+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Parlament

Schwan rät zu einem neuen Grundkonsens

Die Forderungen der Aufständischen des 17. Juni 1953 sind ganz und gar aktuell, so die Einschätzung von Prof. Dr. Gesine Schwan in der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 17. Juni 2010. Damit erinnerte der Bundestag an den 57. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR. Gesine Schwan ist Präsidentin der Berliner Humboldt-Viadrina School of Governance, war bis 2008 Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder und 2004 sowie 2009 Kandidatin für das Bundespräsidentenamt.

„Freiheit und Recht sichern“

Schwan verglich die Situation in der DDR, die 1953 zum Volksaufstand führte, mit der aktuellen politischen Situation in Deutschland und kam zu dem Ergebnis, dass „wir an einem neuen Grundkonsens in der Gesellschaft arbeiten müssen - einem Grundkonsens über Grenzen der Unfreiheit, der Ungerechtigkeit und der Uneinigkeit“. Dies sei notwendig, damit demokratische Politik eben besser als kommunistische Politik Freiheit und Recht sichere.

Anders als der Kommunismus setze demokratische Politik keine neuen Menschen voraus und maße sich auch nicht an, sie zu schaffen. „Aber ohne Bürgertugenden, ohne ein Grundmaß an Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeitssinn und Gemeinwohlverantwortung bei uns allen kann das für Freiheit und Demokratie notwendige Vertrauen nicht entstehen“, sagte Schwan. Demokratie gelinge nicht in einer Welt von „Teufeln“ oder von „notorischen Tricksern“.

Ruf nach Eckpfeilern westlicher Demokratien

Aus den Forderungen der Aufständischen von damals nach Recht und Freiheit „müssen wir lebendige Antworten auf unsere neuen globalen Herausforderungen entwickeln, wenn wir Recht und Freiheit nicht unter der Hand verlieren wollen“, betonte sie.

Schwan erinnerte an die Ursachen des Aufstands vom 17. Juli 1953, die „Normerhöhung“ durch die SED-Machthaber. Die Forderung, die plötzliche Normerhöhung wieder abzuschaffen, habe sich in den Ruf nach zentralen Eckpfeilern westlicher Demokratien verwandelt: Freiheit und Recht, Rechtsstaat und Gewaltenteilung statt Willkür und Schikane. Die blutige Niederschlagung der Aufstands habe erneute derartige Forderungen nach 1953 zum Schweigen gebracht.

„Ein Gefühl der Ohnmacht und Ungerechtigkeit“

Zwar wolle heute kaum einer zurück in eine Diktatkur. Dennoch habe sich „ein Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit in unserer Demokratie“ ausgebreitet. Auch wenn es „unter der Oberfläche“ gäre, so stehe doch im vereinigten Deutschland kein neuer 17. Juni bevor - Rechtsstaat, freie Wahlen und freie Medien böten die unabdingbare und auch aussichtsreiche Voraussetzung dafür, Abhilfe zu schaffen.

„Unsere Regierungen und Parlamente sind nicht hilflos wie die damalige Ost-Berliner Regierung, wenn sie uns als verantwortliche freie Bürger mehr als bisher einbeziehen und wenn wir umgekehrt als verantwortliche Bürger uns mehr als bisher für gemeinwohlverträgliche Lösungen engagieren“, unterstrich Gesine Schwan.

„Hier ist eine erneute Hybris aufgekommen“

Gefährlich für demokratische Politik, die ein „verträgliches Maß an Gerechtigkeit als gleicher Freiheit“ wahren oder herstellen müsse, seien ihre „unterschiedlichen und auch grenzüberschreitenden Machtpotenziale und ihre Undurchsichtigkeit“. Machtvolle Interessenvertretungen dürften sich nicht hinter einer geschlossenen Marktideologie gegen öffentliche Kritik verschanzen wie sich ehedem Marxisten-Leninisten hinter ihrer ebenso geschlossenen Herrschaftsideologie verschanzt hätten.

„Der globale Wettbewerb darf nicht mehr als immunisierende Abwehrstrategie gegen Gerechtigkeitsforderungen oder zähmende Regeln dienen. Hier ist eine erneute Hybris aufgekommen“, konstatierteSchwan.

„An die Opfer im Kampf um die Freiheit denken“

Eingangs hatte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert gemahnt, „an die Opfer zu denken, die der Kampf um die Freiheit gefordert hat“. Der Deutsche Bundestag fühle sich dem Andenken an diejenigen verpflichtet, die in der DDR für Freiheit und Einheit Opfer gebracht hätten: „Wir alle sind gefordert, das Wissen um den Volksaufstand lebendig zu halten.“

Der 17. Juni sei auch ein Tag der Ermutigung, weil man sich mit Stolz einer Traditionslinie deutscher und europäischer Freiheitsgeschichte vergewissern könne, die länger als anderthalb Jahrhunderte zurückreiche.

„Schlüsselereignis der Nachkriegsgeschichte“

Der 17. Juni 1953, ein „Schlüsselereignis der deutschen und der europäischen Nachkriegsgeschichte“, sei damals eine gesamtdeutsche Erfahrung gewesen, sagte Lammert.

Der gescheiterte Volksaufstand mit der deprimierenden Gewalterfahrung und die geglückte Revolution von 1989/90 seien„ die zwei Seiten derselben Medaille“. Sie zeigten den Mut der Bürger, den unbändigen Willen zur Freiheit und das Bekenntnis zu deutschen Einheit. (vom)

Marginalspalte