Parlament

Einzigartige Beziehungen: Die Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe

v.l.n.r. Dr. Matthias Bartke, Sven Volmering, Volker Beck, (der Israelische Abgeordnete UND Vorsitzender der Israelisch-Deutschen Freundschaftsgruppe in der Knesset) Nachman Shai und Kerstin Griese. Entstanden ist das Bild natürlich in der Knesset zum Ablass einer Geschenkübergabe an die Delegation.

Abgeordnete Matthias Bartke (SPD), Sven Volmering (CDU/CSU), Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Knesset-Abgeordneter und Vorsitzender der Israelisch-Deutschen Freundschaftsgruppe in der Knesset, Nachman Shai, Abgeordnete Kerstin Griese (SPD) in der Knesset. Volker Beck erhielt für seine Verdienste um die deutsch-israelische Freundschaft ein Bild mit der Stadtsilhouette Jerusalems („Jerusalem of Gold“). (Knesset)

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern pflegen, das gegenseitige Verständnis vertiefen – dieser Aufgabe haben sich die Abgeordneten der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe verschrieben. Die Zusammenarbeit basiert sowohl im Bundestag als auch im israelischen Parlament, der Knesset, auf einem breiten Spektrum politischer Kräfte, Abgeordneten der Regierungskoalition sowie der Opposition. Etwa 50 Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich in der laufenden Wahlperiode der Parlamentariergruppe angeschlossen.

Sie beschäftigen sich mit sämtlichen Aspekten der deutsch-israelischen Beziehungen, kommen zu Fachgesprächen zusammen, beteiligen sich an Diskussionen, sind Anlaufstelle für Besucher aus Israel, treffen ihre israelischen Kolleginnen und Kollegen und verschaffen sich im Partnerland einen eigenen Eindruck von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.

Es ist Aufgabe der Parlamentariergruppe, den Gesprächsfaden zum Partnerland nicht abreißen zu lassen. Innerhalb Deutschlands leisten ihre Mitglieder Aufklärungsarbeit über Israel in Parlament und Medien und erläutern beispielsweise die besondere sicherheitspolitische Lage im Nahen Osten.

„Erinnerung an den Holocaust gehört zum Fundament“

Der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe komme schon wegen der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel eine besondere Bedeutung zu, sagt Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe. „Die Erinnerung an den Holocaust und die sich daraus ergebende Verpflichtung für die Sicherheit Israels gehört zum Fundament der Beziehungen.“

Mittlerweile belaste das dunkelste Kapitel in der Geschichte zweier Völker die politische Zusammenarbeit nicht mehr, sagt Beck. „Den Israelis ist klar, dass unsere Freundschaft zu Israel kein leeres Wort ist.“ Durch die ernst gemeinte Partnerschaft finde man auch mit konstruktiver Kritik Gehör. „Wir reden als Freunde mit Israel und über Israel, werben für die Interessen dieses Landes. Wir diskutieren mit unseren israelischen Freunden Punkte aber auch kontrovers, wenn wir es für geboten halten.“

Kennzeichnungspflicht für Siedlerprodukte in der Kritik

Dass die Mitglieder der Gruppe sich nicht scheuen zu sagen, wenn aus ihrer Sicht etwas falsch läuft, haben sie erst jüngst wieder bewiesen, als sie die EU-Entscheidung für eine Kennzeichnungspflicht israelischer Produkte aus den besetzten Gebieten in Palästina anprangerten. Aber auch, als sie in einem Brief an Regierung und Parlament in Israel die Gesetzesnovelle über Nichtregierungsorganisationen (NGO) als unverhältnismäßig und diskriminierend kritisierten.

„Wir erheben unsere Stimme, wenn Israel unfair behandelt wird. In der öffentlichen Debatte gibt es häufig doppelte Standards: gegenüber dem Staat Israel werden oft Dinge kritisiert, die bei anderen Ländern unberücksichtigt bleiben“, betont Beck das Selbstverständnis der Gruppe.

Die Einzigartigkeit der deutsch-israelischen Beziehungen, das Engagement der Abgeordneten: dies alles mache die Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe zu der in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommenen Parlamentariergruppe des Bundestages, sagt Beck.

Konfliktlösung im Nahen Osten hat höchste Priorität

Zu den wichtigsten Themen der Zusammenarbeit mit Israel gehört die Frage, wie die Region des Nahen Ostens befriedet werden könne und sich der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern beilegen lasse. „In den Anstrengungen für Frieden dürfen wir nicht nachlassen. Wir müssen uns fragen, wo wir einen Beitrag leisten können, um Hindernisse zur Lösung des Konflikts aus dem Weg zu räumen“, unterstreicht Beck die Ambitionen der Abgeordneten.

Um in der Sache weiterzukommen, die israelische Seite zu verstehen, authentische Eindrücke und Informationen zu sammeln und zu den Entscheidungsträgern des Partnerlandes Zugang zu finden, sei der Austausch mit den israelischen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der Parlamentariergruppe so wertvoll.

Sicherheit Israels Grundbedingung für Frieden

Zentrales Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden im Nahen Osten sei die für Israel angespannte Sicherheitslage, hervorgerufen durch die andauernden Terrorangriffe palästinensischer Kämpfer. So gerate Israel immer wieder unter Raketenbeschuss von jenseits der Grenzen. Selbstmordattentätern gelinge es, den Terror in das Land zu tragen.

„Man stelle sich vor: Dieser Staat ist Tag für Tag damit beschäftigt, seine schiere Existenz zu sichern“, gibt Beck zu bedenken. Israel werde von den meisten arabischen Ländern der Region infrage gestellt. Abkommen, die das Land ausdrücklich anerkennen, gebe es lediglich mit Ägypten und Jordanien. Mit Luftabwehrsystemen, Pufferzonen und gezielten militärischen Schlägen trotze Israel bislang all diesen Gefahren.

Der Schlüssel zur Lösung des Nahostkonflikts liege in der Sicherheitsfrage: Wie lasse sich die Sicherheit des jüdischen Staates gewährleisten – und daneben ein entmilitarisierter palästinensischer Staat schaffen? Wie schwierig es sei, die Formel „Land gegen Frieden“ aus dem Osloer Friedensprozess umzusetzen, habe der einseitige Rückzug der Israelis 2005 aus dem ehemals besetzten Gazastreifen gezeigt. Seitdem sei Israel aus den freigegebenen Gebieten vermehrt mit Raketen attackiert worden.

Kritik am Siedlungsbau

Gleichzeitig mache man der israelischen Seite klar, dass der Bau immer neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten für eine baldige Konfliktlösung nicht förderlich sei. Die Partnerschaft mit Israel sei mittlerweile so gereift, gründe sich auf eine solche Vertrauensbasis, dass sie den Austausch unterschiedlicher Ansichten aushalte, auch Kritik von deutscher Seite.

„Der Siedlungsbau ist falsch und völkerrechtlich mehr als fragwürdig“, formuliert Beck denn auch klar und deutlich. Dabei dürfe man keinesfalls dem Trugschluss verfallen, dass ein Stopp des Siedlungsbaus den Frieden bringe. Der Bau illegaler Siedlungen auf palästinensischem Land erschüttere allerdings die Glaubwürdigkeit Israels in der Staatengemeinschaft und isoliere die Regierung in Jerusalem international.

„Dass jetzt die israelische Regierung vom Obersten Gerichtshof des Landes für illegal erklärte Siedlungen per Gesetz legalisiert, macht die Sache nicht besser“, mahnt Beck, und verweist auf das entsprechende, im Februar in dritter Lesung von der Knesset beschlossene Gesetz. Die im Friedensprozess anvisierte Zweistaatenlösung, die neben Israel einen lebensfähigen palästinensischen Staat vorsehe, werde damit torpediert. Dies habe die Parlamentariergruppe auch bei ihrem jüngsten Besuch in Jerusalem deutlich und klar vertreten.

Hightech-Standort, Urlaubsland

Wenn Volker Beck über Israel redet, ist es ihm ein Anliegen, ein faires und möglichst umfassendes Bild des Landes zu vermitteln. „Israel ist mehr als nur Teil einer Konfliktregion“, so der Grünen-Politiker. Im Gegenteil. Es handele sich um ein sehr lebenswertes und modernes Land, dessen Lebens- und Arbeitsbedingungen mit denen klassischer Industrieländer vergleichbar seien. Israel habe sich dabei in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der weltweit führenden Hightech-Standorte entwickelt, mit einer boomenden Szene von Start-up-Unternehmen und sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften. Das Mittelmeerland mit seinen jahrtausendealten Kultur- und Kultstätten, seinen Stränden und Metropolen am Meer ziehe zudem Touristen aus aller Welt an.

Wie weltoffen und liberal das heutige Israel ist, macht Beck auch daran deutlich, wie Gesellschaft und Politik dort mit dem Thema Gleichgeschlechtlichkeit umgehen. „Bei der Gleichstellung Homosexueller ist Israel fortschrittlicher und weiter als Deutschland.“ So sei Israel das erste Land, in dem Homosexuelle in der Armee sämtliche Positionen bekleiden dürften. Gleichgeschlechtliche, im Ausland geschlossene Ehen israelischer Staatsbürger, würden in Israel anerkannt.

Politisch konservativ oder liberal zu sein bedeute im Übrigen in Israel etwas anderes als in Europa: Im Nahen Osten orientiere sich das politische Spektrum sehr stark am Umgang mit der Sicherheitsfrage, erklärt Beck, sodass auch Politiker, die dem rechten Spektrum zuzuordnen seien, in gesellschaftlichen Fragen sehr liberal auftreten könnten oder sich sozial engagierten.

Delegationsreise ins Partnerland

Einen aktuellen eigenen Eindruck von Israel gewannen die deutschen Abgeordneten bei ihrer jüngsten Delegationsreise im Februar 2017 in das Partnerland. Die Parlamentarier besuchten das israelische Parlament und trafen dort ihre israelischen Kolleginnen und Kollegen der Israelisch-Deutschen Freundschaftsgruppe. Sie führten Gespräche mit den Fraktions- und Parteivorsitzenden der Regierungskoalition und der Opposition und wurden von Knesset-Präsident Yuli-Yoel Edelstein empfangen. Dieser dankte dem deutschen Delegationsleiter Volker Beck bei einer Plenarsitzung für dessen Verdienste um die deutsch-israelische Freundschaft.

Das Programm umfasste zudem Treffen mit Mitgliedern der Regierung und Mitarbeitern mehrerer Ministerien und Behörden. Beim Inlandsgeheimdienst bekamen die Deutschen Einblick in die israelische Terrorismusbekämpfung. Mit Vertretern des Digital Israel Bureau sprachen sie über den Technologiestandort Israel und den wissenschaftlichen Austausch mit Deutschland.

Zu den Gesprächsthemen mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen sowie deutschen und israelischen Journalisten gehörten die neue, restriktive NGO-Gesetzgebung der Regierung, aber auch der Dialog zwischen Israelis und Palästinensern.

„Israel nicht allein lassen“

Die Bundestagsabgeordneten besuchten in Jerusalem außerdem die Holocaust-Gendenkstätte Yad Vashem. In Haifa pflanzten sie gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Rivlin als Zeichen der Solidarität Bäume. Ende 2016 hatten Brände im Norden Israels große Schäden an Natur und Bauwerken angerichtet.

Sich zu der historischen Verantwortung Deutschlands bekennen bedeute, Israel mit seinen gegenwärtigen Problemen nicht allein zu lassen – diesem Grundsatz folgt Beck in seinem Engagement für Israel. Hierzulande sieht er es als seine Aufgabe, das Wissen über das nahöstliche Land zu verbreitern und damit einen Bildungsbeitrag gegen Vorurteile zu leisten.

Parlamentarier wollen Verständigungsgrundlage schaffen

Neben einer Delegationsreise pro Wahlperiode, die von einem Gegenbesuch erwidert wird, absolvieren die Mitglieder der Gruppe zahlreiche Einzelbesuche und -gespräche. In seiner Funktion als Vorsitzender besuche er pro Monat drei bis vier Veranstaltungen, erzählt Beck, in jüdischen Gemeinden, Vereinen oder an Universitäten. Er höre dort vor allem zu, pflege Kontakte, halte gelegentlich auch selber Vorträge. Die Parlamentariergruppe wolle eine Verständigungsgrundlage bereiten für den politischen Prozess zwischen beiden Staaten und Gesellschaften, erklärt Beck. „Wir leben vom Dialog.“

„Die Nachhaltigkeit unserer Arbeit resultiert aber vor allem aus der Vielzahl der Mitglieder und Vielfalt der Meinungen“, betont Beck. „Dass so viele in unserer Gruppe mitmachen ist ein Vorteil. Ich versuche, alle einzubeziehen und den Vorsitz nicht zu monopolisieren“, erklärt Beck über seinen Führungsstil. Dabei gelinge im Vorstand mit seinen drei Stellvertretern trotzdem immer eine rasche Abstimmung über alle anstehenden Fragen.

Begeisterung für Israel

Der Bezug zu Israel zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Beck, auch vor und neben seiner Tätigkeit als Mitglied des Deutschen Bundestages. So arbeitet Beck regelmäßig mit verschiedenen Opferverbänden im In- und Ausland zusammen und war Vorsitzender des Hessischen Härtefonds für NS-Verfolgte, dessen Aufgabe die Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus ist, wo Juden zu der größten Opfergruppe gehörten. Zu einem breiten Engagement in den deutsch-israelischen Beziehungen möchte er auch die jüngeren Abgeordneten der Parlamentariergruppe motivieren.

Als bundesweit bekannter Politiker stößt Beck dabei regelmäßig auf Widerstand, bis hin zu antisemitischen Kommentaren. „Natürlich bekommt man auch Gegenwind“, räumt Beck ein, aber die Zustimmung zu seiner Arbeit überwiege bei weitem die Ablehnung. Dies und die Erfolge des eigenen Tuns seien die beste Motivation. (ll/10.04.2017)

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