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Parlament

Walter-Rosenheimer fragt nach Flüchtlingskindern

Beate Walther-Rosenheimer, Bündnis 90/Die Grünen

Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen) (DBT/photothek.net)

In der Fragestunde des Bundestages (18/5061) am Mittwoch, 10. Juni 2015, erkundigt sich Beate Walter-Rosenheimer, Sprecherin für Jugendpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass bei der geplanten bundesweiten Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen die Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention beachtet werden. Angesichts einer steigenden Zahl von minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Angehörige nach Deutschland kommen, begrüßt Walter-Rosenheimer zwar die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) vorgelegten Eckpunkte für einen Gesetzentwurf. Doch wie auch viele Sozialverbände kritisiert die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck-Dachau das Vorhaben, junge Flüchtlinge nach einer festen Quote bundesweit zu verteilen. „Die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel wäre nicht jugendgerecht“, so Walter-Rosenheimer im Interview. Viele Kommunen verfügten gar nicht über die nötige Infrastruktur, um die Kinder und Jugendlichen aufzunehmen. Die Fragestunde wird am Mittwoch, 10. Juni, ab 13.35 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen. Das Interview im Wortlaut:


Frau Walter-Rosenheimer, etwa fünf bis zehn Prozent aller Flüchtlinge kommen ohne ihre Eltern nach Deutschland. 2013 waren das rund 6.500 Kinder und Jugendliche. Wie werden sie untergebracht und betreut?

Bislang werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an dem Ort, vom Jugendamt in Obhut genommen, an dem sie aufgegriffen werden. Die Behörde bringt sie in Einrichtungen der Jugendhilfe unter – das können Heime, betreute Wohngruppen oder auch Pflegefamilien sein – und bestellt einen Vormund. Das Problem ist aber, dass in Städten, die wie Hamburg, Berlin oder München an zentralen Einreiseknotenpunkten liegen, die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge sprunghaft steigt. Die Jugendämter sind vielerorts überlastet.

Um die Kommunen zu entlasten, sollen nach dem Willen der Bundesfamilienministerin künftig Flüchtlinge zwischen den Bundesländern verteilt werden. Was halten Sie von diesem Vorhaben?

Ich habe mit Leitern von Jugendämtern gesprochen, die von der Situation so überfordert waren, dass sie Mitarbeiter aus der klassischen Jugendhilfe abziehen mussten, um dem Ansturm Herr zu werden. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Daher ist es gut, dass das Familienministerium an einer Lösung arbeitet. Doch die Verteilung der jungen Flüchtlinge zwischen den Bundesländern etwa  nach dem Königsteiner Schlüssel, wie es Ministerin Schwesig offenbar plant, wäre nicht jugendgerecht: Viele Kommunen sind ja gar nicht darauf vorbereitet, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Ob Sprachkurs, Ausbildungsplatz, im Bedarfsfall psychologische Betreuung – die nötige Infrastruktur muss vielerorts erst aufgebaut werden. Das braucht Zeit. Ad hoc geht das nicht.

Sozialverbände fürchten, dass durch eine Verteilung „nach dem Gießkannenprinzip“ fachliche Standards der Betreuung vernachlässigt werden. Teilen Sie diese Sorge?

Ja, denn schon jetzt sind viele Kommunen mit der Erstaufnahme so überlastet, dass ein Clearingverfahren, bei dem unter anderem Identität, Alter oder die gesundheitliche und psychische Verfassung des Jugendlichen geklärt werden, gar nicht vernünftig gewährleistet werden kann. So passiert es, dass zum Beispiel aufgrund falsch geschriebener Namen Kinder und ihre Angehörigen, die vielleicht in einer anderen Stadt oder einem anderen europäischen Land angekommen sind, nicht zusammenfinden. Die Frage der Familienzusammenführung ist aber eine ganz zentrale im Clearingverfahren.

Gibt es andere?

Ganz wichtig ist es darüber hinaus, schnell festzustellen, welchen Bedarf an medizinischer und therapeutischer Versorgung die Flüchtlinge haben. Viele kommen traumatisiert nach Deutschland und benötigen Hilfe, doch Therapieplätze für Jugendliche sind in manchen Regionen ohnehin schon knapp. Daher sind wir Grünen der Meinung, dass man nicht nur streng nach einem Schlüssel verteilen kann, sondern dass die individuellen medizinischen oder therapeutischen Bedarfe berücksichtigt werden müssen.

Sie erkundigen sich bei der Bundesregierung, wie bei einer Verteilung sichergestellt werden soll, dass die Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention beachtet werden. Was bedeutet das?

Es geht uns grundsätzlich darum, bei der Verteilung anzuerkennen, dass Kinder und Jugendliche eben keine Erwachsenen sind. Wenn sie von Ort zu Ort geschoben werden, dann ist das für sie eine größere Belastung als für Erwachsene, die das anders bewerten können. Es geht also darum, altersgerecht zu entscheiden. Das darf man nicht aus dem Blick verlieren, nur weil man die Versorgungssituation sieht.

Die Kinderkommission des Bundestages, der Sie angehören, hat sich in einer Expertenanhörung mit der Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen befasst. Was brauchen die betroffenen Kinder und Jugendlichen in erster Linie?

Wenn sie hier ankommen, brauchen sie in erster Linie Ruhe und Schutz– das sage ich nicht nur als Mutter von fünf Kindern, sondern auch als Psychologin. Die Flüchtlinge brauchen einen Platz, an dem sie zur Ruhe kommen können. Auch deswegen sollte es unbedingt vermieden werden, sie von einem Ort zum anderen zu schicken – erst recht, wenn sie traumatisiert sind. Daher auch meine Frage an die Bundesregierung: Wie soll das gewährleistet werden?

(sas/09.06.2015)

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