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Tourismus

Ländlicher Tourismus hinkt beim Wachstum hinterher

Bauernhof auf Sylt

(© picture alliance/chromorange)

Der Tourismus in Deutschland boomt – vor allem in den Städten. Die ländlichen Regionen hingegen hinken bei diesem Wachstum hinterher. In dieser Analyse herrschte Einigkeit unter den Fraktionen während der Debatte um die Potenziale des ländlichen Tourismus am Freitag, 25. Mai 2012. Die Frage, wie der Tourismus auch im ländlichen Raum gestärkt werden kann, wurde wiederum unterschiedlich beantwortet.

Anträge von Opposition und Koalition

Während sich die Koalitionsfraktionen in einem Antrag (17/9570) dafür aussprechen, Handlungsempfehlungen und Praxisleitfäden zu erarbeiten sowie Best-Practice-Beispiele herauszustellen, fordert die SPD-Fraktion in ihrer Vorlage (17/9571) die Bundesregierung auf, ein schlüssigen Gesamtkonzept vorzulegen. Der Debatte lag der Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Entwicklung ländlicher Räume (17/8499) vor.

Aus Sicht der Linksfraktion krankt die Entwicklung der ländlichen Räume auch an der fehlenden Kaufkraft der Einwohner und Urlauber, was eine Folge der Niedriglohnpolitik in Deutschland sei. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spielt unter anderem die durch die Bundesregierung verursachte finanzielle Misere der öffentlichen Haushalte eine Rolle bei der schleppenden Entwicklung. Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ernst Burgbacher (FDP), zeigte sich hingegen optimistisch. Zwar sei noch einiges zu tun, doch habe man auch schon vieles erreicht.

Regierung: Der Tourismus ist ein Jobmotor

Mit den Handlungsempfehlungen zum Gesundheitstourismus und dem Marketingkonzept Wassertourismus habe man „Weichen für Wachstum in diesen Bereichen gestellt“, sagte Burgbacher. Auch beim Internet-Breitbandausbau gebe es Fortschritte: „Ende des ersten Quartals 2012 haben wir eine Abdeckung von 99,2 Prozent mit mindestens einem Megabit und über 50 Prozent mit mindestens 50 Megabit erreicht“, sagte der Staatssekretär.

Der Tourismus, so stellte er klar, sei ein „Jobmotor“. Geschaffen würden Arbeitsplätze, „die nicht exportierbar sind und das ganze Spektrum der Qualifikationen abdecken“. Die Bundesregierung, so Burgbacher, wolle statt eines Tourismuskonzeptes „Handlungsempfehlungen, Praxisempfehlungen und Best-Practice-Beispiele“ vorlegen. Davon könne der Tourismus wirklich profitieren, gab sich der FDP-Politiker überzeugt.

SPD: Potenziale bei Weitem nicht ausgeschöpft

Weniger überzeugt zeigte sich der SPD-Abgeordnete Heinz Paula. Wenn der Staatssekretär hier von einem „Weiter so“ rede, könne er nur sagen: „Um Gottes willen, bewahren Sie uns davor.“ Die enormen Potenziale des Tourismus seien „bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, urteilte Paula. Dass Koalition und Bundesregierung gar nicht die Absicht hätten, ein Gesamtkonzept auf den Weg zu bringen, obwohl man das im Koalitionsvertrag angekündigt habe, sei „mager“, sagte Paula.

„Dünn“ sei es auch, dass 99 Prozent mit einer nur Ein-Megabit-starken Internetleistung versorgt seien. „So bringt man die ländlichen Räume nicht voran“, kritisierte der SPD-Politiker. Gebraucht werde vielmehr ein Gesamtkonzept, das alle ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimensionen berücksichtige. Die angekündigten Best-Practice-Beispiele könnten lediglich ein Baustein darin sein, sagte Paula, der es als „erbärmlich“ bezeichnete, dass das Thema Barrierefreiheit im Koalitionsantrag nicht einmal vorkomme.

CDU/CSU: Bewusst den ländlichen Raum fokussiert

In so einen speziellen Antrag könne man nicht alles hineinpacken, verteidigte Marlene Mortler (CDU/CSU) das Vorgehen der Koalition. Das Thema barrierefreier Tourismus habe man schon in früheren Anträgen behandelt. „Damit haben wir schon längst Aktionen auf den Weg gebracht“, sagte sie. Heute aber habe man ganz bewusst den Tourismus im ländlichen Raum im Fokus. „Die ländlichen Räume sind es wert, dass wir alle verfügbaren Hebel in Bewegung setzen, um sie vital zu halten“, machte Mortler deutlich. Dabei sei der Tourismus ein zentraler Hebel. Es gehe hier um 2,9 Millionen Arbeitsplätze und 100 Milliarden Euro Wertschöpfung.

Auf die Kritik am Koalitionsantrag eingehend, sagte Mortler: „Was nutzt es, wenn wir da Dinge hineinschreiben, die nicht der Realität entsprechen?“ Es seien nun einmal die Länder, die für den Tourismus zuständig seien. „Die Frage ist doch: Was können wir in diesem Haus realistisch bewegen?“, sagte die CSU-Abgeordnete und nannte als Beispiele eine Stärkung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und die Schaffung von „verlässlichen Fördermitteln“.

Linke: Union gräbt die finanziellen Mittel ab

Auf den ebenfalls zu Diskussion stehenden Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Entwicklung ländlicher Räume (17/8499) ging der Linken-Abgeordnete Alexander Süßmair ein. Darin sei die Rede davon, dass Regionen, in denen die Grundversorgung mit kommunalen Leistungsangeboten gefährdet ist, mit dem Aktionsprogramm „Regionale Daseinsfürsorge“ unterstützt werden sollten.

Süßmair nannte dies „absoluten Hohn“, wenn „seit Jahren öffentliches Eigentum und Daseinvorsorge privatisiert und zerstört werden, den Kommunen unter maßgeblicher Beteiligung von Union und FDP die finanziellen Mittel abgegraben werden“ und dann die schwarz-gelbe Regierung ein Programm zu deren Wiederaufbau empfehle. Was den Koalitionsantrag angehe, so sei der nur „heiße Luft“, befand Süßmair. Es werde beispielweise die oftmals prekäre Situation der Beschäftigten im Tourismus „nicht einmal gestreift“.

Grüne: Es bleibt zu wenig Geld in der Region

Es müsse gelingen, über den Tourismus auch die regionalen Wirtschaftstrukturen zu verbessern, forderte der Abgeordnete Markus Tressel (Bündnis 90/Die Grünen). „Wir haben im Moment einen sehr geringen Nettodevisenzufluss“, sagte er. Von 100 umgesetzten Euro verblieben nur 36 Euro in der Region. „Das ist viel zu wenig“, so Tressel. Auch die Schaffung einer nachhaltigen Mobilität sei angesichts einer alternden Bevölkerung wichtig. Dabei müsse die Frage geklärt werden, wie man den Schienenfernverkehr in der Fläche sicherstellen kann.

Außerdem gehe es auch um die Weiterentwicklung der Elektromobilität, bei der es schon einige gute Beispiele gebe. Es reiche aber nicht, solche Best-Practice-Beispiele zu sammeln. Vielmehr müssten sie auch weiterentwickelt werden, forderte der Grünen-Abgeordnete. Was die Vermarktung angehe, so dürfe nicht nur auf die DZT gesetzt werden. Es gebe im Ausland „eine breite Palette“ an Organisationen, die dafür genutzt werden könnten.

FDP: Infrastruktur weiter ausbauen

Es sei gut, dass die Bedeutung der ländlichen Räume von der Koalition in den Vordergrund gerückt werde, sagte der FDP-Abgeordnete Dr. Edmund Geisen. „Unsere ländlichen Räume sind die Stützpfeiler und das Rückgrat unserer Gesellschaft.“ Für ihn sei der Ausbau der Infrastruktur die Vorraussetzung für florierende ländliche Räume, sagte Geissen. Angesichts dessen sei es unverantwortlich, dass rot-grüne Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und in Rheinlad-Pfalz wichtige Maßnahmen „zum Nachteil der Menschen und der Umwelt ausbremsen“.

In Anschluss an die Debatte wurden die Anträge zur weiteren Beratung in den federführenden Tourismusausschuss überwiesen. (hau)