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Familie

Prostituierte müssen sich anmelden

Prostituierte in Deutschland müssen sich künftig alle zwei Jahre bei den Kommunen anmelden und jedes Jahr eine Gesundheitsberatung absolvieren. Das sieht das Prostitutionsschutzgesetz der Bundesregierung (18/8556) in der leicht geänderten Fassung des Familienausschusses (18/9036, 18/9080) vor, das der Bundestag am Donnerstag, 7. Juli 2016, mit dem Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion angenommen hat. Die Regelung sieht weiterhin die Einführung einer Erlaubnispflicht für die Betreiber von Bordellen und anderen Prostitutionsstätten sowie eine Kondompflicht vor.

„Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ausschließen“

Zukünftig soll jeder Betreiber einer Prostitutionsstätte ein Betriebskonzept vorlegen müssen, das einer Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen wird. Damit sollen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, ausbeuterische Geschäftskonzepte wie zum Beispiel Flatrate-Modelle und alle Modelle, die der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten zuwiderlaufen, ausgeschlossen werden. Für solche Praktiken sieht das Gesetz auch ein Werbeverbot vor.

Der Familienausschuss hatte den Gesetzentwurf durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen verschärft und auch den Sex mit Schwangeren in das Werbeverbot mit aufgenommen. Zudem soll die Betriebserlaubnis für Prostitutionsstätten einschlägig Vorbestraften verweigert werden können.

Ministerin: Klare Auflagen für Bordellbetreiber

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) räumte zu Beginn der Debatte ein, dass bislang versäumt worden sei, Regeln für das Prostitutionsgewerbe aufzustellen. „Es war ja bislang schwerer, eine Pommes-Bude aufzumachen als ein Bordell“, sagte sie. Jetzt gebe es für Bordellbetreiber klare Auflagen. „Wer sich nicht daran hält, dem wird das Gewerbe entzogen“, betonte die Ministerin.

Schwesig ging auch auf die umstrittene Anmeldepflicht ein. Dies sei nicht als Gängelung der selbstbestimmten Sexarbeiterinnen gedacht, sondern als Schutz für die Frauen, die nach Deutschland gelockt würden, in Bordellen verschwänden und „nicht sichtbar sind“. Diese Frauen habe man bei dem Gesetz im Blick gehabt und schützen wollen, erläuterte die Ministerin.

Linke: Selbstbestimmungsrechte werden nicht gestärkt

Heftige Kritik an der Regelung übte Cornelia Möhring (Die Linke). Damit werde Prostituierten kein Schutz geboten und auch der Menschenhandel nicht wirksam bekämpft. „Auch die Selbstbestimmungsrechte von Prostituierten werden in keinster Weise geschützt oder gestärkt“, sagte die Linke-Abgeordnete. Mit den Beratungs- und Registrierungspflichten würden die nicht erreicht, die erreicht werden sollen. Ein einmaliger kurzer Kontakt mit der Behörde reiche nicht aus, um Vertrauen aufzubauen.

Benötigt würde eine qualifizierte Beratung der Prostituierten, für die es wiederum qualifizierte Berater brauche. „Stattdessen führen sie eine bürokratische Checkliste ein“, warf Möhring der Bundesregierung vor. Was die Erlaubnispflichten für Prostitutionsstätten angeht, so mache das Gesetz keinen Unterschied zwischen Wohnungsbordellen und Großbordellen. „Im Ergebnis werden sie Großbordelle stärken, und die kleinen Wohnungsbordelle gehen kaputt“, warnte Möhring.

CDU/CSU verteidigt die Anmeldepflicht 

Die furchtbaren Zustände im Prostituiertenmilieu seien durch das von der rot-grünen Bundesregierung 2002 verabschiedete Prostitutionsgesetz überhaupt erst möglich geworden, sagte Nadine Schön (CDU/CSU). Jahrelang sei die Situation ignoriert worden. Nun würden den Ordnungsbehörden und der Justiz Instrumente in die Hand gegeben, „um etwas dagegen zu tun“.

Schön verteidigte die Anmeldepflicht. Diese sei wichtig, um die Frauen aus der anonymen Masse herauszuholen. Auch bei der Anhörung sei deutlich geworden: „Ohne Anmeldepflicht gibt es die Frauen gar nicht, man vermisst sie nicht, und so sind sie die perfekte Beute für Menschenhändler.“ Sie habe kein Verständnis für die Ansicht, auf diesen Schutz könne verzichtet werden, weil es „eine Handvoll Sexarbeiterinnen in unserem Land gibt, denen das zu viel ist“. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aus Sicht der Unionsabgeordneten die Zuverlässigkeitsprüfung für Bordellbetreiber.

Grüne: Weder differenziert noch praxistauglich

Die Prostitution sei eine vielfältige Branche, wandte Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) ein. „Wer Kriminalität und Ausbeutung bekämpfen will, muss differenziert vorgehen“, forderte sie. Die Vermischung des Themas mit dem Menschenhandel sei hingegen nicht zielführend. Mit dem Gesetz spreche die Koalition den Frauen „die Entscheidung über ihren eigenen Körper und ihre Berufsentscheidung ab“. Das sei weder differenziert noch praxistauglich.

Auch bei der Anhörung sei deutlich geworden, „dass die Anmeldungs- und Beratungspflicht kontraproduktiv ist“. Das Gesetz diene möglicherweise dem Koalitionsfrieden, sorge aber nicht für mehr Schutz der Prostituierten. „Prostituierte werden sich nicht anmelden. Sie werden in Zukunft illegal arbeiten“, prognostizierte die Grünenabgeordnete. Daher sei das Gesetz „frauenpolitisch ein Desaster, gesundheitspolitischer Unsinn, steuerrechtlich ein schwarzes Loch und bürgerrechtlich hoch bedenklich“.

SPD: Schritt aus der Sittenwidrigkeit

Ulrike Bahr (SPD) verteidigte das rot-grüne Prostitutionsgesetz von 2002. Wer dieses zum Sündenbock für soziale Missstände abstempelt, kehre ganz grundsätzliche Fragen zur gesellschaftlichen Ungleichheit und Armut in einem erweiterten Europa unter den Teppich, befand sie. Das Gesetz sei ein Schritt für die Prostituierten raus aus der Sittenwidrigkeit gewesen. „Wir halten es nicht für gescheitert, wohl aber für ausbaufähig“, sagte die SPD-Abgeordnete. Genau das passiere jetzt durch die Maßnahmen im Prostituiertenschutzgesetz, sagte Bahr.

Im Anschluss an die Debatte lehnte der Bundestag Anträge der Fraktionen Die Linke (18/7236) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7243) entsprechend der Beschlussempfehlung des Familienausschusses (18/9036) ab.

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