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Parlament

Prestigeprojekt bedroht Millionenstadt Lagos

Ute Kumpf, Christiana Tah, Uwe Kekeritz, Florence Chenoweth, Miata Beysolow

Ute Kumpf, Christiana Tah, Uwe Kekeritz, Florence Chenoweth, Miata Beysolow (Büro Kekeritz)

Es braucht Kontakt und Austausch, um Beziehungen zu pflegen – das gilt auch in der Außenpolitik. Regelmäßig sind deshalb Abgeordnete anderer Staaten im Deutschen Bundestag zu Gast oder deutsche Parlamentarier auf Reise. So wie eine Delegation der Parlamentariergruppe Englisch- und Portugiesischsprachige Staaten West- und Zentralafrikas, die sich um die Kontakte zu Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Nigeria und Sierra Leone kümmert: Eine Woche waren die Abgeordneten Hartwig Fischer (CDU/CSU) und Ute Kumpf (SPD) unter der Leitung des Vorsitzenden der Parlamentariergruppe, Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen), kürzlich in Liberia und Nigeria, um dort Gespräche mit Parlamentariern, Regierungsmitgliedern und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen zu führen. Ein Besuch, der schon lange geplant war: „Wir wollten bereits vor zwei Jahren reisen, doch aufgrund der Wahlen in Nigeria war die Sicherheitslage nicht stabil, und wir mussten die Reise verschieben“, erklärt Kekeritz.

Kein unbekanntes Terrain

Für den Fürther Abgeordneten, der Sprecher seiner Fraktion für Gesundheit in Entwicklungsländern ist und die Parlamentariergruppe seit 2009 leitet, sind die zentralafrikanischen Länder kein unbekanntes Terrain: Mehrfach war Kekeritz zum Beispiel in Ghana und Sierra Leone unterwegs. Auch Liberia hat der 59-Jährige im Mai 2012 schon bereist – allerdings als Vorsitzender des Unterausschusses „Gesundheit in Entwicklungsländern“.

Dass das Land an der westafrikanischen Atlantikküste  nun auch zum Ziel der Parlamentariergruppe wurde, liegt für ihn auf der Hand: „Liberia ist im Umbruch. Nach dem jahrelangen Bürgerkrieg bestehen nach wie vor viele Herausforderungen für den Wiederaufbau. Da war es notwendig, sich das Land anzuschauen“, erklärt er.

„Ohne Energie keine Entwicklung“

Im Fokus standen auf der Reise neben Infrastrukturentwicklung, Umwelt- und Küstenschutz sowie humanitären Fragen insbesondere die Energie- und Ressourcenpolitik. „Energie ist eine der zentralsten Fragen überhaupt in diesen Ländern“, sagt Kekeritz. „Ohne Energie gibt es keine Entwicklung. Das sieht man deutlich in Nigeria und Liberia: Die beiden Staaten leiden massiv an Energiearmut.“

Die Gründe dafür seien zum einen das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, zum anderen nach den Jahren des Bürgerkriegs die „absolut maroden“ Energieanlagen, weiß der Parlamentarier. Obwohl dringend benötigt, blieben Investitionen aus.

Bevölkerung profitiert kaum vom Rohstoffreichtum

Auch den Umgang der Regierungen mit den Ressourcen der Länder sieht er kritisch: „Öl, Mineralien, seltene Erden – Liberia und Nigeria sind reich an Rohstoffen. Doch die Bevölkerung profitiert nicht von dem Abbau und dem damit verbundenen Wirtschaftswachstum.“

Schuld daran sei auch die Korruption, an der auch die eigens zu ihrer Bekämpfung eingerichteten Behörden wenig aussetzen könnten: „Oftmals fehlt es an Transparenz. Hinter verschlossenen Türen werden die Verträge zwischen internationalen Unternehmen und Regierungen ausgehandelt. Das öffnet Tür und Tor für Korruption und verhindert die öffentliche Kontrolle.“

Gespräche mit Abgeordneten und Ministern

Deshalb mahnen die Parlamentarier auf ihren Besuchen immer wieder Demokratieentwicklung und mehr Korruptionsbekämpfung an – auch, weil sie in ihren Gesprächen mit Parlamentariern und Regierungsmitgliedern stets mit dem Wunsch nach mehr Entwicklungszusammenarbeit konfrontiert werden.

Wie wichtig die Gastgeber den Besuch der deutschen Parlamentarier nehmen, zeigt die Liste der hochrangigen Politiker, mit denen sie zu Gesprächen zusammengetroffen waren. Darunter befanden sich in Liberia neben Vizepräsident Joseph Nyuma Boakai auch Justizministerin Christiana Tah, Landwirtschaftsministerin Florence Chenoweth und Handels- und Industrieministerin Miata Beysolow. In Nigeria trafen Kekeritz, Kumpf und Fischer zudem mit Außenminister Olugbenga Ayodeji Ashiru zusammen.

Menschenrechte und gute Regierungsführung

„Die Hoffnung ist groß, dass wir in der Lage sind, privates Kapital in die Länder zu bringen. Das unterstützen wir, die Voraussetzungen müssen aber stimmen“, betont der Vorsitzende der Parlamentariergruppe. „Es muss sichergestellt werden, dass privat investierende Unternehmen nicht in die Korruptionsfalle tappen.“ Zudem seien für sie als Parlamentarier gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte „zentrale Themen“. Ein Blatt vor den Mund nehmen sie nicht: „Für uns Abgeordnete ist es leichter, konkret zu werden. Wir können Fragen stellen, die sich einem Botschafter aus Diplomatie verbieten“, sagt Kekeritz.

Diese Möglichkeit habe er bei seinem letzten Besuch in Liberia auch im Gespräch mit Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf genutzt: „Ich habe zum Beispiel die Zurückhaltung der Regierung gegenüber einem Verbot der Genitalverstümmelung und die Praxis des Landgrabbings stark kritisiert.“ Eine Kritik, die nicht ungehört blieb – zumal sie nicht nur von dem deutschen Parlamentarier geäußert wurde, sondern auch von Nichtregierungsorganisationen sowie von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. „Inzwischen gibt es zum Glück einen Stopp für weitere Leasingverträgen mit ausländischen Investoren.“

Küstenerosion bedroht Millionenstadt Lagos

Weil Kekeritz um die Wirkung solcher Gespräche weiß, bedauert er, dass er in Nigeria nicht mit dem zuständigen Minister über den Küstenschutz sprechen konnte. Ein ernstes Thema: Erosion und Sturmwellen lassen immer mehr Land an der Küste verschwinden und bedrohen die Metropole Lagos mit ihren mehr als zehn Millionen Einwohnern. „Das hat dramatische Ausmaße angenommen“, sagt Kekeritz.

Doch statt bereits zugesagte Maßnahmen zum Küstenschutz zu ergreifen, setzt der Gouverneur von Lagos, Babatunde Fashola, auf das Prestigeprojekt „Eko Lagos“: Auf einer künstlich angeschütteten Insel vor der Küste soll Wohnraum für 250.000 Menschen entstehen, dazu Banken und Büros in modernen Hochhäusern.

Slum soll für Prestigeprojekt weichen

Das Armenviertel Makoko, wo rund 150.000 Menschen in Pfahlhäusern leben, soll dafür weichen. „Die Regierung ging hier sehr brutal vor“, sagt Kekeritz. Drei Tage hätten die Leute Zeit gehabt, ihre Sachen zu packen, dann sei im Juli 2012 das Abrisskommando gekommen. Mehrere Tausend Menschen wurden obdachlos. Erst heftige Proteste der Bewohner stoppten dies.

Für den Abgeordneten war der Besuch in Makoko erschütternd: Die Menschen leben dort ohne Kanalisation. Das Wasser der Lagune, in das die Pfahlhäuser gebaut wurden, ist schwarz vor Kot und Abfällen. Dennoch schwimmen die Kinder darin.„

Wertvolle Informationen

Für die deutschen Parlamentarier sind solche Eindrücke und Informationen, die sie auf Delegationsreisen sammeln, äußerst wertvoll. “Wir können die Situation ganz anders einschätzen als wären wir nicht dort gewesen.„ Das sei vor allem hilfreich, um die Außenpolitik- und Entwicklungspolitik der Bundesregierung zu kontrollieren, zu beeinflussen und mitzugestalten, betont Kekeritz.

Die frischen Kontakte nach Nigeria und Liberia will die Parlamentariergruppe weiter pflegen. Ein Gegenbesuch nigerianischer Abgeordneter ist schon für das kommende Jahr geplant. (sas/20.03.2013)

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