine Arbeit konkret aus? Wie oft treffen Sie sich?
In der Regel treffen wir uns jede zweite Sitzungswoche. Und fast jedes Mal sind die jeweils zuständigen Referatsleiter aus den Ministerien dabei, vor allem aus dem Auswärtigen Amt, aber auch aus dem Finanzministerium oder dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Denn da es unsere Aufgabe ist, die Politik der Bundesregierung in und gegenüber den UN kritisch zu begleiten, sind wir natürlich interessiert daran, frühzeitig über ihre Initiativen oder Positionen Informationen zu bekommen.
Und sind Sie mit der Informationspolitik der Bundesregierung dem Unterausschuss gegenüber zufrieden?
Sagen wir es so: Sie kann noch besser werden. Gerade was die Libyen-Resolution der UN anging, da haben wir doch sehr oft im Auswärtigen Amt die deutsche Position und den Resolutionsentwurf angefragt. Dass wir erst informiert wurden, als sie in anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich schon halb öffentlich war, hat uns schon sehr geärgert. Natürlich werden wir auch in Zukunft einfordern, dass wir zeitnah informiert werden. Denn wenn alles schon beschlossen ist, brauchen wir erst gar nicht mehr zu reagieren.
Der Unterausschuss ist ja dem Auswärtigen Ausschuss zugeordnet, in dem Sie selbst nur stellvertretendes Mitglied sind. Ist das ein Problem für Ihre Arbeit als Vorsitzende?
Die meisten Vorsitzenden waren bisher auch Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses. Da ich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bin, habe ich noch mal einen anderen Blick auf die Dinge. Das kann im Falle der UN, die wie gesagt derzeit stark auf Militäreinsätze fokussiert sind, nicht schaden. Es gab ja Anstrengungen, die Uno stärker in wirtschafts- und finanzpolitische Fragen einzubinden, die natürlich auch Auswirkungen auf die Länder des Südens haben. So gab es nach der Weltwirtschaftskrise Überlegungen, einen UN-Wirtschaftsrat zu gründen. Doch leider gehen solche Vorschläge immer noch unter. Ich halte sie aber für sehr wichtig, und ich denke, es ist gut, dass ich diese entwicklungspolitische Perspektive in die Arbeit des Unterausschusses einbringen kann.
(nal)