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06.06.2016 Familie, Senioren, Frauen und Jugend — Ausschuss — hib 336/2016

Streit über Prostituiertenschutzgesetz

Berlin: (hib/AW) Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Prostituiertenschutzgesetzes entzweit Experten. Im Zentrum der Auseinandersetzung standen in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag vor allem die geplante Anmeldepflicht und verpflichtende Gesundheitsberatung für Prostituierte. Weitgehend unstrittig hingegen ist die angestrebte Erlaubnispflicht für Bordelle und das Verbot ausbeuterischer Geschäftspraktiken wie zum Beispiel Flat-Rate-Angebote.

Anja Kasten vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen, Johanna Thie von der Diakonie Deutschland, Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund und Claudia Zimmermann-Schwartz vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium lehnten die Anmeldepflicht ab. Nach ihrer Ansicht werden viele der Prostituierten der Anmeldepflicht nicht nachkommen, weil sie anonym bleiben wollen. Der Grund hierfür sei das hohe Maß an gesellschaftlicher Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, sagte Zimmermann-Schwartz. Sie müssten damit rechnen, ihre Wohnung oder eine weitere Beschäftigung gekündigt zu bekommen, wenn ihre Tätigkeit als Prostituierte bekannt wird, fügte Anja Kasten an. Die Pflicht zur Anmeldung steigere die Gefahr eines ungewollten Outings. Auch Andrea Hitzke vom Bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel bezweifelte, dass eine Anmeldepflicht den Prostituierten mehr Schutz bietet. Maria Wersig argumentierte, dass eine Anmeldepflicht im Zwei-Jahresrhythmus unverhältnismäßig sei und in die verfassungsrechtlich garantierte Berufsfreiheit eingreife. Johanna Thie verwies darauf, dass Gesundheitsberatungen vor allem dann angenommen würden und erfolgreich seien, wenn sie auf freiwilliger Basis erfolgen.

Leni Breymaier vom Verein „Sisters - für den Ausstieg aus der Prostitution“ in Stuttgart wies diese Argumentation zurück. Rund 80 bis 90 Prozent der Prostituierten seien Frauen aus den Ländern Südosteuropas, die meist der deutschen Sprache nicht mächtig oder gar Analphabeten seien. Für diese Frauen sei Stigmatisierung überhaupt kein Problem, da ihre Existenz von der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen werde. Die Pflicht zur Anmeldung sei letztlich die einzige Chance, einen Kontakt zu diesen Frauen herzustellen, um ihnen gegebenenfalls Wege aus der Prostitution aufzuzeigen. In diesem Sinne argumentierte auch Heike Rudat vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Die Fachärzte für Psychosomatische Medizin, Lutz-Ulrich Besser, und Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Wolfgang Heide sprachen sich für die verpflichtende Gesundheitsberatung aus. Sie verwiesen auf die hohen körperlichen und seelischen Gefährdungen der Sexarbeiterinnen. Prostitution sei „eine organisierte Form des Seelenmordes“ und „der Erniedrigung“, sagte Besser. Heide sprach sich für ein gänzliches Verbot der Prostitution für Schwangere aus. Schwangere Prostituierte würden im Internet „regelrecht versteigert“.

Auch Helmut Fogt von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte eine Anmeldepflicht und eine verpflichtende Gesundheitsberatung prinzipiell. Allerdings müsste das Personal in den Behörden dafür auch speziell geschult sein, zudem müssten Dolmetscher bereitgestellt werden. Er verwies zugleich auf die hohen Kosten, die den Kommunen dadurch entstünden. Der Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing von der Universität Bonn sagte, sowohl die Anmeldepflicht wie auch die Pflichtberatung stelle verfassungsrechtlich kein Problem dar. Der Staat habe eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern, diese könne auch gegen den Willen der Geschützten durchgesetzt werden.

Einig waren sich die Sachverständigen, dass Prostitution ein sehr weites Spektrum an unterschiedlichsten Erscheinungsformen aufweise und deshalb eine gesetzliche Regulierung sehr schwierig sei. Heike Rudat verwies allerdings darauf, dass die allerwenigsten Frauen in der Branche selbstbestimmt arbeiten. Die meisten würden dies aus wirtschaftlicher Not tun.

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