„Echte Demokratie nur mit besserem Bildungssystem“
Als Mona Hegazy die E-Mail vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) erhielt, war sie sofort Feuer und Flamme. Erstmals, so erfuhr die Ägypterin darin, legt der Deutsche Bundestag 2012 ein Internationales Parlamentsstipendium (IPS) für Interessenten aus den arabischen Staaten auf. Die 30-Jährige aus Alexandria bewarb sich und wurde genommen. Für vier Wochen ist sie nun in Berlin und absolviert mit ihren 23 Mitstreitern ein eng gestricktes Programm: Mehrere Vorträge, politische Planspiele, ein Medientag und ein Workshop im Akademiezentrum Sankelmark (Schleswig-Holstein) gehören dazu. In der laufenden Sitzungswoche ist Mona Hegazy dann ganz nah am Alltag der Abgeordneten. Die „Patenabgeordnete“ der studierten Chemotechnikerin ist Maria Flachsbarth (CDU/CSU).
Master in Nanotechnologie angepeilt
Eine gute Wahl, findet Mona Hegazy. Schließlich ist die Unionsabgeordnete Mitglied im Umweltausschuss. „Mit Umweltthemen beschäftige ich mich auch“, sagt die 30-Jährige, die ab Herbst in Deutschland gern den Master im Bereich Nanotechnologie erwerben möchte, um ein System zur Entsalzung des Meerwassers zu entwickeln.
Die vergangenen acht Jahre hat sie allerdings als Bibliothekarin in der Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt Alexandria gearbeitet. Wie kam es dazu? Nach dem Bachelor-Abschluss 2004 habe sie ein Jahr in ihrem studierten Beruf gearbeitet, erzählt sie. „Mit der Firma lief es aber nicht gut, und ich wurde auch sehr schlecht bezahlt.“ Während eines Sprachkurses am Goethe-Institut hat sie dann ihre spätere Chefin in der Bibliothek kennengelernt, die ihr das Angebot machte, dort zu arbeiten. „Ich habe dann eine Art Training gemacht und fand die Arbeit sehr schön“, sagt Mona Hegazy.
„Bildung ein wichtiges Thema“
An ihrer Bibliothek, die „sehr modern und sehr hell“ ist, arbeitet sie mit „vielen gebildeten Menschen“ zusammen. Aber auch mit jenen, die zwar hervorragende Praktiker sind und viele Ideen haben, diese aber nicht so gut darstellen können. „Wir bieten hier Hilfe an, wobei ich als Technikerin als Bindeglied fungiere“, erklärt sie.
Das Thema Bildung ist aus ihrer Sicht ohnehin ein sehr wichtiges für Ägypten. „Wir haben mehr als 40 Prozent ungebildete und sehr arme Menschen im Land“, sagt sie und erklärt so auch den Wahlsieg des von der Moslembruderschaft aufgestellten Präsidentschaftskandidaten Mohammed Mursi. „Wenn in der Moschee gesagt wird, es ist verboten den Gegenkandidaten Schafik zu wählen, dann glauben die Menschen das“, sagt Mona Hegazy enttäuscht. Sie selbst traut den Moslembrüdern nicht. „Die haben nur ihre eigenen Interessen im Auge und benutzen dafür die Religion“, urteilt sie.
„Situation der Christen sehr schwierig“
Und auch den Umgang mit Minderheiten kritisiert Mona Hegazy. Die Situation der Christen etwa sei seit der Revolution sehr schwierig, sagt sie. Wünscht sie sich angesichts der offenen Kritik etwa das Regime Mubarak zurück? Nein, stellt sie klar. „Ich bin gegen Mubarak, aber auch gegen die Moslembruderschaft.“ Insofern habe sie bei der Stichwahl zum Präsidentenamt zwischen Mursi und Ahmed Schafik, dem letzten Regierungschef unter Präsident Hosni Mubarak, „die Wahl zwischen Not und Elend gehabt“.
Wie soll es nun weitergehen in ihrer Heimat? Eine echte Demokratie könne es nur geben, wenn das Bildungssystem verbessert wird, zeigt sich die 30-Jährige überzeugt. Damit sei unter der Vorherrschaft der Moslembrüderschaft aber nicht zu rechnen. „Entscheidend für Ägypten wird sein, ob Mursi nach der Wahlperiode wieder verschwindet“, so ihre Ansicht. Geschehe dies nicht, wäre das „eine Katastrophe“.
„Viele Parteien mit guten Ideen“
Dabei gibt es ihrer Ansicht nach durchaus Alternativen zu Mursi und Schafik. „Wir haben viele Parteien mit guten Ideen“, sagt sie. „Es muss aber mehr Aktionen geben, damit die Leute auch davon erfahren.“
Probleme mit der Moslembruderschaft gibt es aber offensichtlich nicht nur in Ägypten. „Meine Mitstipendiaten aus Tunesien haben Ähnliches zu berichten“, sagt Mona Hegazy und freut sich, dass sie durch das IPS in Kontakt mit so vielen jungen Leuten aus anderen Ländern kommt. Für sie ist das Programm im Deutschen Bundestag schon nach den Eindrücken der ersten Woche und trotz des engen Terminkalenders ein voller Erfolg. Und eine gute Gelegenheit, „das politische Bewusstsein weiterzuentwickeln“. (hau/24.09.2012)