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08.06.2016 Gesundheit — Anhörung — hib 347/2016

Medizinische Versorgung für Flüchtlinge

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten befürworten für Asylbewerber einen unbürokratischen und bundesweit einheitlichen Zugang zu medizinischen Leistungen. Anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch im Bundestag kritisierten Sachverständige die teilweise komplizierte und unzureichende ärztliche Versorgung der Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Vor allem hinsichtlich der psychologischen und psychiatrischen Betreuung traumatisierter Flüchtlinge, aber auch bei Bagatellfällen forderten die Fachleute einfache und rasche Hilfen für die Betroffenen, wie auch aus den schriftlichen Stellungnahmen hervorgeht.

Thema der Anhörung waren Anträge der Opposition mit dem Ziel, die medizinische Versorgung der Flüchtlinge zu verbessern. Die Fraktion Die Linke erinnerte daran, dass Asylbewerber in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland nur eine eingeschränkte Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, konkret medizinische Hilfe nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Diese Beschränkung verletze das Menschenrecht auf Gesundheit, heißt es im Antrag (18/7413) der Fraktion. Die Linke spricht sich dafür aus, alle Asylleistungsberechtigten in die Versicherungspflicht einzubeziehen und Gesundheitskarten an alle Asylbewerber auszugeben. Die Leistungseinschränkungen sollten gestrichen werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt mit ihrem Antrag (18/6067) auf eine bessere psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung der Flüchtlinge. Rund 40 Prozent aller Flüchtlinge seien traumatisiert, darunter viele Frauen und Kinder. Die dringend benötigte Behandlung erhielten psychisch kranke Flüchtlinge nur im Einzelfall, zudem würden Dolmetscher von den Krankenkassen nicht finanziert. Die Abgeordneten verlangen, allen Berechtigten nach dem AsylbLG die kompletten Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu gewähren und ihnen hierzu eine Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen.

Der GKV-Spitzenverband merkte an, dass für die Umsetzung der Leistungsansprüche die Länder zuständig seien. Die Leistungsgewährung werde sodann „wesentlich in das Ermessen der kommunalen Leistungsträger gestellt“. So bestünden derzeit in acht Ländern Vereinbarungen zur Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) an Flüchtlinge, jedoch hänge die Umsetzung vom Verhalten der Kommunen ab. In Nordrhein-Westfalen etwa seien nur 20 von 400 Gemeinden der Landesvereinbarung beigetreten. Andere Länder hätten sich „gegen die Option der auftragsweisen Einbindung der Krankenkassen ausgesprochen“.

Angesichts der föderalen Rahmenbedingungen bestehe ein einheitlicher Zugang zu Gesundheitsleistungen für Asylbewerber in den ersten 15 Monaten nicht. Die Flüchtlinge hätten jedoch Anspruch auf eine „einheitliche und angemessene medizinische Versorgung“. Es liege im Ermessen des Gesetzgebers, die erforderlichen Leistungen zu bestimmen sowie die von den Krankenkassen auftragsweise Betreuten. Entscheidend sei, „dass ein bundesweit einheitlicher Zugang“ zu Leistungen sichergestellt werde. Der Spitzenverband bezweifelte zugleich Darstellungen, wonach rund die Hälfte der Flüchtlinge traumatisiert ist. Es gehe oft wohl eher um soziale Betreuungsangebote. Eine psychische Erkrankung sei davon „eindeutig abzugrenzen“. Eine „verallgemeinernde Pathologisierung aller Flüchtlinge“ entspreche weder der Realität, noch helfe dies bei der Integration.

In der Anhörung machten mehrere Sachverständige deutlich, dass verlässliche Angaben über die Zahl der Flüchtlinge, die unter einer psychischen Störung leiden, derzeit nicht möglich sind.

Nach Ansicht der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ist das Gesundheitssystem nicht auf eine bedarfsgerechte Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge in hoher Anzahl eingestellt. Nur wenige der psychisch belasteten oder kranken Geflüchteten erhielten eine angemessene Versorgung. Das gelte vor allem für die psychotherapeutische Behandlung. Grund seien die eingeschränkten gesetzlichen Leistungen. Flüchtlinge dürften aber nicht wie Patienten zweiter Klasse behandelt werden. Die Einschränkungen sollten daher aufgehoben werden. Zudem seien Dolmetscher für die Psychotherapie nötig, die in jedem Fall mitfinanziert werden müssten. Die Integration einschließlich des Erlernens der deutschen Sprache sei bei den Flüchtlingen mit psychischen Störungen nur nach einer erfolgreichen Therapie möglich, sagte eine Verbandssprecherin in der Anhörung.

Die Bundesärztekammer (BÄK) sprach sich dafür aus, den Flüchtlingen eine vollwertige Krankenversicherungskarte auszuhändigen und sie in die GKV-Regelversorgung zu übernehmen. Die gesetzlich vorgesehenen Leistungseinschränkungen für Asylbewerber sollten aufgehoben werden. Zudem müsse der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) personell besser ausgestattet werden, um die Flüchtlingsbetreuung zu verbessern.

Auch Helmut Middeke von der „Flüchtlingsambulanz“ des Klinikums Lippe sieht den 15-Monate-Zeitraum bis zur GKV-Regelversorgung für Flüchtlinge kritisch. Der stark reglementierte Leistungsumfang führe im Endeffekt zu höheren Kosten, die bürokratische Regelung über Sozialämter zu verschleppten Behandlungen. Da es oft keine zentrale medizinische Anlaufstelle für Flüchtlinge gebe, würden die Notaufnahmen der Krankenhäuser mit der Behandlung von Bagatellfällen blockiert. Das sollte als Folge der Flüchtlingswelle nicht unterschätzt werden, sagte Middeke in der Anhörung. Nach Ansicht des Mediziners könnte die „medizinische Unter-, Über- oder Fehlversorgung“ der Flüchtlinge deutlich reduziert werden.

In der Anhörung äußerten sich viele Fachleute, die mit der praktischen Flüchtlingsarbeit zu tun haben. Nach ihrer übereinstimmenden Ansicht kann die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber noch deutlich verbessert werden.

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