Enquete unterstützt Open Access in der Wissenschaft
Große Teile der Bestandsaufnahme der Projektgruppe „Demokratie und Staat“ hat die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ unter Vorsitz von Gerold Reichenbach (SPD) im Konsens verabschiedet. In der Sitzung am Montag, 25. Juni 2012, wurde zugleich vereinbart, die Abstimmung über mehrere streitige Kapitel zu vertagen, um nach einer Kompromisslösung zu suchen. Davon betroffen sind die Themen Anonymisierung, E-Government sowie Informationsfreiheit und Informationszugang. In die Bestandsaufnahme habe die Projektgruppe „viele schlaue und gute Sachen“ aufgenommen, sagte deren Vorsitzender Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Das sei auch deshalb gelungen, weil es über die Beteiligungsplattform Adhocracy gute Anregungen gegeben habe. Bei der Struktur der Bestandsaufnahme habe man zuerst die Grundlagen der E-Demokratie im Blick gehabt. „Es geht dabei um die Auswirkungen der digitalen Vernetzung auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat“, sagte von Notz.
Demokratische Rückbindung an das Volk
In der Bestandsaufnahme wird darauf verwiesen, dass das Parlament durch das Internet jenseits der klassischen Institutionen, etwa der Massenmedien und der Parteien, Verbindungen zu den Bürgerinnen und Bürgern und einzelnen Gruppen herstellen könne. Dies, so heißt es weiter, könne die demokratische Rückbindung an das Volk intensivieren und Begründungszusammenhänge schaffen, die auf der Ebene der Akzeptanz das parlamentarische System stützen. Auf der anderen Seite aber könne es auch zur „Erosion der traditionellen Institutionen (Massenmedien, Parteien) führen, ohne einen funktionalen Ersatz zu schaffen“.
Ein weiteres Kapitel, so von Notz, beschäftige sich mit der Legislative in der vernetzten Welt. Hier sei es um eine Bestandsaufnahme digitaler Beteiligungsformen auf internationale, aber auch auf nationaler Ebene gegangen. Weiterhin sei es um die Exekutive gegangen, den allgemeinen Rechtsrahmen und den Strukturwandel in der Öffentlichkeit.
„Wir brauchen eine Güterabwägung“
Nachdem die Enquete-Kommission schon im Vorfeld beschlossen hatte, die Themen E-Government und Informationsfreiheit von der Abstimmung auszuklammern, entzündeten sich die Diskussionen bei der Frage zur Anonymität im Internet. Die Koalitionsfraktionen hatten dazu einen Alternativtext vorgestellt. Es könne, so erläuterte Ansgar Heveling (CDU/CSU), im Kontext der Anonymität zu einer Kollision verschiedener Rechtsgüter kommen. Der Ansatz in dem Alternativtext sei, dass etwa zur Rechtsdurchsetzung die Anonymität auch eingeschränkt werden müsse. „Wir brauchen hier eine Güterabwägung“, sagte Heveling.
Der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige Prof. Dr. Wolfgang Schulz sagte, die Unterschiede seien sehr gering. In dem vorliegenden Text würden die Risiken ebenso wie die Vorteile dargestellt. Es sei zudem nicht die Rede davon, dass es keine Beschränkungen geben dürfe. Für Konstantin von Notz geht es um den „Grundsound“ des Kapitels. Der Koalitionsvorschlag sei zu defensiv, so von Notz. „Es wird mir zu wenig auf die Vorteile hingewiesen.“
„Nah beeinander“
Von der durch die Linksfraktion benannten Sachverständigen Annette Mühlberg kam schließlich der Vorschlag, die Passage ebenfalls zu vertagen, um einen Kompromisstext zu finden. Schließlich sei man „nah beieinander“.
Mit Blick auf das von der Hamburger Bürgerschaft jüngst verabschiedete Transparenzgesetz sprach sich die ebenfalls von der Linksfraktion benannte Sachverständige Constanze Kurz für die Vertagung aus. „Es würde sich lohnen, diesen aktuellen Aspekt mit zu betrachten“, sagte sie. „Was Hamburg kann, können wir auch“, befand der von der FDP benannte Sachverständige padeluun und setze sich gleichfalls für eine Kompromisssuche ein.
Erneute Kompromisssuche
Skeptisch standen dem Ansinnen sowohl der Vorsitzende der Projektgruppe von Notz als auch der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil gegenüber. Im Papier der Koalition stünden Dinge, die nicht zustimmungsfähig seien, sagte von Notz. „Ich glaube nicht, dass wir da zueinander kommen“, äußerte er seine Befürchtung. Gleichwohl stimmte er schließlich mit Blick auf die Hamburger Initiative einer erneuten Kompromisssuche zu.
Auch Lars Klingbeil zeigte sich verwundert, dass man nun in so vielen Bereichen ganz nah beieinander zu sein glaube, obwohl es in der Projektgruppe wochenlang schwierig gewesen sei, „auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen“. Wenn es aber um die Konsenssuche gehe und nicht um „Mehrheitsverhältnisse, die vielleicht gerade kritisch sind“, werde sich seine Fraktion nicht verweigern.
„Nachhaltige Strategie entwickeln“
Zuvor hatte sich die Kommission für eine umfassende Unterstützung des Open-Access-Prinzips im Wissenschaftsbereich ausgesprochen. Grundlage waren die Handlungsempfehlungen der Projektgruppe „Bildung und Forschung“ unter Vorsitz von Reinhard Brandl (CDU/CSU). Lediglich an drei Stellen finden sich alternative Textvorschläge der Linksfraktion, die jedoch bei der Abstimmung keine Mehrheit fanden.
Nach den Vorstellungen der Enquete-Kommission soll das Open-Access-Prinzip, also der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und wissenschaftlichen Materialien, in der deutschen Forschungsförderungspolitik und in der deutschen Hochschullandschaft auch durch die gemeinsame Entwicklung einer nachhaltigen Open-Access-Strategie vorangetrieben werden. Ein wichtiges Signal könne dabei sein, insbesondere die Zeitschriften, die von den Fachgesellschaften selbst herausgegeben werden, Open Access zu publizieren, heißt es in den verabschiedeten Handlungsempfehlungen.
„Sehr guter Kompromiss“
Während der Sitzung der Enquete-Kommission lobten Vertreter aller Fraktionen die Arbeit der Projektgruppe. Deren Leiter Reinhard Brandl verwies auf die „harte Arbeit“, die hinter dem Bericht stecke. Erarbeitet worden sei dieser in 14 Sitzungen und drei Klausurtagungen. So etwas könne man nicht „über das Knie brechen“, sagte Brandl und begrüßte, dass der Bundestag durch die Verlängerung der Arbeit der Kommission auch den neu gegründeten Projektgruppen die Gelegenheit gebe, „gründlich zu arbeiten“.
Für die Koalitionsfraktionen machte Tankred Schipanski (CDU/CSU) auf den „sehr guten Kompromiss“ im Bereich der Zweitveröffentlichungsrechte aufmerksam. Danach soll ein verbindliches Zweitveröffentlichungsrecht angestrebt werden für wissenschaftliche Beiträge, „die aus überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierter Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind“. Auch die hohe Bedeutung des E-Learnings habe man betont, sagte Schipanski. Dabei gehe es nicht nur um die Forschung, sondern auch um die Lehre.
„Technik darf kein Selbstzweck sein“
Die Handlungsempfehlungen beträfen auch die Forschungen zum Internet, vor allem die „Folgenabschätzung und die gesellschaftliche Orientierung von Internetentwicklungen“, sagte der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige Wolfgang Schulz. Dies stehe bislang nicht so stark im Fokus wie die rein technologieorientierte Forschung. „Dazu schlagen wir eine disziplinübergreifende Vorgehensweise vor“, sagte Schulz.
Es habe sich gezeigt, dass die Ausstattung von Schülern mit mobilen Computern „wichtig, aber allein nicht ausreichend ist“, sagte Sylvia Canel (FDP). „Das ganze System ist von einer ganz anderen Denkweise durchwirkt“, betonte sie. Technik dürfe daher kein Selbstzweck sein, sondern müsse mit der Förderung von Medienkompetenz einhergehen.
„Transdisziplinäre Forschung erforderlich“
Dr. Petra Sitte (Die Linke) verwies auf die positive Beurteilung der Handlungsempfehlungen durch den Open-Access-Experten der Helmholtz-Gemeinschaft, Heinz Pampel, der von einem „bemerkenswerten Dokument“ gesprochen habe. Bund und Länder, so Sitte, sollten den Ansatz also möglichst schnell umsetzen. Kritik übte die Abgeordnete an der Förderpolitik, die „zu stark technikzentriert“ sei. Man sei sich einig, dass es hier transdisziplinärer Forschung bedürfe.
Auf EU-Ebene werde sehr genau beobachtet, was sich in Deutschland im Bereich Open Access entwickelt, machte Krista Sager (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich. Insofern sei es „besonders verdienstvoll“, zu den gemeinsamen Empfehlungen gelangt zu sein. (hau)