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Parlament

„Wir haben von Demokratie geträumt“

Salma Hamed, IPS-Stipendiatin aus Kairo

Salma Hamed, IPS-Stipendiatin aus Kairo (DBT/Photothek)

Die derzeitige Situation in Ägypten wirkt aus deutscher Sicht chaotisch. Die Regierungspartei wurde verboten, das Militär hat den gewählten Präsidenten abgesetzt. Für Salma Hamed dennoch kein Grund, ihr Lächeln zu verlieren. „So sind wir Ägypter. Mag die Lage auch aussichtslos scheinen – wir verlieren nicht unseren Optimismus“, sagt die 22-Jährige aus Kairo. Seit Anfang September nimmt die Politikwissenschaftlerin am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) für arabische Staaten im Deutschen Bundestag teil. Und versteht inzwischen besser, warum die Regierungsübernahme des Militärs in Ägypten hierzulande als Putsch angesehen wird.

„Ich bin in Bonn geboren“

„Es ist eben in Deutschland nicht vorstellbar, dass die Bundeswehr Frau Merkel die Macht aus der Hand nimmt“, sagt sie. Ägypten hingegen sei eben noch auf dem Weg hin zu einer Demokratie. Dass dieser durchaus lang und mit Irrtümern und Fehlern besetzt sein kann, zeige aber die Geschichte Deutschlands, findet Salma Hamed.

Mit Deutschland verbindet die 22-Jährige sehr viel. „Ich bin in Bonn geboren und habe meine ersten sechs Lebensjahre hier verbracht“, erzählt sie. Als die Familie zurück nach Kairo ging, wo Salma Hameds Mutter eine Medizin-Professur an der dortigen Universität annahm, blieb der Kontakt mit der deutschen Sprache schon dadurch erhalten, dass sie in eine deutsche Schule ging.

„Deutsche Muttersprachler als Lehrer“

„Dort hatte ich viele deutsche Mitschüler und auch deutsche Muttersprachler als Lehrer“, führt sie als Erklärung für ihre hervorragenden Deutschkenntnisse an.

Die Entscheidung, Politikwissenschaften zu studieren, fiel in ihrem ersten Jahr an der Universität, an der sie eigentlich Ökonomie studieren wollte. „Das Fach Politikwissenschaft hat mich aber gleich gefesselt“, sagt sie. Nach dem Bachelor in Kairo will sie nun den Masterabschluss in Islamwissenschaften an der Freien Universität Berlin nachlegen.

„Mehr Freiheit und mehr soziale Gerechtigkeit gefordert“

Als Frau von Fach kann sie doch nun aber sicherlich erklären, was in Ägypten seit der Revolution 2011 falsch gelaufen ist. „Puhh… Das ist schwer“, sagt sie und versucht sich mit einer Chronologie der Abläufe. Begonnen habe alles damit, dass die Mehrheit der Ägypter mehr Freiheit und mehr soziale Gerechtigkeit gefordert habe: „Wir haben von Demokratie geträumt und von einem zivilen Staat.“

Bekommen haben die Ägypter aber zuerst eine Militärregierung und schließlich die Regentschaft der Moslembruderschaft. Dass der von den Moslembrüdern gestellte Präsident Mohammed Mursi überhaupt ins Amt kam, habe damit zu tun, dass es nur die Entscheidung zwischen ihm und Ahmed Schafik, dem letzten Regierungschef unter Präsident Hosni Mubarak gegeben habe, sagt Salma Hamed. So hätten viele Mursi gewählt, obwohl sie mit den Ideen der Moslembruderschaft wenig gemein hatten.

„Mit der Verantwortung nicht richtig umgegangen“

„Leider sind Mursi und seine Partei mit der ihnen übertragenen Verantwortung nicht richtig umgegangen“, bedauert die Ägypterin. Der Demokratisierungsprozess sei angehalten worden, was zu großer Unzufriedenheit der Menschen im Land geführt habe.

„Die Moslembrüder haben aber diese Unzufriedenheit und die großen Demonstrationen gegen ihre Politik ignoriert“, sagt sie. „Dabei hätten sie alles besser machen können und aus den Fehlern Mubaraks und des Militärregimes lernen können.“

„Ägyptisches Dilemma“

Nun hat das Militär Mursi ab- und eine Übergangsregierung eingesetzt. Vom „ägyptischen Dilemma“ spricht daher Salma Hamed. „Wir hatten eine demokratisch gewählte Regierung, die nicht demokratisch handelte. Dann wurde auf einem undemokratischen Weg dieses Regime ersetzt, wobei das Militär damit dem Willen der demonstrierenden Menschen auf der Straße gefolgt ist, was manche dann wiederum doch als demokratisch betrachten“, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist alles sehr kompliziert.“

Salma Hamed selbst gehört zu der Gruppe, die zwischen Militär und Moslembruderschaft steht. Obwohl sie nicht in einer großen Organisation aktiv ist, sieht sie sich nicht als Einzelkämpferin. „Es gibt viele, die so denken wie ich“, sagt sie. Das seien zumeist jüngere, gut ausgebildete Leute, die sich in der Zivilgesellschaft engagieren würden. „Wir machen uns für Ägypten stark, und unsere Stimme wird immer lauter“, ist sie zuversichtlich.

„Verbot der Moslembruderschaft ein Fehler“

Hoffnung für die Zukunft macht ihr die von der Übergangsregierung angekündigte Road-Map. „Ich hoffe, die Regierung setzt den Aktionsplan auch transparent um“, macht sie deutlich. Das jüngst verhängte Verbot der Moslembruderschaft hingegen sieht Salma Hamed als Fehler an. Zwar hätten die Moslembrüder die ihnen demokratisch zugewiesenen Rechte missbraucht. Aber: „Jetzt besteht die Gefahr, dass Teile von ihnen in die Illegalität abtauchen und zu Mitteln der Gewalt greifen“, urteilt die Politikwissenschaftlerin.

Gebraucht werde ein Kompromiss. „Der Staat muss erkennen, dass ein Verbot der Moslembruderschaft nichts bringt. Die Anhänger der Moslembruderschaft wiederum müssen erkennen, dass ihre Anführer Fehler gemacht haben“, fordert sie. Dann könne man auch politisch miteinander leben, was derzeit unmöglich scheint.

Am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus

Kompromisse, das erlebt die Ägypterin zurzeit, werden auch in Deutschland benötigt, um eine Regierung bilden zu können. „Die Frage, ob es zu einer Großen Koalition kommt, ist schon sehr spannend“, findet Salma Hamed, deren „Patenabgeordnete“ für die Zeit des IPS Brigitte Zypries (SPD) ist.

Daher verbrachte die 22-Jährige den Wahlabend in der Parteizentrale der SPD, dem Willy-Brandt-Haus. „Es war schon sehr interessan, aus nächster Nähe zu sehen, wie die Stimmung zwischen Freude, Hoffnung und Enttäuschung hin und her ging“, sagt sie. Für Brigitte Zypries zumindest nahm der Abend einen guten Verlauf. Sie gewann ihren Wahlkreis und wird auch dem neuen Bundestag angehören. (hau/30.09.2013)

 

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