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Inneres

Bundestag: Drei sichere Herkunftsstaaten

Der Bundestag hat den Weg frei gemacht für die Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens  als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten. Gegen die Stimmen der Opposition sowie einer Reihe von SPD-Parlamentariern nahm das Parlament am Freitag, 13. Mai 2016,  einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8039, 18/8311) an. In namentlicher Abstimmung votierten 424 von 572 Abgeordneten für die Regierungsvorlage. Dagegen stimmten 145 Parlamentarier, darunter neben den Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auch 22 Sozialdemokraten. Drei SPD-Abgeordnete enthielten sich. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates, für die auch die Stimmen mehrerer Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Grünen erforderlich sind.

„Aufenthalt in Deutschland schneller beenden“

In ihrer Vorlage zur Einstufung der drei Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten schreibt die Bundesregierung, es könne nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung für Behörden und Gerichte gleichermaßen verbindlich festgelegt werden, „dass - vorbehaltlich der Möglichkeit einer Widerlegung der Vermutung der Verfolgungsfreiheit im Einzelfall - ein von dem Staatsangehörigen eines solchen Staates gestellter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist“.

Bei einer solchen Ablehnung werde das Asylverfahren erheblich beschleunigt. Die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten verbessere daher die Möglichkeit, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten rascher bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können.

Minister: Schutz bei individuellem Verfolgungsschicksal

In der Debatte räumte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) ein, dass es in den drei Maghreb-Staaten Menschenrechtsprobleme gibt. In Algerien sehe das Strafgesetzbuch vor, dass ein Mann, der ein Mädchen unter 18 Jahren vergewaltigt, straffrei ausgehen könne, wenn er das Opfer heiratet. 

In Marokko müssten Aktivisten mit staatlichem Druck rechnen, wenn sie den Anspruch des Landes auf die Region Westsahara kritisieren. In Tunesien könnten Männer wegen homosexueller Handlungen strafrechtlich belangt werden. Weil man dies wisse, werde Deutschland Menschen aus diesen Ländern auch weiterhin Schutz gewähren, „wenn ihnen ein individuelles Verfolgungsschicksal droht“.

„Persönliche Verfolgung muss vorliegen“

Um in Deutschland Asyl zu erhalten, müsse „eine persönliche Verfolgung vorliegen“, die der Antragsteller vortragen müsse, fügte der Ressortchef hinzu. Allein durch die „abstrakte Androhung einer Todesstrafe und die abstrakte Strafbarkeit von Homosexualität“ ergebe sich kein Asylgrund und auch kein Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Antragsteller aus den drei Maghreb-Staaten würden aber in der Regel nicht politisch verfolgt.

Dies belegten die Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in 2015 und den ersten Monaten des laufenden  Jahres. Im vergangenen Jahr habe die Gesamtschutzquote noch 2,1 Prozent betragen und sei im ersten Quartal 2016 auf 0,7 Prozent gefallen. Dies zeige, dass es auch Fälle gibt, in den Asyl gewährt wird, doch bei mehr als 99 Prozent der Antragsteller aus diesen Staaten sei dies in diesem Jahr nicht der Fall gewesen.  

Linke: Schwere Menschenrechtsverletzungen

Für Die Linke hielt ihre Abgeordnete Ulla Jelpke dem Minister vor, selbst die Argumente für eine Ablehnung des Gesetzentwurfs vorgetragen zu haben. In Algerien, Marokko und Tunesien gebe es „schwere Menschenrechtsverletzungen“. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden missachtet. Auch werde in allen drei Ländern gefoltert. Wer in Marokko die völkerrechtswidrige Besetzung der Westsahara kritisiere, müsse mit Haft rechnen. All das seien relevante Asylgründe, weshalb diese Länder nicht als sicher eingestuft werden dürften.

Eine solche Einstufung bedeute, dass Menschen aus diesen Ländern „für hiesige Behörde einen unbegründeten Asylantrag“ stellen, dass sie „in Sonderlagern untergebracht werden“, einer  verschärften Residenzpflicht unterliegen und von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen sind, die von Anfang an nötig wären. So ein „Asylrecht zweiter Klasse“ lehne ihre Fraktion grundsätzlich ab.  

SPD: Zügigere Verfahren setzen Ressourcen frei

Der SPD-Parlamentarier Burkhard Lischka entgegnete Jelpke, dass die drei Länder als sichere Herkunftsländer eingestuft würden, um das Asylrecht zu stärken. Dieses Recht soll „diejenigen schützen, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden oder vor Krieg und Tod fliehen“. In Algerien, Marokko und Tunesien sei dies aber nicht der Fall. Die Einwanderung aus diesen Staaten erfolge bei mehr als 99 Prozent der Menschen aus anderen Motiven wie beispielsweise dem „Wunsch nach einem besseren Leben“. Dies sei menschlich verständlich, aber kein Asylgrund.

Wer von dort wegen Verfolgung oder Diskriminierung nach Deutschland komme, könne auch künftig Asyl erhalten. Für die „übergroße Mehrheit“ aber bedeute die Einstufung der drei Maghreb-Staaten als sicherere Herkunftsländer zügigere Verfahren. Dies setze wiederum Ressourcen frei, die solchen Flüchtlingen zugute kämen, die in ihren Heimatländern „tatsächlich - und zwar massenhaft  - von Kriegshandlungen bedroht sind“.

Grüne: Menschenrechte sind nicht relativierbar

Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg warf der Regierungskoalition vor, in Algerien, Marokko und Tunesien zwar Menschenrechtsverletzungen zu erkennen, aber diese Länder trotzdem als sichere Herkunftsländer einstufen zu wollen. Der Grund sei, dass es der Koalition „eben nicht um Menschenrechte vor Ort geht, sondern rein um Innenpolitik“. Dies halte ihre Fraktion für falsch. Gehe man von einer „Grundvermutung“ aus, dass keine Verfolgung vorliegt, sei es für Betroffenen in der Praxis schwieriger, eine solche Verfolgung glaubhaft zu machen.

Bei einer Einstufung als sichere Herkunftsländer drohe daher die Gefahr, „dass wir es nicht schaffen, die wenigen Fälle, wo wirklich Verfolgung vorliegt, 'rauszufiltern“. Menschenrechte seien aber nicht relativierbar, und wenn Verletzungen der Menschenwürde erkannt würden, müssten sie bekämpft werden. Amtsberg wandte sich zugleich dagegen, von einer „abstrakten Androhung der Todesstrafe“ oder einer „abstrakten Verfolgung von Homosexuellen“ zu sprechen. Für die Menschen vor Ort sei dies keineswegs abstrakt.

CDU/CSU: Nur ganz wenige wirklich schutzbedürftig

Die CDU-Parlamentarierin Nina Warken wertete dagegen die Einstufung als sicheres Herkunftsland als Instrument, „um gegen Asylmissbrauch und gegen illegale Migration vorzugehen“. Von den vielen Migranten aus den Maghreb-Staaten seien nur ganz wenige wirklich schutzbedürftig. So seien im vergangenen Jahr von rund 2.600 Asylanträgen nur 41 von Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) positiv beschieden worden. Auch sei das BAMF nur in sieben von mehr als 700 Gerichtsentscheidungen korrigiert worden.

Trotz dieser geringen Anerkennungschancen seien im vergangenen Jahr rund 26.000 Asylsuchende aus den Maghreb-Staaten gekommen, davon ein Viertel im Dezember. Alles spreche dafür, „dass dieser Zustrom in Wirklichkeit nicht mit Verfolgung zu tun hat“. Die „Schwelle zu einer systematischen und durchgängigen Verletzung schwerwiegender Menschenrechte“ werde in Algerien, Marokko und Tunesien nicht überschritten. Daran änderten auch „die Einzelfälle von Verfolgung etwa wegen Homosexualität“ nichts. 

Gegen das Votum der Opposition fand ein Entschließungsantrag der Grünen (18/8425) keine Mehrheit, in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert worden war, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen und darauf hinzuwirken, dass Staaten, in denen einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen bestraft werden, innerhalb der EU nicht oder nicht mehr als sichere Herkunftsstaaten gelten. (sto/13.05.2016)

 

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