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Parlament

Zoni Weisz spricht zum Gedenken an die NS-Opfer

Zoni Weisz

Zoni Weisz (Weisz/Rogier Fokke.NL)

Es ist eine Premiere - am 27. Januar wird zum ersten Mal anlässlich des „Tags des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ ein Vertreter der Sinti und Roma im Bundestag sprechen. Zoni Weisz wurde 1937 in den Niederlanden geboren. 1944 deportierten die Nationalsozialisten seine Eltern und Geschwister nach Auschwitz, er konnte mit Hilfe eines niederländischen Polizisten fliehen und überlebte den Krieg im Versteck und bei Verwandten.

66. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. An diesem Tag hatten sowjetische Soldaten im Jahr 1945 das Vernichtungslager Auschwitz befreit.

Der Bundestag hat in den vergangenen Jahren mehrere Male Gastredner zu diesem Anlass eingeladen. 2010 sprachen der israelische Staatspräsident Shimon Peres und der polnische Historiker Feliks Tych, in den Jahren davor Bundespräsident Horst Köhler (2009) und der ungarische Literaturnobelpreisträger Imre Kertész (2008).

Der vergessene Holocaust

Dass er als erster Vertreter der Sinti und Roma als Redner für den Auschwitz-Gedenktag angefragt wurde, habe ihn „überrascht und geehrt“, berichtet der diesjährige Gastredner Zoni Weisz. Es sei unglaublich wichtig, an die Ermordung der Sinti und Roma vor und während des Zweiten Weltkrieges zu erinnern.

Zoni Weisz nennt es den „vergessenen Holocaust“, weil er erst seit wenigen Jahren erforscht und beachtet werde. In Deutschland und den von den Deutschen besetzten Ländern wurden bis 1945 nach Schätzungen von Historikern 220.000 bis 500.000 Roma und Sinti ermordet.

„Bis 1944 eine ganz normale Familie“

„Bis 1944 waren wir eine ganz normale, glückliche Familie“, erzählt Zoni Weisz. Er lebte mit seinen Eltern und drei Geschwistern in der niederländischen Kleinstadt Zutphen, wo der Vater ein Musikgeschäft besaß. Am 16. Mai 1944, dem „schwärzesten Tag in der Geschichte der niederländischen Sinti und Roma“, wie Weisz sagt, wurde seine Familie bei landesweiten Razzien verhaftet.

Der damals siebenjährige Zoni verdankt sein Überleben mehreren glücklichen Fügungen: Er entkam zunächst, weil er bei einer Tante außerhalb der Stadt zu Besuch war. Er versteckte sich zusammen mit einer Gruppe von neun Personen in den Wäldern, wurde aber drei Tage später gefunden und verhaftet.

Transport ins Konzentrationslager entkommen

Wie seine Familie sollte er ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert werden. Weil der Zug das niederländische Sammellager Westerbork aber bereits verlassen hatte, sollten Zoni Weisz und die mit ihm Verhafteten an einem späteren Bahnhof in die Viehwaggons steigen.

Dort verhalf ihnen ein niederländischer Polizist zur Flucht: Als auf der einen Seite des Bahnsteigs der Deportationszug mit Juden, Sinti und Roma einfuhr - darunter auch Zoni Weisz' Familie - hielt auf der anderen Seite des Bahnsteigs ein Personenzug. Auf ein Zeichen des Polizisten rannten die Verhafteten zum Personenzug und entkamen so dem Transport in ein Konzentrationslager.

Versteckt die deutsche Besatzung überlebt

Im Wald, bei Bauern und schließlich bei seinen Großeltern versteckt überlebte Zoni Weisz die deutsche Besatzung. Nach dem Krieg erfuhr er, dass seine Eltern und Geschwister im Konzentrationslager ums Leben gekommen waren.

Zoni Weisz begann eine Ausbildung zum Gärtner und Floristen. Sein Beruf führte ihn bis an den niederländischen Königshof: Dort entwarf er die Blumendekoration für die Krönung von Königin Beatrix und die Hochzeit von Kronprinz Willem Alexander.

Immer noch diskriminiert

Er gestaltete auch das Blumenkunstwerk, das das niederländische Parlament dem Bundestag 1999 zu dessen 50-jährigem Bestehen schenkte.

In der Gedenkstunde, die ihn erneut in die deutsche Hauptstadt führt, wird Zoni Weisz aber nicht nur an das Schicksal der Sinti und Roma während des Zweiten Weltkrieges erinnern, sondern auch an die aktuelle Diskriminierung, der Mitglieder der Minderheit in Europa immer noch ausgesetzt seien.

Internationale Jugendbegegnung

Zum Gedenktag organisiert der Bundestag seit mehreren Jahren eine internationale Jugendbegegnung.

80 Jugendliche aus Deutschland, Frankreich, Polen, der Tschechischen Republik und anderen Ländern, die sich in ihren Heimatländern in unterschiedlichen Projekten für das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus engagieren, werden sich dieses Jahr vom 22. bis 27. Januar in einem Seminar mit der Geschichte des Konzentrationslagers Dachau beschäftigen. Sie haben dabei Gelegenheit, ihr Wissen in Dachau, München und Nürnberg zu vertiefen und einander kennenzulernen.

Podiumsdiskussion mit Weisz und Lammert

Die Teilnehmer an der Jugendbegegnung kommen am Donnerstag um 11.30 Uhr zu einer presseöffentlichen Podiumsdiskussion mit Zoni Weisz und Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert zusammen.

Sie wird im Saal 1.302 des Jakob-Kaiser-Hauses in Berlin von Dr. Petra Lidschreiber moderiert und vom Parlamentsfernsehen aufgezeichnet.

Ausstellung „Garten der Erinnerung“

In der Ausstellung „Garten der Erinnerung“ der Künstlerin Valentina Pavlova werden im Paul-Löbe-Haus vom 28. Januar bis zum 25. Februar 40 Porträtfotos von Kindern, die die Nationalsozialisten im Rahmen ihres „Euthanasie“-Programms ermordet haben, und 40 blühende Apfelbäume gezeigt. Sie stehen stellvertretend für etwa 10.000 Kinder, die zwischen 1940 und 1945 dem „Euthanasie“-Programm zum Opfer fielen.

Im Anschluss an die Gedenkstunde besichtigen Bundestagspräsident Lammert und Zoni Weisz sowie weitere Politiker und Gäste diese künstlerische Bodeninstallation, die den ermordeten Kindern gewidmet ist.

Gedenkstunde wird live übertragen

Die Gedenkstunde im Beisein von Bundestagsabgeordneten, Vertretern der Verfassungsorgane sowie Teilnehmern der Jugendbegegnung wird am Donnerstag, 27. Januar, um 9 Uhr im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes von Bundestagspräsident Lammert eröffnet, ehe Zoni Weisz das Wort ergreifen wird.

Der ungarische Musiker Ferenc Snétberger spielt vor und nach der Rede von Zoni Weisz auf der Gitarre.

Die Gedenkstunde wird ab 9 Uhr live im Parlamentsfernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen. (ktk)

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