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06.07.2016 Recht und Verbraucherschutz — Ausschuss — hib 415/2016

„Nein heißt Nein“im Sexualstrafrecht

Berlin: (hib/SCR) Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ soll im Sexualstrafrecht verankert werden. Die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz stimmten bei ihrer Sitzung am Mittwochmorgen mit Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für den Entwurf der Bundesregierung (18/8210, 18/8626) in geänderter Fassung. Auch eine eigene Norm zur sexuellen Belästigung soll eingeführt werden. Zudem sieht der Gesetzentwurf Änderungen im Hinblick auf die Ausweisungsvoraussetzungen im Aufenthaltsgesetz vor, die im Zusammenhang mit den neu gefassten Strafnormen stehen.

Grundsätzlicher Konsens bestand zwischen den Koalitionsfraktionen sowie den Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen über den reformierten Paragraphen 177 Strafgesetzbuch (StGB). Oppositionsvertreter kritisierten hingegen die Änderungen im Aufenthaltsrecht als unverhältnismäßig sowie insbesondere den ebenfalls neu zu schaffenden Tatbestand der „Straftat aus Gruppen“ als möglicherweise verfassungswidrig. Grüne und Linke enthielten sich daher bei der Abstimmung zum geänderten Gesetzentwurf. Vertreter der Union verteidigten die Gruppen-Norm hingegen. Diese ziele auf Phänomene, etwa die Vorkommnisse auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht, die bisher nicht ausreichend strafrechtlich erfasst seien. Gesetzentwürfe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5384) und Die Linke (18/7719) scheiterten an der Koalitionsmehrheit im Ausschuss.

Die geänderte Fassung weicht erheblich vom ursprünglichen Regierungsentwurf ab. Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, vermutete Schutzlücken etwa in Hinblick auf Überraschungstaten im bestehenden Paragraphen 179 StGB zu regeln. Die geänderte Fassung des Gesetzentwurfes sieht hingegen nun vor, den Paragraphen 177 neu zu fassen („Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung“) und dort auch die Missbrauchstatbestände des 179 StGB aufgehen zu lassen. Die wesentliche Änderung dabei ist, dass alle sexuelle Handlungen gegen den „erkennbaren Willen“ einer anderen Person unter Strafe fallen sollen („Nein heißt Nein“). Für diese Taten sieht der Entwurf im Absatz 1 eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor. Der „erkennbare Wille“ muss dabei laut Begründung entweder ausdrücklich verbal oder konkludent, beispielsweise durch Weinen oder Abwehrhandlungen, ausgedrückt werden. Das gleiche Strafmaß ist im Absatz 2 für Taten vorgesehen, bei denen ein Täter etwa ausnutzt, dass das Opfer nicht in der Lage dazu ist, einen solchen Willen zu bilden oder zu äußern. Ebenfalls umfasst davon sind Taten, bei denen ein Überraschungsmoment ausgenutzt wird. Zudem sollen Fälle, in denen das Opfer ein „empfindliches Übel“ im Sinne des Paragraph 240 StGB droht beziehungsweise wenn es durch Drohung damit genötigt wird, künftig so bestraft werden. Bei Taten nach Absatz 1 und 2 soll auch der Versuch strafbar sein.

Mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr sollen nach Absatz 3 Fälle bestraft werden, in denen die Unfähigkeit zur Bildung oder Äußerung eines Willens auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht. Die Nötigungstatbestände - Anwendung von oder Drohung mit Gewalt sowie das Ausnutzen einer schutzlosen Lage - bleiben als Absatz 4 erhalten. Der besonders schwere Fall (Vergewaltigung), bei dem der Täter den Beischlaf vollzieht oder beispielsweise das Opfer anderweitig penetriert und der eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren vorsieht, soll sich laut dem Entwurf nicht nur auf die sexuelle Nötigung beziehen, sondern auf alle sexuellen Übergriffe der neu gefassten Strafvorschriften.

Als neuer Straftatbestand soll im 184i StGB die sexuelle Belästigung normiert werden. Damit sollen Taten erfasst werden, die nicht die Erheblichkeitsschwelle für „sexuelle Handlungen“ des 184h StGB überschreiten. Laut Begründung handelt demnach strafbar, „wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“, etwa durch Begrapschen des Gesäßes. Vorgesehen ist eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. In schweren Fällen, insbesondere wenn die Tat gemeinschaftlich begangen wird, ist ein Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen. Grundsätzlich soll es sich um ein Antragsdelikt handeln.

Mit dem neu zu schaffenden 184j StGB will die Koalition zudem ermöglichen, Menschen zu bestrafen, die sich an einer Gruppe beteiligen, um andere Personen zu bedrängen und Straftaten, etwa Raub oder Diebstahl, zu begehen, und aus der heraus es zu Übergriffen im Sinne des 177 beziehungsweise 184j StGB-E kommt. Gedacht ist hier etwa an das Phänomen der „Antänzerei“. Vorgesehen ist eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Die Strafbarkeit richtet sich laut Begründung hierbei danach, ob es zu Übergriffen kommt, und nicht danach, ob diese vom Vorsatz des einzelnen Gruppenbeteiligten umfasst waren.

Der neu gefasste Paragraph 177 StGB soll auch Folgen für Ausweisungsbestimmungen im Aufenthaltsgesetz haben. Demnach soll eine Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe nach dem neu gefassten 177 StGB, je nach Höhe der Strafe, dazu führen, dass das Ausweisungsinteresse gemäß Paragraph 54 AufenthG „besonders schwer“ beziehungsweise „schwer“ wiegt. Zudem kann laut Entwurf von dem generellen Abschiebeverbot nach Paragraph 60 AufenthG abgewichen werden, wenn ein Ausländer nach Paragraph 177 StGB zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Dies war bislang in all diesen Fällen nur dann möglich, wenn die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung „mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List“ begangen wurde.

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