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Nahles: Renten wegen Erwerbsminderung sollen erhöht werden

Die Bundesregierung plant, die Bezüge in der Erwerbsminderungsrente zu erhöhen. Dazu soll ab 2018 die Zurechnungszeit schrittweise verlängert werden, bis 2024 um drei Jahre. So werden die  Rentenansprüche bis zum fiktiven Alter von 65 hochgerechnet. Das Bundeskabinett hat nun einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Erwerbsminderungsrente beschlossen. Die sei „richtig und wichtig“, um Menschen die etwa durch einen Unfall, eine chronische Krankheit oder dauerhafte Depression nicht arbeiten können und deshalb eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, „unter die Arme zu greifen“, sagte  Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 15. Februar 2017, die Eckpunkte der Reform vorstellte.

170.000 Menschen werden jährlich erwerbsunfähig 

„Durchschnittlich 170.000 Menschen  werden jedes Jahr erwerbsunfähig“, so die Ministerin. Die bis zu diesem Zeitpunkt angesammelten Rentenpunkte reichten jedoch meist nicht, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Aus diesem Grund werde bei der Erwerbsminderungsrente einbezogen, wie sich bei gleichbleibender Berufstätigkeit die Rentenansprüche entwickelt hätten.

Weil aber Menschen, die wegen einer Krankheit vorzeitig in Ruhestand gehen müssen, im Durchschnitt erst  50 Jahre alt seien, fielen auch ihre Rentenansprüche meist sehr gering aus. „Jeder Siebte ist auf zusätzliche Leistungen angewiesen“, betonte Nahles. Unter Altersrentnern seien dies nur rund drei Prozent.

Zurechnungszeit wird schrittweise verlängert

Aus diesem Grund solle von 2018 bis 2024 die Zurechnungszeit schrittweise um drei Jahre verlängert werden – von aktuell 62 auf 65 Jahre. Dadurch werde, so die Sozialministerin, die monatliche Rente um sieben Prozent steigen. Allerdings profitierten von dieser Erhöhung nur diejenigen, die vom 1. Januar 2018 erstmals eine Erwerbsminderungsrente bekommen, räumte Nahles ein.

Für die 1,8 Millionen Bestandsrentner, die derzeit schon Leistungen bezögen, ändere sich nichts. Allerdings verwies die Ministerin darauf, dass die Bundesregierung bereits in der laufenden Legislaturperiode für eine Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten gesorgt habe: 2014 seien Zurechnungszeiten um zwei Jahre verlängert worden, von 60 Jahre auf 62 Jahre.

Birkwald: Abschläge abschaffen

Für den rentenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, geht die geplante Reform dennoch nicht weit genug: Die Betroffenen bekämen in Zukunft zwar „ 53 Euro mehr“ – das Ziel, Menschen in Erwerbsminderungsrente vor Altersarmut zu schützen, verfehle die Bundesregierung aber, so die Kritik des Linke-Abgeordneten aus Köln. „Wäre es nicht sinnvoller, die Zurechnungszeiten sofort und nicht schrittweise zu verlängern, die Abschläge abzuschaffen und die Bestandsrentner miteinzubeziehen?“

Dieser Meinung teilte die Ministerin nicht: Insbesondere wandte sie sich gegen die Abschaffung der Abschläge. Diese seien nötig, um im Prinzip nicht zwischen Erwerbsrentnern und Altersrentnern, die in Frührente gehen, zu unterscheiden.

Kurth: Unterschied zu Altersrentnern

Hier hakte Markus Kurth, Sprecher für Rentenpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, nach: „Stimmen Sie mir zu“, fragte er die Ministerin, „dass Menschen, die aus medizinischen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand gehen, nicht mit normalen Altersrentnern gleichgestellt werden können?“ Deren vorzeitiger Renteneintritt sei freiwillig, der aus medizinischen Gründen hingegen nicht.

Nahles erklärte, dass dieser Unterschied sehr wohl in der Höhe der Abschläge berücksichtigt werde: „Die Abschläge sind bei Erwerbsrentnern auf 10,8 Prozent begrenzt und damit niedriger.“ Bei den Altersrentnern könnten sich die Abzüge sogar auf bis zu 14,4 Prozent belaufen.

Schutz vor Altersarmut

Kerstin Griese (SPD), Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, wollte wissen, wie es durch die geplante Reform gelingen könne, „zielgenau“ die Situation der Menschen zu verbessern, die von Altersarmut am meisten betroffen seien.

Nahles verwies auf Angaben der Deutschen Rentenversicherung, denen zufolge fast 15 Prozent der Erwerbsminderungsrentner ein so geringes Einkommen haben, dass sie auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Unter den Altersrentnern ab 65 Jahren seien dies hingegen nur drei Prozent.  Deshalb sei es richtig, die Bezüge der Erwerbsrentner zu erhöhen, „da dies genau die Gruppe ist, die am stärksten von Altersarmut betroffen ist“, so die Ministerin.

Müller-Gemmeke: Psychische Belastungen besser erkennen

Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte von Bündnis 90/Die Grünen, erkundigte sich vor dem Hintergrund der Zunahme von psychischen Erkrankungen, wann die Bundesregierung eine Verordnung vorlegen werde, die den gestiegenen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz Rechnung trage. Die Betriebe müssten etwas an die Hand bekommen, um psychische Belastungen überhaupt erst mal erkennen und im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen auch vermeiden zu können. „Wann also werden Sie tätig? Es ist notwendig“, betonte die Abgeordnete aus Reutlingen.

Nahles bestätigte Müller-Gemmekes Einschätzung, verwies aber auf eine große Untersuchung, die ihr Ministerium noch abwarten wolle. „Wir erwarten uns davon konkrete Vorschläge, wie psychische Belastungen vermieden werden können.“

Verlängerung der Zurechnungszeit in sechs Stufen

Peter Weiss (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, bat die Ministerin darum, noch einmal zu erklären, in welchen Stufen die Zurechnungszeiten verlängert werden sollen. 

Daraufhin erläuterte  Nahles, dass die Reform vorsehe, die Zeiten insgesamt in sechs Stufen zu verlängern. „Beginnend ab dem 1.1. 2018 erfolgt erst eine Verlängerung um drei Monate, dann je Kalenderjahr eine Verlängerung um sechs Monate.“ Das Ende sei 2024 erreicht. (sas/15.02.2017)

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